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Ihilofophie und Geſchichte.
Meunter Theil.
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Stuttgart und Tübingen,
dur © Botta'tthen Buchhandiung.
a" 18628
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Fer ad eo wagdur
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Fir. Chonet FFare or CanLaıtd
Ni 19, 1358 |
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Seele um Spott,
Von
Sohann Gottfried von Herder,
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Herausgegeben
durch
Johann Georg Muͤller.
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Stuttgart und Tuͤbingen,
\nder U ©. EGotta'ſchen Buchhandlung
18238
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Vom
Erkennen und Empfinden
ber
| menſchlichen Seele.
Bemerkungen und Traͤume.
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v all α osdas Moser EpyErcı zu AB vnayı.
1778.
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Est Deus in nobis, agitante calescimus Ile,
Virg.
Sreſter WBerſuoch.
Bam“ Erbennen und: Empfinden: in. ihrem
menſchlichen Urfprunge und den ©efegen
Ihrer. Wirkung.
In allem, was wir todte Matur nommen, ken⸗
en wir keinen Inuern Zuſtand. Wir ſprechen taͤg⸗
ip dad Wert Schwere, Stoß, Fall, Bewer
gung, Ruhe, Kraft, fogar: Kraft der Träge
Heit aus,. und. wer weiß, was es, inwendig der.
Gache ſelbſt bedente?-
Ze mehr wir indeß das große Schaufplel wir:
Texder Keäfte in der Natur ſinnend anfehen, deſto
weniger koͤnnen wir umhin, uͤberall Aehnlichkeit
mit und. zu fühlen, alles mit unfrer Empfindung
zu beieben. Mir ſprechen von Wirkſamkeit und
Ruhe, von eigner oder empfangener, von bleiben⸗
der oder fich. fortyflanzender, tobter oder lebendiger
Kraft vdllig aus unfrer Seele. Schwere ſcheint uns
ein Seguen zum Mittelpunkte, zum Ziel und Drt der
Rabe; Traͤgheit die Heine Theilruhe auf fei-
wem eignen Mittelpunkte, durch Sufammenhang mit
(m Feist; Bewegung ein fremder Trieb, ein
miteetheiltes fortwirkendes Streben, das die Ruhe
überwindet, fremder Dinge Ruhe ftöret, bis es bie
feinige wieder findet. Welche wunderbare Erſchei⸗
nung iſt die Elaſticitaͤt! ſchon eine Art Auto
mat, das ſich zwar nicht Bewegung geben, aber wies
berherftellen kann: der erſte ſcheinbare Zunfe zur
Thätigkeit in eblen Naturen. Jener griechiſche
Weife, der das Syftem Newtons im Traum ahnte,
ſprach von Liebe und Haß ber Körper: ber gro⸗
fe Magnetismus In ber Natur, ber anziehet und
fortftößt, ift lange ald Seele der Welt betrad:
tet worden. So Wärme und Kälte, und bie
feinfte edelſte Wärme, ber eleftrifhe Strom,
dieſe fonderbare Erſcheinung bes großen, allgegen⸗
wärtigen Lebensgeiſtes. So das große Geheimniß
ber Fortbildung, Verjängung, Verfeines
tung aller Welen, biefer Abgrund von Haß und
Liebe, Anziehung unb Verwandlung in fich und aus
ſich: — der empfindende Menfch fühlt ſich in alles,
fuͤhlt alles aus fi heraus, umb drudt darauf fein
Bid, fein Gepraͤge. So ward Newton in fel-
nem Weltzebäude wider Willen ein Dichter, wie
Buffon in feiner Kosmogonie, und Leibnis in
feiner präftabilirten Harmonie und Monadenlehre.
Wie unfre ganze Pfochologie aus Bildwoͤrtern beftes
bet, fo war es meiftend Ein neues Bild, Eine
Analogie, Ein auffallendes Gleichniß, das bie größ-
ten und Fühnften Theorien geboren. Die Weltwei⸗
fen, die gegen die Bilderſprache deklamiren, und
felbft lauter alten, oft unverftanbnen Bildgoͤtzen die⸗
nen, find wenigftens mit ſich felbft ſehr uneinig.
Sie wollen nicht, daß neues Gold geprägt werde,
da fie doch nichts thun, als aus eben ſolchem, oft
= 9 |
vl Flchtern Geibe ewig un ewig Defefken Bi.
pinnen.
Aber wie? iſt in dieſer „Analogie zum
Menfhen‘ and Wahrheit? Menſchliche Wahr⸗
heit gewiß, und von einer höheren hebe ich, fo lange
\aMenfch bin, Feine Kunde. Mic kümmert die uͤber⸗
irdiſche Abſtraktion fehr wenig, die fih aus allem,
ws „Kreis unfres Denkens und Em-
pfindens“ heißt, ich weiß nicht auf weichen Thron -
der Gottheit fehet, da Wortwelten fchafft und über
led Mögliche und Wirkliche richtet, Was wir
wiffen, wiſſen wir nur aus Analogie, von ber Krea⸗
tur zu und und von ung zum Schöpfer. Soll id
alfo dem nicht trauen, ber mic in biefen Kreis von
Empfindungen und Yehnlichkeit ſetzte, mir keinen
oudern Schliäffel, in das Innere der Dinge einzu⸗
dringen, gab, als mein Gepräge oder vielmehr das
wiederglängende Bild feines In meinem Geiſte; men
fol ich denn trauen und glauben? Sollogismen koͤn⸗
nen mich nichts lehren, wo ed aufs erfte Em⸗
pfaͤngniß der Wahrheit anfommt, bie ia jene
une entwiceln, nachdem fie empfangen tft; mithin
iſt das Gefhwäs von Worterflärungen und Beweis.
fen meiſtens nur ein Brettfpiel, das auf angenom⸗
menen Regeln und Hypotheſen ruhet. Die ftille
Aehnlichkeit, die ich Im Ganzen meiner Schöpfung,
meiner Seele und meines Lebens empfinde und
ahne; der große Geiſt, der mich anmwehet und mir
Im Kleinen und Großen, in der fihtbaren und un-
fichtbaren Welt Einen Gang, Einerlei Geſetze zei⸗
get — der iſt mein Siegel der Wahrheit. Gluͤcklich
wenn es auch dieſe Schrift auf fich hätte, und ſtille,
% —
10
shättge: Lefer, Goellbih fie audre uicht ſchecibe
eben dieſelbe Analogie, das Gefuͤhl vom. dem
Einen, ver in: aller Mannigfattigkeit hereſchet, em⸗
pfandon! Ich ſchaͤme ‚und nicht, an den VBraſten
Meier großen- Mutter- Natur nur aldı ein. Hub zu
fangen, faufe nach Bidern, nah Aehnlihtelten,
nach Geſehen der-Kebereiaftimmung zu Einem, weit
ich kein andres Spiel meiner. bentenden. Kräfte
wenn ja gebacht werben muß) fenne, und glaube
uͤbrigens, daß Homer und Sophotled, Dans
te, Shakeſpear und Rlopfed der Piycholo⸗
gie amd -Meniheutenasnif mehr-Stoff. geitefert. has
den, ats ſelbſt die: Ariftateles und Lelbnine
aller Voͤlker und Zeiten. '
. 1. Vom Weiz. |
Tlefer kuaͤnnen wir.wohl die Empfindung in th-
rem Werben. nicht hinabbegleiten, als zu dem foua=
derbaren Phänomenen, das. Haller „Melz‘. ges
nannt hat. Das gereiste Faͤſerchen zieht. ich zu:
fammen , und breitet. fi wieder aus; vielleicht ein
Stamen, das erfte glimmende Zünkleln zur. Empfin-
dung, zu. dem ſich Die todte Materie durch. viele
Gänge, und Stufen bed Mechanismus und Der. Orga⸗
niſation hinaufgeläutert. — Sp klein und dunfel
diefer Anfang des edlen Vermoͤgens, das ‚wir. Em⸗
pfinden nennen, ſcheine, fo wichtig muß er ſeyn,
fo viel wird. durch Ihn ausgerichtet. - Ohne Samen⸗
roͤrner iſt keine Ernte, kein Gewaͤchs ohne zarte
Wurzeln.und Staubfäden, und vieleicht wären uufre
görtlipften Kräfte nicht. ohue dieſe Ausſaat ‚dunkler
Megungen und Reize. .
Schon in der thierifhen Natur, was für Laften
En
l
1
find ante aut Wirkſaackelt eines Muskels
geburdet!Wie mehr ziehen diefe kteinen dunnen
Siieryen,: ld eE nach den Gete hen des Mecutide
nens grobe· Srricke thun wirben! Wohet· num Biete
frbehere Eraft ala: vielleiche eben durch Drieb fedorn
det imern⸗Rei⸗z e⸗ NDie Natur hat kauſend bue
lebendige Steitte in tauſendfachem Kampf im ein
fo vleifaches Boruaͤhren und Widerſtreden verſloch⸗
ten: ſie kuͤrzen and laͤngen ſich mit Immerer Kraft,
nehmen · am Spiele des Muskels, jeder auf ſeine
VSetſe, Deeil, dadurch traͤgt and-giehet jener. Hat
un je und: Wounderbarers gefehen, ale ein: fchlas
dendes „Herg.-wilt. Felnem unerſchoͤpfilhen Reize?
Ela Abgrund. innerer. dauler Kraͤfte, das wahre -
Vuld der organiſchen/ Almacht, die vielleicht. inniger
Ik, als der Schwung ber Sonnen -und: Erden, —
Web. um breitet ſich aus: dieſem unerſchoͤrfilchen
Dramen und Abgrunde der Reiz durch unſer ganzes
Ahaus, belebt jede kleine ſoielende Flber — alles
naqch einartigem, einfachem Geſetze. Wenn wir uns
wol beſiaden, iſt unſre Bruſt weit, das Herz
qlaͤct geſund, jede Fiber verrichtet ihr Amt im
Eriele. Da faͤhrt Schrecken auf uns zu; und
flehe, als erfie Bewegung, noch ohne Gedanken von
Bucht ru Wlderfand, tritt unſer relzbares Ich auf
feinen Mittelpuukt zuräd, das Blut zum Herzen,
bie Fiber, felbfh: daB. Haar, ftarıt empor; gleich⸗
ſam ehr organiſcher Bote zus Gegenwehrz die Wache
ſteht ſertig. Zorn Im erfien Anfall, ein zum Wi⸗
derſtande ſich regendes Kriegäheer,. wie rüttelt er
da Herz, tkeibt das Blut in bie Grenzen, auf
Wangen, in Adern, Flamme in die Augen —
12
mersos dE era ıppaves autpıpelayar -
Ilynioyı , 066€ Je os nugı Aapnerowvrs sıxımv.
. Die Hände ſtreben, find Fräftiger und ftärker. Muth
bebt die Bruft, Lebensothem die wehende Nafe, .
das Geſchoͤpf kennet Keine Gefahr. Lauter Phaͤno⸗
mene des Aufregens unfrer Reize beim Schre=
den, bes gewaltfamen Fortdranges beiim Zorne.
Hingegen bie. Liebe, wie fänftiget fie und ‚milder!
Das Herz wallet, aber nicht zu zerftören, das Feuer
fileßet, aber nur, daß es hinuͤber walle und feine
fanfte Gluth verhauche. Das Geſchoͤpf ſucht Vers
einigung, Auflöfung, Zerſchmelzung: der
Fiberbau weitet fih, tft wie Im Umfaſſen eines Au⸗
dern, und kommt mur daun wieder, wenn fih das
hinuͤberwallende Geſchoͤpf wieder allein, ein abge⸗
trenntes iſolirtes Eins, fuͤhlet. Noch alſo in den
verflochtenſten Empfindungen und Leidenſchaften unſe⸗
rer ſo zuſammengeſetzten Maſchine wird das Eine
Geſetz ſichtbar, das die kleine Fiber mit ihrem
glimmenden Fuͤnklein von Reize regte, naͤmlich:
Schmerz, Beruͤhrung eines Fremden zieht zu⸗
ſammen: da ſammelt ſich die Kraft, vermehrt
ſich zum Widerſtande und ſtellt ſich wieder her.
Wohlſeyn und liebliche Waͤrme breitet aus,
macht Ruhe, fanften Genuß und Aufloͤſung. Was
in der todten Natur Ausbreitung und Surädziehung,
Waͤrme und Kälte iſt, das fheinen bier diefe dunk⸗
len Stamina des Reizes zur Empfindung: eine
Ebbe und Fluth, in der fi, wie das Weltall, fo
bie ganze empfindende Natur ber Menſchen, Thiere,
and wo fie ſich weiter hinab erftredte, bewegt und
reget.
153
Die zu allem gehört auch hlezu Modulation,
Maß, fanfte Mifhung und Fortſchreitung.
Furcht und Freude, Schreden und Zorn — was plöß-
lich wie ein Blitzſtrahl trifft, kaum auch wie ein Blitz⸗
ſtrahl toͤdten. Die Fiber (mechaniſch zu reden), bie
ſich ausbreitete, kann nicht zuräd; die ſich zuruͤck⸗
309, kann ſich nicht wieder laͤngern: Todesſchlag
hemmete ihr Spiel. Jeder treffende Affekt, ſelbſt
die ſanfte Scham, kann ploͤtzlich toͤdten.
Sanfte Empfindungen ſind freilich nicht ſo ge⸗
waltſam, aber ununterbrochen zerſtoͤren ſie gleich⸗
falls. Sie ermatten, machen ſtumpf und kraftlos.
Wie mancher Spbarit iſt unter Kitzein und Roſen⸗
duͤften, gewiß nicht eines ſanften Todes, bei leben⸗
dem Leibe verblichen.
Sind wir ganz ohne Reiz — grauſame Krank⸗
beit! fie heißt Wuͤſte, Langewelle, Kloſter. Die
Safer zehrt gleihfam an fich felbit, der Roſt fript
das müßige Schwert. Daher jener verhaltene Haß,
der nicht Born werben kann, der elende Neid,
der niht That werden kann, Neue, Traurig:
Leit, Verzweiflung, die weder zurädrufen noch
beſſern — graufame Schlangen, die am Herzen bes
Menſchen nagen. Stile Wuth, Efel, Verdruß mit
Ohnmacht, iſt der Höllenwolf, der an fich ſelbſt frißt.
Zum Empfangen und Geben tft der Menfch ges
fhaffen, zu Wirkſamkelt und Freude, zum Thun
und Leiden. Im Wohlſeyn faugt fein Körper und
duftet, empfänget leicht und wird ihm leicht zu ge⸗
ben: die Natur thut ihm, er der Natur fanfte Ges
walt an.. In diefer Anziehung und Ausbreitung,
pP
14
Thaͤtigheit sub Ruhe llagt Geſundheit und Gluͤck
des Lebens.
Jo bin auf die Preisſrage beglezig :: was das
„Othemhelen eigentlich fuͤr Wirkungen im lebendi⸗
„gem Roͤrper besvorbeiuge ?‘‘ Zu meinem Dipe te. bes
trachte ich's bier. nur ebonmaͤßig als don harmeni⸗
ſchen⸗ Takt, mit dem die Natar wafre: Maſchine
aingen wad mit Lebensgeiſt anhauchen wollte. So
iſt ſie, bis anf die feiaſten Werkzeuge der Empfie-
dungen und Gedanken in ewiger Anſtrengung und
Erhelung: alles arbeitet, wie jene Steine, zur
Leler Amphions. Durch's Othembolen wird’ daB
Kind, das Pflanze gewefen war, Thier. " Bel’ ki
nem Kranken, bei einem Aechzenden, wie gibt das _
Othemholen Muth, dahingegen jeder Seufzer glelig-
fam Kräfte verhaucht. „Lobd ſey den Allmäditigen,
„fagt: ver perfifihe Dichter Sadi, für jeden Lebens⸗
„othem. Ein Athen, den nran-in ſich zeucht, ſtaͤr⸗
„ter, ein Athem, den man von ſich laͤßt, erfreuet
„das Reden: In jedem Athemzuge find zwolerlei
„Gnaden.“ — Wie jede Prelsader ſchlaͤgt, wie nur
durch Zuſammenziehung das Herz Kraft beſommt,
den Lebeusitrum, ausbreitend, fortzuſhleßen;ſo
muß and vor außen der Luſthauch kommen, eh in
Modulationen sir-ergutdten: mid- zu beteben. Alles
ſcheint nach Einerlei Geſetzen geordnet. — Did
ich wuͤrde nicht fertig werden, dieß große Phaͤnome⸗
non·von Wirkung und Ruhe Zufamenziehung usb
Aus breitung durch alle feine Wogo zu verfolgen; laſ⸗
fet uns woiter hin eilen!
ein wchaniſches aber: uͤbe naechaniſches Spiel
⸗
}-
a5
wei: Ausbreiten und! Aufuninehzlehen fagt wendig
ober nihts, wenn nicht: vom innen uub’nußen fm
Die: Urſache deſſelben voraugeſetzt wiirde, „Rei,
Leben. Der Schöpfer: muß win: geiſtiges Band
geknaͤpfti hahen, bap:gewille Dinge: biafem empfi-
denden Theil aͤhnlich / andre wihrig find -—- ein Band,
das / vonteiner Mechauuk abhnngt⸗das ſich micht wal⸗
ter erklaͤren laͤßt, indeß gegteuht werden mn,
weil es da ft, weit es ſich in hunderttauſend Et⸗
ſcheimmgenz eñtget. Sieh jene Pflanze, Deu ſcho⸗
aen Ba organiſcher Fiheen! Wie kehrt, wie wen⸗
det ſie ihre Puͤtter, den Tyan zu trinken, der ſie
erquithet! Sie: fett und drehet ihre Wurzel, bis
‚ge ſtehet: jede Stände, jedes Baͤumcben beugt
ſich nach friſcher Luſt, ſo vlel ed Hann: Die Bhune
oͤſfaet ſich der. Ankunft Ihres Braͤutigams, der
Eome. Wie ichen manche Wurzela unter der
Erbe thren Feind, wie ſpaͤhen und fuchen ſie ſich
Hain uudNahrung!) Wie mnnıderbar: ewig laͤntert
eine Pflanze fremden Saft zu. Theilen ihres feinern
Seibſt, waͤchſt, liebt, gibt md‘ empfängt Samen
auf den Fittigen des Zephyrs, treibt lebende Ab⸗
dräde von ſich, Blaͤner, Keime, Bluͤthen, Fruͤchte;
indeß altet fie, „verliert allmaͤlich ihre Reize zu em⸗
pfanpen und ihre Kraft, erneut zu geben, ſtirbt —
eit —— Wunder von der Mächt: des Lebens
und ſeiner Wirkung in einem organiſchen: Pflan⸗
genförper.
Durchſchauten wir Dem unendlich ‚feinen. und
verftochtenen Thierlörper;\ wuͤrden wir: nicht eben⸗
fais: jede Fiber, jeden Muüstel, jeden reizbaren
Eyälsta demfeiben Amt, und In derfelden ‚Kraft
16
en, fih @aft des Lebens zu ſuchen nacı feiner
Weile? Biut und Milchſaft, werden fie nicht
“ yom allen Faſern und Dräfen beraubt? Jede fact,
was ihr noth thut, gewiß nicht ohne entfprechende
Annere Befriedigung. Hunger und Durjt in dei
ganzen Mafchine eines thierifhen Körperd — weicht
möctigen Gtadelu und Triebe! nad warum find fe
fo mächtig, als weil fie ein Nogregat find ale ber
Yumklen Winfche, der verlangenden Sehnſucht,
der jeder Heine Lebensbuſch unfres Körpers,
Befriedigung und Erhaltung feiner felbit duͤrſtet.
iſt die Stimme eines Meers von Wellen, deren GA“
fi dunkler und lauter in einander verlleret FAR?
nach Saft und Leben duͤrſtender Blumengarten.
Jede Blume will ihr Werk treiben, empfangen, ge⸗
meßen, fortläutern, geben. Das Kraut zehrt
Waſſer und Erde und laͤutert fie zu Theilen von ſich
hinauf: das Thier macht unedlere Kräuter zu ed⸗
ferm Thierfafte: ber Menfh verwandelt Kraͤutet
und Thiere in organifhe Theile feines gebent,
Bringt fie in die Bearbeitung höherer, feineret
Relze. So läutert ſich alles hinauf: höheres Leben
mu6 von geringerm, durch Uufopferung und ger
ftörung werden. - Pa
Endlich der tieffte‘ Reiz, fo wie ber mächtigfte
Hunger und Durft, die Liebe! Daß fih zwei Wer
fen paaren, fich In ihrem Beduͤrfniß und Werlangen «
Ging fühlen; daß ihre gemeinfhaftlihe Regung, der |
ganze Brunn organifher Kräfte wechfelfeitig Eind y
iſt und ein Drittes wird in beider Bilde — welde 4
. Wirkung des Reizes im ganzen lebenden Ich anlmazt
Ufer Weſen! Thiere haben ſich noch ohne Hauptu
begatten
87
Yiebenfiteme:. ber Funke dee Schöpfung zündet mb.
es wird ein. neues Ich, bie Toilebfeder neuer Em⸗
Moaroen und Drlse, otn drittes Hera ſchlast.
&
2 Mi. *
—8 „uber den Unſprung ber —— —
ſp ſenderber auechariſche Traͤume gehabt, als
os ke wehrlich von Leim und. Roth gemacht wären.
he irgen ge im Monde, im Umbus, md war⸗
t:., vhne Weifel nackt mowkalt, auf ihre praͤſta⸗
biete Scheiben, ober Uhren, ober Kleider, bie
neh angekichheten Leiter; uun iſt Gehaͤuſe, Kleid/
Uhr fertie und der arme, ſo lange muͤßige Einwoh⸗
vor, wird wechaniſch hinzugefuͤhrt, daß er — bei‘
Leider nicht in fie wirke, ſondern nur mit ihr praͤſta⸗
bilirt / harmoniſch, Gedanken and ſich ſpiune, wie er
fie end) dort km Limbus ſpaun, und. ſie, die Uhr des
Koͤrpers, ihm gleich ſchlage. Es iſt wohl über die
umeshrlihe Dürftigkeit bes Syſtkus nichts zu fa=
genz aber, was dazu. Anlaß geben koͤnnen, wird
mir ſchwer zu denlen. Iſt Kraft da in ber Natur,
Die aus zween Koͤrpern, bloß durch. organiſchen
Reiz, einen dritten: bilde, ber. die ganze gelftige
Rate feiner Eitern habe, wie wir's an jeder Blume
und Pflanze ſehen: Hit Kraft ba in ber Natur, daß
zwo reizbare Fibern, auf gewiſſe Weife verflochten,.
einen Meiz geben, der aus Einer nicht entſtehen
annte and jetzt von neuer Art iſt, wie und, duͤnkt
ih, jaber Stan, ja jeder Mustel analogifch ses
GSerders Werke z. Philoſ. u. Geſch. K. 2
n-
—
18
get; iſt endlich Kraft da, aus zwei Koͤrpern, die
uns todt duͤnken, aus der Vermiſchung zweier Ele⸗
mente, wenn's die Natur thut, einen dritten dar⸗
zuſtellen, der den vorigen aͤhnlich, aber ein neues
Ding iſt, und, durch Kunſt in jene aufgeloͤſt, all
ſeine Kraft verlieret; iſt dieß alles, ſo unbegreif⸗
lich es ſeyn mag, da und nicht zu laͤngnen — mer iſt
nun, der den Gang der Analogie, den großen Gang
der Schoͤpfung mit ſeinem Federmeſſerchen hier
ploͤtzlich abſchneide, und ſage, daß der eroͤffnete Ab⸗
grund des Reizes zweener durch und durch organi⸗
ſchen, lebenden Weſen, ohne den ja beide nichts
als todte Erdklumpen waͤren, jetzt in groͤßter Innig⸗
keit des Fortſtrebens und der Vereinigung, kelnen
Abdruck von fich darſtellen koͤnne, in dem alle feine
‚Kräfte leben. Hat das Herz Macht, Empfindungen,
die um bdaffelbe gelagert find, fo zu einen, daß
Ein Trieb, Eine Begierde werde: hat ber Kopf
Macht, Empfindungen, die den Körper durchwal⸗
len, in Eine Borftellung zu fallen, und jene durch
dieſe, die fo andrer Natur fcheint, zu lenken;
wie, daß nicht aus ber Flamme aller vereinigten
Reize und Leben ein Lebensfunte, gleihfam im
ſchnellen Fluge und alfo über den kriechend langſamen
Gang mechaniſcher Stod= und Triebwerke weit hin⸗
aus, zu einer neuen höhern Stufe feiner Läuterung
walle, und als Abguß aller Kräfte zweier für ein-
ander gefchaffener Wefen, erſtes Principium eines
Lebens höherer Ordnung werde? Keimt nicht alle&
Leben weiter? laͤutert ſich nicht jeder Funke der
Schöpfung durch Kandle zu feinerer Flamme hinauf?
und hier fprang ia der befeeltefte Funke bes Reizes
| 19 ‘
mb der Ehöpfungskraft zweener durch und durch
befeelten Weſen. .
Sch fage nicht, daß ich hiemit was erklaͤre;
ich dabe noch Feine Philoſophie gekannt, die, was
Kraft fep, erkläre, es rege fich Kraft in Einem
Der in zween Weſen. Was Philofophie thut, iſt
bemerken, unter einander ordnen, erläutern,
| nahdem fie Kraft, Reiz, Wirkung ſchon Immer
vorausſetzt. Nun begreife ich nicht, warum
Man, wenn fi in jedem Einzelnen nichts er⸗
Hirn läßt, die Wirkung des Einen in's Andre
laͤugnen und Erfcheinungen dee Natur in der Ber:
Einigung zweler Hohn fprechen müßte, die man bei
jedem einzeln unerklärt annimmt. Wer nie
fügt, was Kraft in der Seele fey und wie fie in ihr
wirle, dem will ich gleich erflären, wie fie außer
h, auch anf andre Seelen, auch auf Koͤrper wirke,
die eleicht nicht in der Natur durch ſolche Bretter⸗
Winde yon der Seele (vurn) geſchieden find, ale
fe die Klammern unfrer Detaphyfif ſcheiben. ueber⸗
haupt iſt in der Natur nichts gefchleden; alles fließt
durch anmerkliche Uebergange auf⸗ und Ineinanter;
und gewiß, was Leben in der Schöpfung fft, iſt in
Men Beftalten, Formen und Kandien nur Ein .
» Eine Flamme.
Jnfonderheit, duͤnkt mich, hätte dem Erfinder
es Monadenpoems das Syftem präftabilicter Har⸗
Monie fremde ſeyn dürfen, denn mir fcheint 8, beide
heſtehen nicht wohl bei einander. Niemand fagte
4 beſſer, als Leibnis, daß der Körper, als fol-
der, nur Phänomenen von Subſtauzen fen, wie
die Milchſtraße von Sternen und bie Wolfe von
+
20‘ e
ropfen. Selbſt bie Bewegung fuchte Leibnitz
ja als Erſcheinung eines Innern Zuſtandes zu
erklären, den wir nicht Fennen, der: aber Vorſtel⸗
-
4
lung ſeyn Fönnte, weil und fonft kein innerer Bus:
wi
ſtand hekannt iſt. Wie, und auf.diefen Innern Zu⸗
ſtand der Kraͤfte und Gubftangen ihres Koͤrpers
könnte die Seele, als ſolche, nicht wirken? ſie, die
ja von ber Natur jener und. ſelbſt innigſte, wirkendate
Kraft iſt. Sie herrſchte alſo nur im Gebiet ihrer
Schweſtern, lauter ihr aͤhnlichen Weſen, und.
koͤnnte fie da nicht bereichen?
E Zu as:
Doc es iſt zu früh, einzelnen Folgerungen Raum
zu.gebent wir ‚bleiben noch bet Erſcheinungen der
ganzen Mafchine. Der innere Menfh mit all ſei⸗
-nemw.dunffen Kräften, Nelgen und Trieben aiſt nur
Einer. Alle Leldenfhaften, um's. Herz gelanert,
und mancherlei Werkzeuge regend, hangen durch.
unfichtbare Bande zufammen, und fhlagen Wurzel:
im fehuften Ban unfrer befeelten. Fibera. Jedes
Faͤſerchen, wenn wir's einfehen- Fonnten, gabört
ohne: Zweifel mit dazu, jedes: engere und meisere:
Gefäß, jede ſtaͤrker und ſchwaͤcher wallende Blut⸗
Fugel. Der Muth: des Löwen wie die Furchtfamkeit
dee Hafen, liegt in feinem befeelten Innern Baue.
Durch die engen Pulsadern des Loͤwen dringt das
waͤrmere Blut mit Gewalt bins der Hirſch hat ein
Herz mit weiten, offenen Gefäßen, sin ſcheuer Koͤ⸗
nig des Waldes, trotz ſeiner Krone. Zur Zeit der
Brunſt iſt indeß auch der ſcheue Hirſch kuͤhn; es iſt A
die Beit feiner .erregten Reize und vermehrten Ins
nern Wärme. .- x
z -21
Im Abgrunde des Rekzes und ſolcher dumkoln
Rrafte Liegt im Menſchen und Tpferen der Same zu
‚aller Leldenſchaft und Unternehmung. Mehr oder
. "minder Reiz des Herzens und feiner Diener macht
Helden nber Felge, Helden in der Liebe oder im
"Zurne, Das Herz Achills wurde in feinen Neben
von ſchwarzen Sora gerüttelt: es gehoͤrte die Reiz⸗
darkelt dazu, ein Achtlles zu werden. Der ſatte
Awe hat feinen Muth verloren, ein Weih Kann ihn
jagen; ein hungriger Wolf aber,. Geler, Lime —
‚wie maͤchtige @eröpfel
Die Tanieriiar women meiflens ie froͤhtieſen
WMenſchen, Männer ven offener,: uekter "Beh: oft
tener iſt, wie an Stimme, ſo an Handlaug ein eben
‚seblänkener Juͤngling ohne Keaft und tiefen Ainghrum.
7 Die Inaigleit Kiefe und Wwbreiaung, mit der
Wir Letdenchait enipfungen, versnbeitan und · ſort⸗
Manzen, macht und zu den Sachen oder tiefen Ge⸗
‚fen, Die mir ſind. Oft Uegen vater dem Sinenh-
fell Urfachen, die wir ſehr unrichtig und muͤhfam
des Kopie schen; 'her Gedunke Laun dahin wicht
dommen, mem nicht die Eupfindang verher oan
Ührem Orte war. Wie fern wir am dem, 8
Mn nt, Theil nehmen, wie tief Liche ‚ned
aD, Etel und Abſchen, Verdruß und Wolaft- Ihre
Barzein in und ſchlagen; bas:ftimmtäss Selten:
Mmiel umfeer Qedanlen, des macht und zu drum
Wanſchen, die wir ud. er
‚Bor ſolhem Abgrunde dunkter Empfindungen,
Traͤfte und Reize graut nun unfeer heilen und klaren
——
22
pyilsſophle am meiften: fie ſeguet ſich davor, als
vor der Höhle uniterfter Seelenfräfte, und mag
lieber auf dem Leibnisifchen Schachhrett mit einigen
tauben Wörtern und Klaffififationen von Dunkeln .
und Flaren, deutlihen und verworrenen
Ideen, vom Erkennen in und außer ſich, mit
ſich und ohne fih felbft m. dgl. fpielen. Diefe
Methode tft fo leicht und lieblich, daß man's ſchon
jam Srundfaß beliebt hat, lauter taube Wörter
in die Philoſophie einzuführen, bei denen man fo
wenig denken dürfe, als der Rechnende bei feinen
Zahlen: das werde der Philoſophie zur Bolllommens
heit der Mathematik verhelfen, daß man Immerfort
ſchließen Tönne, ohne zu beufen — eine Philoſo⸗
phie, vor der und ulle Mufen bewahren! Was
macht's eben, daß auch die gute wahre Phllofopble
fo tief hernieder gefommen iſt, als, weil man bet
ihr durch ganze Kapitel und Lehren über lauter All
gemeinworten nichts gedacht hat? Nothwendig wirft
die jeder gefunde Kopf bei Seite und ſpricht: „ich
„will bei jedem Worte was beſt immtes zu den—
ten baben, aud an jeder neuen Stelle, wo es
„sea vorkommt.’ Und mein! wie mangelhaft find
unſre metaphufifhen Begriffe und Wörter! welche
Sorgfamkeit bat man alfo nöthig‘, jeden Augenblick
den Begriff feftzubalten, genau zuzuſehen, ob es
noch in dieſem Fall derfelbe oder nur noch fein
“leeres Phantom fey? Meines geringen Erachtens
iſt keine Pſpchologie, die nicht Im jedem Schritte.
beſtimmte Phyſiologie ſey, möslih. Hals
lers phyſiologiſches Werk zur Pſpchologie erhoben
und wie Ppgmalions Statue mit Geiſt belebet —
|
|
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|
j 23
nisdann koͤnnen wir etwas uͤber's Denken und Em:
pfinden fagen.
Drei Wege weiß ich nur, die biezu führen moͤch⸗
ten: Lebensbeſchreibungen, Bemerkungen der Aerzte
and Freunde, Weiſſagungen ber Dichter — fie allein
Tonnen ums Stoff zur wahren Seelenlehre ſchaffen.
£ebensbefchretbungen, am meiſten von fi ſelbſt,
wenn fie treu und fcharffinnig find, welche tiefe Be⸗
fonderheiten würden fie Iiefern! Sind keine zwei
Dinge auf der Welt glei , bat kein Sergliederer
noch je zwo gleihe Adern, Drüfen, Muskeln und
Kanaͤle gefunden — man verfolge dieſe Verſchieden⸗
heit durch ein ganzes Menſchengebaͤude, bie zu je⸗
dem Fleinen Rabe, jedem Reiz und Dufte bes gei⸗
ſtigen Lebensſtromes — welche Unendlichkeit, wel-
‚her Abgrund! Ein Meer von Tiefen, wo Welle
über Welle fich regt, und wo alle Abftraftionen von
Aehnlichkeit, Klaſſe, allgemeiner Ordnung nur bret=
terne Wände des Beduͤrfniſſes oder bunte Katten⸗
haͤuſer zum Spiel find.
Hätte ein einzelner Menſch nun die Aufrichtige
keit und Treue, ſich felbft zu zeichnen, ganz,
wie er fich Fennet und fühlet: hätte er. Muths ge⸗
ung, in ben tiefen Abgrund platonifcher Erinnerung
Hinein zu ſchauen, und ſich nichts zu verfchweigen:
Muth genug, fi dur feinen ganzen belebten Bau,
durch fein ganzes Leben zu verfolgen, mit allem,
was ihm jeder Zeigefinger auf fein Inneres Ich zu=
wintet — welche lebendige Phyfioguomif würde dar⸗
ans werben, ohne Zweifel tiefer, ale aus dem Um⸗
riß von Stirn und Nafe. Kein Theil, glaube ich,
Fein Glied waͤre ohne Beitrag und Deutung. Er
4
_
Pr
‚wärbe und fagen 'Iauen: ‚Hier Thligt das Kam,
„matt; hier ift die Bruft platt und ungewoͤlbet, dort
„der Arm kraſtlos; hler keucht die umge, dort
„bmpft der Deruch; bier fehlt lebendiger Othem;
Seſicht, Ohr daͤmmert — der Körper bittirt mie
hfer ſchwach und vernorten, fo muB alſo amp We
„oder ba meine Seele ſchteiſben. Das ſehlt mir;
nba th jenes, und aus ſolhem Grunde, habe; —
Berfolgte der treue Gefchlchtfdriser ſein ſelbſt birß
ſodaunn durch alle Folgen, zeigte, daß kein Maugel
und Heine Kraft an Einem Ort bleibe ſondern ſort⸗
wire, und daß bie Seele wach ſolchen gegebnen
Formeln unvermusper fortſchließe: zeigte, wie jede
SHiefgeit und Kälte, jede falſche Kosnbination und
fehlende Regung nochweudig immer vorlommen und
in jeder Wirkung man den Abdruck ſeines gamzen Ich
mit Kraft und Mangel Hefern müffe — weiche
Lehrende Gruempel waͤren Beſchreibungen von ‚der
Art! Das werbon philoſophiſche Zeiten feyu, wenn
man ſolche ſchreibt; nicht, da man ſich und alle
Meuſchengeſchichte in allgemeine Formeln und Wort⸗
uebel einhuͤllet. Wenn der Stoiker Lipfſins und
naudre feines Gelichters ſich alſo haͤtten zeichnon wol⸗
den, wie anders erſchlenen ſie, als ſie aus ben daͤme⸗
mernden Wortprodultionen ihres obern Stockwerks
jetzt erſcheinen!
Mie find Peine Lebensbeſchrelbungen oinzelner
Menſchen von fi felbft bekannt, die nicht Immer,
fo einfeitig und flag manchmal ihr Seſichtspuntt
war, viel Merkwuͤrdiges gehabt Hätten. Außer dem,
was Auguſtin, Petrarka, Montage in
ihre Schriften von ſich ſelbſt eingeſtreuet, will ich
ba
95
ner Sardan Ab einen weihen Selbſtmaͤrkerer -
‚wenwen, bei deſſen aͤnßerſter Schwaͤche, ewisem Hin⸗
und Wegbeben vom Selbſtmorde man ſchauert. El⸗
nige ſonberbare Phaͤnomene, wie ein Geſchoͤpf fo
Aliuðbliags in die Gefahr reunen, oder fo ſchwin⸗
end, furchtſam and feige ewig vor fehmem Schat⸗
ten Wiegen kann, Yaben nicht graufender erörtert
werden Wanen, als alſo, aus dem weichen Mark
amer eignen Empſendung. Es tft ſonberbar, wie
‚eine eigne Lebensbeſchreibung den samen Man.
ww von Selten zeiget, von denen er fi eben nicht
geigen nl, und man freht aus Fälfen ber Art, daB. .
altes in der Natar ein Ganzes fen, daß man ſich,
gerad’ chen in dunklen Anzeigungen ımb Proben,
wor ſich ſelbſt am wenigſten verlaͤugnen koͤnne.
Da wir indeß noch lange auf Lebensbeſchreibun⸗
gan der Art werden warten muͤffen, und es viel-
Felde alipt elnmal gut und nuͤtzlich waͤre, das tiefite-
Weltashuns- in uns, das nur Gott ımb wir kennen
ſelen, jedem Thoren zu verrathen; fo Treten Frem⸗
de am unfre Stelle, und was bei Kranken der
Arze tft, ſoͤlte bei mertwärdigen Perſonen ihr
Vreund werden. Daß unter, ben vielen Bemerkun⸗
gen der Aerzte alter und nener Seiten nicht auch eine
Menge ſern müßte, die Diefe dunklen Reize und
Kräfte in's Licht fehten, iſt gar kein Zweifel; bie
serfiochtenfte Pathologie ber Seele und her Leiden⸗
"IM. Baruds eigne Lebensbeſchreibung ſammt einer
aufrichtigen Entdeckung einer der greſten, obwahl
größtentheifsnoch undefannten Leibes und Gemüths⸗
- wlase. Leip:, 1738. infond. S. 237— 372.
26
Kchaften hängt von ihnen und nicht von der Spekula⸗
tion ab; aber meines Willens find ſie ungeorbnet, _
ungefammelt, und nicht jeder hat dazu Luft oder
Muße. Mit ihnen kämen gewiß die fonderbarften
Anomallen und Analogien menfhliher Abenteuers
lichkeit zum Morfhein, und der Borfieher eines
Toll: und Siechenhaufes gäbe die frappanteften
Beiträge zur Geſchichte der Genies aller Zeiten
and Länder. — Wenn ich die Fremde zu den Aerz⸗
ten zähle, thue ich nicht Unrecht. Sie haben eben
die Abfiht, die jene haben, dazu noch in den Um⸗
dtänden mehrerer Vertraulichkeit und Handlung.
Es tft unbegreiflich, was oft Eine menſchliche Seele
in die andre für dunkle Wirkung, Ahnung und Zug
bat, wie man's oft an den fonderbarften Proben
einftimmiger Gemäther, Lüfte und Kräfte fiehet.
Sympathie und Liebe, Wolluft und Ehrgeiz, Neid
amd Eiferfucht enträthfeln durch Blicke, durch ge=
heime Winfe, was unter fieben Deden hinter ber
Bruſt verborgen liegt, wittern gleihfum, aus lau=_
ter kleinen fihtbaren Anzeigen, das tief verborgene
Geheimniß. — Dieß find Fleine verzerrte Proben
von dem, was eine reine menfshlihe Seele mit
Fleiß, Liebe und. Wartung über den andern und wie
weit fie in ihn Hineln zu dringen vermöge! — eine
Tiefe, von ber man noch bisher weder Grund hat,
noch zum Grunde zu kommen ein Senkblei weiß.
Der reinfte Menſch auf Erden Fannte fie alle,
‚bedurfte keines Zeugniffes von außen;
denn er wußte wohl, was im Menfdhen .
war, und es wird dem Menfchengeifte in einer be⸗
ſonders herrlichen Analogie mit dem Geiſte der Gott⸗
N
—
27 “
heit zugeſchrieben, daß nur der Geiſt des
Menihen, was im Menſchen iſt, wiſſe,
gleihfam auf ſich felbft ruhe und in feinen Tiefen
forfhe. — . "
Wenn niemand anders, fo haben bieg Die
Weiffagungen und geheimen Ahnungen
der Dichter bewieſen. Ein Charakter, von
Shatefpear gefchaffen, geführt, gehalten, tft
oft ein ganzes Menfchenleben in feinen verborgnen
Quellen: ohne daß er’s weiß, mahlt er bie Leiden
ſchaft bie auf die tiefften Abarände und Faſern, aus
denen fie ſproßt. Wenn neulich jemand behauptet
hat, daß Shakeſpear Fein Phyflognomift fey, aus
dem Profil der Nafe, fo gebe ich's Ihm gerne zu,
denn zu einem Detail der Art hat er wenig Zeit,
außer wo ed, wie bei Richard III., die offenbarfte
Noth fordert; aber bag er Fein Phyfiolog fey,
mit allem, wie fih Phpflologte auch von außen
zeiget, das müßte niemand fagen, der Hamlet
und Lear, Ophelia oder Dthello nur im
Traume gefehen hätte: unvermerft mahlt er Ham⸗
let bis auf feine Haare. Da alles Aeußere nur
Abglanz ber Innern Seele tft: wie tief ift nicht ber
barbarifhe gotbifhe Shafefpear durch Erdlagen und
Erdſchichten überall zu ben Grundzuͤgen gefommen,
aus benen ein Menſch wählt, fo wie Klopftod
zu ben geheimſten Wellen und Schwingungen einer
zeinen bimmlifchen Seele! Das Stubium ber Dich⸗
ter zu biefem Zwecke haben meiftend nur die Eng-
Länder (verfteht fih, nur an Ihren Dichtern: denn
was wird ein Engländer außer England Guts finden?)
perſucht; und Deutfchen iſt, ftatt unnüger Lobredben -
28
und Eindfither Negenfiouen, hier ein grı
Feld von Zeiten und Voͤlkern br. ’ or
Und bis dahin, daß dieſe drei Aufgaben erſchoͤpft
nd, mag die Antwort anfgefchoben werden, „un⸗
‚fer weichen Dedfugungen etwag retze ?“ Ich koͤnnte
in fauben und unſtaͤten Ansbräden zehn Formeln zur
an umge reibet, md: und reget. Sder fh Aimtte
fügen: er retzi, wenn er ms fo Ahdıkh, ſo mal
ft — aber was hleße dieß alles? Im Grunde mer.
mmet, er retzt nenn er retzt, und das giaudt.
ein jeder. Es mng auch-g eglaubt, d.f, erfrg-
‚ten, empfunden nierben, and flieht jedes afgemeine
Wortgeftam und abſtrakte Vorherſehen. Menn-ein
Gegenſtand, von dem wir nicht traͤumten, nichts
dofften, ſich proͤhltch fo nahe unſerm Ich zeigt, dag,
wie der Winh dfe Orafesipigen, der Magnet der
| int einem feiner Singer ſpielet. Ste hangen mike
de i
ar
mit der unbekannten Weltgegend zuſanmmen; ion
din fie etlen: unſichtbare Bande ziehen —
fie mögen dahin kommen, oder nicht, es mag ein
Ey — oder Kreide, worauf die Henne bruͤtet.
Die Selten ber Schöpfung. find ſo vielartig, und ba
jede Seite ſollte gefuͤhlt, geahnet, hinan empfunden
werden, ſo mußten bie Juſtinkte, ee and Wins:
zeln der Empfindung fo mancherlei ſeyn, daß fie
oft fein anderes Weſen, als mas-fie 4 —22
LKegreiſt oder ahnet.
Sxrefflich auch, daß es alſo, und-bie tiofſte Tiofe
unfrer Soeie mit Macht. bedegt iſt! Hufe arme
Denkerinun war gewiß nicht de, jeden Reiz⸗
dasc Samenkorn jeglicher Empfindung, in
erſten Beftaudtheiten ze faſſen: fie wer nicht. im
Stande, ein uſchendos Weltmeer fo Dunkler Bo:
gen⸗leut zu hören, -ohme daß. ſie es mit Scheuder m
and Wagft, mit ber Vorſorge aller Furcht und Kleine,
mäthigäelt umfinge: und das Steuer. ihrer Hand:
entßele. Die mästerkihe Natur entfernte alfo von
ihr, was von Ihrem Haren Bewußtſeyn nicht abhau⸗
gen konate, wog jeden Eindruck ab, den ſie davon ⸗
botam, amd ſpuͤrte jeden Kanal aus, der zu ihr fuͤhr⸗
te. Nun trennet ſie nicht Wurzeln, ſondern genie⸗
Feb Blaͤthe. Düfte wehen ihr aus dunkeln Vuͤſchen
zu, die ſie micht pflantte picht erzog: ſie ſteht auf
einem Abgrunde von Unendlichkeit und weiß nicht,
daß ſie darauf ſteha; durch dieſe gluͤcliche Unwiſſen⸗
heit steht, fie feſt mad ſicher. Nicht minder. gut für
bie-hunleln Kraͤfte und Reize, bie auf fo ſubalter⸗
nem Standort mitwirken möflen: ſie willen nicht,
wegu? Hünuen. und ſollen'g nicht willen: ber Grad
an =
Tropfen. Gelbft die Bewegung fuchte Leibnitz
ja als Erſcheinung eines Innern Zuſtandes gm
erflären, den wie nicht Eennen, ber aber Vorſtel⸗
lung ſeyn Fünnte, weil und fonft kein innerer Zu⸗
ffandıdefannt.if, Wie, umd — Innern Zu⸗
ftand der Kräfte und Subſtanzen ihres Koͤrpers
könnte ‚bie, Seele, als ſolche, nicht wirken? ſie, bie
ja von der Natur jener und ſelbſt innigſte, wirlendſte
Kraft iſt. Sie herrſchte alſo nur im Gebiet ihrer
Schwehern, lauter ihr Abulkhen Weſen, und
koͤnnte ſie da ulcht horrſchen? |
— J ä N TEE i
Doch es iſt zu fruͤh, einzelnen Folgerungen Kaum. -
zu gebent wir bleiben noch bei Erſcheinungen der
ganzen Maſchine. Der Innere Menſch miit all ſei⸗
nan dunklen Kräften, Reizen und Trieben aͤſt nur
Eimer. Alle Leldenſchaften, um's. Herz gelagert,
und mancherlei Werkzeuge regend, hangen Dutch.
unſichtbare Bande ˖zuſammen, und ſchlagen Wurzel:
im feiuſten Ban unſrer befeelten Fiber. Jedes
Faͤſerchen, wenn wirs einſehen koͤnnten, gehört
ohne Zweifel wit dazu, jedes engers und wellere
Gefäß, jede ſtaͤrker und ſchwaͤcher wallende Blut⸗
kugel. Der Muth: des Löwen wie die Furchtſamkeit
dee Hafen, ‚liegt in feinem befeelten Innern Baue.
Dusch die engen Yuldadern des Loͤwen dringt das |
wärmere Blut mit Gewalt bins der Hirſch herein |
Herz mit.weiten, offenen Gefäßen, ein ſcheuer Köe
nig des: Waldes, trotz feiner Krone. Zur Zeit. der
Brunſt iſt indeß auch der ſcheue Hirſch kuͤhn; es iſt
die Zeit feiner erregten Reize und vermehrten ku⸗
nern Waͤrme. N
n ‘21
varkeit dazu, ein Achille⸗ zu werben. Der fatte
xAdwe hat ſeinen Muth verloren, ein Weib kann ihn
Jagen; ehr yungriger Wolf aber, GSeier, Line —
"wie maͤchtige Geſchopfe!
Die Tanferſten wen meiſten⸗ die froͤbtlleſten
Beinen, "Männer non offener,: meiter VBeiuſt: ft
den in ben Aebe, wie km Lehen. EAn Werſchnit⸗
[3
‚sener Al. wie an Stimme, fo an Handlung ein eben
‚blinkener Juͤngling ohne Mxaft und tiefen Aadkru.
— Die Jugialckt Wehe und Mshreieung, mit der
ir Seßbenfhaft en
empfargen, verenbeiten ;undfert-
langen, macht uns zu den Fuchen-pher tiefen Se⸗
fen, Die mir ind. Oft bagen unteridem Siyench-
dell Urfachen, Die wir fohr:untächtig- ud mubfam
Ms Ropfe ſuchen; vder GSedunke Laun dabin nicht
dommen, dam nicht die Ewpfinbeng vorher ‚am
Üdtem Ort⸗ :sgar. ‚Mie Yern wir ad,
Ras ug, el ce, wie tief Liebe nad
AB Ekel und Abſchen, Verdruß und Wolauſt ihre
Wurzeln in nas ſchiagen; bas-fimmt Ass Soiten⸗
Biel vucer Qedanien, des macht und zu dru
Wenſchen, die wit ĩjach.
„or Sem Abgrunde dunkter Empfindungen,
Traͤfte md Reize graut nun unſter hellen. und klaren
⸗
22
Phlisfophie am meiften: fie feguet fih davor, als
vor ber Höhle unterfter Seelenfräfte, und mag
lieber auf dem Leibnisiihen Schachbrett mit einigen
tauben Wörtern und Klaflifitationen von bunfeln .
und Flaren, deutlihen und verworrenen
Ideen, vom Erfennen in und außer ſich, mit
ſich und ohne ſich ſelbſt u. dgl. fplelen. Diefe
Methode iſt fo leicht und lieblich, daß man's ſchon
zum Orundfaß beliebt Hat, lauter taube Wörter
fn die Philoſophie einzuführen, bei denen man fo
wenig benfen dürfe, als der Rechnende bei feinen
Zahlen: das werde ber Philoſophie zur Vollkommen⸗
heit der Mathematik verhelfen, daß man immerfort
ſchlleßen Tönne, ohne zu deuten — eine Philoſo⸗
phie, vor der uns alle Mufen bewahren! Was
macht's eben, daß auch bie gute wahre Philoſophie
fo tief hernieder gelommen iſt, als, weil man bet
ihr durch ganze Kapitel und Lehren über lauter Als
gemeinworten nichts gedacht hat? Nothwendig wirft
die jeder gefunde Kopf bei Seite nnd fpricht: „ich
„will bei jedem Worte was beſt immtes zu den⸗
„ten baben, auch an jeder neuen Stelle, wo es
„neu vorkommt.“ Und mein! wie mangelhaft ind
unſre metaphyſiſchen Begriffe und Wörter! welche
Sorgfamteit hat man alfo noͤthig, jeden Augenblick
den Begriff feftzubalten, genau zuzufehen, ob es
noch in diefem Fall derſelbe oder nur noch ſein
leeres Phantom fen? Meines geringen Erachtens
iſt keine Pſpchologie, die nicht In jedem Schritte
beſtimmte Phyſiologie ſey, moͤglich Hals
lers phyſiologiſches Werk zur Pſychologie erhoben
und wie Pygmalions Statue mit Geiſt belebet —
M 23. |
alsdann Tinnen’swir etwas übers Denken und Em⸗
pfinden fagen. | . |
Drei Wege weiß ich nur, bie hiezu führen moͤch⸗
ten: Lebensbefchreibungen, Bemerkungen ber Aerzte
and Freunde, Weiſſagungen ber Dichter — fie allein
Tonnen uns Stoff zur wahren Seelenlehre fchaffen.
Lebensbefchreibungen, am meiften von fich felbft,
wenn fie treu und ſcharfſinnig find, welche tiefe Be⸗
fonderheiten würden fie liefern! Sind keine zwei
Dinge auf ber Welt gleich, bat Fein Zergliederer
noch je zwo gleihe Adern, Drüfen, Muskeln und
Kanaͤle gefunden — man verfolge biefe Verſchieden⸗
beit durch ein ganzes Menſchengebaͤnde, bis zu je⸗
dem Tleinen Nabe, jedem Reiz und Dufte bes gei⸗
ftigen Lebensſtromes — welche Unendlichkeit, wel-
her Abgrund! Ein Meer von Tiefen, wo Welle
über Welle ſich regt, und wo alle Abftraftionen von
Aehnlichkeit, Kaffe, allgemeiner Ordnung nur bret=
terne Wände des Beduͤrfniſſes oder bunte Karten:
haͤuſer zum Spiel find.
Hätte ein einzelner Menſch nun die Aufrichtig⸗
keit und Treue, ſich ſelbſt zu zeichnen, ganz,
wie er ſich kennet und fuͤhlet: haͤtte er Muths ge⸗
ung , in ben tiefen Abgrund platoniſcher Erinnerung
hinein. zu fchauen, und fich nichts zu verfchweigen:
Muth genug, fi durch feinen ganzen belebten Bau,
durch fein ganzes Leben zu verfolgen, mit allem,
was ihm jeder Zeigefinger auf fein Inneres Ich zu⸗
winfet — welche lebendige Phyſiognomik würde dar⸗
aus werben, ohne Zweifel tiefer, ald aus dem Um⸗
riß von Stirn und Nafe. Kein Theil, glaube ich,
Sein Glied waͤre ohne Beitrag und Deutung. Er
}
2
würde. uns fageı Ibnuen: „Hier ſchͤgt dae Han,
„matt; hier iſt die Bruft platt und ungewißhme, dort
„der Arm krafties; hler Tent die Lmnge, dort
nudumpft ber @ermm; hier fehlt lebendiger Othem;
ASeſicht, Ohr daͤmmert — der Körper bitirt mir
hler ſchwach und vernveren, fo muß re au He
„ober da meine: Serie fchreifen. Das ſehlt mie;
ba Ich jenes, und aus folgem Grunde, babe
Werfolgte der treue Seſchichtſchrever fein ſribſt bieg
ſodann durch alle Folgen, zeigte, daß kein Mangel
und leine Kraft an Einem Drt Bleibe fondern forte
wirte, mb daß bie Seele nach ſolchen gegebaen
Formeln unvermutper ſortſchließe: geigte, wie jede
Schiefheit und Kaͤlte, jede falſche Kombination uud
feglende Regung nothwondig immer vorkommen: und
In jeder Wirkung man den Abdruck feines. ganzen Ye
mit Kraft und Mangel Hefern muͤſſe — weile
lehtende Crempel wären Beſchreibungen von der
Art! Das werben philoſophiſche Zeiten eyn, wenn
man ſolche ſchreibt; nicht, da man fih und aue
WMeuſchengeſchichte in allgemeine Formeln und Wort-
nebel einhuͤlet. Wenn ber Sltoiker Lipfus und
andre ſeines Gelichters ſich alſo haͤtten zeichnon wol⸗
den, wie anders erſchienen ſie als ſie aus ben dam⸗
mernden Wortproduktionen ihres obern Stockwerko
jetzt erſcheinen!
Mir find keine Lebensbeſchreibungen einzelner
Menſchen von ſich ſelbſt bekannt, die nicht kumer,
ſo einfeltig und flach manchmal ihr Seſichts puntt
war, viel Merkwuͤrdiges gehabt hätten. Außer dem,
was Auguftin, Petrarka, Montage in
Ipre Schriften vor ſich ſelbſt eingeſtreuet, solid,
—
63
_ y. AU 20 2 U OEM — —
25
nur ESardan Und einen weichen Selbſtmaͤrkerer -
Aernen, bei deſſen aͤnßerſter Schwaͤche, ewigem Hin⸗
and Wegbeben vom Selbſtmorde man ſchauert. El⸗
ige ſonberbare Phänomene, wie ein Geſchoͤpf fo
Sditngs in die Gefahr reunen, oder fo ſchwin⸗
delud, furchtſam und feige ewig vor fehrem Schat⸗
ten Wegen kann, haben nicht graufender erörtert
werden Kunen, als alſo, aus dem weichen Mark
faer Amen Empſindung. Es iſt ſonderbar, wie
eine eigne Lebensbeſchreibung den ganzen Mann
ww von Selten zeiget, von denen er ſich eben nicht
geigen will, und man fieht aus Faͤllen der Art, daß.
alles in der Natur ein Ganzes fey, daß man ſich,
gerad' eben fu dunklen Anzeigungen und Proben,
or fi felbſt am wenigſten verlaͤugnen könne. .
Da wie indeß noch lange auf Lebensbeſchreibun⸗
gen der Art werben warten muͤffen, und es viel⸗
Ficht nicht einmal gut: und muͤtzlich waͤre, das tiefſte
eilkzehum in uns, das nur Gott und wir kennen
fößten, jedem Thoren zu verrathen; fo treten Frem⸗
se m wire Stelle, und was bei ‘Kranken ber’
Arze tft, ſolte bei merkwuͤrbigen Yerfonen ihr
Sreunb werben. Daß unter, den vielen Bemerkun⸗
gen der Aerzte alter und nener Seiten nicht auch eine
Menge ſern muͤßte, die Biefe dunklen Reize und
Kräfte in's Acht fehten, iſt gar Ten Zweifel; die
serfiochtenfte Pathologie der Seele ımd her Leiden⸗
"IM. Beruds eigne Lebensbeſchreibung ſammt einer
aufrichtigen Entdeckung einer der gröſßten, obwott
großtentheils noch unbekannten Leibes⸗ und Gemüths⸗
plage. Zeipꝛ. 1738. infond, 6 257 — 372.
26
Kchaften Hängt von ihnen und nicht von der Spekula⸗
tion ab; aber meines Willens find fie ungeordnet,
ungefammelt, und nicht jeder hat dazu Luft oder
Muße. Mit ihnen Fämen gewiß die fonberbarften
Anomallen und Analogien menfchliher Abenteuers
lichkeit zum Morfchein, und der Vorſteher eines
Toll: und Siechenhauſes gäbe bie frappantefien
Beiträge zur Gefchichte der Genies aller Zeiten
und Länder. — Wenn ich bie Freunde zu ben Aerz⸗
ten zähle, thue ich nicht Unrecht. Sie haben eben
die Abfiht, die jene haben, dazu noch in deu Um⸗
dtänden mehrerer Vertraulichkeit und Handlung.
Es tft unbegreiftich, was oft Eine menfhlihe Seele
in die andre für dunkle Wirkung, Ahnung und Zug
bat, wie man's oft an ben fonderbarften Proben
einftimmiger Gemuͤther, Lüfte und Kräfte fiebet.
Spmpathie und Liebe, Wolluft und Ehrgeiz, Neid
and Eiferfucht enträthfeln durch Blicke, durch ge=
heime Winfe, was unter fieben Deden hinter ber
Bruft verborgen liegt, wittern gleihfam, aus lau⸗
ter Heinen fihtbaren Anzeigen, das tief verborgene
Geheimniß. — Dieß find Feine verzerrte Proben
son dem, was eine reine menfshlihe Seele mit
Fleiß, Liebe und. Wartung über den andern und wie
weit fie in ihn hinein zu dringen vermöge! — eine
Tiefe, von der man noch bisher weder Grund hat,
noch zum Grande zu kommen ein Senfblei- weiß.
Der reinfte Menfch auf Erden Fannte fie alle,
‚bedurfte Feines Zeugniffes von außen;
denn er wußte wohl, was im Menfhen
war, und ed wird dem Menfchengeifte in einer be=
ſonders herrlichen Analogie mit dem Geiſte ber Gott⸗
N
— — — — — —RX
27
heit zugeſchrieben, daß nur ber Geiſt des
Menſchen, was im Menfhen iſt, wiffe,
gleichſam auf ſich ſelbſt ruhe und in feinen Tiefen
forfhe. —
Wenn niemand anders, fo haben dieß die
Weiffagungen und geheimen Ahnungen
der Dichter bewieſen. Ein Charakter, von
Shalefpear gefhaffen, geführt, gehalten, tft
oft ein ganzes Menfchenleben in feinen verborgnen
Quellen: ohne daß er's weiß, mahlt er die Leiden⸗
Schaft bie auf die tiefften Abgruͤnde und Faſern, aus
denen fie ſproßt. Wenn neulich jemand behanptet
hat, daß Shakefpear Fein Phyſiognomiſt fey, aus
dem Profil der Nafe, fo gebe ich's ihm gerne zu,
denn zu einem Detail der Art bat er wenig Zelt,
außer wo es, wie bei Richard III., die offenbarfte
Noth fordert; aber daß er kein Phyfiolog fey,
mit allem, wie fih Phyſiologle auch von außen
zeiget, das müßte niemand fagen, der Hamlet
und Lear, Ophelia oder Othello nur im
Traume gefehen hätte: unvermerft mahlt er Ham⸗
let bis auf feine Haare. Da alles Aeußere nur
Abglanz ber Innern Seele iſt: wie tief ift nicht der
darbarifche gothifhe Shakefpear durch Erdlagen und
Erdſchichten überall zu den Grundzuͤgen gefommen,
aus denen ein Menſch wählt, fo wie Klopſtock
zu den gehelmften Wellen und Schwingungen einer
seinen bimmlifhen Seele! Das Stublum der Dich⸗
ter zu dieſem Zwede haben meiftens nur die Eng-
laͤnder (verfteht fih, nur an Ihren Dictern: denn
was wird ein Engländer außer England Guts finden?)
verfucht; ung Deutſchen ift, ftatt unnüher Lobreden -
| ‘28
und Elndffiher Rezenflonen, hier noch bin großes
Feld von Zeiten und Völkern übrig. |
Und bis dahin, daß dieſe drei Aufgaben erſchoͤpft
ſind, mag die Antwort aufgeſchoben werden, „un⸗
„ter welchen Bedingungen etwas retze?“ Ich koͤnnte
In tauben und unſtaͤten Ausdrucken zehn Formeln zur
Aufloͤfung geben, ſagen: daß uns etwas retze, wenn
wir nicht umhin Finnen, daß es ung nicht retze,
. wenn der Gegenſtand uns fo nah liegt, daß er iich
7
an uns reibet, und uns reget. Oder ich koͤmte
Jagen: er'refzt, wenn er ms fo aͤhulkch, fo analoß.
iſt — aber was Hefe dteß alles? Im Grunde mr
immer, er retzt, wenn er reizt, und das glaubt.
ein jeder. Cs muß auch geglaubt, db. i. erfah⸗
ten, empfunden werden, nnd flieht jedes allgemeine
Wortgeftam und abſtrakte Vorherſehen. Wenn ein
Begenſtand, von dem wir nicht traͤumten, nihte
Hofften, fi ploͤtzllch ſo nahe unferm Ich zeigt, daß,
wie der Wind dfe Grafesfpisen, der Magnet der
Feilſtanb regt, Ihm die geheimſten Ttiebe unfreg:
Herzens willlg folgen — was iſt da zu gruͤbeln,
‘30 argumentiren? es iſt' neue Erfahrung, bie
wohl: aus dem Syftem ber beften Welt folgen mag,
aber nicht eben aus unferm Syſtem jest folget. Es
iſt ein neuer weiſſagender Trieb, der ims Genuß
zuſagt, dunkel ihn ahnen laͤßt, Raum und Bett
uͤberſpringet, und und Vorgeſchmack gibt in die Zu⸗
kunft. Mielletiht iſt's alfo mit dem Inſtinkt der
Thtere. Sie find mie Salten, die An gewiſſer
Klang bes Weltalls regt, auf denen der Weltgetſt
pi einem feiner Singer fpieler. Ste hangen nift
dem Clement, mit dem Geſchoͤpf, mit den Jungen,
4‘
&
au.
mit der ‚unbekannten Weltgegenh zufammen; ion
hin fie: eilen: unſichtbare Bande ziehen Ve ha
fie mögen dahin Fommen, oder nicht, es mag ein
Ey 23 oder Kreide, worauf die Henne bruͤtet.
Die Seiten ber Schoͤpfung find ſo vielartig, und da
de Seite ſollte gefuͤhlt, geahnet, hinan empfunden
werden, fo mußten bie Juſtinlte, * nnd Wur⸗
zeln der Empfindung fo mancherlei ſeyn, daß fir
oft kein anderes Meſen, ald-mas-fie (iR emp,
Esgreift ober ahnet.
Sveffflich auch, daß es alſo, und-bie tisfſte Tiefe
unfeer Soebe mis Macht bededt iſt! Unſre arme
Denlerinn war gewiß nicht de, jeden Reiz⸗
das Samenkorn jegliher Empfindung, in ſeinen
erſten Veſtaundtheilen zu faſſen: fie war nicht: im,
Stande, ein cuſchendos Weltmeer fo dunkler Wo⸗
gen/ laut zu Den ohne daß fieses-- mit Scheuder m
ud: Hagit, mit ber Vorſorge aller Furcht und Kleine.
mäthigäeit umfinge. und das: Steuer ihrer Hand;
entſieie. Die muͤtterliche Ratur entfernte alfo von
ihr, was von ihrem klaren Bewußtſeyn nicht abhan⸗
gen Taumte, wog jeden Eindruck ab, den ſie davon. /
betam, und ſpuͤrte jeden Kanal aus, der gu. ihr fuͤhr⸗
te. Nun itrennet ſie nicht Wurzeln, ſondern genie⸗
Fer Blaͤthe. Düfte wehen ihr aus dunkeln Buͤſchen
30 bie ſie micht pflanzte gicht arzog: ſie eht auf
einem von Unendlichkeit und weiß nicht,
dab ſie darauf ftehe; Durch biefe glädliche Unwiſſen⸗
heit ſreht fie feft und ſicher. Nicht minder. gut für
die dunleln Kraͤſte und Reize, bie auf fo fubalter-
wem Standort mitwirken moͤſſen: De wiſſen nicht,
wegn? dnanen und follen’d Bu willen: ber Grab
30 |
ihrer Dunkelheit iſt Güte und Weisheit. Ein Erb-
Hop, durchhaucht von Lebensothem des Schoͤpfers,
tft unfer Leimengebäube.
2. Sinne.
Unterlag unfre Seele dem Meere tommender
Wellen von Reiz und Gefühl von außen: fo gab
uns die Gottheit Sinne: von Innen, fo-webte
fie ung ein Nervengebäube,
Der Nerve beweifet feiner, was bort von den
Fibern des Reizes allgemein gefägt wurde, er zie—
bet fi zufammen oder tritt hervor nach Art des
Gegenftandes, der zu ihm gelanget. Jettt wallet
er entgegen, und die Spitzen feiner äußerften Buͤſche
richten fih empor. Die Zunge ſchmecket zum vor=
and: die Geruchbäfchlein thun fih auf dem kom—
menden Dufte: ſelbſt Ohr und Auge öffnen ſich dem
Schal und dem Lichte, und infonderheit bei den
gröbern Sinnen eilen bie Lebengsgeifter mit Macht
Dazu, ihren neuen Saft zu empfangen. — Gegen-
theils, wo Schmerz nahet, fleucht der Nerve und
granfet. Wir fhauern zufammen bei einem aͤußerſt
disharmoniſchen Schafe: unſre Zunge widert bet
übelm Geſchmack, wie der Geruch bei widrigem
Dufte. Das Ohr, fagt der Lateiner, entfeßet fidy
zu hören, das Auge zu-fehen; Könnte fie, fo ſchloͤſſe
ſich die Gefühlsfnofpe, wie die Blume dem Falter
Abendhauche. Graufen, Schauer, Erbrechen, bet
dem Geruche das Niefen, find lauter folhe Phaͤno⸗
mene bes Zurädtritts, bes Widerftandes,
der Stemmung, als ein fanftes Hinwallen
und Zerſchmelzen bei angenehmen Gegenftän-
den Hebersang und Uebergabe zeigt. Im
q
fi
|
I
ölh- .
Grunde ſind's alfo noch jene Geſetze und Phaͤno⸗
mene, bie wir bei jeder Reizesfiber bemerken, und
daß auch noch bei den geiftigen Empfindungen des
Sqhoͤnen und des Erhabnen jenes Geſetz ſtatt
finde, daß jedes Gefühl des Erhabnen nämlich mit
einem Zuruͤctritt auf ſich, mit Selbſtgefuͤhl,
und jede Empfindung des Schoͤnen mit Hinwal⸗
len aus ſich, mit Mitge fuͤhl und Mittheilung
verbunden ſey, hat der vortreffliche Verfaſſer einer
ſehr befannten Abhandlung *) gut ausgeführt —
eine Theorie, über bie ich Ihn, ob fie gleich unter
edlen Geſchaͤften und Geſinnungen nur Spiel, nur
Erholung für ihn war, faft beneide.
Vielleicht wird mir bald günftige Muße, Auf⸗
füge zu fammeln, die ih über die Cmpfindungsart --
einiger einzelnen Sinne bingeworfen habe; hier
gehet mein Zweck nur aufs Allgemeine, und bes
merke, was ich bort bei dem Reiz und feinem Ge-
senftande fagte, daß auch hier bei den Sinnen ein
Medium, ein gemilles geiftiges Band flatt finde,
ohne welches ber Sinn weder zum Gegenſtande,
noh der Gegenftand zum Sinne innig gelangen
Tönnte, dem wir alfo bei allen ſinnlichen Kenntnif-
fen trauen, glauben mäfTen. Ohne Licht wire-
unfer Auge und unfre fehende Seelenfraft mäßig,
ohne Schall das Ohr leer: es mußte alfo ein eig
Meer geihaffen werden, das In beide Sinne fließe
und bie Begenftände in diefeiben bringe; oder mit
andern Worten, „Das fo viel von den Bea
») Burke Unterf. über den Urſprung unfrer Begriffe
| nom Erhabnen und Schoͤnen, Rise 1773.
PR _
choͤ pfen abreigt, als diefe. Yforte em.
fangen. kann, alles. übrige, ihren gar
„sen unendlihen Abgrund, ihnen aber
Aaͤſſet.“ Wunderbared Drgan bed Weſens, in
dem alles Lebt umd empfindet! Der Lichtſtrahl if.
fein Winf, fein Finger ober Stab in unſre Seele;
Schall it fein Hauch, das wunderbare Mprt feinen,
Geſchoͤpfe und Diener.
Wie mächtig Hat der Schöpfer hlemit feige Weit
für und gemeitet! Alle groben Sinne, Faſern und
Reize koͤnnen nur in ſich empfinden, ber Gegass-
ſtand muß Hinzu kommen, fie beruͤhnen und mit
ihnen gewiſſermaßen ſelbſt Eins werden. Hier mird
ſchon dem Erkennen außer und Weg gebahnet. *)
Unſer Ohr hört über Wellen bin; ber Liihtftrabt
Ge
wird Stab,. mit dem wir bis zum. Sirius hinauf
zeichen. Unmittelbar vor meinem Auge has daß
große Auge der Welt ein allgemeines Organ ausge—
breitet, das tauſend Gefchöpfe in mich bringt, das
tauſend Weſen mit einem Kleide für mich beiels.
det, Um mein Ohr fließt ein Meer von. Wellen,
das feine Hand ausgoß, bamit.eine Welt von Ge- .
genfiänden In mich dringe, die mir ſouſt ewig ein
dunkles ſtilles Todtengrab bleiben müßte. Da ge
braucht mein Siuu alle die. Kunſtgriffe und. Feinhei⸗
ten, die ein Blinder mit dem Stabe gebraucht, zu
faften, zu fühlen, Entfernung, —
9 S. Sulzers vortreffliche Abhandfl. vom Denken und
Empfinden, in feinen vermiſchten philofophif
Schriften, Ybhandl. VIL..und Hist, de IAcad. Bayale
de Berlin, T. XIX. pag. 07 30. :
—
85
Maß zu lernen, und am Ende willen wiz ohne bieß
Medium nichts, ihm mäflen wir glauben. Be⸗
traͤgt mic ber Schall, das Licht, ber Duft, bie
Würze; iſt mein Stun falich, ober Habe ich ihn nur
falſch zu brauchen mich gewöhnet, fo bin ih mit all
seiner Kenntniß und Spekulation verloren. Auch
kaun der Segenftand für taufenb andere Sinnen In
kaufend andern Medien ganz etwas anderes, vol⸗
lends in fich felbft ein Abgrund feyn, von dem ich
nichts wittre und ahne; für mid iſt er nur das, was.
mir der Sinn und fein Medium, jenes bie Pforte,
dieß der Zeigefinger der Gottheit für unſere Seele,
dargibt. Innig wiſſen wir außer uns nichts: ohne
Sinne waͤre uns das Weltgebaͤude ein zuſammenge⸗
flochtner Knaͤuel dunkler Reise: der Schöpfer mußte
ſcheiden, trennen, für und in uns buchſtabiren.
Nun muß ich nochmals. bemerken, daß den Bei-
trag genau zu unterfuchen, den jeder Sinn ber
Geele liefere, ein angenehmer und dußerft merk⸗
wärbiger Zuftweg ſeyn müßte, ben wir und auf an⸗
dere Zeit erſparen. Daß aber nicht bei zwei Men⸗
ſchen diefer Sinnenbeitrag an Art und Stärke, Tiefe
und Ausbreitung einerlei feyn kann, bezeugen viele
Proben. Geſicht und Gehoͤr, die den meiften Stoff
sum Denken geben, fiad felten bei einem Menſchen
in gleichem Grabe der Ausbildung und natürlichen
Stärke. Klarheit des Auges haflet oft tiefe Iunig-
keit des Ohrs (geiftig zu reden) ; die beiden Roffe find
alfo ungleich, bie zunaͤchſt am Wagen der Pſoche ziehen,
Die drei grösten epiſchen Dichter in aller Welt, Ho⸗
mer, Dfflanund Milton, waren blind, als ob dieſe
ſtille Dunkelheit dazu gehörte, daß alle Blider, bie fle
Pre
geſehen und erfafſet hatten, nme, er
füge Melodie werden. dhmnsen. Ein bllabge⸗
Dorner Dichter und- ein taubgoborner Philoſorh maß
ten fonberbare Eigenheiten neben, ſo wie. Der dlin-
de Saunderfon mit bem Gehbr, Gun und
Gefühl liebte. Wenn eine allgemeine philoſophi
ſche Sprache je erfunden würbe, wär's stelstcht:vom
einem Taub: und Stummgebornen, ber gleikfanz
ganz Gefiht, ganz Zeichen der Abſtraktion wäre,
Heine zwei Dichter haben je ein Sylbenmaß gleich
gebraucht und mahrfheinlich auch glebch sefählen
Eine ſapphlſche Ode bei ber Griedim, Bei: Katull
und Horaz iſt fat nicht Daffelbe: welch mitteimde
ßiges Ohr wird nicht einen Hexameter von Kilo p⸗
ſtock, Aleift, Bodmer odervonkutrez, Birne
git oder Dvtidtug beinahe auf den erſten Mang
unterfcheiden? Dem Einen Dieter iſt feine Mufe
Geſicht, Bild, dem andern Stimme, dens
dritten Handlung? Ein Prophes ward durch Sat⸗
tenfptei gewedt, der andere durch, Sefichte: Tele
zween Mahler und Dichter haben Einen Gegen
fand, wenn auch nur Ein Gleichniß, gleich gefehen,
gefaßt, geſchitdert.
Eine Unendlichkeit muͤßte es werben, wenn man
diefe Verſchiedenheit bes Beitrages verſchiedener
Sinne über Länder, Zelten und Voͤlker verfolgen
koͤnnte: was z. B. daran Urſache ey, daß Franzo⸗
fen und Italiener ſich bei Muſik, Itallenor und
Niederländer ſich bei Mahlerei fo ein anderes Ding
denken? Denn offenbar werden bie Kante auf bie=
fer Wegſcheide von Nationen mit andern Geiftes⸗
finnen empfunden, mit andern Geiſtes ſinnen vollen⸗
as
det Mevs ſndeſ ahaan aur fait, babi ſevrſi⸗
GSinns
Bohpin nub-Wefhhten;
. hr biesfehke Symcheichenm Auumuhdtte: Das Ger
ur orgt ver Ge war: glaubt zu ſehen, ndnd
nur fühlte: Eer ſicht and Getzür eigen: einnnder
wechſelſeitig: der Beruch ſcheinet ber Geiſt des Ge⸗
u. oder iſt ahm wentzarens ul cher Beuder.
Wusch ans allenn acht uch : wirtr nun die Serbe fi
NadFat,. deſſea Bere — Zeifen abreißt uud
fſaimende Abzrinide duneben zoigt, kameſo wulk,
daß eu. zubetzt den AÄuukein, brennenden Abgruud
Immer weben ſich ſath. Mehr als Ein Ehmaͤrmer
ſaefterer Art glaubte ſich iamer von hellem Licht
mageben, unbelb der große Deuter, Tihirw
haufen”), Lveſſen Nut zu.findiren wunisftens ro⸗
mutig war, fund.fich nicht eher iin wahren
GSebaneuſerome, als wenn er Funkon und Strah⸗
ben um fi ſahe. Das Erempet eines andern
Mhlis ſorhren Ife mie bobannt, ber: bet: bes Anfauge
ſeiner Krankhrit, In einer Art. ſenderbaren Ohn
wacht Winde: hoͤrte, die letzten Worte von dem,
*) 5. Elogrde Eechitaiigaven pi Mr. Fohtenelle,
56 "
was er gelefen, Ein Menſch befigt die Kunſt zu
ſe hen ungleich mehr als die Kunft zu Hören: nach
bem wird fih, er fey Dichter oder Philoſoph, ge=
wiß feine Erkenntniß, fein Vortrag, fein Styl, feine
Zuſammenſetzung richten. Wie viel heißen Dichter
und find nur Wiblinge oder Werftanbmänner, weil
Ihnen ganz bie dichterifche Einbilbung an Geſicht und
Sehör fehlet! und wie manche, die, wie Plato,
ur einige Gleichniſſe ausmahlen, und bie Gleich⸗
alffe bleiben ewig | Zoch ich komme zu weit.
®
Wenn alſo aus unfern Sinnen in bie Einbils
dungskraft, ober wie wir dieß Meer innerer Sinn⸗
lichleit nennen wollen, alles zufammenfleußt und
Darauf unfere Gedanken, Empfindungen und Triebe
fhwimmen und wallen: bat die Natur abermals
nichts gewebet, bas fie einige, das fie Leite? Aller-
dings, und dieß iſt das Nervengebäube. Zarte
Siberbande, dadurch der Schöpfer bie Innere und
äußere Welt, und In-und Herz und Kopf, Denken
und Wollen, Sinne und ale Glieder knuͤpfet! Wirk⸗
ich ein folhes Medlum der Empfindung für ben
geiftigen Menfhen, als es das Licht für's Auge,
der Schall fuͤr's Ohr von außen feyn konnte,
Wir empfinden nur, was unfere Nerven und
geben; darnach und daraus Fönnen wir auch nur den⸗
fen. Nenne man nun diefen lebendigen Geiſt, der
ung durchwallet, Flamme cder. Aether; genug, er
iſt das unbegreifliche, himmliſche Wefen, das alles
zu mir bringt und in mir einet. Was hat der Ge⸗
genſtand, den ich ſehe, mit meinem Hirn, das Hirn
mit meinem wallenden Herzen gemein, daß jenes
—
57
Bild, daß dieß Leidenfhaft werke? Eiche
da iſt ein Etwas, das von fonderbarer Natur feyn
muß, weil es fo fonberbaren Verſchiedenheiten die
net. Das Licht Fonnte nur Eins, den ganzen dun⸗
keln Abgrund der Welt zum Bilde machen, dem
Ange alles veräugen: ber Schall Fonnte nur Eins,
hörbar machen, was fonft nur für andere Sinne da
wäre.” So weiter. Diefer Innere Aether muß nicht
Licht, Shall, Duft feun, aber er muß alles em-
pfangen und fa ſich verwandeln koͤnnen. Er kann
dem Kopfe Licht, dem Herzen Reiz werben: er muß
alfo igrer Natur ſeyn, oder zunaͤchſt an fie grenzen.
Ein Gedanke, und Flammenfttom gießt fid, vom
Kopf zum Herzen. Gin Meiz, eine Empfindung,
und es bist Gedanke, es wird Wie, Entwurf,
That, Handlung: alles durch Einen und denfelben
. Boten. Wahrlich, wenn biefes nicht Saitenſpiel
der Sottheit heißt: was folte fo heißen? .
Hätte Ih nun Macht und Kenntniß genug, dieß
edle Saitenſplel in feinem Bau, in ſeiner Fuͤhrung
und Knotung, Verſchlingung und Verfeinung dar—
zuſtellen, zu zeigen, daß kein Aſt, kein Band, kein
Koͤtchen umſonſt ſey, und daß nach dem Maße, wie
es binde und ſich leite, auch unſere Empfindungen,
Slie der und Triebe (freilich nicht mechaniſch durch
Hieb und Stoß!) einander binden, anregen und
ſtaͤrken — o welch ein Werk von ſonderbar feinen
Entwickelungen und Bemerkungen aus dem Grunde
unſerer Seele muͤßte es werden! Ich weiß nicht, ob
es ſchon da iſt; ob ein denkender und fühlender
Phyſiolog es inſonderheit zu dem Zwecke, zu dem
ich s wuͤnſche, geſchrieben. Mich dünft, es mäßte
us
Die duſte Berchfta ben rurift / des Scho pfees eu h
tan, wie er Gliederhand uandeaheilte, ſie rhriodart
widder :befeette, Gefühle abteitete, unteubrüitte;
Instete, fbärkte, ſo boß bad: Auge wur Teen durf
wurd die Eingeaweltier wallen; das Dirihieti:muhliunfon
Arm ſchlaͤgt, ber Mand baſſet amd geurt ſuch⸗ bus
alle Glieder — Wander uͤher Ybmmder! alu wahee,
feiwe Biannmennerifüden · Schoͤpfert. —
Aber wir bieiben wieder mur bei allgemeinen
Phinomenen: z. €. den ſogenanuten „Wirkungen
„der Sirchitäungsireft im Wiuttenleike.” "Aukele :yan
ben fie, wei ihr Soſtem fie mirht :orteny, werebe
gebaͤugnet, on doch brinahe jedermann ftaspantvo
Besiptete davon bekanut ſeyn koͤnnen; wasſihalſe es
alßo, Erbahrungen gegen die Scat laͤngnen? Wire
in unſerm Körper, und inſonderheit im zarten Ars
per der Mutder, zu der Zeit, da ſie ben Ungebot⸗
nen traͤgt, von plampem Mechenimus, Hölyement
Douck uud Ei die Redo: Füße die: Seele wit ih⸗
ver. Einälidungdbraft: im der Zirbeldoufe mb: ſollte
nan mit Frangen Ab Leiten zum Kinbe gelangen
müſſen: ſreitich fo koͤnnde man had wriſe Dane
ſchuͤttein. Ne aber, ba und allen Erſahrangen
alles voll Reiz Fit uud Lehen, ba diefe Leben anf
fo wunderbase Art ein Cins im uns ind, ein Seen
lenmenfih (nero: Bayızor), Dem alt: meihes
nkfchen Tolebwere und Glteder winig dienen; mib
da nun eben dieß zuſammengeſeroͤmte beſevlte Eites
in uns Einbil dang hehße, wenn wir Dad Werk
in feinem. wageen Umfunge nehmen; was iR tirges
‚rehmtes darin, daß biefe Svetrimelt,; in deren Wells
to gleichfam das Kind Ichwebt, Kkafer gauge piuugle:
r
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- 39
ae Dies, biriätn-feinsı Minen hält, ihm auq
jede Eindruͤcke, jede Reize vor ſich mittheile? Ja
ern Bufammiendange geiſtiger Kräfte verſchwindet
Wu und Zeit, bie mar für die grobe Aörperweis
Ua zu fJe va ſcheiren. Wie worden gebiidet, fagt bie afte
Vorgeetdedeſcue Weteteit, m Schoofe ber Lebens⸗
aaurter , wie Im’ Micktipunkt ber Ede, wohln alte
Aiusikfte uud Chabriite zufammen ſtroͤmen. Hierin -
eb Weider unfere Philo ſophen, wir aicht Die ihre, -
ME dem fogenariiten „Einſtuß der Seele auf
„Arn Höryer nad des Köeperd auf die Seele’ hat
«6 chen Ge Bewaudtutß. Sollte hier erwes borch
Oebeidraſe, veinfikihgefpiamte Nerven, Hieb unb
Stop eritädt werden, fo ſtehe man immer an und
Mugae. Nun aber, ba unfer Gebäude nichts vom
gekem hotzernen Weberſtuhle weiß, da alles te
Reiz wud Daft mund Kraft und aͤtherifchem Strom
farsimmmet, da unfer guarer Körper in. feinen man
Werte: Sheflen fo mannichfaltig befeelt, war Ein
Bei: aAnſiarbarer, imutger, aber minder
hel le r ad duntler Kraͤfte zu ſeyn ſcheinet, dab
Br genunueſten Bande oiſt mit ber Monarthinn, die in
ss Denker und will, ſo, daß ihr alles zu Gebot ſteht,
and Pu didſem innig verknuͤpften Neib Raum und
verfineinbet: was natäkrlidyer, als dag fie Aber
herrſche, ohme die fie nicht das wäre,
was ſte ft? dem nur durch dieß Reich, in dier
ſem Zuſammenbange ward und iſt fie menſchliche
Br Ir Denken wird nur aus Empfindung:
AA Diener mad Engel, Luft: und Flammenboten
Wedinen War cvre Speife zu, fe wie diefe mr in: Ihe
Een Ren. Sie dervſcht mit Leibuid au
40
reben, in einem Reiche fehlummernber, aber um fo
inniger wirkender Wefen.
Ich kann mir überhaupt nicht denken, wie meine,
Seele etwas aud ſich fpinne und aus ſich eine
Welt träume, ja nicht einmal denken, wie fie et-
was außer fi) empfinde, wovon kein Analogon in
ihr und ihrem Körper fey. Wäre in dieſem Körper
kein Licht, kein Schal: fo hätten wir auf aller wei⸗
ten Welt von nichts, was Schall und Licht iſt, Em⸗
pfindung: und wäre in ihr felbft, oder um fie, nichte
dem Schall, dem Licht Analoges, noch wäre Fein Be-
griff deſſen möglich. Nun aber zeigen alle Tritte, die
wir bisher zuruͤckgelegt Haben, daß die Gottheit une
dieß alles durch Wege und Kandle fhaffte, die im⸗
mer emrfangeu, läutern, fortſchwemmen, mehr eis -
nigen, ber Seele ähnliher machen, was ferne ihr
noch fo undhnlih war. Ich fürchte mich alfo gar .
‚nicht vor dem alten Ausdrud, daß ber Menſch eine
Heine Welt ſey, daß unfer Körper Auszug alles
Körperreiche, wie unfere Seele ein Reich aller gels -
fligen Kräfte, die zu ung gelangen, feyn muͤſſe,
und daß ſchlechthin, was wir nicht find, wie auch
nicht erkennen und empfinden Fönnen. Die For:
mular: Philofophie, bie alles aus fih, aus Innerer
Vorftellungsfraft der Monade herauswindet, bat
freilich alle dieß nicht nöthig, weil fie alles in fi
bat; ich weiß aber nicht, wie es dahin gefommen
iſt, und fie weiß es ſelbſt nicht.
‚Aber fo wäre ja die Seele materiell? oder wie”
„hätten gar viele immaterielle Seelen ?’’ So weit
find wir noch nicht, mein Lefer; ich weiß noch nicht,
was material und immaterial ſey, glaube aber nicht,
41
daß die Natur zwiſchen beiben eiſerne Bretter be:
feſtigt habe, weit ich bie. eiſernen Bretter in ber
Natur nirgend fehe und gewiß da am wenigſten
verunthen Ian, wo bie Natur fo innig vereinte.
Genug, wir gehen jetzo zufoͤrderſt zum -
5 Erfennen und Wollen
über. Alle Empfindungen, bie zu einer gewiſſen
Helle ſteigen, (der innere Zuſtand dabei iſt unnenn-
bar)- werden Apperception, Gedanke; bie
Seele ertennet, daß fie empfinde. &
„Was nun and Gedanke fey, To ift in ihm die
innigſte Kraft, aus Vielem, das uns zuftrömt, ein
lichtes Eins zu machen, und, wenn ich fo fagen
darf, eine Art Ruͤkwirkung merkbar, bie am
helleſten fühlet, daß fie ein Eins, ein Selbſt iſt.
Eine Büderfprache der Art ſcheint freilich myſtiſch;
in Geheimniſſen aber, und im tiefften Geheimniß
der Schöpfung unferer Seele, kann man fih kaum
anders erflären. Genug, was wir bei jedem Reiz,
- jeder Empfindung, jedem Sinne fahen, daß ndm-
lich die Natur „ein Vieles eine,’ das geſchieht bier
auf die helleſte, innigſte Weite. Ä
Wollen wir num der Erfahrung folgen, fo fehen
wir, die Seele ipinnet, weiß, erfennet nichts aus
ſich, fondern was ihr von innen und außen Ihe
Weltall zuflrömt, und der Finger Gottes zuwinket.
Aus dem platonifchen Reiche der Vorwelt klommt ihr
nichts wieder: fie hat fich auch felbft nicht auf den
Platz gefekt, wo fie ſtehet; weiß ſelbſt nicht, wie
fie dahin Fam. Aber das weiß fie, ober ſollte es
wiſſen, daß fie nur das exfenne, mas dieſer Platz
-_
-
142
it zrum daß es mit ven and fh feroſt rehlo ine
vor Sphegti bes nalverſam, mir em menblcen
matnge iyerr yofliturn Adaft in: anankteigen Selb ſte
Dett. uchts ſey. Die ik iu car Schale der: Gett⸗
heit, die fie ſith wian ſeibſt gegeben: Fe mw die
Retze, die Sinne, die Kräfte und Gelegenheiten
brauchen, die Eur durch eine gluͤckliche, moerdiente
rat zu Ttheil wurden, uber fie zieht ſich im
me Mühe art, wo ihre göättikhe Kraft laͤtrmnet
ww erblladet. Der abfiraire Sgelomus alfe, Rd
wenn er auch nur Schulſprache wire, DAR mich der
Wuhrheit aud dem offnen Gunge ber Natur ent⸗
gegen.
Ich kunn hier nie inte meine schen, Defits
dem Sinne zu zeigen, wlie Weile und güttg der Wir
ser umferer Natur uns uͤberall au Formeln Je
ner Weisheit uud Guüte Aber; duß er ann
Aber unanfhoͤrllch alſo uͤber, daß unfere Seele eigens
u ni Ibnne und thue, als Formeln der Art
auf zulbſeu, mit einem Abdrucke goͤtt Abeh er ER ei
ste, zwWar nkcht aus Fluſterneß, aber a Daͤmme⸗
Hang Licht, aus einer naſſen Flamme Kelle, wareme
Funken hervor zu rufen: mich duͤnkt, bieß zeigen
und ſagen ale Handlungen: unſerer erkennenden,
wellensen Seele, Ste iſt das Bild der Sotthelt,
und ſucht anf alles, was fie umgtet, dieß Bild zu
pꝓraͤgen, macht das Vielfache Eins, ſuchet and Lage
agrthheit, aus unſtaͤrer Ruhe helle Thaͤtigkeit und
Sirkung, und immerdar iſt's, als ob fie dabei ik
A biſcke und mit dem hohen Gefuͤhl „ich Din Tocht
niet Gottes, bin fein BAD“ gu fich ſpreche: „laf⸗
ernste und wi und welter: Wir Daben von
Be > ——— 1. Ver "N Eee Be
45
lalxev ern Ahticcuit Begeiſf Ad. handen olns
men ſchtiche· Sere fadig ii: ei nbt ia Ach rare
wuiist: gueuvſac a eh undi an ch Meitull
kubenunb ülmatinden: FJeder höhere TBuad' des
Derurbse nk, enfaı erigam let dee
werbung der. Witt ha md rakheit ikegtiräker
fen Dunkeln "Grunde von nnigftetm Rot; und Be
wupttenn ihrer Tocbit, ihtrer Muaft, ihres tar
wen chend. .
Wan ii: gewohnt, ber Oecke ‚cine Menge Un⸗
mrerhfte gu: geben, Stuchiliums und Borauds:
pr, D Iha ung ogu ho ab Srehähtaih; ie
dſſen zukgen wiele Orfulnwngen, duß, was ka ihnen
mht Apervo eptoᷣo PB.) 20 780 05) 1177 7 2.0207 beſt⸗
LSBATE aud der Seubate t hatißgtett u nu
iu Dew Meer zaſtrornonder "Ginutihlekt, das fie
vo. u ihr Marrrialien lie ſert, nicht aher zu ihr
ibſo sehbre. Wie wird mm dieſen Kraͤften tief
auf den Grund kommen, wenn man ſie nur von
oben ber als Fee dehandolt, Klein ber Seele
wohnen, oder gar uiO gerranuerte Feachwerle von
cuander ſchetrdet and anuöhänzin eiaxeln betrachtet.
ad tuuder Blabildang nad ben Geboch dabß,
yes rin erungand Boerwus fickt muß ſich die
einer Gotteceraft fern Seels, Annere in ſich
Binende Thärtgkelt, Bewuftfeyn, Ap⸗
yrscegtion” zebgew: in dem Muße dieſer hat
An: Monſth Berkarndı, BGewiſſen, Willem
dreddeltt, day wisse! Ka zuſtromende Wogen
U großev Welen
Man nennet 7 wer Eindittangetreft
WU vem Dichter als [ch Erbtheib zu geben;
9—
ſehr boͤſe aber, wenn die Eiubildung ohne Be⸗
wußtſeyn und Verſtand iſt: ber Dichter iſt nur eit
raſender Traͤumer. Angebliche Philoſophen haben
Witz und Gedaͤchtniß verſchrieen, jenen nur
Schalksnarren, dieſes Wortkraͤmern übergeben;
Schade alsdaun für bie edlen Kräfte. Witz und
Gedaͤchtniß, Einbildung und Dichtungs—
gabe find von guten Seelen fo verſtaͤndig gebraucht
worden, daß ihr großer Verſtand gewiß nicht ohne
jene weitfaffenden Wurzeln hätte erwachfen können.
Homer nnd Shakeſpear waren gewiß große
— wie Leibnts ein ſehr witziger st
bei dem meiftens eine Metapher, ein Bild, ein
bingeworfenes Gleichniß die Theorien ergengte, bie
er auf ein Quartblatt binwarf und aus ber die We⸗
berzänfte nach ihm dicke Bände fpannen. Rabelnis
und Swift, Buttler und ſelbſt ber große Ba⸗
! o waren wißige Köpfe: der letzte gehört auch zu
enen
— deren Ring durch Ein Gedankenpaar
vertraulich keuſch vermaͤhlt oft tauſende gebar.
es wäre aber nicht mein Feind, dem ih ihren Wie
und Ihre Bilderfprache wuͤnſchte. Bako war dem
ſcholaſtiſchen Scharffinn feind, aber nur dem fc o⸗
laſtiſchen Scharffiun, der jede lebendige Kreatur
Gottes In Moder auflöfet. Wahren Scharflinn liebte
und bewies er ſelbſt. Locke's Philoſophie war
das Federmeiler zu Descartes Sefpinnften, unb
es gehörte Leibnitzens Wis dazu, Bailens
dialektiſchen Scharfſinn in ſeinem Uebertriebenen zu
entfalten. Das Wortgedaͤchtniß der Schulpedanten
iR eine elende Sache und trocknet bie Seele zum
45
ilmmerlichen Nameuregiſter auf; zu einem Gdfar -
ud Mithridat aber gehörte ba nicht auch ihr
Namengedaͤchtniß? Kurz, ale biefe Kräfte
And Im Grunde nur Eine Kraft, wenn fie menſch⸗
Uch, gut und nuͤtzlich ſeyn follen, und das iſt Ber:
Kaud, Anſchanung mit imerem Bewußt⸗
feyn. Man nehme ihnen dieſes, fo iſt die Einbil⸗
ung Blendiwerk, der Wit Hubifh, das Gebacht⸗
wi leer, der Scharffiuu Spinumeb; in dem Maß
aber, als fie jenes haben, vereinigen fich, bie fonft
eindinnen fchienen, und werben nur Wurzeln ober
Darftellungen Einer und berfelben Euerz -
gie ber Seele. Gedaͤchtniß und Einbildung wers
ben das ausgebreitete und tiefe Bild ber Wahrheit:
Scharfſinn fondert, und Witz verbindet, damit eben
ein helles wichtiges Eins werde: Phantafie fleugt
anf, Selbſtbewußtſeyn faltet bie Flügel: lauter
Aeußerungen Einer und derfelben Energie und Ela⸗
ſticitaͤt ber Seele.
Wie aber? hat biefe innere Elaſticitat keinen
Helfer, keinen Stab, an dem ſie ſich ſtuͤtze und
halte? kein Medium, wenn Ich fo ſagen darf, das
ſie wecke und ihre Wirkung leite, wie wir's bei je⸗
dem Neiz, bei jedem Sinne fanden? Ich glaube,
ja! und dieß Medium unſeres Selbſtgefuͤhls und
geiſtigen Bewußtſeyns iſt — Sprache. Stumm⸗
und Taubgeborne zeigen durch ſonderbare Proben,
wie tief die Vernunft, das Selbſtbewußtſeyn, wo
he nicht nachahmen können, fchlummere; und ich -
glaube (meiner vorigen Meinung ziemlich zuwider),
daß wirklich ein folcher Stab der Aufweckung unferm
! Innen Be ewußtfeys zu Hülfe fommen muß⸗
46
» 10, alsı: ons At: ben: Auge, du: stehe, We
SExhall dem Ohr; daß es Höre. Su wie dbleſe Außere
netten: für ihes Sieme: wirllich Sprache ſtub, bie
thaen; gewife Elganſchuften und: Gettew :ber Diuge
vorkuhftableen: fe, glaub⸗ In, außte Mont,
Sp erache zu Hatfe Lemmen; water: Inniglies
Cohen und Hoͤren gleichfalls zu wechen und zu lol
sen, So, ſehen at, ſanemett ſich das Atadı, CE
herutfpeeen:wis:edfeben: lorat, und‘ gennu *
zu: Foige denken. Wor Klader bemerkt Hat, wie
ke ſprochen und besten: lernen, bie ſondetbaren
Auomalion unb Analogira, der ſich davei nie,
wies kaum mehr: puchlele. Auch: In den tie ſſren
Sprachon iſt Beeawndt ht are Ci Bis
st, Eine Sachet Anyos. Der Menſch gaſct
fe taage Eder une Beben, bie er ſprbche, bis
or, inwendig Im: feinen: Goste,. nenuet. DIE
Wienfihen, die, wom ic fo ſagen Darf, vlel von
diefem Innern Wort, von biefer nfchausmben;
goͤrtlichen Bege⸗tchnumg sig ab e haben, haben auch
vier Berftand, viel Urtheil. Die es nicht der
ben, und fänpämme ein ganzes: Meer von Bileen
um fie, gaffen nur, wenn fie Tehen, Tunren wi
erfaffen, nicht In Ti verwandeln, nicht gebrauchen
Ye mehr man dieſe innere Sprache rines Monſcheu
flaͤrdet, leiter, berertchert, Bidet: vero mehr let.
tet man ſeine Vernunft, und macht das: Soͤttlkichs
in ibm lebenbis, das Stäbe: dor Wahrhelt Kraut;
mad fich an Ihnen, wie aus: dem Schimmer, en
por riet: — Die geoße Welt: von Fohgew, bie
dteß gibt, werden wir an: einem andern Orte felent
Unfere Erkennniß iſt alſs, ob'e gleich Freiiiy Bud
| En ME — — — — ——
— —
&
Unten Geſiit un icue, nich. fe ——
wiki: and las, alt man side, Das albes
elgerehmer: (adı biäher gepeigt If, Da auſer Eee
Beunası u and Emnfndung.seonhe, ſiehet am, bay
Grsenfeuh muß no; dauch scheine Vande;
Dune: sine Wind zusink Sommen, her undi erlen⸗
sendegre, Dieſe Lchee, daſer Glan rined Brei
den, der ſich in und:ceinprägt, gikt-unfeem: Deine
Tehne.gangn Bitaituuh Bichtung. Mugeatek elek _
GBehend mh Hörems und uftıbmams. von außen,
wishes vie: ia: tiefer Wacht vnd Bilndhelt: taypen,
menn alt: Mühe bie Nutermeilung für nad ge⸗
dat und gleichſam fertige. Gedankenformein me,
eingeprägt hätte. Da hab ſich unfre Kraft empor,
Iso fich ſeibſt fuͤllen and beauchen; Lange. und
ur bebenſlang geilen. mir em: due. uns gereichten
Grchben kähefter Kindeit, Denken ſelbſt, aber wen
ka. Formen, wie audre dachten, erkennen, werauf
and der Finger ſolcher Methoaden winkt; das ande⸗
N.ſor und, als oh ed gar nicht maͤre.
Meiſtens iſt dieſe „Gie burt unfrer Dem
nands‘ den Wehfen. unfser Meit fo unanſtaͤnnis,
daß fie fe ganz verkennen und ihrs Vernunft ale
ein eiagewachſenes, emtges, von. allen unabzaͤngi⸗
906, nnteästihes Orakel verchren. Oher Zweifel
gingen dieſe Malen nie im laugen Seide, Iernben
wie ſprerhen, wie ihre Märterinnen ſprachen,
Yan vto lleicht ger leiuen einge ſ chaaͤakten —**
dungskreis,“ keine Mutter: und Menſchon⸗
ſo rache. Sie ſprechen, wie Me Goͤtter: d. i. fie
denden rein wub erfeunen aͤtheriſch, Daher denn
| ung aichto als Blair = und Bernunftfpräge ven
48
— ihren Lippen kommen koͤnnen. Alles iſt ihnen an=
geboren, eingepflanzt, der Funke untruͤglicher Ver⸗
nunft, ohne einen Prometheus, vom Himmel ge⸗
ſtohlen. Laß ſie reden und ihre Bildwoͤrter anbe⸗
ten: fie willen nicht, was fie thun. Je tiefer je⸗
mand in fich felbft, in den Bau und Urſprung feiner
ebeiften Gedanken hinab ſtieg, defto mehr wird er
Augen und Fuͤße decken und fagen: „was Ich bin,
„bin ich geworden. Wie ein Baum bin ich gewach⸗
„ten: der Keim war da; aber Luft, Erbe und alle
„Elemente, bie ich nicht um mich faßte, mußten
„beitragen, den Keim, bie Sucht, den Baum zu
F ‚bilden,‘
*
% \
Auch Erkennen ohne Bolten tft nichts
ein falſches, unvollftänbiges Erkennen, Iſt Erfenut=
niß nur Apperception, tiefes Gefühl der Wahr⸗
heit? wer wird Wahrheit fehen-und nicht ſehen?
Güte erfennen und nicht wotlen und lieben?
Eben dieſe Abthellungen zeigen, wie fehr der Baum
— — unſres Innern zerzauſt und verfafert fen, daß Speku⸗
lation ung für Erkenntniß, und Spiel für Thaͤtigkelt
gelten kann. Spekulation tft nur Streben zur Er⸗
kenntniß; ein Thor nur vergißt dad Haben über
dem Streben. Spekulation iſt Zertheilung: wer
ewig theilt, wird nie ganz beſitzen und brauchen.
Belist man aber, und fühlt, daß man befite: fo
iſt bei einem Gefunden das Brauchen und Genießen
natuͤrlich.
Auch iſt fo denn Feine Leidenſchaft, Feine
Empfindung ausgefchloffen, die nicht durch ſolches
Erkennen Wollen wuͤrde: eben im beften Ertennrniß |
koͤnnen
- v. ”
—ı . —
Bo 0 -
oememunbunhfion:dile wirken, WR. das Hefe @e-: -
Iampfen. ,
free Daſeyns, und fie’
muß es auch bei dem ebelften ‚Erkennen bleiben.
Weihe Qugung und Leidewfäaft, die fi nicht mit
Eifeseiuiß unb Liebe, Gottes und bes Naͤcſten,
beteden Uche, daß ſie nur um fo reiner, fiherer:
ee? Die Schlacken werben menge
benanty Sexr mb wahre Gold fol bleiben. Jede.
Saft eder Relz⸗ dev-in meiner Bruft fi, _
rufen und nur im Geifte meines Urs
Yeirıs wirken. ——
Werwer lehrt mies dieſes it's: eln Gewiß⸗
Tan, ein mmneitfäree Gefahl, daB mic, abgetrennt‘
von aler Erceaataiß, rigtigen Weg zeige? Die
Bere. Felbit ſchainen Unſtan, wenn man fie fo vor⸗
toigt; 10 glaube aber Taum, daB fo etwas ie eines >
Meuſchen Meinnung geweſen. Iſt jede gtuͤndlicheßò
wat ohne Wollen, fo kann auch keit
Don : Un Erkennen ſeyn: -fie find nur Eine
Energie der Seele. Aber wie unſer Erfennen -
nur m enſchlich iſt und alfe feyn muß, wenn es
vet Teyn: fol; fo Tann auch unfer Wollen nur
wenſchlich fen, mithin and und von menſche
lecher Empfindung. Menfchheit iſt das edle Maß,
Mch dem wir erkennen und handeln: Selbſt- und:
| Mitge fügt alfo (abermals Ausbreitung und In:
; thetzlehnng: ſuind die Beiden. Aeuß erungen ber Elaſti⸗
Berders Biere. Philoſ. u. Geſch. R. A
—X
— 50
citat uuſres Willens; Liebe iſt alſo das edelſte
Erkennen, wie die edelſte Empfindung. Den gro=-
fen Urheber in ſich, fich In andre hinein zu lieben
und dann diefem fihern Suge zu folgen: das tft mo⸗
zalifches Gefühl, das ift Gewiſſen. Nur der lee⸗
"ren Spekulation, nicht aber dem Erkennen ſtehet's
entgegen, denn das wahre Erkennen iſt Lieben, tft
menfhlih fühlen. -
Siehe die ganze Natur, betrachte die große Ana⸗
logie der Schöpfung. Alles fühlt ſich und ſeines⸗
gleichen, Leben wallet zu Leben. Jede Saite bebt
ihrem Ton, jede Fiber verwebt ſich mit ihrer Ge⸗
ſpielinn, Thier fühle mit Thier; warum ſollte nicht
Menſch mit Menſchen fühlen? Nur er iſt Bild
Gottes, ein Auszug und Verwalter ber Schöpfung:
alfo fchlafen in ihm taufend Kräfte, Reize ımb-
Gefühle; es muß alfo in ihnen Orbunng herr
Shen, daß Alle aufwachen und angewahbt werben
koͤnnen, daß er Senſorium feines Gottes in allem
‚ Xebenden der Schöpfung, nah dem Maße e+
ihm verwandt iſt, werde. Dieß edle allgemeine
Gefühl wird alfo eben durch das, was es iſt, Er⸗
Tenntniß, die edelſte Kenntniß Gottes und feiner
Nebengefhörfe durch Wirkſamkeit und Liebe.
Selbſtgefuͤhl fol nur die conditio sine qua non,
der Kiumpe bleibeg, ber ung auf unfeer Stelle feſt⸗
haͤlt, nicht Zweck, fondern Mittel. Aber nothwen⸗
diges Mittel: denn es iſt und bleibt wahr, daß
wir unfern Nächften nur wie ung felbft lieben. Sind
wir und untren, wie werden wir andern tren ſeyn?
Im Grad der Tiefe unſres Selbfigefühls liegt
auch der Grad des Mitgefuͤhls mit andern: beum
— — — —
.
51
nur und ſelbſt Eönmen wir in anbre sleihfem bins
ein fühlen.
Mich duͤnkt, es find alfo leere Streitigkeiten,
wo das Principium unſrer Moralitaͤt ſey, ob im
Wollen oder Erkennen ? ob In unfeer oder In frember
Vollkommenheit? Alles Wollen fängt freilich vom
Erkennen an, aber alles Erkennen wirb auch wie:
derum nur durch Empfindung. . Eigene Vollklommen⸗
beit Tann Ich nur durch die Vollkommenheit anbrer,
wie dieſe durch jene erlangen. Shen Hippokra⸗
tes nannte bie menſchliche Natur einen lebendi⸗
gen Kreis, und das iſt fie. Ein Wagen Geites,
Auge um und um, vol Windes und Lebenbiger
Mäder. Man muß fih alfo vor nichts fo fehr, als
vor dem einfeitigen Zerſtuͤcken und Zerlegen hüten.
Waſſer allein thats nicht, und die liebe Kalte ſpeku⸗
Urende Vernunft wird die deinen Willen eher laͤh⸗
men, als bie Willen, Triebfebern, Gefuͤhl geben.
Ro follte es in deine Vernunft kommen, wenn nicht
duch Empfindung? Würde der Kopf denken, wenn
dein Herz nicht fchläge? Aber Gegentheils, willſt
du auf jedes Pochen und Wallen deines Herzens,
anf jeden Nachhall einer gereisten Fiber, als auf
bie Stimme Gottes merken, und ihr blindlings fol⸗
gen: wo kannſt du bingerathen? ba alsdann dein
Verſtand zu fpdt kommt. Kurz, folge ber Natur!
. fey kein Polype ohne Kopf und Feine Steinbäfte ohne
Herz: laß ben Strom deines Lebens friſch In deiner -
Bruft fhlagen, aber auch zum feinen Mark deines
Berftandes hinauf geläutert, und da Lebensgeift
Much die Frage entſchiede ſich hier alſo: ob dieß
52.
nn er Mollen wase Angeerbtes oder Eenmbues,.nad-
Steles oder Abhängiges fen? es entfcheidet ſich gaup-
aus dem: Grunhe: daß wahres Erlennen und gutes
Wollen nur Einerlei ſey, Gine Kraft uns
Bintfamkeit der Seele. War unſer Erken⸗
nen nun nicht durch fi, willkaͤrlich und nagebunben;
hatte ed, wenn es ſich aufs tiefſte als Selbſt fuͤhe
len wollte; Staͤbe der Aufrichtung, Innere Sprache
noͤthig: wahelich, fo wird's "dem Willen nicht mer
dars ſeyn koͤnnen. Agamemnon hatte: feinem
“ Sapter: von Thyafk, der :von Atrews, bieten
von Pelops, diefer vom Deus endlich, und
Ho pth ͤſrus hatte ihn geſchmledet: ſo gehtis auch
mit. dem edelſtenr Koͤnigsſeeter, „ber Freiheit
unaſter Seele
Won Freiheit ſchwaͤtzen, iſt fee leicht, wernn
mais jedem Metz, jedem Scheingut als einer uns
ſuffiienten Urſache dienet. Es iſt meiſtens ein
erbiumlicher Toug mit: diefen ſuffickenten Graͤuden,
to das AAgemeine immer wuhr ſcheiat, und das
beſondre Einzelne des beſtimmten Fallos tft. Lüge,
Pranrift ein Knecht des Mechanismus, @iefer aber
in die‘ lichte Himmelsvernunft vertleidet) und waͤh⸗
net ſich frei; ein Skiave in: Ketten, und traͤumet
ſich dieſe als Blumenkraͤnze. Sobald man in's
Spekuliren lommt, kann man aus allem alles
machen, duͤnkt fi aufgeflogen zum Empyreum, und
der arme Wurm liegt noch in der Huͤlle ohne Fluͤgel
md Frühling. — Da iſt's wahrlich der erſte Keim
zur Freiheit, fühlen, daß man nicht frei ſep, und
an weichen Banden man hafte? Die harten freie,
ſten Menſchen fügen dieß am ef, and ſtreben
ji
55
weiter; wahnfinnige/ zum Berker geberne Eruven,
hoͤhnen ſie, und — von hohen Teaume- en
Schtamme legen, Luther, mit feinem Bude
de servo arbitrio, ward und wird von den Wenig⸗
ften verftanden; man widerſtritt elend ‚oder plärret
nach, warum? weil. man nicht. wie Luther fuͤhlet und
hinauf ringet.
Wo Geiſt des Herrn iſt, da iſt Freiheit. Je
tiefer, reiner und goͤttlicher unſer Erkennen tft, de⸗
ſto reiner, goͤttlicher und allgemeiner iſt auch unfer
Wirken, mithin deſto freier unſre Freiheit. Leuch⸗
tet uns aus alem nur Licht Gotftes an, wallet
und allenthalben nur Flamme des Schoͤpfers:
ſo werden wir, im Bilde ſeiner, Könige. aus Skla⸗
ven, und bekommen, was jener Philoſoph ſuchte,
m und einen Punkt, die Welt um ung zu uͤberwin⸗
deny außer der Welt einen Punkt, fie, mit allem,
was fie hat, zu bewegen. Wir ftehen auf Höherm
Grunde, und mit jedem Dinge auf feinem Grunde,
wandeln im großen Senſorium der Schöpfung Got⸗
tes, der Flamme alles Deukens und Empfindens,
der Liebe. Sie iſt die hoͤhſte Vernunft, wie
das reinfte, göttlichfte Wollen; wollen wir dieſes
nicht dem Heil. Sohannes, fo mögen wir's dem ohne
Zweifel noch göttlihern Spinoza glauben, deſſen
Dirtofepdie und Moral fi) ganz um dieſe Achſe
eget
Prima creatura Dei fuit lux sensus: postrema,
lax rationis. Et hoc ipsum est, coelo in terris
frui, quando mens humana in caritate movetur,
'
- 5 4
in providentia quieseit et supra polos veritatis
eircumfertur. \
\ = Baco de veritate.
ULace intellettual piena d’amore .
“ Amor di vero, ben pien de letisia,
Letizia che trascende ogni dolsore.
- Dante.
»
Sie war die Lante feiner Hand,
Die er zu feiner Luft erfand;
Er gab ihr Millionen Saiten,
Und jede Elingt, und jeder Klang - -
Tönt zum harmonifhen Gefang
. Der Lehre feiner Heimlichkeiten.
| Witthof.
—
Zweiter VBerfud.
Einfluß beider Kräfte in einander und auf Cha-
rafter und Genie des Menfchen.
(Bon welhem letztern ein andermal mehr.)
Beinah' zu lange haben wir und in Allgemeiu-
Dertern aufhalten müflen, hinter denen mancher,
der an die liebe Abftraftion nicht gewöhnt iſt, viel-
leicht fo Eing kit, als er war; laſſet und, um elnfs
germaßen nuͤtzlich zu werden, die Philoſophie vom
Wolfenhimmel auf die Erde rufen, und unfern
Sat In beftimmten einzelnen Fällen und Klaffen be:
trachten:
-
I. Unfer Denken hängt ab vom Empfinden.
. 1. Bei jedem einzelnen Menſchen.
Wer in's Tollhaus gehet,- findet alle Narren auf
verſchiedene Urt, jeden in feiner Welt, rafen: fo
tafen wir alle ſehr vernünftig, jeder nah feinen
Säften und Launen. Der tieffte Grund unſeres
. , |
> r . . \
66
Daſeyns iſt individnell, ſowohl in Empfindungen“
als Gedanken. Bemerkt nur in einzelnen Fällen,
aus wie fonderbaren Keimen und Samenkoͤrnern
jenem und diefem die Saat feiner‘ Leidenſchaften
wachfe? Wobet der Cine kalt bleibt, dabei gluͤhet
der Andere: ale Thlergattungen unter einander
find vielleicht nicht fo verfhieben, als Menfch vom
Menſchen.
Wuͤrde ein Menſch den tiefſten, a en
Grund feiner Liebhabereien und Gefühle,
Träume und Gebankenfahrten zeichnen ne
welch ein Roman! Jetzt thun ed nur etwa Krank:
. heiten und Augenbiide der Leidenfhaft: und oft
welche Ungeheuer und blaue Meerwmunder wird man
gewahr!
Man follte jedes Buch als den Abdruck einer
lebendigen Menſchenſeele betrachten UDnnen; ie
jebenbiger und wahrer ber Abdruck iſt, fe weniger
der Verfaffer hofirte und ein eiendes Allgemeinge⸗
wis zwiſchen den vier Een bes Randes gab;
wvie ſonderbar und einzeln: but es uns öfters | - DfE.
43 ein Räthfel ohne Wuflöfung, sine Maͤnze ohne⸗
Umſchrift: die flachſten Leſer, und meiſtens dle
hohleſten, daher auch die lauteſten von allen, die
reſpekt. Kunſtrichter, meſſen nach ihrem unmaßgeb--
lichen. wentgen Seibſt, ſehreien aud verdammen.
Der beſcheldnere Weiſe urtheilt, wie Sokrates
| Aber Heraklits Schriften, ſuchet mehr Im Geiſte
des Urhebers, als im: Buche zu loſen: je mehr er
Yahtn-emdsiugt, je Hahter mud zuſammenhaͤngender
wird alles. Dias Lehen elned Autors iſt der bofte:
Kommentar. feiner: Schriften, wenn vr näntfiey
Ä _
U w
1
— Me: N ’
No.
|
nn . ’
327
se. ab rt ſeibſt Eins: Mi, nicht einer
7 aa Wegſchriben md Sandfiraßen nach⸗
Zedes nit, zumal ein⸗ganzes, großes Ge⸗
ihr, ein url: den: Seele und dos Lebens, iſt ein
tfhrrccher· Verraͤther feines Urhebers, oft, wo
Weſer am ‚wenigen ſich zu verrathen glaubte.
Micht nur ſichet man bei ihm erwa, wie ber Pobel
ft, des Mannos dichteriſche Dalente; man: flieht
wa, wehhe Sinne und Neigungen bei ihm herrfch⸗
ten? buch; wolche Wege und wie er Blilder empfing?
nie er fie und das Chaos ſolner Eindraͤcke regelte
and ‘fügte? Die Liehlingsfeiten ſeines Herzens,
ſo wie oft die Sthickſale feines Lebens : ſeinen
whmliiken oder kindiſchen Verſtand, bie Seabe
Heaed: Deutens und feiner Erinnerung — Doch ich
wong mſern Funſtrichtern, die von fo etwas In ih⸗
wem Lrben ubiht getraͤumt, ſchon viel zu viel gefagt
eben, Frellich iſt nicht jede Kothfeele eines ſol⸗
en: Stadiums worth; allein von einer Kothſeele
brauchte man auch eine Abbruͤcke, weder in Schrif⸗
m noch In Thaten. Mo:es der Mühe-Iohnt, iſt
He rebendige Leren, dieſe Dibination In bie
Werle des Urheber Has einzige Lefen md das
Hefte Mietenper Diibung. Es wich eine: Art Be⸗
‚gehfierung, Vertraulichkeit und Freundſchaft, Pie
uns da, wo wir nicht gleich denken und fühlen, oft
am beherrichſten und: angemehmiten: tft..: und die ei=
serttuh Das, was man Lieblingsſchriftſtellbeir
nennt, bezgeichnet. Solches Lefen If 'Wettelfer,
Hevriſtik: wir klimmen mit auf ſchoͤpferiſhe Ho⸗
Yen, oder entdecken den Jerthum und die Abweichung
—
an ENGE j rn
58 -
An ihrer Geburtsſtaͤtte. Je mehr man ben Verfaffer
-Iebendig kennt und mit ihm gelebt hat, befto leben⸗
diger wird diefer Umgang. N
Ein Menfch in verfchiebenen Lebens zeiten iſt ſich
nicht gleich, denkt anders, ger er anders em⸗
pfindet. Jedermann weiß, wie öfters, zumal bei
ploͤtzlichen Leibenfchaften, uns unfer erites Urtheil
träge; und wie Gegentheils der erfte Eindbrud
an Friſche und Neuheit nichts feines Gleichen habe.
Das erfie unbefangne Werk eines Autors iſt daher
meiſtens das befte: feine Bäche iſt im Aufbruch,
ſeine Seele noch Morgenröthe. Vieles Ift bei ihm
noch volle, ungemefne Empfindung, was nachher
Srübelei oder reifer Gedanke wird, ber fchon fein
Ingendroth verloren. Wir lieben immer mehr das
Kalbe als das Ganze, den verſprechenden Morgen
mehr als den Mittag in hoͤchſter Sonnenhoͤhe. Wir
wollen lieber empfinden als when lieber ſelhſt und
vielleicht zu viel errathen, als langſam hergezaͤhlt
' erhalten. Indeſſen finb zum Beſten der Welt alle
Lebens: und alle Tagszeiten nöthig.
Die alten Deutfchen faßten Entfchläffe in Trun⸗
Fenheit und führten fie nüchtern aus, andre werben
‚fie nüchtern faffen und trunken ausführen. Judeß
iſt's wahr, unfte Kugel bewegt fi immer um biefe
beiden Brennpunkte unfrer Ellipfe, und ift felten
beiden gleich nahe. Vielleicht kann fie und fol ſie's
auch nicht ſeyn; nur häte fie fih vor jedem Aeußer-
ften, aus dem ſie nicht wieder zuruͤck kann. Sie ers
mattet im reinen Verftande und finkt in der bren⸗
enden Leidenfchaft unter.
Vielleicht hat niemand bie Schwachhelt der Men⸗
-
!
59
ſchen und ihre Abhaͤngigkeit von den kleinſten Klei⸗
nigkelten ber Einpfindung reicher und natuͤrlicher be⸗
merkt, als Montagne und Porik. Sie haben
die Hogrometrie der Menſchheit bearbeitet;
die Photometrie und bie Dynamit menſqli⸗
her Seelen muͤſſen andere geben: Shekeſpear,
glaube ich, gibt Proben von allem.
2. Wie einzelne Menſchen, fo find noch
wehr Familien und Voͤlker vom einander vers .
fibleben: nad) bem "reife Ihrer Empfindungs⸗ rich⸗
tet fih auch Ihre Denlart. Söhne eines Stamm:
vaters von gleiherer Drganifation in efnerlei Welt
und Klima müflen einander ähnlicher denken, ale
Antipoden an Sitte und Empfindung. Man hat bie
Religion und Moral der Völker, die an rauhen Ge-
genden, zwifhen Gebirgen und Felskluͤften, auf ei⸗
wer fenerfpeienden, oft erbebenden Erde, oder an
fhrediihen Meeren wohnen, allemal wild, fehred-
lich und ftaımend gefunden, und oft machen Natio-
nen, bie offenbar Eines Urſprungs find, dicht an
einauber, hierin den fonderbarften Unterſchied. Ge⸗
fege, Regierung, Lebensweife thun noch mehr, und
fo wird die Denkart des Volks, eine Tochter def
allen, auch deß allen Zeuginn. Ich mag feine Bel-
fptele anführen, weil die ganze Erdfugel davon
Zeuge ft, und mir fchon einige gute Sammlungen
Aber den verfhiedenen Geiſt der Voͤlker aus ih⸗
vem Empfindungs- und Lebenskreiſe ba-
ben. Ich wollte, wir hätten eine ohne alle Hypo⸗
thefen, und, fo viel möglich, voll geprüfter Wahrheit.
Einer Nation auf den ganz ungeänderten Stamm
ihrer Empfindungen eine neue Lehre und
— h. 0.
‘
60
Den kart aufzwingoen wollen, ohne daß ſtich jene
mit dieſer im mindeſten miſche, iſt meiſtens umnuͤtz
oft auch ſchaͤdlich. Die Denkart eines Volks iſt die
" Bläthe ſeiner Gmpfindungsweiſe; in dieſe muß man
rinftießen oder jene iſt wellend. Einem wilden Wolle
plbtzlich das Reſultat der feinſten Abſtraktionon auf⸗
buͤrden, wozu es weder Kopf noch Herz, weder Ana⸗
kogie von Lebensart noch Sprache hat, wird allemal
ein wunderbarer Miſchmaſch. Was ward Ariftote⸗
les in den Haͤnden der Araber? was iſt des Papſte
thum in Sina worden? Jener ein Muſelmann, dieß
ein lebendiger Confucianismus.
Wenn Miſſionarien nach Indien gehn und Thler⸗
blut duften, wofür der: Brahme ſchauert: wie viel
hat der arme Indianer zu bekaͤmpfen, che er haͤr«n
kann, was man von ihm wolle! Und wenn das eine
fache edle Chriſtenthum, (gewiß. die Roligian für
alle Möller. ber-Erbe!) Ihnen. gar in dem Dunſt einer |
aengen Selte und Stubirfiuhe. erſcheint, wie anf
ſich das. mit ihrem. Hirn und. Hirulein fügen?
Die Vorſehung ſelbſt tft: bie beſte Brlehrertkun
der Bdiler, fie aͤndert Zeiten Denkarten, Sitten,
wie fie Himmel und Erde, Kreiſe von-Empfindungen
und Umſtaͤnden aͤndert. Man vergloiche Deutſih⸗
land mit dem, was es zu: Karls des Großen uber
Hermanns Zeiten war. Wuͤrden dieſe es erfemeen,
wenn ſie wieder erſchienen?˖ Die größte Veraͤnbe⸗
sung in der Welt tft „dieſer Fort⸗ und Um—
lauf im Reiche der Geifter nah verdu-
„derten Empfindungen, Bebärfuiffen
„und Situationen.” Die Geſchirhte der Vol⸗
>,
125
— wer; weiß aber bei den ver⸗
des Schickſals Zweck und Stier?
Da —— indeß nie ohne Mittel haus
dein: ſo ſind eben auch zu dieſer „Um bil dang
der Kiewnſtuiſſe durch Enpfindungen“
Menſchen bie ebeiften Werkzeuge. Die Männer,
die auf ber Welt das Meifte ausgerichtet, biteben
wie bei ber Bluͤthe ſolcher und folder Meinungen
fuhen, ſondern wagten ſich zur Wurzel der Empfin⸗
tan dem Herzen, der Lebonsweiſe. Dichter eder
Meile, Geſetzgaber ober Hoerfuͤhrer, Religlonoſtiſ⸗
ter oder Memagogen, fie trafen: das Herz und dar
nit wirkten ſie auf Ideen. Bako lieh:
Inngpn- und ſcholaſtifche · Spelulationen llegen, und
ging auf erſte Begeiffe, Sachen, Natur. Er: grub,
wie · ⸗ oue Brüder, nach dem · Schatze, und Die reiche-
Sarto ut: bin uurwaͤhlten Ader wuchs von ſelbſt.
+ Die. größten Wahrheiten wie die aͤrgſten Lügen,
die oerhabenften Kenntniffe und bie ſcheußlichſten Irr⸗
thaner eines Volls wachſen meiſters and Samen⸗
koͤrnern, bie nicht dafür erkannt werben; fie werben.
vom Einfluͤſſen belebt, bie oft gerade für's Gegen:
thoil deſſen, was fie find, gelten. Der Arzt alfo,
der: Uebel heiten will, ſuche fie im Grunde; aber
eben, wenn er da fucht, wird das Kind oder das. -
kranke Jahrhundert Ihm fchlecht danken. Laͤßt er
fig: zu ſeinem lieben Siechthum herab, und ſucht es
mit Goſundheit zu uͤberwoben — wer ift größer und: -
willkommner als er! bie Säule aller Wiſſenſchaft
und alles Ruhmes. Neun aber greift er-nah un-
ferm Herzen, nach umfern Liebliugsempfindungen
mb Schwaͤchen, mit deuen me fo wohl war — bin
62
weg mit ihm, dem Verraͤther der Menſchheit, dem
Mörder unſrer beſten Kenntniſſe und Freuden!
Wir wolten einen Bund mit ihm machen, droben
"am Baum zu bleiben und wollten ihm darum baß
dienen, nun gräbt er zur Wurzel und ſchlitzet die
glatte Rinde auf — der Undankbare!
Sofrates vor feinen Richtern verglich die weiſe
- Stadt Athen mit einer Gefellfhaft Kinder, denen
er ihre Näfchereien nehmen wollte, und fie alfe
ſaͤmmtlich zu Feinden hatte. Sokrates ſtarb, nicht
als Dieb athentenfifher Naͤſcherelen, ſondern als
Verführer der Jugend und Gotteslaͤugner. Die
Soppiften feiner Zeit, die treulofen Werzte, die ſuͤ⸗
es Gift miſchten, arbeiteten alle am Flor ber Wiſ⸗
fenfchaft und Gluͤckſeligkeit ihrer Bürger.
Dreer beſte Segen, den ein Vater feinem phllofo=
phirenden, gubernirenden, (und wie man weiter das
Irende fortfegen will) Sohn nachlaſſen Tann, tft
diefer: „liebes Söhnteln, freichle die Wangen
„deines Geſchaͤfts, und laß das Geſchwuͤr inwen⸗
„dig freffen und zehren. Pflege den Baum an fel-
„mer Krone, und fchnelde ihn nad) der neueſten Ge—
„ſtalt etwa; um Wurzel und Stamm aber fey un-
„bekuͤmmert.“ Es iſt gerade ber Segen des Va—
ters in der Gellertſchen Fabel, nur mit feinern
Worten.
Es ift eine alte ewige Bemerkung, daß die wuͤr⸗
digſten Erleuchter und Beſſerer der Welt nicht ſo⸗
gleich wirkten, oft lebenslang verkannt wurden, und
nah Tahrhunderten blähte exrft ihre Ruhm hervor.
Warum? Ihre Gedanken⸗ ober Empfindungsfphäre war
bem Jahrhunderte zu fern und zu hoch. „Was wii
ATS UT EEE EA — — —
_ 68
dieſer Steinllump ſagen?“ ſagten fie zum Fuß ber
Biudſaͤule, (denn Höher hinauf langte ihr Blick nicht)
und bewarfen das arme Poſtamente (nicht die Biit⸗
fänle, an bie ihre Hand voll Drift nicht reichte) mit
Koth. Nach Jahrhunderten, da heNerer Tag war, -
tädte die Natur aus dem Nebel, und nun zeigte:
fih, daß im Dunkeln auch damals fchon manches ge-
wirkt hatte und beſſerer Zeit Platz machte, Ueber⸗
haupt war nie ein.wahrer Gedanke und‘ eine
gute Empfindung verloren. Was wahr und gut
iR, hängt mit dem Senforkum der Schöpfung, dem
großen Seiſte zufammen, an deſſen Gewande nichts
umkommt. Die Aloe bluͤht ſpaͤt, aber herrlich:
ein ganzer Garten in Einem Baume! —
3. Wie es eine allgemeine Menfhenem- -
pfindung gibt, fo. muß es auch eine allgemeine
Menſchendenkart (sensus communis) geben;
mit keinem Wort aber treiben die moraliſch⸗philoſo⸗
phifchen Philifter aͤrgere Schleihmwaare, als mit dfe-
fem. Wenn jeder, wo der Schuh Ten Hühnerauge
druͤckt, fich gleich auf allgemeinen Meuſchenverſtand
und Menſchenempfindung beziehet: fo ehret er der
Genius der Menfchheit, den er in fein Hühnerauge:
verwandelt, wahrlich nicht, und zeigt jedem Klugen
nichts weiter, als daß ber leidende Herr fih mit
nichts Befferm zu tröften wille. Für Menſchen⸗
vernunft und allgemeinen Menfchenverftand und
Menfchenempfinbung alen Reſpekt; aber, lieber
Freund, diefe Dinge find etwas anders als eure
Schlafmuͤtze. |
Ich koͤnnte hier über den allgemeinen Menfgen-
64.
verſtand and. Maͤhrchen erzählen, als 3. B. von
jenem klugen Mann, ber ale Schiffe im Hafen zu
Athen fein glaubte und ſich dabei ſehr wohl befanb;.
oder von. jenem Araber, der alle feine Bruͤber ber:
Wuͤße inmmer gu Gaſft ruft, ob er gleich nichts far
fie hat, und wohl weiß, daß Meilen umher Eehner
lebendige Seele: ba iſt; ober von jenem: Mohren⸗
König, der allen Petentatens der Erbe num zu ſpelſen
‚erlaubt, nachdem er gefpeift hat; oder — oder —
ſch frote aber, die allgemeine
zuerſt wenden; alſo satis supergue!
Freilich muß es einen allgemeinen Dienfäyem,
wie Engels⸗, Löwen: und Beſtienverſtand geben;
ih fuͤrchte aber, dag ein einzelner, zumal Meike
and preßhafter des Geſchlechts, daruͤber oe
lUch Auskunft geben, unb die Höhe, .Riefe, Breiter
and Länge deſſelben zeichnen koͤnnte. So viel wir;
von allgemeiner Vernunft ſchwatzen, fo wenig haben
wir's noch. erörtert: was dieſe eigentlich Fey? abi
wo file haufe? woher ſich unfre Vernunft eutſpou⸗
‚nen? wo Wölfer abgehen, und wo alle fidh zufamımen;
finden? Die allgemeine Menfchenveruunft, wie wie
das Wort gern nehmen möchten, iſt Bemdutelung,
unferer Lieblingsgriffen, Abgötterei, Blind- und
Draͤgheit. Und was wahre Menfchenvernunft, Menz-
ſchenempfindung und Beduͤrfniß iſt md ewig ſeyn
wird, davor ſchließen wir Augen und Ohren. —
Doch abermal genug, und hinznu zur andem Uchten
herrlichen Frage:
= OO M. Was
*
A— ⸗— — — — — — — —
Fr
Un A El.
— 5-1
65
11. Was wirkt unfer Denken auf's Empfinden?
Und barf ich da auch erfte Empfindung zur Ant:
wort fchreiben, fo muß ich fagen: jetzo fehr wenig!
Mas weiß unfer Jahrhundert nicht! wie Abt fih's
nie Im Denken, Erkennen, ja fogar ex professo
Im Empfinden! Und wenn der Baum nur ans Fruͤch⸗
ten erkannt wird, von diefem Denken und Empfin⸗
deln, wo tft die Frucht ?
„Ohne Zweifel muß es alfo. nicht das rechte
Denten, das rechte Empfinden ſeyn!“ — ucb
das glaube ich anch. Bloßes Spekuliren. und Sen:
timentaliſiren hilft nichts: jenes ſtumpft die Seele,
wie dieß das Herz ab. Der Kopf wirb zum übers
ſchuͤtteten Kornboden, mo nichts aufgeht, das Herz
zum ausgewafchenen, zerriffenen Lappen, der zuletzt
zu nichts taugt, ale daß er Mift werde.
Das Uebel fängt früh an, oft fhon In Mutter:
leibe. Bie wir find, find unfre Kinder: niemand
Tann was beflere, als ſich ſelbſt der Nachwelt
seben. Zu früh erſchoͤpfte Lebensgeifter, von Weich:
heit, ueppigkeit und Müßiggang welke Fibern pflan=
sen ſich fort: denn Fein Abfluß fpringt höher als
feine Quelle. Die berähmteften Spekulanten und
Empfindler werden alfo (hon geboren. In dieß
sähe Mark, In dieß verfileßende Wachs, was kann
hiaein gedrudt werden, das da bleibe, das fort-
wirfe? Wie Schleim und Gallert entſchluͤpft das
Geſchoͤpf den Händen feiner Bildung. |
Alfo erzogen, alfo wähft’s auf. Die Lehrer
thun alle, ald ob, was fie ihm fagen, nicht
wahr wäre; Ihnen iſt's auch meiſtens nicht wann
denn fie haben's eben fo gelernt, und in ihre
Herterd Werte . Philoſ. u, Eeſch. IX, 6 ”
.
J— *
“
Sen tt davon geſpart und onwmban. PER
Eltern und Lehrer, Kanzeln und Katheber: das
Kind und der Knabe hört übersll Geſchwaͤtz, FL
wo wenig fehlt, dab man niht mitten in der rd
Äune. halte und fege, was jener uber die Hoͤllen⸗
firafen fagte: „fürchte dich nicht, Liebes Kind, I
„munß dir das nur ſagen. Glaube nichts davon,
„denn ich glaube ſelbſt nichte, wie du ſieheſt.“ Die
große Stimme des Beiſpiels ſagt ihnen dieß laut
und unaufbörlic.
Erwachſen alfo unter lauter Wortkraͤmerel
und thaͤtiger Luͤge lernt der Knabe nur Eine
Wahrheit erkennen, Die er auch von ganzem Her⸗
zen glaubt, naͤmlich: „krieche wie die, fo vor. lt
„ſind, durch's Leben, genieße und ſchwaͤtze viels
„thue aber wenig, alles nur für Dich, damit du de
„nichts abbrechen, und fröhne deinen Lüften.” Aus
jeder weiden, böfen Gewohnheit, aus jeder würgi-
gen, füßen Taffe und warmen Schuͤſſel, von jedem
wallenden Bufen und liekäugelnden artigen&efichte,
buftet und Alegt ihm die Lehre zu: ex. Abt fie früh
und er.wird fie Lebenslang üben,
le gibt das nun feine Eipfindungen un
Epelulationen? Ahr warmen Etuben, Ihr welden
Polſter, ihr artigen Geſellſchaften, und du lieber
Woblſtand ſtummer und lauter Eüxden, weiche
wilde Leidenſchaſten habt ihr vertligt, welde Ihöne
Romane von Empfindungen und Evrfularionen hatt
ine getorsm! Das Wuse iſt verlöfcht, der Körpie
weit, der Die unftdr, dag Hirn fi felbit vers
zebrend. Es wallt auf und. ſinkt nieder: feine Ein-
drüde, weder Geliebte uch Freund haften. Am
—
” +
Bnttäich ‚Jolie Geme PAR: Offhuu⸗ mb
mit ruft mehrzu gereped; deſto meht rodkme
vie: Medien und Phaue dm Moade. Cradfindirm
Dr; ferner Drkalatfonen mir Amer lrvenbe
wärdisen Ftchtigtett und Foinheit, au Die kekn
Me weniger, als ihr Nheber giäubt. Bi
folre Rad? er tat ar nichts mehr zuuben
wiarts auectenuen, mats durrhecnpftaden
Bir, uiſchulbiner Innlling, oe
HA, aus ediem Edamen, ein? geſunde, feſtt
see Krſpe! Nicht zu —* © nee
entfaltet, um balb gu verwelkon, met up 8
diln Huilkhe Tante Aephhre; ckte wünträue
kei er gefaltet, in Noch, Wlan: md
Wehktuch erwwachſenn, danite Beine Erk nntniſſe Thaß
Pf feufihe, verſchloſſene Empfiobungen
she; Wahrheit aufs Haze Leben wutben —
urà tullt fecitque puer, ſudavit et alan,
äbstindir Verlere et vind — cut cz meéfidri
Tatb — figft Mäccotuia Titan.
We air yal derVarer der irunen Are.
ren nett ſetines Geſchlechts geſorgt, daß er TOR
ſern won dieten abelſullenden Kenkeniffen und ver
Krtäinten Ehtbfiäfungen geboreü merden Ich.
DR are Mar und Erima ertehner imd
tanffinwer viel geſraaber ais Der Vornehme und Ger
lehrte: der geſſitere Milde viel gertiitder, uns Der
undiiere Eutuihir, der Mann von Ameauung
mir TtIingeeit veſſtee, An das iuͤblde, hatwuhn⸗
wre Bere Ab and Satz qrören zum Lehen;
ſie moſſen aber, he ae Note, maͤbka gebraucht
were, Fo Ku fie, Karla nie: Wenn
2*
68
an die treme Menſchengattung ſiehet, bie wenig
weiß, aber das wenige ganz empfindet und uͤbet,
and. fobann deu andern Theil von Menfchen wahr:
nimmt, wo Erkenntniß die Empfindung, und biefe
jenes zerftört, daß aus beiden nichts wird; follte
man nicht denfen, Spekulation und Empfindeiet
feven ung zum bitterfien Fluche gegeben? Wer blich
feinem Berufe treuer? weſſen Kräfte find mehr in
Ebenmaß und Ordnung? wer genießt mehr Selig:
Zeit und Ruhe? Weber Erkenntniß noch Empfindung
Allein können fie geben, wenn nicht beide einans
ber unterftägen, heben und ſtaͤrken.
+ Die gefundefien Menihen aller Zeit hatten
nichts ausſchließend: Erkenntniß uad Empfindung
Aoß in ihnen zu Menſchenleben, zu That, zu Sluͤck⸗
jeliglelt zufammen. Auch die abfiraftefte Wiſ⸗
—--.
ſenſchaft bat ihre Anfhauung, und meiſtens ward
der gluͤclichſte Blick auch in ihr nur in Gefaäft,
That, Handlung geboren. So Bako, Sarpt,
Grotius und fat Immer jeder Beite feiner
Art. Er kam zur Wiſſenſchaft ald Freund, als
Liebling, nicht als Leibeigner und Sklave, darum
fand er Gunſt und Beifall. Wären Homer und
Sophokles, Dffian und Syakspear, Mil-
ton und Daute Profefloren der Poelle gewefen,
oder zu Ihrem. Geſange fürftlich befoldet worden:
fie wären faum, was fie find, worden, \
Erkenntniß und Empfindung leben nur in That,
in Wahrheit. Meligton ift ausgeftorben in einem
Kreife, wo ſie nicht in Vorbildern lebt: todtes
Bekenntniß, Gebraͤuche, Formelngelehrſamkeit uud
Eplbenſtecherei, wenn ſie auch ſeidſt in ten Urſpra⸗
— — — FE} — A — —
69 -
den und auf ben Lippen der Stifter ihr Werk trieße,
kann jene Tochter des Himmels weder darſtellen,
noch erfegen, die In Menfchen leben muß, oder fie
MR nicht mehr: fie iſt, wie Aftrda, zu ihrem Va⸗
terlaude gekehret. - |
Ga Zeiten elſo, dba noch alles näher zuſammen
war, und man die Fäden menſchlicher Beſtimmung,
Gaben und Kräfte noch nicht fo lodgewunden und
aus ihrem verflochtenen Knaͤuel heraus gegauft hats
te: ia Seiten, da Ein Menſch mehr ald Eins und
jeder alles war, was Er feya konnte — die Geſchiote
zeigt offeabar, daß große, thätige, gute Menfchen da:
mals unfeltuer gewefen, als in Zeitaltern, wo alles ge⸗
tremut iſt, jeder nur mit Einer Kraft oder Einem
Kraltleia feiner Seele dienen foll, und uͤbrigens
unter einem elenden Mechanismus feufzer. Ich
nebme die Griechen in ihren ſchoͤnſten Zeiten zum
Beifplel. Was durfte rin Maan fenn! und was
war er! Aeſchyvlus, Sophokles, Zenophon,
Ylato: da ftänte eine Kraft die andere, und alles
Mieb im kraͤftigen Naturfpleie. Seitdem mit Staͤn⸗
den, Rang und Lebensarten ſich auch, cheu! die
Sipigfetten. aetheilt: feltdem es auf unferm Stuhl
geſchrieben fteht, „was der ſeyn foll, ber da
fiße“ und er’s alfo, wie die Pothia, ohne Zwei⸗
fel von unten auflernet : fettdem Diy’ome, Beſtallun⸗
gen uud ausfıiiekende Freipeitstriefe aus jedem
eb machen, was ein Affe wollte, ſeitdem denkt
sur Ber Eine, er ſieht, forſot, empfindet, han⸗
deit nicht, raft nur immer wie jener -eingefperrte -
Vogel, der nichta an fawäsen wußte: ih denke! -
Ein andrer fol ohne Kopf handeln und anoch-
- 72 | >
hatten, waren vermutLiich ihnen felbft um thefſten
die Klauen im Sefihte. Wie Ungeheuer und witbe
Thiere, kann auch Menſchen der Art eine verbarbne
‚Belt und Staatsverfaflung wohl brauchen; oft finb
fie Rattenpulver und Kehrbefen, ben Saal zu fe
gen. ben fo oft werden aber auch bie beiten, ſit⸗
tigften und wirklich größeften Menſchen unter Bil⸗
dern der Art verfchrieen, weil fie etwa einem Un⸗
terdräder und Lentefchinder zu nahe traten, oder
weit fih Matten und Fröfche gegen fie empdrten.
einer Stärke und Größe Faum überhaupt niemand:
weder ein Quentlein no eine Elle zugeben: und
das Geſchrei der Jungen auf Stelzen hinter dem
Miefen, der vor Ihnen gebet, oder das Yab der
Efelein in Löwenhäuten, wird bald verrathen. So
viel ift gewiß, jede große und ſtarke Seele hat auch
Anlage, bie tugendhaftefte zu werden. Wo diefe
Leldenſchaſt möglich war, war auch eine andre moͤg⸗
Kenntnife gewägren Finnen, die über jene here
Ih, die ihre das Gegengewicht hielt; und über-
haupt, welche Leidenfhaft und Empfindung muß.
denn auf's Boͤſe verwandt werden, daß man nick.
anders könnte? Vlelleicht Haben Menſchen von ſtar⸗
ler Seele mehr Mühe fich zu überwinden: fie ha⸗
ben-aber auch mehr Kraft, und nur wenn fie ben.
Sieg vollendet haben, ſollte man fie große Mens
fven nennen, das ft, wenn fie gute Menſchen
geworden. Und alsdann iſt's doch wohl ohne Zwei⸗
fel, daß ein Schiff, das mit großen Winden und-
- wöhlgeräfleren Segeln fährt, weiter kommt, ald der
träge lee Kahn da am flachen felchten Iher.
Tiefe Empfindungen muͤſſen immer auch tiefe
|
— —⏑ — OR ⏑⏑ — —
75 . on
fürn, umb ſodaun And bie ſtaͤrkſten Leidenſchaften
mb Triebe, wohlgeordnet, nur das ſinnliche Sche⸗
ma ber flarten Vernunft, bie In ihnen wirket.
Gelbft jede mißrathene große Seele beweist dieſes
In ihren beifern glüdlihen Stunden. Wenn fie:
binter Ausſchweifungen und Tollheiten zu fih kommt,
Rene und die gute Natur In ibr zuruͤckkehret, wie
tiefer fuͤhlt fie dann das.gefliftete Gute und Boͤſe,
als jene redfeligen Schwäger, jene flachen Köpfe
und Herzen! Blutthränen möchte fie weinen, und
bie auch fpate beffere Crkenntniß wird gewiß in
der Folge in ihr tiefer graben, fiiller und mehr.
wirken, als das fprubelnde Geſchwaͤtz aller Sophi⸗
fien in ihrem eignen werthen Selbſt, gefchweige in
andern gewirkt hat. Ich kenne in der Geſchichte
keinen verfallnen großen Mann, wo man nicht im⸗
wer auch noch im Shutt den Tempel bewundern.
und feufzen müßte: edier Palaft, wie bift du zur
Mörbergrube worden!
Ich glaube diefe Betrachtungen wohl necht wet⸗
ter fortſetzen zu bür’en, weil ja nicht die ſtarken,
fondern die ſchwachen, feinen und zarten Empfins
dungen die Lieblingsſaiten unfers Inſtruments find,
und wir jene nur für Abenteuer halten, Der Etrom
der Zeiten fließt ſonderbar zwifchen feinen Ufern; er
ſchlaͤngelt fi, wie alle Etiöme, und ſelbſt das große
Meitmeer, bie und dorthin in entgegen ſtehenden
Winkeln. Bald it Ber Boden für Erfenntniß, bald für ‘
Empfindung, und allemal blühen fodann die Plan:
sen am beften, die aus dem Naturboden dieſes
Volke, diefer Zeit ſproſſen. Zu einer Zeit gaffen
+
RE
Wie: Zbelfen. alle empor, fehen gew Simmel „und:
züylen die Sterne, Übrigens nitgend weniger, wäh
in ihrem Vaterlande, in ihrer Stadt zu Haufe.
Bald thut man Kreuzzuͤgo nach dem guldnen Bues
der Toteranz, allgemeinen Religlon und Menſwen⸗
liebe, vielleicht oben fo abentenertich als Die Kteuß
sicher des heiligen Grabes und des Spftemd frem⸗
der Beten. Dieſer arbeiter, das Menfhenge--
ſihlecht zu jenem "Bilde mir getdnem Haupt zu ma⸗
Den, das aber auf Fußen von hen ruber: einem
andern ſall's Ungeheuer, Greif und Sphinx werden;
Die Gotcheit laͤßt ſie arbeiten, und weiß eine
Wagſchale durch Me andre zu lenken: Empfindung
durc Deflore Kenntabffe, Kenntmiß durch Empfindung.
Ueber wie viele Vorurthelie ſind wir wirktih
Gimmes, vor denen eine aubre Zeit die Kniee beugtet-
Enige milde Lichtſtrahlen aus der edtern Seele
goͤttlicher Menfchen zeigten ſte, zuarft mir Schim⸗
mer, In Morgendaͤmmerung. Die Finſterniß wap⸗
nete ſich und ſtritt lauge; aber da ging die herrliche
Sonns auf, und die dunkle Nacht mußte hinweg
zellen. — Verzage nicht, [feber Morgenitern, oder
ihr ſchoͤnen einzelnen Strahlen der Morgenroͤthe:
de macht woch nicht Mittag; aber hinter end iſt
die Fackel der AUmacht; unwiderſtehlich wird fie
Ipren Lauf anfangen und enden.
Liht war der Mafang der Schöpfung, und eg
gibet kebn edleces Loos in der Welt, ale za erleuch⸗
ser, wenn dad Rat rechter. Art iſt. Seibſt der
Sohn Gettes konnte hienieden nichts befferd thun,
ais Wahrheit lehren 3 aber fein Licht war Wärme,
feine Warrhelt ewlges Leben. Der -Musfprug kit
ee er er u
«
g l
vetecrſcichen/ darudie meat aa⸗ ur dein
naher aklan. uk Br Fake ah
mehr „ld: das Kick Lieben, weil Ihre,
rar be: nibs hanıaay. daß in Dinfem.gchainen
"und. eit:-sehr..verihäuten. Sufke ahtz auch Ant.
srhache Berikt: tn; u era miak wühe,.
Wahrheit zu Lehre: und ſelbſt. is ein Koͤnig
ker: Wanhrhe it zuz herken.. En Sehrte zwi
rad, woher er gelommean. war, un üUeß
folmen Zuhscktten. Dem. Segen nach, dab Zicht ewig
Lid kiriien,. fein: Raser. nad) immer bis:
Ginfteanih: üherwimärns. mäfle, ver alles
zu ort: tomemen. werde, wes in thm ge⸗
Khan. Jen. —
Mitch dunkt, die ſer Schwung wird vielen Leſern
fo tod ſceinen, daß es wohl am beiten ft, abzu⸗
brechen, und eine Frage zu behandeln, d'e mene
in Geſlchte treift und nach der Luſt unſerer Zeir ie
1 Waus wirt das mancherlei Erkennen
und Empfinden auf die mancherlei Ge⸗
nie's, Charaktere oder wir. die Zau⸗
bernamen heißen?
Ra.Barckb beraanı im Direen. mei ich In der.
Welt nichts weniger weiß, aid was Geſnie in, es
mag , deyr, Bir oder das Genie heißean. Niemand
hat dysn mehr akrwaßt, als die aenterelchen Franz
zoſen, zumal der tiefe Speiulant, Helvettus
gelb. Er hat, duͤnkt mich, Genie babem
Gente [eye Maun van Oeule und fein Mann
,
‘
16 |
yon Sente feyn, ſehr fein und weile unterfanlebens
auch unwiderfprechtich. bewiefen, daß es eigentlich
gar ein Genie (angeborae Naturart) gebe, ſon⸗
dern daß wir alle al& gleiche Plattkoͤpfe auf ber Welt
erfchelnen: alles komme daraufan, wie wir drefe
firt werden.und melden Fraß wir, Genie zu wer:
den, erwifhen. Dem Baucanfon habe eine
Use Im Vorzimmer, da er einmal warten mußte,
fen Genie gegeben u. f.
Der ſchoͤnen und tiefen Spur find wir Dentiche
in den legten Zeiten denn amch nachgegangen. Unſe⸗
rer Philoſophie und Sprache fehlte fo vieles, da
beide noch nichts vom „Genie“ mußten; ploͤtz⸗
lich gab's Abhandlung über Abhandlung, Verfurh.
nad) Verſuch daruͤber, und wahrſcheinlich haben wir
‚ noch von irgend einer metaphyſiſchen Alademie in
Dänemark, Holland, Deutihland und Italien eine.
Aufgabe „über'd Genie“ zu ermarten. „Wis Ge:
nie fey? aus welchen Beitanbtheilen es beitebe,
„und fit darein natuͤrlich wieder zerlegen laſſe?
„Wie man dazu und davon komme? u. dgl.’
Der befheldene Deutſche, ſagt Klopftod,
nennt’ 6 bantbar Gabe, und weiter habe ich Davon
weber Begriff noch Ertiärung. Beute und Cha:
rafter find — — „bie einzelne Menſchen⸗
art *), die einem Gott gegeben,“ weder mehr
noch minder.
Nun find der Gaben fo viel, als Meufhen.
auf der Erde find, und In allen Menſchen Hi gemife
®) Genius, ingenium, indalen, rin animae,: charaster
baden in altem Eprachen Diele Bedeutung.
” »
- 77
ſermaßen auch nur Eine Gabe, Erlenntnif und
Empfindung, d. i. inneres Leben ber Apper⸗
seption und Elafticität ber Seele. Wo dieß
da if, tft Genie und mehr Genie, we «6 -
mehr, und weniger, wo es weniger Ik m. f.
Nur dieß innere Leben ber Seele gibt der Einbil⸗
Yung, bem Gedaͤchtniß, dem Witz, dem Scharf⸗
fun, und wie man weiter zaͤhle, Ausbreitung,
Tiefe, Energie, Wahrheit. Laß ein Genie
buntere Farben ſchlagen als der Pfan mit feinem
Schweife, jenes einbilbungsreicher feyn als Bellere-
»hons Saul, dieß felnere Sachen als Spinnweb
thellen — aber trenne von ihren Werfen und Uns
ternehmungen Verſtand, Gefuaͤhl der Wahr⸗
heit, inneres Menſchenleben: ſo ſind's nur
Thlerkraͤfte, an denen fie jedesmal ein Vieh uͤber⸗
windet. Der Redner wird Solbenzaͤhler, der Dich⸗
ter Verſificateur oder Tollhaͤusler, der Gramma⸗
tier Wortkraͤmer, fo bald ihm der Himmel jene
lebendige Quelle verfagt hat oder biefe ihm
verfieget.. i
- Ju dem Verftende iſt die Natur. alfo an Ges
wie's nicht fo unfrudtbar , ale wir wähnen, wenn
wir bloß Buͤchergenie's und Papiermotten dafür hal⸗
ten. Jeder Menſch von. edein lebendigen Kräften
iſt Genie auf feiner Stelle, in feinem Berk, zu
{einer Beſtimmung, und wahrlich, die beiten Ge⸗
nie's find anßer der Buͤcherſtube. Es ift einfältig,
wenn der ftubirte Gray in ‚feiner Elegie auf dem
Kirchhofe da deu jungen Bauerkerl bedauert, daß
er kein Benie, wie Er, neworden; er würde vers
muthlich ein größeres, als Gray, worden (Ey,
N
BL
68
man Die trene Menfchengattumg ſiehet, bie wenig
weiß, aber das wenige ganz empfindet und über,
und ſodann deu andern Theil von Menſchen wahre
nimmt, wo Erfenntniß bie Empfindung, und biefe
jenes zerftört, daß aus beiden nichts wird; follte
man nicht denken, Spekulation und Empfindelef
feven uns zum bitterfien Fluche gegeben? Wer blich
feinem Berufe treuer? weſſen Kräfte find mehr im
Ebenmaß und Ordnung? wer genießt mehr Selig:
Zelt und Ruhe? Weber Erkenntniß noch Empfindung
Allein können fie geben, wenn nicht beide einans
der unterſtuͤtzen, heben und ſtaͤrken.
+ Die gefundeftien Menfchen aller Seit hatten
nichts ausſchließend: Erkenntniß ud Empfindung
Aoß in ihnen zu Menfchenteben, zu That, zu Gluͤck⸗
jeliglelt zufammen. Auch bie abſtrakteſte Wil:
fenf&aft hat ihre Anfchanung, und meiſtens warb
der gluͤclichſte Blick auch in Ihe nur in Geſqaͤft,
That, Handlung geboren. Eo Bako, Sarpt,
Sretius und fat Immer jeder Befte feiner
Kt. Er kam zur Wilfenfchaft als Freund, als
Liebling, nicht als Lelbeigner und Sklave, darum
fand er Gunſt und Beifall. Wären Homer und
Sppholles, Dffian und Shafsyear, Mil
ton und Dante Profefioren ber Poeſſe geweſen,
oder zu Ihrem Geſange fürftlich befoidet worden:
fie wären faum, was fie find, worden, \ |
Erkenntniß und Empfindung leben nur in Chat,
In Wahrheit. Religion ift ausgeftorben In einem
Kreife, wo ſie nicht in Vorbildern lebt: todtes
Bekenntniß, Gebraͤuche, Formelngelehrſamkeit und
- Spibenfteerei, wenn ſie auch feibft in tea Urfpraz
69 -
den und auf ben Lippen der Stifter ihr Werk triebe,
leun jene -Tochter des Himmels weder barftellen, :
noch erfenen, die in Menfchen leben muß, oder fie
it nit mehr: fie iſt, wie Aſtraͤa, zu Ihrem Bas
tetlande gefehret. — - |
In Zeiten alſo, da noch alles näher zufammen
war, und man die Fäden menſchlicher Beſtimmung,
Gaben und Kräfte noch nicht fo losgewunden und
was Ihrem verflochtenen Anduel heraus gezauft hats
fe: In Zeiten, da Ein Menſch mehr als Eins und
jeder alles war, was Er feva konnte — die Geſchiote
selgt offenbar, daß große, thätige, gute Menfchen da:
mals unfeltner gewefen, als in Zeitaltern, wo alles ges
trennt it, jeder nur mit Einer Kraft oder Einem
Aräftieln feiner Seele dienen foll, und übrigene
unter einem elenden Mechanismus feufzer. Ich
nehme die Griechen in ihren fchönften Zeiten zum
Beiſplel. Was durfte ‚ein Maan feun! und was
wereriXefhulus, Sopbofled, Xenophon,
Nato: da ſtuͤtzte eine Arafı die andere, und alles
Nieb im Fräftigen Naturfpiele. Seitdem mit Staͤn⸗
den, Rang und Lebensarten ſich auch, cheu! die
Gihlzkeiten gethelte: ſeiltdem es auf unferm Stuhl
gefzieben ſteht, „was der ſeyn foll, der da
ige” und er's alfo, wie die Pothia, ohne Zwei⸗
fel von unten auflernet : ſeltdem Dipſome, Beftallun:
gen und ausſchließende Freibeitäbriefe aus jedem
alles machen, was ein Affe wollte, ſeitdem bentt
bur der Bine, er ſieht, forſcht, empfindet, han⸗
deit wicht, ruſt aur immer wie jener .eingefperrte
Bogel, der nichts zn ſowaͤßzen wußte: ich denke!
Ein andrer fol ohme Kopf Handeln und anoch:
er
80
Ban eh wi m ann |
nu. hell, das doch Ar Hohen, sngufchligen dran,
dem erſten Voxbude der Mepuklit vieien Mrässe,
fehlt daR. Haar amh der Zeh ſhut. Und ſaugipt
denn jene Menge trockner oder fanler Au wuͤcce
Gsirefsenzen. und Nigel: zuſemmengewarſae Hau⸗
fen Ruſterſchaalen, die, reibmelle aufgenagelt oder
in Palven gaſtaben, ſeahr ſcaenuͤen und. Henem,
Speknlanen ahne Hande und Anae, Echmaͤtzer ohne
Gefühl, Nirgeingeber ohn' alle Kunſt und Behling,,
Yanazelen, Raber uud Kunſtrichtax, alanda Hafe
dentker und Holhemrfinder. Saugs fährt denn in
gendwo im Exaufen, Dünen, abgelebeen SKiunee:
ein neues Geſchwuͤr oder ein Feines Blaͤtterle in enf
Der Hout empor: fo laͤu und: wellet alles hianzu,
Raun und bewundert, wie viel der fsilge Adam.
ner noch Kraft und Saft-habe.
„‚Traurige, arme Dame, Phklefaphie, TenE
nShafteeburti, fie iſt in_dyaile Mauern, Rels
„Ienien. und Gan'stskos eingeſwlaſſan, und fen
„unddenfer” zeriest, was Ge nichkibat, nicht ger
mießet, und beuft, wovon und woräher fie nicte
emufintet. Was war bie fcholafuikne. Mrubelei der
mitsiern. Jahrhunderte, auf dan todten Ariſtotele s
einnaſchraͤnet, den aan nicht verſtand uad:bafto mehr
zerleate? Und was. ſind die tauben Regrifſe Werts
Eränse. und Ahliraktionen, jene Breion, moralikhpon
litiſcher Svſteme, jenes Triktrat phitoſophiſcher
Sprache, wn allss, eatweiht ift, wo nlamandı weine.
mpeg denfer oder mag dabet will, weder Autar.:nech.
Leiser? Wortidole; und befio,. mehr menden fie que
—
2,
soheter, woll o nichts winken forlen mad. nicht
wisten. . - -
Kein. Word Lk verderblicher, als. an bes brek.
Men GSaben Gottas, Poruumft, Ompfin⸗
Jauyı Sprache. Der Juͤnaliag fail abſtrahtren
und fpetubiren: kommen : tem: ers, fo mird ee
chend: ein. junger Brei, ein hetzles Behdg, Dad
aber deſto lauter taͤntt. Lerat er's nicht, und
tr das Soinunweb mit Füßen: mie viel Gutes wird
mit zertreten! Wer hat's gemacht, daß die große
Diana deutſcher Epheſer, bie. Philoſorhie, jetzt fo
vorſchrieen und unwuͤrdig vorachtet wird, als weis
Ind! Ihre lieben Anbeter, die Fabrikanten, nicht
gelbner und fllberner Tempelchen, ſondern hoͤlzer⸗
un. Kompendien, Theorien und Suftewe,
Atmen entgegen iſt bie Sekte der Empfinden .
groß geworden, der Meinen Rieſen mis hoher Bruſt,
ſtarker veidenſchaft und Thattraft. „Hase nicht
„ber weoland geeßbe Helvetius bewieſen, daß
„Gonie und Tugend zu einander wie Katze und Haud
„gehoͤren, und find moraliſche Menſchen nicht die
„ſchmaͤch ten, orbaͤrmlichſten unter der Sonne? Gro⸗
„fer Wille, ſtarke Ungebundenheit und Seibſthelt,
„ein ewiger Kamof m't Goͤttern und Dimonen, das
gibt Helden, Nepbiiim, Liwen.“ ——
Benn’s Leute gäbe, die im Eraft ſo dachten,
To, glaub' ih, wuͤrde weniz Säsfeligkeit In dem
Heroismus rahen: dean Miltonk Teufel, der das
Yandinontum und gar eine Biuͤcke übers Chaos
Yaute, biieb immer ein unfeliger Teufel. Walz
ienfkein und Cromwell wıren zuleßt unfelize
Mernſchen, und vom Loͤren, mit dem fie zu thua
72
hatten, waren verweutLiich ihnen felbft um tiefſten
die Klauen im Geſichte. Wie Ungeheuer und wilde
Thiere, kann and Menſchen ber Art eine verbarbne
Zeit und Staatsverfaflung wohl brauchen; oft find
fie Rattenpulver und Kehrbefen, den Saal zu fe=
gen. hen fo oft werben aber auch bie beiten, ſit⸗
tigften und wirklich größeften Menſchen unter Bil:
dern der Art verfchrieen, weil fie etwa einem Unz
terbräder und LKentefchinder zu nahe traten, oder
weil fih Matten und Froͤſche gegen fie empoͤrten.
Seiner Stärke und Größe kann überhaupt niemand:
weder ein Quentlein noch eine Eile zugeben: unb
das Gefchrei der Jungen auf Etelzen hinter dem
Rieſen, der vor ihnen gebet, oder das Yah der
Eſelein in Löwenhäuten, wird bald verrathen. So
viel ift gewiß, jede große und flarfe Seele hat auch
Anlage, die tugendhaftefte zu werden. Wo dieſe
Leidenſchaſt möglich war, mar auch eine andre moͤg⸗
lich, die ihr das Gegengewicht hielt; und über:
haupt, welche Leidenfhaft und Empfindung muß.
denn auf's Boͤſe verwandt werben, daß man nick.
“anders könnte? Vielleicht haben Menſchen von ſtar⸗
ter Seele mehr Mübe fi zu überwinden: fie ha⸗
ben-aber auch mehr Kraft, und nur wenn fe den.
Sieg vollendet haben, jollte man fie große Men=
fden nennen, das it, wenn fie gute Menſchen
geworden. Und alsdann iſt's doch wohl ohne Zwei⸗
fel, daß ein Ehiff, dad mit großen Winden und-
: wöhlgerüferen Segeln fährt, weiter fommt, als der
Kenutniffe gewähren können, bie über jene gern
träge lede Kahn da am flachen felchten Uſer.
Tiefe Empfindungen müflen immer auch tiefe
|
=
15
ſchen, und ſodann ſind bie ſtaͤrkſten Lerbenfcheften
und Triebe, wohlgeordnet, nur das ſinnliche Bars
ma ber ſtarken Vernunft, die in ihnen wirket.
Gelbft jede mißrathene große Seele beweist diefes
In ihren beffern glüdlihen Stunden. Wenn fie
binter Ausſchweifungen und Tollpeiten zu fich kommt,
Reue und die gute Natur in ibr zuruͤckkehret, wie
tle fer fuͤhlt fie dann das. geftiftete Gute und Voͤſe,
als jene redfeligen Schwäger, jene flachen Koͤpfe
und Herzen! Blutthraͤnen möchte fie weinen, wab-
bie auch ſpaͤte beffere Erfenntnig wird gewiß im
der Folge In ihr tiefer graben, ftiller und mehr.
wirken, als das fprudelnde Geſchwaͤtz aller Sophi⸗
ſten im Ihrem eignen werthen Selbſt, geſchweige In
andern gewirkt hat. Ich kenne fu ber Geſchichte
feinen verfallnen großen Mann, wo man nicht: im⸗
wer auch noch im Shutt den Tempel bewundern.
und feufjen müßte: edler Palaft, wie biſt du zur
SMörbergrube worden!
®
* »
Ich glaube diefe Betrachtungen wohl nicht weis -
ter fortfegen zu dür’en, weit ja nicht bie ſtarken,
fondern die ſchwachen, feinen und zarten Empfins
dungen bie Lieblingsſaiten unfers Inftruments find,
und wir jene nur für Abenteuer halten. Der Strom
ber Zeiten fließt fonderbar zwiſchen feinen Ufern; ec
f&längelt fit, wie alle Etidme, und ſelbſt das große
Meitmeer, bie und dorthin In entgegen ſtehenden
Winkeln. Bald ift Der Boden für Erkenntniß, bald für '
Empfindung, und allemal blühen fodann die Pflan⸗
jen am beften, die aus dem Naturboten dieſes
Volks, dieſer Zeit ſproſſen. Zu einer Zeit gaflen
1
*
—
yle enmyer, fehen gem Hiumei, und
züplen bie Sterne, Abrigens nitgend weniger, ai
in ifeom. Wererbande, in ihrer Stadt: u Haufe
Bald thut man Kreuzzuͤgo nach dem gäldıren Bties-
der Toteranz, allgemeinen Religion und Menſthen⸗
liebo, vieleicht ober fo abentenertih als bie Kreu⸗
stehen des heillgen Grades und des Svſtems frem=-
der Weiten. Dieſer arbeiter, dus Menfhenges:
Tolecht zu jenem Bilde mit gotdnem Haupt zu ma⸗
en, dad. aber auf Füßen von Thon ruhes: einem
mdern ſoll's Ungeheuer, Greif und Sphinx werden,
Die Gosheit käft jie arbeiten, ud weiß eine
Wagſchale Dusch Die andre. zu lenken: Empfindung
durch beſſore Kenntaiſte, Kenntniß durch Empfindung.
Ueber wie viele Vorufthelie fu) mir wirtikh
Gimmweh, vor denen eine. andre Zeit tie Kniee beugte!
Einige milde Lichtſtrahlen aus der ediern , Seele
goͤtilicher Menſchen zeigten fie, zusrſt mit Schim⸗
mer, in Morgendaͤmmerung. Die Finſterniß wap⸗
nete ſich und ſtritt lange; aber da ging die herrliche
Eonne auf, und die dunkte Naht mußte hinweg
sehen. — Versage nicht, Ikeber Morgenftern, oder
ihr fhönem einzelnen Strahlen ber Morgenröryer
ir macht noch nicht Mittag; aber hinter ench iſt
die Fackel der Almacht; ummiderfichtiig wird fie
Ihren Lauf anfangen und enden, zZ
time war der Rafang der Schhpfung, und e&
- 868 fehn edleres Loos in der Weit, ale zu erleuch⸗
ser, wenn das Licht rechter Art iſt. Seibſt der
Sehr Gettes konnte hienieden nichts beſſers thun,
aid Wahrheit lehren 5 aber fein Licht war Wärme,
feine Wapspeit ewiges Leben. Der Nusfpru iſt
2 .
7) ! BR. R
vndenaefhntehen:. dalıbie: Mani am une Def
man Bahrheit Kablan uch Din Flak er ah
men Alt Dam Kit lichen, weil Ihre
Mar be:niht hanızav Nah: in diaſem geheimes
und. ort: sehr. verihäaten. Sadke abs ach. An
sröanehe Berixt. fen. Er mara nid wäh.
Behrbeit zu Lehre. und ſelbit. æis, ein König:
der: Wesrheit zus Merken. En Iehrte zu
tüd, woher er gelommean. war, und lief:
Tehmen Fußtratten dem Begen vach. daß Licht ewig
Licha kirien,. felnmı Rasur. nad) immer ‚bis:
Ginfieanis: üuberwimäes mälle, ver alles.
zu. Bott: fmmmen werde, wer in thm ge⸗
Kante N... j
Mich daͤnkt, die ſer Schwuna wird vielen Leſern
fo tod ſceinen, daß es wohl am beiten tft, abzu⸗
brechen, und eine Frage zu behandeln, die mene
in Geſichte kreife und nach der Luſt unſerer Zeir iſt.
a Mas wirft das mancherlei Erkennen
und Empfinden auf die mauherlei Gr= '
nielſs, Charaktere, oder wre. die Zau⸗
bernamen ⸗heißen -
Da borc“ch aber aeu im Daͤrren. weil ich in der,
Melt nichts weniner.weiß, als was Menisht, es
master, Bir oderdas Gauie heifen. Niemand
hat.denen mehr aewaßt, alg die aewlerelchen Frans
zoſen, zumal der tiefe Speiulant, Helvettus
Jeibſt. Er nat. duͤnkt, mih, Genie babea,
Geute fepnn Wan. van Smile and fen Mann
*
76
yon Genie ſeyn, ſehr fein und weiſe unterfileben;
auch unwiderſprechlich bewieſen, daß es eigentlich
gar fein Genie (angeborne Naturart) gebe, ſon⸗
dern daß wir alle als gleiche Plattlöpfe anf der Weit
erfheinen: alles komme daraufan, wie wir brefe
firt werden.und welhen Fraß wir, Genie zu wer:
den, erwiihden. Dem Baucanfon habe eine
Uhr Im Vorzimmer, da er einmal warten mußte;
fein Genie gegeben u. f.
Der fhönen und tiefen Spur find wir Deutiche
in den legten Zeiten denn auch nachgegangen. Unſe⸗
rer- Phllofophle und Sprache fehlte fo vieles, da
beide noch nihte vom „@ente” wußten; Ylöß-
lich gab's Abhandlung über Abhandlung, Verfſurh.
nach Verſuch daruͤber, und wahrſcheinlich haben wir
noch von irgend einet metaphyſiſchen Akademie im
Daͤnemark, Holland, Deutſchland und Italien eine
Aufgabe „uͤber's Genie“ zu ermarten. „Wis Se:
„nie fey? aus welchen Beſtandtheilen es beſtehe,
„und fi darein natuͤrlich wieder zerlegen laſſe?
„Wie man dazu und davon komme? u. dgl.”
Der befheidene Deutſche, ſagt Klopftod,
nennt's dankbar Babe, und weiter habe ih Davon
weder Begriff noch Erklaͤrung. Genie und Eha-
rafter fnd — — „die einzelne Menſchen⸗
art *), die einem Gott gegeben,” weder mehr
neh minder.
. Run find der Gaben fo viel, ale Meufhen,
auf der Erde ind, und In allen Menſchen tft gewife
®) Genius, ingenium, indnlen, vis amimae,- character
haben in allen Eprachen dieſe Bedeutung.
” »
- - 77
ſermaßen auch nur Eine Gabe, Erfenntnif aub
Empfindung, d. i. inneres Leben ber Upper
seption und Elaftichtät der Seele. Wo dieß
da iſt, iſt Genie und mehr Genie, wo «6 -
mehr, und weniger, wo es weniger ik m. f.
Nur dieß innere Leben ber Seele gibt der Einbil-
Yang, bem Gedaͤchtniß, dem Wis, dem Scharf⸗
fun, und wie man weiter zähle, Ausbreitung,
Tiefe, Energie, Wahrheit. Laß ein Genie
buntere Farben fchlagen als der Pfau mit feinem
Schweife, jenes einbildungsreicher feyn als Bellere-
pꝓhons Saul, dieß felnere Sachen als Spiunweb
thellen — aber trenne von ihren Werken und Un⸗
ternehmungen Berftand, Gefuͤhl der Wahr
heit, inneres Menfhenleben: fo ſind's nur
Thierkraͤfte, an denen fie jedesmal ein Vieh übers -
windet. Der Redner wird Spibenzähler, ber Dis
ter Derfificatenr oder Tollhaͤnsler, der Gramma⸗
. tier Wortfrämer, fo bald ihm der Himmel jene
lebendige Quelle verfagt hat oder dieſe ihm
verfieget..
- Su dem Verftende Ift die Natur alfo au Ge⸗
ale's nicht fo unfrugtbar, als wir wähnen, wenn
wir bloß Buͤchergenie's und Papiermotten dafür hal⸗
ten. Jeder Menſch von. edein lebendigen Kräften
iſt Senie auf feiner Stelle, in feinem Werl, zu
feiner Beſtimmung, und wahrlih, bie beiten Ges:
. alles find anßer der Buͤcherſtube. Es iſt einfättig,
wenn ber ftudirte Gray in feiner Elegie auf dem
Kirchhofe da den jungen Bauerkerl bedauert, daß
er kein Benie, wie Er, neworden; er würde vers
muthlich ein größeres, als Grap, worden ſepn,
N
oe -
’ ..:.%8 V u
wer iveder Ray, noch ver N zum Beſten u
wie en Fake: warum He Matar wenkcec
Bro: Direct ms große Geſetzze ber, Go
wetnls 9. herborbridze? Pad beiikn-eldrehig
And: chafaltig, toptden watch , wie jettet Wwe ſagt,
da er ſeinen erſthactzenen Brurer auf dex Täpite
füpy medſtens nicht vone Loren, ſoudrruMenfcher
von Zeugen in eigener Sache, ſtolz vbet ſehran⸗
baqhtig beantwortet. "CH lauge bie Nadut ar zeſua⸗
Sea Reimen und bluhenben Baduͤmen TEE MAR
dat; wird ſſeis auch nucht an Menſengenien =
ben, mie die ekten abzoritſthen Silit vid
Nachtreter größer Peiite" immnde beſutehten. M.
Thörias, in feintn Bloges über gibheeMaunner,iſt
baſonderheit an "dergielnen geſchraubteni With
Bombaſt reith, ohne zwrifenweiler ſelbſreln⸗ rö⸗
per Munn th, 2 |
Die Natur hat der ebeln Keime grung:e 'ncit WER
rennen ſie Hffcht And zertreten fie rate ben Fzon |
weil wit dac Benir riet nu. |
keit, nach zu fruͤher Meife oder uͤbertſebrarm j
Mus ſchaͤtzen. Ein wohſgrvebeter, Hefähder, !
zraftizet WIERH, lebrad auf ſeknet Srele, und Die |
Terdit ſetzr Ada wirkend, gieht unfere Magen le 5
te auf ſich, als jendt andere mit Einem äberntfe 5,
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Bienen, vorgeblidetenn Zuge, den ihm DEE Marak
in Gnade oder fr Sort) veritzh, und ben von
Jugend auf hlazuwaßenve Tiere Sen Ar
th So wie, Nein Ein Wlye EHE, DAB“ anubere
era ſaarfer Aehtt, we ſich aun Holzhaner inbvuſt
Träger ſetae Arbehnt urkein atn mein free, WER
cs enbliih ⸗Kraukheltea gibht, da Ed Gliſd, -
—3
%
*
‘ 79
fe Mer aniihgi und zum Rlaſen waͤchſt⸗ ins
per jan andern. J———— fo iſts mir dem,
was bie Wäbeliprage Genie nennt. Hier ein
übertriebener Witzling ohne gefunden Verdand und
Herzendtreue; dort ein fllegendes Sonnenroß mad
verbreunet Die Erbe: hier ein Spekalapt -chne bie
mindefie Anfbonung und Handlung, ter mit den
nitigften Dingen wie mit unbebeutenden Zahlen
iplelets ein Held mit Leidenſchaft bis nahe ber Ver⸗
rüdung: ein gute? Kopf endilch, wie man's
nennet, das it ein Seradier und Schwaͤtzer über
Dinge, davon er fein Wort verfieht, Aber die er
aber mit den Modeformeln ſpielet. — Iſt das
Benie, wie bit du vom Simmel gefallen , da ſchoͤ⸗
ner genſtern, und. webſt and tanzeſt glei ei⸗
nem Iırlkhte auf fumpfigen Wieſen, ober rolle
als ein ſchaͤduͤcher Komet daher: vor dir Echreden
und hinter dir Peſt und Leihen. Iſt das Genie,
wer wollis haben? wer nicht Lieber wuͤnſchen, daß
die Natur außerordentlich felten folde Köder. und
Ungeheuer bilde! Much bilder fie Die Natur ſeit⸗
ner, als unfere menſchliche Geſellſhaſt. Wenn In
Diefer alle Stänte, Aemter, Berufsarbeiten urd
Hulälfe zu mirken fo getheilt und melitens lauter
tielue Zinler zu Einem Nenner find, den fein Men
aus zuiprechen waget: fo will jeder verdorbene .ftoise
Liytput gern ein Rieſe auf Feiner Stelle, vor
taufeu) andern ausgezeichnet, In ſeiner Epbäre wer⸗
den.. Gr. zwingt den Strom feiner Erkeuntniſſe
und Empfindungen auf Einen Punkt bin, daß er de
herrlich brauie, ſucht Lurch das größte Uebertreiben,
ein Einzeiner. feiner Ars gu werden; cr helßt ein
. L |
80 j
WBente! Dant der Matur, baß feld Unkraut nicht
an allen Zaͤunen wählt. or jede Heerbe, fat
Huart, gehört nur Ein Geißbock, fonft verliefen
fie ſich alle.
. Man lefe nur das Leben folder Leute, md es
tft ein Beweis mit Flammenzügen vom Ungluͤck ih⸗
res Schickſals. Wo tobt mehr Unruhe, Neid,
Menſchenhaß, Eifer und Rachſucht, ober wenn fie
noch niedrigere Zwecke hatten, mehr Geiz, Eitelkeit
der Wolluſt, als bei ſolchen Aftergeburten und
Baftarten der Menſchheit? Daher bei dieſem jemer
gottlofe Fleiß, der alles Del aus feiner Lebens⸗
Tampe trodnet, bei jenem ein nagender Hunger
nah Wiffenfhaft und Uebermacht, daß er wie ein
Seelengerippe mit Gluthaugen ober wie eine leben⸗
dige Nachtlampe da ſtehet. Diefer tft eine gufam- -
men gebeinte Abſtraktion, jener ein Flappernder
Storh auf der Thurmſpitze in einem Neft voll ge⸗
raubter Schlangen und Kröten. Am erften Genie,
das den Funken vom Himmel ftahl, nagte der Geier,
und jene Genie's, bie gar den Himmel beſtuͤrmen
wollten, liegen unter dem Aetna und andern Ber:
gen. Sie Hatten zum Theil auch hundert Hände
und Schlangenfhwänze, wie die himmelftärmenden
Genie's und nenen Neligionsfchöpfer unſrer Zeiten;
aber Vater Zeud war ihnen gewachfen.
Gluͤcklich, den frühe die Natur vor folder Ge⸗
niefucht bewahrte! dem zeitig fich der Engel entges
gen ftellte, und allenfalld aıh, wenn er fein Thier
ſchlug, diefem den Mund aufthat, fich feiner Fahrt
zu widerfesen, Damit er nicht weiſſazete nach-G es
Nuſten, fondern fels Herz und feine Art in Uaſchuid
J bes
8, .. :
bemanzte. Laſſet ung, da ich's nicht von mir er⸗
halten kann, biefe Gattung fiindfeliger Genien
bes Menſchengeſchlechts nah allen Prädifamenten
und Attributen von Begeifterung, Schoͤpferkraft,
Originalitaͤt, himmelaufſtrebender, ſich aus ſich
ſelbſ entwickelnder Urmacht u. dgl. zu loben, lieber
die Fluͤgel falten, und das „wahre Genie, das
a nur durch feine Beſcheidenheit auszeichnet,’ auch
feiner, Bescheidenheit gemäß, mehr Durch das, wo⸗
von es nicht weiß, als das, wovon die Welt tönet,
greifen. Ih waͤnſche nichts, als daß dieſe hinge⸗
worfenen Züge Leſer finden, die ihnen Wahrheit
nigt zujauchzen, Tandberg mit ſanftklopfendem Herzen
nach⸗ und verempÿnden. —
en 4
% % ’
Sebe edle Menfhenart fohläft, wie aller
gute Same im ſilllen Keime: Ift da und erfennet
fih feibft nicht. Was tr Abſicht auf Seelenträfte
Bernie Heißt, ift in Abficht auf Willen und Em:
vindung, Charakter.” Woher weiß bet arme
Selm, unb woher fol er's wiſſen, welche Reize,
Kräfte, Düfte des Lebens ihm im Augenbii feines
Werdens zuftrömten? *) Das Siegel Gottes, die
%) Ella si sedea
'IUMmile- in tanta gloria
. Cowäita dell’ amaroso nembo:
Qual-den:cadca sul lembo
‚ Qual gu le. trocce bionde .
‚Qual si posava in terra o qual su l’onde,
Petrarca.
Berders Werte 4. Phil. u. Geſch. L. 6
” 82
. Dede der Shyöpfung ruhet auf ihm: er ward gebil⸗
bet im Mittelpuntte der Erbe.
So viel fchen wir, daß ein Kind, wie die Ge:
ſtalt feines Körpers und Angefihte, auch die Züge
feiner Art zu denten und zu empfinden mitbringt: es
ift ein geblideter ganzer Menſch, obſchon Im Kleinen.
Du kannſt Fein Glied hinzuthun, das ihm fehlet;
eine Leidenſchaſt, keinen Hauptzug hinwegthun,
der da iſt. Wer das zarte Scitenſpiel junger Kin⸗
der und Knaben zu behorchen, wer nur in ihrem
Geſichte zu leſen weiß: welche Bemerkungen von
Genie und Charakter, d. i. einzelner Men⸗
ſchenart wird er machen! Es klingen leiſe Toͤne,
die gleichſam aus einer andern Welt zu kommen
ſcheinen: hie und da regt ſich ein Zug von Nachden⸗
ten, Leldenſchaft, Empfindung, ber eine ganze
Welt fchlafender Kräfte, einen ganzen Iebendigen
Menfchen weiſſagt, und- es tft, duͤnkt mich, bie
plattefte Meinung, bie je in einen Pablerkopf ge⸗
Tommen, daß alle menfhlihe Seelen gleih, daß
fie alle als platte leere Tafeln auf die Welt kommen.
Keine zwei Sandlörner find einander gleih, ge—
fhweige folhe reiche Keime und Abgründe Son
Kräften, ald zwo Menfchenfeeien, ober ih hätte
von dem Wort Menfchenfeele gar Eeinen Gedanken.
Auch das Leibnigifhe Gleichniß von Marmorftüden,
in tenen der Umriß zur künftigen Bildſaͤule ſchon
da lieet, duͤnkt mie noch zu wenig, wenigfiens zu
todt. Au Kinde iſt ein Quell von mancherlei Le⸗
ben, nur neh mit Duft und Nebel bededt; eine
Knofpe, In der der ganze Bam, die ganze Blume
eingehuͤllt bluͤhet.
83
Micht zu fruͤh reife fie auf, diefe lebensſchwan⸗
gere Kuofpe, la’ fie fih in's Laub der Beſcheiden⸗
beit und oft Dumpfhelt, wie wir fagen, verfieden: -
Es iſt ein mnerfegliger Schade, wenn man die liebe
iungfräuliche Blume aufbricht, daß fie lebenslang
weite. Fuͤhlſt du bie_Freuden bee Morgenröthe, -
ihren lieben erfien Dämmerungsfirahl nicht? War:
te! die große Sonne wird fchon hervor fchreiten.
man auch mit der Anferziehung junger menfchlicher -
Pflanzen nicht genug eilen. Da ftehn fie, bie
jungen Männer, die Kinder von hundert Jahren,
daß man ſieht und fchauert. Die verworrene *
zung, bie ſich, wie Winfelmann ſagt, suerit
durch einen fliegenden Reiz verräth, muß gleich be-
ſtimmt, Erfahrungen und SKenntniffe, die erft
Früchte männlicher Tahre ſeyn follten, mit Gewalt
bineln gezwungen werben, daß In weniger. Zeit:
Juͤnglingen felbft die Luft zu leben vergeht, die aͤch⸗
ten Srenden ber jungen Sabre immer feltuer -wer=-
den, und Uebermuth, Vorwitz, Tolldühnhelt, Aus⸗
ſchweifung fi) mit elender Schwaͤche und Mattig-
keit abwechfeln oder .enden. Wenn ein Mann vor-
der Suͤndfluth, ein Patriarch, oder auch nur, (ſehr |
unidealiſch geredet) ein alter treuherziger Bauer
Begriff hätte, den Auffchrei. und bag unverfhämte
Gekreiſch unferer jungen Genie's zu richten: arıme
Menſchheit, wie würde er. dich bedauern!
| Sf Genie und Charakter nur Lebendige
Menfhenart, nichts mehr und nichts minder:
bemerfet dieſe, nähret. die innere Quelle, übt bie
Thaͤtigkeit und Elaftichtät der Seele, aber nur wie.
84: :.
ſi escit. om wit. Mogtgcaechtui
ohuesKeun: am Rörpen old Sexlo lihuuumigs.dems .
auch das kleinſte Kiad aiſt ein lebendigen Miewid:
und. bet-:alle menſchlichen Stelentraͤfte, nicht; bluß,
wie aͤhr⸗ waͤnnt, die edle Gedaͤchtnißgabe. Abes wie
die Naum alles wach ſenlaͤßt, muß auch ihre edelſte
Pflanse, das Menſchergeſchoͤv, machten in. Hallen;
wehe dem, der Kins her Unſchuldigen durch feine
Frublugheit; und ordanngalaſe Sittenweitcheit, viel⸗
leicht auf immer zerſtoͤrt unh aͤraert —.
IJ Der arwmochende Juͤngliag ſindot ſich audevcaes·
ſcheide eines Lebens, wen: fi Knabenn uud Jang⸗
LUnasſcer trenten.· Dft erſcheint Ike. da Selen
niugrund zeigt Ihm site: uud Höhen feiner Zalunſt,
abes nur — In: bunfaler Tramme. Indeſſen auch
einem Greiſe, am latzten Tage ſeines Lebendidft.
den Zxeum der Jugeud, der erße Puloſchaag all⸗ ſeb⸗
nes kuͤnftigen Lebans, prophetiſche Enszitung.
er zu ſeinem kuͤnftigen Merbund Weſen use
wenis Entwickelung hraucht/ findet feines Gatwickter
‚and leicht. Ein Euklades, eine: Uhr, ein Bes
maͤhlde, ein;Blatt unbekannter Ziffern wockte m Ta
herauf, ale ob's Apollo ſelbſt mit der Leier
fuͤr andere iſt viel Gefahr, Erfahrung, oft. ein Ru⸗
bikon noͤthig. CAfar an Mexunders Dild⸗
ſaͤule, Alexander au Achllles Grabe weinend —
welch; ein weiſſagender, rührember :Anbiitt! :: Da
ſchlaͤft's In der Seele, oder vielmehr es ſchlaͤft nicht
mehr, kann aber jetzt nur in Thraͤnen heraus, eluſt
wirds andere heraue ſtroͤmen.
Auch hier. entheckt nur Seele die Serie: :elgne
gute Menſchenart kanne dine frembe: Menſchenart al⸗
a
B
85
Kein erſehen,itueutund mhaen. Die: ie er⸗
“ fahfungsvoller, ftiller, neidloſer Greis, desrden
ZZucegling/ verloren· in Bar: Teibit,! beuiserfet, und
itm Tin Bert Tpkicht ,; das lobensſang «in Feiner
Secletoͤnet. Oder ea wirſt derfeibe nur ſo winen
Bliack, Vehtt'Zehchen , reine @inählohle- ſorglos neben
.: Meyhteder:t bet Sungling nahen fie auf, fier-war
lange todo uni? verge fen, eb Da-glinmmt-fien: gerade
"jet; ana der⸗ Zid die ſer Wicdergefthlagingeit, Druͤb⸗
fa and Nulte cwieder: er waͤrmt· fein Herz ann ihr,
als Timer ſie jetzt eben: wom Milben der iebe und
ef ſind dene men Schiffer, ſchon under'm
: Ausebeht der Morgenräshe, / Stuͤrme befehteben.. Gr
verfhlägt, komnit in's Land der Ungeheuer und: Rie⸗
fon, Wwerrgeräth in die Saͤrten ber Ar mi dia. Gluͤck⸗
Bay; wert Age idie Ooͤttinn · mit dem Spieget der
Wahrheit bald erſchlen, daß er ſich feibſe ſehe / und
Meer ermanne Alßdann / ween er zeitig genug
entlommnt ‚wären iihm abe Qturme und · Wafchrten
ſehr Auͤnich, die: ſeim unverfuchtes Sadiff uͤbten.
Jeder vdre Wihberſtand, jedes tiefe und. fitike Leiden
prägt treffilche Zage uns im Geſicht und: Seele:
die ren Rriunpherunferer Jugendzeit werden das
runetum · safſiens unferes ganzen lehdigen Lebens.
Jammertfaber, wenn der Jgling unteritegtz wenn
er druͤue noerca ober hinuͤber zie henden⸗ Gogeaftänden
gm neheweilet! Ee verbitderiifih wird hart und-
rre⸗ der weich und iſtern, und verhaucht ſein
Deden⸗ in enz: ber Jahre. Zu ftuͤh geitehwfet..
Atkebloſet er wieder und. verſteht nichts anders. Zu
fr aa Lumaerhefebadet Abergieht er alles mit
%
v
86 |
Menſcheuhaß und Galle: fo find viel gute Menſchen
ganz ober Halb verloren.
Es tft bekannt, daß eine Eiche lange und lang⸗
fam wachfe, dagegen ber Erbihwamm in Einer
Nacht auffhießt. Auch bei den ſonderbarſten unb
zu den größten Dingen berufenen Menfchen trifft
dieß oft ein. Junius Brutus blieb lange brutus:
Eimenes ging lange mit dem Bettelſack number,
ber ihm ſchlecht anftand: und Correggio war
nicht jung mehr, da er fein io son pittore ausrief.
Der edle Menfch hat die Himmelsleiter in fi, die
er erft hinauf feyn muß, ehe ihm ein Wort entfabre:
der Alltagsſchwaͤtzer, das ift, der gute Kopf, der
redfellge Menfch von leichter Lippe, iſt immer, auch
ehe er angefangen bat, am Ende. Cr hat, wie
man fagt, alles gleih weg. Er kann den
Ocean mit einer aufgelnadten Nußſchale zum Nach⸗
tifh ausfaufen — —
O du heilige, liebe Stille zarter, befchelbuer
Gemuͤther, wie wohl thuſt du! Wohl thuft du bem,
der Dich genteßet: er erfpart fih hundert Worwarfe,
Gaukeleien, Wunderniffe, Fragen und Zweifel; er
erfpart andern den Anblick der Muͤhe und gibt
That. Newton, der Jüngling, hatte alle Theo⸗
rien, die fein Leben verewigten, fertig, und wußte.
nicht, daß er fie Habe. Der Fall eines Apfels un-
ter dem Baume lehrte Ihn das Syftem der Weiten,
und zeitlebens blieb er der befcheibene, ſtille, Fenfche
Mann, ber wahre Gotteſsverehrer. Siehe Shas
keſpear In fein Geſicht, ob da auf ber fanften
ſtillen Flaͤche, in dem fih alle Gegenftände, Hand⸗
‚tungen und Charaktere ber Welt ſpiegeln konnten,
!
87
der Affenwis, bie arinfenbe Gchabenfrende, ber
Yahoo. herrfchte, der andre Geunie's auszeichnet?
&r war und blieb Schaufpieler, der fi nie einmal
zu beh erfien Rollen erhob. Bako's Lichtfeele
Hatte mit dem Geſtirn viel Aehnlichkeit, bei deſſen
erfinfterung er allemal In Ohnmacht fanf: er bren-
wet nicht, aber er glänzet fanft und leuchtet. Welch
ein Uebender Menfchenfänger muß Homer gewe⸗
fen feyn, wenn man den immer gleichen und fanf-
ten Strom feiner ®efänge hinabgleitet! Wie fillle, -
neldlofe Männer Virgil und Horaz, Petrar-
ca und Lafontaine, Kopernifus und Kepp-
{er, Montagne und Sarpi. Der Schwärmer
Malebranche ließ fih von R. Simon erft
lange mit der Kritik martern, ehe er feinen Des:
cartes fand. Luther Fämpfte Tange mit fi, -
che er mit der Welt anfing zu fämpfen, und blieb
immer, troß eiſerner Härte und Stärke, im Werke
feines Berufs, im Privatleben der weichfte und red:
AUchſte Mann, der mit fich feibft mehr rans, als
manche von ihm glauben — —
Ueberhaupt iſt's Knabengeſchrei, was yon dem
angeborsen Enthuſiasmus, der heitern, im⸗
mer ftrömenden und ſich felbft belohnenden Quelle
des Gente's da her theortfirt wird. Der wahre
Meuſch Gottes fühlt mehr feine Schwähen und
Grenzen, als daß er fih Im Abgrunde feiner „po⸗
fitiven Kraft” mit Mond und Sonne babe. Er
ſtrebt und muß alfo noch nicht Haben: ftößt ſich
oft wund an ber Dede, bie ihn umgibt, an ber
Schale, bie ihn verſchließet, geſchweige daß er fich
insmer Im Empyreum feiner Allſeligkeit fühle. Der
"88
Strahl, ber Ihm bisweilen tief in ſein Innetes:
wird, was er fey? und was kein anderer: fuͤr(gͤhn
ſeyn folle? iſt meiſtens nur Trofkbiid, nur Kelch
der Stärkung zu neuem Fortſtreden. Je unendiiher
das Medium, die Weitſeite ift, für die er unmit⸗
telbar hinter feiner Erdſcholle Sinn hat: deſto mehr
wird er Kraftiofigleit, Wüfte, Verbannung fpären,
und nady neuem Saft, nach höherm Auffluge and:
Vollendung feines Werks lechzen — — -
Ich koͤnnte noch lange Züge ber Art hinzelh-
nen, bie freilih nur für den Verftändigen da fte-
ben, und dem großen Haufen Unfinn feinen fol
len; aber was hülfe e8? Dem Mann, ber Genie
und Charafter, d. i. gute eigne Art hat, wie,
. Gott fie Ihm gab und er fie niht umfonft empfan-
gen zu haben glaubet, fagen dergleichen Strihe un-
endlich weniger, ald er feibft weiß, und da fie dem
Haufen Krähen, Spagen und Elitern ohne Iwelfet
nichts fagen, fo ruhe, lieber Kiel! gib Ihnen lie-
ber eine Definition vom Genie und feinen man=
herlei Arten, dem univerfalen und partifu-
laren, philofonhifhen und aͤſthetiſchen,
hiſtorkſhhen und pſittaco-kritiſchen Ge—
nie u. f. "
—
«
* 2
Aber leider! kann ich von meinem: Gaͤnſekieb das
nicht erhalten. Er ſchnattert mir vor, daß das je
keine Unterſcheidungen der Natur, ſondern
menſcolicher Zunfte and Buͤch er find, daß aber
bie Natur nicht mach den Faͤchern unferer Nepofito-
es
gg
rin und nach ben" Doktorhuten uhreren' Fänsiiiten
eincheile. Er hat das Gänfegenie md’ den’ Skäfe-
charakter, kaut zu ſagen, daß in dieſen Zetlen Und
Betirtken oft der geſunde Meuſchenverſtaͤnd und
Menſcheucharakter, die das einzige wahre? Genie
find, aufhoͤre, ja haͤtte Beinahe Luſt, Leber die Stra⸗
fen ber Schuſter und Schneider, Troͤdler und Lein⸗
weber, Jaͤger und Miethkutſcher durch zu ſchuattern,
und Ihr mauncherlei Gente zu begudfen. — —
Du haft reiht, Weber Kiel!’ deun kein Gaͤrtuer Hat.
noch feine Gewaͤchſe nach dem blauen ober rothen Topfe
genannt, in die er fie etwa ſetzte, goſchselge daß
ein Botaniſt bloß bie Kräuter, die auf Miſtbeeten
und in Treibhaͤuſern wachſen, für die ganze leben⸗
dige Flora angefehen hätte. Man müßte alſo ent⸗
weder aus der Seele heraus qhuratteriſiren,
oder alle die Stellen, - Formen und Berlin
gen durchlaufen, in und zu denen bie Nutur jethre
Meufhen bildet. Wer Fans das aber? und wer -
raun alfo Gente’s einteilen und wWurätterifiten?-
— Indeffen laßt und weritsftend Eine Eiutheilung
verfaden! — | |
In allem, was Kraft tt, laͤfſfet ſich Jauig⸗
keit und Ausbreitung unterfhrtden; for maß
ed andy: bei der Menfhenart ſeyn, und das
‚wäre etwa eine Cintbellnng. Ein Menſch; det ſtark
ta ſich ſelbſt iſt, fuͤhlet ſich nut in weniges, aber
ſeht tief hnein, und kann faſt in Eluet Sache leben
mad weben. Das ſind Menſchen vor ſtarkem Enn,
von tiefem Erteunen und Eipfinden, und die Mut⸗
ter Natur hatı dieſe Gattung hrer Kluder ſelbſe
ſchon bezeichnet. Man ſiehet kelnen unſtaten Witt,
⸗⸗
90
ein kleines fllegenbes Fener, keine verworrenen
halbentworfenen Zuͤge: was bie Bildung ſagt, ſagt
He ganz, elnfaltig und tief in Wirkung. Ein Menſch,
der fi durch alle Glieder und Leidenfchaften alſo
ſtark, geſund und wohl fühltes wie teen muß er
alles empfangen und geben! von wie vielen Ber:
fireuungen, Vor⸗ und Halburtheilen frei ſeyn! ein
ſterbliches Ebenbild goͤttlicher Staͤrke und Einfalt.
Gegen zehn kleine Laſter gewapnet, verachtend
viele kleine Triebfedern, handelt ex lieber durch
Eine große, ſiehet nicht auf andre, weil er ſie ſelbſt
fuͤhlt m. fe — Eine andre Gattung von Kraft er⸗
fest durch Ausbreitung, durch Lebhaftigkeit und
Schnelle, was ihr an tiefer Iunigleit abgeht. Ste
find Esprits, Geiſter, alle Farben im Spiele,
' Die Natur hat ihre Bildung befeelet, ihnen
Neigungen gegeben, die nicht Gluth, aber Strah⸗
fenfhimmer weit um fie her find. Voll Phantafie,
Flug, Anlage, Leichtigkeit zum Entwerfen, zum
Verfünbigen, zum Borzeigen, aber wenig von Be-
ſtandheit, That, Ausdaurung — — So könnte ich
eintheilen und viel Spielwerl machen, wie Ah nun
der Here Verſtand und'die Fran Empfins
Yung babei verhalte? wie diefe beiden Klaffen von
Denfern und Empfindern gegen einander nöthig
find, fich einander einzufchränten, zu ſtaͤrken, zu
heben? daß die Innigkeit Miittelpuntt, die Aus⸗
breitung Radius fey un. fe — Hinter alle dem
Spielwerk aber, was wäre nun beftimmtes gefagt?
Und braͤchen fih nicht noch Immer die Grade Pe
Innigkeit und_Yusbreitung unenbiih in⸗
und auseinander? -
91
Nun koͤnnte ich die Geelenträfte alphabetiſch
durchnehmen und zeigen:
That in the soul, while memory prevaile
The solid poW’r of understanding fails
Where beams of bright imagimation play
The memory’s soft figures melt away —
wie e6 dem weifen Pope zu nennen belicht bat.
Oder mit Bako bie trodwen, kalten Unterſchei⸗
dungs macher von deu warmen erhabenen Pa a⸗
rern nener Gedanken und Bilder ſondern; eine
Atheilunng, worin ‚allerdings mehr tiefe. und be⸗
ſcheidene Wahrheit iſt, als in jenem popifchen
Klingklang. Oder mit Paſcal die deux sortes
d’esprits, l’un de pénétrer vivement et profon-
dement les cons&quences des principes — l’es-
prit de justesse: l’autre de comprendre un
grand nombre de principes sans les confondre,
l'esprit de g&ometrie — was melftend auf meine
erfte @inthellung von Innigkeit und Ausbreitung
der Geiſtesaabe binausläuft — Diefe deax sortes
d’esprits fönnte ich verfolgen und mit: Huarte
gar die vier Kapſeln des Sehirus darnach orbnen
— — aber genug! laß alles bie zur Aufgabe Ir-
genb einer europaͤlſchen Bocietät, bie gern willen
-möchte, mas Genie fey? und wie vlelerlei Genie
es gebe?.
Gewaltig grob ik ber Korper ber allgemeinen
Menſchennatur, und wer weiß, wer an ihm Faͤſer⸗
‚hen vom Auge oder ein Theil der Herzmustel,
Nagel am Fuß oder ein Haͤutchen ber Fingerſpitze
fey? „das man fi abrafpelt, um feiner zu empfins
„den,“ vote ber jängfie Theoriſt aller gelehtten Ge⸗
—
+0 92
nie's, die Qupſubler ug —RX I) ausge:
nommen, bemerft hat.
Lieber will ich mit cin paar Augeme inen Anmer⸗
kungen das Ganze meiner ·bangweblisen Abandlung
ſchließen:
1 Iſt etwas in ihr wahr: ie Teint,
ide Gott zwiſthen Guy findenund Denben in
-- upferex Natur gemucht hat! Ein‘ feines Dewebe,
: wur ⸗durch Wortferntin von elwandes "zu ‚trennen.
Das oberſte GSeſchopfiſcheint mit une Car kon zu
haben, eim pfirnd on zu. müſſen, wenn es da Ganze
nicht ans ſich ruft dd enter. Und welches Ge⸗
ſchoͤpf kann das? Keins als unſere Philsſoͤphen/ die
Lehrer and Lehrlinge: am hohen Baume der Weisheit.
2. Alles ſogenaunte reine Denken ıtaybdle
BGottheit hinein, iſt Trug und Spiel, Herdnofte
Schwaͤrmerei, die ſich nur feibſt might: dafuͤr⸗ otken⸗
net.“ Alle cufer Dielen iſt aus und due Eepfiu⸗
dung entſtanden, trägt auch, trotz allen Deftillation,
davon noch reiche puren. "Die ſogencunten rei:
nen Begriffe Hub uteiſtens reine Viffern nad Heros
von der mathenntiſchen Tafel, wad-Haben, platt
: "amd plump auf Nuturbinge unſerer fo"gufanmenge-
festen Menſchheit angrwandt, auch: Stffewhiserth.
Dem Manne, der in der ganzen neuern Metappofif
. . Diele GSeiſterchen deffadıt und abthut bet: warten
mehr als dead Geſpenſterhelden Tyemwrtusth:
rentraͤnze; nar nf er ſich isch wicht wer manthem
leeren Schrecken/ uud vot Seife dit fer Eeiſrehen
in ic Goſicht, fuͤrchten.
Einigen drucke den Gwen finden ms au ·ent⸗
, 95:2
gehon zu -wollem.; daburch daß man- Die Wärbe- bi:
ſes Lobeno ltaktteie, IR eia gefahrlicher Syritt, '
dena DraAume⸗ wie Hamlet fagt; odek wie wir
fagten ‚ Cinpfiwdangen- und Gedanken mif-
Li
fen: wleder -Tommen, - Und nun weiche Empfin-
dungen dw ohhe Gedanken? Man trete an einen
Entislöten, frage, warmn ePEthat? wie kiein die
Urſechen.waren? : mie leicht abzuthln, wenn man
nur in ihn geblidt hätte? und nun verfhloß er fih: '-
ber Baum nahın feine Gewalt zufammen, um fic
zu eutwurzeln — da liegt er. Verdorret, aber Wur⸗
sel und Zweige find an ihm; und wo iſt bie Dryade,
die biefen ganzen Baum beiebte? wo iſt fie?
4. Unſterblichkeit einer metaphpfifhen Monas
iſt nichts, als metaphyfiſche Unſterblichkeit, deren
—
Phyſiſches mic nicht uͤberzeuget. Iſt Seele das,
was wir fühlen, wovon alle Völfer und Menſchen
willen, was auch der Name fagt, das nämlich, was
uns befeelt, Urgrund und Summe unferer Ge⸗
danfen, Empfindungen und Kräfte: fo iſt von ihrer
Unſterblichleit aus ihr ſelbſt Feine: Demonftra-
tion möglih. Wir wideln in Worte ein, was wir
herauswideln wollen, feßenvoraus, was kein Menfh
erweifen kann, oder auch nur begreift oder verftehet,
und koͤnnen ſodann, was man will, folgern. Der.
Uebergang unferes Lebens in ein höheres -
Leben, das Bleiben und Warten unferes
Innern Menfhen aufs Gericht, bie Auf—
erfiehung unferes Leibes zu einem nenen
Himmel und einer neuen Erde läßt fi nicht
demonftriren aus unferer Monas — — Ä
5. Es iſt ein Inneres Kennzeichen von be |
9
Wahrheit der Belisien, dab fie. sans und gar
menſchlich iſt, daß fie weber ——** noch
gruͤbelt, ſondern denkt und handelt, zu denken und
zu handeln Kraft und Vorrath leihet. Ihr Er⸗
kenntniß iſt leben dig, die Summe aller Erkennt⸗
niß und Empfindungen, ewiges Leben. Wenn's
eine allgemeine —A und Em-
pfindung-gibt, iſt's in ihr, und eben das iſt ihre
vertauntene Seite.
Ay yvas ra das Beos, üdımv dan.
Einige Geſpraͤche
über Spinoza's Syftem;
nmeb ſt
EShaftesburts Naturhymnus.
1800
X
Borrede_
sur weiten Ausgabe,
Schon vor mehreren Jahren Hätte dieſe Ausgabe
zrfheinen können, mit. der ich aber aus verfchiedenen
Urſachen fäumte.
Seit 1787 nämlih, (in welchem Jahr diefe Ger .
räche gedrudt waren) hatte fih im philofoppifchen
Sorizont Deutfhlands manches geändert. Der Name
Spinoza, den man vorher gewoͤhnlich mit Schauber
wnd Abſcheu nannte, war feitdem bei einigen fo hoch
geſtiegen, daß fie ihn nicht anders ald zur Verunglim⸗
pfung Leibnitzens und anderer treffliher Geiſter zu
vennen wußten. Ja, man hatte fein Spftem fo gemiß,
braucht, daß, vergeffend alle Schranken menſchlicher Ge:
kenntniß, die Er fo richtig anerkannte, man ben Kegel
“uf den Kopf ftellte, und aus einem eingebilbeten en,
gen Ich das gefammte Weltall, feinem ganzen Inhalt
nah, auszuſpinnen ſich erkühnte. Diefen objektlofen
Traum nannte man den transfcenbentalen Spt,
nosismng, und Höhnte den alten Spinoza, daß Er
fe weit nicht gelangt war. Andererfeits fuhr man fort
BSerdero Bat . Phileſ.u.Geſch. 7
9%
zu behaupten: „Spinoza Habe Gott zeriheitt, ihm
das Denken geraubt; fein Gott fen nur ein Kollek⸗
tivname.” Und fuhr dennod fort, auch zu behaup:
ten: „Unter diefem Kollektivnamen Tiege bei Spinoze
altes in Ketten blinder Nothwendigkeit gefangen.
Spinoza’s Gott jey ein defpotifher, wilder Polyphenr,
dem Er das Auga geragber.” — In fo anmaßend ab:
fprechenden Zeiten durften anfpruchsiofe Gefpräde über
Spinoza's Syſtem Eelnen erireufichen Anblick des offnen
Sonneniihtd erwarten.. .
Da indeflen ihr Zwed nicht geweien war, Spinoza’g
Syftem in jedem gebrauchten Ausdruck zu reiten, oder
es gar zu apotKeofiren, wohl aber, es verfländlich zu
mahen, und durch Weghebung einiger Wortwände zu
zeigen, wohin Spingza wollte: fo durfte und darf ich
diefer, einem achtungswürdigen Denker ertviefenen Pflicht
der Menfchheit, mich nicht ſchämen. Archytas's
Schatte bei Horaz fhien mir zuzurufen: \
— — „Sciffer, verfäume du richt dem unbegrabnen
Haupt und meinen Gebeinen ein wenig
Fliegenden Staubeb zu ſchenken. —
Eileſt du gleich; dus darfſt nicht ange verweilen; ein Saudwoll
Erde dreimal auf mich! dann fegle weiter.‘
Warum folte ich ihm diefe Liebe nicht erjeigen? Jahe⸗
Hunderte hindurch ift das Reich der Wahrheit Ein zu:
fommenhangendes ungetheiltes Reichs wer Mißverftänd:
niffe voriger Zeiten hebt oder mindert, Täufer damit dem
Verſtand zukünftiger Seiten.
In einer andern Sprahe und Denkart gebildet,
war Spinoza gewiffermaßen ein Fremdling dei
99
Wirms, in werchem er-{driebs Torbem es alfa nicht
Bernunfe und‘ Billigfert; daß man feinem- Ausdruck
zurechthelfe, nicht aber zuerſt an den Steinen
kaue, d. i. ſich ausſchließend an die haͤrteſten Worte
halte? Einen Schröftfteter: aus ſich ſelbft zu erkide
ren iſt die homestas jedem honasto fdufbig. '
Ueberhaupt gehört zu Beurtheilung und Erfaſſung
eined Syſtems, in welchem auf Zreih.eit und
Zreude des Gemüths, auf wahrhafte En
kenntniß und thätige Seligkeit alled ankommt,
ein vorurtheilsfreier Tiberaler Sinn: denn wie
erzwänge fih wahres Erfenntniß, froher Sinn, thätige
Liebe? „Seligkeit, fagt Spingza, ift niht Lohn der
Tugend, fondern die. Tugend ferdf: Nicht
weit wir die Seidenfhaften bezwingen, find
wir felig; fondern weil wir es find, bezwin:
gen wir jene.” Ein Gleiches iſt's auch mit dem Er;
Innen der Wahrheit. Weil wir fie erkennen, bezwin⸗
gen wir Vorurtheile; dagegen was in ihr dem Uebelr.
wiſſenden ein ehern Joch dünft,, wird dem wahrhaft
Erfennenden das thätige, das Königliche Gefek der Frei:
heit. „In Ihm leben, weben und find wir,”
fügte der Apofter; „wie find feines Geſchlechts,“
hatte ein Dichtek vor ihm gefagt, den der Apoftel mit
Beifall anführet. Mit derfelden Zreigeit, mit ber
Paulus Worte eines Dichters, die der Inbegriff die:
ſes Syſtems find, anführt, durfte ich dieß Syitem
erfäutern.
Den Play der verſprochenen Adraften möge vor
4.
/
100
Ser Hand Sthaftesbury's Naturhymnus erfegen.
Eine weitere Ausbildung durfte ich ihm nicht geben,
als die ihhm in den beliebten Gefpräden der Moralists
der Bufammenhang erlaubte. Was ber Iyrifhen Boll⸗
kommenheit abgeht, erftattet der Inhalt.
Nicht Vollkonmenes nur, nicht Wahres, Schoͤnes und Gutes;
Waprpeit und Guͤt· it Er, md die Vollkommenheit ſeibſt.
Feinde ſchafft ſie zu Freunden, zum Lichte —
Wen Gott liebet, der liebt, ſelig von allem gellebt.
Borrede
sur erfien Ausgabe
Zehn oder zwölf Jahre find’s, feit ich eine Kleine
Schrift mit mir umher trug, . die den Namen: Gpis
noza, Shaftesbury, Leib nitz führen ſollte. Sie
war fertig in meinen Gedanken, und ich ging mehr:
mals an die Ausführung derfefben ; allemal aber warb
ich unterbrochen , und mußte ihe eine andere Gtunde
wünſchen.
Neue Zeitumſtände führten mich unvermerkt zu fol
genden Gefprähen. Man würde ihren Smed fehr vers
innen, wenn man fie bloß für eine Chrenrettung
des Spinoza hielte; bei Verftändigen hat Spinoza diefe
khrenrettung nicht nöthig, und er ſollte, meinem Zweck
vemäß, jetzt bloß die Handhabe eines Opfergefäßes wer .
den, aus weichem ich einige Tropfen bem Altar meiner .
Jugend darbringen wollte. "Warum ih von Spinoza
ausging, Tag theild in der Reihe meiner Gedanken,
theils in Veranlaſſungen, die meine Zeit mir darbot.
Niemand indeß nehme meine Schrift fo auf, als
ed ich irgend einer gangbaren Philoſophie vor: oder
—
: 10%
jwifchentteten , fie verdrängen, Parteien herausfordern,
ober zwifchen Parteien ein unberufener Schiedsrichter
werden wollte Es find Gefprähe einiger Perfonen,
die ihre Meinungen mit eben dem Recht äußern, mit
. welchem jeder andere feine Lehrfäge darſtellt. Geſpraͤche
find Feine Entfcheidungen , noch minder wollten fie Zank
erregen: denn über Gott merde ich nie ftreiten.
Sehnlicher wünfhte ich, daß, was bier in Ge:
foräh dloß angedeutet werden Konnte , eine unferer
Philoſophie angemeſſenere Form erlebte. Nur einen
ruhigen, hHeitern Eommer wünſchte ich mir für meine
Abraften oder von den Gefeken der Natur,
fofern fie auf Weisheit, Macht und Güte .ard auf einer
innern Nothwendigkeit ruhen. Da ich aber beftimmt
bin, in meinem Leben ferbft der Nothwendigkeit, nit
der Willkür zu folgen: fo wird die ewige Wahrheit,
wenn ihre mein Merk angenehm ift, mir auch Muße
dazu verleihen. Zufrieden wäre ih, wenn biefe kleine
Serarbeit einige unbefangene Liebhaber der PHilofophie
erfreute, Kennern gefiele, und hie und da einem Irren⸗
den den Weg zeigte.’ |
eimar, den 23. April 1787.
sSerder.
> *
— — — — —
Erſtes Gefpräd.
Yhllolans. Gehen Sie, Theophron, bie
erquickende Stunde, bie mach dem ſchrecklichen Ge⸗
witter folget. Schwefelwolken thuͤrmten fih auf,
die und den Anblick der Sonne nahmen, und alles
Irbiſche In ſchweren Othem ſetzten; fie find zer-
tekmmort, und alles haucht wieder Teicht und froͤh⸗
Uch. So ſtelle Ih mir den Suftand der Wiſſenſchaft
vor, da Spinoza und feines gleichen ber Welt deu
Yabliz Gottes mit Ihren: ſchweren Däuften rauben
wollten: biefe thuͤrmten fich auch. sum Himmel em⸗
yor, und umzogen das Firmament; aber eine ge-
funbere Philoſophie hat fie wie die Rieſen binun-
tergeftärgt, und ber nachdenkende Geiſt erblidt bie
Arahlende Sonne wieder.
Theophron. Haben Sie den Spinnza gele⸗
fen, lieber Frennd?
Philolaus. GSeleſen habe ich ihn nicht; mer
wollte auch jedes binkle Buch eines Unſinnigen le⸗
Gent Aber das habe. ich ans dem Munde vieler,
De ihn geleſen Haben, daß er ein Atheift und Pau⸗
cheiſt, ein-Lehrer der blinden Nothwendigkeit, ein
Feind ber Offenbarung, ein Spütter der Religion,
mithin ein Verwuͤſter der Staaten und aller buͤrger⸗
104 ” . j
Uden Geſellſchaft, kurz ein Feind bes menfhlichen
Geſchlechts geweſen, und als ein folder geſtorben
ſey. Er verbient alſo Haß und Abſchen aller Men⸗
ſchenfreunde und wahren Philoſophen.
Theophron. Die Gewitterwolke indeſſen
verdiente ihm nicht, mit der Sie ihn eben verglichen
haben: denn fie gehäst zur Naturordnung und if
heilbringend und nuͤtzlich. ber, ohne Gleichniß zus
reden, haben Ste, mein Freund, auch nichts Naͤhe⸗
ces und Beftimmtes Aber Spinoza gelefen, woran
wir uns Im Geſpraͤch halten könnten?
Philolaus. Vieles, z. B. den Artitel über
ihn in Baple.
Theophron. An Bapyle haben Sie dieß⸗
mal nicht eben den beſten Gewaͤhrsmann. Er, dem
ſonſt alle Syſteme gleichguͤltig waren, weil er ſelbſt
kein Syſtem hatte, blieb in Abſicht des Spinoza
nicht gleichguͤltig. Er nahm eifrig Partei gegen
denſelben, wozu ihn ohne Zweifel Umſtaͤnde der Zeit
und des Orts veranlaßten. Vielleicht lebte er dem
Verſtorbenen zu nahe: die Lehre, ja ſelbſt der Na⸗
me des Spinoza war damals ein Schimpfwort, wie
beide es großentheild noch jeßt find: alles Unge⸗
zeimte und Gottloſe nannte und nennet man zum
Theil noch Spinoziſtiſch. Nun war es des feinen
Dialektikers Bayle Sache wohl nicht, ein Spftem
als Syftem zu ergründen, und mit dem tiefften Ge⸗
fühl der Wahrheit ganz zu beherzigen. Er burd-
flog alle Lehrgebäube, nahm ſcharfſinnig ihre Ver⸗
ſchiedenheiten auf, fofern fie ihm zu feinen Zweifeln
dienten: jetzt war ihm biefe Meinung wichtig, jetz⸗
“ eine andere; von dem aber, was Ianere philoſophi⸗
N
Jahrzahl bes Moreri und bie Frage: ob ein
Gott fey ? wieviel berfelben feven ? woher das Boͤſe
in ber Welt entipringe? n. dergi. beichäftigen ihn
mit N reiten Intereſſe. Ich glaubte aber, das ge:
höre zum Woͤrterbuchſchreiber.
Theophron. Dahin wollen wir Bavle
ſtanigſten Gedankenſpieles. Nennen Sie mir einen
andern Schriftfteller, der fo viel und vielerlei mit
gleicher Aumenth, mit gleicher Aufmerkſamkeit ums
faßt ober berührt hätte? Er war der philoſophiſch⸗
hiſtoriſche Voltaire feiner Zeit, deffen Ltebhaberet
ſich vom erhabenften Gegenſtande bis zur Fleinften
Aieinigkeit eines hiſtoriſchen Umſtandes, einer Anek⸗
dote, eines Buͤchertitels oder gar einer Zote er⸗
ſtreckte. Fuͤr einen Geiſt ſolcher Art war nun Spi⸗
noza's Syſtem eben nicht. Dieſer eingeſchloſſene,
ſchwere Denker harte von allem, was Meinung war,
einen vielleicht zu wegwerfenden Begriff, und ging
mit mathematifher Genauigkeit der reinen Wahr:
heit nach, wo er ſolche zu finden glaubte, Fuͤr fie
N 106
rgaß er alles auberr, cund vor Baptist Wlehre
mkeit, von feinem Win nud Scharſſtun Hutter
elleicht nicht Eins gegen Taufend, Zwei Käpfe
icher Art werben einander ſchwerlich Getechtigkeit
ibderfahren laſſen, und doch bin ich aͤberzengt, bitte
Splnetza gegen den Verfaſſer des Woͤrterbuchs
‚er gethan, als der muntere, vielgeſchaͤftige Bayle
gegen Spinoza thun mochte. Dieſem warf man
han in ſeinem Leben vor, daß er Spkuoza's Spſrem
ht recht gefaßt habe, und ex hat: ſich gegen biefen
orwurf in einem eigenen Fr verteidigt”).
Philolaus. eb ulfo far Spiueza: dem
w den größten Haufen hat eben doch: Bapte Ben
iegeiff feftgefeht, den man von: ihm heget. Wie
enige lefen Spins’s bunkle Scheiften, und alle
zelt lieſet den tauſendfach abwechſelnden, ange-
Amen Vahyle.
Theophron. So iſtie, mein Freund, und doch
ich nicht ganz alſo. Fuͤr das leichte Heer von *
en hat Bayle den Begriff von Spinoza firirt; let⸗
er aber: für den fchweren Phalanı haben es mel-
ens ſtreitende Philo ſophen und Theologen gethau,
ad da iſt ihm noch aͤbler begegnet. Es ging. ihm
ah dem Evangelio: ſeine naͤchſten Hausgenoſſen
urden ſeine aͤrgſten Feinde, die Earteſianer. Sie
ollten und mußten ihre Philoſophle, von ber er
nsgegangen war, und mit beren Worten: er ſprach,
‚u ber. feinigen abfondern, damit wicht auch ſie in
m Verdacht des Spinoziemus : kämen: natuͤrlbch
it fich dieſe philoſophiſche Behutſamkeit von bes
*) Oeurr. de Bayle T. IV: p. ı69. ı70.
—
107
ertefras· die auf· Ede: nachfelgenbe Yerbeeftı
diegen die Theologen feft alasıftlenfi
. Wuirlsikberre
Binen: gegen ihm led; denn er hatte nicht nur Ab
dad Zudenthum und die Bücher des alten Teſi
ment feine Melnung fehr frei, Ihnen ſehr anſtoͤſ
tzeaͤnßert, ſondern, welches ihnen wiel ärger duͤnk
mußte, er hatte zuerſt vorgügiih gegen fie ti
Geber ergriffen. Ihrer Streitfucht, ihren Zaͤnl
relen fhrieb er einen grogen Theil vom Verfall d
Sheikentiyums, van der Unwirkſamkeit der ſchoͤnſt
Lehrſatze · deffelben au, und ob er die gleich oh
Bitterkeit that, fo koͤnnen Sie ſich doch lebcht d
Phaͤlo launs. Die iſt mir vor Augen. HU
gen Parteien darf nur ein Friedensſtifter ohne Bo
macht zwiſchentreten, und er bat beide gegen ſi
Weite Vollmacht aber- hatte ber Tube Spinoza?
Theophrou. Keine andere Vollmacht, a
die er glaubte aus: der Humb ber Villlakeit und Wal
heit empfangen: zu haben; nur freilich bebiente
fich derſelben nicht eben auf weltfinge Weile. \
machte ſeine ‚reiigtöfe politik in rinem Werk I
kaunt, deien Theologie Juden uud Chriſten aı
dringen mußte*); ſeine politiſchen Grundſaͤtze w
ren fo ſtrack, fo ſchuurgerade, daß fie ber dama
om Zeit gewiß nicht eingehen konnten. Tem Star
ranmite er das voͤllige Mecht ein, den dufem Gi
—
*) Tractatua Theologico-Politicus, eontinens dissertation
aliquot, quibus ostenditur, libertatem philosophandi n
tantum salva pietate et reipwblicae pace posse conce
sed eandem nisi cum pace reipublicae ipsaque piet:
telli-non-pope. Hambwg. (Amıstelod.). 1670.
_ - 108
orbuen; der Weruunft beblelt er
a nalte Geribeit bes Gehrande Inc fche
vor; beides duͤnkte ben metften fo übertrieben, als
ob er Feuer und Waſſer mifchen weilte.
Seine
Theorie alfe mußte nothwendig fheitern, wie fie\
Dann in manchem auch und noch jetzt zu hart, zu
Hobbeſiſch duͤnkt, ob wir gleih In Grunbfägen vr
Duldung weit vorgerädt ind. — Lode, Baylı
Shaftesbury u. a. singen leifer.
Philolaus. Und doch mußten auch ſie dul⸗
den, ehe ihre billigſten Saͤhe allgemein anerkannt
wurden. In Materien folher Art Hat freilich ein
disputirender Dialektiter, wie Bayle, oder ein eine |
Heldender Dichter, wie Voltaire, viel Vortheil vor
dem ernften Philoſophen, ber feine Säge ſtrack hin⸗
ſtellt. Jene dürfen und können immer fagen: „ich
habe uur disputirt, Wahres und Falſches einander
entgegengeftelt, und beides eingekleidet; man
wähle!” Yu biefem angenommenen, immer verdäus
derten Gewande gehen fie nicht nur fiherer, ſondern
wirken auch defto Allgemeiner. Baple machte ge⸗
wiß auf fein Seltalter mehr Wirkung, als Spinoza
und Leibniz; Voltaire mehr als Rouſſeau oder als
anbere noch firengere Philoſophen.
Theophron. Wie man’ nimmt, Philolaus;
es gibt eine zweifache Wirkung. Eine breitet fi
weit umher; eine andere wurzelt um fo feiter. Ich
wollte, daß ein philofophifch = Fritifcher Drann, kein
Juͤngling, zu unferer Zeit den theologiſch⸗ politifchen
Verfuc des Spinoza mit Anmerkungen herausgaͤbe).
I Er IR feitdem uͤberſetzt erſchienen (Sera 1787), aber
|
109
@4 wäre ein nägliger Verſuch, zu fehen, was bie
Zeit in Ihm bekräftigt ober wiberlegt habe. In ber
Sen Aber bie Schriften bes alten Kefisments amente has
ben ſeitdem manche manches als eine —8 Ent⸗
deckung, Dazu unvollkommener geſagt, das in Spi⸗
noza bereits gruͤndlicher ſtand. Im Punkte der To⸗
Frel⸗
lich iſt in dieſem Wert, wie in allen feinen andern
Schriften, alles hart gefagt; für Werke ber Einbll⸗
dungskraft, Poeſie z. B., hatte Spinoza nur einen
metaphyſiſchen Sinn; in der ganzen Kompoſition
feines Werts ift er ein einfamer Deuter, dem bie
Grazie bes Weltumganges, des einfchmeicelnden
Vortrags unbelannt war, und, wie mich bünkt,
wohl auch unbelaunt fepn burfte.
Philolaus. Nur darauf fenen Sie es, Theo⸗
phron? Ein Menſch ohne Srundfäke, ein Atheift,
ein Pantheift m. f., über welche Materie könnte ber
ſchreiben, daß er bei Vernänftigen Eingang fände?
Er fol fogar den Pantheismus und Atheismus ha⸗
ben bemonfiriren wollen; was gebt über den
Unfiun?
Theophron. Den Atheismus und Pantheids
mus bemonftriren? und beide zugleich? Wie finb
beide In einem und bemfelben Syſteme möglich?
Der Yantheift hat doch Immeg einen Gett, ob er
ohne bie Anmerkungen, die Hier gewuͤnſcht Werden,
Seine Ethik it mit Anmerkungen begleitet, Unmert. '
der zweiten Ausſsgabe.
’
| lio |
füh gleich In ber: Natur Sottes irret; Ver io
hiagegen, der Gott fihlesterbings laͤngnet, Mm
weber Pautheift, noch Volytheit ſeyn, wenn man
nicht mit dem Namen ſplelet. Ueberdem, m Be,
wie kann man ben Atheismus, d. i. eine Negation,
erweiſen? |
Phaͤlolaus. Warum nit? wonn miniche
innern Widerſpruch Im Begriff von Sott entbecktr⸗
oder zu entdeden glaubte.
Therphron. Einen iunern Widerſpruch ine
im hoͤchſten Begriff, deſſen die Menſch⸗
heit A iR? ich bekenne, daß ich davon nichte be⸗
greife.
Pyilotaus, Deßhalb war er auch ein tiNeflas
alger, bee demonſtriren weilte, was nicht zu de⸗
mouſtriren war: dem unſere nee Philoſophie ſagt
laut? „weder daß ein Gott ſey, noch daß er niit
ſoy, iſt zu demonſtriren. Das: erſte muß man ale
Poſtulat annehmen und — glauben.“
Theophronu. Se, wuͤrde ein--anbarer-fagen,
muͤßte es wenigſtens freiſtehen „Eins von beiddu
zu glauben und: als Peſtulat anzunehmen, d. i.
Atheiſt, Deift oder Theiſt zu ſeyn, nachdem wir
Glauben haben.“ — Doc laſſen Sie diefen Puntt
waberähtt: Gpinsza fen Atheiſt, Panthoiſt oder
eine Zwittergeſtalt von ‚beiden goweſen, ſo ſchmer⸗
zen mich die Beinamen, Die Ste einem Unbebann⸗
son geben. In ber Phlivſophte find wir aus Dee
Selten ber Ehrentitel hinaus, mit denen Spinoza
no: von Korthold, Bracher und aubeem. ge-
naunt ward; Der Erſte⸗ glaubte wihtg zu: ſeyn.
wenn er den Benedictus in einen Maledkotus und
\ )
_
411
den Mauren. Gplunpein einen- —;X
wsiehrte: Del andern ſund bie: Veiworte „neh,
gihlod, unfiunig, umverfädmt, geitestäfterlih, per
ſulentialiſch/ abſcheulich⸗⸗ — Formeln, nie
denen fie ihn aus dem Reiche ber. Outer: eitiren.
Cin:Ermwählter. dat fogee das Zeichen ber ewigen
Verwerfung anf feinem: Geſichte gefunden: aubere -
baden ihn auf feinem: Todesbette um Erbauung
winfein hoͤren. Ich bin kein Spineziſt, und werde
nie einer werden; die Art aber, mit ber man uͤber
dieſen verlebten ſtillen Weifen bie Urtheile des ve⸗
tigen Jahrhunderts, des jaͤmmerlichſten Streittahr⸗
hunderts, noch zu unferer Zeit wiederholen will,
ich geſtehe es, mein Freund. Philolaus, iſt mir un⸗
ertraͤglich. Hier hahen Sie ein Vuͤchelchen ˖ von acht
Bogen”), in: denen noch dazu das Meiſte ein: Ge⸗
wiſch von Aumerkungen iſt, die Ste gang uͤberſchla⸗
sen duͤrfen; es iſt nichte als das LebenuSpino⸗
zas, ſehr trocken, aber mit hiſteriſcher Genauigksit
emaͤhlt: denn man ſieht, daß der Serſae um ier
dea Uenſtand beſorgt geiwefen. Gin: unpasteilfiber
Mann hat es gofchtieben; Nie Sa ſandern
ein evangelifher: Paſtor, der „vor Gott bezengt,
daß er in Spinoza's theologiſch⸗ politiſchem Traktat
nichts Gruͤndliches gefunden, noch etwas, das in
dem Glaubensbekenntniß, womit er den evangeli⸗
ſchen Wahrhelten zugethau iſt/ Uhn im gorlugſten
auf der Welt zi —— sewefen; weil
— ber gr ae Beweise man nichts als vor⸗
bedungene Saͤtze, uud was man Inden Schulen pe-
*) Leben des Spinoza von Joh. Aolerue. Franfi. 4333.
112
«itiones prineipii nennt, barinnen finde.” einem
ſo vorfigtigen Führer können a 6ie amwer⸗
—* fo lege ich Ihnen auch des Atheiſten Weite
felbft hin; leiber find es nur zwei Eleine Bände.
Philolaus. —— den Tpeophron wide.
nem evangelifhen Yafter, alfo gefchrieben, und alfe
gebrudt, Tagen?
Ein fonderbarer Mann, biefer Epinoa. Wie
"and ſein Syſtem ſeyn möge; es iſt etwas Wahr⸗
heitſuchendes, Standhaftes und Selbſtbeſtaͤndiges in
ſeinem Charakter und Leben. Er legt ib auf
die jübifche Theologie und verläßt fie, um bie Na—
turlehre grändlich zu erlernen; bie Werke bes Des⸗
rartes Tommen ihm in bie Hände, und da er fie wit
fonderbarer Begierde gelefen hat und nachher bes
kennet, daß, was er an phtlofophifcher Erken
befige, er aus ihnen gefchöpft Habe: fo wendet er
ſich HR vom Judenthum weg, weil er fich uͤberzeugt
glaubt, daß er den Lehrfägen beffelben nicht weiter
folgen
*) In Heidenreich Natur und Gott” (B. 1. Leipg.
4789) iſt der erfte Theil des Wurfaked la vie et l’esprit
de Mr. Benoit de. Spinoza überfegt. Obgleich enthufias
ſtiſch gefchrieben, ſtimmt dieß elogium eines feiner
Sreunde und Bekannten dennoch mit Colers Lebens⸗
beſchreibung sufammen und iR merkwürdig, Anmerk.
der weiten Musgabe.
AA — — —— —
1ls
fhigen"tönne. Man bietet ihm ein Jahrgeld von
faufenb Gulden an, damit er une fernerhin die Sp
Hagdge Befuchen möge; er ſchlaͤgt es auge, nnd jiehet
ſſch ohne Getaͤuſch in die Stife, Man thut ihn Im
den Bann! er anfworfet; und lernt in. der Stille
eine Handthlerung, fid felbft zu naͤhren. Meid
ehr anderes Betragen, als In Ähnlichen Umſtaͤnden
des unglucttichen, brauſenden Yeofta*), der nicht
zur Rhe kommen Fonnte, Bid ihm ber Tod Ruhe
hate! Sch wollte, dad man Spinoja's Antwort
auf den Batın der portugiejlfhen Synagoge in Am
ſterbam (wenn fie nicht fogleich zertiſſen und abge⸗
than It) erhalten Fönnte; fie würde uns die ür⸗
fahen felnes Entſchluſſes, wie inich duͤnkt, eben fo.
ſtatrt und bündig, als fanft und ſtille fagen: bean.
ed Herefht ein fanftmüthiger, ſtiller Geiſt in dieſes
Mannes Leben. Jetzt verfertlgt er optlſche Glaͤſer,
md lernt won ihm ſeibſt zeichnen, Der Lebens be⸗
(reiben hat eine Sammlung ſeiner Zeichnungen in;
Haͤnden gehabt, darunter auch Perſonen gewefen,.
die bet Ihın mur einen Beſuch abſtatteten, die er.
alfo wahrſchelnlich aus dem Gedaͤchtniß gezelchnet.
Unter biefen Uebungen war auch Maſaniello in ſei⸗
ner bekannten Sifcherkleidung, vor dem der Wirt:
bes Spinoza verſſcherte daß dieß Bid ihm ſelbſt
ahnlich geſehen habe, Ein jonderbarer Einfal, fi.
als Mafanlello zu seinen; oder vielleicht ein,
Wirths eknfal. — Yun ſchleiſt Spinoza Gläfer, -
) ©. Uriel. Acostae exemplar hamanae: vitao hinter Afıqt
borchs amica collatione eum Judaeo, Basil. ı?%o. und
in Müllers Bekenntnigen mertw. Manncr, IL. Theil,
derders Werte . Phlioſ. u. Eeſch. IX. 8
114
feine Sreunbe verlaufen fie, und er lebt ſparſam; in
gwei bis drei Tagen fiehet er oft niemand. Viele
Hieten ihm ihren Beutel und Ihre Hülfe an; alles
aber fchlägt er beſcheiden aus, Lebt von geringen
Speiſen und ſchließt feine Nechnungen alle Viertel-
kahre, nur damit er wicht mehr aufwende, ale er
aufjuwenben habe. Er ift, wie er feinen Hauslen-
ten fagt, eine Schlange, die mit dem Schwanz im
Munde einen Eirkel macht, anzuzeigen, daß ihm
von feinen Jahres - Einkünften nichts übrig bleibe.
Ich Habe das Symbol unter feinem Bilde gefehen,
and es thoͤricht auf fein Syſtem gedeutet. — Welch
ein wahrerer Philoſoph In dieſem allen, als manche
dieſes Namens! Er will nicht mehr ſammeln, als
was noͤthig ſey, um mit Wohlſtand begraben zu
werden; er will aber auch niemanden zur Laſt fal⸗
len, und nur durch ſich felbſt leben. Sein Betragen
iſt ſtill und friedlich: Here uͤber feine Leidenſchaften
zeiget er ſich nie weder fehr traurig, noch ſehr froͤh⸗
lich. Geſpraͤchig troͤſtet er die Leidenden ſeines
Hauſes und ermahnet fie, ihre Ungluͤcks faͤlle als ein
„son Gott ihnen zugeſchicktes Loos“ gebulbig zu er⸗
tragen: er redet den Kindern zu, daß fie den Got⸗
tesbienft fleißig befuchen möchten, und unterrichtet
fie, wie fie ihren Eltern gehorfam feyn folten, fragt
feine Hausgenoffen, melden Nuben fie aus der an⸗
gehörten Predigt geſchnnd Hält hoch von dem
erbaulichen, guten Geiftlihen, ber bier genannt.
wird*). „Eure Meligion iſt gut, fpriht der ſtlile
*, Ein Worgänger eben des Colerus, der fein Leben ges
ſchrieben.
115
Weite, ihr habt nicht nöthig, eine andere zu fuchen,
noch daran zu zweifeln, daß ihre dabei bie Seligkelt
erlangen werdet, fofern ihr nur ber Gottſeligkeit
euch ergebet, und zugleich ein friedliches und ruhl⸗
ges Leben fuͤhret.“ Sein aufrichtigfter Freund bie:
tet ihm ein Geſchenk von zweitauſend Gulden an,
um mit einiger mehrerer Bequemlichkeit zu leben;
er verbittet es freundlich. Jeuer wii ihn zu feinem
Erben einfeßen; er nimmt die Wohlthat nicht an,
und ſetzt das Jahrgeld, das biefer ihm In feinen:
festen Lebensjahren aufdringt, faft noch um bie
Hälfte herunter. So lebt er, und fticht In feinem
fünf und vierzigften Jahr eben fo ruhig, als er ge-
lebt hatte. Wenige Stunden vorher hatte er mit
feinen Hausleuten noch ein langes Geſpraͤch über
die gehörte Predigt, und ehe fie Nachmittags bie
Kirche verlaffen, erblaßt er In Gegenwart feines
Arztes. Sein ganzer Nachlaß beträgt nah dem
Berfauf 590 Gulden und 14 Stüber, um welde
Eumme ſich noch feine Anverwanbten zankten. Ein
ſanfter Schimmer firahlet durch fein Leben: denn
man fiehet, wie ſeine Freunde ihn lieben, wie alle,
die ihn kennen, ihn fchäßen, und wie er ſich deffen
nie uͤberhebt, Leinen ſtoͤrrig abweiſet. Als ihm.
der Churfürft von der Pfalz eine Lehrftelle auf feiner
Untverfität antragen I ber Freiheit nach ſei⸗
nen Srundfäßen fortzu en., wie er es ſeinem
Vorhaben am bienlichiten finden würbe, antwortete
er vorfihtig: „er wife nicht, In welche Schranken bie:
Freiheit, feine Meinungen zu erklären, eingefchloffen
ſeyn folle, damit es nicht fchtene, daß er die Landes⸗
religion ftören wolle”, und nahm den Ruf nicht an.
2
4
Von feinen Meinungen „weiß. ic frelllch noch
alt, was ich zu halten habe; ſelbſt aber, bie bier
als. irrig angefährten, wahrſcheinlich feine aͤrgſten
Stellen, tragen bei,aller Yaraborle dad Siegel .ber
Veberzeugung deſſen an, ſich, der. biefe Meluungen
degte. Gr will ſie keinem aufbringen, er. will kelne
Sekte ſilften, amd. zwar nicht ‚aus Menſchenſurcht,
Tondern ‚aus, Scheu, die Meinungen ‚anderen Men-
(hen auch nach .felnem Tode zu ftören.. „Während
feines Lebens hat er nichts herausgegeben „. Ald,ei
nen Kleinen Traltat, ‚mit welchem er Nabe zu
ten gedachte; als die ſe Bemuͤhung fehlſchlug, wohnte
et init. feiner Phlloſophle allein und verbrennt we—
nige Tage vor. ſelnem Tohbe noch eine angefangene
Ucherſethung des alten Teſtaments, damlt fie auch
nach feinem Tode kelnen Unfrlehen verurſachen
moͤchte. Ich wollte, daß er fie nicht. verbrannt
hätte: beim hatte fie keinen Werth In ſich, ſa
fie bie Zelt doch vertilget. Ä
i ® & ;
Wohlan alſo zu feinen Echriften! Ste find
nach feinem Tode erfchlenen; er hatte fie, wie. ber
Augenfchein zeigt, für fich Telbft gefchrieben. . Und
es find meiſtens Fragmente”). —R
*) Bd. S. opera posihuma Iagao Com. ) 467.
117
A ber Berfetäng der Verſtanber
namd von vem Wege, auf: wecken
u. man an beiten zur wahren Keane
„nieder Dinge netanget).
„Velehrt von der Enfegrans, daß Ira ‚md
une Isngemeinen Lehen häufis-hegegwes, eis leorer
Tandıfen weit ich fah, daß alles, was ich fuͤrchtete/
In: Hi felbfh: woder Boͤfes woch Gutes habe, als for
fern dae Gemuͤth dadurch denen wird, entſchleß ich
mich vndlich zu forihen, ob es etumd:gehe, das
wahshaft aut. foy-und. ſich mittheile, fe
daß; nis. SBertvenfung: alles. :anhesa,- die Serie: vor
ihm allein / afficiet wuͤrde7. ja ob os twas gebe, bad,
mw ich s faͤnde und haͤtte, mir einen unvorruͤckten
buhfen-undewigen Freudegenuß gewaͤhren Lönne d
W ſage „daß/ iii. mich emblich entſchloſſene“
beun dem erſten Anblick mach ſchien es unrathſac
zuſeyn, um eine mir danmls ungowiſſe Sache. eine
gewiſſe/ verlieren zu wollen; ich ſah naͤulich die Bora
tee, die aus Ehre und Roichthum entſpringen,
un bie ich nicht· weiter ſuchon müßte, ſobald ich mich
eroſtlich sach. meinem ‚neuen. Zweck: wonden wollte⸗
Yye: alſo das hoͤchſte Gluͤs in Ihnen: ſo fahe:ich
wohl, daß Ad: deſſelbon oeutbohren muͤßte; fände es
ſech· aber in ihnen alcht, und ich jagte Ahnen doch nach:
ſe můßte ich ſelner auch entbehren. Ich · uͤberlegte
eek mir ſelbſt, ob⸗ os nicht · moͤglich ſey, zu male
som neuen Zued odrr wenigſtens zur Gewißheit be
lemmen; daß es einem: ſolchen gebe/⸗ mem ich auch
— — —
j ‚Irdetutes de imtelleckus entondatione in app: poschum.
Bpihöane p} 36H.
“
118
‚meine gewöhnliche Lebensweife nicht veränderte;
dieß verfuchte Ich oft, aber vergebens. Denn was
ans gemeiniglich im Leben vorfommt, unb von den
Menfchen (nach ihren Handlungen zu urtheilen) für
das. höchfte Gut angeſehen wirb, laͤßt ſich auf dret
Stuͤcke bringen: auf Reichthuͤmer, Ehre und Luft.
Durch alle drei aber wirb das Gemuͤth fo zerſtreuet,
daß es an Fein anderes Gut irgend gebenten kann.
Denn was die Wolluft betrifft, fo taͤuſcht fie das
Gemuͤth eine Zeitlang, als ob es in einem Gut
ruhe, und hindert es damit an irgend ein anberes
Gut zu beuten; bald aber folget auf ihren Genuß
de tieffte Traurigkeit, bie ben Geiſt, wenn nicht
feffelt, fo doch ftöret und ftumpf macht. Auch wen
wir Ehre und Reichthum verfolgen, zerfireuet fi
die Seele, Infonderheit wenn wir jene um ihr ſelbſt
willen begehrten, well fie uns aledann ein hoͤchſtes
‚Gut bünten. Und zwar zerfireuet bie Ehre das
Gemuͤth noch mehr ald ber Reichthum, weil fie
fortwährend als ein wahres Gut und als der
legte Zweck gefchäßt wird, nach welchem man alles
einrichten müffe. Ferner findet bei Ehre und Reichs
thuͤmern zwar nicht, wie bei dee Wolluſt, bie Reue
ſtatt; fondern je mehr man von beiden befißt, deſto
mehr freuet man fich, und wird mehr und mehr an='
geregt, fie zu vermehren... Schlägt aber bei irgend
einem Sufalle die Hoffnung fehl: To bringen beide
bie größefte Traurigkeit. Endlich iſt auch die Ehre
deßwegen ein großes Hinderniß, weil, um fie zw
erlangen, man fein Leben nothwenbig nach der Denk
art anderer Menſchen einrichten muß, daß man
. nämlich fllehe, was fie fliehen, und fuche, was ſie ſuchen.
119
yDa ich alſo Tahe, daß dieß alles mir Hinberniß
joy, mich auf mein neues Werk zu legen, ja mit.
denſelben in ſolchem Widerſpruch Hehe, daß ich von
einem oder dem andern nothwendig ablaſſen muͤſſe:
ſo werd ich gezwungen zu forſchen, welches von hei⸗
den mir nuͤtzlicher wäre? Denn ich kam, wie geſagt,
in ben Gall, ein gewiſſes Gut für ein ungewiſſes
aufgeben zu wollen. Als ich aber biefe Ueberle⸗
gung etwas fortgefeht hatte, fo fand Ich zuerſt, daß,
wenn ich meine alte Lebenswelfe gegen bie neue ver⸗
tauſchte, ich Immer doch nur ein feiner Natur nach
ungewified Gut gegen ein auberes ungewilles aufs,
gebe, bas feiner Natur nach nicht ungewiß
ſeyn könne, weil ich eben ein feſtes Gut ſuchte;
erw das nur fofern zweifelhaft bliebe, ob Ich's
erreiche? Durch fortgefehtes Nachbenten kam ich,
sar fo weit, einzuſehn, daß, wenn ich alles recht,
amd ganz überlegte, ich gewiſſe Uebel gegen ein ge⸗
wies Gut vertaufhte. Ich ſah nämlich, daß ich
in der größeften Gefahr ſchwebte, und in ber Noth
wire, ein auch ungewilles Nettungsmittel mit allem:
Kräften zu ſuchen; wie ber Kranke, ber, wenn er
kein Mittel braucht, den gewiſſen Tod vor fih fies.
het, auch ein ungewiſſes Mittel mit allen Kräften
Inden muß, da feine ganze Hoffnung darauf berus
het. Alle bie Dinge aber, denen ber große Haufe,
nachſtrebt, gewähren nicht nur Fein Mittel zur Er⸗
haltung unferes Seyns, fonbern fie. verhindern daſ⸗
felbe auch, und find oft die Urſache des Untergangs
derer, bie fie befihen, Immer aber bie Urfache des _
Untergangs berer, bie von ihnen kefellen werben. -
„Es gibt viele Beiſpiele von Menfchen, die ih⸗
4
120
res Relchthums wegen ſich dis auf den ——
gen Tiefen, auch Belſpfele von Menſche
Güter zw erlangen, fi fo vielen en
tet, dag ſie endlich Ihre Thorheit mir‘ ns ne
boßten Nicht wenlgere gibt es die ee
erlaigen ober jun erhalten, aufs elendefte send
unzahllze Beirpiele endlich Find won ſolchee ferne
deh, die durch übermäßige Wolf Tore: Ed" dem
ſchleunlgt Haben. Aue dieſe edel ſchelnen ir Sm
her zu kommen, daß das ganze Glück ober WER
in der Beſchaffenhelt des Seg ee
Iteht, dem wir mit Liebe zugethan fiber
etwas, was man nicht Hebt, entſtehet keſneStretcke
ham gramet ſich nicht daruher, wenn es Or
det man fühlt Fehten Neid, wenn er Ar
beſitzt, keine Furcht, teten Hapy mir; Tote wer
muthsbewegung; welches alles zutrifft, veund man
ſe vergängiihe Dinge Lebt, wie alle bie ſiaz, vw
denen wir blaher geredet Haben. ziehe ader zarite:
nem eigen und unendlichen Gegenſtauhe kann an
Fehde der Seele zewahren, eine Freude, die vvn
feiner Traurigkelt weis; wahrllch ein fehr We
ſchenswurbiget Zweck, nach weichenn man TE Ar:
ins ſtreben muüßte! Ohne Urſach aber Her:
der nicht des Anedtucs Be —
— daß, (he REN
m a ——— ar; ſo Ak
a un es jene le And iger
|
|
Deascie —*
fe wentoßtas Doktor nicht 16 aröß, :diß: ehe
sangen wit Unobalolca Wnfadge: Danyei
Bedonı ſtwiſclendaame ſetden maren⸗ und· aur tuczo
Belt daurrten! ſonanen fien Doch, made: ich dae
wenn Eute mehr und mehe erkenaen lerute/ nicht
sanfter; ſondern danerten auch baͤnger? zumialba
un eiaſih / hafe ber Erworb / des Gelbes ober die Luſt⸗
und: Ohrbeglerbe' Inc: To‘ Tu —* diedem
Wildist want iie vico et, fonderu als
—— Sucht mun fe ale inter, fo Me
A De Bern und dindern wRhe,' ſondern forbern
—— — getangen, deßhaid mar
4
v,leeohl tag ame Biryi ſigen; was ich ee
wehrte Salt e Verftege, uad zugleich, a6 DAB
Be, et une nur begtefunigsn ne
geſegt werden, ſo, daß eine und dieſelbe Sache gut
nn: uͤbrt hethen kanu In verſchledener Ruͤckſicht: Te:
A vottromm eh und unvoltko miren. Dei
REN auch kamt nirchts volllommen oder uh%
v onnnen genanut werben, vorgaͤmlich weil wir:
Ah, Viß auet, was zeſchieht, nach einet ewigen
Oernunge und nach zewiſfen Raturgeſethen ——
Dar Are der ſchwache Menſch dieſe Ordnung wii“
—— * nicht erreicht, und fi dubel in
ce merkte Natur deakt, bie vlei feſter als
Maige ſed, da: keinx Hinbetnig ſieher, warum er
ee Farbe Ratur icht ertungen Fölinte: ſo wirb wo
angoeci TREE Du ſfuchen/ die ihn zu diefer SET
-122
Iommenheit führen. Alles, was ein Mittel ſeyn
kann, dahin zu gelangen, heißt ihm ein wahres
Out; das hoͤchſte Ent aber if, dahin zu ge=
langen, daß er mit andern Individuen, wo möglich,
einer ſolchen Natur geniefe. Was bieh für eine
Natur fep, werben wir an feinem Ort feben: fie
ſey naͤmlich Erkenntniß der Vereinigung,
die mein Jauerſtes (mens) mit der gan-
sen Natur hat. Dieß iſt alfo der Zwec, nach
welchem ich fitebe, eine folhe Natur zu erlangen,
und daß viele fie mit mir erlangen mögen; d. £, zu.
meiner Gluͤckſeligkeit gehöret es auch, Fleiß anzu⸗
wenden, daß viele andere das einfehen, was ich
einfebe, daß Ihr Verftand und ihre Begierde völlig
mit ber meinigen übereinftimme. Und bamit dieß
werde, fo iſt noͤthig, daß fie won der Natur fo viel
verfiehen, als noͤthig ft, eine ſolche Natur im er=
langen; ferner, eine Geſellſchaft zu ftiften, in-wel-
der eine große Anzahl auf die leichtefte Art mit
Sicherheit dahin gelangen möge, Weiter muß man
auf die Moral: Philofophie und auf bie Lehre von
der Erziehung ber Kinder Fleiß anwenden, und
weil die Geſundheit kein kleines Mittel tft, dieſen
Zweck zu erreichen, muß die gange Mebichn in Orb-
nung gebracht werben. Weil auch durch die Kunſt
viel Schweres leicht gemacht, viele Zeit erfpart und
viele Bequemlichkeit für's. Leben erworben wird: fo
iſt auch die Mechanik auf Feine Weiſe zu verachten.
Bor allen Dingen aber iſt eine Art auszuftunen, wie
der Verftand geheilt und (wieferu es aufangeweife
gefhehen kann) gereinigt werde, bamit er die Sache
ohne Irrthum und aufs beſte einfehen lerne. Jeder⸗
[ - — — ie
123
wmanıı fichet bierans, daß ich alle Dinge auf Einen
Zweck, auf Ein Ziel richten wolle, nämlich daß man
zur eben genannten hoͤchſten Vollkommenheit bes
Menfchen gelange. Was alfo In den Wiſſenſchaften
alchts zu unferm Zweck beiträgt, muß als unnuͤtz
verworfen, kurz alle unfere Gedanken’ und Handlun-
gen zu biefem Zweck gerichtet werden. Well aber,
wenn wir den Verftand auf ben rechten Weg zu len⸗
ten ſuchen, wir auch leben muͤſſen, fo muͤſſen wie
auch einige Lebendregeln als gut annehmen. Diefe
namlich : |
1. Nah ber Dentart bes gemeinen Mannes zu
reden und alles zu bewirken, was une kein Hinderniß
in Weg legt, unfer Ziel zu erreichen. Denn von ihm
fönnen wir großen Vortheil erwarten, wenn wir, fo
weit es feyn kaun, und feiner Denkart bequemen.
Sr wird auch auf diefe Weiſe der Wahrheit ſelbſt
ein geneigtes Ohr ſchenken.
2. Des Vergnuͤgens nur fofern zu genießen, als
es zur Sefundheit gehöret.
2. Geld und jedes andere nur ſoweit zu fuchen,
als es zum Leben, zur Geſundheit und zur Sitte des
Landes gehöret, In wiefern diefe unferm Zweck nicht
widerſtrebet.“ u |
* *
*
Träume ich oder habe ich gelefen? Ich glaubte
einen frechen Atheiften zu finden, und finde beinahe
einen metaphyſiſch⸗ moralifhen Schwärmer. Welch
ein Ideal des menſchlichen Beſtrebens, der Wiſſen⸗
Maſft, der Naturkenntniß iſt in feiner Seele! und
er geht zu ihm mit fo uͤberdachtem, mühfam = ſchwe⸗
zem Schritt und Styl, al6 manche zur Umaͤnderung
122
ihres Lebens nicht An's gloſter wundern. Offenrir
it der Aufſatz aus den Jahren des Mannes, ba’ eb
vom Judenthum Abſchied nahm, und feine phttoſppht·
ſche Lebensart wählte . "Cr hat dieſe fottgefeiit
BR ans Ende feine Lebens; was mug er inte
erreicht haben? — Abet ſiehe da‘ kommt Theo⸗
ptron. — a A a
Theophron. So fleißig? Philotaus, WW
haben bie MWitterinng nicht ganz Wahr geldbet; dir
abgeregneten Gewitterwolfen haben uns ee Kite
verurſacht, die man nach Ihrem Gleichniß nicht ver:
muthen ſollte. ——
Philolaus. Laſſen Ste mein Gleichntz may
geben mile dieſen Band mit; ich ſehe, ich habe mi.
an Spinoza geltret. Was, meinen Ste, pol'ty
zuerſt leſen? ae? ergt J
Theoppron. Seine Erin. Das uͤbrige er
Fragment und der theologlfdj- politifche Traktat war
eihe frühere Probe⸗Zeltſchrift. Geſfaͤllt's Ihnen, fo
uehmen Sie einige Regeln mit auf die Seife.
1. Ehe Sie den Spinbza Iefen, muß Mnen
Des-Cartes, wenn auch nur als Woͤrtetbuth, We
Tanne ſeyn. In ihm fehet Sie den Urſprung ber
- Worte und Formeln, alfo auch mancher ſondetharen
harten Formeln des Spitoza. Nehmen Sie hiezu
Des: Carted Hauptſchriften oder einen ſelner Schuͤ⸗
lee**), unter weichen inſonderhelt Clauberg Ye
— ——
DE Vorrede⸗ der Herautgedern ſugrn ſetze irre
vm Wreikiiung, vintun in dem eiufſa nia nchaet Dimafah
ud vroh erſcheine der NAuſſntz ſey ˖ nicht vollen deq.⸗
un —— %. d. .
%) Des-Cartos opp. Philosoph. Amstelod. 168. Begii Pi
425
Säke.bes Carteſſanlemus klar und ordentlich vor»
trägt 3, Sle-werben, ſolche hier fu Einem Bande bei-
dammen finden. Sodann gehen Sie an bed Des—
Cartes prineipia philosophiae von Spinoza felhit,
NAHE für ‚einen ſeiner Lehrlinge aufgefest hat *);
Sie treffen in ihnen ben Uebergang zu feinem. eiges
nen Spfteman. Einen Bam muß man nicht etwa
nur in. ‚feinem. Gipfel: und Zweigen, fondern in
Stamm und Aeſten, ja wo möglich ben **
ſungen ſeines Eutſtehens und Wachsthums nach, im
. MBuszel, Boden und Kllma kennen lernen; geſetzt,
daß es auch eln Giftbaum waͤre. Denn uͤſen Sie
dleſen Phlloſophen bed vorigen Jahrhunderts nad
ber Sprache unſerer Phlloſophle: jo muͤßte er
Ihnen frellich, wie er vlelen noch jetzt erſcheint, ‚ein
Ungeheuer duͤnken.
2. Geben Sie ſorgfaͤltig auf ſelne geometrlſche
Methode ‚Act, amd laſſen fich von ihr nicht nur
uldt berärten, fonbern bemerken auch, wo diefe Ihn
berüdte. Des - Gartes verleitcte ihn zu übe; und
Er wagte ben fühnen Verſuch, fie auch ber Form
‚les. matural. Amst. 4654.: Raari:clav. philes. at. Lugd.
6546.) Elauberas Fhyn. Metaphys. etc. „Ku Gariasio
M#iaplicet, fügt ‚Bribnigy audania .et.fautus nimias.con-
. junetus. cum. styli obsrpritate , ‚confusione, maledi.-
centia. Longe magis mihi probatur Claubergiuy
discipulus ejus, plahus, perspicuus,. brevis, methodi?
‚ qua.“ Leibpit. OQtium Hamnoveran. ed. Fellero.
p- 184. £
*%) Amstol. 1663. „Quem ego enidam juveni, quem meas
opiniones aperte docere nolebam, antehac dietaveram,*'*
fagt Spitoza In feinem neunten Briefe S- 423.
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ueled Oremplard werben Sie von einer alten Hand
ischetene Nutmrifungen auf bie Ethik und in der
Zu ul Ir finden. Dienten dieſe Briefe zu keinem
” Ser: do zeigten fie, wie ganz ed dem
m feiner Pillefephie ein-Ernft geweſen,
= 5 von Ihe überzeugt hatte, und wie
Yin derieiben füplte. Wenn Sie dieß
det baden und Ihnen daran etwas
wir über Ihre Sweifel oder über feine
ı Drltreed reden.
FL : Ich wi Ihrem Rath folgen, ob
Bett.
m;
127 _
Theophron. ben fäht mir eine Obe in bie
Hand: an Bott; von einem Atheiften,
Philolaus. Ron Spinoza?
Theophron. Der war kein Dichter; von
einem Atheiſten, der des Atheismus wegen ver⸗
braunt ward.
Philolaus. Und eine Ode auf Gott machte:
I win fie leſen: —
Deo”,
Dei supremo percita Aamine ,
Mentem voluntas exstimulat meoam ;
Hine per negatum teatat alta
Daedaliis iter ire eeris;
Audetgue coeli non memeorabile
Metari Mumen principio earens
Er fine, defnire Musae
Exiguo hreviore gyre.
*) Da. diefe Ode feitdem in Koſegartens Poeflen,
(8. 1. ©. 35.) wohlllingend Üüberfegt iR: fo ſtehe fe
Gier , dieſe Ueberſetzung:
ot t
Durchwebt von deffen Odem, der ewig lebt,
Bon deffen Gluth gezündet, der nie errifcht,
Entbrennt die Seere, ſchwingt den Fittig,
Steiget in nimmererflogne Höhen.
Und ftrebet mühfaın aufwärts zum Throne def,
Den keine Zunge nannte, Fein Hytmnus fang,
Den Beine Schranke grenzt noch enget,
Nicht des Beginns, noch Bed Endens Schranke.
:OyigR men obrteriieug um, =
"Origo, ſons et grigeipium awi En 7
Suiquue finis terminusque "
Prineipio sie‘ tesmiogne. F
u
t —5 Nempore in vinnibris
Wmenipuimeanns ipss Dub lowiä, ie
Partes in omnes distributus —W A
‚ Integer usque, manens uhique.- . op
Nec comprehensum ullis regionibus. en
Ullisve clausum limitibus loca
Tenent, sed omnig liber omne .
Diditas *) in spatium vagalur.
Illius alta est Velle patehtsa,
Opus voluntae iesartabilis }
Et magnus absque quastitate -
Atque bonus sine: yunlitate.
Cr ift der Wefen Urgrumd, und iſt ihr Ziet,
Sein eigner enger Urgrund, fein eignes Bler“
Beginnt, begrenzt, beſchränkt ſich ſelber,
Grenzenlos zwar, und deginn- und endlos.
u⸗Sanz,ngerhellt/ untheitbar, —B—
" GrfWtit fein Wefen jeglichen Ato mus
Des ungemeßnen Raums und jeden
Stiebenden Tropfen des Zeiten: Stromes.
Ihn decken Hohe Tempel⸗Gewölbe nicht.
Ihn faſſen nicht die Himmel, die Erden nicht:
Frei, unumhüllet, ungefeſſelt
Waltet und herrſcht er Im großen alte.
Eein Will it. That. Wer ſteuert dem Machtigen?
Wer hemmt den Unrückrufbaren? Groß iſt er
Und gut; nicht mit der Meßkunſt Groͤßen,
Micht mit der Güte der Sittenlehren.
—
re
*) Divisus 2 dideup.pseWiridere,
. 129
Quod dieit, uno tempore perfcit;
Mirere, fiat vox vel opus prius ?
Cam dixit, en cum voce cuncta
Sunt universa simul creata.
*
Cuacta intuetur, perspicit omnia,
Atque in una solus, (solas est omnmia,)
Quae sunt, fuerunt et futura
Praevidet ipse perennitate.
Atque ipse plenus cuncta replet Sui
Et semper idem sustinet omnia
Et fert movetque amplectiturgue
Atque supercilio guabernat.
Te, Te oro, tandem respice me bonus,
Tibigue nodo junge adamantino:
Id namque solum unumgue et omne
Beddere quod potis est beätos.
Quicungue junzit Te sibi et altius 0.
Vni adhaerescit, continet omnia
‚Steaks, flugs, im Huigefchiehet, was Er gebeut.
Das Weltall ſchlief des eifernen Nichtfeyng Schlaf.
Er rief: Erwache! Schnellerwadend
Rafft' es fih auf, und erilaunt’ und Eniete,
«Sein alfduechdringend Auge durchſchaut das ALL,
‚Und Hegt.und trägt, bewahret und waͤrmet es.
Almädtig herrſcht fein Wink, allmaͤchtig
Walter des Schrecklichen hohe Braue.
Dich flehꝰ ich, Guter! faͤhel auf mich herab!
Mit Demantketten binde mic feft an Dich!
Wei Dir, bei Die iſt volle Gnüge,
Einzig bei Die, und bei Beinem ‚andern !
Wohldem, der Dich ergreifet, ar dich ſich hängt,
Arn Dich fi innig fpinieget, Dich feſt —*88
Serders Werte. Philei. u. Seſch. IX. 9
' 230
Teque omnibps oireumflugniem.
Divitiis nihilgue ogaulem.,
‚Tu, cum necesge est, nullibi defieis
Vitroque praebes omnibus omnia
Ipsumque Ta: qui sis $uturus ;
Omnibus. omnia.submigtstras.
Laboriosis Tu viggr inclitug,
Tu portus alto navifragantibus,
Tu fons perennis perstrepentes
_ Qui latices salientis ardent.
Tu summa nostrie.peskorihus ‚quies,
Tranquillitasque et pax placidissima,„
Tu mensus *) 'es rerum modusque,
Tu species et amata forma.
Dich habend, Bater, Hat er ufkes,
Alles, was ſaͤttigt, und was befeliaf.
Du, Bu entzeuchſt Dich Eeinem,Lder Dein bedarß
Zreiwitiig ſchenbſt Du jeglichen. jegliches.
Dich ſelbſt, der war, und iſt und. ſeyn wird,
Ewiger, ſchenkſt Du dem frommen Fleher
Du biſt dem müherliegenden Nerv' und Mark,
Und biſt dem klippenſcheiternden Bucht und Port,
Und biſt der durſtgeborſtnen Lippe PM;
Lechzender Wanderer Qustientüßte.® _
Du bift. der Arbeitfeligen füße Ruh, -
Biſt unfern Bufen Frieden und Freudigtett,
Bift jeder Schönheit Urgebilde,
Iegricher Trefflichkeit ewge Urjorm,
-
— N
©). Menapr ©, Mplsurn..
j 26l —
Tu meta „ pondus- Ta namersa, decor
Tuque ordo, Tu pax atque honor atque amor
Cunctis‘,' salusque et vita et aucta
Nectare 'et ambroosia veluptas,
Iu,verus.altae fons'sapientiae,
Tu vera.lux, Tu lexzenerabilis,
Tu certa spes, Tugue aeviterne
Bt vatio ot: via verstaspie;
Decus jubarque et lumen amabile
* Et lameralmum atque inviolabile;
Pu: suirma ‘simmeasum, duid-ultra?
Mehlinibis;> optilmus, umad, /üdenn,
. Biſt Zahl und Maß, und. Zirkef und Harınonie,
Und Pracht und Ordnung, Hoheit und Majeftät,
Bift unfre Wonne, unfre Woltuft,
Unfer Ambroſia, unfer Nektar.
O du, der Wahrheit Richtſcheit, des Rechtes Norm—
‚Dei quten Bleiſchnur, heitiges Urgeſetz,
Du, unſre Hoftnung, unſre Weisheit,
Eeuchfende dacker des irren Geiſtes.
ran, Aifertkäge, Wätde goheit; wie ſingꝰ ih Diche
ELicht, Liebe; Leben, Leabſar; ie feire ich Dip:
Der Summen Summe! AM des Anen
Einmziger, Ewiger, Kößter ,' Beſter!
[|
ur er X —
. . Be
3Waedeeg peter.
Fr BEra EEE En ——— —— | :
vyh ilotans. Ich Torte niſt meinem Spi-
noza⸗ aber Beinahe ungeiwiffer, als ich vorher war.
—
Ir
-122
Iommenbeit führen. Alles, was ein Mittel ſeyn
kann, babin zu gelangen, beißt ihm ein wahres
Gut; das hoͤchſte Gut aber iſt, dahin zu ges
langen, daß er mit andern Individuen, wo möglich,
einer ſolchen Natur genieße, Was dieß für eine
Natur fep, werben wir an feinem Ort fehen: fie
ſey nämlich Erfenntnip der Vereinigung,
die mein Innerſtes (mens) mit der. gan
zen Natur hat. Diep tft alfo der Zweck, na
welchem ich fteebe, eine folhe Natur zu erlangen,
und daß viele fie mit mir erlangen mögen; b. i. zu
meiner Slüdfeligleit geböret es auch, Fleiß anzu⸗
wenden, daß viele andere. das einfehen, was ich
einfehe, daß ihr Verſtand und ihre Begierde völlig
mit der meinigen übereinftimme. Und bamit bieß
werbe, fo tft nöthig, daß fie von der Natur fo viel
verſtehen, als noͤthig ift, eine ſolche Natur zu ers
langen; ferner, eine Sefellichaft zu ftiften, in wel⸗
her eine große Anzahl auf die Leichtefte Art mit
Sicherheit dahin gelangen möge. Weiter muß man
anf die Moral: Phllofophie und anf die Lehre von
der Erziehung der Kinder Fleiß anwenden, und
weil die Geſundheit Fein Kleines Drittel tft, dieſen
Zwed zu erreichen, muß bie ganze Medicin in Ord⸗
nung gebracht werden. Weil auch durch die Kunſt
viel Schweres leicht gemacht, viele Zeit erfpart und
viele Bequemlichkeit für's Leben erworben wich: fo
tft auch die Mechanik auf Feine Weiſe zu verachten.
Vor allen Dingen aber iſt eine Art auszufinnen, wie
der Verftand geheilt und (mwiefern ed anfangsweife
gefhehen kann) gereinigt werde, bamit er bie Sache
ohne Irrthum und aufs beite einfehen lerne. Jeder⸗
123
mann fichet bierans, daß ich alle Dinge auf Einen
. Zwei, auf Ein Ziel richten wolle, nämlich daß man
zur eben genannten hoͤchſten Volllommenheit bes
Menſchen gelange. Was alfo in den Wiſſenſchaften
nichts zu unferm Zweck beiträgt, muß als unnuͤtz
serworfen, kurz alle unfere Gedanken und Handlun-
gen zu dieſem Zweck gerichtet werden. Weil aber,
wenn wir den Verſtand auf den rechten Weg zu len
ten fuchen, wie auch leben müllen, fo muͤſſen wie
aud einige Lebensregeln ale gut annehmen. Diefe
nämlich : .
1. Nach der Dentart bes gemeinen Mannes zu
reden und alles zu bewirken, mas uns Fein Hinderniß
in Weg legt, unfer Ziel zu erreichen. Denn von ihm
Fönnen wir großen Vortheil erwarten, wenn wir, fo
weit es feyn kann, uns feiner Denfart bequemen.
Er wirb auch auf dieſe Weiſe der Wahrheit felbft
ein geneigtes Ohr fchenfen. |
2. Des Vergnuͤgens nur fofern zu genießen, als
es zur Sefundheit gehöret.
3. Geld und jedes andere nur foweit zu fuchen,
als es zum Leben, zur Geſundheit und zur Sitte bes
Landes gehdret, In wiefern dieſe unferm Zweck nicht
widerſtrebet.“ |
% #
. *
Träume ich oder habe ich gelefen? Ich glaubte
einen frechen Atheiften zu finden, und finde beinahe
einen metaphyſiſch⸗ moralifhen Schwärmer. Welch
ein Ideal des menfchlichen Beſtrebens, der Willen:
ſchaft, der Naturkenntniß iſt in feiner Seele! und
er geht zu ihm mir fo auͤberdachtem, muͤhſam⸗ſchwe⸗
rem Schritt und Styl, ale manche zur Umaͤnderung
i | 124
ihtes Lebens nicht In’s Kloſter winner. Rfente—
iſt der Auſſatz aus den Fahren des Mannee, Da’ er
vom Judenthum Abſchled hahın, und feine phtfofpphle
ide Lebensart wählte %. Er hat diefe fottaefeßt
bie an's Ende feines Lebens; was mug er in ige
erreicht Haben? — Abet ſiehe ba’ kommt Theo⸗
ptron.
CTheophron. So ſteißig? Philotaus, Se
Yaden die Wittetung nicht ganz wahr geldbet; dir
abgeregneten Gewitterwolken haben uns eine Kaite
verurſacht, bie man nach Ihrem Gleichniß nicht wer:
mutheh folte. | 5 —
PHitolans. Laſſen Ste merk Glkichnkß un
geben mie diefen Band mit; ich ſehe, ich habe wich
an Spinopa zeltret. Was, meinen Sie, pol .
zuerſt leſen? — PERL,
_ Kheophron. Seine Ethtt. Dias uüuͤbrige tt
Fragment und ber theologlſch⸗politiſche Traktat war
eine frühere Probe-Zeltſchrift. Gefailt's Ihnen, fo
‚nehmen Sie einige Regeln mit auf die Reife.
J. Ehe Sie den Spindza leſen, muß Ihnen
Des-Caries, wenn auch nur als Woͤrtetbuth, Wer
kannt ſeyn. In ihm ſehen Sie den urſprung der
Worte und Formeln, alfo auch mancher fondetharen
harten Formeln des Spinoza. Nehmen Ste hiezu
Des: Sartes Hauptſchriften oder einen ſeiner chuͤ⸗
lee**), unter welchen Infonderheit Claubrrg bie
EHE Votreder der Herautgeder Marind ſae niet
vm Breilifiung, „wenn im Dem Okıffagr Manchds dia
u voherfheines der-Nuiag ſer ˖ nicht vollendet
A. d. B..-
*W) Des-Cartes opp. Philosoph. Amstelod. 1685, Hogii Bhi-
425
Saͤtze des Carteflaulemus klar und ordentlich vor⸗
trägt > Sle werben ſolche bier in Einem Bande bel⸗
jannmen finden. Sodann gehen Sie au des Ded-
Cartes principia philosophiae von Splnoza felbik,
die ex für ‚einen feiner Lehrlinge aufgefeht bat *);
Sie treffen ‚In ihnen ben Uebergang zu feinem.eiges
neu Spſtem an. Einen Baum muß man ulcht etwa
nur in ‚feinem Gipfel und Hweigen, Sondern In
Stamm und, Neften, ja wo möglih ben Weranlaf-
ſungen ſelnes Eutſtehens und Wachẽthums nah, in
Euxrzel, Boden und Klima kennen lernen; geſetzt,
daß es auch ein Giftbaum wäre. Deun laͤſen Sie
dleſen Phlloſophen bes vorigen Jahrhunderté nad
ber Sprache unſerer -Phllofopbie: jo müßte er
Ihnen freilich, wie er vlelen noch jetzt exſcheint, ein
Ungeheuer duͤnken.
2. Geben Sle forgfältig auf felne geometriſche
Methode Acht, und Laflen fib von ihr nicht nur
nicht beruͤcken, fonderu beinerfen auch, wo biefe ihn
berüdte. Des - Earted verleitete ihn zu ihr; und
Er wagte ben führen Verſuch, fie auch ber Form
les, natural.. Amst. ı654.. Raaei clav. philes. nat. Lupd.
ı 2684- ; Elauberas Ehya.: Metaphys. etc. „Im Gariasio
Hiaplices, fügt -Rribnigr audacia et fautus, nimius won-
. junctus, cum styli obscaritate , ‚confusione, maledi-
centia. Longe magis mihi probatar Claubergius,
discipulus ejus, plahus, perspicuus,,. brevis, methodi*
: aux.“ Leibait. OQium Hamnoveran.: ed. Fellero.
p- 184. a
*) Amstel. 1663. ,„Quem egö enidam javeni, quem meas
opiniones aperte docere nolebam, antchac dietaveram,''
fast Sp inoia in feinem neunten Brinfe ©: 423.
l
126
nach auf alle, felbft die verfiochtenften, moralifchen
Materien anziivenden. ben dieſer Verſuch hätte
feine geometrifhen Nachfolger In der Metaphyfit
J
warnen moͤgen.
3. Bleiben Sie nie bei Spinoza ſtehen, ſondern
rufen bei jedem ſeiner paradoxen Saͤtze die aͤltere
und neuere Philoſophie zu Huͤlfe, wie dieſe etwa
ſolche oder eine aͤhnliche Behauptung weggeraͤumt
oder leichter, beſſer, unanſtoͤßiger, gluͤcklicher aus:
gedruͤckt habe? Sogleich wird Ihnen dann in's Ange
fallen, warum dieſer Autor ſie nicht alſo, vlelleicht
nicht fo gluͤcklich Habe ausdruͤcken koͤnnen; mithin
werden Ste ben Urfprung feines Wort = Irrthums
und den Fort= ober Ruͤckgang ber Wahrheit ſelbſt
gewahr werben. Nehmen Sie in dieſer Abficht feine
wenigen Briefe als Erläuterungen zu Huͤlfe 9; fie
Härten in manchem viel auf, nnd an bem ande
meines Exemplars werden Sie von einer alten Hand
geſchriebene Nachweiſungen auf die Ethik und In der
Ethik auf fie finden. Dienten biefe Briefe zu keinem
andern Zwei: fo zeigten fie, wie ganz es dem
Spinoza mit feiner Philoſophie ein-Erhft geivefen,
wie fehr er ſich von ihr Aberzeugt hatte, und wie
glücklich er ſich in derſelben fühlte. ‚Wenn Ste dieß
Geſchaͤft geendet haben und Ihnen daran etwas
liegt, wollen wir über Ihre Zweifel oder über feine
Irrthuͤmer ein Weiteres reden. Ä
— Philolaus. Ich win Ihrem Rath folgen, ob
er gleich viel fordert. |
—
) Opp. posth. p. 395, veq.
127 _
Theophron. ben fäht mir eine Ode in bie
Hand: an Bott; von einem Atheiften.
Phtlolaus. Non Spinoza?
Theophron. Der war kein Dichter; von
einem Atheiſten, ber des Atheismus wegen ver:
braune warb.
Philolaus. Und eine Ode auf Gott machte:
ig will fie lefen: —
De o 5).
Dei supremo percita Aamine \
Mentem voluntas eıstimulat moam ;
Hine per negatum teatat alta
Daedaliis iter ire eeris;
Audetgue coeli non memerabile
Metari Mumen principio carens
Er fine, defnire Musae
Exiguo breviore gyre.
2) Da. dieſe Dde ſeitdem in Koſegartens Vochen,
(B. 1. ©. 35.) wohlklingend uͤberſetzt iR: fo ſtehe ſte
bier, dieſe Ueberſetzung:
Sott.
Durchwebt von deſſen Odem, der ewig lebt,
Von deſſen Gluth gezündet, der nie erliſcht,
Entbrennt die Seele, ſchwingt den Fittig,
Steiget in nimmererflogne Höhen.
Und ftrebet mühſam aufwärts zum Throne def,
Den keine Zunge nannte, Fein Hytmnus fang,
Den keine Schranfe grenzt noch enget,
Nicht des Beginns, noch des Endens Schranke.
res .
ıNORIER aan alrterine ug ur em, 2
'Origo, „dans et grigeiplum awi 2.
‚Suique ſinis terminusque
Prineipio sike tesminogie. f
* blue Dotus, tompore in omnibis - — u
’ "PDranijguissenns kpsn Dieub lorid, 2
Partes in omnes distributus nn J
Integer usque, manane ukique.. J
Nec comprehensum ullis regionibus. lt
Ullisve clausum limitibus loca
Tenent, sed omnig liber omne .
Diditus *) in epatium vagatar.
Illias alta est Velle petehtsn,
Opus voluntas:iesariabilis ;
Zt magnus absque.quasititate
Atque bonus sineımsalisate,
Sr iſt der Wefen- urgrund, und iſt ihe gieh ur
Sein eignee ewger Urgrund, fein eignes ziet
Beginnt, begrenzt, beſchränkt ih Yelder,
Grenzenlos zwar, und Yeginn: und endlos.
- 1 @anz, ungetßeht,- antheirbar, —B—
: irrt fein Weſen jeglichen Atorhus . ,
Des ungemefnen Raums'und jeven ° “
Stiedenden Tropfen ded Zeiten : Stromes.
Ihn deden hohe Tempel: Gewöürbe nicht.
Ihn faffen nicht die Himmel,. die Erden reichte
Srei, unumhüllet, ungefeſſelt
Waltet und herrſcht er Tin großen Alte.
Eein Will iſt That. Wer fteuert dem Maͤchtigen?
Wer hemmt den Unrückrufbaren? Groß ift er
Und gut; nicht mit der Meßkunft BSrößen,
Micht mit ter Güte der Sittenlehren.
44
*) Divisua.a dihee.oreWiridere,
| Qued
j 129
Quod dieit, uno tempore perficit;
Mirere, fiat vox vel opus prius ?
Cum dixit, en cum voce cuncta
Sunt universa simul creata.
x
Cuncta intuetur, perspicit omnia,
Atque in una solus, (solus est ommia,)
Quae sunt, fuerunt et fatura
Praevidet ipse perennitate.
Atque ipse plenus cuncta replet Sui
Et semper idem sustinet omnia
Et fert movretque amplectiturque
Atque supercilio guabernat.
Te, Te oro, tandem respice me bonus,
Tibigue nodo junge adamantino:
“ Id namque solum unumgue et omne
Beddere quod potis est beatos.
Quicungue junzit Te sibi et altims .
‘Uni adhaerescit, continet omnia
Straks, flugs, im Huigefchtehet, was Er gebeut.
Das Weltall ſchlief des eifernen Nichtfeyns Schlaf.
Er rief: Erwache! Schnellerwachend
Rafft' es ſich auf, und erſtaunt' und kniete.
Sein alldurchdringend Auge durchſchaut das Au,
‚Und Hegt.und trägt, bewahret und waͤrmet es.
Allmächtig berriht fein Wink, allmächtig
Wartet des Schrecktichen hohe Braue.
Did fleh’ ih, Suter! fücher auf mich herab:
"Mit Demantketten binde mich feft an Dich!
Wei Dir, Hei Die iſt volle Gnuͤge,
Einzig bei Die, und bei keinem andern ı
Wohl dem, der Dich ergreifet, an dich ſich hängt,
an Die ſich innig fchinieget, Dich fett —*8
Feder Werte). Phllei, u. Seſch· Xx. 9
— 230
Teque omnibns oireumüugskem.
Divitiis nihikgue egautem.
‚Tu, cum necesge est, nullibi defieis
Vitroque praebes omnibus omnia
Ipsumque Tea. qui sis futarus ;
Omnibus. omnia.submigtstras.
Laboriosis Tu vigor inelitng,
: Tu portus alto navifragantibus,
Tu fons perennis perstrepentes
Qui latices salientis ardemt.
Tu summa nostrig,peetorihns quies,
Tranquillitasque et pax placidissima,
Tu mensus *) 'es rerum modusque,
Tu species et amata forma.
Dich abend, Vater, Hat er altes,
Alles, was ſattigt, und was beſeligt.
Bu, Bu entjeuchft Dich keinem, [der Dein bedarf
greiwitiig: ſchenbſt Du jeglichen. jegliches. SR
Dich ſelbſt, der war, and: ift und. feyn wird,
Ewiger, ſchenkſt⸗Du dem frommen Sicher!
Du biſt dem müherliegenden Nerv' und Mark,
Und biſt dem klippenſcheiternden Bucht und Yort,
Und biſt der durſtgeborſtnen Lippe
Lechzender Wanderer Quetientüßte.?: —
Du biſt der Arbeitſeligen ſüße Ruh,
Biſt unſern Buſen Frieden und Freudigkebt,
Biſt jeder Schoͤnheit Urgebilde,
Jegticher Treffrichkeit ewge Urform,
-
—
®). Mesaor ©, Papnsuira.
Kal fl
Tu meta, pondus, Tu namerna, decor
Tagque ordo,. Tu pax atque honor atque amor
Cunctis‘, salusque et vita et aucta
Nectare ‘et ambrosia veluptas,;
Tu,verus:altae fons:sapientiae,
Tu veralux, Tu lex zsenerabilis,
Tu certa sped, Tugue Aeriterne
Brratia et: via veritasgie;
Decus jubarque et lumen amabile
‘ Et lameralmum atque inviolabile;
" Pu suhrma simmasum'‘, -duidk-ultra?
' MWehiinikis,>optümus, ummd, !idenn,
ae BEZAH- un Maß, und Zirbel und Harmonie,
Uns Pracht und Ordnung, Hoheit und Majeftät,
Bift unfre Wonne, unfre Woltuft,
Unfer Ambroſia, unfer Nektar.
Odu, —— eit, des Rechtes Norm,
„Dei gulen Bleiſchnur, hetliges urgeſetz,
‚Du, unfse Hoſtnung, unſre Weishett,
. -Leuchgende- Jacker des irren Stiftes.
Sran Achtſteutzt, Würde”; gdheit, Peine Dicht
. Echt," Liebe Leben, Kübfar; wie feire h Dh:
Der Summen Suttine ! Aveo Atlen!
Eimiger, rüger, rönen Boſtern
ei N Ve,
4 7 ie Hua. To.
. Bw vr Kr oe nen r! a⸗ ch.
an 2:1. 4
pyirotane. en Aa roh. meinem Spi⸗ ⸗
nozas aher beinahe ageieiffet, al — vothet an
—
I)
13%
Daß er kein Atheift fen, erfheint auf allen Blaͤt⸗
tern; die Idee von Gott iſt ihm die erfte und letzte,
ja bie einzige aler Ideen, an bie er Welt- und
Naturkenntniß, das Bewußtſeyn fein felbft und
aller Dinge um ihn her, feine Ethik und Politik
Anäpfet. Ohne ben Begriff Sottes iſt feine Seele
nichts, vermag nichts, auch nicht fich felbft zu den⸗
Ten; es tft ihm fremd und beinahe unbegreiftich,
wie Menſchen Gott gleihfam nur zu einer Folge
anderer Wahrheiten, fogar finnliher Bemerkungen
Haben made:. Eönnen, da alle Wahrheit wie alles
Dafeyn nur aus einer in fich beftehenden ewigen
Wahrheit, aus dem umenblihen, ewigen Daſeyn
Gottes folget *). Diefer Begriff iſt Spinoza fo
*) v. Ethic. p. 4g. schol. et epist. 21. 39. do. 49. etc,
„Jedermann muß ja einränmen, daß nichts ohne Gott
weder ſeyn noch gedacht werden könne: denn alle geſte⸗
"ben, daß Gott aller Dinze, ſowohl ihrem Weien «tt
ihrem Dafeyn aach, einzige Urſache fey. Inzwiſchen
ſagen doch auch die meiſten, zum Weſen cincd Dinges
gehöre daß, ohne welches das Ding weder feun, noch
‚gedacht werden fanı. Sie müfen.alfo glauben, ents
weder, dag De Natur Gottes zum Wien der erichafs
fenen Dinge gehöre, oder daß die erſchaffenen Dinge
ohne Gott ſeyn und gedacht iverden können, oder —
welches wohl daB gewifTene ift, fie willen nit, was
fie meinen. Die Urſache bievon, halte ich, lag In der
sehlerhaften Ordnung ihreß Philoſophirens. Die götte
liche Natur, die fie vor allem andern betrachten ſoll⸗
ten, weit fie fowohf ihrer Natur ald unfrer Erkennt⸗
niß nach das erfie iſt, fehten fie zutetzt; die Objekte
der Sinne, (wie fie ed nennen) ſtellten fie allem veran.
Wenn fie dieie betrachteten, dachten fie an nichts we⸗
135 \
geiawärtig, fo ummittelbar und innig geisorbew,-
daß ich ihn eher für einen Begeifterten fürs Daſeyn
Gottes, als für einen Zweifler oder Läugner deſſel⸗
ben hielte. In Erfenntniß und Liebe Gottes fest
er alle Volllommenheit, Tugend und Gluͤckſeligkeit
ber Menſchen; und daß dieß Feine Maske, fondern:
des Phllofophen Ueberzeugung fey, zeigen feine:
Briefe, ja, ich möchte ſagen, jeder Kleinfte Theil. _
feines philoſophiſchen Gebäudes, jede Zeile feiner
Schriften. Möge er fi in ter Idee von Bott ger
feret haben; wie aber Lefer feiner Werke je fagen
konnten, daß er die Idee von Gott verläugnet und
ben Atheismus demonftrirt habe, tft unbegreiflich.
Theophron. Auch ich trauete mir beinahe
ſelbſt nicht, da ich diefen Autor Ias und mit dem:
zufammenhfielt, was andre über ihn fasten. Und
Doc las ich Ihn nicht als ein Neuling der Philoſophie
ober in einiger Nebenabfiht, Tondern unbefangen,
eher mit Vorurtheil wider ald für ihn, nachdem ich
außer den alten Weltweifen die Schriften Baum
garten, Leibnig, Shaftesbury und Ber:
felet nicht nur gelefen, fondern ſtudirt hatte,
Laſſen Sie uns indeß bei dieſer Befremdung nicht
fiehen bleiben, die fih von feibft aufklären wird,
wenn wir fein Syftem durchgehen; was haben Sie
für Zweifel dagegen?
niger als die Gottheit; wenn fie nachher zu diefer
Äbersingen, Tonnten fie an nichts weniger als an
ihre vorigen Fiamente denken, denen fie die Kenntniß
natürlicher Dinge fiberbauet hatten, und die ihnen
zum Verſtande der göttlichen Natur nichts helfen konn⸗
sen, uU. f.
158
Philola us Wo ſoll ich unfengen noch
gen? Das. ganze Syſtem tft: mir ein Paradoxon.
„Es Hit nur eine Sudſtanz! Dieſo iſt Sort; alle
„Dinge find in ihm me Mobiſtkationen.“
Theophron. Am Wort Subſtanz ſtoßen Ste
ſich nicht; Spinoza nahm's nach ‚feiner reinften,
ftrenugſten, hoͤchſten Bedeutung, und mußte es ſo
nehmen, wenn er, feiner gewählten: Methode nach,
» 8. ſynthetiſch einen erſt en Begriff-zum Grunde
tegen wollte. Was heißt Subftanz, als ein Ding,
das für ſich beſteht, alfo das bie Hrfes
He feines Daſeyns in Fi ſeibſt hat?
Ich wollte, daß dem Wort dieſe reine Webentung-
ta der Philoſophie haͤtte bleiben koͤnnen. Im ſchaͤrf⸗
ſten Voerſtande iſt Fein ſubſiſtirendes Ding der Welt
eine Subftanz, weil alles von einander, und zuleht
alles von Einem abhaͤngt, das die Selbſtſtaͤndigkeit
feibſt, d. i. die hoͤchſte, einzige Subſtanz iſt. De:
aber die menſchliche Phlioſophie immer gern dem
Gefuͤhl der Menſchen treu bleilbt, ind ihm in
einem gewiſſen Sinn tren bleiben muß, da wir uns
aber bei aller unſrer Abhaͤngigkeit doch auch fuͤr
felbſtſtaͤndig Halten, auf gewiſſe Weite daflır
Pr hatten koͤnnen, ob wir gleich une befiebend.
‚wow — j
Philolaus. Ey dann! Nun und nimmer
And wir doch bloße Modifikationen ?
Theophron, Das Wort tft auſtößig, und
wird nie in der Philoſophie Raumgewinnen. Wagte
es indeß die. Leibnitziſche Schule dieMaterie eine
Erſcheinung von Sırbflisapen: zu: nennen;
warum follte dem Spinoza nicht fein Ausdruck er⸗
155
lbrjchn? Worden die fopenaunien Sun R:
ber Welt allefammt von göttliger Kraft erhalten,
ia bebamen fie, wie iches: hergebrachte Dem an au⸗
nimmt, nur bar goͤttlicht Kraft ihr Daſedn, was
"fe, wenn man wil, anders als modlficirte
Erfhefuungen goͤttticher Krafte (phaenomena sub-
stantiata), jede nad der Stelle, nah der Seit,
wo den Organen, in und mit welchen fie erſchei⸗
rl beſtehend und: energiſch. Spinoza nahm alfo
mit feiner einzigen GSubſtanz eine kurze For
mel , die. feinen: Syſtem allerdings viel Safahtıhens:
haug gibt, ob. fis. gleich unferm: Ohr fremb Hingt,
Immer war ſie doch beſſer, als jene Gelegen-
heits-Urſachen der. Karteſianer, nach denen
Gott gleichfalls alles ſelbſt, mar: aber gele gente
heitlich wirken ſolte.
Philolaus. Merdings ein weit undequeme⸗
ver Ausdtruck —
Theophron. Und doch, wie lange hat er ge⸗
guten! Selbſt bie Leibnttziſche Philoſophie hat Ihm
we durch: eine andere artigere Formel höflich hin⸗
wegge ſcheuchet.
Philolaus. Sie meinen die präftabilizte
Harmonie aller Dinge '
Theophron. Eben fie. In keinem diefer
Ausdruͤcke liegt Ketzerei; nur Einer Ik unbequemer
als der andere, und im Grunde verſtehen wir bei
alten gleich wenig. Wir willen nicht, was Sehfant, |
bt t: ein beſtehendes Prinzipium der Kraft ſey, ober
wie Kraft wirke; viel weniger wiſſen wir, was bie
Aukraft fey, oder was fie alles hervorgebracht habe,
jene noch alles hervorbringe, und jedem -Dinge-
156
feine Weiſe mittheile. Daß labeſe⸗ eh neck
nem GSelbftbeftande ruhen, von einem Selbſt⸗
fländigen, fowohl feinem Dafeyn nach, als in feiner
Berbindung mit andern, mithin im Grunde fowohl
als in jeder Aeußerung feiner Kräfte abhangen mühe;
daran kann Fein Tonfequenter Geiſt zweifeln —
Woran denken Sie, Philolaus?
Philolaus. Ich ſehe fo manche pathetifche
Deklamation gegen Spinoza anf einmal in ihr Nichts
zurädgehn, bie mit Nichts als dem Namen ſeiner
„einzigen Subflang und feiner Modi
fifaitonen‘ Tämpfte; fie fochten alle bloß mit
einem Nebel unbequemer Worte. Ihnen iſt be=
Fannt, Theophron, weld ein Heer lächerlicher Wi⸗
berfpräche und Gottesläfterungen man ihm andich⸗
tete, z. B. daß, feinem Syftem zufolge, Bott dei
allem Guten alles Böfe in-ber Welt thue, daß ſo⸗
nach Gott es fey, ber alle Thorheiten weräbe, alle
Irrthuͤmer denke, gegen fi fireite, ſich in Spi⸗
noza felbft läftere und laͤngne u. f. Was von Spi⸗
noza s Mobdifitationen gilt, gilt ed von Des: Eartes
gelegentlihen Urfachen, von Leibnitzens praͤſtabilir⸗
ter Harmonie, ja felbft vom phoſiſchen Einfluß min:
ber? Geſchehen biefe Dinge In Gottes Welt: fo ge⸗
ſchehen fie durch den Gebrauch und Mißbrauch feiner
Kräfte, d. i. der Kräfte, die er abhängigen Weſen
anſchuf und in ihnen erhält; man möge fich feine
Vorherſehung oder Mitwirkung auf ſolche oder eine
andre Welfe denken. Ueberhaupt babe ichs gefun=
den, daß, wenn man bie Meinung eines vernuͤnf⸗
tigen Menfchen gar zu unvernänftig uud ungereimt
vorſtellt, man felbft entweder eine Ungerechtigkeit
187
begehe ober eine lingereimtheit ſage. Man macht
fih mit ſolchen Sormeln ben Gleg zwar leiht: es
Ik aber auch nur das Blendwerk eines Sieges.
Theophron. Nlfo werden Sie jebt auch da⸗
tin Leine Gottesläfterung finden, wenn Spinoza
das felbftftändige Weſen eine niht:vorüäberges
heube, fondern bie bleibende Immanente
Urſache aller Dinge nennet *)?
Phtlolaus. Mie könnte ich fie finden, da
ſich gegentheils, auch nad, den angenommenen For⸗
meln, bei Bott als einer vorübergehenden
Urſache ber Dinge nichts denken läßt. Wie und
wann und wen gehet er vorüber? Ein Gefhöpf-
ohne des Scaffenden Beiftend iſt nichts ;. pn
wie kann ber vorübergehen, ber Teinen abgeſchloſ⸗
fenen Ort hat, keinen Ort raͤumet, In dem keine
Abwechſelung und Veraͤnderung ſeyn kann? — _
Theophron. Aber wie? wenn Gott „außer
der Belt’’ wohnte? |
Philolaus. Was ift ein Ort außer der Welt?
Sie felbft und Raum und Seit in ihr, durch wel-
he wir die Dinge meflen und zählen, find ia allein
*) Prop. 18. verglichen mit Ep. sı. „In Gott, fane ich
mit Paulus, vieleicht auch mit allen alten Philoſo⸗
phen (obgleich auf andre Weiſe); und Ich möchte fügen,
auch mit allen alten Hebräern ıfodiel fich aus einigen,
obwohl fchr verküümmelten Traditionen muthmaßen
läßt): in Bott weht und ift Alle. Glauben aber
Einige, dieß gehe darauf hinaus, daß Bott und die
Natur (unter der fie fich eine gewiſſe Maſſe oder fürs
yerliche Materie denken) Eins und daſſelbe fen, ſo
verfehlen fie ganz ded Weges. Opp. posih. p- Ag,
188
durch ihn, den Unenblichen, denkbar, daRumit- bei-
Dingen ſelbſt Wo und Wenn, db. k. das Muß
und ben Zuſammenhang ihrer Kräfte: feßzt, bes
grenzt, ordnet. , j
Theophron. Ste gerathen alſo auch nicht in
das Labyrinth von Fragen:
„Wie Gott die Ewigkeit einſt einſam durchgedacht?
Warum jest und nicht eh er eine Welt gemacht?“
Diver:
— „wWie fid) die weiten Kretfe
Der anfangstofen Dau’r geheinmt in ihrer Reifer
Wir ewig ward zus Beit und wieber-Beiten Fluß
Ins Mer der Ewigkeit fid, einſt verlleren muß?“ u.f.:
Philolaus. Sch ſetze nicht hinzu:
„Das ſoll ich nicht verſtehn und Fein Geſchöpfe fragen;
Es möge ſich mein Feind mit ſolchem Vorwitz plagen”
Denn auch meinem Feinde wuͤnſchte ich dergleichen
NPyhantome ber Einbildungẽtraft als einen unergeänd:
lichen Gegenftand bes: Wiffens nit. Gott durch⸗
dachte Feine. Ewigkeit einſam: es mar fein Jetzt und
Tein Ehe, eb eine Welt war: eine anfangslofe Dauer
iR keine Ewigkeit Gottes, und in. diefer gibte Leine
Reife: Das Emig kann fo wenig. zur Seit, als die
Bett zur Ewigkeit ober: das Endliche zum: Imendtichen
werben. 0
| Theophron. Das haben Ste doc nicht erſt
aus Spinoza ‚gelernet? IJ
Pharͤlolaus. Vielmehr freute es mich, daß
er die gewöhnlichen, ganz unphilo ſophiſchen Verwir⸗
zungen: heiruͤber ſtrenge voruͤbergegangen wer; und
J
16083
2 vnd 4}. 2.172 wirds Endiss-tmhefitiniate,
das Dark ſich Uneridliche · Hichſtbeſtimmte gemwie:
untorſchiod ). Exwtgleit im polen: She bed’
Worts kann durch koine Zeit⸗Dauer erblärt werben,
goſetzt, dahin Hefe auch endlos (indefinite) au⸗
naͤhme. Dauer iſt eine unbefilumnse Fortſetzung
des Dafevns, die: ſchon in jedem Moment ein Maß
dee Vergaͤnglichkeit, des Zuluͤnftigen wie bes Were
gangenen, mit! ſich fuͤhretr. Dem Umvergaͤnglichen,
durch She! Umveraͤnderlichen kann fie: fo wenig zuge⸗
farteben werben, daß vielmehr fen: reiner Bi⸗
griff nie dieſer zugemiſchteu pPhantaſte
v
Dheophron⸗ Die Welt ſt alſd ug
ut sleiä eig? ⸗ꝰ on
DHtlolans: Wie Tann fie dieß ſeyn, da fie
er, d. 1. ein Spyſtem det Dauer zu: md nad
ehrander geordneter Dinge iſt, deven: teinem das
abſolute Daſeyn ober bie unwandelbare Ewigkeit:
ohne Maß und Zeitendauer zubemmme?
x) we. Epiat 19. „Maß / Zahl und Zeit ſind nichts als
Denk » oder vielmehr Imaginationsweiſen. Daher.
alte, die durch Ähnliche, überdem übelverfiandene No⸗
tionen den Zortfchritt der Natur haben verſtehen
wotten, fich fo wunderbar verwirret Haben. Denn de
es vielt Begriffe gibt, bie wir nicht durch Imaginatlon⸗
fordern durch ben Verſtand allein. erreichen/ 8. B.
Subſtanz, Ewigkeit u. f.; fo thäte dar, der diete Ne
griffe, durch jene Hülfsmittel der Imogination erfiäs
ren wollte, nichts weiter, als daß er fih Muhe
Fa eher hattet zu var“ Op. Povib.
\
140°
Theophron. Alſo machts Ihnen auch Feine
Verwirrung ber Begriffe, ba bie ewige Macht
Gottes (in unferer gewohnten Sprache zu reden).
fhaffer, Ihuf und Ihaffen werbe, und doch
keinem ber Gefchöpfe, auch ihrem ganzen Spitem
nicht, feine Ewigkeit zukommt?
Philolaus. Die ewige Macht Gottes ſchaf⸗
fet, ſchuf und wird ſchaffen, weil fie, bie ewig=
wirkende Macht, nie müßig iſt und nie müßig ſeyn
Tonnte; des Geſchaffenen Dafeyn beruhet nur, wie.
fein Name felbft fagt, auf einer Folge, und bat mit
allen feines Gleichen das Zeitenmaß der Werände-
rung in fih, Alſo auch eine Immerhin fortgefeßte.
WBeltfhöpfung wird durch diefe Fortfeßung nie ewig.
Ihr Maß iſt endlos; aber nur In Gedanken bee
Meffenden Ift und wird diefes Endloſen Map. Dieß
alles begreife ich leicht; ich Habe aber einen andern
Zweifel, den ich gelöfet wuͤnſchte. Er betrifft die
Eigenfhaften diefes unendlichen, ewigen Got⸗
tes bei Spinoza. Wie konnte Er, ber Seit unb
Ewigkeit fo richtig unterfcheidet, auf der andern
Seite ſo unzufammenhängend fepn, daß er ‚Die
Ausdehnung zur Cigenfhaft ®ottes
macht?’ Verhaͤlt fi der Raum nicht wie die Zeit?
Iſt nun jene mit dem Begriff des Ewigen ganz un-
vergleichbar: fo iſt auch Ausdehnung, (Ertenfion)
mit dem Begriff einer untheilbaren Subſtanz, bie
Spinoza mit felfenfefter Stärfe annimmt *), gleikh-
falls unvereinbar. nn
“
*) Rein Attribut der Guben kann wahrbaft gedacht
Werden, aus welchem folge: die Eubſtanz jen theilbar.
241
Theophron. Ihre Bemerkung it wahr: fes
gen Sie aber au, wo Spinoza biefen Ausbend
waͤhlet. Bedient er fih feiner In feiner reinen
Theorie von Gott?
. Phllolans. Sonderbar! Er braucht ihn
nur, wenn er bie Seele von ber Materie, d. i.
das Dentende vom Ausgedehnten unterfcheibet *).
Theophron. Iſt num Anddehnung und Ma⸗
terie Einerlei? Sehen Sie da den Carteſiſchen Fehl⸗
ausdruck, deu unfer Autor in der Sprache feiner Zeit
nicht wohl umgehen Tonnte, und ber für Diele bie
Hälfte feines Syſtems verbunfelt. Des⸗Cartes hatte
die Materie duch Ausdehnung erklärt, und
man koͤnnte fie eben fo wohl durch Zeit erklären:
denn jene wie biefe find Maße Ihres Daſeyns mit
andern und nach einander. Run mögen beide Maße
unumgänglichinsthwendig für jeden denkenden Geiſt
feyn, der feibft buch. Ort und Zeit befchräntt iſt;
das Wefen bir Materie aber werben fie durch bieſe
aufere Dentart nie. Spinoza ſahe das Unhinrei⸗
gende biefer Carteſiſchen Erklaͤrung fo gut ale wir;
leſen Sie feine Briefe “), Wenn er alfo in feiner
Ethie. prop. XI. „Die wzlolut· unendliche Sudan‘ ik
unthrilbar.“ prop. XII,
*) Im ⸗ten Theil dee Ethik de muate.,
”*) Br, 69. 70. 71. 72. Ausbruickuch ſagt er in dieſen
Briefen: „daß von Des⸗Cartes die Materie durch
Ausdehnung übel definiert. worden, daß aus der Aus⸗
Tehnung die Varietät dev Körper nicht zu erklären
ſey,“ und nehet fo weit, daß er die Kartefifhen Na⸗
turpeineir’'en nicht nur unnüs, fondern ungereimt
' mennet. Opp. pöeth. p. 596. ag.
. 12
ethundie Mebenn see rat Ausdehnung,
du unit Dias geicharitand annahen, aud fie akaaın
sun, uugleichartigen Dinge, dem Gebanfen, -gagen-
über ftellte, fo wußte ex felbft, daß zu Exkdeumg
des Weſens der Ringer dieß kein ausdruccender
Begriff ſey. Ehen ſo wußte en und miederholess,
‚daß. Sedenbe und Ancdehnang nichts mit einander
zIn ſchaffen haben; er tadelt Des⸗Fartes, Daß er
von der Arbeldruſe hinaus des Kurper bewegen, die
Afferten baͤndigen wollr. U. f. Im war Nas:
Sehnung ein reiner Verſtasdesbagriff, ‚untichlher
in ſich, nur duuch Hilfämitsel dev Imaginetion geile
bar. Den Panbt alfo, warm gerade nur dleſe
: Velden Begriffe, Aucdehnung und Gebaunke, bie
‚wa Ctgeuſchaften ſaven, dahurch ſich unter maud⸗
‚len audern Eigenſchaſten, bie: alleſammt eine
hoͤchſte Mealttaͤt ausdruͤcken, der Unendliche und of⸗
fenbart Habe 7 Hek Sptudza umerdetent ,- fo ‚oft er
deßhalb beftagt warde. Mas if ıin der Ausbeh⸗
‚nung: für Realltaͤt, uecun wir: a weh ecdlas,
dei. ſo unbefimntsutsgefeikt,: wie eiar imamehin
fortwaͤhrende Dauer annehmen ? Obae efen, ‚die
wirkende Kräfte iſt nichts in Ihr; nur für finufiche
Seſchoͤpfe iſt ſie dası Maß einer Welt, eines Ne-
beneinanderſeyns mehrerer: Geschöpfe. Hum Ab ſo⸗
Int = Unendlichen: gehört flosustehti, ‚fonMieufle auch
Bohne: inaere wefentllche Wolllommenheit ſeines Da⸗
ſeyne ausdruͤttt das keinen, A ar HIHE einen
— Dem be te, v e, allo auch möcht
eine endlofe
Phi —— Fi eher. Theophron verja⸗
gen Sie mir einen widrigen Nebels-denmäsefer un⸗
23 ® . \
sehlshmmbgchnbnde Bait, wie oma da Beit
des Spinoga zu nennen :pflgake., war mir 44u3
ud enlher
0
TDheophron. Dem hellen Weltweifen Spi⸗
noza war er ed eben ſo ſehr. Nicht Gott nennet er -
ein Ertenfum, (defien Untheitbarkeit er vielmehr
firenge behauptet,) ſondern die Koͤrperwelt (res
'eıtensas) nannte er „ein Attribut, das ein Unend⸗
Uiches feines Serbftbeftehenden, mie bie Ge⸗
dantenwelt von Ihm rin andres Unendtiches aus⸗
druͤckt.“ Groͤbere Formeln, phantafliſche Bilber
vernichten ſeinen Begriff ganz.
Yhilalaud. Mi wundert, daß ich dieß un⸗
bemertkt lieh, da fe klare Stellen ſeiner Briefe dar⸗
anf weiten. Das fabe Ich wotzl, daß Spinoza ber
Theliung eines unendlich = ausgebehuten und bad
einachen Weſens durch die Verkellung: bes watbe-
matiſchen Namms ertmeichen wollte, in welchem
ua mathecnatiſchon Linfen und Flaͤhen leine phoſi⸗
tem Körper worden. Da nun der wathematiſche
Zemı auch :ume. ein Ahfiwaktıma der Einbildungs⸗
Iraft, eine Behlagung der Wahnkeiten iſt, die nicht
andere als im Damm gehacht werden Innen: ſo
Tann nach, menn Eipiuega ihn der Materie gleich
zu /achten ſcheint, und: ihn ein Attribut Gottes
nennet, unsicher Ausſunft ſeyn, durch welche phy⸗
ſiſche, d. tr’ wirtlihe Koͤrper im ihrer Varietaͤt er⸗
Hört werben ſollen; und da iſt er, nah Spinoza
ſelbſt, Teine Auskunft. Ich wollte, der Weltweife
‚hätte einen Aus druck vermieden, der yon. ben Mei-
ſten grob gemißbraucht werden iſt, anders aber,
m
“
144
wie Ste mit Recht fagen, die Hälfte feines fo duvch⸗
dachten Syſtems verbuntelt.
. Theophron. Wörter, m. Fr., ‚gelten wie
Münzen. Spinoza's ober vielmehr Des = Eartes
Zeit war bie Zeit ber Meßkunſt, aber bie Kindheit
der Naturkunde, ohne welche bie Metaphyſik Luft
fchlöffer banet._ Des⸗Cartes felbft bauete dergletz
den, denen Spinoza, wie mehrere Stellen zeigen,
‚genau Ihren Werth zu gebeu wußte. Je mehr man
feitbem die Materie der Körper phyfifch unterſucht
‚hat, deſto mehr entdedte man In ihr wirkende, ein⸗
ander gegenwirkende Kräfte, und verließ bie leere
Definition der Ausbehnung. Schon Leibnitz, In
deſſen Geiſt fih aus allen Naturreihen und Wiſſen⸗
ſchaften fruchtbare Begriffe gefellten, drang barauf,
daß man auch im Begriff der Körper nothwendig zu⸗
letzt auf einfache Subſtanzen kommen mäfle, von
denen er unter bem Kamen wefentliher Eins
heiten, d. i. der Monaben manches erzählte.
Leider aber, ba ber lebhafte Verftand biefes Manz.
nes alles fo gern als Dichtung vorteug, wurben
diefe feine Monaden, deren Sinn Wolf felbft nur
theilweife aufnahm, bald nur als ein winiges Maͤhr⸗
hen betrachtet. Der Mathematiter Boskowich
ift, obwohl nur von einer ganz andern Seite, auf
‘eben dergleichen untheilbare wirkende Eleimente ge-
tommen, ohne welche fi, wie er glaubte, die Na⸗
tur ber Körper nicht erklären laſſe); die Chemiker
wählen
*) Boscowich Philosophiae natur, theoria redacta ad
unieam legem virium in siatura exsistentium. Vienm, ,
* 1760.
285 | —
Ka ee — er ;
Feen wiebetum eine audze Sprache. Faut Ihnen
‚Nusdrud bei, der dem fmeoffen Iterfdiehe
sulihen elft und Materle/ dem Earteſiſhen Dualis:
mus entwelcht, und prägnanter als bas leere Wort
Ausbehnmung oder als dag grobe Wert Braterte
die Natur ber ‚Körper bezeihwet? en
Dhilolans. Ich müßte keins, als segant:
he Kräfte Dadurch, bänkt weich, bekäme
Spinszad Spitem felbit eine: ſchoͤnere Enheit.
Denn feine Gottheit unendliche Eigenſchafter ie
fh faßt , deren jede ein ewiges und unendliches
Befen auf unendlich = verſchledene Weiſe ausdruͤdt:
“0 haben wir nicht mehr zo Elgeuſchaften des
Denkens und der Ausdehnung zu ſetzen, die nichts
mit einander gemein hätten: wir laffen das anpafe-
ſende Wort Eigenfhaft (Attribut). meg-und feri
sen dafür, daß fich die Gottheit 4n unewdr
Uchen Kräften auf unendlihe Wellen,
9. organic offenbare. Sofort bieibt une
u aicht mehr ber hinderliche Riegel vorgefpoben:
„in welchen Eigenfhaften, «ußer dem Gebauten
und der — — ſich die Gottheit andem Welt:
ſpſlemen offenbare?” ba fie doch, unſerm Welt:
neifen aufolge, unendliche dergieichen ihr Weſen
ausdruͤckende Eigenheiten befinen foll, von wrichen
er und teine, ae biefe zwei zu nennen wußte. In
allen Welten offenbart fich die Gottheit organifchr
d. & durch wirkende Kraite. Diefe Wefen = muss
druckende Unendlichkeit her Kräfte Gottes hat durch⸗
aus keine Grenzen, obwohl fie allenthalben denſel⸗
ben Gott offenbaret. Kein Weltfoften barf das
andre neidend befragen: „wie fi) denn In ihm die
‚Feed Werte Phil. u. Sepp IX. 40
146
Gottheit dargeftelt habe?’ Ueberall iſt's wie bier;
überall koͤnnen nur organifhe Kräfte wirken, untr
jede derſelben macht une Eigenfchaften einer unenb=
lihen Macht kenntlich.
Theophron. Wohl! Philolaus. Dieb teiffe
in ben Mittelpuntt des Spinoziſchen Lehrgebaͤundes.
- Macht iſt ihm Weſenheit; alle Attribute und Mo⸗
difikationen derfeiben find Ihm ausgedruͤckt⸗ da r⸗
geſtellte, wirkliche und wirtfeme Chi
tigkeiten. In der Gelfterwelt- iſt's der Ge—
danke, in der Koͤrperwelt die Bewegung; ich
wüßte nicht, unter welches Hauptwort beide fi fo
ungezwungen faflen lleßen, als unter ben Begriff
Kraft, Macht, Organ, von benen jede Thaͤtig⸗
keit in der Körper= und Geiſterwelt ausgeht. Mit
dem Wort organiſche Kräfte bezeichnet man
das Innen und Außen, dad Geiſtige und Körpers
bafte zugleih: denn wie Keine Kraft ohne Organ
At, fo iſt umd wirkt kein Geiſt ohne Körber. Es
ift Indeffen auch nur Ausbrnd: denn wirverftehen
nicht was Kraft iſt, wollen auch das Wort Körper
damit nicht erklärt haben.
Philolaus. In Anfehung des Innern Zu⸗
fammenhanges der Welt gibt ung, duͤnkt mich, ber
Ausdruck fchöne Folgen. Nicht duch Raum und
Zeit allein, als durch bloß äußere Maße ber Dinge,
ift fie verbinden; fie iſt's durch Ihr eigenfliches We⸗
fen, durch das Principlum ihrer Eriftenz ſelbſt, be
allenthalben in ihr und zwar im innigſten Zufam⸗
menhauge aur organifhe Kräfte wirtn. Im
der- Weit, die wir kennen, ſteht die Denkkraft BR
an; ihr folgen Millionen andee Empfindangs⸗ und
147
Wirkungskraͤfte, und Cr, der Selbſtſtaͤndige, er iſt
im hoͤchſten, einzigen Verſtande des Worts, Kraft,
d. i. die Urkraft aller Kräfte, Organ aller Organe,
Dh’ Ihn iſt Feines berfelben denkbar, ohn' ihn wirft
keine der Kräfte, und alle im innigſten Zuſammen⸗
Hange brüden in jeder Beſchraͤnkuug, Form und Er⸗
9 Ihn aus, ben Selbfiftändigen, bie
ur- und Allkraft, durch welche auch fie beſtehen
: Sheophrom. Mich freut’, Philolaus, daß
Sie diefe Idee fo rein aufnehmen und fo reich an⸗
wenden. Auch dem Ausdruck nach tritt das Syſtem
unfres Philoſophen beinahe ſchon bamit in das Licht
einer tabellofen Einheit, bie ihm das anftößige Wort
Ausbehnung raubte; bemerken Sie ans dem von
Ihnen gegebenen Geſichtspuntte nicht noch aubere
Y sichten?
Philolaus, Eine Reihe anderer. Alle ans
Aöfigen Ausdräde z. B. fallen weg, wie Gott, nad
biefem ober nach einem andern. Spſtem, auf und
durch die tobte Materie wirke. Sie iſt nicht tobt,
ſondern fie lebet: denn in ihre wirken, ihren innern
und Aufern Organen gemäß, lebendige mannigfal-
tige Kräfte. Je mehr wir bie Materie kennen ler:
nen, befto mehrere derfeiben entdeden wir In ihr,
fo, baß der leere Begriff einer todten Ausdehnung
bei ihr voͤllig verſchwindet. In unfern Seiten, wie
zahlreiche, verihiedene Kräfte hat man in der Luft
entdeckt? was hat die nenere Chemie In den Koͤr⸗
pern für manderlei Energieen der Anziehung; Bin⸗
dung, Aufloͤſung, Surkditoßung gefunden? Ehe die
magnetiſche, che bie eleftrifhe Kraft eutdet war,
-
N.
"148
wer Härte fe in ben Körpern vermuthete wie age
loſe andre mögen in tguen wich uuentbedt ſchlufen
Es iſt Schade, daß ein denſender Seiſt, wie ps
— fo früte von waferue Schauplatz Gkiawen
e.
Theophron. Mund wie dien Auweg, m;
Fe., und etieben wit, was der forfchenden Made
weit aufbrhalten bleibe; wenig, enk wir, ſolaugt
wir da find, bie Gegenwart und Wirkung ber Gets
heit erkennen, wo und wie Mb ums dleſelbe öffen-
bare Gpiasga fast; daß jede Eigenſchaft; oder
wie win's nanaten, jede in deer Schoͤpſegz offenbarte
Sraft Gottes ein Unendliches aus draͤct; ie verſtre
hen Sie bas7 da jeder Theil der Wit ſeine Sthru⸗
ben hat, nicht bloß nach Ort und Feit, fondern uch
feibft zufolge der ihm ein wohnenden Eaergkeen.
Dhilolans. Sind nicht Raum undrit bleſe
graßen Sedankenbiider; endios? welcht mizaͤhlbare
Menge wörtkiiger Kruͤftr und Torten una ig Ar
ihnen offenbaren? Und da warb Ort und Belt, ge⸗
ſchweige den wirkenden Kräften ſribſt nach, ketue
zwei Erſcheinungen dieſelben feyn koͤnnen? welthe
uUaendlichteit eutſpringt wis dieſem Immer neh My
verjängenden Quell goͤttlicher Schoͤnheit! Sehen
Sie hinans gen Himmel, nah jenen Milhatraßen
yon Somen und Welten. Mit ſelnen Spiegelglaſe
entdeckt der Columbus unſerer Notton vielleſcht ebea
jeht neue Heere derſelben in einem lehnen, unſern
Augen unfihtbaren Nebelwoͤtkchen. In wie mert⸗
wuͤrdtigen Seiten keben wir, da merhoͤrte, kanin ges
abnete Offenburungen Gottes vom Himmel nieder⸗
Reim! jede detfeiben ur net aersdrttud Die
Felt. had: iefans, dad elle biefe Mückter
Mif ver: Schafft und haͤlt nud tudger.
m Unendligen iſt der Unendliche: Einer. und ewig.
m Darfteften, im Seyn, im Erhalten und Schaflen
nur Einer,
Zaumex- fid gleich und unendlich. Wie ewige Eäuten,
ſo ſtehen
of
Auſt hin Welebe; hie er: fh achte: ſo wie er: fir dachtæ.
Wit aus ihnan Ypränperung und bleibt, in innen, de
a 1777
Theophron. Vortrefflich, mein werther
Dbilolaus,. Mit dem legten Zuge haben: Sie zu:
glelch das Unendliche angedeutet, das in jeder
Naturkraft ſelbſt, auch ohne Ruͤeſicht ihrer
Berbindung in einem endloſen Raum, in einer end⸗
Infen Zeit bleibend wohnet. Erwaͤgen Sie die in⸗
nere Fülle der Kraft, die in jedem lebendigen We⸗
fen wirket, wie es durch eine ihm eingenflanzte
ſtile Energie entſtehen, und ſich nicht: anders ale
duch Wer erhalten und fortpflangen konnte. =_
fragten Sie bie Kräfte, bie Im Ban eines Thiers
fo. verfchwiggen wirken. Mit welher Macht Hängen
feine Theile zufammen ! Mei ein Mader - und
Triebwert gehört dazu, daß es fih bewege, ſich
feinen Lebensſaft bereite, alle bie Handlungen and-
übe, dazn es beftimmt. ift, endlich daß es aus fel-
ner Natur alelartige Weſen, Bilder feiner feibft,
lebend und wirkend, mir gleicher Kraft bear, nach
2) u Ang ufr Henninge —R Ver mchen⸗
openhagen ii.
Ex
"150
‚gleicher Anlage gebildet, hervorbringe, erzeuge;
In der Generation allein Liegt ein Wunder ber
Schöpfung, d. 8. einer eingepflanzten, einmwohnen= -
den Macht der Gottheit, die fih, wenn ich fo kuͤhn
reden darf, in das Werfen jeder Organifation glelch⸗
ſam ſelbſt befchränkt hat, umd in biefem Werfen,
nach ewigen Gefeßen, unverrüdt und unmwandelbar,
wie allenthalben die Gottheit allein wirken Tann,
wirket. In der Materie, die wir tobt nennen,
Streben auf jedem Punkt nicht minder und nicht klei⸗
nere göttliche Kräfte: wir find mit Allmacht umge:
ben, wir fhwimmen in einem Ocean der Mad,
fo, daß jenes alte Gleichniß immer und überall wahr
bleibet: „die Gottheit fey ein Kreis, deſſen Mit⸗
telpunft allenthalben, deffen Umkreis nirgend If,“
weil weder im Raum noch in ber Zeit, als In bie
Ben Bildern unferer Einbildungskraft, die Elubil⸗
dungsfraft irgend ein Ende findet. Mich duͤnkt,
der Ausdrud des Spinoza fey glüdlih, daß bie
Zeit nur ein fombolifhes Bild der
Ewigkeit fey; ich wolte mit- Ihnen, Daß er
den Raum auch als ein ſolches, ale das ſym⸗
bolifhe Bild der abfoluten Unendlich⸗
fett des Untheilbaren bdargeftellt hätte, wie
er fich Ihn dachte. Nicht etwa nur- für ung iſt das
Weſen des Ewigen unausmeßbar; es iſt an ſich
feines Maßes fähig; In jedem Punkt feiner Wir:
fung, der nur für ung ein Punkt iſt, trägt es feine
Unendlichkeit In fi. |
Philolaus. Ich befürdte, m. $r., daß We⸗
nige diefen Unterſchled des durch ſich ſelbſt Unemd-
lichen und des duch Raum und Zeit in der Ein:
" 151
vudungskraft gedachten Endlofen faflen werben,
anf welchem doch Spinoza's ganzes Syſtem ruhet *).
Als eingeſchraͤnkte Weſen ſchwimmen wir im Raum
und in der Zeit; wir zaͤhlen und meſſen alles mit
ihrem Maß, und ſteigen mit Muͤhe von Bildern der
Einbildungskraft zu dem Begriff, der alles Raum⸗
und Zeitenmaß ausſchließt. Haͤtte man dieſen Un⸗
terſchied gefaßt; gewiß man haͤtte nicht ſo viel von
dem weltlichen und außerweltlichen Gott geredet,
noch weniger wuͤrde man den Spinoza je beſchuldigt
haben, daß ex ſeinen Gott In die Welt einſchließe
ud mit derſelben identificire. Sein unendil-
ches, hoͤchſt⸗ wirklihes Weſen iſt fo wenig die Welt
ſelbſt, als das Abfolnte der Vernunft und das
Endlofe der Einblldungskraft Eins find: kein Theil
der Welt kann alfo auch ein Theil Gottes Teynt
denn das höchfte Weſen iſt feinem erften Begriff
nach untheilbar. Deutlich .Tehe ich jetzt, daß man
unferm Phlloſophen den Pantheismus eben fo un-
recht Schuld gegeben habe, als den Atheldmus,
„Ale Dinge, faat er, find Modifikationen, oder wie
er es fonft unanftöpiger nennt, thätige Ausdruͤcke
der göttlihen Kraft, Darftellungen einer der
Belt einwohnenden ewigen Wirkung Gottes; nicht
aber find fie zertrennliche Theile eines völlig untheil⸗
baren Einzigen Dafeynd.”
Theophron. Läugnen wollen wir's indeſſen
nicht, Phllolans, daß manche Ausdruͤcke Spinoza's
feinen Gegnern, die nur bei Ausdruͤcken ſtehen blie⸗
9,68. feinen merkordigen 20hen Br. Opp. posth. p.
- 152
"ben und ſolche burch andre feiner beutlichften Gri
fähe zu erklären nicht Kuft hatten, zu Mifver
niſſen Aula geben onnten. Auf eine Ihm. eigen:
thuͤmliche Bedeutung des Worts Suhftany hait
er fein Sritem angelegt, und da er diefer eben fü
ungewöhnliche Bebentungen ber Worte U ttr£b
Modifikation n. f. beifigte, auch die 9
Erklaͤrung der Materie als Ausdehnung beibe
fo mußte er, bem gröfejten Theil feine Spftems
Den Irtthum ae,
nad, harte Ausbrüde wählen. thum abe
daß er das Weſen Gottes und der Welt verwirn
habe, hätte man ihm am wenigſten aufbürben follen:
viele feiner Theoreme werden eben befwegen un:
bequem, weil er das Wefen Gottes und der el
ie Immer unterfcheiben will und nicht genug wieder-
holen kann „Gott unter folcher Modifiation, unter
olchem Attribut betrachtet.” Mer tft, ber ben
egräif der naturirenden und naturirten
Nat ur mehr ald Er unterfcheibet? — Den leſch⸗
teren Zufammenhang philofophffcher Wahrheiten
fordern stüklihe Mortlombinationen, und Leip-
nt, dieſer Proteus der Wiffenfchaft, ein vor MI:
Konen andern leichte verbindender Kopf, Er behaͤlt
das Verdlenſt, chen nach fo manchen unbequeme
Darſtellungsarten der Scholaſtiker, des Des: z,
Spineza, Hobbes u. a. viel zu dlefen (efhtern Su-
ſammenhange beigetragen zu haben, Eine glüdlihe
Leichtigkeit mannichfaltiger Verbindungen ‚war, wie
mich dänft, Leidnigeng alänzendeg Talent; in feinen
unbedeutendſten Auffägen Hat er oft Samenf er
hingeworfen, bie lange noch nicht alle aufgenonmmen,
sehöiwelge denn gut Ernte gebiehen Thiß, Ihin
153
feibik raue bie 2 — nen, Reichthym gan —*
Ben, weil er mit zu vielem E mar,
ouletzt * Tod Dr —* Ki
Dhllolane. Sir ſarlehen unfer n
Y Hofophen unter andern bag Bene * dr
zuerſt geweſen, ber beim Begriff non ber Mate⸗
e den Grund Ihrer Erfcheinung * at erlelhe
abfonach, in die Metaphufif eingeführt habe;
jeffte nad, Ein —5— 5 ſeine zwar ſRunrel⸗
e, aber, wie mih duͤnkt, zu meit arfrichene
Ze. der Porn Are u ande
Seefen und Koͤrpern, We he wie
ii Hirn, amar übereloftten mind, aber ynab-
lg von einander fielen“ — — ſeyn?
ſeine Materie von Inwaterlellen Sräften
—— melde jede ‚hüheze Art
zieller Sröfte wirlen mag und kann, fo heflätigte
—— Pr “ Ef der fear te —39 ẽ nfluß
enthalben. die Natur zeigt 8 |
nad keine willtuͤrliche Hypotheſ * N
chen - auf. feinem Spſſem in einer —— aften Por⸗
ſtelunggweiſe. Die ganze Melt Gottes mird eip
ei a Kräfte, deren Feine obne RPer⸗
Inbung mit andern Ik, weil chen nur aus dieſer
und gegenſeitigen Mirkung ibrer allgr
se er einungen und Meränberungen her Welt
werben. Und mit wie weniger Anfpferung hätte
Leibnis dieſen Schritt thun mögen! da feine
praͤſtabilirte Harmonie eigentlich doch ſchen im Carte⸗
ſianiomus Tag, der jene Abſchichtung der Geiſter
—— Kr J— von der wit het ern, Man auf
h
158
Theophron. Und wie, wenn eben biefe Naͤ⸗
de des Sarteflantemus unfern Leibnis wie ben Spi⸗
noza am vollen Gebrauch feiner beflern Erklärung
gehindert hätte? denn bas iſt das Schickſal auch bes
fruchtbarſten menfchlichen Geiſtes, daß er, mit Ort
und Zeit umfangen, in gewiffen Ideen gleichſam auf-
waͤchſt, und fich nachher nicht ohne Mühe von ihnen
zu trennen vermag. Leibnitz lebte bie blübendfte
geit feines phllofophifchen Lebens, den Gedanken
nach, mehr In Frankreich als In Deutfchlend. Dort
ſtand er in fo vielen Verbindungen; von dort and
glaͤnzte fein fcharfiinniger Verſtand zuerft über En-
ropa auf. Da nun in Frankreich Des: Cartes und
Malebranche, fie mochten angenommen oder beftrit-
ten werben, im meiften Ruf ftanden: wie anders,
als daß feine Bemuͤhung vorzüglich anf biefed Feld
‘der Ehre gezogen werden mußte? Cr bildete alfo
feine Hppothefe der präftabilirten Harmonie mit ef-
ner Geſchicklichkeit aus, daß fie die Gelegenheits⸗
Urfahen des Eartefind, fo wie den unmittelbaren
poͤttlichen Einfluß des Malebranche allerdings ent-
vehrlich machen Fonnte, ob fie gleich auf bie man⸗
gelhaften Grundſaͤtze des erften Philoſophen ſelbſt
gebauet war. Leibnis ſprach fo gern nach der Faſ⸗
Tungsfraft Anderer; für fie erfand er feine finnreichen
Hypotheſen *). Als er fpäterhin durch bie Lehre
7) In schodis gallicis de syatemate harmonide praestabi-
litae agentibus, animam tanatim, ut substantiam, non
ut simul gorporis Entelechiam consideravi,. quia. hoc
ad rem, quam tunc agebam, ad explicandum nimirum
consensum inter Corpus ot, mentem mon pertinebat; ne.
\
155
der Monadologie der Metaphufil dber Körper einen
andern Weg anwied, ließ er jene Hypothefe, bie
einmal in Ruf sefommen war unb zum Ruhm feis
ned Namens viel beigetragen hatte, an ihrem Ort
ſtetzen, ober vielmehr er bog fie biefer neuen Hypo⸗
thefe fehr gefehlt an, indem er jede Seele mit eis .
nem organtichen Körper vereinigte. Blieb es gleich
keine präftabilirte Harmonie mehr zwifchen Geiſt
and Materie, fondern eine Harmonte zwiſchen hoͤ⸗
Heren und uleberen Kräften; Harmonie blieb es
Goch immer: denn wer konnte, wer Kann es erklaͤ⸗
ten, wie Kraft anf Kraft wirket ?
Phaelolaus. Sie retten. Ihren Verehrten fein;
erlauben Sie mir aber zu fagen, daß ich Im ganzen
Spinoza, In beffen Ausdräden doch Hartes genug
Aft, nichts fo Gezwungenes gefunden habe, als eben
dir präftabilirte Harmonie, bie auch Er zum Grun⸗
Theophron. Er? Wo?
Philolaus. Mich duͤnkt, allenthalben. „Seine
zwei Attribute, Deuken und Ausdehnung,
oder Bewegung ſtehen neben einander; jedes
muß für fih gedacht, keins kann aus dem andern
erklaͤrt werben; jedes durch fich aber druͤckt die Rea⸗
Heät bes Ewigen aus;“ iſt dieß nicht Harmonie?
Harmente zweier einander unmittelbarer Ausdruͤ⸗
de der hoͤchſten Realität? Da fie in biefer
Ähren ewigen Grund haben, warum follte man fe
nicht Harmonte nennen dufen?
r
que aliud a Cartesianis desiderahatar. Opp. Leihnit.
9. IL. P. 1. P. 269. - -
l
388 ;
Theonbion Präkabisirte ‚Daunente ae-
wiß nicht, ‚am wenigen in Leliyie Gimme: en
Ihe welß Spinoga'sSyitem nihts. Es Isugek Aeige
endlofe Zahl einzelner Subſtanzen, deren. Germer
nie. präftabilict wäre; mu ‚Eine Selbſteſtaͤndigkent
dennet es, bie fi auf unendliche Weife für. ans
im zwei großen Attributen ausdrac. Nach Finlunse
drikten beide Eine Weſenhelt auf: ‚ben, wie.Me.
meint, iſ Eine aus der Adern nick erftärkich
Gene Negeli wenn Zwel ia einem Butttee
Eins find, find fhe ungag rinandarıfeihf
Eins, foll hier alſo nicht Aatt finden; ‚oder keibe
Pikteihute Erlen in elnender, und winken, Am fie
Ein. Wefan auf verfchiehene Diet andbıslden, ‚Eie,
Die Materie. wurde eilt, dar Gain Materie, gar
in unfeser Baritellungsart auterihleäen; eig @inen-
lei, dem Spinoꝛa fast. antangeusehet. Mir.fohem,
bier will fein Spftem nicht erklären; es ſetzt vos
ans und nimmt an, ‚mas wir eber erklaͤrt willen
wollten, „wie mämlich. die ewige. Meonas. fkb in
Attributen ale eine DOnss, eis sine. innere
Den =. und aͤnßere Mewegimasfcaft enbare⸗ ‚Bike
Assmonie: zwiſchen die ſem Aeußern und. Inyarır eng
widelt Spiungs ut, da er fie. als Deffeihe,
alt Eins In einem verſchledenen Zwol, voraus ſeta
and. auch im Menſchen bei dar Berbinbung ‚webichen
Werte und Körper unerklaͤrt aunimmt, Mau Annte
fie wit auders als ‚eige fpmöoktfhe Antımde
nie nennen, wenn man ihr ben Nauen
geben wollte. Das Erpanfum mit allen in ihm wir⸗
{erben Kräften, der Vemegnng u, f. ware eine
ußere Darſtellung der innern ewigen Dentkraft,
137
rer us vder, erg
nennet, das Obiekt der Seele iſt; ſind wir mit
er Haru din ie wetter, Ad wir
daren )
PhUdlaus. Th höre nicht, baß wie je wel:
ter gelangen werden, ja ich fehe nicht, warum wit
welter gelangen muͤßten. Metapbyfie helßt Nach—
SHaTtt; Mie follte jene bie Phyſit verlaſſen, fie
aber immer begleiten. Allenthalben fodann bemerkt
fie, WIE Kraft ohne Organ nicht wirken, oder von und
mentgfteng uicht wahrgenommen werden Fönne, wie
allenthalben fi alfo das Aeußere zum Innern
fügen, jendd in diefem etfiheinen, dieß das Innere
ausdrüten müſſe, mit einem Mort, wie allent-
halben sich die Natur organlfire. Dies if
Sutofonnfe, die mit Weglaſſung myſtiſcher Wort-
formen ihren Weg rüſtig fortgchen, und jerie Spe-
eifatlon ergänzen batf, die felt Des = Gartes,
sum Thell in Gewande der Mathematik feibit, der
u rail i
% Nah Svinoza, fast Leifing, if die Seele nichts,
als der fich denfende Körper; der Körper nichts aid die
N Aausdehnende Seele. &. Leſſings Leben und Nach⸗
aß: 28. 2. S. 176. Genau nnd wahre „Our:
EEE IR Srisniönnr auf tie Spur vet
»ordeevenimmirin Hacmönte gefommien.’
©. 167. Aber durch welchen andern Carteßaner oder
ättern Ppiloſophen konnte er nicht darauf gekommen
feun?. Und warum durch einen ältern Philorophen?
Drückt jeine Hypotheſe, von Wittfürtickeiren aerons
Bere, eribas anders aus als Kin Sec dir Erfab⸗
vins |
—
Pd
158
wahren Phlloſophie, d. i. der Keuntntiß der Natıte,
voreilte.
Theophron. Uebereilen auch Sie fi nicht.
Dieß Gewand, mein Freund‘, war ihr nuͤtzlich, es
breitete die Sprache der Philoſophie zu einem: Abe
ent der Beobachtungen und Gedanken. Denn, for:
derte ed nicht Beftimmtheit in den Begriffen, Ge⸗
nauigfeit In den Beweiſen und Ordnung? Fteilich
konnte das Kleid nicht die Sache felbft aͤndern oder
- vertreten. Sind die Begriffe einmal willkuͤrlich er=
faßt oder unvollftändig abfteahirt: fo Hilft alle ma⸗
thematifch= reine Darftelung berfelben, In ber be-
ften methobdifchen Ordnung, nihte. Hat man an-
genommen, was man nicht annehmen follte, fo wer⸗
den bie Beweiſe Scheinbeweife, und bie ftrenge.
Form ſelbſt ein Hinderniß der Wahrheit. Mir ſa—
hen dieß an Spinoza. Mit einem willkürlich = an=
genommenen Begriff, 3. B. Subſtanz, Attribut,
Modlfication, war eine Menge anderer willfürli-
her Erklärungen eines Einen, das ſich in zwel At-
tributen darſtellt, u. f. veranlaßt, welche feine
vortreffliche funthetifche Methode nicht gut machen,
wohl aber täufchend verbergen Fonnte. In ber Kris
sit macht man die Probe, Verſe in Profe aufzuld-
fen, und nimmt den Grundſatz an, da, was in
Hofe Unſinn iſt, es auch in Werfen ſeyn muͤſſe;
mit dem mathematifchen Vortrage metaphyfifcher
Site follte man es eben fo machen. Vorausſetzun⸗
gen, behauptend= harte Ausbräde, bie in ungebun-
dener Rede den Verſtand beleidigen, Finnen durch
die geometrifche Form fo wenig gutgemacht werben,
daß man ſich eher aufgebracht fuͤhlt, wenn man
m
159
Stae der Art dem Schelnenah demonftrirt ſteht,
und ſich zuletzt orieutiren muß, wie man mit der
sefanden Vernunft daran fey. —
Philolans. Sonderbare Philoſophle, bie
ſich zu letzt orlentiret; da eben He, dem Inhalt
wie der Methode nach, vom Anfauge bis zum Ende
uns orientiren follte. Genug indeflen, daß Spk
noza weder ein Atheift noch Pantheift ift, ein drit⸗
ter harter Knoten in ihm bleibt mit noch übrig.
Theophron. Ich merke Leicht, wer er ſey;
und wie, wenn wir eben in bem harten Knoten ein.
Soldftäd finden?
. Dhllolans. Es fon mic freuen, und jede
Mühe der Auflöfung bed Knotens wird mir will.
kommen feun; aber wer, m. Fr., iſt der Verfaſſer
der — Dde,, bie Sie mir neulich mittheil⸗
ten
‚Cheophrom. ia Atheiſt, ber verbrannt:
wurde, Vanini. Noch auf dem Richtplatz hob er
einen Strohhalm auf und ſagte: „daß, wenn er
fo nugluͤcklich wäre, Feine andern Beweiſe vom Da⸗
ſeyn Gottes zu haben, als dieſen Strohhalm: fe
würde dieſer ihm genug ſeyn.“
Phillolaus. Und warb verbrannt? EEE,
fonft als Ketzer?
Theopoͤron. Ein eitler junger Mann. war
er, von vielen Fähigkeiten und vieler Ruhmſucht:
er. wollte ein Julius Caͤſar in der Philoſophie ſeyn
und ward ihr trantiges Opfer. Wie gefaͤllt Ihnen
ſeine Ode?
Philolaus. Fuͤr die Zeiten Vaninl's gefaͤllt fie
mir ſehr wohl. Der Ausdruck iſt im Latein der da⸗
*
160!
mallgen Seit und die Theorie über das bo Mt, Be:
ſen ſcholaſtiſch; der zweite Theil bes Gebihts aber
it innig und herzlich. Der Dichter, durchbrungen
von feinem Gegenftande, bietet allen Relchthum ſel⸗
ner Sprache auf, um und den Einzigen darzuftellen,
ohne beit mit nichts, durch ben wir alles find, was.
wir And, was mie —*5 — und wirken.
Theophron. So wird ihnen viellelt au
dieg Blatt mörgenfändifher Sentenzen über ba
hoͤchſte Weſen nicht mißfallen. Ste find Im a
der Sprachtn des Orlents gebacht, und Fünnen mit
anders als in folhen gelefen werben. IH Spimopa
—5 fie woͤhl; morgen ſprechen wir über Ih
we
—
—
Ernige Lauer der Morgentanber.
gu Ihm leben, weben unb ſind wir, Bor Hab
felües Geſchlects.
Paulus.
Mn Tot; fm A au gn ihm find m Dinge.
| Ihm fey Ehre in Ewigteit.
| A a us.
ich OR
item wit viel — ſo — atee
doch nicht erſchoͤpfen; der Inbegriff aller Sebanfen,
das Al tft Er.
F | Sitach.
Sm
— 161
Ihm allein kommt es zu, zu ſagen: Ich! Er,
deffen Reich ewig umd deſſen Weſen ſich ſelbſt genug
iſt. Wer außer ihm ſagt: Ich! iſt ein Teufel.
Der Sefchöpfe Eigenfchaften find alle zwiefach:
denn wie fie auf der einen Seite Macht haben: fo
haben fie auf der andern Schwachheit. Wenn fich in
einer Sache Weberfluß befindet: fo findet fi auch
Mangel bei ihr. Kenntniß und Unwiſſenhelit find
wit einander vereinigt, Kraft undb-Schwachheit, Le⸗
Ben. und Tod. Nur des Schöpfere Macht iſt ohne
Orenzen, fein Reichthum ohne Mangel, feine Wiſ⸗
ſenſchaft ohne Dunkelheit, ſein Leben ohne Tod.
Alle Dinge ſind zwiefach geſchaffen, Gott allein iſt
einzig und ewig.
Die Menſchen, o Gott, meſſen Dich nicht mit
dem Maß, mit welchem Du gemeſſen werden mußt;
sur von Deinem Weſen allein Tann Dein Weſen
begriffen werden. Denn was für ein Verhaͤltniß
kann ſeyn zwifchen dem, der ewig ift, und zwiſchen
dem, der in der Zeit gefchaffen worben? zwiſchen
ein wenig Weller und Erde, und zwiſchen dem |
Herren aller Dinge?
Die droben im Tempel feiner Herrlichteit anbe⸗
ten, geſtehen es und ſagen: „wir verehren Dich
nicht, o Gott, mit wuͤrdiger Verehrung.“ Wenn
fie den Glanz ‚feiner Schoͤnheit preiſen, ſtehen ſte
erſtaunt und klagen: „wir erkennen Dich nicht,
o GSott, mit wahrer Crfenntniß.”
Und wenn nun jemand mich um Tein Lob fragte,
Serderd Werte 3. Philoſ. u, Geſch. IX, 4
“ 162 a:
mas follte der Siuniofe vom Bildloſen fagen? Der
ziebende wird ein Opfer. des Geliebten und das
Dpfer verfiummt. —
| adi.
Ein Betrachter Gottes, ein tebliher Mann,
ſenlte das Haupt zum Buſen, und ſchlen wie unter⸗
gegangen im: Meer der Beſchauung. Als er ew⸗
porkam, redete ihn Einer feiner Vertrauten an md,
ſprach: was haſt du ſchoͤnes mitgebracht aus dem
Garten, in dem bawarel!
89% wollte Roſen brechen, autivortete er; mein
Kteid, meinen Bufen. wollte ich aufuͤllen mit ihnen,⸗
ein Geſchenk für meine Freunde; ſchon nahte ih
mich dem Bufch voll fchöner erquickender Nofen; al-
lein der. ſtarke Duft derſelben bexauſchte, uͤberwaͤl⸗
tigte mich; meiner San) entſank das Kleld uud ale
gefammelten Rofen.” ee ge age
Lantſingende Nachtigall, von der Müde Irene:
was Lebe fen? Sie .filegt hinein in die geliebte-
Flamme, ihr Fluͤgel verfenget; tobt und ſtumm ſinkt
fie darnieder. nn EEE
Jene Prahler, jene Schwäßer von Bott wien
nichts von ihm; wer ihn kennet, ſchweigt.
O Du, höher. als alle Gedanken, als alles ur⸗
theu, als jede Meinung, als jede Einbildung.
Alles, was. die Väter fasten, las und hörte ih: Ge⸗
fpräch und Leben iſt zu Ende, mad ich bin: eben, am
Anfange Deiner. Veſchreibung. — |
Sadi.
2
185 ’
Drittes Ber
bilo lia u s. Washaben Sie da. fürreine schöne
—8* vor ſich? Schoͤm wie die Liebe und eruſt wie
die Weicheit: ſie blickt zum verſchleierten Buſen
hinab ⸗ and haͤlt die Linke, als ob fie etwas an ihr
meße z. die gzemeſſen⸗ Hand: hält einen weis. Ihr
flißfes Ditt, die ſanfte Erhabenheit in ihrer ganzen
—— hezehipnen gewiß eine gluͤcbringende, gute
—— been. Es Pr die Neme ſae der Orie⸗
; in werfonlfichter Begriff, ben ich liche,
—* fie / die Dochter der⸗ Setechtigkeit: uſte mif⸗
feb mit der Rechten das Betragen und Gluͤck der
Serdlichen ab, mad Bit unparteliſch sum: Buen
biauster. Fuͤr den, ber das Maß trifft, Halt fie
den Zweig der Belbhnung.
— Hat ſie nicht fonſt ein Rab un⸗
ter ihren Fuͤßen?
Theophrvn. Sie hat's; zur Anzeige, daß
fe das Gluͤck bes Uebermuͤthigen im ſchnellen Nu,
durch bie leichteſte Berührung, frArze und ihn ver-
berbe. Bei der Blidfaͤule ließ der Kuͤnſtler dieß
Symbol weg, md gab ihr dafür den ſtillen Tritt,
die fefte Haltung, die Ste bemerkten; ımfere Neme⸗
ſis, m. Fr., ſol des fchredenden ſtuͤrzenden Rades
auch nicht: beduͤrfen. Das ernſte guͤtige Angeſicht
der Goͤttinn, ihr weiſes Maß und ber Zweig des
Gluͤckes in threr Hand find der Symbole genug, und
an die feſte Naturwahrheit zu erinnern: „daß aller
164
Beitand, alles Wohlfenn, in das Daſeyn ber Dinge
felbft nur auf Map, Proportion und Ordnung ge-
bauet feyen, und ſich buch diefe allein erhalten.’
Philolaus. Da treffen Sie, Theophron,
auf den Sas eines meiner geachtetften Phllofophen,
den ich ben Leibnitz unferer3 it nennen möchte, La m⸗
bertd. Sowohl in feinem Organon als in feiner
Architeltonik kann er nicht oft genug auf bie Wahr-
beit zurädtommen, „daß ber Beharrungszuftaud,
mithin das Weſen jedes eingeſchraͤnkten Dinges,
allenthalben auf einem Maximum berube, bei wel-
chem gegenfeltige Regeln einander einfchränten, mit⸗
bin die Beſtandheit der Dinge und ihre Innere Wahr:
heit, nebft dem Ebenmaß, der Ordnung, Schön:
beit, Güte, die ſie begleiten, auf eine Art innerer
Nothwendigkeit gegründet ſey.“ Er gibt Ih⸗
nen alfo Ihre Nemeſis, mit dem mellenden Arin
und dem Zweige In der Hand, als eine mathema⸗
tiſch⸗ phyſiſch⸗ metaphufifche Formel.
Theophron. Auch in dieſer Geſtalt habe Ich
fie lieb und, wenn fich ungleichartige Dinge verglei-
en ließen, faft noch lieber, als in welcher fie der
Köuftler bildete. Dieſer mußte fich begnügen, man⸗
cherlei Symbole zufammenzufügen; bie abftrakte
Wahrheit gibt mir folche als nothwendige Beftim-
mungen des Begriffes felbft, mithin nehmen bas
Map und der Zweig der Belohnung in ihr eine we-
fentlihere Seftalt an. Aber wo ift das Rad ber
Veraͤnderung, das der Nemeſis gehöret, In ihrer
mathematifchen Formel?
Philolaus. Der Weltweife vergaß es nicht;
er bemerkte, „daß, wenn Dinge oder Syſteme von
u N
165
Dingen In ihrem Beharrungszuſtande geftört wer⸗
- den, fie fih demfelden auf eine ober die andere
Beife wieder zu nähern trachten“ und beftimmte
die Welfen.
Theophron. Vortrefflich. Sie fehen, Phi⸗
lolaus, den Vorzug ſolcher wiſſenſchaftlichen For⸗
meln. Was der gemeine Verſtand in täglichen Er⸗
fahrungen dunkel bemerkt, bringen fie ins Licht,
führen e8 auf allgemeine Geſetze, ia wo möglich auf
Zahl und Größe zuruͤck; dadurch bekommt ihre Be⸗
hauptung einen Werth ber beftimmten Gewiß-
beit, ia einer allgemeinen Anwendung, bie man
nachher bei jedem einzelnen Gegenftande gern ver⸗
folget. Wahrſcheinlich wird es Ihr Lambert auch
{9 gemacht haben. .
Philotaus. In reihem Maße. Er wendet
das Maximum feines Beharrungszuftandes in mans
cherlei Beifpielen auf die verſchiedenſten Gegenftän-
de an, und findet es bei allen befchräntten und zu⸗
fammengefehten Spitemen der Kräfte. So hat er
in einer eigenen Abhandlung die Bewegungen bes
menſchlichen Körpers berechnet und eine Reihe von
ihren Maximis gefunden: gleichergeftalt hat er eine
Theorie der Ordnung verfuht und feinen. Behar⸗
rungszuftend auch auf Gegenftände der Schönhekt,
der Guͤte, des Nutzens anzuwenden angefangen,
Er hat mehrmals den Wunſch geäußert, daß bei
allen Syſtemen zuſainmengeſetzter, befchränfter
Kräfte diefe Regel bewiefen und angewandt wer-
den möchte. Gewiß hätte er auch felbft diefen ſei⸗
nen Lieblingsſatz noch weiter verfolgt, wenn Ihn
496
nicht. ein. fruͤhzeitiger Tab. zum Vachtheil: mehrener
Wiſſenſchaften, ‚die er anbaute, dahingeriſſen hätte.
Theophron. Sein Tod iſt zu bedauern;
aber andere Geiſter werden anbauen, was er ange:
baut zu fehen wänfhte. In der mathematifchen
Phyſik hat man- mehrere dergleichen: Geſete und
Sompenfatlonen bereits gefunden, die alle Wirur
ausſchließen, und dem denkenden Geiſt ben Hohen Be⸗
griff „Innerer Vollkommenheit, Guͤte add
Schoͤnhett in der Exiſtenz und Fortdaner
eines Dinges’’ zu feiner unbeſchreiblichen Fren⸗
de geben. Aus manchen biefer Bemerkungen hat
man freilich Anfangs zuviel fließen wollen; bag
fhabet aber der Schönheit Ihrer Erfindung nicht. |
Der Irrthum ſchleift fi ab; die Wahrheit bleibet.
Se mehr die Phyſik zunimmt: deſto weiter kommen
wir ans dem NMeich-Hihrder Macht und Willkuͤr ge
aus, in's Reich: der weifeften Nothwendigkeit, einer
in ſich Telbft- feften Gaͤte und Schoͤnhett. Zebefian-
Iofe Furcht verſchwindet, wenn der freudigklare
Silun allenthalben eine Schöpfung gewahr wird, in
deren kleinſtem Punkt der ganze Gott In Geſetzen
feiner Weisheit und. Guͤte gegenwaͤrtig iſt, und, dem
Weſen jedes Geſchoͤpfs nach, mit: feiner ungetheil⸗
ten und untheilbaren Kraft wirket. Woſbleibt 3. B.
ber leere Schrecken, daß ein Komet unfere Erbe
uͤberftuͤgeln möge, ſeitdem man den Gang dieſer
Weltkoͤrper genauer Femme, und nach beu:biäker:ge-
machten Wahrnehmungen ſelbſt bie: Fälle ‚berechnet
hat, in welchen eine ſolche Ueberſtuͤrzung zu befuͤrch⸗
- ten wire? Die Möglichkeit dieſes Unfalls wird durch
die Berechnung fo ungeheuer Hein, daß ſie, dem
—
167
Hp Verhaltniß der Kräfte ugch, durch weiche ſich
VI Weltan eryalt, beinahe zum Nichts verſchwin⸗
Det. Was hat man nicht von den Unregelmaͤpigkei⸗
ten und Ihren böfen Folgen gemähnt, in welche ſich
die’ Htenmelstörper durch Ihre: gegenfeitigen Anzbe⸗
Yungen mit der Zeit ftärzen müßten! Der leere
Sgrecen iſt duch bie Flärere Anſicht der Sache ſelbſt
v unben, da man gefunden hat, daß nach une
wandelbaren Gefetzen alle Störungen ber Planeten
periodiſch in beftimmten Bremsen enthalten find,
uud dieſe Unregelmaͤßigkeiten einander felbit com⸗
penffren; das Planetenfpftem iſt alfo beftehend,
bleibend. Wohlthaͤtige, ſchoͤne Nothwendigkeit,
unter deren uͤberallausgebreitetem Scepter wir le⸗
ben! Sie iſt ein Kind der hoͤchſten Weisheit, die
Zwillingsſchweſter der ewigen Macht, bie Mut⸗
ter aller Guͤte, Gluͤckſeligkeit, Sicherheit und Ord⸗
nung ). Wuͤßte ich ein ſchoͤneres Bild derſelben
aus dem Alterthum; bie Nemeſis ſollte dieſer hoͤ⸗
heren Adraſtea Togleich Ihren Platz einraͤumen.
Philolaus. Das alſo war dag Goldſtuͤck,
das fie mir in dem Knoten verſprachen, den ung
Spinoza mit feiner Innern Nothwendigkeit
der Natur Gottes, bie und offenbaret, ia im
and um uns wefentlich ansgedruͤckt fen in allen hoͤch⸗
*) De Kicher gehjrigen, aſtronomitoer Abbandlungen
von la Grange und Ia Place ftehen in den Denk.
ſchriften der Berliner und Patifer Akademie, Des
Nzwtons unſerer zeit, Pierre Simon la Place
Exposition du Systeme _du monde, die feitdem (1796)
erſchien, ift eine Himmelscharte die ſer weifen ewigen .
Geſepe des Weltaut, Anmerk. ber 2te Aussabe.
168
ſten Naturgeſetzen, geknuͤpft hat? Aber, Theo⸗
phron, der Knoten iſt noch nicht geloͤſet. Wie hart
redet er gegen alle Abſichten Gottes in der Schoͤ⸗
pfuag! Wie beſtimmt ſpricht er Gott den Verſtand
und Willen ab, und leitet alles, was da iſt, blos
und allein aus ſeiner unendlichen Macht ab, die er
nicht nur uͤber Verſtand und Abſichten ſetzt, ſondern
auch von denſelben trennet und unterſcheidet). Sie
wiffen, m. Fr., daß dieſe Säge unferm Philofo-
phen die eifrigften Gegner zugezogen haben 9;
ſelbſt Leibnitz, der den Spinoza ehren mußte,
hat ſich in feiner Theodicee und fonft aufs beſtimm⸗
tefte gegen fie erklärt ***). Wenn Ste dieſe fo be-
leidigenden Sie mit dem In manchem andern fo
vortrefflihen Syſtem des Spinoza vereinigen koͤn⸗
nen, fo wünfche ich mir felbft die Nemeſis zu feyn,
bie Ihnen den Zweig reiche.
Theophron. Ich wuͤnſche Ihn nur aus der
Hand der Wahrbeit: denn ich kann Ear beweifen,
theild daß Spinoza auch In diefen Sägen ‚nur deß⸗
halb anftößfg iſt, weil er in der Carteſiſchen Spra-
he fprah, und auf das beftimmtefte in ihr fprechen
wollte; theils daß man Ihn noch viel härter verftanden
bat, als er fi hart ausdruͤckte. Setzen wir ine
*) „Der wirkende Verſtand (intellectus actu), fen er end⸗
„lich oder unendlich, muß wie Wille, Liebe, Begierde
iur abgeleiteten, nicht zur bervorbringenden. Natur
„gezählt werden.’ Prop. 3ı.. „Die Natur hat keinen
nvorgefegten Endzweck; alle Endurfachen find Dich⸗
tungen der Dienfchen.”’ Prop. 36. append. u. f.
”) 6. Br. 24.235, u. f. > -
*’*) 6 in) Regifter feiner Opp. den Namen Svinoia.
*
169 ,
Ausdruͤcke des Carteſianismus In andere ung geläus
figere um, und erklären bes Spinoza Säße ber rei-
nen Grundidee zufolge, auf welche er fein ganzes
Syftem bauete: fo heilen fie fich auf; die Nebel
ziehen hinweg und Spinoza gewinnt, wie mich duͤnkt,
ſelbſt einen Schritt vor Leibnig voraus, ber vorfih-
tig, aber in diefem Stüd vielleicht zu vorſichtig, ai⸗
- fo auch nicht genmgthuend auf ihn folgte.
Philolaus. Ich bin ſehr neugierig.
Theophron. Zuerſt laͤugne ich's völlig, daß
Spinoza Gott zu einem gedankenloſen Weſen dichte;
ſchwerlich kann es einen Irrthum geben, der ſeinem
Spſtem mehr zuwider liefe als dieſer. Das Wee
ſen Gottes iſt bei ihm durchaus Wirklichkeit,
und Spinoza war ſelbſt zu ſehr ein Denker, um
wicht die Realitaͤt auch dieſer Volllommenheit, der
hoͤchſten, die wir kennen, innig zu ſchaͤtzen und zu
fühlen. Sein hoͤchſtes Weſen alſo, das alle Voll⸗
kommenheit auf die vollkommenſte Wels
ſe beſitzet, kann der vorzuͤglichſten derſelben, des
Denkens, nicht ermangeln: denn wie waͤren ſonſt,
da alles nur durch Ihn und in Ihm iſt, Gedanken
und Borftellungsarten in eingefchräntten, denkenden
Geſchoͤpfen? die, nach Spindoza's Syftem, alles
ſammt ja nur Darſtellungen und reale Folgen jenes
hoͤchſtrealen Daſeyns find, das, nach ſeiner Erklaͤ⸗
rung, allein den Namen eines Selbſtbeſtehenden
verdienet. In Gott iſt alſo, wie er oft und deut⸗
lich ſagt *),. unter unendlichen Eigerſchaften andy,
*) „Je mehr Realität oder Wirtlichteit ein Ding beſitzt,
„deſto mehr Attribute kommen ihm zu.“ Erop. 9.3
4 "170 -
die Bpltommenpeit eines unendlichen Deuteng, die
Sptnoza eben nur_ bewegen vom Verſtande und
- nGt, das ſelbſtſtändige Weſen, befkebend .in unend»
lichen Attributen, deren jedes fein unendliche ewi⸗
„ges Werfen ausdrückt, exiſtirt nothwendig. (Prop. 11.)
„Aus der Nothwendigkeit der göttlichen Natur muß
‚Unendliches auf unendliche Weſen, d; 3. Alfeß, deſſen
rein unendlicher Verſtand fähig iſt, (quae sub Intellec-
“ tum infnikam eadere possunt) folgen,“ (Prpp. 16.)
Sorte? Verſtand iſt die Urſache der Dinge, ſowobi
„bier Exriſtenz als Ihrem Weſen nachz er If alſo Kam
Berftande. aller Dinge weſentlich unterſchieden.“
‚(Prop. 18. Schol,) Gottes Eriften; und Werfen. if
„Eins und Daſſelbe.““ Prop. 20. „Auf keine andere
Weife, int Feiner andern. Ordnung haben die Dinge
hervorgebracht werben können, als fie hervorgebracht
„ſind; mithin im der größeften Votlkommenheit, weil
aſie aus der vollkommenſten Natur nothwendig fols
men. Niemand kann uns überreden, su glauben daß
Bott. nicht alles, was in feinem Verſtande iſt in der
⸗Vollkommenheit, wie er es erkennet, ſchaffen wolle,
Erop. 33. Schol. 3.) „Gedanke iſt ein Attribut Got⸗
tet, Eins feiner unendlichen Attribute, das fein
ewiges unendliche Weſen auddräckt,zr (P. 11. Prop. ı.)
In Gott iſt nothwendig eine. Idee ſomohl feines
Weſens, als alles deſſen, was aus feinem Weſen
"= sMothimendig folgt, Der Pöber verſteht unter Gottes
Macht eine freie Willkür, wir haben aber gezeigt,
vſdaßß Bott mit derfelben othwendigkeit handle, mit
srder er ſich felbft erfennet, (se ipsum intelligit)
rd. b. wie ed aus der Nothwendigkeit der göttlichen
Natur folgt, deß Gott fich felbſt erkenne, fo
«folgt auch aus ihr, dag Gott unendliches auf. unend:
0 alle. Meise, Wirte, (KfOP. 3. Sehod „Die :Sdee
248oꝛtet aus EDER anendliches uch Weiſe
-
u
271 -
Berftellumgänelicn —— Meſen ſtreng
unterfcheibet, um jene als urſpruͤnglich, ahſolnt und
einzig ja ihrer Art, ganz unvergleichbar mit dieſen,
znu bezeichnen. Sie werben fein Gleichniß hemerkt
haben, daß ſich bie. Gedanken Gottes zu menſchli⸗
chen Vorſtellungsarten wohl. kaum anders verhalten
konnten, als das Geſtirn am Himmel, dad man
den Hund:nennt, zu einem irdiſchen Hunde. —
Philolaus. Das Gleichniß hat mic mehr be⸗
troffen als: belehret
Theophron. Belehren ſollte es auch. nicht;
aber ſcharf unterſcheiden. Es zeigt, daß Spinoza
auch hier lieber zu ſcharf griff und ſich zu hart aus⸗
drädte, als daß Er, ein Elfrer für den wuͤrdigſten,
hoͤchſten Begriff von Gott, dieſen zu irgend einer
ſchwachen Vergleichung mit Verſtandesbegriffen ober
Kraͤften, denen die verſtaͤndlichen Dinge vorliegen
muͤſſen, erniedrigen wollte. Daß alle reine, wah⸗
re, vollſtaͤndige Erkenntniß auch in unferer Serie
gleihfam.nur eine Formel des göttlihen Er:
kennens ſey: das, getraue ich mir zu ſagen,
hat niemand ſtaͤrker behauptet als Spinoza, Ct
— —— —
„folgt, kann nur Eine ſeyn: denn ein unendlicher
„Merſand begreift nichts in ſich, als Gottes Autribute
„und Affectionen. Erop. 4.) „Die Ordnung und Ver⸗
„bindung feiner Ideen if die Ordnung und Verbin:
„dung der Sachen ſelbſt.“ (Prop. 7.) Bad irgend
‚vom unendlichen Verſtande gedacht werten kann ale
„confiituirend des eibſtbeſtehenden Weſens, dad allch
„gehört zum Einzigen Seibnftändigen.’’ u. f. (Erap. 7-
Schek)
. 172
ber die Natur des Goͤttlichen im Menſchen einzig
sur in biefe, Gott gleichfam ähnliche, reine, leben-
dige Erkenntniß Gottes, feiner Eigenſchaften und
Wirkungen febte.
Philolaus. Wie aber? ſollte Spinoza's un⸗
endlich⸗ denkendes Weſen nicht blos ein geſammelter
Name aller der Verſtandes- und Denkkraͤfte Tepe,
die in einzelnen Geſchoͤpfen allein wirklich ſind und
denken?
Theophron. Gott ein geſammelter Name?
das wirklichſte Weſen ein Unding, der Schatte in
der Vorſtellungsart einzelner Menſchen? oder viel⸗
mehr ein bloßes Wort, der Schall eines Namens?
Der böchft= Lebendige alfo ein Todter, der Altwirk-
Tame ein Nichts, bie Teste ſtumpfſte Wirkung
menſchlicher Kräfte? Phllolaus, wenn Ste bas aus
eigener Meinung dem Spinoza zufchreiben und das
völligfte Gegenthell feines Syſtems zu ſeinem Sy-
ftem machen können! — Doc) das Eönnen Sie nicht,
Unmöglih, daß Ste ben aud in feinen Behaup-
tungen wenigftend zufammenhängenden Weltwelfen
‚von Blatt zu Blatt, von Anfang zu Ende fo miß-
verftehen Fonnten. Wahrfcheinlich ſprachen Sie aus
dem Munde feiner Gegner im vorigen Jahrhun⸗
tt. —
Philolaus. Eifern Sie nit; Im Gefpräd
führt man bisweilen auch einen fremden Saft ein,
‚wenn er der Materie forthilft und fie durch Ge⸗
genfäpe erläutert. Fuͤr mich bin ich über Spf-
nozas Meinung hierüber durchaus nicht zweifelhaft
sewefen, feitbem ich ſeine Ethik gelefen. Wie ei⸗
fert er gegen bie, die Gott zu einem abſtrakten,
— 173 nn
tebten Conſectarium der Welt nahen wollen! da
dieſes einzige Wefen bei ihm bie Urſache alles Seyns
amd Denkens, mithin auch unferer Vernunft, jeder
Wahrheit und jeder Werbindung von Wahrheiten
it! Wie hoch hält er eine volftändige und vollkom⸗
mene Idee )! Ste tft Ihm die Erfenntniß des Ge⸗
fege der Natur, in ihnen des ewigen, göttlichen
Weſens; göttlih auch darin, daß fie die Dinge
wicht zufällig, fondern als nothwendig unter einem
Bilde der Ewigkeit denfet, und eben diefer Innern
Nothwendigkeit wegen ihrer fo gewiß tft, wie Gott
derfelben gewiß fein ann. Höher läßt fi das We⸗
fen des menfchlihen Gemuͤths, das Fraft feiner
Katur Wahrheit erfennet, und folche ald Wahrheit
liebt, fchwerlich heben; und Er, ber das Denken
fo hoch erhob, follte feinen Gott, den Urfprung,
Gegenſtand und Inbegriff aller Erkenntniß, ge⸗
dankenlos, blind wie einen- Polyphemus gedichtet
haben? Beinahe ſchaͤme ich mic, felbft vor dem Gei⸗
fie des Mannes, daß ich dieſen Antipoden- Vorwurf
gegen ihn auch nur beiläufig anführte.
Theophron. Wohlen alfo, eine unendliche,
urſpruͤngliche Denkkraft tft nach Spinoza Gott
weſentlich; über die unendliche Wirkungskraft
in ihm haben wir, dieſem Syſtem nach, niht u
zweifeln.
Phiholaus. Nein! denn auch In der ent-
fprangenen Natur tft nad Spinoza Verſtand und
Wille fogar Eins. D. i. in unferer lindern Spra⸗
*) Zeuge deſſen It Spinoza's ganze Ethik,
174
Se ein Verſtund, der das Werte ‘eläfleht, “ik
auch das Befte wollen tind, wenn er die Kraft dazu
hat, es wirfen. An ber unenblihen Macht ſel⸗
nes Gottes aber tft nicht zu zweifeln; ba eben dieſe
Macht, d. 1. Wirklichkeit und Wirtfamteit,
ihm das tft, woher er ulles leitet.
Cheophron. Was, meinen Sie, hinderte
ihn alfo, daß er die unendliche Denk⸗ und Wir⸗
kungskraft nicht verband, und In dieſer Verbindung
das nicht deutlicher ausdruͤckte, was er in ihr noth⸗
wendig finden mußte, naͤmlich: (mach unſerer Weiſe
zu reden) daß die hoͤchſte Macht nothwen
dig auch die weiſeſte Mat, mithin eine
nach innern ewigen Geſetzen geordnete,
unendliche Güte ſey? Denn eine ungeorbnete,
regelloſe, biinde Macht tft ja nie die hoͤchſte: nie
kann fie das Vorbild und’ der Inbegriff aller der
. Innern Wahrheit und Regelmaͤßligkeit feyn, bie wir,
obgleich fo eingeſchraͤnkte Weſen, nach ewigen Ge⸗
-feßen in der Schoͤpfung bemerken; wenn ſte ſelb ſt
dieſe Geſetze nicht kennet, "und ſolche wicht als ihre
ewige, : immere: Natur ausaͤbet. Von einen geord⸗
neben müßte: Die blinde Mat nothwendig übertrof-
fen werben und koͤnnte alfo nicht Bott ſeyn. —
Philolaus. Ich danke Ihnen, daß Sie: mir
auf Einmal den Schleier zerreißen, der mir, nie -
Spinsza, das. Licht nahm. In ber Earteflihen Ter⸗
minologie ſtanden Gedanke und Ausdehnung. ihn als
swei-aus einander unerklaͤrliche Attribate entgegen;
der Gedanke kann nicht durch bie Ausdehnung, bie
Ausdehnung Keane den Gedanken begrenst wer-
ben, Da er'mm bilde: als" Wigetifcikfteii Gottes,
—
/
175
eitzes mthellbaren Weſens, annahm, und keine
duch bie andere zu erklären wagte; fo mußte er
ein. drittes anneſmnen, unter welches ſich beide
fügten, und dad wat — was Fonnte es andere ſeyn?
ale Macht, d. f. wirkliche Witkfainfeit, wirkſa⸗
mes Daſeyn! Der Begriff von Macht, wie der Be⸗
griff von Materie und des Denkens — —
fallen alle drei, dieſem Syſtem ſelbſt zufolge, in
einander, b. i. in ben Begriff einer Urkraft, die
eben wohl in ber Materie, als dem’ Organ ber.
Begriffe, als im Denken felbft unendlich wirket.
Auch Macht und Gedanke werden hleinit Eins: denn
der Gedanke it Macht, und war die vollkommen⸗
ſte, ſchlechterdings unendliche Macht, eben dadurch,
daß er alles in fich iſt und hat, was jur unendli—
chen, in ſich ſelbſt gegruͤndeten, ſich ſelbſt ausdruͤ⸗
ckenden Macht gehoͤret. Der Knoten 'tft alfo geld⸗
ſet, und das Gold In demſelben liegt vor mir. Die
„ewige Urkraft,“ bie Kraft aller Kraͤfte, iſt
nur Eine; und In jeder Elgenſchaft derſelben, wie
jeihe ünfer Verſtand auch theilen möge, iſt ſie
Aeich unendlich. Nach ewigen Gefeßen Feines We:
denkt, w rt und iſt Gott das Bollfommenfte
auf jede von ihm allein’ denkbare, d. f. die vollkom⸗
menfte Weiſe. Nicht weife find feine Gedanken,
fondern die Weisheit: nicht gut allein find ſeine
Wirkungen, fonbern bie Güte: und das alles nicht
aus Zwang, nicht aus Willkuͤr, als ob auch das
Gegentheil fintt Haben Fönnte, fondern aus feiner
imern, eigen j" iin: weſentktchen Natur; aus ur-
fHränglicher, een Güte, d. Fi Thyaͤtis⸗
keit und RUHR
— 176
Sept ſehe ich auch, m. Fr., warum Spinoza
fo ſehr gegen die „End-Abſichten“ iſt und dem An⸗
Schein nach hart gegen fieredet. Ste find ihm ſchwa⸗
de Ueberlegungen und Vorftellungsar
ten, Wiltfürlihkeiten nd Velleitäten,
die z. DB. der Künftler gewollt aber auch nicht ge:
wolt haben könnte. Was Gott wirkte, darüber
durfte er nicht erft rathichlagen und wählen; die
Wirkung floß aus ber Natur des volllommenften
Weſens: fie war einzig, und außer Ihr nichts an:
ders möglich. |
Sept weiß ich, warum bie vielen Anthropopa⸗
Thieen, felbft in Leibnitz vortrefflicher Theodicee, mir
nie recht zum Herzen wollten, ob ich damals gleich
an ihre Stelle nichts befferd zu ſetzen wußte, weil
ich vor der blinden Nothwendigkeit zurädbebte. Ich
bemerke jet, daß meine Furcht vergebens war,
and daß man Feine blinde Nothwendigkeit nöthig
habe, um jene lichtuolle, wirkende Nothwendigkeit
zu verehren, die durch die Natur Ihres Weſens iſt
and denkt und will und wirket. Haben Ste die
Theodicee zur Hand, Theophron?
—Theophton. In mehr als einer Sprache;
hier aber eine Fürzere Theodicee von einem unferer
beliebteſten Dichter *).
.Philolaus.
„Die Riſſe liegen aufgeſchlagen
Die, als die Gottheit ſchuf, vor ihrem Augé lagen:
Das Reich des Möglichen ſteigt aus gewohnter
Nacht;
Die Welt verändert fi ‚mit immer neuer Pracht,
2) 15 Inrifche Gedichte, Theodicee.
* *
[4 -
s
— —
ch Kanfenb Indenpen Entwürfen,
a —— zu ſchnellem Seyn bedürfen.
Doch Dämmerung und kalte Schatten
Gehn über Welten auf, die mich entzücket hatten;
Der Schöpfer waͤhlt fie nicht: er waͤhlet unfre Zeit,
Der Ungefeuer Sig” — |
Es lt, die treue Theobicee bes Leibnis, fdöm ver:
Atfieitet; doch aber, wie mic, dünft, vom Phllofo-
„oben gedacht auf Koften rein: philofophlfcher gottes-
MWürbiger Wahrhelt. Mor Gott lagen Feine Riſſe
„aufgeiblagen; er ſaß nicht wie ein grübelnder Künft-
„Jet, Der ſich den Kopf zerbrach, entwarf, verglich,
verwarf, wählte. Kein Mei des Moͤgllchen ift
außer ber Macht und bem Willen bes Unenblichen
‚da: denn wenn Er's nicht ſchaffen wollte, nicht ſchaf—
fen konnte: fo war es nicht indglich. Keine Welt,
sasfhmeige: tunfend Welten nach lockenden Entwuͤr⸗
fen ıbla.nur. eine inte zu ihrem Daſeyn bedurft
' Hätten, und bie Gott doch nicht wählte, : konnten je
ln Gedanke Gottes. werden. Er ſpielte nicht mit
Welten, wie Atabenmit Seifenbiafen ſpielen, bis
ihre Eine gefiel.umb. eu fie vorzog.: Waren taufend
andere außer dieſer moͤglich: ſo konnte ein größerer
‚Bott ſie erſchaffen; ber. ſchwaͤchere, muͤhſam⸗ über-
Aegende ‚ward: von ihm uͤberwunden und war nicht
Gott ⸗
XSF REDEN Yemgrften Sle ee? Chen dieß
al, Pb Muh... £ ' ;
WE. Take tn u —
x, MDa kn Bas · Qigen eb: Torben eh BERN» Nach ein
Vorher uud Nachher gibt, ſo folgt aud ber bloßen
Berverd Werte ,. Philoſ. u. Geſch. IXx. 413
2 x )
\
\ 178 ..
Phtlolaus. Ich bemerkte es wohl und lefe
weiter: .
„Eh' ihn die Morgenfterne Iobten
. Und auf fein fhaffend Wort des Chaos Tiefen tobten, _
Greor der Weifelte den ausgeführten Plan — .
Die fhönen Verſe fagen baffelbe. Der Welfefte
erfor nicht, wo es keiner vorgängigen, zweifelnden
teberlegung bedurfte. Ale dieſe Gedankenreihen,
diefe Plane, biefe wechfelnden Entwürfe find mit
der vollfommenften Natur des unendlichen, unver
aͤnderlichen Geiſtes unvereinbar. Sie gehören im.
jene taube uny ſtumme Ewigkeit, bie der müßige
Spott
— — — „einſt einfam burchgebacht,
„Bis dann erft und nicht eh’ er eine Welt gemacht,“
woräber wir fhon Eins find. Deich wundert, wie
Leibnitz dergleichen Authropopathieen Raum ge⸗
ben konnte.
Theophron. Daruͤber wundern Sie ſich
nicht. Er gab ihnen in einem popularen Buch, ſei⸗
ner Theodicee, Raum, und Sie wiſſen, wozu bie
populare Vorftelungsart oft verleitet. Die vielen
und -jcheinbaren Einwürfe Bayle's zwangen ihm,
feine Gegengründe behutfam vorzutragen, nab fie
auf alle Seiten zu wenden; daher dann die Anthro⸗
Vollkommenheit Gottes, daß er ein Anderes beichlie⸗
fen, als er befchloffen hat, weder köͤnne noch sefonne
babe. Bor jeinen Beichlüſſen war ed nicht, noch ohne
diecelbe. Menderte er dieſe, fo würde er feinen Ver⸗
- Band und Willen Ändern. I i. ein anderer ot on,"
(Prop. 33, van, ® J
-
179
popathleen , ja beinahe durchgängig ein fortgefegter
feiner Anthropomorphismus, den auch ich zwar fer
mic ans diefem fhönen Buch binwegwänfcte, der
aber für Leibnigens Zeiten zu feinem Zweck noͤthig
war. Schade nur, daß feine Nachfolger nicht im⸗
mer unterfchledben, was bei ihm bloß @inkleibung
oder Accommodation war, und was firenge zu [e=
nem Spftem gehöret. So hat man 3.8. auch
Spinoza lange und oft durch Unterfcheidung ber Welt
„außer Gott und in Bott” widerlegen wollen. „In
Gott ſey die Welt ewig als Idee,“ d. i. als Seifen⸗
blafe gewefen, mit welcher er in der Einbildung
fpielte: er ergößte fih an ihr und brätete große,
große Emigkeiten hindurch das ungeborne Ei and.
Jetzt kam die Zeit; (denken Sie ſich in der Ewig⸗
teit des müßlgen Gottes bie Lange, lange Seit)
und num befchtoß er zu fchaffen. Ploͤtzlich trat bie
Welt aus Gott heraus, fie, die fo lange In Ihm
gewefen war, und jeßt tft fie immer außer dem⸗
felben; Er außer ber Welt. Im großen Nichts
der uralten, mäßigen Ewigkeit hat er fein Raͤnm⸗
chen, wo er fich ſelbſt betrachtet, und wahrſcheinlich
über das Project einer andern Welt nachſinnt. Ich
geftehe ed, Epikurs Götter fird mir leidlicher als
Meß müßige, melancholiſche Wefen, durch welches
man frify und frei den Spinoga zu widerlegen
glaubte. Leibnis iſt an diefen Unbegriffen n.ct
Schuld, als fofern er als ein bichterifher Kopf auch
bet firengen Wahrheiten Einkleidung, d. i. Bilder,
Gle ichniſſe, Allegorien, Anthrepopathleen und anſtoͤ⸗
ßig ſcheinenden Wahrheiten das Bequemen zu frem⸗
der Begriffen nie verſchmaͤhte.
N
8
Phils laus. Deſto ſchlimmer für ſeine Nach⸗
ſolger: denn da ſie den Kern von ber Schale nicht
ſonderten, ſo hleß ihnen Leibnitzlanis mus, was
hei Leibnitz ſelbſt nur einkleidende Dichtung „ober
Aecommodation war. — Gegen bie Nothwendig⸗
Neit des Spinoza indeſſen hat er ſich ſtark erklaͤret.
Theophron. In einer popularen Theodicee,
in ber es nicht fein Zweck war den. Spinoza ſanft
zurechtzuruͤken, wie er's in einer andern: vortreffli-
den Schrift mit Locke gethan-hat”), ſondern fein
‚eigenes Spftem von Spinaza's ſcharf zu untexſcheiden.
Philolaus. Und dieß eigene Spſtem Leib⸗
nitzens war — | j
Theophron. Das Syſtem ber mor.al iſchen
Nothwendigkeit in. Gott, nach welchem er das Beſte
«and Convenien; wählte, | |
Philolaus. Und wie iſt die moraliſche Noth⸗
wendigkeit von der Nothwendigkeit, die wir die we⸗
fentliche, innere, goͤttliche nennen ‚wollen,
unterſchieden? Gott: muß. dad. Beſte, aicht durch
‚eine ſchwache Willkuͤr, ſondern ſeiner Natur. uac,
ohne langſame Vergleihung mit dem Schlechtern,
das an ſich ein Nichts iſt, vollſtaͤndig einſehen und
wirken. Auch im Soſtem des Spinoza iſt von ei⸗
nem phyſiſchen, d. i. blinden. Augen Zwange gar
„nicht die Rede; . gegen ihn ſtreitet er aus vollen
„Kräften **). ESittengeſetze yon. augen aber kennet
Gott nicht — |
3 w) Beute. Philösophigqwes’de Leibnitz publ. p- Raspe Amet.
“113765, beinahe! die Lerreict ſte unter Belsnigensuuchnii
on) von dem uͤbrigens jede Zeile lehrreich iſt.
*#) „Keineswegs untenperie: Ich Bott int m. RR d m,
—
⸗
181
Theophrom aAn bie dachte auch Lekbnity
nicht; da er das Wort „moraliſche Nvthwen—
bipfett’’ wählte; er ſetzte ſie bioß der phyſiſchen,
d. t. der blinden Macht oder dem aͤußern Zwange
entgegen, und ſließ fich in Anfehung der erften an
die harten Ausdruͤcke des Spinoze. Selbſt feine
moraliſche Nothwendigkeit in Gott hat er, fo viel
er konnte, durch Anthropopathieen eines Entwurfs,
einer Wahl, der Gonvenienz u. f. gemildert.
Philolaus. Ob Bayle nichts darauf zu ant⸗
worten gehabt hätte, tft eine Frage. Leibnitz mußte
fi bei jener Wahl, In welcher Gott bad Befte nad
Convenienz wählet, auf Abfichten beziehen, die nur
SGott wiſſe, die wir als gut annehmen, eben weil
fie Sott wählte, fonft würde er fie nicht gewaͤhlt
haben u. f.
Theophron. Das mupte er freitich.
Philolaus. Und welher Sterblihe wird's
nicht thun müffen? fobald er von der Innern Noth⸗
wendigkeit, die durch fich ſelbſt Güte iſt, den Bild
wegwendet, und einzelne Abſichten Gottes nach Gone
venfenz errathen will. Unvermuthet finft er in’ ein
Meer erdichteter Endzwecke, die er bewundert ober
vermuthet, bei welchen er abet den Grund der gan-
ſondern ich: denke mir, daß aus der Natur Gottes alles
fo mworhwendig folge, wie jeder ed ſich aus der Natur
Gortes folgend: denft, daß Gott fich feloft.erfcm
net. Beim letzten längnet niemand, daß ed aus der
gðe tlichen: Matair notbwendig folge, und doch denkt ſich
dabei niemand, daß Gott von einen Schichkſal gezwun⸗
sen ſich ſelbſt erkenne; er erkennet ſich frei, und. doch
nothwendig.“ Br, 23. Opp. post. p. 459. .
182
‚zen Erfihelnung, bie innere Natur ber Sa—⸗
be, nah unwandelbarzewigen Geſetzen,
zu erforfhen leicht aufgibt. Welche Menge Thes-
diceen, Teleologieen, Phyſiko⸗-Theologieen find auf
diefe Convenienz errichtet, die aus Convenienz dem
hoͤchſten Wefen oft niht nur fehr eingefchräntte,
Schwache Abfihten unterſchoben, fondern zuleßt dar⸗
auf hinausgingen, alles zur Willkuͤr Gottes zu
machen, die goldne Kette der Natur zu zerreißen,
um ein paar Gegenftäude in ihr zu ffollren, daß
eben an dieſer und jener Stelle ein elektriſcher
Funke willkuͤrlicher göttliher Abficht erfcheine. Ich
geftebe, das ift meine Philoſophie nicht.
j Theophron. Und weldes iſt bie Ihrige,
Philolaus?
Philolaus. Um bie Geſetze der Natur, um
die Innere Natur der Dinge mih zu befümmern,
wie fie da find. _ Bedingt iſt das Dafeyn der Welt,
Daran zwalfelt niemand: denn eine Wirkung iſt nur
durch ihre Urfache, nicht durch fich felber. Da aber
die Welt einmal dba iſt, (wie fie auch entitanden
ſeyn möge,) und nicht etwa nur bie und da Spuren
von Macht, Weisheit und Büre zeigt, wie man ge:
meiniglich redet, fondern in jedem Punkt, im We⸗
fen jedes Dingrs und feiner Eigenſchaften, (wenn
ich fo fagen darf) den ganzen Sort offenbare:, wie
er nämlich in die ſem Eymbol, in diefem Punkt
des Raumes und der Zeit ſichtbar und energifch
werben konnte; welche Kiadheit wäre es, allein und
Immer zu fragen: warum und zu welchen geheimen
Abſichten er fi denn wohl hier alfo, dort alfo geof⸗
Tenbaret haben möge? flatt der nothwendigern und
} ‘
185
Yobuern Unterſuchung: was es denn eigentlich fey,
Das fih und weldergeftalt es ſich offenbare? d. i.
welche Kräfte-der Natur und nad welchen Gefegen
fie, nicht nur In diefem oder jenem Organ, fondern
allenthalben organiſch, wirken.
Theophron. Fahren Sie fort, Philolaus.
Philolaus. Wir nennen die Welt, weil ſie
eine Wirkung und voll Wirkungen iſt, zufaͤllig;
der Ausdruck iſt unpaſſend und ſelbſt der Sprache
zuwider. Die Wirkung der hoͤchſten Macht, die
nach nothwendigen innern Geſetzen ihres Weſens,
mithin der volllommenſten Güte und Weisheit wir⸗
Tee, iſt nicht Zufall, fo wenig der Verſtand Gottes .
(das Wort im rechten Sinne gebraucht) zufällig.
weife, zufällig gut if. Er ſchuf das Mögliche und
einer unendlihen Macht iſt alles Mögliche möglich.
Dieß alles num iſt, wie wir's nennen, durch Kaum
und Seit, d. t. durch wefentliche Ordnung, verbun-
den: jedes hervorgebrachte Ding iſt durch die voll-
Zommenfte Zudividualität beftimmt und mit Ihr um⸗
fcheäntet: weder im Ganzen der Welt, noch In ih:
rem kleinſten Theile ift alfo Zufall. Außer dem,
was der allmaͤchtig⸗wirkende Geiſt möglich fand, iſt
jede Moͤglichkeit ein Traum, ſo wie es außer dem
Raume keinen Raum, außer der Zeit Feine Zeit gibt.
Alles dieß find leere Phantome ber Einbildungs-
Etaft, Worte, die ein Traum zufammenfehte, und
in denen nur ein Traum Anfchauungen wähnet.
Keinen Augenblick alfo ruhete der Schöpfer:
denn in der Ewigkeit Gottes gibt's Feine Augenblide.
und der weſentlich Wirkſame ruhete nie. Deßhalb
aber iſt die Welt nicht wie Gott ewig: denn fie iſt
%
1 =” "a
etde eng von Dingen dei Zeit: "Ferdi Wir"
genbtick der Zeitenfolge alſo, ja die gaije Zetten⸗
folge felbft ift mit der abfoluten Ewigkeit Gortes
unvergleichbar. Alle Dinge der Zeltenfolge ſſnd be:
dingt, find abhängig von einander, ganz abhängig‘
endlic von der Urfache, die fie hervorbrachte; keins
derfelben iſt alfo mit dem Dafenn Gottes zu ver—
gleihen. Was die Zeit für die Folge int: I der
Raum für die Coexiſtenz. Gott it durch Felnen
Raum ausmepbar, weil er mit keinen "Dinge als
- feined Gleichen coeriftist; er iſt aber die ewige Ur⸗
ſache, die unergründlihe Wurzel aller Dinge, fo et:
haben über unfere Einbildungskraft, daß in ihm al⸗
ler Raum und alle Seit, Denkbilder unferer Phanz
tafie, ſchwinden. Wir endfihe Weſen, mit Raum
and Zelt umfangen, die wir und alles nur unter ih⸗
rem Maß denken, wir koͤnnen von’ det hoͤchſten Ur—
fahe nur fagen: fie if, fle wirfet; aber mit‘
diefem Worte fagen wit alles. MIE unendlicher
Macht, die durch fih die hoͤchſte Gute iſt, wirft
fie in jedem Punkt des Raums, In jedem Augenblick
der fortellenden Seit; Raum und Zeit aber find nur
ung ein dunkles oder helleres Bild von Zuſammen—
hang der Wefen nach jener feftbeitimmten ewigen‘
Drdnung, welche die Eigenſchaft und Wirkung der
unendlichen Wirklichkeit ſelbſt iſt, mithin auf nichts
geringerm als diefer unthellbaren ewigen Unendlich=
keit ruhet. Kein edleres Geſchaͤft alfo kennt unſet
Gelſt, als, In den ung‘ gegebenen Symbolen ber
Wirklichkeit, der Ordnung 'zu folgen, die im Wer:
ftande des Ewigen war, iſt and feyn wird. Jedes
feiner Geſetze iſt das Wefen der mer ſelbſt, ihnen
—
1% .
—— dngehärgt‘, ſondernekus hit’ ihnen:
Sr Weſen iſt fein Geſetz, fein Gere Ihr Werten; '
die Verbindung aller iſt eine thätige Daritellung ſei⸗
ner Wirkfamkeiten und’ Kräfte: Wie kindiſch wäre
ed nun, wenn, indem id die Schönheit des Cirkels
und feiner mancherlei Verhaͤltniſſe: bewundere, ic
tiefſtnnig den gehehnen, befondern: Abſichten nach⸗
ſpuren wolfte, warum Gott ſolch einen Cirkel ſchuf?
warum er die genanen, ſchoͤnen Verhaͤltaiſſe in ihm
zut Natur bes Cirkels und unferer meſſenden Ver⸗
nmft: machte? Der Raum wäre fein Raum, werk:
in ihin nicht unter allen moͤglichen Umriſſen auch der
Eirtot ſtatt finden: ſollte, und unfere Vernumft wäre.
keine Vernunſt, wenn fie die ſchoͤnen Verhaͤltniſſe
jeder Abtheilung in ihm nicht bemerken koͤnnte.
Thiebphron. Ich will Ihnen mit andetn Bei⸗
ſplelen helfen, Philolaus. Wenn immerhin bie
Menfätn bei der Bewunderung ftehen' gebifebeit
w |
— „Daß Sterne folder Sahı,
SHÄH inner gleichein Schritt und ewig’Hellem Straß
DBÜrgeln' verdiente Geſen vermiſcht und nicht ver⸗
J wirtet,
In eigen Kreiſen geien und nie ine Lauf verirret:“
ſol ware dleſe: Bewunderung allerdings ſchon einer
Art? von Audetung des Gottes gewefen, von: dem
— „Sen Bir iſt thre Malt;
ar: nee Vewegung, Ruf und jede’ Eigenſchaft
Atich Muß und Abfrcht aus⸗ —
und man haͤtke ſich· dabel vlele Abſichten, falſche und -
wäßre, würdige und unwuͤtdige erdenken moͤgen.
⸗
186
Der Naturweife aber, der von biefen Abſichten vor⸗
erſt hinwegſah, und eben „das verdeckte Gefeg‘
aufſuchte, durch welches die Sterne
— vermiſcht und nicht verwirret,
In eignen Kreiſen gehn, und nie ihr Lauf ſich irret;
er that mehr, als ber größte Abſichten-Dichter thun
konnte. Er dachte dem Gedanken Gottes nach und
fand Ihn: nicht in einem Traum. willfürlicher Con _
venlenzen, fondern im Weſen der Dinge felbft, de⸗
ven Verhältniffe er maß, wog und zählte. ent
erkennen wir Das große Geſetz dieſes Weltbaues,
und unſere Bewunderung iſt vernuͤnftig; da ſie ſonſt
ewig und immerhin ein zwar frommes, aber leeres
Skaunen geweſen waͤre.
Philolaus. Setzen Sie dazu, ein ſehr truͤg⸗
Alches Staunen: denn wenn wir a priori partikulare
Abſichten Gottes in die Schoͤpfung bringen, und in
der ewigen Rathkammer wollen gehoͤrt haben, war⸗
am Saturn einen Ring, unſere Erde einen Mond,
Mars und Venus aber Feinen haben? auf welche
Bahn täufhender Hypothefen wagen wir ung, die
meiftens der Tünftige Tag widerleget! Weber den
Ming des Saturns, über den Mond der Erde und
der Venus, war aus dem Reglſter göttliher Abſich⸗
ten fo manches gefagt und geglaubt worden, bag
man befhämt zurücknehmen mußte, als man fand,
Venus habe Feinen Mond, mit der Beleuchtung
der Saturnsd: Einwohner aus Ihrem Demant: Ringe,
wie mit unferm Monde felbft, verhalte es ſich nach
weitern Entdedungen auch anders, ald man dem
erſten Scheine nach annahm. Allen dieſen Truͤglich⸗
187
teiten, zu welchen man den heiligen Namen nicht
mißbrauchen ſollte, entgeht der beſcheidene Natur⸗
forſcher, der uns zwar nicht partikulare Willensmei⸗
nungen aus der Kammer des goͤttlichen Raths ver⸗
kuͤndigt; aber dafuͤr die Beſchaffenheit der Dinge
ſelbſt unterſucht und auf die ihnen weſentlich einge⸗
pflanzten Geſetze merket. Er ſucht und findet, ins
dem er die Abſichten Gottes zu vergeſſen ſcheint, in
jedem Gegenſtande und Punkt der Schoͤpfung den
ganzen Gott, d. i. in jedem Dinge eine ihm weſent⸗
liche Wahrheit, Harmonie und Schoͤnheit, ohne
welche es nicht waͤre und ſeyn koͤnnte, auf welche
alſo ſeine Exiſtenz mit innerer, zwar einer voruͤber⸗
gehenden und bedingten, dennoch aber In ihrer Art
eben fo wefentlihen Nothwendigkeit ges
gründet ift, als auf welcher unbedingt und ewig das
Daſeyn Gottes ruhet. Eben die völlige Abhängig-
keit der Dinge von Gott macht ihre Weſen zu noth⸗
wendigen Dentbildern feiner Macht, Güte und
Schönheit, ‚wie ſich diefe nur In folchen und kei⸗
nen andern Erfcheinungen offenbaren konnte. Ich
wuͤnſchte, daß Spinoza ein Jahrhundert fpäter ge=
boren wäre, um von den Hppothefen des Des-Car⸗
tes fern, im freiern Licht der Narurlebre und Na⸗
turgeſchichte zu phllofophiren; wie treffiih würde
feine abfttafte Philoſophie diefe hohen Entdelungen
gebraucht. haben!
Theophron. Und ich wänfhte, Daß andere
auf dem Wege tayfer fortgeben mögen, für welchen
Spinoza an feiner Stelle die Bahı brach, nämlich:
reine Naturgefege zu entwideln, ohne fi um var⸗
titulare Abfihten Gottes babel zu Fümmern. Wer
188
mir die Naturgeſetze zefgenFümte, wie nach inne⸗
rer Nothwendigkeit aus Verbindung witkender Kräfte
in folder und keinen andern Organen unfere Er⸗
fheinungen der ſogenannt todten und lebendigen
Schöpfung Salze, Pflanzen, Thiere und Menſchen
erfcheinen, wirten, leben; handeln? hätte die ſhoͤn⸗
ſte Bewimderung, Liebe und Verehrung Gottes
weit mehr befördert, als ber mir aus der Kammer
des götrlihen Mathe predigt: daß wir die Fuße zum
Gehen, das Auge zum Sehen haben u. f.
Philolaus. Mich dürft, mir ſolchen Phyfiko:
Theologteen gehe es ziemlich hinunter.
Theophron. Zu ihrer Zeit waren‘ ſie fehe
nuͤtzlich; ſie waren eigentlich nichts als Eindtich- po⸗
pulare Anwendungen einer neuen feſteren Natur:
lehre. Ihe Grund wird alſo Immer bleiben: ja
die Wahrheit in ihnen wird ſich noch ungleich mehr
veredeln, wenn man nicht mehr bei jedem einzel⸗
nen kleinen Umſtande nach einzelnen kleinen Abfich-
ten haft, fondern immer mehr einen Bild: über
das Ganze gewinner, das bis auf feine Heinften
Verbindungen nur Ein Syftem ft, in welchem fi
nach unveränderlihen Innern Regeln die weifefte
Güte offenbaret. Ein Gebäude der Gottesvereh⸗
rung, das ſowohl metaphyfſſch über das Endloſe
des Raumes und ber Seit geht, als es phyſiſch im
.. Mefen der Dinge felbft unerſchuͤtterlich feſt rutrer!
Jedes gefundene wahre Naturgeſetz wäre damit eine
gefundene Negel des ewigen goͤttlichen Verftandes,
F nur Wahrheit denken, nur Wirklichkeit wirken
e.
Phklolaus. Wle dauert's mich, daß die YEE
‘189
Aeſophle ded Splnoza, die dahin weiſet, mit. fo
smanchen.ahichredenden Härten verwebt iſt! beun In
diefer Geſtalt mird ſie doch immer nur für. Wenige
Bleiben.
Theophron. Eben das iſt gut: ber große
Heæufe diefe Polloſophie nicht leſen; eine Sekte
muß ſie nle ſtiften |
Phllolaus. Dafür hat ihr Urheber, feinen
Srunbfägen zufolge, Schon durch den Vortrag ge⸗
-forget*). Indeſſen Idugne ich's nicht, daß ich den
ſcoͤnen Wahrheiten; ‘die er über Gott, die Welt,
‚über das Wefen. und die Natur. des Menfchen, über
feine Schwachheit und Stärfe, über ben Zuftand fel-
‚ner Sclaverei und Freipeit fagt, mehr Ausbreitung
und eine tiefere Einwirkung wuͤnſchte, als fie in ſei⸗
nem Buch für die Meiften haben können und haben
merden. So eingenommen ich gegen ihn war: fo
durchdrungen bin-ich jest von her Innigen Wahr-
heitstiebe dieſes Mannes und von der Vortrefflich⸗
„Zeit feiner .moralifhen ſowohl als mehrerer feiner
philoſophiſchen Grundſaͤtze. Ich wuͤnſchte, daß ihn
Viele ſo kennen lernten.
‚ Sheopäron. Zeit und Wahrheit werden das
ſchon bewirken. Leſen Sie dieß Bu und ſehen,
*) „Wer begierig iſt, anderem mit Rath und Chat dahin
x gurhelfen daß ſie insgeſammt des höchſten Getes ge⸗
mießen, der wird ſiche beſletßigen/ ſich ihre Liebe zu ers
werben, nicht aber ſie in eine Bewunderung ſeiner
. su ziehen, daß eine Wiſſenſchaft von ihm den Kamen
= erhalte. m 'Erk, P. IV. Opp, Cap. 25.
—
190
was Leſſing über ihn geſagt hat”). Haben Sie
nichts von dem Lärm gehört, über dem Grabe dieſes
Gelehrten! „er fey ein Spinozift geweſen?“
Philolaus. Ich habe es nicht hören mögen,
weil ih, Ste willen, von Spinoza fo übel unterrich⸗
tet war, und mir ben Namen Leffings nicht germ
durch einen Flecken verunftalten wollte. Jetzt werde
ich mit befto größerer .Begierbe lefen, was er von
ihm fagte, ba ich mir Leffing fo wenig ald einen
Spinsziften denken kann, als wir beide es find. Er
war nicht gefrbaffen, ein ... tft zu feyn, welche
Buchftaben man au dieſer Endung voranfeben
möge, und die Lüden In Spinoza's Vortrage wird
fein Scharffinn gewiß nicht verfannt haben.
Theophron. Lefen Sie: dann wollen wie
‚weiter reben.
Viertes Gefpräd.
Philolaus. Hier haben Ste Ahr Bu mit
Dont wieder. Man hört Leffing reden, wenn er
auch nur Sylben hervorbringt; über unfere Mates
rie aber hätte ich ihn doch gern ausführlicher ver-
uommen, {ch kann's nicht laͤngnen.
Theophron. Ic gleichfalls; wie gefält Ih⸗
nen indeß das Wenige, was er ſaget?
Philolaus. Es iſt zu wenig, um darüber
u urtheilen; auch, wie es ein Bee geben
° Ueber die Lehre ve Spinoza, Breslau m. Neue
vermehrte Ausgabe, Breslan 1789.
. /
. %
191 N
mußte, zu abgeriffen, ia bie und da, nach Leffinge:
Manier in Geſpraͤchen, vielleicht zu Eräftig gefagt.
Iſt's Ihnen nicht entgegen, fa will ich feine Worte
herausheben, und Darüber ohne alle Anmaßung mei⸗
ne Meinung fagen.
Theophron. Thun Sites, Sie werben da⸗
mit bloß Sommentator eines Autors, ber fi felbfk
ung nicht mehr erläntern fann. O daß er uns hier
der dritte, d. 8. ber erfte Mann wäre!
Philolaus. „Die orthodoren Begriffe vom
„bee Gottheit find nicht mehr für mich; Ih Tan
„fe nicht genießen ).“ ch, nachbem mir einige
Steine des Anftoßes aus Spinoza weggeräumt find,
auch nicht. Das muͤßige Weſen, das außerhalb ber
Belt fißt, und fich feibft befchauet, fo wie es ſich
Ewigtelten hindurch befchauete, che es mit dem
Plan der Welt fertig ward, iſt nicht für mich; für
Ete, Theophron, auch nicht.
Theophron. Ich weiß aber nicht, Phllolaus,
warum wir das Phantom diefes langweiligen traͤgen
Gottes orthodoxe Begriffe nennen? . Es hat weder
die Sonfiftenz eines Begriffes, noch iſt's je die Mei⸗
nung orthodorer, d. i. der Philofophen geweſen,
die deutlicher Begriffe fähig waren. Ein folder
Gott mag Drthodorie der Indier ſeyn, deren Bott
. Sagrenat ſchon viele Fahrtaufende her mit über den
Bauch gefchlungenen, hangenden Armen fißt und
fi) wohl befindet. Ein anderer ihrer Goͤtter llegt
) ueber de Lehre des Spinoza ©. 12. DieEitatichen
« wach der eritien Auſsgabe bemerkt, Kind geblieben, und
in der zweiten leicht zu verfolgen, DEE EEE
-
‚492 |
‚seht Mesnen Im Schlummer, ..feln Haupt takt. im
Schoos eines feiner Weiber, . die Ihm. den. Kopf
‚Srabt; ſeine Füge. im Schoos einer andern, ‚die (hm
‚sie Fußſohlen ſtreichelt. Unaufhoͤrlich fließet der
Zuder: und Milch-See in ihn; er genießet und
ruht in träumender Selbfibefhauung. „Wechtsortho:
dore Goͤtter der. Hindu's! ich ſehe aber: nicht, war:
um der Anſrige ein Jagrenat oder Wiſtun Fepn
müßte?
Philolaus. Ich lefeweiter. „Zraus ner!
Eins und Alles. Ich, weiß nichts anbers*).. —
Ich auch nit; ‚nur wuͤnſchte ich aus ‚ber, Seele
Reffings zu vernehmen, . wie er ſich bie Verbindung
„biefer beiben größeften Worte, berem unfere, Spra-
Aqe faͤhlg iſt, erklärte. Auch die Welt ift ein, Eins;
auch die Gottheit ift ein. All. Leſſing fühlte
ſelbſt, daß er. bamit noch ‚nichts. beſtimmtes gefagt
habe: er fam ſich daruͤber naͤher zu. erklären; „aber
‚auch dieſe ‚feine ‚nähere, Erklärung reicht mit fo
weit als man wuͤnſchte. Ich lebe feine Hochachtung
Igegen die Philoſophie Des. Splnoza! ba aber ihn
‚wie uns, der Geiſt des Spyinoziemud, „ih
weine ben, ſagt er**), ber in Spinoza ſelbſt gefah—
‚zen.war’! eigentlich allein intereſſiret; da, wle er
agt**), „ſein Credo in Lelnem Buche ſteht,“ und
rer es nur unter einer Beblagung, bie ſich ‚eigentlich
ſelbſt aufhebt ), an ſich kommen laͤßt, ſich nach Je⸗
nn RN:
2) 6.12, ) S. 14. 85.1.
Dre ea euere ffir Wei ich
.. Minen ande‘! & 12: (pnuri:fplh mich Grete
lich: Und doch! lien. Sie erwas Betas Yr
—
193
manden nennen zu wollen; fo find uns biefe unb
andere Wine, ja die ganze Denkart Leffings genug:
fame Bärgen, daß er gewiß Feine phantaftifch= rohe
Äinnlihe All⸗Einheit, dergleichen au das Spitem
bes Spinoza nicht iſt, zu ſeinem Syftem gemacht
haben werde. Eben hier fing meine Begierde an,
zu wiffen, wie Leſſing ‚den Geift, der In Spenoza
felbft gefahren war’ zu ſich gezaubert und zu dem
feinigen gemacht habe; und eben hier, Ich muß es
befennen, war meine Begierde vergebens. Leffing
bört von einer veritändigen, perfönlichen Urfache
der Welt, und freuet fi dabei nach feiner Art, daß
er jetzt etwas ganz neues zu hören befommen wer:
be’). Am Verftande Gottes konnte Leffings Ver:
ftand nie zweifeln; Telne Neugierde war alfo auf
die „perſoͤnliche“ Urfahe ber Welt gerichtet;
darüber wollte er etwas Neues erfahren.
Theophron. Erfuhr er's?
Philolaue. Der Ausdruck Perſon, ſelbſt
wenn ihn die Theologen von Gott gebrauchen, (die
dieſe Perſon aber nicht der Welt entgegen ſetzen,
ſondern als Unterſchied im Weſen Gottes anneh⸗
mien,) iſt — (denn der Theolog ſagt nicht: Gott iſt
eine Perſon, ſondern in Gott ſind Perſonen.)
Theophron. Laſſen wir die Sprache der
Zfeofogen, und reden vom Wort Perion philo⸗
ſophiſch.
Philolaus. Zuerſt alſo doch wohl davon,
was das Wort im feſtgeſtellten Gebrauch bedeutet.
Verſon (Rooownoy) hieß — — Larve, ſodann —
®) S. 17.
Herder Werke 3. Phileſ. u. Gecch. IX, 43.
-
194 F
theatrallſcher Charakter, daburch führte eu
auf das Eigenthumliche eines ——
wodurch er ſich von einem andern unterſcheldet; fo
ging das Wort In die Sprache des gemeinen Zebend
über. „‚Diefer, fagt man, fptelt feine per
fon; er bringt feine perfönlihfeit n bie &
be,’ um. f. So fehte man Perfon der Gade
entgegen, immer etwas Abftehendes, ausjrig:
nend Eigenthuͤmliches In ihr bezefchnend. So
ging es In die Gerichtsſprache, in bie Werfchle:
denbeit der Stände, Können wir vom diefet Pre-
fopopde etwas auf Gott anwenden? Er fit weder
eine Larve noh Maske; weder eine Stan
desperfon, noch ein abgezeihneter Eha-
tafter, der mit andern ba iſt, und neben ihnen
ſplelet. Laſſen wie dieſe Perfonalien, bie fm:
mer doch, wo nicht auf etwas Falſches, Angenom-
menes, Angedichtetes, fo doch auf etwas Eigen-
thümmiches an Geftalt, Bildung, Abzeichnung vor
andern, auf Stand, Nang und dergleichen führen,
mithin vom reinen Begriff einer ganz unvergleich⸗
baren Mefenheit und Wahrheit entfernen. So we
nig Gott die Perfon anfiehet, fo wenig fpfelt
er eine Perſon, fo wenig affeftirt er Perfönlichkei= -
ten, bat eine perfönlihe, mit andern abſtechende,
kontraſtirende Denkart, u. f. Erif. Wie Er
ift niemand. en —
Theophron. Sollte aber nicht „die Id ch⸗
fie Intelligenz” das Wort „ — —X
fordern, To daß „Einheit des Selbſtbe⸗
wußtſeyns“ bie Perfonalität ausmate?
Philolans, Ich fehe nicht; vielmehr dlelbt
\
295
dleſeu· Begriſſen Immer: ein Frembes,
uRmeR Wort. Drapte’ ſahen:es auch Bode
BR TERBR ER: an / und ſuchten es durch Defiknmatene
MNodrutke en erftaͤren dafur ſtehtv der Sprachze⸗
Rasen, der mit bei Wort Perſon, Perſoͤnlich⸗
TE als mit einem Schelndiuge ſplielet. Das inuig⸗
)PEFBHãOn, as I-take it, is the name ofthis Self, Whe-
rever a Man finds what ke calls Himself, there I
think Another may say is the same Person. Ft
is w förunsick term, appropriasted Adtions
Uätdeir Mibriv, and’ a6 belongs only 10’ imtal-
"heile Agente capäble of ad Law'aud Happinefs and
"Misert, Look re Esiy' on human understanding, Vol.
IB-arch.z7. °
Le soidait Videntitö rdelle et physique; et l’ap-
Jarence du soi, accompägnee” de la verite, y joint
rucatite p ersonnelle. Si Dienchangenitextraordinai-
Yerhent' 1'Tdentitörsells, la persomielledemsurerait, pour-
"Hi quo Phomme öonkeivät les apparentdes d’identins,
alle internes, (c’est-k-dire de la oomssience) que lenex-
Verkles‘s Soramie- celles qui oonsistent dans ce qui pareit
aux autres. Ainsi la conscience n’est pas le seul moyen
de constituer l’identit& personnelle; le rapport d’au-
trui ou möme d’autres marques y peuvent
supplder. Leibnitz Oeuyr. phfiosoph. p. 195. 196.
Neber den Ghracgebinunh der Worte Perſon,
VPerſbualichkeit m f. ſchlage man Wörterbücher
auf, weiche men Will, Latein, Deutſch, Gransdiich,
Italieniſch/ Spaniſch, Eusliſch; alle fagen in ihren
gefammslten Stellen, daß dieſe Worte ein Eigen
thümliches oder Beſonderes unter einer de
wiſſen Apparenz bezeichnen; welcher Nebenbegriß
dem Unendlichen im Gegenſatz der Welt gar nicht sur
"Voramt Avieinche dem Begriff des Einzigen, nieht Sie
gurirenden vertunfelt,
196
dte Selbſtbewußtſeyn vergißt bie Apparenz ber
Perfon, (das personnel und da6 personnage)
ſo ganz, daß man ed mit diefem Gerichtewort des
perſoͤnlichen Erfcheinens gleihfam aus fih ſelbſl je-
get. Dieb alles wußte Lefling befier wie wir. —
Ich leſe weiter: „Leſſing hört von einer verſt aͤn⸗
digen Urſache der Welt.“
Theophron. Hat er ſich daruͤber naͤher er⸗
klaͤret? U
Philolaus. Ihm ward dazu nicht Seit;
wahrſcheinlich war er hierin auch mit Spinoza voͤllig
Eins. Wir ſahen, dieſer unterſchied den Verſtand,
ſofern er zur entſprungenen Natur gehoͤret, von je⸗
ner primitiven Denkkraft, die der Grund
der Dinge ſelbſt iſt. Der abgeleitete Verſtand kann
nur verſtehen, was vor oder in ihm liegt, was ihm
gegeben iſt; der urſpruͤnglichen Denkkraft iſt nichts
gegeben als fie ſelbſt; aus ihr folgt alles. Im die=_|
ſem Sinn erkennet der hoͤchſte, d. i. primitive Ver⸗
ſtand nur ſich ſelbſt, und in ſich alles Moͤgliche als
Folge.
Theophron. Iſt dieſer Sinn bed Worts
aber auch der Sprache gemaͤß?
Pbilolaus. Wenn er es auch nicht waͤre!
Er iſt's aber in allen Sprachen, in denen man phi⸗
loſophirte. Wenn Locke feinen Berftand. (un-
derstanding) die „Macht zu percipiren” nennt,
und ihn fogar einer dunkeln Kamimer, in weiche
durch die Sinne Licht faͤlll, rergleihet): fo kann
*) Locke Essay on understand. B. 2. Ch, 21. $.5. Ch.
11. $. ı7, .
|
197 N
Gott eine folhe dunkle Kammer, in welche Licht
durch die Stune fält, nicht zugeſchrieben werben.
Kenn dem fchärfer beftimmten Leibnis das Ver:
Reben eine „deutliche Perception Ift, verbunden
mit der Fähigkeit zu reflektiren*); wer wird das
hoͤchſte Weſen zum Schuͤler machen, und ihm ber: _
gleichen ‚‚Zählgtelten zu percipiren und dann zu res
flettiren,“ zueignen? Die Sprache felbft ſtraͤubt
fh dagegen, in deren mehreren das Wort Verftand
ein Auffaffen und Augeinanderlefen der
Dbjelte (intellectionem) ausdrädt; weiche fremde,
ihm zum Verfichen gegebene Obiekte las und lleſet
Sott aus einander?
Theopbron. Ach bitte, leſen Sie weiter.
Philolaus. Leſſing fpricht über die Freiheit
des Willend, - „ch begehre, ſagt er, keinen freien
Willen: ich bleibe ein ehriicher Lurheraner und be⸗
halte den mehr viehifchen. ald menſchlichen Irrthum
und Gottestäflerung, daß kein freier Wille ſey;
worein der belle reine Kopf Spluoza's fh auch doch
zu finden wußte.”’**) Sp fcherzt er mit den Worten
bed Reichstagsſchluſſes zu Augsburg, und Indem er
uns auf den hellen, reinen Kopf Spinoza’s verwei⸗
fet, erklärt er felbft, wie er den unfrelen Willen
bes Menfchen angenommen haben wolle.- Mir iſt
bein Weltweifer bekannt, der die Knechtſchaft des
menfchliden Willens gründlicher aus einander ge:
fest, und die Sreipeitdeffeiben vortreffliher beſtimmt
*) Leibnits. Oeurr. philosoph. p. Raspe p. 132.
”) ©. 19,
n
B X
babe, als Spinoza*). Dem Menſchen iſtchein gas
Aegeres Abel. der: Freiheit vorgefeht, als bie Feei⸗
beit Bottes ſelbſt, durch eine Art innener Metheen⸗
zigkeit, d. i. durch vollſtaͤndige Begriffe, die neh
Ertenutniß ‚uud Lebe Gottes allein gewähren, kha⸗
nen, ber unfere Reidenfhaften, ja uͤber das Schia⸗
fal feibft Herren zu werben. Sruͤndlich bewelſet
es Spinoza, daß, wenn man Freibeit Linkaßes
vliade Willkir. ummt, her: Menſch eben fo. wenig
ale Gott ſelbſt den ebeln Mamen der Freiheit ver⸗
diene; vielmehr, gehoͤre es zut Voillommenheit der
Natur Gottes daß ex auf diefe Art nicht frei ſen⸗
du 6 daß er eine blinde Willkuͤr uicht komme, wie es
denn auch zur Vollkommenheit feiner Werfe gehört,
daß tolle Willkuͤr aus der ganzen Schöpfung vers
bannt iſt. Ste wäre (um auch mit dem Reichstage
zu Augsburg gu reden) eine gotteslaͤſterlie
Luͤcke In. ber Schöpfung, und: flır jedes Geſchöpf, das
fie beſaͤße, ein zerſtoͤrendes Uebel. Gluͤcklich alfo,
daß fie ein Widerſpruch fm ſich ſelbſt, ein Unbegriff
iſt. Ste find doch eben der Meinung, Theophron?
Thevphron. Keiner andern; aber mas ſagt
Leſſing von dem Gedanken Gottes? Das fehhler-
hafte „Verſtehen“ iſt weggeraͤumt; was fehte er
dagegen ober darüber? |
Philolaus. Hier ift die Stelle). „Es
gehört zu den menſchlichen VWorurthellen, daß wie
den Gedanken als das Erfte und Vornehmſte be⸗
trachten, und aus ihm alles. herleiten wollen; da
doch alles, mit fammt den Worftellungen, von hoͤhe⸗
Ehe. LIE. V 961.2,
199
ven Principien abhaͤngt. Ausdehnung, Bewegung,
Sebanfe find offenbar in einer höheren Kraft ge-
gründet, bie nody lange nicht damit erſchoͤpft Ift.
Sie muß unendlich vortreffliher ſeyn, als diefe oder
jene Wirkung; und fo lann ed auch eine Art des
Genuffes für fie geben, ber nicht allein alle Begriffe
überfleigt, fondern au völlig außer dem Begriffe
liegt. Daß wir ung nichts davon denken können,
hebt bie Möglichkeit nicht auf,” — Was benfen
Sie von. bilefer Stelle, Theophron?
Theophron. Ich wänfhte zu willen, was
Ste davon) denken?
Philolaus. So muß ich bekennen, daß ich
mir vergeblich Muͤhe gebe, etwas Beſtimmtes dar⸗
aus zu finden. Daß es zu den menſchlichen Vor
urtheilen gehöre, den Gedanken als das Erfte und
Vornehmſte zu betrachten, und aus ihm alles her⸗
leiten zu wollen, gebe ich zu. Wir Fennen nichts
höheres in feiner Art, als den Gedanken; Lefling
felbft bat nichts Höheres. namhaft machen können,
Alles aus dem Gedanken, d. i. aus Einſicht herlel-
ten zu können, tft bisher ein vergeblicher Verſuch ge=
wegen; denn wie Bewegung und jede andere der
taufend wirkenden Kräfte des Weltalls mit bem Ge⸗
danken zufammenhange, iſt immer noch ein Näthfel.
Daß der Gedanke auf viele andere ihm untergeorb-
nete Kräfte mirke, willen wir; ob wir gleich die Art
der Wirkung nicht einfehen. In welcher höheren
Buaft.aber Gebanfe, Bewegung und alle Kräfte der
Natur gegründet feyn; wer Ift, ber ung biefes fage?
. ſelbſt font nur, ed Fönne eine folge Kraft
200
geben; bekennt aber felbft, daß wir nicht im Stände
feyen, etwas von ihr zu gedenken.
Theopbron. Wie, wenn ih Ihnen aus
Spinoza felbft zwar nicht eine einzelne höhere
Kraft, oder Gattung Kräfte, aber ben reellen
Begriff nennte, in welchem alle Kräfte nicht nur
gegründet find, fondern ben fie auch alleſammt nicht
erfchöpfen? Er hat jede Eigenfchaft, die Leſſing von
feiner unbetannten Kraft fordert, „er iſt unendlich
vortreffliher, als jede einzelne Wirkung einer ein⸗
zelnen Kraft, und gibt wirklich eine Art des Genuſſes,
der nicht nur alle Begriffe überfteigt, fondern auch
(war nicht anßer, aber) über und vor jedem
Begriffe llegt,“ weil jeder Begriff ihn vorausſetzt
und auf ihm ruhet.
Philolaus. Und dieſer Begriff iſt? —
Theophron. Wirklichkeit, Realttaͤt,
thaͤtiges Daſevn; es iſt der Hauptbegriff bet
Spinoza, der Grund und Inbegriff aller Kräfte,
Wirklichkeit, Realität, Daſeyn tft vortreffllher als
jede feiner Wirkungen? es gibt einen Genuß, ber
einzelne Begriffe nicht nur überftelgt, fondern mit
ihnen auch nicht auszumeflen tft: denn die Vorftel:
lungskraft ift nur Eine feiner Kräfte, ber viele
andere Kräfte gehorhen. Co iſt's bei Menfen:
bei allen eingefchränften Weſen muß es derielbe Fall
feyn; und bei &ott?
Philolaus. Auf die eminentete Weiſe.
Seine Eriftenz iſt die Wirklichkeit felbit, Urgrund
oller Wirkitchkeiten, Inbeariff aller Kräfte, ein Se⸗
nuß, der über alle Begriffe geht —
Theophron. „Der nber auch völlig außer
201
dem Begriff liegt?” Dieſe Behauptung llegt völlig
außer meinem Begriff; d. i. ich kann mic babef
nichts denfen. Die hoͤchſte Kraft muß ſich ſelbſt
kennen; fonft tft fie eine blinde Macht, die ſich feibft
weder genießen noch gebrauchen Fann, ber die in⸗
nigfte, wahrſte Wirklichkeit fehlet. "
Philolaus. „Er, Spinoza, war aber fern,
unfere elende Urt nah Abſichten zu handeln, für
die Höchfte Methode auszugeben, und den Gedanken
oben am zu feßen.‘‘*)
Theophron. Nah dem Daſeyn, als dem
Orunde aller Kräfte, ſteht ber Gedanke aud bei
Ihm oben an; nur iſt er weit entfernt, dem Unend⸗
lichen eingefhränfte Vorftellungsarten, Kennt:
niffe a posteriori, Aufhellungen feiner felbit durch
muͤhſames Verftäudniß und Einverftändniß mit Din-
gen außer ihm, fehlbare Berathſchlagungen, will:
fürliche Abfichten, die er durch Fünftliche Mittel zu
erftreben babe, zu leihen; weldhes eben die Vor⸗
trefflichkeit feines Syſtems ausmacht.
Philolaus. Leſſing fragt ferner”*): „nah
was für Vorftellungen fein Freund eine per ſoͤn⸗
liche, extramundane Gottheit annehme? ob
etwa nach den Borftellungen des Leibnitz?“ und
fürchtete, dieſer fey Im Herzen felbft ein Spinoziſt
gewefen.**") Zn |
6.20. *)&. 21.
»220) „Daß Leifing fich nicht anmaßzte zu behaupten, Leib,
nig ſey in dem Verftande ein Spinoziſt geweſen, daß
er ſich ſelbſt dafür erkannt hätte, beweiſt die
Folge der Geſprächs. JInnere weſentliche Uehniichkeit,
Identität des Syſtems; das nur hatte Leſſing eigent⸗
DI
N | 208
Theophron. Mas Lelbnitz im Herzen gewe⸗
ſen ſey, mag ich nicht wiſſen; ‚feine Thendicee aber,
- fo. wie viele feiner Briefe, zeigen, daß er, ‚eben
am nicht Spinszift au fepn, fein Spftem ausge:
dacht hatte. Lieber neigte er fich zu Unthropopa-
thien einer göttliben Wahl nach Ueberlegung, einer
Auswahl des Beſſeren unter vielem Schlechtern
nach Konventenzen; alles um ber Spingzifhen Noth-
wenbigfeit zu entfommen, bie ibm Mecaniemus
fchien, und gegen welche er ben behutſamern Aus—
„druck einer moralifhen Nothwendigkelt wählte.
Er wählte-die Mitte zwiſchen Bayle's Iweifeln und
Spinoza's harten Ausdrüden, zwiſchen welchen er
durchzukommen glaubte, Allerdings geſchahe es
mit vieler Kunſt; aber Baple und Splinoza lebten
nicht mehr; fie fonnten ihm nicht antworten.
Phllolaus, „Leibnitzens Begriffe, von ber
Wahrheit, fagt Leffing ferner *), waren fo befcbaf:
fen, daß er nicht vertragen konnte, wenn. man ihr
zu enge Schranfen feßte. Aus biefer Denkungsart
find viele feiner Behauptungen gefloffen, und es ift
- bei dem groͤßeſten Scharffinn oft ſehr fhwer, feine
eigentliche Meinung zu entdecken.“ - Eben darum
halt’ ich ihn fo werth: Ich meine wegen biefer
großen Art zu denken, und nicht wegen-biefer
oder jener Meinung, bie er nur zu haben ſchien,
oder denn auch wirklich hatte.
Theophron. Trefflich! Nur ein Nelner
—* Auge.“ Maber die Qatzre det Saiusie.
are sale, IER.IS, 444.
RR
Kopf iſtis, der ſein Dutzend ſchoͤn bemahlter Wort⸗
fbähtelchen;ald Kram nicht nur, ſondern als Menos
vol. mit, fich.trägt , und nicht begreifen fann, daß
- anbere, irämer ‚andere Schärhtelhen tragen. Dem,
wahren, Pbilofophen Aft an den Behältniffen übers
haupt ‚wenig gelegen; er ſiehet, was darin fen,
und was fuͤr ihn diene. Meinen Sie dleß nicht
auch. Philolaus?
Philnland. Spinoza bat mic gelehrt, baf,
ie vollffändiger unfere Begriffe find, deſto mehr
fhmwelgen. unfere Affekten, bejto willlger vereinigen
fi In ber beutlich =erfannten Wahrheit ale menfd=
gen Gemüther: denn es gibt nur Eine Vernunft,
aur Cine Wahrheit. Bel Leibnitz indeß Fann ich's
nicht bergen, daß er mir oft zu biegfam, zu hypo⸗
thefenreich ſcheine. Es iſt ſeine Art, ſich gern al⸗
ie anzuſchmiegen, damit er alles nuge und für
Fheophron. Hoͤren Sie, was darüber Le ſ⸗
ſing anderswo ſagt: „So eingenommen, ſchreibt
er *), man fi auch Leibnitzen für ſeine Philoſophie
denken darf oder will; fo kann man doch wahrlich
nicht ſagen, daß er fie ben herrſchenden Lehrſaͤtzen
aller Parteien anzupaſſen geſucht habe. .MBie wäre
das auch möglich geweſen? Wie haͤtte es ihm ein⸗
lommen koͤnnen, (mit einem alten. Sprichworte zu
roden) dem Mond ein Kleid zu machen? une,
wad:er zum Beſten feines. Spftems daun und waun
Wat, war: serabe das Gegeuthell: er fuchte bie
herrſchenden LTehrfäße aller Parteien feinem Gy:
”) 2effings fämmtlide Schriften, TH. 7. &,23..24
—
[4
204
fiem auzupaffen. Beides iſt nichts weniger als
einerlei. Leibnitz nahm bei feiner Unterſuchung
der Wahrheit nie Rädficht auf angenommene Mei⸗
nungen; aber in ber feften Heberzeugung, daß keine -
Meinung angenommen feyn koͤnne, die nicht von
einer gewiſſen Seite, In einem gewiffen Verſtande
wahr fey, hatte er wohl oft die Gefälligkeit, dieſe
Meinung fo lange zu wenden und zu drehen, bis es
ihm gelang, diefe gewiſſe Seite fichtbar, dieſen ge⸗
willen Berftand begreiflih zu machen. Er fchlug
aus Kleſel Feuer; aber er verbarg fein Feuer nicht
in Kieſel.“ "
Philolaus. Wer weiß alfo auh, welchen
Kabbaliften er fich oder fich Ihn eben damals an⸗
paffen wollte, als er, wie Leffing anführt, von
Gott fagte, „derſelbe befinde fih in einer Immer:
waͤhrenden Expanſion und Kontraktion; dieß fen
bie Schöpfung und das Beftehen der Welt.” Mich
wundert, daß Leſſing an ber ungeheuern Verkoͤrpe⸗
zung Geſchmack fand.
Theophron. In Leibnitz iſt mir diefe Stelle
noch fremd. Daß aber Leffing fih an ihr ergetzte;
woran, m. Fr., ergebt man fich nicht manchmal
im Sefpräh? Für das Syftem des Spinoza hielt
Leſſing dieß Bild gewiß nicht. Wer die Schöpfung
und das DBeftehen ber Dinge durch eine immerwaͤh⸗
rende Erpanfion und Kontrattion Gottes erklären
kann; von bem möchte ich mir diefe Erflärungsark
auch, wie Leffing fagt *), ‚‚natürlich ansgebeten
*) ©. 34.
+
> 205
haben.’ Laſſen Sie und das Lefiing’fche Geſpraͤch
endigen. on
Philolaus. Es iſt zu Ende. Mir Haben
alfo dießmal weniger gelernt, als wir wänfhten.
Theophron. . Und doch iſt mir's nicht unlleb,
daß auch dieß abgebrochene Sefpräc bekannt gemacht
it. Dem Verftorbenen kann es nicht ſchaden, wo⸗
für ihn der fchwache Sektenmacher halte, und ung
its angenehm zu ſehen, daß einem fo ausgezeich-
neten Denker, wie Keffing war, Spinoza nicht un⸗
bemerkt geblieben fey*); ia was Er aus ihm hätte
machen können, wenn er Spinoza's Spftem aus
einander zu fehen, und in bie ihm eigene Elare
Sprache zu übertragen, fich Zelt und Muße genom-
men haͤtte. Im Buche feines Freundes werben
Ste gewiß auch viel Wahres und Schönes, maͤnn⸗
lich⸗ ſchoͤn geſagt, gefunden haben.
Philolaus. Gewiß: nur muß ich eben ſo
aufrichtig bekennen, Theophron, daß ich mit ſeiner
„perſoͤnlichen, fupta= und extramundanen Gott-
heit“ fo wenig fortkomme, als Leſſing. Gott iſt
nicht Welt, und Welt iſt nicht Gott: das bleibt
gewiß; aber mit dem extra und ſupra iſt's, duͤnkt
mich, auch nicht ausgerichtet. Wenn man von Gott
0) Noch befriedigender ſiehet man dieß and ein paar Auf
fägen in Leffings Hinterlaffenen Schriften.
(Leffings Leben und Nachlaß. Th. 2. ©. 164. u. f.)
unwiderfprechlich zeigen fie den hellen und reinen Bes
sriff, Ten Leffing von Spinoza's Suftem hatte, und
Helen die Scherze feined Geſprächs an den Ort, der
ihnen achöret, Anmerk. ber zweiten Ausg.
d
306
'teder, muß man ale Idoke des diums inhver
Zeit vergeſſen, oder unſere beſte Muͤhe iſt ver—
gebllch.
Zweitens kann ich'ß eben fo wenig bergen,
Jakobi mit dem Begriff nice überefuftiinme, den
ih jet von Spinoza’s Spitem Habe, und hr welchem
wir beide uns doch Punkt für Punkt verſtanden
Alſo Fann ih auch In bie Konkluſionen nicht einfekm-
men ); „Spinoztemus ift Atheismus,
Die Lelbnis » Wolfifhe Vhffofoppte Fr
nfht minder fataliftifh als die Shit:
siftifhe. Jeder Weg der Demonftraffen
gehet In den Fataliemud aus”u,f, Dein
nach meiner Einfiht iſt Spinozisnus, wie Inf
Spinoza dachte, Fein Athelsmus; auch iſt in den
harten Ausdruͤcken des Spinoza die Lelbnitz Woifi
ſche Nothwendigkelt mit ber Spinoziſchen nihfeiter-
lei und dann muß man ſich von dem Wort Fa⸗
tallsmus, duͤnkt mich, fo wenig ſchrecken laſſen,
als von frgenb einem Worte. Hören wir barliber
Spfnoza felbft ***); „Auf Eeine Welfe unterwerfe
ih Gott dem Fatum. Daß mit unentwelchticher
Nothiwenbigkeit aus der Natur Gottes alles’ folge,
denke ich mir fo, wie ſich jedermann denkt, daß aus
der Natur Gottes es folge: Gott erkenne ſich felbſt.
ee. 170. 172. IE SE ES;
) Han ſehe hlerüber WEHLYE Widirtegung des Spino⸗
Uetmus, TH. 2, feiner naturtichen Gotteſgelahrrheit 6.
671. u. fi, die der deutſchen Ueberſetzung var’ Epino⸗
za's Sittelitehre (17447 betgedruckt Hk,
**#) Epist. 23. Opp. post. 463.
else ertenne; ex erfenwet ſich frei, obgleich noth⸗
{7
Weder göttliche noch menſchliche Rechte hebt
biefe Nturnothwendigkelt auf, Die tmoralifchen
Vorfärlften felbft (ipsa moralia documenta), fie
Bin Form des Geſetzes oder Rechts von Gott
— on alemand, und doch denkt fich niemand
207
ibel, daß Gott bar’ Schleſal gezwungen ſich
Mſanen oder nicht, find dennoch göttlich und hell—
das Gute, das aus der Tugend und aus ber
ehe Gottes folgt, ob wir es vom Gott als elnem
Richter einpfangen, oder wenn es aus der Nothwen—
diofelt der Natur Gottes folgt, es wird deßhalb
Weber mehr moch minder wuͤnfchenswerth, fo wie
Gegentnetld die Uebel, die aus böfen Handlungen
und Affeften folgen, deßhalb weil fie aus ihnen
notwendig folgen, nicht weniger furchtbar werben.
del unterm Handlimgen endlich, wir mögen fie noth=
wendig oder zufällig thun, fühtet und Dennoch Furcht
oder Hoffnung.‘
„Bor Gott werben die Menfchen Feiner Entſchul⸗
Ddung fähig, weit fie In feiner Macht find, wie
Thon in der Hand des Töpfers, der aus demſelben
Lim Gefaße macht, einige zur Ehre, andere zur
Unehre,’ 1. f.
Theophron, Ohne Zweifel haben Sie mache
gedacht, wodurch ſich Spino za das fonderbare Schi:
fat zubereltet hat, auch von feinen Freunden miß-
kannt zu werden. u
2 bitolane. Fa wohl, und ich bin immer auf
- Ve Utfachen zurucgekommen, aufdie Sie mic gleich
Anfange wleſen.
208
Zuerſt find's harte Ausdruͤcke, die in einer
sum Drud nicht ausgearbeiteten, nah dem Tobe
des Verfaſſers erfchlenenen Schrift mit andern ver
glihen, und wenigfiens milde ausgelegt werben
folten. Wenn Spinoza 3. B. „bie menſchliche
„Seele, fofern fie ſich die Dinge nach ber Wahrheit
„oorflelt, einen Theil des göttlichen Verſtandes
‚„mennt, und diefe deutlichen Begriffe In ihr Be⸗
„seite Gottes mennet, nicht fofern ex unendlich
„iſt, ſondern fofern ex durch die Natur der menſch⸗
„lichen Seele ausgedrüdt wird, und ihr Weſen aus-
„macht, ober fofern er mit thr auch andere Begriffe
„denket:“ fo lag (man dürfte nur diefe fofern
aus laſſen) ein Mißverftändniß vor der Thür, das
fein Syſtem ganz aufhebt. Körper und Seelen
wurden alfo als Theile von ihm gebacht, von
‘hm, dem nah Spinozga Untheilbaren. Man
abdirte Körper, man fummirte menfchlide Gedan⸗
ten und fagte: „ſiehe Spinoza's Gott! der unend⸗
„liche Verftand bei ihm iſt nichts als das Reſultat
„aller menfchliheng aud der Diebs- und Narrenge-
„danken.“ Hätte man überlegt, daß Gedanken⸗
und Gedankenweiſen fi nicht addiren, daß fie ad⸗
dirt Feine Kraft ausmachen, bie untheilbar in fi
ſelbſt, untheilbar In jeder fie darftellenden Wirs
fung feyn fol; hätte man überlegt, daß nad Spi-
noza ed eine Urkraft und in ihr ein lebendiger
Begriff ift, der die Ordnung und Verknüpfung aller
Begriffe und ihrer Folgen, mithin die Verknüpfung
und Drbnung aller Dinge in fich faßt und thätig aus⸗
druͤckt; würde man ihm den feinem Syſtem wibrigs
fen, jeder Vernunft anftöpigen Unſinn augeſchtiere
—
209
HABERT Ein paar unbegueme Bortformeln waren
dern Schuld, die man in einer Ihm wugeldufigen
ihm hätte verzeihen Finnen.
eben fg ſchaͤhlich iſt's ihm gewefen, daß er man-
ches feier prägnanteften Worte nicht erklärte,
auf deſſen beitimmten Sinn boch fo viel anfanı. So
33. „wenn jedes der unendlichen Attribute feines
„Gottes auch in allen feinen Modis und Verände-
„eungen etk unendliches ewiges Weſen ausdruͤ⸗
„Ken: ſollz⸗ was bedeutet hier das praͤgnante Wort
Ausdruck? Sind dieſe Modi bloße Symbole
oder atsbruͤckende Charaktere? find fie Re⸗
praͤſentanten und Darſtellungen bes ewl⸗
gen Weſens, das ihr Weſen und Daſeyn ausmacht?
Demi, ber verſtehen will, bat Spinoza genug ge⸗
fagt: Ken fein Werk iſt eine Idee von Anfange
Dis ans ende Wer über Worte ftreiten wollte,
fand deſto mehr zu ſtreiten. |
| Endlich feine an ſich vortreffihe ſpnthetiſche
Methode; fie fehlte fich nicht bieher, wenig:
ſtens zwang fie ihn. zu Vorausſetzungen und For-
mer, die durch die Analpſe gefunden, durchaus
nicht auffallend geweien waͤren, 3. B. Subftanz,
Attribut, Modus u. f. Getrauten Sie ſich ni.pt,
Theophron, In analytifher Form das ganze Syſtem
Spinoza's ganz unanſtoͤßig vorzuftellen?
Theophron. Leffing Tonnte es gewiß. —
Was glauben Ste, Phllolaus, wenn Spinoza wfe
der erſchlene, was wuͤrde er denen, die ihn fuͤr ei⸗
nen Atheiſten, Pantheiſten, Gottes ver⸗
theiler, Gettesfummirer u. f. halten,
Sagen?
Gar Werke . Phuleſ. u. Eeſch. IX. 44
Pd
z10 - ,
Philolaus. Mich duͤnkt, fehr befcheiden und
ſehr entſcheidend wuͤrde er ſagen: „was macht ihr
aus meinem Syſtem, deſſen Grund, eine einzige
ewige Idee, ihr zerftöret? Sind Modifikationen ohne
Innere Mealität, tft Ausdrud ohne Etwas, das ſich
ausdrädt, find Gedankenweiſen ohne eine unbe
ſchraͤnkte thätige Denkkraft gedenfbar? Wenn ich in
einer mir ungeläufigen Sprache alles that, was ich
thun Fonute, um euch ben reinen Begriff und Genug.
einer unthellbaren Kraft vorftellig zu machen, bie:
in fih alles, durch und aus fih alles im innig-
ſten Selbſt mädtig fühlet, wirket und darſtellt;
wenn ich euch dieß Weſenhafte analogiſch in euch
ſelbſt darſtellte, um euch dadurch zur hoͤchſten Freude
und Seligkeit zu führen; wie? ihre wolltet mir an=
dichten, daß ich das Eins zum Nichts, das thaͤtigſte
Mefen zu einem leeren Sedel und Kollektionamen:
von Schatten, bie ohne Licht ia auch nicht Schatten.
feyn könnten, gemacht, daß ich die Sonne ausges
löfcht hätte, um aus allen Funken der Johannes
wärmer eine Unfonne zu fabrleiren — ich bitte euch,
lefet andere, als meine, zwar nicht ım Geiſt, aber,
im Ausdrud unvollendete Schriften.
Theophron. Genug, Sie fprachen von bes.
Schaͤtzbaren, das Sie fonft In dieſem Heinen Buch )
Philolaus. Tas Schäßbarfte war mir bie
Dettlart des Verfufferd, der auch im Geſpraͤch mit:
Leſſing vorzüglich barauf hinausgeht, „Vernuͤnfteln
ſey nicht das ganze Weſen, nicht der ganze Bey
-
*) Ueber die Lehre des Epinoja. Bretlau 1786, *
211
ſtand menſchllcher Denkkraft. Wie allem, fo auch
den edelſten Kraͤften unſerer Natur liege Dafeyn-
sum Grunde; dieß koͤnne nicht in Vernuͤuftelei auf:
geloͤet, oder gar durch fie hinwegraiſonnirt werden.
Ohne Exiſtenz und eine Reihe von Erittenzen dichte
der Menſch nicht, wie er denket; folglich muͤſſe der
Due feiner Gedanken feyn, nicht, ſich Hirnge—
ſpenſte zu erträumen, mit Scheinbegriffen und
Sceinworten, wie mit einer ſelbſtgemachten Wirt-
lühleit zu fplelen; fondern wie er's nennt, Da-
feyn zu enthällen, ſolches als etwas Gegebe⸗
nes oder (nach feinem Ausdrud) als eine Offeu⸗
batung Gottes anzunehmen, über weiche und -
hinter welche man nicht hinaus kann. Seine
Sinne mäfle man durch Erfahrung, feinen Innern
Sinn durch Wahrheitsliebe, Ordnung und Zufams
menhang im Denken reinigen und fchärfen, willkaͤr⸗
Iden Verbindungen exiftenzlofer Scheinbegriffe,
d.E dem trägen, todten Nichts ertiagen, und de:
fir was da if, in dem Elgenſchaften und Bes
dehungen wie es da iſt, kennen lernen. Ein
ſolches Erkenutniß mit Innigem Gefühl der Wahr:
beit verbunden, ſey allein wahr: dieß allein
helle den Geiſt anf, bilde das Herz, bringe DOrd-
Many und Regelmaßigkelt in alle Verrichtungen un⸗
ſetes Lebens; da hingegen jene Gruͤbelei, ohre ein
Daſeyn von anfen und Regeln der Wahrheit von
In vorauszuſetzen, den Kopf öde und Das Herz
ter mache.“ .
Theophron. Mortrefflih! Jene menſchliche
Erlenntnig ohne und vor «ler Erfahrung, jene
Innlipen Anſchauungen ohne und vor aller finnils
hen Empfindung eined Gegenſtandes, nach einge:
pflanzten Formen der Denffraft, bie: ihr, von .nlem..
manden eingepflangt worben, find Undinge, bie, ie-.
dem, ber feine eigene Eriſtenz wahrnimmt, dem,
Kopf veröden. Auch wir, Phllolaus, baben.in unz-
ſerm Sefpräd den heiligen Namen oft alg ein. bloßes..
Symbol brauden müfen, wie wäre es, wenn wir.
den Luftgang unterbrähen? Sie kennen und fpres,
hen bie erquickende Sprahe ber Töne; wohlan!.
hier tft Ihr Werkzeug.
Phllolays. Ich ſpreche gern. dleſe Geiſtes⸗
ſprache:
Sobt den gewaltigen, den aan Seren, _
Ihr Welten feines A
hr Sonnenhesre, — ſeinem Ruhm,
Ihr, Erden. ſingt fein. Lob.
Der Widerhall lod' ihn und die Natur
Sing’ ihm.ein froh Konzert«
Uns. Du, der Erden Herr, o Menſch, zerfließ
In Harmonieen ganz.
Dich hat er mehr als alles ſonſt ——
Er gab dir einen Geiſt,
Der durch den Bau des Ganzen dringt und forſcht
Die Räder der Natur.
Erheb' ihn hoch zu Deiner Seligkeit;
Er braucht kein Lob zum Glück.
‚Die niedern Neigungen und Laſter fliehn,
Wenn du zu Ihhm dich ſchwingſt.
Die Sonne feige nie aus rother Fluth
Und finke nie darein,
Daß du nicht deine Stimme ‚einigeft
Der Etimme der Natur.
|
oo zı3
te Regen und In dürter Seit,
ImSonnenſchein und Sturm,
wenns ſumeit "Wenn Froſt aus Waſſer Vliücken Halle,
Und wenn die Erde⸗grunt.
Iñ Ueberſchwemmungen, in Krieg und Peſt
Trau' ihm und ſing' ihm Lob.
Er ſorgt ſim dithe denk er erſchuf zu Gilt
Dus menſchliche Gerdjteittt:
Und o wie liebreich ſorgt er auch für mid
An Ruhms und Goldes Statt
ah er Thle Kraft, die währpeit einjufehn,
Und Sreind’ und Saitenſpier.
Erhalte mir, o Herr, was Du mir gabfſt;
Mehr brauch ich nicht zum Glück.
Mit Heirgem Schawr will ih, ohnmächtig ſonſt,
Die preiſen ewiglich.
In finſtern Waldern will ich mich ein
Mit Dir befchäftigen,
Und feuien laut und nad) dem Himmel ſehn,
Der durch die Zweige blickt.
ad ten ans Geſtad des Meers und Dich
Sin jeder Woge ſehn,
Und hören Dich im Sturm, bewundern in
Der Au Tapeten Dich.
Ich win entzückt auf Felſen kümmen, burch
Bereiffirie Wolken ſetn
Und fachen Dirh ven Tag, bis mich Vie Nast
In heilene Träume wiogt.
214
Theophron. Ich danke Ihnen, Philolaus.
Möchte man nicht von der Muſit fagen, was Ba-
aint von feinem Strohhalm fagte: „wäre id
fo ungluͤcklich, am Dafeyn Gottes zu sweifeln
und hörte Muſik: fo würde fie mir Demonfira-
tion ſeyn.“
Philolaus. Da find Sie von einer fehr al:
ten Dentart, Theophron; denn neuerlih hat man
es fih klar gemacht, daß es eine Demonfitatien
von Gott weder geben koͤnne, noch gehe. j
Theophron. Und id möchte behaupten, daß
es ohne den Begriff Gottes, d. i. einer felbfiftän-
digen Wahrheit, keine Vernunfit, viel weniger eine
"Demonftration gebe. Denn ohne noch irgend den
Urfprung der Kräfte In Betracht zu ziehen, bie
denten, handeln, wirkten, und bie der über fidh
ſelbſt fteigende Philoſoph doch nie aus unferer Welt
wegläugnen kann, fo iſt fhon die Verknuͤpfung
diefer Kräfte, wie alle ihrem Weſen
nach wirken, und fih in meiner Seele
verbinden, mir Beweiſes genug von einem wez
fentliden Grunde innerer Wahrheit,
Vebereinftimmung und Volltommenpeit,
die ihr Dafeyn ſelbſt einfhlieht. Daf
.es etwas Denkbares gibt, daß dieſes Denkbare
nah Innern Regeln verknüpft werben kaun,
und bei unzählbaren Nerfnüpfungen dieſer Art ſich
Harmonie und Ordnung zeiget; fchon dag tft
mir Demonftration von Gott, und wenn ich ein un⸗
glüdfeliger Egoiſt wäre, der fi das einzige den⸗
kende Weſen in der Welt zu-feyn einbildet. Zwi⸗
hen jedem Subjekt und Prädikat ſtehet ein Ik
215
vder Iſt nicht; dieß Iſt, dieſe Formel der Glei⸗
chung und Uebereinſtimmung verſchiedener Begriffe,
das bloße Zeichen — iſt meine Demonſtration von
Gott. Denn, nochmals gefagt, es gibt eine Ber
nunft, eine Verknuͤpfung des Denkbaren in der
Welt nach unwanbelbaren Negeln, mithin muß es
einen wefentlihen Grund dieſer Verkruͤ⸗
pfung geben. Die Regel dieſer Verknüpfung hat
niemand millfärlich erfonnen, fo wenig fie irgenb
ein mit Raum und Seit befangenes, denkendes
Weſen willkuͤrlich übet. Sie iſt in der Geiſter⸗
weit eben bad, was bie Regel bes Gleichgewichts
unter ben Körpernift: fie trägt ihre innere Noth⸗
wendigkeit mit ih. Es gibt alfo eine ſolche in⸗
nere Nothwendigkeit, d. i. eine felbfiftändige
Wahrheit.
Philolaus. Und biefe felbftitändige Wahr:
Heit wohnet —
Theophron. In allem, was da iſt; okjek⸗
tiv oder ſubjektiv betrachtet. Unſere Kenntniſſe
find aus Sinnen und aus ber Erfahrung geſchoͤpft;
wir muͤſſen wahrnehmen, Aehnlichkelten zuſammen⸗
halten, allgemeinere Begriffe aus individnellen
Verſchiedenheiten abſondern und laͤutern; dieß alles
iſt ein Weg, der Irrthuͤmer im Wahrnehmen, im
Abſondern, im Verbinden und Trennen der Be⸗
griffe nicht nur moͤglich, ſondern beinahe unvermeid⸗
lUch macht: ein nothwendiges Loos ber Menſchheit.
Die Regel aber in mſerer Seele, nach welcher
wir wahrnehmen, abfonbern, ſchließen und verbin-
den, if eine göttlihe Regel: auch im Irr⸗
thum haben wir nach ihr gehandelt und mußten nach
‚316
ihr handeln, ſelbſt wenn ‚alle Gegenſtaͤnde deo
Deukens Wahn wären. Nun betrachten Sie reine
Wahrheiten, Wahrheiten z. B. der Geometrie. u
Fir unfere Sinne gibt es vielleicht keinen volllom⸗
menen Cirkel in der Naturz wenn es aber au
feinen gäbe, fo iſt mir der gedachte. mathemaetiſche
Cirkel, mit allem, was in ihm nach innerer Noth⸗
wendigkeit geſetzt und bewieſen wird, Demouſtration
einer ſeloſtſtaͤndigen göttlichen Wahrheit. Er be⸗
welſet mir naͤmlich, daß es eine mathemati⸗
ſche Vernunft In der Welt gebe, und ba uns
unfere Sinne nicht zulaffen, fie allentbalben in dei
Natur ‚zu erkennen und anzumenden: fo ſagt und
doch feiner Struktur und Abſicht nah jeder Siam,
und ihrem Weſen nach bie uns einwohnende Ver⸗
nunft, daß, wenn es denkende Werfen gibt, die
. auch mit feinern Siuuen die Weit anſchauen, fie
nah eben biefer einzigen nothbwendigen
Regel denken, baß alſo au bad Welen, das
bie Urfahe meiner und jeder Veruunft if,
diefelben Inneren Geſetze der Gedanken auf bie emi⸗
nentefte Weiſe kennen mäffe, bie es ſeinen
Wirkungen zu Grundgeſetzen des Daſeyns nicht
anders ale machen konnte. Sie ſchweigen, Phi⸗
lolaus?
Philolaus. Wie? wenn ein kritiſcher Pi⸗
loſoph Ihren Bewels bloß hopothetiſch memnte:
„wenn es eine Vernnuft gibt; wie aber? war: es
keine gäbe?
Theophron. Go gäbe es Feine; ein Phla⸗
ſoph, der feine Vernunft aufgibt oder Werft
laugnet, ans ſrelllch Iaine Demouſtratier⸗ unuam
217
ten, haban. W. 3. E. Werken bei
Seite! Sobald der Philoſoph ein Philoſoph wird,
d. 1 ſobald er Vernunft anerkennet und ſich dentlich
macht, was fie ſey; ſo bald iſt ihm eine weſſent⸗
liche Nothwendigkeit in Verknuͤpfung
ber Wahrheiten Im Vegriff der Verauaft
ſelbſt gegeben. Ich getraue mich zu fagen, daß
dieß bie einzige weientlihe Demenfiration von
Gott fey (mehrere wefentlihe kann es auch bcht
schen), die bei allen Beweiſen wiederlommt; die
aber niegend fo ſcharf uud rein erſcheint, als-bef.
ben Geſetzen unſores Verſtandes.
Alle Beweiſe z. B. aus der Natur, wo wir noth⸗
wendige Geſetze der Bewegung und Rahe, des Be⸗
tendes der Dinge nach einem Berhältwik ihrer iu⸗
mm Kräfte u. f. wahrnehmen, feßen dieſe Regel
sum Grunde , die wir am reinften bei unferer Ver⸗
uf bemerken, naͤmlich: „daß jedes Ding iſt,
nas es iſt, daß ſein Weſen anf Kraͤften, fein Be⸗
ſtand auf einem Ebenmaß dieſer Kraͤfte, ſeine Wir⸗
tung auf Verhaͤltniſſen derſelben zu andern Dingen
beruhe; und mer bieß alles nicht aus willluͤrlichen
Aſichten, die mie ganz beiſeit ſetzen, ſondern aus
innern Geſezen der Nothwendiglkeit,
aus welchen Beſtand und Zerſtoͤrung, Zuammen⸗
hung und Abſtoͤſung, Bewegung, Ruhe md Wie⸗
Img folgen.” Jede wahre Phyſiko⸗ Theolagke eut⸗
weit alſo nichts, als ewige Vernnuft und
Kraft mac nothwendigen Gefegen, im
Bau der Beichänfe, in ihrer ganzen Verkinbung
nach Det und Beil. Sie enthält aͤberell Einen und
derſelben Schiuß, Eine und hiefeibe Auſchauumg
‘218
‘tn taufend DBeifpielen und Gegenftänden vom ver-
ſchwindenden Kieinften bis aufs muͤberſehbare
Größte. Die Muſik z. B., mit der Sie mich er-
‚gest haben, tft eine Formel nothwendiger,
ewiger Harmonie, auch wenn mein Ohr fie
nicht hörte, auch wenn, abftrabirenb von aller
Wolluſt derfelben, fie bloß ein Werftand berech⸗
nete und mäße. Daß mein Ohr, daß meine Em:
pfindung für die Muſik gefchaffen iſt, daß fie auf
fo viele mir gleichgeftimmte Weſen einerlei Wir⸗
Tung thut; das alles macht zwar den Beweis der
in ihr wohnenden Harmonie lebhafter; es ſetzt
‚aber feinem bdemonftrativen Werth nichts hipzu.
Denn wenn auch Fein Ohr in ber Welt unb bag
Wefen ber Muflt bloß von einem rechnenden
Berftande gedacht wäre: fo wäre ber Beweis voll--
endet.
Philolaus Ich muß meinen Scherz wieber-
holen. Wie? wenn durchaus Fein rechnender Ber:
-ftand wäre?
Thesphron. So muß ih auch meine Aut⸗
wort wiederholen. Gibt es keinen rechnenden Ver⸗
ftand: fo gibt ed auch nichts Berechnetes, mithin
auch Feine Harmonie und Ordnung, bie eine Be:
tehnung bes Verfiandes if. Raͤumen wie
alles Denkende weg, fo ift nichts Denkbares; alles
Wirkliche, fo tft nichts wirklich. Mo gelangen wir
aber mit folchen Sophiftereien bin? und find fie der
Philoſophie würdig? Sertreten Ste bie ewigen
Srundfäge der Vernunft und loͤſen ſolche in hypo⸗
thetifhe Wortgefpinafte ohne Eriftenz; und noth⸗
wendigeds Erkenutniß einer inneren
219
Wahrheit auf; freilich fo ik Feine Demonftration
alht nur einer, fondern Feiner Exiſtenz moͤglich.
Bas haben Ste bamit aber gethan, als ben Grund
alles Denkens aufgehoben? und wie iſt nun ohne
zuſammenhangendes Denken Philoſophie möglich?
Ueberzeugen mich ſchon meine Sinne vom Dafeyn
sah ihrer Art, d. i. auf eine dunkle verwors
rene Weile; wie ſollte mich meine Vernunft nicht
von Daſeyn nach Ihrer Art, d. 1. durch beutlich-
verknüpfte, volftändige Begriffe überzeugen? Ver⸗
lange ich aber vor. ihr, daß fie mir ihre Begriffe ale
ſinnliche Anfchauungen, ohne finnlihe Anfchaunng
gebe, oder.mir das Daſeyn finulicher Gegenftände,
die in ihr Gebiet nicht gehören, als reine Vernunft-
Wahrheiten bemonfirire und tadle fie, daß fie das
nicht wolle oder vermöge: fo bat mein Tadel nicht
mehr Grund, als wenn Ich die Farbe hören, das
Lot ſchmecken und den Schall fehen wollte. Wie _
"wollen ung hüten, Philolaus, daß wir nie in biefe
Gegend. der „Hyperkritik bes gefunden
Verſtandes“ gerathen, wo man ohne Materia-
Hen bauet, ohne Erxiftenz ift, ohne Erfahrungen
weiß, und ohne Kräfte kann. Die Begriffe dieſes
Reiche find wie die Fata Morgana, fheinbare Nich⸗
tigfeiten zurädgeworfener Bilder ohne Haltung, ohne
Dauer, die fchlechteften Phantasmen, die es in der
Welt gibt, ſpekulative Phantome, ein Wuſt ber
Sprache.
Philolaus. Sie bauen alfo Ihre Demon⸗
fitation sigt auf ben Begriff der Urfahe und
Wirkung? -
Theophron. 3% nehme biefe Begriffe aus
\
/
00 |
der Erſahrang; in ði Gebtet der Demonſttation Mer
—
weiß ich fie nicht anders ais unter dem Begriff bes
Daſeyns zu verpflanzen, swell-fch weber was Utfache,
noch was Wöbehung Fey? vielweniger das Band zwi⸗
ſhen beiden deutlich erkenne. Demounſtriren Idee
ſich beb Loiner Erfahrung, duß dieß die Wirkung -je-
ner Urſache ſey, ob wir wohl ſinnlich klar erkennen
sder muthmaßen, daß ſie es ſeyn muͤſſe, weil wir
beide oft md anmer zuſammen⸗ vder nach einaicher
fanden, Ihnen iſt bekannt, weiche Fehl⸗ Muth:
maßungen man hieräber-feibit im Lauſ ber taͤulkchen
Erfahrung bei den gemeinſten "Dingen vft gemutht
"habe; und der Grund davon HE ſichtbar, weil Jeber
Schluß von Urſache auf Wirkung, oder umgekehrt
von Wirkung auf Urſache als Erfahrungsfatz nie De-
monſtratlion, ſondern Immer nur eine Muktzmußung
im Reich der Sinnlkehleiten war. Wir wilffen nicht,
was Kraft iſt, nmoch wie fie witke? wir Teen
ihre Wirkung nur als Zufchauer, ib Bilden Are
dadhet andlogkfähe Urthelle. Seibſt Die allgeitietnen
Raogein biesäber, die wir aufs Beitepeiolßtt finden
kdaunen wir ale demonfitiven. Was ſpliten wir ka—
niger keunen, als die Kraft, Die in unß dentt und
wirket? Wir kennen ſtr indeß fo weitig/ als febe vn
dere, die außer ans iſt. Selbſt die Gedanken Met-
wer Seele, als Wirkungen detrachtet, begrekfe ich
nicht; nur daun find fie mir begreiflkch, wein ich fie
immanent als Daſeyn, d. f. „als ewige
Weayrheiten zum Werfen metner :Bernihfe gehdrig⸗⸗
unter Vie Regel einer innern Nothwendigkein zu drnu⸗
gen vermag. Dahin alſo habe ich auch in Anfehnug
GBottrs meinen Bewels eingeſchruͤtet; ver gu viel
Pa
\
Eu
bemeiien..mfl > laͤuſt. Gefahr dafı er..nlchte de⸗ =
weile —
- Phllalaud. Alfa werden Sie ſich auch uͤber
die Art ber Schoͤzfung nicht erklaͤren, ob ſie Her⸗
vorbringung, Emanation u. dgl. fen?
Thaophron. Wie könnte Ich: dieſes, da ich
nicht weiß, mau Schaffen, was Hervorbringen heike?
Diegameine Vorſtelluugs art iſt, daß Gott die Welt
aus. ſicheh er au og e dacht habe: fie. ſcheint bie:
reinſte au ſeyn, weil wir von keiner reinern Wir⸗
kung ,. alsa vom Gedanken unferer Seele Becriff ha⸗
benz. auch haben ſichLe ibn iͤtz und alle helldendeuden
Konfe an ſie gehaiten, weil, ihnen bie: Erfahrung
kein beſſeres Bil, die Sprache keinen beffern
druchgah. Die Bedanken naſerer Serie, fagtıman,
(ah ap, ſich · arwirkſame Bilder; bie: Gedanken: Got⸗
tes „mit inn arer Allmacht beglaitet, waren hoͤchſt
witkſam. Er: dachte und es ward! er
wollte und es ſtand da. Ich glaube, es gibt
über eine für uns unerklaͤrliche Sache feine behut-
famere Eormel.
Indeſſen ſchließt ſie nus das. Wefen der Wirkung
nicht. auf; vielmehr muß. man.fih auch bei diefem
„heraus“ vor böfen Symboliſationen huͤten. Die
grobe Vorſtellunggart z. B., daß, Gott: nach Millio⸗
ven. Ewlgkeiten bie Welt aus. ſich „he ra usgie⸗
dacht“ habe, wie eine-Spinne das Gewebe aus
ſich ziehe iſt unertraͤglich⸗
Philolaus. Die groͤbere Emanation wird es
Ihnen alſo noch mehr ſeyn, und doch gibt man ſelbſt
dem Spinoza Schuld, daß er ſein Syſtem aus dem
Cabbalismus der Juden entlehnt hahe,
222
Theophron. Wer hat Ihnen das eingebildet,
Philolaus? |
Philolaus. Es tft eine fehr gemeine Mei⸗
nung, bie Spinoza felbft veranlaßt *) und vor allenr
Wachter In Gang gebracht bat.
Theophron. Wachter war ein gelehrter
Mann, den ich in jebem andern Betraht, nur
nicht als einen Phllofophen, ehre. Als ein reifen-
der Juͤngling von einigen zwanzig Jahren, firktt er
gegen einen Juden und wollte den Spinozismus im
Judenthum finden; einige Jahre darauf werd er
felbft ein Freund ber Cabbala, und wollte, ſeiner
erften Idee zufolge, die Lehre des Spinoza mit ihre
vereinigen **). Mich duͤnkt, die Philoſophie des
Spinoza iſt von der Cabbala eben fo verſchieden, als
es vergebliche Muͤhe iſt, dieſe durch jene laͤutern zu
wollen. Die Cabbala iſt eine Symbolif guter und
fhlechter, im Ganzen aber fchwärmerifcher, dunkler
%) „Omnia in Deo esse et in Deo moveri cum Paulo affr-.
mo, auderem etiım dicere cam antiquis omnibus He-
bracis, quantam ex quibusdam traditionibus, tametsä
multis modis adulteris, conjicere licet,‘ Epist. ar.
Opp. posth. p. A4g.
**) Die erfie Schrift hieß: „der Spinoziſsmus im Juden
thunt, oder die von dem heutinen Judenthur und ders
fen geheimen Cabbaſa vergötterte Welt. Un More
Germano beri.nden und widerlegt von. G. Wachter.
Simfterd. 199. Die zweite: Elucidarius Cabbalisticus
s. reconditae Hebracorum philosophiae recensio, epito-
matore J. G. Wachtero. Rom. ı706. Er fintet
zwanzig Achnlichkeiten zwiſchen Spinoza's Eyſtem und
dem Cabbalimus.
225
Vorftelungen in ungeheuern Bildern, mit denen
der reine, heitere philoſophiſche Sinn Spinoza's
ſich nicht genügen konnte; fonft wäre er ein Jude
geblieben. In feiner ganzen Ethik finden Sie kein
Bd, und feine wenigen Gleichniſſe find Ihm falt
mißrathben. In diefem Betracht iſt er ein Antipode
ber Cabbala, fo natürlich es übrigend wäre, daß
et ald ein im Judenthum Erzogener, ein Schüler.
des berühmten Morteira, gleichfam eine hebrdi-
fe Auſicht der Dinge in die Gartefifhe Philoſophie
gebracht hätte. Die erfte Form des Denkens ver-
lißt und nie ganz, und da Spinoza zum Carteſiſchen
Syſtem In einer fremden Sprache gelangte, fo war.
es natürlich, daß er fich ſolches nady der ſeinigen
typifirte, daher er auch fonthetifh mit dem wefent- -
lichen Begriff Gottes anhob. Mit der eigentlichen
Cabbala aber, noch weniger mit Ihren Emanationen,
(die doch von den Juden eben fo wenig erfunden find,
als wenig fie zu ihrer Theologie gehören,) bat das
Syſtem des Spinoza nichts zu ſchaffer. Wo er bie
Worte „Hervorbringung, Wirkung” brau-
den muß, brauchte er fie, ohne die Art der Hervor-
dringung zu erklären; am liebſten aber Ift ihm bag
Bort Ausdruck. „Die Welt drüdt Eigen-
Shaften der Sottheit aus, unendliche
auf unendblihe Weiſen;“, dieſe Redart iſt
eher mathematiſch als kabbaliſtiſch. Mon Aus-
fluͤſen aus Gott redet Spinoza nie; einem geome⸗
triſchen Geiſt ſind dergleichen Bilder auch nicht die
liebſten. Leibnitz bediente ſich einmal, um bie
Wirkung Gottes zu erklaͤren, des Ausdrucks „Ful⸗
gurationen,“ mobeh er auf das Bild der Sonnen:
224
ſtrahten awfpielte; bei Kaftner ) Böen: fe:
lefen, wie laͤcherlich man das Vild in der Folge ge⸗
deutet. Alſo wenn wir von: Gott reden, lieber keine
Bilder! Auch in der Philoſophie iſt dieß unſer erftes
Gebot, wie im Gefet Moſes.
Philolaus. Vom Unrath der Eabbala hielt
der ſich gewiß frei, der uͤber die Bildausdruͤcke der
alten Schriften ſeiner Natlon ſelbſt fo ſtrenge ur⸗
theilte. Genug indeſſen, ſeine Philoſophle ging
nicht vom Carteftſchen: Ih denke, darum bin
ich, fondern vom heiligen Namen feiner Väter aus:
‚Ab bin, der ih bin und werde ſeyn,
der ih feyn werde.” Diefen Begriff, der die
hoͤchſte, völlige unvergleichbare Exiſtenz in fih, fo
wie Alle Emanatkionen ausſchließt, ihn durfte Spi-
noza nur entwideln, und der größefte Thekl feines
Spitems Tag vor ihm. 8 gibt keinen abfoluteren,
reineren, fruchtbareren Begriff In der menſchlichen
Vernunft als ihn: denn über bag ewige, durch ſich
beftehende, volllommenfte „Dafepn, durch welches
alles geſetzt, In welchem alles gegeben Hk, läßt
ſich nicht felgen. Wie Elein tft dagegen dad Bild
der Weltfeele!
Theophron. Es iſt ein menfchlihes Bild
und wenn es vorfiddtig gebraucht wird, kann von der
innig einwohnenden Kraft Gottes mauches dadurch
anfchaulich gefagt werden; wie denn auch Spinoza
diefe Analogie gebraucht hat. Indeſſen bleibt es
ein Bild, das ohne bie größefte Vorſichtigkeit ſo⸗
— — gleich
9) Käfners vernifchte Schriiten Th. 2. S. 11. u. f.
x
’
225
geich mißraͤth. Leſen Sie 3. B. bie Stelle, wie
Leſſing es ſich Im Scherz dachte.
Philolaus. „Wenn Leſſing ſich eine perfön-
fihe Gottheit vorſtellen wollte, fo dachte er fle als
die Seele bes AN.” *)
Theophron. Merken Sie, wenn er fie eine’
perſoͤnliche Gottheit vorfiellen wollte; er hatte:
aber gegen diefe Perſoͤnlichkeit vorher ſelbſt prote=
fiirt; und wie könnte man auch bie Seele im Koͤr⸗
m eine Perſon nennen?
Philolaus. „Und das Ganze dachte er ſich
nach der Analogie eines organifchen Körpers. Diefe
Seele des Ganzen wäre alfo, wie es alle anderen
Seelen nach allen möglichen Spitemen find, als
Seele nur Effekt.“ |
Theophron. Erwägen Sie: „Bott, bie
Seele bes Ganzen, ein Effekt! alle anderen Seelen,
nah allen möglichen Syſtemen Effekte!” Effelte,
wovon? Bott ein Effekt weſſen? des Ganzen? bes
organiſchen Körpers? Und das wären, nach allen:
möglihen Syſtemen, alle Seelen? Ef
fetter *
Philolans. „Det organiſche Umfang derſel⸗
ben (Seele) koͤnnte nach der Analogie der organi⸗
ſchen Thelle dieſes Umfanges inſofern nicht gedacht
nerden, als er ſich auf nichts, das außer Ihm vor⸗
®) Ueber die Lehre des Spinoza ©. 34.
”*) Eine Erlänterung diefed Ausdrucks, f. Inder ten N
aaaase des Buchs Über Lie Lehre bei ern & |
uf, \
berders Werte 5. Philoſ. u. Geſch. K 45
%
E 2
⸗
6:
ha den nke, dezichen; von ichen nehmen venb dus:
wieder geben koͤnnte.“
Tuesphron. Alercheommt Gati als Mpele
der Welt :fcgm ‚einen. orgemifiben :timnfang,. heile:
dieſes Umfanges; er muß fich anf etwas besiegen.
Das außer ihm vorhandon iſt, von dem en. nehmen,
dem er wiedergeben koͤnne.
Philolaus. „Alſo, um ſich binehben · zu sex
halten, muß Gott von Zeit zu Heit ſich in Kch ſelbſt
gewiſſermaßen zuruͤckziehen; Tod aund tfkehuyg,
mit. dem Leben in fig vereinigen. Wan. e. ſich
von der Oekonomie eines ſolchen Weſens man⸗
cherlei Vorſtellungen machen n. f.“ Scherz! nichte
als Scherz, wie Leſſings Freund unmittelbar drauf
ſelbſt fagt *), „daß er bie Idee der Weltſeele bald
im Scherz, bald im Ernſt gewendet habe.“
Theophron. Ste kennen Leifinga Art; bie
Sache fo zu wenden. — „Es regnet. Das Tine
ich vleſteicht.“ *) u. f. Offenbar wollte er damit
- das Bild In ſeiner ſchlimmſten Uebertrelbung dar⸗
ſtellen, d. i. perſiſtiren.
Philolaus. Indeſſen, m. Fr., verhangen
wir doch nach einer Vorſtellung des Welt = Ganzen.
Am Einzelnen mag unfere Seele fi nie begnuͤzen,
und wenn das Gange, wie Ich-freitien einfehe, Tekw:
Rieſe ſeyn Tann, „der ſich gegen das: Michts ſtraͤubt,
Fi mit ſchrecktichen Kontorſſonen In ſich ſeibſt gustkıtr.
zieht, ſich wieder ausdehnet, und alſo Tod und
Leben ſchafft, damit der Ewiglebende ſich nur von
Zelt zu. Zeit ſelbſt im Leben. erhalte,” wenn a. dep
—
E33. 6,3%,
AR
dönk Furl ces oe eua· toll au⸗
mic demm voen Vaugen der· Melt bilden:
5:21,71 21,5 Keine⸗vcflaclichen Werbiiing-i- _
Molaus⸗ Das Endlofe uhr ten Birde; Das: ab⸗
for Anbudſichei : Einige: noch · miaden. Meiten·
Ste Tefnee: Pham⸗
I a ERROR ERIHTE ge (ale; er rn
| bait, wen · wit et dh
3. Beh die And Melten, Tag” und. Menſchen Auhenblice.·
e: En Yeicht die taufendfte der, Sonnen wärzt jest fi, -
d’ tatrfend vreiben noch zurücke.
Proteste Uhhr, veſeelt durch ein’ Sewicht
ER En" Hu arten Kraft de wegh!
Se Selen Ne) ad: una einrtandre Ankkgt,:.
Dirskenihteisfe ind zahl tte — 2
AT nt
Ak ham Achim Buga hat den Dichter fein. ganze.
Gemaͤhlde felbft vernichtet. So thut er's mir ſei⸗
| nien witde berdEratahein:
„Die ſchuellen Sewingen der Gedanken,
Wogregen⸗ Zeit und Statt und Wind
Und Aelbſe vide Lichtes Flügel langſam find, >
Ermüden über dir und hoffen Feine Schranken.
Gh häufe ungeheure Zahlen,
Gebirge Mittidmen aufs
Ich wälze Zeit auf Zeit und Welt auf Welt zu Hauf;
Und wann 6 von den fürdterfichkew i Höhe:
Mit. Eihwisdein. wieder mach dir (eben ':
SH MERKE verkmsprtanissanfend Malen,
Noch nicht Kimi Tfeineen dierx
Ich zieh' ſie ab und du liegftganz vor
W mid
-
— 28 Ä
Raffen Sie ums alfo ſelbſt von efmerm Dichter lernen,
anf metaphufifche Phantasmen und leere AUnfhauum
gen eines endlofen Raums, einer endloſen Zeit, ge⸗
ſchweige des untheilbar= ewigen Daſevns In Bildern
Verſicht zu thun. Philoſophie iſt nicht Phantaſte⸗
rei; nichts als Ungehener Tann biefe erzeugen⸗
vor denen es jeden, nur nicht dem Erfinder feld:
ſchandert. un
Philolaus. Go möchte ih denn, ohn' ale
Bilder, Raturgefehe der Haushaltung Gottes, ans⸗
drädende Symbole der höcften Birk
lichteit, einer nothwendigen Gäte nad
Weisheit Tennen lernen. Denn, SCheopbtoh,
der gordifpe Knoten in Spinoza's Spftem liegt nd.
vor mir, das Mäthfel: „wie entfiand, ment
nur Eine’ Subftanz diefen Namen ver
dienet, der Wahn oder die Wahrheit
einzelner, vielet, zabllofer Sübſtan-⸗
sen?" ee,
Theophron. Wir wollen die mergende
Abendftunde zur Unterredung wählen, — IM
Ihnen diefer Hymnus hefannt? er gibt kein Bild
"von Gott; aber etwas Beſſeres als Bilder.
GG oo tu. 00
No —
Der Einzige, der allen alles iſt, .
ft unfer Sott! Geſchöpfe, betet an.
- Den nicht: Erfhaffenen, den Ginzigen, '
Den Ewigen, Gelhöpfe, betet an.'
96. @leimd Halladat ILL. \
229 ı F
Du feine grobe, weite, ſchoͤne Wert
Mit allen deinen Feuerkugein dort! _
Du_wareft niht, du wurdeft und.bu bift
In deiner Pracht. Geſchöpfe, betet an.
4
Zehntauſend ſeiner Sonnen traten hin
Und gehen ewig ihren ‚großen Gang.
Zehntauſend feiner Erden traten hin
Und geben ewig ihren großen Gang.
Zehntaufend Myriaden Geifter ſtehn
Um feinen Thron. Um feinen Thron? — Hinweg
Mit feinem Thron. Gr fit, er ſtehet nicht,
Er ift kein König, Fein Katif. Gr ift
Das Meren aller Wefen; er ift Gott,
Iſt unfer Gott: Gefhöpfe, betet an.
Wer ift, den er zu feiner Werkftatt rief,
Dahinzutreten und zu fehn,
Wie er ed macht? Wie er den Ocean
Sn fo gefhmeidigem Gehorfam Härt, - F
Daß feines Waflers nit ein Tropfe fort
Aus feiner Tiefe will; wie er den Mond
An einen dünnen Faden bindet und
In dlauer Luft ibn fchweben läßt; wie er
In Zeit von Roffes oder Reiters Hui
Zehntaufend Millionen Eorneniernen mißt,
Und keines Apfels, Feines Staubes fehlt!
Wer ift wie Er? Auf feiner Erde wohnt
Kein ihm ergebener,, erhabner Geift
Und Feiner blickt von feinem TWolkfenzug’
Und- feinem Morgenroth, der mir es fagt,
Wie er e8 mat! Ken Seher Gottes iſt,
Kein Heiliger, kein Frommer, der ed weiß.
Bon dir, du Eleiner Bau auf welchem wir
Behntaufend Millionen Ballen dort
Nur funkeln fehn, hinauf zum Sonnenbal, _
— 280
Kom BSonnenvau Ginaw mmd'Winttis,
Der millietenmäf: fo: groß wie su
. Dum armen ⸗Eedenwarm ein Panobniniiſt;
_... Borbidir, Nu kleiner hier, bis zu dir,
* Du ſtolzer Adler, der den Kaukaſus
Auf feinem Flug für einen Kleſel ſieht,
Bon dir,. du Feine Schnecke, deren Blut
Die Hüllen ſtolzer Menſchen kärben muß,
Zu dir, du kluger Affe, welcher ſich
Die Wangen färbt um ſchön zu. ſeynz unbaum
So weiter fort zu einem Geiſt, der Bott
Das Welen aller Werfen denken will, —
Ha welche Etufen! Werde Stufen.pier
Und dort in allen Milfionen dort !
Sn allem Todten, allem Lebanden,
Und allem Veinten ,. allen: Schwenens —ı Ko
Der Einzige, der allenraltes iſt,
Sf unſen GSott Gaſchopfe betet an.
1
Sinfres’Sefpr ih.
Theano Berpönrien Ste mir, meine Freuns
de, dap ih Heut Ihre firbidare Zuhoörerlun ſeyn
darf, wie ich's bisher unſichtbar gewefen. _ Vieles
von Ihren Gefpraͤchen habe ich nicht verſtanden, und
aud. heut begehre Kiy.micht eben alles zu werfichen;
genug für mi, wenn Ich nur im Ganzen dem Sinn
Ihrer Unterredung folge. Meine Gegenwart fol
Sie nicht ſtoͤren; ich werde ſcquweigend meine Arbeit
. —
REDE TREE Tiere" SER Slerbe⸗
yeshyron Sie find willkorninen umnſerm
Werk, Thehno: deun aiich Sle haden gewiß
ne Dagegen, Phildlaus, daß Theme zuhdre?
9hilolaus: Sehr 'viel, wenn fie bloß suhb-
ende. -Steiinäffen ſich in unſer Geſpraͤch Mi-
ſFchen, Theans, uud ihm, wenn es fich in eihe
eereꝰStholaſtet verirret, wieder anf den: Schau⸗
Ber Menſchhelt helfen. Verſptechen Ste uns
Theano. Ich will Sie fo wenig untrrbrechen,
Mc feyn Fan und Ihnen dafuͤr glelch jetzo zum
oſpraͤch heſen. "Ste wunſchten geſtern, Phllolaus,
Regeln der Haushaltung Gottes in ber
Belt, oder, wie Ste es nunnten, ausdruͤ⸗—
ude Symbole Telner Wirtiiäteit,
Mut, Wetshett nird Güte kennen zu ler
ws wie iſt's moͤgllch, daß Theophton aus dem
. Diekn, der mis: nmiffteßt, einige Tropfen ſchoͤpfe?
Faſt· mit Miderwillen hoͤrete ih Ste geftern Melnm-
Yenakkähren, als ob' das Difegu Gottes unerwels⸗
Ep iſey, mdrwunderte mich, Theophron, daß Se
Ei An dieß Wortgewirr eirlleßen. Das Daſern
us Mefens kam, wie mich duͤnkt, nur durch
Saſevyn mb dan die Erfahrung deffelten, nicht
durchawiutariiche Begriffe ud leere Worte erkanut
werden, ſo wentg als es durch dieſe auch wegge⸗
Sal werden mg. Man hat ein Spruͤchwort, daß
an darch Tefume weder reich, noch ſatt werde;
darch· Motte: wird nanſs eben fo wenig. Wir find
Menſchen, and als Welle, titten, mniiſſen sole
—
252 -
Gott kennen lernen, wie er fih und wirklich geges
ben und dargeftelt hal. Durch Begriffe empfan⸗
. gen wir ihn als einen Begriff, durch Worte als ein
Wort; durch Anſchauung der Natur, durch ben Ges
brauch unferer Kräfte, duch den Genuß unſeres
Lebens genießen wir ihn als wirklihes Dafeyn
vol Kraft und Leben. Nennen Sie, abftrakte
Herren, dieß Schwärmerel, fo will ih gern eine
Schwärmerinn feyn; denn ich mag lieber die
wirkliche Roſe fehen und genießen, als von einer
erbichteten, gemahlten Mofe mit oͤdem Kopfbre-
chen träumen. .
Theophron. Wohl Theano! Sie ſehen
‚doch aber die Roſe, die Ste genießen, und werden
ſich dieſes Genuſſes wegen die Mugen nicht verbin-
den. Und was arbeiten Ste da? Sie ſticken ſelbſt
Diefe Blume. Sie ahmen alfo einer Auaft der Na⸗
fur nad, die Ihnen nur She bemerkendes Auge
fihibar machte, und jest das Auge Ihrer Seele,
Shre lebhafte Erinnerung, der Nadel gleichfam vor⸗
zeichnet. Schließen Sie alfo von feinem Gefühl,
von feinem Genuß der Schöpfung ben Gedanken
“and; er iſt und zum Innewerden Gottes fo nothe
. wendig, als Ihrer arbeitenden Nadel bag Bild der
Zeichnung in Ihrer Seele. Der verlennete bie
Menſchheit, der den. Schöpfer nur fchmeden und
fühlen wollte, ohne ihn zu fehen und zu erfennen.
- Theane. Den Vorwurf verdiene ich nicht,
Theophron, da ich unfern Philolaus eben vor einem
gleichen, Fehler einfeitiger Trennung warne. Ich
habe die Phitofophie herzlich gern, wenn fie bei Ge⸗
genftänden, bei wahren Dingen der Natur bleibt
EZ
Ds
|
b 2
" 235
mad ſolche in's Licht ſezt. Ich habe mich ſehr ges
freuet, da Sie Ihren Freund anf die Innere Schoͤn⸗
beit, Guͤte und Wahrheit aufmerkfam machten,
die allen Gegenſtaͤnden der Schöpfung nicht ale Will⸗
für aufgeheftet iſt, ſondern als Wirklichkeit felbit
in jedem Weſen liegt, und dieß Weſen ausmacht.
Seit der Zeit bemuͤhe ich mich in allem, was um
mich iſt, dieſen Punkt der reinen Nothwendigkeit
auszufinden, und bemerke in ihm Immer Wahrheit,
Güte, Schönheit. Ich wollte, daß ich, mein Le⸗
ben hindurch, alle meine Geſchaͤfte, meine kleinſte
Kunft, ia felbft diefe armfelige Blume fo fchaffen
und einrichten könnte, daß bie webende Minerva
ſelbſt ſagen müßte: „auders als alfo Fonnte fie
nit gemacht werden.” Wie viel Troſt, welche
ſuͤße Anmuth Liegt in dem Wort „Nothwendigkeit“
Infonderheit für unfer Geſchlecht, dem durch die
Ordnung der. Natur und dur die Einrichtungen
ber Menfchen fo wenig Willkür erlaubt ift! Ich danke
der guten Abraften, daß fie und fo wenig erlaubte,
da unfer Geſchlecht eben am meiften nah Willkür
firebet. Jetzt liebe ich diefe Tochter der guͤtigen
Weisheit, und hafle ale Launen. Ich überlaffe fie
den Männern, die fih ja willfürlihe Herren der
Erde zu feyn duͤnken. — |
Theophron. Halten Ste nicht viel von die⸗
fen willtürlihen Herren, liebe Theano. Je went:
ger Vernunft, defto mebr bat und liebet man Will⸗
für. Sch wollte den Mann kennen lernen, ber,
4
—E
weiches kleine Geſchaͤft des Lebens es auch fen, ſol⸗
ches auf unzählige Arten gleich gut verrichten koͤnnte,
und es feiner blinden Wahl uͤberlaſſen glaubte, welz _
84
* von oft Veten et vorgtrhenavblle
Sew des mannihen Lebens ae 2
use auf Pflachte zu lernen; ſolche ab us
: n; er,
ob eat Pflicht / fey, in sehen Augenbeia ve
Eebens aufidie leichteſte, beſte Weiſe zu Abi, *
: fo jedeßmal den. hoͤchſten Punkt der Kaurmit,
Ddas Deſeh des einzigen Beften, ber halben: wid
ſhonen Moͤthwendigkeit, zu etreichen. Diefe Iſt
nu
| aloe: Bmang,. ulapt: Viothbinft" von: Inte 'obeernen
außen, ob fie gleich‘ einem unerfchrenen, traͤgen,
aefo düiet; Ihe oh
metbniigen Meuſchen
fanft, ihre Laft iſt leicht, wenn man berfelben ein
al gewohnet. Wehe dem Ham, der im len
Gewohnhelten hart ward; wohl aber jedem vernuͤnf⸗
Agen, thaͤtigen Weſen, dem ſeine Pakt unddie
fftchbufte Aet ſte zu aͤben zut Natut, d. i. zur Nine
wenbiäfeit ward, Er hat ben Lohn der guten Eugel
An Ph, von denen: die Reflgion'Tast, daß Re, fir
Sudben beftätigt, nicht mehr fallen Können, noch fal⸗
tin: wollen, well ihre Prlkcht Ihnen: Natur, a |
ihre Tugend Ihnen Himmel und Seligktit iſt.
wollen ung auch beſtreben, melne Freunde, vorm Ä
wer Cohn Mefer Tellgen Weſen zu ns:
warum dürften wir bei ihnen: ſtehen bleiben, da
uns allenthalben In ber Natur das Sorbi unters
Waters felbſt voelenchtet, der im Keluſten und
BSebßeſren ohn' ale ſchwache SE mit ber
wanzen‘ Schoͤrhelt und Guͤte einer ſelbſtſtaͤndigen
Vernunft, Waͤhrheit und Nothtwendigteit ar⸗
deit. —
an denn, eine: Freaude, und die Wo
FOR ſeioſt wird uns vdrithen/ da wir dieerr igror
⸗
Werke.als !Wieriweifete, e ſte Mthmandgtritnu
uantacinktchen. "RE Acante fie, dem ſttrauf
nalen mn beuschflliiun Dirt? Meſru datſtelte, hd
konnte fie ihnen Höheres geben, als was Inte
war Bieter lichke it/ Datepn.
Beier Ws, nach uuſern Vegtiffen, der Oruuh
Adres Ornu fſes, Die Murzeballer feiner unenbiiihen
Aßraͤfte; iujodenn daſeyenden⸗ Diuge vnicht minder.
ler "foren Abhaͤngizkeit angeachtet find ober
duͤnken augewierukd Shbiiangen,, und fühlen unfer
Dafeyn mit fo Inniger Gewißhelt, mit fo zuver⸗
fiaseticher Freude, daß wir an die Zerſtoͤrnug unferer
nicht nur ungern denken, Tondern auch mit aller
Gewalt fie ung nicht vorzuftellen vermögen. Es Hi
das Weſen des: denkenden Geiſtes, dab. er vom
Nichts durchaus keinen Begriff hat, fo, daß eine
fonderbare Merddung des Kopfs dazu gehöret, ſich
nur einzubilden, dab: das Nichts ein denkbarer Be⸗
griff ſey. Ein Gehen fuͤr daffelbe dO vder —1
kann man.ſich erdenken, und.indbem man zwei Dinge
eingnder widerſprechend erkennt, eins buch das
andere wegraͤumen. Der Verſtand vermag deutlich
einzufebhen,. daß, indem er das. eine fi vorſtellt,
er zu eben ber Zeit ſich nicht auch das andere als
:jenesnbenfen Biune; barmit; aber hat ernichts Wirk-
Aches weggeraͤumet, hat auch yon nichts weniger als
vom abſoluten Nichts einen Begriff. Statt des vol⸗
eins z. B. kann er fi einen ungehrucon
pw arzen: leeren Maum / einbliben; damit aber bii⸗
eterer ſich noch Bein Nichts ein. Az dus Nichte
REIT: es·iſt atſoauch qe den Weſen, das Im
,.stkgmueige beni ene und Zuberrit mitt
— —
2
—X
-
| 28s6.
Dirklichkelt, Gott, ein leeres Nichts, d. t. un⸗
dentbar. Bemerken Sie, Philolaus, was aufbie
fer Innern Nothwendigkeit des Begriffs vom Daſeyn
ruhe? |
Philoldus. Die ſchoͤnſte Wahrbeit. ruhet
darauf, naͤmlich: daß es kein Nichts in der Natur
gebe, daß es nie geweſen ſey und nie ſeyn werde,
weil es etwas Undenkbares, ein Nichts iſt. So
wenig der Ausdruck: „aus Nichts ein Etwas ſchaf⸗
fen“ oder die Schilderung des Dichters:
„Befruchtetsmit der Kraft des wefenreihen Wortes
„Gebiert das alte Nichts“ —
oder
„ars mit dem Unding noch das neue Wefen rang” —
oder:
„Als auf die Macht des alten Nichte
„Sich goß der erſte Strom des richts,
einen andern als bichterifhen Sinn haben: fo wenig
bat unfere Seele einen Begriff davon, was ed heißr:
—„etwas vernidhten, ein Etwas in Nichts ver
wandeln,” oder wenr der Dichter fingt:
„Wenn ein zweites Richt wird biefe Welt begraben;
Wenn von dem Alles ferbft 1ichts bieibet als die
‚Stelle: —
‚denn wenn die Stelle noch da iſt von biefer Welt,
mithin eine Stelle zu neuen Welten: fo iſt noch
nichts weniger ald das Nichts da. Wie fehr- find
‚mir. jest alle diefe Scheinausdräde, leere Seſpen⸗
fer elner ſcholaſtiſchen Phantafie, sumiter! Bienn
- Ä
\
2887
manche Metaphyſiker alles Deukbare, bie Well,
ſelbſt rein wegräumen, und finden ein nage⸗
8 Nichts ale das reinfte Obirkt ihrer Wernunft
fehr denkbar, finden es ganz natärlich, daß ſich aus
Hefem Nichte mit aller Vernunft kein Etwas weder
Seit. noch die Welt hervorbemonftriren laſſe ¶
Theano. Ich bitte, endigen Sie, Yhllolans,
mit dem gräßlichen Nichts.
Philolaus. Oder wenn gar das Dafenn,
das erfreuliche, nothwendige, innigfte Dafeun Ih⸗
nen gräßtich biiuft. — „Die reine Nothwendigkeit,
fügen fie, fey ale der lehte Träger aller Dinge ein
Abgrund für die Vernunft. Selbſt Hallers Ewig⸗
kelt mache Lange nicht den fchwinblichten Eindrud auf
das Gemuͤth, als das nethwenbigfte Daſeyn Got⸗
tes: denn jene meſſe zwar, aber fie duͤrfe nicht tra⸗
sen. Wan könne den Gedanken nicht ertragen, daß
in Wefen, wenn wir es uns auch als das hoͤchſte
anter allen möglichen vorftellen, gleichfam zu ſich
ſeibſt ſage: „Ich bin von Ewigkeit zu Ewigkeit:
außer mir iſt nichts, ohne das, was bloß duch mei⸗
zen Willen etwasit; aber woher bin ich denn?
Her, fagen fie, hler ſinkt alles unter und und bie
grögefte Volllommenheit wie bie Heinfte, ſchwebt
cue Haltung. bloß vor der Tpekulativen Bernunft,
her es nichts kofket, die eine fo wie die andere
ohne das mindeſte Hinderniß verfhwinden su
iaſſfen 5 | |
ö— — N
2) Kantd Kritik der reinen Vernunft. Zweite Ausgabe
8. MM. pienn ihr fagt: Gott iſt nicht fo if
weder Die Alimacht noch irgend ein anderes feiner Yräs
'
/
388:
u aun o. weten ee...
von :benihden Bar fisikrugmen: Die Mobile
Ahh ihin ein Brib aub warhe mais, ſeit dam
ladden Seſpraͤche angehoert; haba, weder Hlens
Ewtgbeit nid vine maſſende noch — — Baal
wendigleit als eine Tuhgerium.. noch. bes Huchſten
aldıeinen Spreulanten: derken, der ruhmsehigsuuit
ſich ſelbſt ſpricht, und fiantiäricher-fragke t augen:
her er ſey #' Ich weiß aucch nicht, ———
ſorhen idergle chan Phantaccnen deutlichen Drgsiäies
fegen; ober wagtaͤumen; nach ob es rin. X rhuniupkn bet:
Bernunftien,. die grägtfte Woiiemmenkeit, derbie
Heinite witcurlich „ohnerbainisheite Ginderuifnnge
ſich vor ichwinden an — aber dae 70. us
ic, .bafınachansinan Iderres Ita Iiherad.: Fellgeuet
Darfews. igeben kam; :ald sbeflen, .Iuschibemnaliaht
iſt, darch ben allesngenkeßet umb cher... Er Daun
mern Da: Dapeyn jedad. Dinge: auf seinen) denen
Nothwendig leit feiner selbfb, einrr durch ſichabrſten
henden hoͤchſren Weridheit und GSite ruhrte nie
muͤhfam tragen; ‚altes arägt: ch ſelbi, wie dier e⸗
gel auf ihrem Schtoerpunlt ruhet: "ben illrs Dane:
feyn Aſt ja n ſeinom eigenen ewizen Dafemm: iu fele.
ner Macht, Guͤte and: Meltheit gegründet. ‚Gin.
haben. uns zwar wer Bildren gewarnt, Khtsahrenn
aber Altkuchleit dem Yhantian entgegengeſte By
iſts unertraͤglich zu: denken, daß die Wurzel Dat
Baum trage? Sie wäre keine Wurzel; wen fie
dikate gegeben; denn fie find alle zufamme dent END
zektrea ufgeh o benz and sed yuigt fin de. dirſen 9" +
dan ben nicht der mindeſto Widerforuch. Boca.
Bu, . - " yon — —
—
ſelner @rfheimmg nicht ewig bauere.. Was zufam⸗
DUB -
Dinslaken rt: Ebern «bh ſainan
Alan, Bueisen, Blauͤthen und Fruͤchten nichkrgn:-
tuasuchdtinunh:gnm tige. SarbieewigeMiuräeh
voutsuuesunchlädhen makes Anhend, deu, durch
Dedu Weltall· verbreitet / mit augkhlte-: in elnonder
verſchlungenen Zueigen da iſt und; axanat. Er, ‚bie:
uncudliche Quella alles Dafe pu dea arũ eſten ſe⸗
ſchenta, das aur ar mitkhellen komete,
Sheaphren. Und welh ein Pfaud, meine
Faruade, haben init Diefem Me ſcheuk zurzeeigan⸗
unſeres Lebend Defepeik-eimsungene: -
theilbarer Begriff, Weſen. Es lau ıfo mania in
ein Nieht⸗a werben, als. manig:es-ein
Richts iſt; oder auch das hoͤchſte Dafeyn, die Gott⸗
beit koͤnnte fih felbft vernihten. Wir reden bier
nit ven Erkbehmngen, von Sufammenfesiingen-
irgond einer Seſtalt in Dem, was. wir Raun und -
Zeit nennen. Ades, was erſcheint, muß verſchwin⸗
ben; jedes Gewaͤchs der Seit trägt ben Keim der
Verwefung in ſich, der da macht, daß es in diefer
mengeſetzt iſt, wird aufgeloͤſt: denn eben diefe Zu⸗
ſammenſetzung und Aufloͤſung heißt Weltord⸗
nung, und iſt das immer wirkende Leben des Welt⸗
geiſtes. Auch reben wir ſelbſt noch nicht von. der
Nuſterblichteir einer Menſchenfeele, mm ums’ etwa
Phantome der: ESablldungskraft vorzuzeichnen, wie
ſte im Raum und in der Zeit, d. i. in der
großen Weltordnung andere Organe annehmen
med ihre Kraͤfte von neu Aben werde. Wovon
wir reden, iſt ein einfacher Begriff, Wirtiiche
kett, Dafeya, an. welgen das niedrioſte mit
/
⸗
>
m
240
dem oberften Weſen Theil hat. Nichts kann unter⸗ |
‚gehen, nichts vernichtet werben „ oder Gott müßtz
ſich felbft uernichten. Da nun im unendlichen Da⸗
ſeyn alles liegt, was feyn kaun und iſt; wie endlos
wird die Welt! Eundlos nah Raum und Zeit, und
in ſich felbft beſtaͤndig. Gott hat den Grund feiner
Seligkeit Werfen mitgetheilt, bie anch, wie er, das
Meinfte wie das größte, Daſeyn gentefen, und das:
mut ich Ihr Gleichniß brauche, Theano, als Zweige
von feiner Wurzel Lebeusfaft fchöpfen: Mich duͤnkt,
wir zeichneten uns alfo, Philolaus, das erfte Natur⸗
geſet der heiligen Nothwendigkeit auf.
Philolaus. Mit Vorbehalt meiner Fragen
daruͤber:
- 1 Das hoͤchſte Daſeyn Hat feinen Ges:
fhöpfen Das Hoͤchſte gegeben, Birk:
lichtkeit, Daſeyn.
—Theophron. Aber, meine Freunde, Daſeyn
und Daſeyn, fo einfach der Begriff iſt, find in ih⸗
sem Zuſtande fehr verfhieden, und was. meinen
Sie, Philolaus, was bie Stufen und Unterſchiede
deſſelben bezeichnet?
Philolaus. Nichts anders als Kraͤfte.
In Gott ſelbſt fanden wir keinen hoͤheren Begriff,
wodurch ſich Wirklichkeit offenbaret, als Macht;
alle ſeine Kraͤfte waren eins und daſſelbe. Die
hoͤchſte Mucht konnte nicht anders als bie hoͤchſte
Beil beit und Güte feyn, ewig lebend, eig
wirkſam.
Theophron. Das Hoͤchſte alſo ober viimee
dee· Mlnkdern Bptt: iſt wicht ain Reſtes auf einer
Atfenlaiter von Stinqagleichen) wie konnte es Ah
mirend fanberen, als im All? ——
Hier. In ihm konnte nichts ſchlammern, ud
unsre, war Er ſelbſt, ein Untheilbares,
“Mihe, Almacht. Die Welt Gottes Ak
— mht weil er. ke. unter ſWlehhberer
wihlke, ‚ ſoadera weil ohne ibn woher. Gntes N)
Bu and er.nac Der innern Mott⸗
maihigteit Si ches: Drafennd: Schlechtes wirken
Iomnte. lia⸗ i alfe.ba, was da fapn;fonate s;alle
Aniftr in Ans druck fehner..Mraft, ud) Allwai⸗⸗
Yit, :Migkte., :Mihhönkeit, Im Eleinſten uud
Göfehen, PL es5: in jehese Punkte Det Romus
Moe ahnen aft, Moſßaͤbe aires. eingo
— — — — mi ber ‚Dinge. — und neben
— — Gott: we:
d Dei noch Jet, at —* elnet ewi⸗
gen Verbindung. Er ie vor allem und 24
befteht alles in ibm; die Melt elu Aus:
drin, eine Daritellung der Wirklichkeit feiner ewig
Ithenden, fhatigen Kräfte.
Theano. Auf einer wie hohen Stufe flehen
ale menſchllehe Wefen alte, in denen, To wichtige
Eſchelnungen wir find, Dennoch ein lebender Aus—
den ber drei hoͤchſten Sottesträfte, Macht, Ver—
Kand und Hüte mit innerm Bewußtſeyn woh—
ne, Mir fünten ung Feine andere, geſchweige
höhere Elgenſchaften geventen: denn was wir in
Men, Werken der Natur. Gottliches ſehen, ſuͤhret
Verderd — Hhileſ. u. Seſch. R. 16 >»
u 242
fiih auf diefe drei zuruͤck, beten eine die andere er⸗
klaͤrt/ deren hoͤchſter Inbegriff und Urſprung uns
als Gottheit erfcheinet. -Das weientiihe Geſetz
Gottes wohnet alfo in uns, unſere obwohl be⸗
ſchraͤnkte Macht nach reinen Ideen der Wahrheit und
Guͤte zu ordnen, wie ſolches ber Allmaͤchtige ſeiner
voltoemmenſten Natur nach ſelbſt thut und allent⸗
halben ausdruͤkt, ausubet. Er hat uns darin et⸗
was: Weſentliches von ſich mitgetheilet, und uns zu
Ebenbilbern ſelner Volllommenheit gemacht, Indem
Res in der Natur einer göttlichen Kraft liegt, wicht
blind, ſondern mit Euſicht, nicht eingeſchraͤnkt und
aft, ſondern mit einer «les Nichts ausſchtie⸗
Penden Güte zu wirten. Geber willtuͤrliche, ‚vers
munft = und gütelofe Gebrauch.’ unferer Ktäfte;
der und von dieſer Regel entfernt, macht nafnneinig
mit uus ſelbſt, verwirrt, ſchwach, ohumächtis. —
Theophron.Mich dintt, Philolaus, wir
koͤnnen alfo den zweiten Sa einer göttlihen Noth⸗
wendigkeit jenen: .
‚ I Die Bottheit, in ber nur Eine wer
fentlide Kraft if, die wir Macht,
..» Weisheit und Guͤte nennen, konnte
.,.nidhte hervorbringen, als was ein
lebendiger Abbruck derſelben, mit-
bin Selb Kraft, Weisheit and
Guͤte fey, die eben fo untrennbar
: das Wefen jedes in der Welt er
u Iheinenden Dafevns bilden.
pyklokaus. Iqh wuͤnſchte, daß Sie für
\
243
Theano und mich ben Satz in Beiſplelen zeigten.
Die Grade der Vollkommenheit in der Welt ſind
fo zahllos mannichfaltig, daß bie & miebrigften derfel⸗
ben ung Unvollkonmenheiten ſcheinen
Theophron. Konnte dieß andere feyn, Phi⸗
dans? Wenn 'alles Mögliche ba iſt und nach dem
Prncipium einer unendlichen göttlichen Kraft ba
fen nf: fo muß in Mefem AU die geringfte, wie
die höchfte Vollkonnmenheit da feya ; aber alle find
son der weifeften Güte verbinden, und auch in der
gzeringſten iſt kein Nichts, d. i. nichts weſentlich
Bioͤſes. Werzeihen Sie, Theano, daß ich abermals
das graͤßliche Unding nennen muß, ob es gleich ein
Unding gr * ſich felbſt aufhebt. Sie wiſſen,
Vhtlelans, was Leiluitz von feinen einfachen Sub⸗
kauen für große Dinge raͤhmte: ‚fie ſeyen rat
des Weltalls mit Borkelängsträften begabt, das
——— jebe nach ihrem Standpunkt, darzaſtel⸗
len und ab
Der Unendliche ſehe im
| Pa das Ain.f.” © erhaben dieſe Idee war,
bie wir ang nur In reinen Zahl⸗Verhaͤltniffen an⸗
nibernd begreiftich machen, und fo nothwendig fie
iſt, ſobald man die Welt als eine in allen Theilen
infemmenbangentie Wirkung ber böchften Vollkonemen⸗
heit.deutet: fo’ fatfch ward fie von manchen verſtan⸗
ben, und infonberheit wurden bie unendlich - Fieinen:
eaſachen Gpiegel bes Weltalls unwuͤrdig gedentet.
rg laſſen das Blid weg, und fagen: „jede Kraft
ſt ihrem Weſen nach ein Ausdruck der hoͤchſten
—— Weisheit und Guͤte, wie ſolche ſich an die⸗
ſer Stelle des Univerfums, d. i. in Verbindung mit
len uͤbrigen Kraͤften barfiellen und offenbaren
28a .
‚Sommer. : Kt" IRB "dinzufenn ‚7 bedecken: wir,Me
ehe viefer Ktaͤfte imderraßeit ihre. Nicht. maß,
Myutisolaus, ſie wiete ars anti
Philolaus. Mir iſt koier eruft velaunt,: bie
nither Abroern, de ſ. adne Oryaneıfid -erweie; ob
rmir aneohl eben 5 nahe," mie dieſe Ruhe
nandibiele Ocaane ſich zſmangefuuchen halen.
Kihe ow h v ꝛ. Motl durch ihre Keitueufeitige
odtntur, Pailotausꝭ Im: geweint
erden en ten Mut und Beeren
le vahd ebs. Denn deep
Ir Dieter Bad Heiner ü@ittehn: Pa \i 27. 51)
Zahd srtuwet fie vometsehlahenikeile. · Oodua Sum
Re de ehren cardite,· urſerer MR
nentuvommen, Aftie: Sn DRELch anberen eier; Dem
wuafähst es icie. Dus verwellte nen, vern ver⸗
warf Naget⸗ eittajatzterr eine andero eye Sos
Zuſrinmeakanges Ser Weit, ku welchem cr cherras
"als andere alo feinen tußsen! Nutmfielleneg *
wirttr oder: Teibet. Sehen Sttdie⸗
Be und die Phoſiologie das meaſchligen era⸗
‚gend eines 'tiierifgen Korveru rrzitert: Sie ſrhen
Nnichrsals ein Rebd, ledeeob igerraſte/ de⸗
ſrent jede, an igte Stelle ogeſetzt, Befnniscuheiilg,
Geſtalt, Leben des Gunzen durch Mirknngen bier-
vorbringt, deren jede wid der Natur ihees unde des
Agegess folgt, benr fie angehbrot. So bilbrke; To
orhan ſIqh der Coͤrper; fe löfen'er ſich nnatich, foub-
» AB .
fort fie vachlich grinaf... Was wor Draterie nen
nen, ir abſo nrhe oden oniuder ſabit hetrin;; es ikn
ehe: Relcy wittrvcen Krier, die mian nur ameferee:
Sancnein dern Grſheinuug ſondern Tuben: Rate:
bi Berbintang.num: el: Ganges bilde.
Eine Rtaktı herrſher: (fouſt wäre ra kein: ing,;
kein Ganzes) mehrere auf den verich'ebenften Etu⸗
ſen dieuen. Altvihiere Verſchlebruariten aber, de
nun jede auf v voldamnmenſte veſtiinnet it, haben
watigeenelaſcha itika; Thärigres in tnander TU
des; ſonſt Eünmten fin’ fen: Eine. feld Gunzes bite!
dem: Dani Nerdeir.ber: vollkomnenſten Macht
ub Melahrit alles auf's serifdite yufanımenbiime,
De km nichte ſich andere nis: nach inwannenden
Milwrudigen Befeßon: der: Dinge sufamımendägen,,
helfen ande tiber: kann? fe.fepen wir auch allenthule
bein ian der Natar: unzänittge Organiſatibe
nen, deren jede Inikhren Art nicht, warx werſe, qut
und fchbnz ſondern einWollkommnes:, d. i. ein Abe
untl Welchrit; Guter und Sthoͤrhzrit ſetti iſte
ohne, In digſvenſſutadimenhare ·ſrchttur mane
ne Nrgend an der Wott afe inie inem Blatt
Ale Baumron, in EoinemBundfern, inkoinem Fr:
Men nfreo Koͤrrora hrrricht WB Ude; aller iii men
Kechften, die in jehren Year Schöofeng nach hrii
enWolahrit vade uͤte wirken. beikinunf;:
RT gerne. Ben Sie,sir &r., Die Goſtula ve⸗
geburten, Der Wetwansiofangen und tale;
durch; da vurch fremee Urachen di Gofr either
nwfgaubſcaen Matur in aeduinig:gofehtı
Menu fchekwenz Die. Gercne dor allgemeinen: Neuur
Van hie in ROTOR Nee: Kraft: auinfte äyestı
!
246
Natur getreu, ſelbſt da eine‘ andere ſte ſroͤrte: denn
auch dieſe Störung ſelbſt komte nichts anders be⸗
wirken, als daß bie geſtoͤrte organiſche Kraft auf
anderem Wege ſich zu kompenſiren ſuchte. Mau hat
über diefe Kompenfationen in einem Syſtem geſtoͤr⸗
ter Kräfte eine Neihe Bemerkungen gemacht, von
denen wie ung zu einer aubern Zeit unterhalten koͤn⸗
nen; allenthalben aber, auch im fcheiabar verworre-
wen Chaos waltet die beſtaͤndige Natur, nah
unwanbelbaren Regeln einer in jeder Kraft wirken:
den Nothwendigkeit, Guͤte, Weiſsheit.
Philolaus. Mit Freude, Theophron, ſehe
tch den dunkeln Begriff der Materie fih mie aufhel⸗
{en und ordnen: denn ob ich gleich dem Syſtem bes
Leibnitz gern beitrat, daß fie nichts ale eine Erſchei⸗
nung unfrer Siune, ein Aggregat fubftanzieller Ein⸗
beiten, fen: fo biteb mir Doch in biefem Syſtem bie
fogenannte „idealiſche Verbindung biefer Sabſtau⸗
‚zen zu folder und keiner andern Erſchelnung eines
|
Ganzen‘ ein Räthfel. Leibnitz verglich die Materie
mit einer Wolle, die aus Regentrapfen befteht, und
ums Wolle fcheinet, mit einem Garten voll Pflau⸗
zen und Bäume, mit einem Teich voll Fiſche m. dgl.;
dadurch aber konnte ich mir das Beſtehen biefer Er⸗
ſcheinung, den Zuſammenhang biefer Kräfte in ihr
nicht erklären. Die Regentropfen in ber Welke,
die Pflanzen im Garten, die Fiſche im Waſſer ha⸗
ben ein Medium, ber Verbindung: und welches
tönnte bei diefen bie Materie ausmachenden Kraͤf⸗
ten ein folhed Medium ſeyn, als bie Kraͤfte ber
fogenannten Subſtanzen ſelbſt, mit. been fie auf
einander wirken? Dadurch alfo bilden Ach Orgene:
247
denn auch das Organ iſt ein Syſtem von. Kräften,
bie in inniger Verbindung Einer herrſchenden die⸗
nen. est wird mir die Materie nicht bloß eine
Erfheinung in meiner Idee, d. i. ein durch
Ideen vorfiellender Geſchoͤpfe allein verbundenes
Ganzes; fie iſt's durch ihre Natur und Wahrheit
duch den Innigen Zuſammenhang wirkender Kräfte.
Nichts ftehet in der Natur allein: nichts iſt ohne
Urfache, nichts ohne Wirkung; und da alles in Ver- .
bindung und alles Mögliche ba iſt, fo iſt auch nichts In
der Natur. ohne Organiſation. Jede Kraft ftehtin Ver:
bindung mit andern ihr dienenden oder über fie herr:
ſchenden Kräften Wenn meine Seele alfo eine
fubfkanzielle Kraft ift, und ihr febiges Reich der
Wirkung zerftört wirb: fo kann es ihr In einer Schö-
pfung, In welcher Feine Lüde, kein Sprung, feine
Inſel ftatt findet, an einem neuen Organ nie feh-
len. Reue dienende Kräfte werben ihr beiftehen, und in
Ihrem neuen Zuſammenhang mit einer Welt, in welcher
alles zuſammenhaͤngt, ihren Wirkungstreis bilden.
Theophron. Um fo mehr, Philolaus, iſt's
anfere Pflicht, zu fchaffen, daß fie In ihrem Innern,
im Spitem ihrer Kräfte ſelbſt, wohlgeordnet von
dannen gehe; denn nur wie fie ift, Tann fie wirken;
nur nach der Geftalt ihrer Innern Kräfte kann Ihre
äußere Geſtalt erfcheinen. Unſer Körper tft nicht
etwa nur ein Werkzeug, er iſt ein Spiegel der Seele;
jede Organifation ein Außerer Abdruck inniger Be⸗
ſrebungen, die ihrer Erſcheinung Beſtand geben.
Philolaus. Ich erinnere mich hiebei man⸗
ber ſchoͤnen Bemerkungen des Spinoza, bie er
über die Werbinbung bes Leibes und ber Seele ger
e
. 248 |
wre hat. Dras vb er belde Bild; denp@unum
ſchen Syſtem zufolge, mabhaͤngtg von china
wie den Gedanken und die Ausdbeynung betracheru
mußte: fo konnte es body nicht fehlen, duß etu
. fharffimiger Geiſt, wie Er, über das
Syſtem aud hier hinausdachte. Indem er deu we
gtiff vom Leibe zur werentlihen Form Ser
menſchlichen Seele macht, ſchlleßt er trans
auf die Beſchaffenheit, auf die Veraͤndermagen, bi
Volkommenhett und IMmvolllommenheit dieſes Bi
griffs vortreffllch. Es lleße ſich aus Feine Gland⸗
fäßen eine Phyſtognomit entwerſen, Die Bus gee
— Chaos unſoerer phyſtognomiſchen Dedume
fehr ordnete, und auf eine beſtimmte Wahrtheit je
rhefüntte. Inſonderheit war es mir ameuehe
daß er auf die Lebenweiſe, d. i. auf die Ber⸗
änderungen in der Beſchaffenheit des Körpers Ta
viel Hält und die Gedankenweife, d. i. dio Form
des Begriffs der Seele mit ihr ganz hotnogen "Des
trachtet. Aus Dein Umrtiß eines Beinms ches Rule
Hens leitet er nicht die wandelbarſten, ſelnſten Trieb⸗
federn der Seele, threr Faͤhlgkeiten näb ihres ale
ratters her, ob es wohl nlemaud laͤugnen wird, DUB
an jeder kleine Uniriß des Koͤrpers zur UNSERE
des Ganzen gehoͤre. — Cie ſchweigen, Themer
Theams. Ihr Geſpraͤch iſt mir fehr lieb metne
Fteunde; weit Sie mich doch aber einmal dagn Bir
ſtellet haben, Ste, wonn Sie ſich verirren, wileder
an den Seg zu erinnernt ſo wollte Id, Sie lleßen
die — en en allgewei⸗
nen Betrachtung zurkc. ble ich kumner ie
mit ——— zufrleden / bin / ifrs genugdaß
949
jebe Vmaniſatkion Bier Sry elantug eines Soſtems · m⸗
aertr, lebeadlger Rräfte ſey, die mach Gefetzen der
Bene ni Guͤre eine Art Heiner: Welt, ein Gau⸗
ws Wien: Ich wüufehte, dafı: ich den Getfk'ber
Sofe zu melner Arbeit zaubern loͤmte, daß er mie
ſatßtte, wie er ihre ſchoͤne Geſtait gebildet Habe, oder
de und: fe nur eine Dochter des Roſenbuſches Ik,
duß anir die Dryabe deſſeiben es erklaͤrte, wie fie
yon ber Wurzel ans bis‘ zum kleinſton Zweige ter
Blumen -betebe;: Als Kiud ſchon bin ich oft vor
einem Baum, ehrer Blume fillle geſtanden, und
See dien ſonderbare Harmonie angeſtaunt, Die fi
in ebenn lebendigen Geſchoͤpf von unten zu bid oben
naus zetget: lh werglich · mrhrere derſelben und habe
mit Vettlehrhung ab Mufterumg ber Blätter, bee
ver Bluthen, ber Staͤmme, bed ganzen
Beige,
Vurhſes ber Bäume und Pflanzen manche muͤßige
Stunbe verträune; Die Begierde, ſolche eigens
thanliche ſchdͤne Geſtalten lebendig wwihjtyehumein,
ſcharfte melnae Aufmerk ſamteit, uud oft kam ich in
ein ſo dertrauliches Geſpraͤch mir dor Winner, dem
Baum, ber Pflanze, daß ich iglaubte, thr ergriffe⸗
nes Weſen mußte in meine kleine Schipfaug wan⸗
Yen: Aber vergebens; dieſe blieb ein todtes "Na
DUB, und jenes ſechone vergaͤngliche Gefaudf ſtand
da mit aner FJuͤlle Killer Selbſetgenugfambeit und: ei⸗
We eu in and fire ſtch ſelbſt vollen
deten Dafeyns. Weber diefe Materte reden Sie
Mehr; und helfen meiner ſtammelnben Naturſprache.
KTheophron. Liebe Theano, die wird num
Weg liianer eine Stummde rinn bleiben. Ju's in⸗
nere Weſen der Dinge Nireinpafamann, Hain wir
4
>»
250°
keine Sinne; wir ftehben von außen und bemerken.
Mit ie fcharffinnigerem, ſtillerem Blick wir dieß
thun: defto mehr offenbaret fih uns die Lebendige
Harmonie ber Natur, in der jede Organifation das
volllommenfte Eins und doch jedes mit jedem in -
ihr fo vielfach und mannichfaltig verwebt iſt. Die
Kunſt fchleicht diefer Beobachtung ber Natur nad;
die neuere aufmerffamere Naturlehre Ift ihre Schwe:
ſter. Sie beobachtet in jedem Dinge, was es fey?
wie es fich geftalte? wie es leide und wirke? unb
hat über Pflanzen, Bäume, Mineralien, Thiere u. f.,
über ihre Entftehung, ihr Wachsthum, ihre Ber:
wandlung, über Krankheiten, Tod und Leben ber-
felben Schäbe von Crfahrungen gefammelt, die une
bei jedem einzelnen Gegenſtande eine Welt von
felbft=beftehender Harmonie, Güte und Weisheit
zeigen. Hievon iſt aber jest nicht zu reben: man
wird dieß alles in fhönen Frühlings und Sommer:
Morgen lieber fehen. wollen, als jetzt im dunkeln
Abendgeſpraͤch davon hören. Worauf ih Sie auf:
merkfam machen möchte, find die einfahen Ge:
fehe, nach weldhenalle lebendigen Kräfte
ber Natur ihre taufenbfältigen Orge:
alfationen bewirken: denn alles, was bie
Höchfte Weisheit thut, muß hoͤchſt einfach feyn. Die
Geſetze nämlich fcheinen mir in, Drei Worten zu Lies
gen, bie im Grunde alle wieder nur Ein. lebendiger
Begriff find.
1. Beharrung, b. i. Innerer Beſtapd iedlichen
Weſens.
2. Vereinigung mit Oleichartigem und vom
Entg egengeſetzten Scheidung.
251
iz, Beraͤhnlichung mic fig und Abbrus ſei⸗
ned Weſens in einem andern.
Wollen Sie mid daruber (damit Ic ihren Ausdeus
brauche, Theano) anch ftammeln hören: fo ſteht
Ihnen meine Rede zu Dienſt. Wir wenigſtens,
Philolans, ſetzen unſern Geſpraͤchen uͤber Spinoza
damit den Krauz auf: denn Sie willen, daß er
ſelbſt, obwohl in feiner eigenthuͤmlichen Sprache,
die Moral auf ähnliche Begriffe bauet.
Zuerſt alſo. Jedes Weſen if, was es
if, amb hat vom Nichte weder einen Begriff, noch
zu ihm Sehnſucht. Alle Volkommenheit eines
Dinges iſt feine Wirklichkeit; das Gefuͤhl dieſer
Birkischkeit I einwahnende Lohn feines Da-
feyns, feine innige Freude. In der fogenannten
moralifchen Welt, die au eine Naturwelt: ift, bat
Spinoza ale Leidenfchaften und Beſtrebungen der
Menſchen auf dieſe innere Liebe zum Dafeyn und
zur Beharrung in demfelben zurädzuführen gefucht ;
in ber. phyfifchen Melt Hat man ben Erſcheinungen,
die aus diefem Naturgeſetz folgen, mancherlet zum
Theil amwürdige Namen gegeben. Bald heißt es
die Kraft der Traͤgheit; ba jedes Ding bleibt,
was es iſt, und ohne Urfache fich nicht - verändert:
bald heißt es, wiewohl in einem andern Betracht,
De Kraft der Schwere, nah welchem jedes
Bing ſeinen Schwerpunkt hat, worauf es. ruhet.
— und Schwere ſind eben ſowohl als
ihre Gegnerinn, die Bewegung, nur Erfchehnumgen,
da Maum und Koͤrner ſelbſt nur Erſcheinungen find:
dae Wahre, Weſentliche in ihnen iſt Beinen
Gertfeguns feines Dafeynd, aus weigem
:282
es ſichiſribſt ct öde Ennen, achimdg.: Wafcie:
des Ding nun nad inenBnfiunde: eis WW einierung
ſtrehe, selget: ſelbſt ſotne Boah um vnnd) Sie teen
. ben, Iiebe Theano, Astetne Naturzescnerinnſtaria
Dan Ferm Den Dinge itmnthedierieärkin Finnen, aonk
Ste barauf werlen. Bir wollen das lelchdeſde Wel⸗
ſpiel aus dem Syſtem der- Dinge neohnlen, dienanid
der grüße en Gheleh arizeis die Teint cite Weweglba⸗
Feit verknüpfen, und fich alfo alolchſam oiare Geſtals
waͤhlen konnen / Mlr nenne a dieß flaſfſinger Bin
ge. Woghllan!“ ae Aiſtgen Dinge bedeno ghelie
gletchartigzu viuander ohno Hindehnipuotekey:mehs
de Geſtalt nehmen ſie an? 15 . BE
Phafol aus. DIE Greftait rines ſcropftad.·
Theophron. Warum eines Tropfeas? ul
ben wit etwa ‚on: Tropfen biſdendes Meinzielunin
der Natur annehmen, DaB die ſe Geſt ait wiecltaruh
Hebet und dieſNegel feſſfetren: alles In bey nie
tun ballet ſich durch etae votborgne OB
Prilstuns: Wi Meter: Dorn Trepfo ii
ONE Kuzriz in einer Kugel rreten um onnen Mutri⸗
punkt alle Theile gleichattig in Harmoncie "nb OER
nung. DIE Kugel ruhen anfifich Ted? ihr Schwote
ante Hft: in: der Mitre; ihre Geſtatt in alſp der
elafachſte Beherruugszuftand stehtardiget Zieht
die: und. VDkeſen Mitelpuntt ia Verbiadnug areten⸗
nud cuit gle ichn Rräften hmmm nd Grgeneraci
letſten. Nath nothuendigen Oefetzeuder Harnnls
wand Ordumg wied alſoneras Weit im Dre:
Tderphyron. Mitchiu⸗ | lan Pou nu: ha⸗
ben Ste in Dein Geſttz. darnatiſfichader Devie IS
der, euglebqh die Negeh nuch welcher Ray ir
MB
ale Gene suhmiianthneuesiäfgfkemeihiibeten.: Den .
auch unfere Erder Bing.einitsals Tropfe hervor, oder
Memmelte ſich um Minpfen. "So bie Gonne und
jenes ganze Spitem, In dem: fle mit aupehender
Mewnals hereſchat. Altes ſeatt ſich in Radien herab,
auch wirh aur derech andere Kraͤfte im Auslauf echal⸗
ung qᷣer hicde ten ——
Sonnen MDid: Gonnenbahnar Goßeme war Sonnen,
iichſtusßen, Nebeiſtarne. Allecammt lichte Tro⸗
5*— Deuter dar Andlteı. De 22
den eragetence ſeden bes Harmanie und
——*—* nd im iuem Amel the en Bahar⸗
tung sgufkauidigucdten sawb : faaden. Micht an⸗
reihen Seal, iseihten Bahn, dau Pro-
| uiltsentgeschfiunlendee Miräfte, ECſey Miete: ueis⸗
s Yarblik abe aa en ua
u er. Fanhensımade
‚ner äiufe
da fiiden; nicht
rt en ren
Augelgeftalt wie in der Ellipſe, in ber Sphaͤrel⸗
Yeubresegungıwhi) innbertasabslioffenharen. : Die
Heine Thraͤne, Theano, bie Sie »es Mangend im
Me finden, migt Ihnen das Geſetz,
ce welchen iſith Eube ,» Somnen uni alle Blonnem,
utnlieı Meith ſtome Kiiiten und deſehend erhalten.
Denn wenn wir unfersetipautälle den uıgabeınen
Flug verſtatten, ſich das Wettull sun denlen: "Te wird
Sein Mieſe braune, er fa ſtrechet und» frkubet,
ſondern mit allen: Grecylloiden en eneioſten⸗e
eine oCuoi⸗ idte auf fach etbſrienhet.
: Shuann.“ Eine munmıchliceWasdicht | ‚Sets
ante zu unfſerer Erbe oben wenigſtens zu unferm
Wonmenfpibern gweiit tıich ermatte im Gluge. Gie
254
ſprachen von einem zweiten Naturgeſer, daß ſich
alles Gleichaärtige vereine, und das
Entgegengefeste ſcheide; wollen Sie nicht
davon Beiſpiele geben?
+ Theophron. Iqh daͤchte, wir biieben bei uns
ſerm fluͤſſtgen Tropfen. Sie kennen, Theauo, ven
Stein des Haſſes und ber Liebe In ber Naturwelt?
Theano. Den Magnet, meinen Sie.
—Theophron. Ihn ſelbſt; und ſeine zwei
Pole und deren freuadliche ober feindliche Wickung.
: Theans.. Auch daß es einen Punkt des grö-
Heften Lebe nud ehren Punkt der völligen Gleichguͤt⸗
tigkeit anf feiner Are gebe, iſt mie bekanut.
Theophron. Sehen Gie alfo ten Stein
as einen. Tropfen an, In bew: ſich die wagnetiſche
Art fo: gleichartig and’ regetmaͤßig nertheitt hat,
Daß: ihre entgegenſtehenden Gube ıben Mocb- uhr
anpoh medien. - Einer tamn apa den andern wicht
em — —
° - The — Und wenn man fie verindent,. ver⸗
CTheopheron. Sie haben ifo am agent
ein Bild von dem, was Haß unb Liebe in der Scho⸗—
Birtfamlekten
.-pfung fen; bei jebem Syten von
smuß ſich das Naͤmliche finden. ‘: :
Philolaus. Und dließ Naͤmliche ik? —
Theophron. Daß, wmo ein Spitem von vit-
ustigen Krafton eine se gewinnt, fie fi um die:
felbe und um ihren Mitteipuntt fo lagern, daß je⸗
des Gleichartige zum, gleichartigen Pal flieht, und
ſich von demſelben buch alle Grade der Sunahme
bis zur Krlmination, ſodann durch den Punit_der
⸗
> 255
Bihtgäitigteit bie zum entgegengefepten Pol nah
feften Gefeßen orbne. Jede Kugel wärbe anf diefe
Welle eine Zuſammenfetzung zweier Hälften mit
eutgegengefeßten Polen; To jede Eilipfe mit ihren
Breunpunkten, u. f. f.: die Gefebe dieſer Kon⸗
Rraftion laͤgen nach feften Regeln in ben Wirkungs-
träften des Soſtems feibft, das ſich alfo bildete.
So wenig es bei einer Kugel einen Nordpol ohne
einen Sudpol geben Tann: fo. wenig kann es bei ‚ie
dem Syſtem von Aräften, das fich. regelmaͤßig bil-
bet, eine Geſtalt geben, in der fich nicht eben ſowohl
das Freundſchaftliche und Feindſchaftliche trennet,
mithin eben durch Das Gegengewicht, das beide ein-
ander nach ab⸗ ımb zunehmenden Graben bes Zu⸗
ſammenhanges leiten, ein Ganzes bildet. Wahr-
ſcheinlich gůͤde es fer Syſtem elektriſcher Kräfte,
wenn es nicht zwuei. einander entgegengefehte Elel⸗
trieitäten guͤbe; ein. Otetcheg iſt's mit der Wärme
ben, und jeden: Syſtem von Exfeheinungen, bie nur
durch das Mannichfaltige Einheit, und: durch das
Entgegengefente Sufammenbang erhalten koͤnnen.
Die bemerlende Naturlehre, die nicht eben alt ML,
nird in dieſem allem gewiß. einmal fo weit reichen,
daß durch eine reihe vos Analogieen jebe blinde Wil⸗
Dir aus ber: phyßfchen Welt verbannt ſeyn wich,
bei weicher Winkuͤr alles aus einander fiele und im
Grunde alle Gefetze ber Natur anfhoͤrten. Demn,
meine Steunde ‚ wirkt der Magnet, bie elektriſche
af das Licht, die Wärme und Kälte, bie Anzie-
Yung, die Schwere n. f. willkuͤrlich; Ift das Dreied
viataruua ein Dreieck, der Cirkel with ein Cir⸗
856
Eet: Feumbaen: role: mir alle Bevdttungen in age
und: Mathematik fuͤr Unſian erkiaͤren, aub auf Df-
ſenbarungen dieſer getroffenen Millkaͤr warten: Sys
«ber gewiß, daß wir ſchon bei ſe vleien Kudfteniniime
hematiſch· genaue Naturgeſetze gefunden ‚haben:
en wollte bie: Greuge ſetzen, we: fie nicht mehr gr
ſinden ſeven, wo ein blinder Wille authäke? In der
GSehdpfung iſt alles Zafautrenhang, alles Orbnung;
Andet alſo ib genb wo nur Cik; Mataräsfan.. ie
Nass. Tor muſſen · al leat hal ben Madurgefee
watten wer idie Echopfung wied roleSChaos ab
Muvbt aus einaader.
VDhoamnvo.Sie eutlernen ſich nur Befak. de⸗
Yaffesi wa: ber Aebe, Dheeghton, wie wach Aheen
Syſſem elns vhne das andere niit ſeynn baun.
herr Meil alle sin. Wit
I, 008 da. Fey nnd. Lund Kuikbkenu ie
Nom agehoͤvet et 0: muß nuche ab Belts eiandr
No ð te Damſenu, mud Ein Grfet Ber be
hett muß che und: Sleſfem Aubgegengeſahten, aus
dem Nord a. mb. Bäbyo! ullenhalben dad: Soyſten
Bilden. :Yunieben: Qretſe ber Mate iſt aia Ball
der zweiiuub breißte Winbde, In jeden Sonnenſtrichl
der ganze Farlenamtreid es bet mus Marauß mm,
ee Wind jehyo unbe re, eu
He .oduu dan letfcheine. Bobuit auch bone Bekiligen
das VFeſto hervortritt, kryſtalllſrt und bitded eca Fch
wach ‚den anern Gefſeden, die: Im eßem Eike
veganiſirender Kräfte lagen. Ales Arhet an uaber
Rat zuruͤck oder bleibt gleichzuͤltig gegen einander;
Me. Are dieſer wirkenden Thaͤtigkeiten geht zufauı
meunhaugend durch Me DOrude. Der Chemllarives⸗
anſtaltet
* 257
wichte als Verbinbungen und Trennungen;
die Netur zeigt allenthaiben Merwandtfgaften,
Sreundichaften, Feindſchaften auf die reichfte, in⸗
nisfte Welle. In ihr fucht uud findet fi, was ſich
einander liebet, daher die Naturlehre ſelbſt nicht
umbin gekonnt hat, eine Wahlanzichnng bei
den Verbindungen der Körper anzunehmen; was
einander entgegengefebt iſt, entfernt fidh von einan⸗
der, und kommt nur durch deu Punkt der Gleichguͤl⸗
tigleit zufammen. Oft wechſeln die Kräfte raſch:
ganze Spfteme verhalten fih wie die einzelnen Kräfte .
des Soſtems zu einander: Haß kann Liebe, Liebe
kenn Haß werden; alles aus einen und demfelben
Grunde, da jedes Spfiem naͤmllich in ſich ſel bſt
Beharrung ſucht, und darnach ſeine
Kraͤfte ordnet. Die Kräfte dieſer Syſteme koͤn⸗
nen ſehr verſchieden von einander ſeyn, und doch
nach einerlei Geſetzen wirken, weit in der Natur
zuletzt alles zuſammenhaͤnzt, und nur Ein Haupt:
geſes ſeyn Fan, nach weichem fich auch das Ver:
ſchie denſte ordnet.
Theano. Nach unſerer Vorſtelluugeart kommt,
duͤnkt mich, das Geſeß der Beharrung, des
Haſſes und der Liebe dieſem Hauptgeſetz
nahe: denn ungeachtet aler zahlloſen Verſchleden⸗
beiten und entgegengeſetzten Erſcheinungen in der
Natur erſcheint es allenthalben. Ich moͤchte einige
Augenblicke ein böherer Geiſt ſeyn, um dieſe große
Werkſtaͤtte in ihrem Innern zu betrachten. ⸗
Theophron. Warum ein hoͤherer Geiſt,
Tbeano? Hat es der Zuſchauer von außen nicht an:
gruehmer, als ein Zufcauer von innen, ber doch
- Herderö-Auerte . Puiloſ. u. Secch. IX, ‚9
—
258:
auch unter das Singer Abuerehen Tinte # iAghihug
Zufchauer vor · dem · Schaupiad nicht. bequemor ye aldeı
der in ben Soutkffe laufcher? Na ubcheliifgger:
Shen, reltzt; een haben macht vieaetan fact
und" träge; - der nachzugehen/ ihre Hakan
Geſetze —*8 zu —— ——* ſich Sant
uͤber zu vergemffleme , jetzt fie taufendfathbeftatic
zu fuben und: nen anzuwenden; allentkeben ein:
lich diefelbe were: Rogel, diefelbe heibige
Nothwendaägkoit wahrzunehmen, lieb gu gem:
—— * gehe anzustlbden; das macht/ deu·
eines: Menſcherlebens. Dem: Them:
ob wrong Zuſchauer? find wir ·nicht ſelbſt Spas:
ſpieler, Miwirker der Natur und ihre Nachahmeve
Herrſchen im⸗ Reiche der ˖ Menſchen nicht andy Habe:
und Aebe und find beibe zu Bildmiz des Gauzen ⸗
nicht gleich nothwenbig? Wer nicht: Hafen Tanya
kann auch nicht lieben; une er- muß recht haffen und⸗
recht lieben lernen. Es gibt auch: einen Punkt der⸗
Gleichguͤltigkeit unter ben Menſchen; dieß IR ˖ Gottu⸗
lob aber in der ganzen magnetifchen re nur Cie:
un
Philolaus. * muß ih Ste eriunemy:
Thevphron, daß. Ste uns noch Ihr drittes ‚Stier
bes großen Natwrgefehes ſchuldig find, naͤmllch
wie fih bie Wefen einander verdhntk:
hen, und in Abdräden- ihrer Art einer
fortwährende Reihe bilden.
Theophron. Das heitigfte und’ gewiß zöet⸗
lihe Geſetz. Alles, was fih-Hebt, veraͤhnlichet ſich
einander. Wie zwo Farben sufammenfirabien, da
eine mittiere driete werde, - fo werden anf eine‘ wu.
|
|
259°
deioace · Weder) ſahdr datch vas chettneratente Bel⸗n
ſa ene eynmenſchriche SGemilther / fa ſohar· Ger⸗
berben ẽ und Geſichtẽuͤge, die feinſter uebergͤnge·
ber Sentarkerunb Handiungewrkſe einanbet · ahnttiter
Scthwieermeeei Wahr ſterr Furcht/ alle Afftrten⸗
find’ auſtexende Nebel; nicht bitch das, was tn th⸗
nen Uebel’ über ehr Nithts At, find ſie ſo maͤchttg;
ſondern · durch die Stuͤtke ihrer wirkenden Kruͤfte;
wie‘ Dante fotkte ſich nicht die? Wirkung regelmaßiger⸗
Kae" d. i. Ordnung, Harmvnfe⸗ Schonhoit mit viek
weſrutlicheter Macht auf andere erſtrecken/ und ſichn
ihnen vntttheilen7 Nut dadurch ſahen wie Organiſue⸗
tionen werben, daß ſtaͤrkere Krufte die ſchwaͤcheren ir
ihrReich giehen / amd nad / eingrpflanyeen Regein;
einer Tin Sich" · nothwendigen "Site und Wahrhtit fie
zu einer Ger atıt bilden. Alles Gute theilt fly’
mir es hat die Rarir Sottes/eder ſich wid arders
als mittheilen konnte7 es hat auch Feine unfehlbare
Wirkung.Die Megetu der Sthoͤnheit· z. B. draͤuen
gen fich unsauf, fie ſtrahlen md an? umdrrmerkt
geden ſte in und Abers- eben dieß kſt das Gchehnmg”
det uͤberalk zuſammenhangenbe wirkenden, in fi”
ſelbſt beſtehenden Schöpfung: Dis Feed feat
Beilfammenſeyn menſchlicher Gemuͤther veraͤhnlichet
ſie einander ohne Gewalt, ohne Worte. Jener idea⸗
liſche Einfluß, den Leibnitz bei ſeinen Monaden
annahm / iſt das eben ſo muͤchtige als geheime Band”
der Schoͤpfung, das wir bei allen em -
denkenden, handelnden Beten -unwidertreibtich und
unzerſtoͤrbar beinerten. Merzweirle ntekntndan-ber
Wirkung ſeines Daſeyns 4: je mehr Ordnung in: dem⸗
ſelben iſt, ie gleichfoͤrmiget kn den GSefetzen der Na⸗
260
tur er baubelt: defto unfehlbarer if feine Wirkung.
Er wirft wie Bott, in Bott; er kann nicht anders
als ein Chaos um ſich her ordnen, Finſterniß ver-
treiben, damit Licht werbe; feiner fchönen Geſtalt
verähnlichet er alles, was mit ihm iſt, ſelbſt mehr
ober minder, was ſtreitend ihm entgegenfährt, fo:
bald er durch Güte und Wahrheit überwindet”).
Theano. Erquickende Wahrheit, Theophron!
Schon dadurch zeiget fie Ihe himmliſches Siegel, daß
fie unſerm Herzen zufpricht, und taufend Erfahruns
gen meines Lebens in mir aufruft. Es liegt eine
unnennbare Kraft im Daſeyn eines Menfchen, Ich
meine, wie fein banbeindes Beiſpiel wirket. Das
innigſte, ſtillſte Gute in mir ift anf dieſe Weiſe
mein worden; ohne Geraͤuſch der Worte ging es
in mich über. Auch deßwegen iſt mir Ihre Gedan⸗
kenweiſe lieb, Theophron, da fie mir allenthalben
dieß Dafeyn, diefe Wirklichkeit, und in ihr bem
All-Wirkſamen gegenwärtig macht, der durch
das Dafepn feiner Gefchöpfe felbit In wefentlichen
Negeln der Harmonie und Schönheit fortgehend,
fin und tief auf ung wirket. Jetzt fehe ich's, wie
alles Sott ähnlich werben foll, ja, wenn ich fo ſa⸗
gen barf, Ihm ähnlich werden muß, was in feinem
Reich lebet. Seine Geſetze, feine Gedanken und
Wirkungen drängen fich uns auch ‚wider unfern Wil:
len in taufend und abermal taufend Erweifen fel-
*, S. Über diefe allgemeinen Naturgeſetze, Infonderbeit
über die Arfinität und Verähnlichung der Weien vor⸗
treffliche Anmerkungen in den Berradtungen über
das Univerfum, Erfurt 1777.
L
|
261 =
wer Ordnung, Guͤte und Schönhelt «ld unwandel-
dare Regeln auf; wer nicht folgen will, muß fol: -
gen: denn alles ziehet ihn, er kann der allgewalti: "
gen Kette nicht entweihen. Wohl dem, der willig
folgt: er bat den füßen, täufchenden Lohn in fich,
daß er fi) ſelbſt bildete, obwohl ihn Bott unablaͤſſig
t. Indem er mit Vernunft gehorcht und mit
Aebe dient: fo präget fich ihm aus allen Gefchöpfen
und Begebenheiten das Gepräge der Gottheit auf:
et wird vernänftig, gätig, geordnet, glädlih; er
wird Gott aͤhnlich — Aber laffen Sie uns zur
Haushaltung ber Natur zurucktehren. Iſt nicht ein
Zwang darin, daß Eine Kraft die andere überwäl-
tigt, fie am fich zieht, zu ſich zwingt und mit ſich ei⸗
nigt? Wenn ich bemerfe, daß alles Leben der Ge⸗
ſchoͤpfe auf der Serftörung anderer Gattungen ruht,
daß der Mensch von Thieren, Thiere von einander,
oder auch nur von Pflanzen und Früchten leben: fo
fehe ich freilich Organifationen, die ſich bilden, aber
die zugleich andere zerftören, d. i. Mord und Tod
in der Schöpfung. Iſt nicht ein Gräschen, eine
Blume, eine Frucht des Banıns, enblich ein hier,
da6 dem andern zur Speiſe wird, eine fo fchöne
Orgauiſation, als bie Organifation deffen iſt, der
es zerftörend in fich verwandelt? Verjagen Sie
dieſe Wolke, Theophron; fie ziehet ſich mir wie ein
Gäteter vor’s Angefiht der Sonne, die mir aus
iedem Geſchoͤpf ſtrahlte.
Theophron. Sie wird fliehen, Theano, wenn
Sie bemerken, daß ohne dieſen ſcheinbaren Tod in
der Schoͤpfung alles wahrer Tod, d. i. eine
träge Ruhe, ein odes Schattenreich wäre, In wel:
—
nn
as alles. ichs. Da „Aha
‚Inrahen Sie nie —— — des Platon
Sle in Ihrxem. Lehrer nicht senden. daß An hem
Meraͤnderlichen alles Veränderung, daß. auf Acın
Fluͤgel der Zeit alles Fortgang, Cile, Mande⸗
‚ang fey?. Kamnun Sie Ein Rad in der Ecpung⸗
nnd alle Raͤder ftehen file ; Laflen Sie Einen, Vunkt
deſſen, was wie, Materie nennen, traͤge und tadt
ſeyn, ſo iſt Tod allenthalben.
Philolaus. Ich erinnere mich hiebel fa.man-
Aches unphilsſophiſchen Wahnes, daß es 3.8, Ato⸗
men, abſolut⸗harte Koͤrper und dergleichen in. ber
Natur gebe. Gibt es ſolche, ſo wird an ihnen, afle
Bewegung azu Schanden;. ein unendlich Heiner Atem
hemmte bie. Raͤder ber. ganzen Schöpfung.
‚Theophron. Wohlan alfo, menn eg Keine
. abfolute Ruhe, keine völlige ‚Unburchhränglichkeit,
Haͤrte, Träne geben kann, bie ein. alegentfräftendes
Nichts, mithin ein Widerſpruch wäre;...fo:.mpflen
wir uns fon, meine Freunde, -mit. unfern Gedan⸗
ten aufden Strom des Plato wagen, wo⸗alles Ver⸗
‚änderliche eine Welle,. wo alles Beitkihe ein Traum
if. Erſchreckken Sie nicht, Theano; fürchten Sie
niht: es. ift die Welle eines Stroms, ber. felbfl
ganz Dafepn iſt, der. Zraum einer ſelbſſtſtaͤndi⸗
gen ‚welentihen Wahrheit. ‚Der. Swige,, ber
Erſcheinungen ber Zeit, der Untheilbare, der in
— en des Raums fihtbag merdbeımollte, Jonute
‚nicht anders, ale jeder Seſtalt dad kuͤrzeſte und zu:
Aleich das Längfie Dafeyu geben, das nach bem Bil⸗
‚be des Raums und der Zeit ihre Erfchelnung for⸗
Dart. . Alles, weh erſcheint muß. verſchminden 3. ee
/
&
n
1863
‘
den Koiluder Zerſtoͤruug sehen mit ſich:
ken ihalskasems-idgeitt:eilt es zur größten. Höhe
Ainaufdamit es biamuter..eile und. unferm’ Sinn
warſchminde. Becverlen Sie die Linie, die ich Hier
ne;
CKTheano. - Trausige- Bemerkung. .
KTheophrou. Sehen Sie die Blume an, w
„fie zu ihrer Bluͤthe eilet. Sie ziehet ben. Saft, die
‚Buft; das Licht, alle: Samente an ſich und arbeitet
ce aus, damit ſie wachſe, Labensſaft bereite und
eine Bluͤthe zeige; die Bluͤthe iſt da und fe ver⸗
iſchwindet. «Sie hat lle ihre Kraft, ihre Liebe und
ihe Leben daran gewandt, damit ſio Mutter werde,
damit ſie Wilder ihrer ſelbſt zuruͤglaſſe, and ihr
„Behftiges. Daſeyn ˖ veemehrend fortyflanze. Nun iſt
: uch ihre Erſcheinung bin: fie hat ſolche im raſtlo⸗
ſen: Dienſte der Natur verzehret, nad man kann ſa⸗
‚er, daß ſie vom Anfange Ihres Lebens an auf Ihre
Herſtoͤrung gearbeitet habe. Was aber iſt in ihr
:gerfkört, als eine Sricheinung, die fich nicht länger
AHalten kenute? die, ba fie den hoͤchſten Punkt unfes
zer Binie erreicht: hatte, In: welchem das Maximum
Abrer ˖ Beſtimmung, bie Geſtalt und das Maß ihrer
—
Sqh nheit lag, wieder hinabwaͤrts eilte. Dieß that
Aer nicht etwa, (meiden ein trauriges Bild wäre,)
vjuͤngorn tebendigen Erſcheinungen als eine jetzt todte
Way. me anachen als eine lebendige vielmehr brachte
Mermit· gllerrcende des: Daſeyns das: Daſeyn der⸗
-
+
264
felben hervor, und überlieh es in dauernden Kel⸗
men dem fortbluͤhenden Garten der Seit, tn weis
dem auch fie biähete. Denn fie ſeibſt iſt mit dieſer
Erſcheinung nicht geftorben, fo lange Die Kraft ihrer
Wurzel fortdauert; aus ihrem Winterfalaf wird
fie wieder erwachen und aufſtehn in neuer Frühlings
und Ingendfhöne, die Töchter Ihres Daſeyns, jet
ihre Freundinnen und Schweſtern, au ihrer jungs -
fraͤulichen Seite. Es iſt alfo fein Tob in der Sub
pfung; er ift ein Hinwegetlen beffen, was
nicht bleiben kann, die Wirkung einer
ewig:jungen, reftlofen, bauernden Kraft,
die ihrer Natur nach keinen Augenblick mäßig feve,
ftlle ſtehn, unthätig bleiben Zonnte. Immer und
immer arbeitet fie auf die reichſte, ſchoͤnſte Weiſe
zu ihrem und zu fo viel anderer Dafeyn, a’s fie
Daſevn bervorzubringen, mitzuthellen vermochte,
In einer Welt, wo fich alles verwandelt, ift jede
Kraft in ewiger Wirkung, mithin in fortgefester
Verwandlung Ihrer Organe; diefe Verwandlung
ſelbſt if eben ber Ausdruck ihrer unzerſtoͤrbaren
Wirkſamkeit vol Weisheit, Gute und Schoͤnheit.
So lange die Blume lebte, arbeitete fie zu ihrem
eigenen Flor, wie zur Vervielfältigung Ihres Des
ſeyns; fie ward (das Höcfte, was ein Gefchäpf
werden kann) eine Echöpfertun durch eigene orgaul⸗
ſche Kräfte. Als fie ſtarb, entzog ſich der Weit eine
verlebte Erſcheinung; die innere lebendige Kraft,
die fie hervorbrachte, ziehet fich In fi ſelbſt zuruͤck,
um fich abermals in junger Schönheit der Welt zu
zeigen. Können Sie fi ein ſchoͤneres Geſes wer
ſentlicher Weisheit und Gute in dem, was Ber
Anderung heißt, gebenten, Theauo, als daß ſich
ales zum neuen Leben, zu neuer Jugendkraft
und Schönheit im rafneften Laufe dräagt, und das
her jeden Augenblick verwande: ?
Theano. Ich ſehe einen ſchoͤnen Schimmer,
Therphron; aber die Morgenroͤthe ſehe ip noch nicht.
Theophron. Gedentken Ste ſich nun alle Ras
turträfte in dieſer raftiofen Arbeit, in Eile zur
Verwandlung auf dem Flügel der Zelt. Was-fheint
uns geriuger, als ein Blait? Und kein Theilchen
eines Blattes darf einen Augenblick maßig ſeyn: des
ziehet an, es flößt hinweg; (dazu bat es feine zwei
fo verfhieden gebildeten Seiten ;) immer und Immer
wechſeln die Theile feines organiihen Kieldes, bie
es fällt und ich auflöfer. Leben iſt alfo Bewegung,
Dirkung; Wirkung’ einer Innigen Kraft
mit dem Genuß und Beſtreben einer Be⸗
Darrung verbunden. Und da im Meine der
nderung nid:ts unverändert bleiben kann, und
doch Alles fein Dafeyn erbalten wil und muß: fo
{R alles in einer ewigen Palingenefie, damlt es im⸗
mer daure und immer jung ericheine.
Theano. Ob diefe Verwandlung aber auch
Ferträdung wäre?. |
Theophrom. Gefest, fie wäre bieß nicht:
fle wäre aber .das einzige Mittel, dem Tode und
einem ewisen Tode zu entgeben, d. i. fie entbleite
unfere lebendige Kraft Im fortbanernden Wirken, in
Inniggefäpitem Daten: fo wäre tie ſchon eine fo
Wänfhenswertbe Woblthat, als ein ewiges Leben
war einem ewigen Tode wünfdhenswerth if. Nun
aber, Ryeano, können Sie ſich wohl ein fortgeſe tztes
3866 on
tehen, eine merhin:fenaiclendai Araftı: aiue gart⸗·
nmirtung, d. i.oinen Fortsag ohue Fortgan banlien ?
Thaam⸗. Es fheintcie · Widerſoxuch.
Theophron. And, iſt einer. ZBuarußiebe
Axraft, die im Mann, und ain der Zeit Eefcheiaungen
amlmumt, die Sqwanken behalten, die hraum
And Beit,geben ; mit jedem: Wirken aber aracht fie
ihr folgendes Wirlen leichter, und da fie die ß nicht
anders als nach eingepflanzten Innern. Sngehl vder
Hermonie, Weisheit und Gaͤte thun Kun, bie fi
njebem Geſchoͤpf Aebreich aufdriugt, € dom
bei jeder feiner Wirkungen:beifteht :: fo ſehen Sie al⸗
eushalbenein Kortrüdenend ben Chanu zur
Ordnuns, d. Li eine innige Bermehrung
and Verſchoͤnerung ber Anifte im mennerwei-
terten Schranken nach immer mehr beobachteten Me⸗
: geln- der Harmonie und Ordnung. Jedber blinden
Araft dringet ſich Licht, jeder regelloſen Macht Ver⸗
nunft und-ühkte anf; keine ihrer Uebnngen, Seine
Wirkung in der Schoͤpſung war vergehen. Es un ß
wife Fortgang ſeyn im Neihe Gottes,
da in ihm kein Stillſtand, noch weniger
in Rüdgang feyn Fann. |
Theano. Aber die Geſtalt des Kobes!
Theophron. Iſt kein Tod in der-Schöpfung,
"fo gibt es auch Feine: Todesgeſtalt. Heiße dieſe,
wie fie wolle; ſie iſt Uebergang zur nenen Orgaul
ſatien, das Finſpinnen der abgelebten Raupe, da⸗
„mis fie als ein neues Geſchoͤpf erſcheine. Chad: Eile
/1 befriedigt, Theano?
XTheano. Ich bin?s und verlafſe mch auß die
. wwelfe Muͤte, die mich hieher brachte, mir. vhne ein
e . 3867.
ANa die uſt aa viale Rräftengepiß niht.umgenft, gab,
rand mich mit tauſend Kraften voll Liabe.. md Guͤte
umringt, meinen Verſtand, mein Gerz meine Hand⸗
‚Jungen nach einer ewigen Regel nothwendiger, in
Ach ſelbſt gegruͤndeter Weisheit und Guͤte. zu ord⸗
‚nen. Sie ſchweigen, Philolaus?
Phllolaus. Ich will nachholen und ſogleich
„eins Reihe Folgen binzufesen, ble aus Theophrons
‚Spfkem.einer in ſich ſelbſt nothwendlgen Mahrheit
und Güte zu folgen fcheinen. Beim zweiten Saß
Alieben wir; alfo: | | |
JE ,Alle Kräfte: ben Natur wirken or-
he: Jede -Drgankfation iſt ein
1 @ufem lebendiger Kräfte, bie nad
ewigen Regeln ber, Weisheit, Güte.
ud Schänheit einer Hauptkraft
. bienen. . Rn
+ IV» Die Geſetze, nach denen biefe herufät, jene
dienen, find: innerer Beftand eines
jeglihen Wefend, Vereinigung mit
Gleauͤchartigem und vom Entgegen-
‚sedchten Scheidung, endlih Veraͤhn⸗
lichung mit ſich felbft und. Abdrud
feines Weſens in einem -audern.
Ste find. Wirkungen, dadurch ſich die Gottheit
ſelbſt offenbart hat; und keine ‚andere, Feine
RHaoͤhere find denkbar. |
.V..gein Tod iſt in der Schöpfung, fon-
bern: Verwandlung; Verwandlung nad
dem Geſetz der Nothwendigkeit, nad. welchem
ijede Kraft im Reiche der Veränderungen ſich
.. ‚kuamer nen, Immer wirlend exhaiten will, und
= —
268
alſo durch Anziehen und Abſtoßen, durch
Freundſchaft und Feindſchaft ihr organiſches
Gewand unarfhoͤrlich aͤndert.
VI Keine Nude If in der Schöpfung:
- denn eine mäßige Ruhe wäre Tod. Jede le:
bendige Kraft wirket und wirket fort! mit je⸗
der Fortwirfung alfo fchreiter fie weiter und
arbeiter fi aus, nach Innern ewigen Regeln
ber Weisheit und Güte, bie auf fie dringen,
die In ihr liegen.
VII Ze mehr fie fih ausarbeitet, be
ſto mehr wirket fie auch auf andere;
indem fie ihre eigene Schranken erweitert, or⸗
ganifirt ſie und prägt auf andere das Bild der
Süre und Schönheit, das in ihr wohnet. Im
Der ganzen Natur alfo herrfcht Ein nothwendi⸗
ges Sefeß, daß aus dem Chaos Orb
nung, ans fhlafenden Fähigkeiten
thaͤtige Kräfte werden. Die Wirkung
dieſes Geſetzes iſt unaufhaltbar.
VIII. Im Reiche Sottes exiſtirt alſo
nichts Boͤſes, das Wirklichkeit wäre
Alles Boͤſe iſt ein Nichts; wir nennen aber
Uebel, was Schranke, oder Gegenſatz,
oter Uebergang iſt, und keins von dreien
verdient dieſen Namen. "
IX. Eo wie aber Schtanfen sum Maß jeder Eri-
ftenz im Raum und in der Zelt gehören, und
im Reiche Gottes, wo alles da tft, auch Das
Entgegengefebte: dba ſeyn muß: fo gehört ed
mit zur hoͤchſten Guͤte diefes Reichs, daß
das Entgegengefente ſelbſt ſich ein
269
ander helfe und foͤrdre: denn nur durch
die Bereinigung beider wirb eine Welt in jes
der Subftanz, d. I. ein befichendes Ganzes,
vollftändig an Güte fo wie an Schoͤnheit.
X. Auch die Fehler ber Menſchen find
einem verftändigen Geifte gut: denn
fie muͤſſen fi ihm, je verftändiger er iſt, defto
eher als Fehler zeigen, und helfen ihm alfo,
-.. wie Kontrafte, zu mehrerem Licht, zu reinerer
Güte und Wahrheit. Und auch dieß alles nicht
als Willkuͤr, fondern nad Geſetzen der Vers
nunft, Ordnung und Güte,
Sind Sie mit meinen Solgerungen zufrieden,
Theophron?
— Theophron. Sehr. Ihr ſcharfſinniger Geiſt
eilet voran, Philolaus; wie ein edles Roß, dem
man nur die Rennbahn oͤffnen darf, und es fliegt
zum Ziele. Ich danke dem Schatten des Spinoza,
daß er uns fo angenehme Stunden des Geſpraͤchs
mit einander verfhafft Hat: mir fommt bie Gele⸗
genheit, über Materien diefer Art zu reden, felten.
Und doch erheben fie ben Geiſt fo einzig und bilden
ihn zur hellen, fharfen, nothwendigen Wahrheit.
Noch gewähren mir diefe Gefpräce mit Ihnen ein -
zweites Vergnügen, daß fie mir nämlich Ideen der
Jugend zurädbringen, mit denen ih an Leibnitz,
Shaftesbury und Platon’s Seite mande
füge Stunde gewiß mehr als verträumte.
Theano. Um fo lieber wäre es mir, Theo:
phron, wenn Sie etwas Zufammenhängendes hier:
über aufzeichneten. Ein Geſpraͤch verfliegt, und
einem geſchtiebenen Geſpraͤch uͤber Materien dieſer
14
| "
20°
arrt ·ſchelut immer etwas zu fehten: * Pre werd Fort-
gezogen und iſt um Ende), che mins dachte; man
fuͤtit abet einen Trieb, zuruͤtt ycteyrerr ·
Thesbphron. So kehre man zutack) Theuno,
biß dar Gefptaͤch uns gleichfam ſelbſt ans der Seri⸗
flirßr ¶ Bei manchen ſeiner Naqtheille Hat es doch
das BGute, daß es uns vor dem Auswendiglernen
bewahrt; und wahre Philofophle muß nie nuewendig
"gelernt werden.
Theans:: Die Regek mbchte ty meinem
Brüder wänfhen" Er iſt ſeit einiger Zeit mit ei⸗
nem Wortkram befangen, ber ihm den Kopfever⸗
wirret; ſobald er davon⸗ redrt. Er ſpricht ute mit
feinen eignen, natuͤrlichen, ſondern mit fremde
Worten; als vb er in fremden Zungen, vder als ob
ein Dino aus hmeſpruͤche. Er hat ſich⸗ wie er’
ſagt, in el Soſtem hineluſtubiret. Sa, wunſchtry
Theophron, daß Ste den Spinozu, Des⸗Cartes,“e
Letbnitz und mer es fonftfey;mwepitehen, und bloffe
Ihre Gebanken auffchrieber.“
Theophron. Ich Halte mich gern un Fit
tapfen, die vor mir ſind, Theand; es fehlet mir “·
auch noch viel, ein Wert entwerfen zu koͤnnen, aufe
welches die notäwendtge,; ewige Wuhrheit ſekbſt ihr
Siegeldruͤckte.
*
a
Philolaus. Darf tich fest mit meknen Vors
a erſcheinen/ Throphron ? Ihr erſter Srundfatz
eß! u
„Das hoͤchſte Daſeyn' Hat feinen Hervorbrängumgen daß:
Hoͤchſte gegeden, - Wirklichkeit‘, Dafepn.”
“ —
288%
res ⸗ Vhlleforhou/ nachrniterg ob t Tichi kein Dapeyınp
es iſt nur Eine Subſtanz; wir ‚find bloß Meteo
Thuenyhoenr NR Tre
- Dafeyns im böhften Verfiandes Die eine «
Partel zuͤrnt/ daß Opinspe uns zuniel,: bie-andere,
daß er une zu wenig einekumers beide koͤnnen ſich
vielletch in teinem :fchkueiksen: Ausdrach· als: be _
ſetiagen vereinen⸗ Welten der Erikeug fiber
wie: Sisto namen In dfofdaalitaren. Ye:
deetabandift em ig e ne Write, d. i. eine el
| = Wiſſen She einen beſſeve Ausbruck
Phololans. Man glaubt gerade das GSegen⸗
theili „Spinoza babe uns unſere Indibldunittaͤt
genomumrenz ans die ſem Staubpunkrrlaſſe ſich ſein
ſtew aufreten / und zerſtoͤren⸗ꝰ⸗
Theophron. Wie man»denn auch; glaubth⸗
er Habe: dem ·hoͤchſten Daſeyn ˖ fein Dafeynm; ſein
Sefbſtbewußtſeyn geraubtr „Cobt iſt Ofiris
feine zertheilten Glleder ſlattern Me und dott ald-“
Modiftkatienen umher. Modiſſttationen ohne Wer
fen, Radien ohne Mittelpunkt; wiederum der wirk⸗
famfte Metelpunkt ohne Radien, das: wirklichſte
Weſen ohne Darſtellungen feiner Wirklichkelb“
denken Sie den ſich ſelbſt widerſprechenden tnıfhm.
Theano ſoll ımd: zurechthelfen; was iſt bel Ihnen
ſeüubſtſtaͤndig, mwirtfam » bleibend: und.
bletbend » wirkfam, was ſind Sie Felbih
Thrano? |
Theano. Mein: Geftatt gchäwt min ung:
aber ich biu nicht Meine · Geſtalt· Das ſagt mie ind |
272 .
Semaͤhlde meiner Kindheit, das ſaat mir in Leib
und Freunde, in Gefundpelt und Krankheit mein
Spiegel.
Theovbron. Und doch waren und find Sle
tn dieſem Wechſel von Zaftänden immer Diefelbe,
daſſelbe Individuum.
Theano. Mit melser Phautaſie aicht;
die aͤnderte ſich mit den Jahren. Mit dem, wes
wir Seſchmack, Liebhaberei, Affektlonen
nennen, nicht; auch fie find Kleider, die wir uns
vermerkt dudern, Daß endlich nnfer Gedaͤchtniß
-ermatte, unfere Eriuserung weile — laſſen
Sie mid; an diefe träbe Jahreszeit des menfchlichen
Lebens nit gedenken. Was allen komme fie ſpaͤt!
CTbeophron. Wenn alfo im Meihe ber
Sinntihke:t, der Phantafle, des Geſchmacks, ber
Beyterden,-der Mittelpunkt der Seibfibeitandpeit
aicht liegt, wo liegt er?
Theano In meinem Selbſt; weber als
Beariff noch als Empfindung läßt fin, wie mid
duͤnkt, das Wort welter Jeraliedern. Ich war Kind
und erwucht, war krank und warb geſund, ſchlief
and wachte; bei allen Neränderungen, die mit mir
‚vorgingen, von innen und außen nannte man mid
nicht nur, fondern ih empfand und nannte mid
Diefeibe.
Theophron. Dieb Principium ber Seibfigelt
hing a fo nicht von Jonen ab, als ob es, aus Mai⸗
fonnement entſtanden, burh Meflerion uns
te rhalten werden mülfe, als ob ed auf dieſer berube,
und ohne fie verſchwaͤnde.
Theano Wie kunte dieß ſeya? Daß trot
aller
.ıx
275
elle Brrindreungen mein -Rörper und Geiſt zwar
nie ı Diefelbe, aber Ich Dieſelbe, ein Selbk
blrekbe, Hänge: von meinen Raiſonnement nicht ab.
Wachend zaltoniatse ich nicht zu *3 * gar
abkıt , andrin Ben Zaubegegenden —— at
ich ofläene-mäbeye. Mſleltite Fri ‚uncherb : üfer
mich Feld; ſo Tibei ich rin kUeineẽ Selbſt gethei⸗
letz in thou⸗ vo ſelbn Tauſftbich.
Aqhed pyrom. Aiſfo Hagt bie Ueberzengung
venn amſerm⸗Selliſt, Das. Princepinm unſerer Iubi⸗
vidnuation tiefer, als * unfer Wetktanb, unfere
—— — SAbkwicktuntsit; fie machen unfere
Wirklichkeit, unfer Dafeyn; awf:igmen rühet bie _
Leiten aller unſerer ausgebildeten und unaus geblide⸗
ten Vermoͤgen, Tebebe und Thaͤttgkelten, bie von
der Erhdengen Himmel reichrt. — Haube Sir nun
wohl, Thaand daß dieß Principlum der Yur
divtonation (wir moͤgen es Selbſtgefuͤhl, Selbſt⸗
bewaſßtſeyn oberunnbexs nenne) bei allem, was
—* {a sirihem areas wirkſam ab thaͤtig
*
- Shane. Gewißnicht. Eine lebendige und
bisfe:geftlifte Roſe, ber fRöfenbufih und die Nach⸗
tigail, die anf im finget, ber Schmetterling, ber _
an der RNuſe hängt, können: weher biefeibe Art noch
denfelben Grad des Selbſtgrfuͤhls, des Selbſtbe⸗
—— mithin des Daſe vas haben; und wir
Menfaen? -
Theophrom. Alſo ſind fie und wir verſchie⸗
Herbers Werke ,. Philoſ. u. Geſch. IX. 18
276
fuͤr / eine ⸗Weiſe zu deuten, naͤmlich für das Merz
ſtehen ſelbſt: denn, ich. bitte, wer kann willen,
daß ei eine Sache verftehe, ohne daß er fie ver
ſtehe? d. 1. wer kann willen, daß er einer Sache
gewiß ſey, ohne daß er Ihrer gewit fep? Sobann,
gibt es etwas Fläreres und gewiſſeres zus Richtſchuur
der Wahrheit, als eine wahre Idee? Gewiß,
wie das Licht ſich ſelbſt und die Sinfteraffie offen»
baret, ſo iſt die Wahrheit. Rihifhuur ihrer
ſelbſt und Unterſcheidung vom Fal—
fſchen ). — Ich maße mir nicht an, die beſte
Philoſophie erfunden, zu haben; aber daß ich bie
wahre Philoſophie einaſehe, das weiß ih. Tag.
dur wie ich das: wie? fo antworte Ich: wie daß
) die drei Mintel eines Trlangels zweien echten Win⸗
keln gleich find. Daß dieß hinreihe, wirb kein
gefundes Hirn laͤugnen: denn was wahr Eft,
zergt ſich und zugleich das Falſche.“9
Ein Philoſoph ſolcher Art hat mit Dialektitern nichts
gemein, denen bie Wahrheit zu: fehen-und wegzu⸗
räumen gleichgältig ift, weil fie ihnen, nur ein
" Bort- Tofker.
AUm nichts geb ſich abſo Spinoza ſo viel Mäpe,
als Einſicht und Einbildung, Begreifen und Dichten
ſtreuge zu ſondern. Wis hart ex mit den Filtionen
der Einbildungsekraft umgeht, zeigt ſein the ol o⸗
giſch⸗politiſcher Traktatz mehrere Schellen
feiner Ethik, mehrere feiner: Briefe zeigen, wie
geuan er Wahlen vom Träumen und auch. iu jenem
*”) Ethie. P. II. Prop. q3. Schol. p. Bo.
- ”y Episti 76. p. 613.
—2
‘277
He verfchledenen Stufen des Willens, Erkennens
und Einſehens unterſcheſde ). Am klarſten zeigt
es ſein Traktat von Verbeſſerung des Ver—⸗
‚ftandes **), für deſſen Vollendung man Manches
geben würde. Ein Philoſoph der Art Fonnte mit.
Diendwerfen'nichts gu thun haben, die auch In der
Spekulation als Schemate umhergaufeln follen, den
begreifenden, faffenden, verftehenden Verſtand
aus fich felbft in Irren umberzuführen. „Ba willen, -
daß ich wiſſe, muß ich nothwendig zuerſt wiſſen;
die Weiſe, wie wir das formelle Weſen empfin—
den, iſt die Gewißheit ſelbſt. Zur Gewißheit des
Wahren bedarf es keines andern Zeichens, als daß
man eine wahre Idee habe; und was die hoͤchtte
Gewißheit ſey, Tann nur der willen, der die voll-
ftändige Idee einer Sache hat: Gewißheit und das
objektive Wefen eines Dinges find Eins. Es if
alſo nicht die wahre Methode, ein Zeichen der Wahr-
beit zu fuchen, nachdem man. Ideen erlangt hat; bie
wahre Methode ift vielmehr der Weg, die Wahrheit
ſelbſt, d. 1. die objektiven Weſen der Dinge oder die
‘been (alle drei Namen bedeuten Eins und daſſelbe)
in gehoͤriger Ordnung zu erlangen. Nothwendig
muß alſo die Methode vom Vernunftſchließen oder
vom Verſtaͤndniß (intellectione) reden; nicht,
daß fie ſelbſt das Vernunſtſchließen zum Verſiaͤndniß
der Urſachen der Dinge ſey, vielweniger iſt ſie das
Verſtehen dieſer Urſachen ſelbſt; ſie iſt dad Verſte⸗
| hen, was eine wahre Idee ſey, Indem ſie biefe
8d
RW Scholqu Prop. Je I u
”*) P, 366 — 92. -
⁊
278
von andern Vorfiellungen umterfcheibet und ihre
Natur erforfcht, fo, daB wir daher unfere Macht
su verfteben kennen lernen, und unfern Ver⸗
ftand fo Innehalten, daß er nah dbiefer Norm
alles Verftehbare verſtehe; wozu fie ihm
als Hülfsmittel gewille Regeln gibt, und macht,
dag er fich nicht mit nußlofer Arbeit ermübe. Me:
thode iſt alfo nichts, als ein reflerives Erkenntniß,
d. t. Die Idee der Idee; und weil es Keine
Idee der Idee geben Tann, es fey denn vorher
eine Idee dba, fo kann es auch Feine Methode geben,
menn nicht vorher bie Idee ba if. Eine gute Me-
thobe wird alfo die feyn, bie zeigt, wie nach ber
Norm einer gegebenen wahren Idee der
Verftand zu leiten ſey. Und da das Verhaͤltniß
zoifchen zwei Ideen mit dem Verhaͤltniß zwifchen
den formellen Werfen diefer Ideen -einerlei ift, fo
folgt, daß die refterive Erfenntniß der Idee des
vollfommenfen Weſens vor ber refleriven
Erkenntniß aller übrigen Ideen vorgäglicher ſeyn
muß; mithin wird die volfommenfte Methobe bie
fepn, die nah Norm ber gegebenen Idee
des vollfommenflen Weſens zeigt, wieder
Verſtand zu leiten. Hieraus erhellet auch, wie,
je mehr der Verſtand verftehet, er dadurch zu⸗
gleih Werkzeuge gewinne, leichter und mehr zu ver⸗
ftehen: denn (wie aus dem Geſagten Elar iſt) vor
allem andern muß in und eine wahre Idee,
als ein angebornes Werkzeng, exiſtiren,
durch deren Verſtaͤndniß zugleich ber Unterſchied be⸗
griffen wird, der ſich zwiſchen einer ſolchen und je⸗
der andern Vorſtellung findet. Und da es durch fich
279
Bar ift, Def bei Merfkanb auch ich ſelbt unr fo beſ⸗
fer verſtehe, ie mehrere Dinge ber Natur er ver-
fee, fo fieht man, daß biefer Theil ber Methode
fo votommener ſeyn werde, ie mehrere Dinge
ver Berkenb hard und daß bie Methode dann
kennet, deſto befier verfichet er feine eigenen Kräfte
und ber Natur Orbnung; je beſſer er feine Kraͤfte
verſteht, befto leichter kann er fich felbft ordnen und
ſich Regeln vorihretben; je beſſer er die Ordnung
der Natur verſteht, deſto leichter kann er ſich vom
Unuhgen zuruͤckhalten; worin, wie wir geſagt ha⸗
ben, bie ganze Methode beſtehet. Daß unfer
Berftand ein reines Abbild der Natur
fey, muß er alle feine Ideen aus der
Idee hervorbringen, die den Urfprung
und Urquell der ganzen Natur darftellt, -
Damit fie auch Quell ‚aller andern
Ideen werde”)
So dachte Spinoza, unb alle Beifter, die wah⸗
rer Ideen, d. 1. des Verſtehens fühlg und in
dem Maße, ats fie beflen fähig waren, dachten wie
* Sie entſagten der dichtenden Imagination,
und ſqieben (ch von Blendwerken nud Wortlarven.
Verftandene Begriffe find ben Spinoza das
Weſenhafte, Lebendige, Wahre; Bilbworte gel-
ten ihm nichts; er gebraucht fie als algebraifche
—
*) De «mund. intellect. p. 267. 368. N
: 280 "
. Zönd: bad: Manßexe ſelen Methede aulaugt; fo
weiß jeder, der die ſtreuge ſonthetiſche Methode ver⸗
fat hat, ihre Scwierigkeiten. Oſft haben eingeine
GSleder ihrer Kette eine beſoudere An⸗ivfe und Be:
dultion noͤthig, die man, wenn und ein
Glied als aus. dem Voerhergehenden nicht = folgend
auffaͤllt, geduldig auftelen, nicht aber, weil man
ſie nicht angefbellen vermag, Ungnen ober verwerfen
muß. Aus Einem, dem reichſtienundvollſtaͤndig⸗
Ken Begriff, leitet Spineza alles her; in ihnr hat
und genießt er alles.
ſten
die Enfalt und Wahrheit liebten, d. kdrnen bie
CEhriſten, Griechen mb Indier, Spekulanten nit -
Kopf und Herz, Scholaſtiker und Myſtiler nahmen
daran Theil: denn Sßino za's Philoſophie war lange
vor ihm und wird, lange nach Mn Bleiben... Oft wa-
ren. bie, die am ſchaͤrfſten gegen ihn, d. 6 gegen
feine mipoetitanbenmm.cher kbelgesählteı: Ausbruu⸗
ſtritten, wein. fie ſich ſolbſt erktaͤren wouten vder
‚mußten, In feinen ober ihren eigenrn, jektibeffer-,
jeßt ſchlechtergewuͤtlten Anstrhmtn fe EZ JE ST
bens, des Innern Staubens mänıich m eln⸗
sige, lebendig empfundene, allem zum be
gende dee des Wahren, Suten und
. Schönen, ohne weihe all unfer: Suogen nnd
—
‘261
MAqeriben; Danbe bisiher. Soatte dieſer zabtncikden
iemgaifie,: bie einem audern Drt aufgeſpart
werben, ſtehe eine poſchume bee Lerffinge
„bier, ¶ die wenigſtens zeigen mag, daß ihn Spinoza's
Guben kein Scherz war,) und, von Bhaftes:
bara euflidet, ein Ratuchymuus,
— :
Teffing
über die Wirklichleit der Dinge außer Gott.
Ich mag mie bie. Beintictelt der Dinge aufer
GSott ertlaͤron, sute Ich will, ſo muß ich beßennen,
unten nis keinen Begriffe davon machen Fran.
Man nennme fie das Kowmplewment ber
Mmoguichteit; fo age ich: ie von dlefem Kom⸗
poereate der Moͤglichkeit in Bott chi Wege, ober
telner? Wer wird das Lehtere behaupten: wolleu?
aber ein Begruiff· davon in- fan; fo ſtad alle
ie ihm ſolbſt wirkiich
Aber, wird man ſatgen, der Begtiff, werden
Gott von der Wirkichleit eines Dinges Hat, hebt
ur Wirlkllchkeit dieſes Dlages außer ihm ˖nliht auf.
Mat? So muß die Wirklichkett außer ihm etwas
ben, was: fle von: ber Wieklichkeit In ſeinom Be⸗
sure witerſcheldet. Das tik: In der Wicktigeit
außer {fm muß etwas ſeyn, wovon GEott keinen Be⸗
seiffyat. Ehe Angereimtheit! Iſt aber nichts der⸗
Ale, in dem Begrtffe, ben Gott von der
EIKE eines Dinges hat, alles zu finden, was
4
282 en
An beffen Wirkiigtelt außer ihm angutreffen: fo ſiub
beide Wirklichkeiten Eins, und alles, was außer
Sott exiſtiren fol, exiſtirt in Gott.
—X
Oder man ſage: die Wirklichkeit eines
Dinges ſey der Inbegriff alter möstt-
hen Beſtimmungen, die ibm szufommen
koͤnnen. Muß nicht biefer Inbegriff auch in der
Idee Gottes fen? Weide Beltimmungen hat das
Wirkliche außer ihm, wovon nicht auch das Urbild
tn Gott zu finden waͤre? Folglich iſt dieſes Urbild
das Ding ſelbſt, und ſagen, daß das Ding auch
außer dieſem Urbilde exiſtire, beißt, deſſen Urbild
auf eine eben ſo unnoͤthige als ungereimte Weiſe
verdoppeln.
34 glaube zwar, bie Philoſophen ſagen, von
einem Dinge die Wirklicpfeit außer Gott —*
heiße weiter nichts, als dieſes Ding bloß von Bott
unterſcheiden, und deſſen Wirklichkeit yon einer au⸗
dern Art zu ſeyn erklaͤren, als die nothwendige
Wirklichkeit Gottes iſt.
Wenn fie aber bloß dieſes wollen, warum ſollen
nicht die Begriffe, die Gott von ben wirklichen Din:
sen bat, diefe wirklichen: Dinge ſelbſt ſeyn? Sie
find von Gott auch genugſam unterfhieden, und
ihre Wirklichkeit wird barım nach nichts weniger
als nothwenbig, weil fie in ihm wirklich And. Denn
muͤßte nicht der Zufaͤlligkeit, die fie außer ihm haben
follten, auch im felner Idee ein Bilbd entfprechen?
Und biefes Bild iſt nur ihre Zufaͤlligkeit ſelbſt. Was
außer Gott zufaͤllig iſt, wird auch in Gott zufällig
ſeyn, ober Gott von dem Iufälligen außer
ähm keinen Begeif haben — Ich brauche dieſe⸗
283 .
anfer ihm, fo wie man es gemeiniglich zu brau⸗
hen pflegt, um aus ber Anwendung zu zeigen, Daß
man es nicht brauchen follte.
Aber, wird man fchreien, Sufäffigtekten in dem
unveränberlichen Wefen Gottes annehmen! — Nun
bin ih es allen, der dieſes thut? Ihr felbfk, bie _
ihr Bott Begriffe von zufälligen Dingen beilegen
müßt, iſt ench nie beigefallen, daß Begriffe von zu:
fähigen Dingen zufällige Begriffe find?
Leffings Leben und Nachlaß.
ch. 2. ©. 164.
— Naturhymnmus
von
Ehaftesbnry”. \
Eerfter Sefang.
Empfangt mid, Fluren! Heifige Wälder, nehmt
Dem Stadtgeräufh entronnen den Wandrer auf,
Der Hier in euren Schatten Rufe 2
Sucht und Erquickung. Gewährt fie hold ihm
Heil euch, ihr grünen frohen Gefilde! Hell,
Des ſtillen Segens Wohnungen, euch! Und euch
Ihr Reiz⸗ und Schmud : befränzten Fernen,
Heil euch und allem, was in bir Tebet,
N
| *) Moralists, P. III. Sect. I.
-
384 /
Dur Aufenthalt giädtteriger Menſchen/, die
Outjerns dem Weide, ſerne der Thorheit, bier
Unſchuldig, ſtill und froh und munter
Lehen, und, große Natur, ch auſchaun.
Natur! der Schönen Schänfte, dir "Gütige!
Allliebend, westh von allen gefiebt zu fen,
Ganz söttfih, welshoitooll, voll Anmakh,
Alles Grgabmen hohsſr Inchalt,
Der Gottheit Freundinn, weiſe Statthafterinn
Dee Vorſicht, oder — Sqhoͤpferinn, Schoͤpfer ſelbſt? —
O Schöpfer, ſich, Ih kinie und bete,
Bete dich an in der heiligen Halle
Des hohen Tempels. Dein, o Erhabner, iſt
Died Schweigen; dein iſt dieſe Begeiſterung,
Die mich, obwohl in unharmoniſch⸗
Lautenden Tönen zu fingen antreibt.
Der Weſen Einklang, Ordnung und Harmonie
Des Weltalis, die fih, o Unerfonfchfider,
Du alles Schönen Quell und Ausguß,
Meer des Vollkommnen, in dich fih auflöft,
. Sn deffen Fülle alle Gedanken ruhn,
In dem die Schwingen jeglicher Phantafle
Ermatten, fonder End’ und Ufer,
Ueberall Mittelpunkt, nirgend Umbreis.
So oft ih aufflog, ehrt’ ich zuräcd in mid
-Bon meinem Nichts, von deiner Unendlichkeit
Durhdrungen ; und ich mag’ ed dennoch
Dich zu ergründen, Gedanken s Abgrund ?
Did) zu ertennen, ewige Schönheit, dich
Beherzt zu lichen, fehnend zu nahen dir,
Dazu erſchufſt du mich und gabſt mir
Regung und Willen; o gib mir Kräfte‘
) R
285
Sey du mein Beiftand! Wenn ich im Babpeintg
| Der Schöpfung forfhe, Teite den Forſcher din ı
i Der mich mit Geift und Lich’ erfüute,
Führe den Liebenden zu bir ferbft Hin.
Zweiter Gefang,
Anvelebender Geift, o du Begeifterer,
Kraft der Kräfte, du Duell jeder Veredlung,
Quell auch meiner Gedanken,
Inhalt meiner Gedankenkraft,
Unermübdet und ſtets unwiderſtehbar regſt
Du zum neuen Senuß alles im Reich der Michts
Unter heirgen: 'Gefiken
| Wechſeln Leben und Lebern neu. '
Froh gerufen zum Licht, fohauen fie und gergehn
Fröhlich ſchauend, damit anderes auch ben Strahl
Dieſer Sonne-gmieße, v
Und am Leben ſich alles freu".
Unerfhöpfliher Quell, altem mittheilend ſich,
Unverſiegbar; es ſtort nichts die geſchaͤft'ge Hand,
Die kein Pünktchen verabfäumt,
Nichts verläffet mit aͤhree Hufe.
| Der Vermeiungen felbfk graufe Naturgeſtalt
(Schaudernd zittern von ihr Bid und Gedanken
Sf die Pforte. zum Leben, .
Neuer Jugend Erfhaferinn, -
Schauplatz ewiger Kunft! Altes ift ed und Ziel,
3ZWweck und Mütel. Es gehn Welten in Weiten auf
Sinfern Sinnen; Unendlich:
Kleines wird und unendlich groß!
⸗
286 ——
—
— Welt ber Wunder! In ihr ſtrebet ein Weſen fort,
(Iſt's ein Weſen?) das, ſich immer mittheilend, nie
Stirbt; es ſtrebet in tiefſter
Ruh; wir nennen Bewegung es.
Dort ein ander GSeſpenſt, unſerm Begriff zu Hein
Und zu groß; es entfchlüpft jetzt wie ein Augendfid;
Schwillt jest, unſerer Schranken
Spottend, auf bis zur Ewigkeit.
Wir begreifen es nicht: aber wir nennen's Zeit,
Und was endlos⸗ umher alles umfaſſet, Raum.
Und — 0 tiefes Geheimniß,
unfer Denten, Empfinden Du!
Und das eigenfte Selbſt, und das Gewiſſeſte
Alter Weſen; (es fey altes ein Schattentraum,
Mein Empfinden ift Wahrheit;
Mein Gedanke, DBernunft befteht.)
In ihm fühl ih das Gepn höherer, ewiger- -
Welen; in ihm das Seyn Deiner, o Urbild du
Deiner Werke, du wohneſt
Höchftwanraftig in mir, in mir!
.*
Dritter Gefang.
Du Sternenhimmel, funtelnder Sonnen Raum!
Ber zäplt die Sonnen? wer, die noch niemand ſatz?
Und mißt von Welten dokt zu Welten,
Miffet von alten den Raum zu ung dann?
O Unermeßner: Jede der Sonnen regt
Ein Heer von Erten. Jede der Sonnen wallt
In Straßen, deren Eleiner Schimmer
Uns ein Gewolt ift, in fih ein Weltau.
um.
⸗
287
Dort unfre Sonne: Heiliger Tageshrunn,
Lichtqueli und Duell des wärmenden Lebens: Sanft⸗
Und ſtark⸗ wirkſame Zlamm’, ergoffen
Ringsum, und in ſich gedrängt, ein Lichtball.
Yumädtig Weſen, Bid des Allmaͤchtigen, -
Des Weltenhalterd, Grund der belebten Welt!
An Anmuth unvergänglich, ewig:
Ewig ein Yüngling, und fhön und lieblich.
Kaum. vift du ſterblich, Hohes Geſchoͤpf. Mer träntt,
Die immer ausgießt, labende Ströme ſtets
Bergeudend, die ftet6 unerſchöpfbar
Seguet von oben, wer träntt und flärkt dich?
Erfreut zu werben ſchweben in Iebender
— —
Bewegung viele Erden um fie. Zu ihr
Sezogen ald zu ihrer Mutter
Drängen fie fih, und ein andrer Zwang hätt:
Sie fit umkreiſend. Mäctiger Hausherr, weld;
Ein Seiſt belebt fiei Goſſeſt du Seel in fie?
Wie? oder fügteft du dem Aether
Mädtig fie ein und dem Haud der Winde?
Der Winde, deiner Diener. Wer Hält den Bau
Jedweder Welt zufammen? und dreht ben Ba
Der Erd’ um ihren Punkt, indef ihr,
Ihr und der Sonne getreu, der Mond folgt?
Was Hit du, Erde, zu den Gemwaltigen dort?
Sur Gonne? Was zum Heere der Sonnen ? was
Zum linermeßlihen? Und dennoch
Biſt du fo groß zu dem Nichts, dem Menfhenr
Dem Menſchen, ber von himmliſchem Geift belebt,
' Bon dir fih aufwärts, auf zu dem Bater ſchwingt,
zum Mittelpunft der Seelen, fiher
Wie fich der Körper zu feinem Punkt draͤngt.
288
0 drängten alle Geiler zu ihrem Zw:
Sich fo Keffänkig!: Doc ber das Chaos ſchied
Und fang die Weit in Harmonieen,
Wird auch bie Geier in Orbnung:fingem,
iin
Bierter Gefang.
Ungrüdfeliged Volk, Menihen! Warum entflögt
Ihr der lieblichen Flur Ishnenden Müge? Stat —
Dder Hieß euch ein Dämon,
Ruf’ verachten und. elend ſeyn?
Da kam Uebel und Noth über die Sterblihen: '
Kranker, matter Bogier ecdkalte, was die Erd
Heimiſch reichte; fie ftreiften
Plündernd Über das Meer hinaus.
Bon den Schäsen der Welt Über der Erbe Schoos
Ungefättiget, arub wägend die Thorenzunft.
Grub hinein in der Mutter
@ingfweide nach Meichthum Hin.:
Da auch göttlihe Kunft, herrſcheteſt bildend du, -
In Verwandlungen Gier, dort im: utenußeeen
Ewig : feſten Geftulden, .
Undurchdringlich iden Forſthenden3
Aber giftiger Dampf, der die Geheimniſſe
Deiner Werke, Natur, birget, umthuͤllte ſchneu
Sn der grauſigen: Werkſtatt
Die Berwegnen mit Todetdampf.
vo:
* * 8ð
Reine, liebliche: euft: freundliches Tagelkht !
Did zu ſchauen, auf did, Erbe, zu treten frot
Deine Schäge betrachtend —
Welche reinere, füße Luft!
⸗
Von
| 289
Bon tar Sonne wärst, van kim beiehensen
Haud der Winde gekühlt, wenn e Die Pfikmjetsi ker
Sanft eraniden, und Ihutere
Dort der dampfenden Erde Dunft.
Reayen Weinen IHiab ‚Reue $ :
Denn mit Kräften belebt, @dpe,Hu’Mäpeerkin
Deiner Kinder, vie Lurth - - |.
Friſch, als bildete Gott dich heut.
9 er | FR * ” —
Und du ſchwerere !räfı Waſſer, o ſchon biſt bu:
Het durchfcheinend ailid klar; aber alıly harten Ginns,
„zbrannen dich preſſen;
—— Fu — * folaſt· du gern!
Rinnſt, ein ſpiegeinder Strom, loſeſt die lockere
Erd’ auf, ſchwemineſt der Fiur ſtärkende Nahrung zu,
Die: in · aiſanger · Poierro ."
Bluthem zeugen und, Zuucht· gebiert.
“y,
Und zufammengepwingt tiefrin ben Dean,
Wanderft, leichtes Gefhöpf, wieder gen Himmel dn,_
Aufgezogen von Büftens - - .
Schwebſt in Wolkengeſtalt umher,
Fa u + * LE
Und Sommft wieder herab , wieder zur fechjenden
Erd’ erguitend Uns: Smeuch WrH Ströme Hibu.
Kingdum keit genen u
Alles vebenerwor burto dich..
rd Nut, “
2
P\ -
» *
. For i
Und ihr Quellen des Lichts, Meero der leuchtenden
Seuerflammen, wer iorfcht und wer umufert; euch?
Ausgegoffen in’s weite - _ “
Weltall, tief in der Erde Schoos
Berders Werte . Philoſ. u. Geſch. IX. 49
290
Eingeſchlohen. Die sufi dienet euch willig, trägt
Euch auf Zittigen. Trabi feider die Some —F nF
Trinkt nicht alle das Sternheer:. "+ » * F
Eure Strahlen und glaͤnzt ‚von euch? _
Lichtquell, heiliger Brunn! Nenn’ ich dich Aetber? dich,
Den durdhdringenden, der alles senigt und wärme, Ä
Unfern frofligen Erdbau u . r
Liebend wärmet bis in, fein Hera.
Durd dich bildeten fich alle Geftalten; du
Gibſt der Pflanze Gedeihn, fachſt in der athmenden
Bruft, die himmfifhe Zlayım’, auf. . PR
Die empfindet und geben beißt; :
N4
Bauſt, ernaͤhreſt und Parſt iegrihes Werkzeug dir,
Haͤltſt in glücklicher Ruh, glücklich in Harmonie
Aue Weſen; ſie freu'n ſich
Deiner wärmenden Muttergurb. .
Aber brichſt du hervor wůthero in Weinen, pri
Uederwältigend du isde Seſtalt unt Farm
O fo löſet fih alles
Auf und Leßret zuruͤck — in.
a. ag ae ee. 2 1. Fi ee
ya!
Sänfter Gefeng
vor hntutol 7
Wie matt, und feige Bidet die Ganne beib.un.. ‘0
Rad) jener fhiefen Ferne des Erdenbaiäitturpnik‘
Lang iſt die Winternact, ‚die dortaliegt. uß
Wenig erfreuend ber holde Morgen.
-
BR
De rafen Stürme, nimmer ermattend; da
Liegt in kryſtallnen Wällen das brauſende -
Unzihmdar s flolje Meer gefangen; : *
THäfer und Höpen bedeckt Mean “ |
.
'} ) vo.
OF VEn] Sara E55 7 Su u
- ‚
. i .
291
Des eifgen Schnees. Unter ihm Tiegt der Stream
Erſtarrt, erftarret Baum und Gefträuh und Sand; ° |
Kineingedrängt in finftre Höhfen
Zittern die Menſchen von Froſt, umheulet
Bon hungernd: wilden Beſtien. Doch (jo groß
Iſt Menigenmuth?) fle zittern und zagen nicht
Sor ihnen ; Kunſt und Klugheit hebt fie
Ueber Gefahren und Nacht und Mangels.
Denn endlih kommt die mädtige Sonne, fchmelzk.
Hinweg den Schnee und -TÖft die Sefangenen,
Die dann auf einen künft'gen Kerfer
Wieder ſich rüften und froh verforgen.
O Kunft. und Klugheit! göttliche Gabe! reich
Geſchenk des Himmels: Waffe für jede Noth! —
Eisvberge jhimmery dort; die Sonne
Aiß von einander die mächt'gen Berge,
Und zwiſchen ihnen drängen fh Ungeteur ,
Der Tiefe; feht! fe ſchwimmen wie Infeln, groß:
Und ftark, und unbezwinglid allem!
Söttfiche Menfgenvernunft, nur dir nicht.
4 ° *
Hinweg, vo Winter! Wende, mein Auge, dich
Zu jenen holdern Gegenden, die bie Sonn’ —
Inbrünflig anblidt; wie verändert
Wirket fie dort! einen ew’gen Sommer.
Das Aug’ erträgt nicht diefen ergfühnden Straft;
Die Luft erkühlt nicht diefe gehobne Bruft,
Die nach der Rute lechzt im Schatten
Kühler erjrifchender Adendwinde.
—
82
Der Schöpfe er wöiger!! Metiſchen und, Eee alte
Die lang’ N efeufite färkende Rup. Ein Daͤch
Bon. Wolken fteigt einpor ; erä (det
Athmen die Pflanzen, ſie athmen Dank Auf.
x
u;
Du Lad! ber Mte: etitgefline: Eand,
Bon Wuͤrzen düftend! —Aber wer ſchreffet· dort
Am ſchoͤtneit Fiuß? Ein Berg briebet, |
Reich an Empfindung und Muth und Weisheit,
|
Dem Menihen dienend, ſelber in Schlachten ibm
Mehr Bundegensg als Shave; der EClephant!
O Pradtgekhöpft — Und Pracht⸗Juſebten,
Schöne Bewohner der ſchoͤnſten Pflanzen,
Vom kleinen: MEHR bis zum erhabnen Patm!
Und dort vor ren Yerred: Inſekt,das ſich
Begräbt und ſpimnt den Menſchen hre
Seidnetr Gewunde, den Schuck dest St. —
Mein Blick zieht weiter. Siehe, wie Balfam dort
Bon Bäuzien fließet. Dort das gedurdige
Kämer; es hebt den Hals und ſenket
Nieder den Rüden, ein’ Schiff der Wüfte.
Schau bort den Nilftrom. Bild ber belebenden
Bielbrüftrgen Mutter, ftreet er die Arm’ umher,
Damit von feinen fegensfhwangern.
Frachtenden Mieten. fit‘ afles labe.
Aus dürrer Wuͤſte 'iffen die Three" herdei,
Den Durft zu löſchen, fröhlch zu "parken ſich;
Die Inbruuſt wirret die Geſchlechter,
Neue Geſtalten erzeugt die Sonne.
Tyrann des Stromes, ſchreckendes Ungeheu'r
Der Ufer, lauſchend hinter dem Schilfe, dann
Schlafenden erhaſchend; (ialſche
* ränen entrinnen dem frommen Morder)
ee tie ‘ ”
—
293
Verhaßtes Bild der trügenden Heuchelei,
Des Aberglaubens, weinender Krokodilt
Der Peſt, die Menſchen gegen Menſchen
Reizte, mit Wuth ſich um Gottes willen
Zu würgen. Unhold, bleib' in der Müfte dort,
Die dic, geboren ! Halte den Gifthauch fern,
Der, den Himmel zu bevölkern,
£änder verheert und entmenfcht die Menſchheit.
E44
& er
Hinauf ju jenen Höhen, wo Berge bort
Den Himmel tragen! Feld über Fels gethürmt
Erklimmen wir; die Ströme drunten
Toſen und brüllen in jähen Abgrund.
Berwittert hangt der drogende Fels auf uns!
Geborſten fteht die Trümmer der ew'gen Hop
Des Erdbau's. Prächtige Bermwüftung !
Alter und Jugend der Welt enthüllſt bu.
Uranfang ſuchen unfre Gedanken hier
Und ſuchen in der Tiefe. des Abgründe dann
Der Weſen Ende. Nicht am Gipfel,
Laß uns in Mitte des Berges weilen. “
dier unter immergrünenden Fichten , hier -
Im Gevernfhatten. Selber des Mittags Strahl
Wird Dämmrung bier; die tiefe Stifte
Schweigend, fie fpriht und enthüllt Gedanken. —
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Sedanken von wie mächtiger neuer Rraft! —
Seheimnißreihe Stimmen ertünen! — Hier, .
Hier ift der Gottheit Temper! Heilig:
Heil'ges Weſen, mit Naht umfcleiert!
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Anhang.
I.
Liebe und Selbſtheit.
1782.
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Eitn But, A ee, des He sep 4 8 e m ve in,
re das, Berfange
Qi tueeleufchineSatecder deren Bktung; 2
—*8* Dei Wei: ans: dom: Chaos: gezögen,-ukb:
ati mit Bauben · des Verlaugens und der
Sehnſucht wechſelfeitig an euandor getnkpftheber
————— feines In:
erſatte unde dem Etnen Leite) den ei:
alleso Lihresi ole wer: Liebe, inter wle manchet⸗
— eb
warn, ſo iſt in Br; fit: 4
era R' Ba Rbäbe- Die een gere
„wie era In Zebe:und: Beteihle::
‚gell atugor: PigekBefiokie allor Gruuß der
—* —B —* Verlaack
hie H ——32
— —— Hnlblonbicht PEPPER
Läysig 1782. Ch. 1. &. 71. (inter dei fe: Verfafferd
" Sandrriteeen fund fi) Band eine vollttänbige; Reber ·
— von Henſterauis Brief über den Menſchen und
—S—— ntn, die. aber. nie in Druck gekymmen.
gie biegen BueeOnn ſehr doch ),
derer ir
- . — — ———— — nn —
298
aber ſeyen gleichſam die Brautfuͤhrerinnen der Liebe,
die ſtarken und doch zarten Arme, die allen Genuß
herbeiziehn, vorbereiten, ja ſelbſt das groͤßeſte
Vergnuͤgen vorahnend gewaͤhren.“
Indeſſen ward auch bald die andere Seite des
Spfteme ſichtbar, daß dieſe Liebe Grgmgen habe,
und eine völlige Ieselnjaung der Werfen In unferm
Weltall fetten oder gat nicht flattfinde, daß alfo
auch bie Bande end Verlangen Pr
Sehnſucht eben In, ber groͤßten Anſtrengung nach-
Taf n, ünd [Piper oft, — Genüſſes,
ueberdruß und Saͤttigung gewähren. Man bemerkte
en auch in Diefosm- Soſed Weiaheit Kane,
weil der Schöpfer, hierdurch eben ſe ſehr für dm“ _
fetten Befland einzelner Werfen geſergt
hat, ale; gr durch Klon and rbatucht fuͤr die
Denaiutgung und dasemebl de: Behlamae -
Tey.umabgeser Geſchoͤpfe forugen: Mam ſahe, daß
dieſe beiden Kraͤfte, Dias der eiſtigen ESelt
das⸗ ſind was tim bau. locnerichen: Aum iren
baws:mal Zuriditnf was ea wichten.
zur Erhaltung und Befbmlkıng :heP Meltalſs gehe:
ren; und ich glaube, 28 mer,ihon@npehokled, :
der. Haß und Liebe au Beichu zuen des Umriſſes
aller hörte machte 5 DR Feste: Kar,
werben die Dinge getrennt, und jedes Ginzelne.
blaibt was eh dunch Hehe werdena ſie nenbunden
— 24 rl. . 3 TQR.LE PN IR
Mn are en Fr WÄREN uRETe
GE ER ins ra
— Er ETHEE 2 AALLEE Hte
Ex 10 bi: nu 066°’ m, 77 ve je zur Via
299
md geſeller fig‘ zu einander,” — fo fern ſie:ſich
nämlich ‚ihrer Natur nach geſellen koͤnnen; dem’
freilich auch uͤvber die ziehe, 'fdgten die riechen,’
bereich! dad Schtdfalz und Notkwendtgiett,“
die e Ältefte der Gottheiten,’ iſt mädtiger; "ald die
Nee Platons Ibeen warb biefe von der
en und dem Ueberfluß in den
Gaͤrten Jupiters geboren: fie hat alſo die Na⸗
tur beider, und iſt immer ubhängie von ihren
Eltern.
glaube, es ieh nicht unangenehm Fern,”
biefen doppelten: Spaziergang zu verfolgen/ zumal
ung. Hett Hemſter huis mehr auf die Eine Seite
angenehm geführt hat. Er hat ſich die andere für
eine andere Abhandlung aufgefpart *), bie er noch
* geſchrieben hat, oder ich noch nicht gefeben,
6 A — d
Daß Liebe die Wefen vereinis e, und daß one
Schnfuht, alles Verlangen nur nach diefer
Veretntgung,' als nach dert 'einjigmöglichen ,
Sehuß abpettennter Beten, frebe, dieß
hat amfer Autor Wit ſo · ausgeſuchten Bei ſpleken er⸗
wleſen, daß eine ju relche Nachleſe ber nur
unnuͤtzer Ueberfluß waͤre. Jede Begierde —* ſinn⸗
4 md geiftigem Genuß, alled Verlangen der
Freudſchaft und Liebe duͤrſtet nach Vereinigung mit
dein: —— weil es in ihm einen nenen ABER“
Eher ekgenen Wirklichkeit vorem ſindet
Die Bote hat C weiſe und gut gemacht ‚di
‚ra
,
* c ns
9 Hemkeräuis bermitchte poſloſepbiſch⸗ Sariften
29. 1. 6. 108.
X
vwen uverr Haſ vn nicht in uns, ſondern nur durch
Ranttionratsichie in eluem Gegenſtande aufer
und: fühlen Felle. nach dem, wir alte, ftreben, für
den wir leben/ an dem wir doppelt und vieifach
Din Mengfeanziehender Gegenftände,. bie: bie.
Nabıraunzung leate, find: alfo, von ihr⸗ in ſo man
cherlei Entfernungen gefeht, und mit ſo ver⸗
ſcaiſderes Hraden-und Arten der Unpiehunggs.
kreft pegehet, daß eben hlerdurch ein reiches, and,
— Saitenſpiel der Empfindungen von —
Zonen ap Modls in ung mögihhwarde md nfer
Mind Leben gleichkam. cine. -D.a re ukka Dre
Volesgenc, dag, Runfgebiiäe, einer, Immer, 2 cha.
nen. unerfärklien, ewigen. Sehafuäks
Der. grobe ſuanliche Genuß ver mandeht da,
fi und zerſtoͤrt den Gegenſtand, nach bemi wir:
begehifen.: Er.if;alig ig hhastz denn her figet
vouigt· Vereinigung Aast;;- alleiuneg. Ik au ıgrpbe
URAONEÄÄR xge hae a da Ergibt Menfhen dien
den Benuß, anr auf der Zunge ‚haben, (daher aud
im ger RReben, dad: Wort Geniehen, ‚inefz
freu ia-dlofem Sinn gebraucht wird;) der Genuß,
Mrhler. Vereinigung, d. I. Auföfung-ber.felus,
flag, Säfte,,, er iſt aber auch eben, Damit geendete
denn aug aſt der Gegenſtand werfclungen „jerfköxet,,
vaßan, if alſo auch hler der feinfte, Genuß
VON» DRAHT; der Appellt nach einer
Tat iſt —— als die Frucht ſelbſt; dag,
Auge macht die Zunge am lieblichſten Lüftern, oder »
wie Lukrez von einem andern Sinne fagt:
— voluptateni praesagit multa copigg — —
' "301 Zr
YO mit dem Genuß der Witte, ia TERBTE Wer
KEne.Wir ziehen fie’in uns, wir'tiihten: den
"Strom ihrer Wolluſt mit langen Fügen: "unbe
dan Tagen wir, dab wir Mufit genke ßen, wein
fie unſer Herz zerſchmelzt, wenn flemit dem innern
" Saltenfplel unſerer Enpfindungen Eins wird. Der
Etthm des Wohllauts, fo fein’ er'fep wird indeß
“and verfhlungen; er dauerketida nur! Inden
Harmoniſchen Wirkungen, In den angenehmen VBi⸗
bratlonen fort, ble er anf uns machte. —
geiſtiger der Genuß if, deſto dauernder
ieh. er, deſto mehr iſt auch ſein Gegenſland außer
uns dauerad. Laſſet uns aber auch immer da⸗
„hen, deſtorſchwaͤcher iſt er: denn ein Ge⸗
genſtand ſt und bleibt außer uns, und Tann. Ps
»genslich nur im: Bilde d. i. wenig · oder.gar nicht,
mit und Eins werden. Das Auge wird zu ſe⸗
‚en aimmer fatt: denn. wie wenig erhält das Herz
nim Sehen! wie wenig Tann.und zum innigſten Ge⸗
miß ber bloße Lichtſtrahl geben! Was ber lateiniſche
Dichter vom: unvolllommenen Benuß ber Liebenden
:fagt „ gilt: auch hier: -
EB Are praeker imufatra Aderiäum I
. WE BIbere Id Wi WIE Cu guaafit ei’ Frarkdr
Apn datue ardoreiaiw nrenibrie qui Sörniguere possit,
: Sed-latitam simulacra potit frustraque laborat,
: Ia ansdioque sitit torzenli Aumine potans.
nnd ih’ Der. chkt ſcheinen bieres atich die Vittnoſen
dftſes Organs, "die das Geſicht bie zur Wolluſt des
PVenüſex austzebitdet haven, zu fühlen. "te fus
den ſte das Bild vor ihnen zu beleben! Einem je
. 802
den Druck des Lichts und des Schattens, ber Farbe,
der. Bildung, ber Geberde tappen fie nad, daß,
wenn fie Künftier find, fie den Geiſt des Urhebers,
und wenn fie in den Gegenftänden felbjt leben, diefe,
. ob es gleich nur Erfcheinungen find, etwa hervor-
. fühlen, beraustappen möchten; wo abermals alfo
‚der Genuß nur duch einen Wahn von Vereinigung
- Statt hat. Schwacher, aber gädliher Wahn! Das
Auge zerftört das Weſen bes geliebten Gegenftandes
nicht, eben weil es denfelben nicht In fih hinüber
zu ziehen, vermag. Dünft biefer nun dem Ge⸗
täufhten ein Quell unerfhöpfliher Reize: wohl
ihm, dem Gluͤcklichbetrogenen, der fein yenteßet!
Er schöpft immer, und fhöpft nie aus, weil er nie
ganz und innig fchöpfen konnte: bie gelichten Bilder
fliehen vor ihm und bleiben Ihm doch gegenwärtig:
er lebt vom füßen Traum des fichtbaren geiftigen
Wahnes.
Unvermerkt kommen wir auf die dem Scheine
nach danerndſte, aber auch fuͤr unſere Sterblichkeit
am wenigſten befriedigende Art des Genuſſes, den
Ideen-Genuß koͤrperlicher Schönheit, oder, wie
es die Schwaͤrmer nennen, ben Genuß platoni-
ſcher Liebe. Platd gibt zu Ihr feinen ‚Namen
unrecht hers denn er redet von gelfligen Ideen, die
mit dem Gelfte genoflen werden müfen, ımd je
auch nicht anders genoſſen werben koͤnnen; nicht
aber von einer wahnfiunigen Vergeiſtungs der
‚Körper, aus ber oft eine nur zu grobe Verkoͤrperung
. wird. Daß biefer Genuß nicht geiftig fey, ſehen
. wie daraus, weil er den Körper zerftört, und dem
Geiſt nicht befriedigt: er fündigt am Nervenfaft,
., 803
wie die zu grobe Liebe an Fleiſch und Blut ſuͤndiat;
und zeigfalfo eben Jamit, daß er dein wahrer Ge⸗
“anf; feine 'gfütlihe Beſchauung der Art ſey, wo
der geflebte Gegenftand mit uns Eine wird. Wie
kann, was Körper iſt, mit dem reinen Geiſt Eins
werden? zwei Dinge , bis eigentlich nichts mit efn=
ander gemein haben, und nur burd eine Art frei-
vwilliger Trunkenheit, wie die Griechen dichteten,
unprünglich vermifht werben‘ konnten. Geiftige
Eigenſchaften und Gegenftände Tann der. Geift ges
„legen; Ihre Vereinigung mit ihm iſt rein und fo-
niblg, als jener alte Hymnus Gott fprechen läßt:
Altes iſt mein, denn Ih habe es in mir!
ehr Befisthum und efn Genuß, deffen die Seele
‚nur bei den reinften Gegenftänden fähig iſt. De
flegt und Yofiet fie als ein fchöner Schmetterling,
der def feinem Genuß der Blume nicht ſchadet: wo
‚Se als Raupe genieht, zerfrißt fle leider Blätter
yes nnnt
Wir fangen alſo yon den wahreren Gattungen
des geiftigen Verlangens, der Fre undſchaft
md Liebe zu reden an, und ich hole, mac dem,
was Hemſterhuis ron Ihnen gefagt hat, nur
wenige Zuge 17
Ddas Wh ber Alten von der Freundſchaft,
indie,beiden in. einander gefhlungenen
Bänder fhelnen mir. das befte Siunbild Ihrer
‘"Wereiuläung, Ihres Zweckes und Genuffes zu ſeyn;
„beheptender, ais die zwei „gleihgeftimmten
Gaftenfplele.” Dieſe drüden nichts aus als
at die lange noch nicht Freund⸗
{haft ift. En geſelliger Menſch iſt leicht⸗ und
214
804
Wöhlgeftinrint, "er ſtimmt in ſelbſt feld: in jeder
"Sefenfhaft, und fo ftimimt. ſich auch bleſs Iefht zu
ihm. Er drüct niemand mit ſelnem Dafenn, er
verengt leinen; und fo iſt jedermaun gern um ihn:
"man! If auch auf einen gewiſſen Brad mit ihm ver⸗
ttalit, pril man fuͤhlt, der Manſch "habe nichts
Arges. Chataktere der Art find zum foͤgllchen
gang gut: Aber Freundfhaft — welch ein Agde⸗
tes, heillges Band iſt dieſe! Herzen und Haͤnde
"Intoft ſſe zu Einem. gemeinfhaftlihen
Boede zufaiiten, und wo dieſer Zweck aulgen-
terug, wo er fortwährend, anitren
‚gend, Teldf unter oder Hinter Gefahren
vorllegt: da iſt das Band der Freundfchaft oft fo
genau, feſt und Herzlich, daß nichts ald der Tod es
"zu ‚trennen, vermachte. . Der Phalanı griechiſcher
Freunde iin Kriege, die alle wie Bene: fiesten ober
ftatben‘; ‘jene Helen Bwillingsgeitirne, der
Freundſchaft, bie unter ale tionen, Hebraͤern
und Sriehen, Schthen und Wilden aus der Nacht
der Seiten hetvotglaͤnzen und dem menſchlichen Her⸗
zen ſo woͤhlthun, wodurch waren fie Freunde? Ein
gemeinſchaftlicher Zweck verband fie: Gekahr zog
‚den Knoten zuſammen: erprobte Iren, Toflgchen:
der wachfeader Eifer," glörgeihe Mübe,, demefn:
ſcheftlicher LRenuß der Muͤhe, Noth und Tod enbllch
machten dem Knoten unaufloͤglich. Wie wahr ie,
was "jener Fremd von ſeinem Freunde, nger:
‚beine Liebe war mir mehr ald frauen
liebe! Die Schöpfung Fennt nichts Eblered, ale
wei freiwillig: und unauffsstic zufammengefchlune
gene Hände, zwei freiwillig Einsgeworbene Herzen
2 und
7
_ 603
und Leben. Gleichviel ob diefe beiden Hände maͤnn⸗
U ober, weiblih oder beiderlei Geſchlechts find:
es iſt ein ftolges, aber ungereimtes Vorurtheil ber
Männer, daß nut fie zur Freunbfchaft taugen. Oft
ift ein Weib zu ihr zarten, treuer, fefter und gold⸗
teiner, als eine Reihe ſchwacher, fuͤhlloſer, unrei⸗
ner Männerfeelen; und wo Untreue, Eitelkeit, Ri⸗
valltät, Leichtſinn ſtatt findet, da iſt Freundfchaft
für. beide Geſchlechter unmöglih. Auch Ehe fol
Freundſchaft ſeyn: und wehe, wo ſie's nicht iſt, wo
fie nur Liebe und Appetit feyn wollte! Es iſt einem
edeln Weibe ſuͤß, auch um ihres Mannes willen zu
leiden, gefchweige ſich mit Ihm zu freuen, und er
ſich in ihr, fie fih In ihm wirkſam, fröhlich,
donett, geſchaͤtzt und glüdlich zu fühlen. Die ge-
meinfhaftliche Erziehung der Kinder iſt der fchöne
leitende Zweck ihrer Freundſchaft, der noch im
staunen Alter beide ſuͤß belohnet. Als zwei ver-
ſchlungene Bäume ftehen fie da, und. werden da⸗
ſtehn, umringt vom Kranze jugendlich-grünender
Bäume und Zweige. — Ueberhaupt iſt ein ge- R
meinfhaftlihes Leben bad Mark ber wah-
ten Freundſchaft: Aufſchluß und Theilung
der Herzen, innige Freude an einander, gemein⸗
ſchaftliches Leid miteinander, Rath, Troft, Bes
muͤhung, Hälfe für einander find ihre Kenn:
sehen, ihre Süßigkeiten und Innere Belohnung.
Was für zarte Geheimniffe gibt's in der Freund:
ſchaft! Delitateffen, als ob die Seele fid in des
Andern Seele unmittelbar fühle, und vorahnend
feine Gedanken fo richtig erkenne, als ob's Ihre
eigenen Gebanfen wären. Und gewiß, die Seele
Ferderd Merke 3. Phileſ. u. Eeſch. IX. 28
806
hat zumellen Macht, fie fo zu zeichnen, fo tn bes“
andren Herz unmittelbar und iunig zu. wohnen.‘
Es gibt Augenblicke der Sympathie auch in Gedau⸗
ten‘, ohne die mindeſte äußere Veranlaſſung, die
zwar die Pfychologle nicht erkllaͤtt, aber die Erfahs
zung lehrt und’ bekräftigt. Cs. gibt‘ Erbmerungen⸗
.
auch ferne Erinnerungen. abwefender Freumde am
einander, die oft von der wunderbarſten, mähtlg-
ſten Art find. Wem überhaupt die Seele je die
geheime Kraft hätte, ohne Organ unmittelbar in
eine andere Seele zu wirken: wo koͤnnte es natut⸗
licher ſeyn, als bei der Freundſchaft? Diefe iſt reis
ner und alſo gewiß auch maͤchtiger als bie Lieber’.
denn wenn die Liebe ſich zur Stärke und’ Dauer einer
Ewigkeit erheben win; muß. fie erft, von ber groben
Sinnlichtelt geläutert, achte und wahre Frenndſchaft
werben. Wie felten gelangt fie dahin! Sie zer
ſtoͤrt ſich ſelbſt, oder zerſtoͤrt Ihren Gegenftund mit
ducchbringenden frefenden Flammen, und beide,
das Liebende und das Gellebte, Iiegen ſodann wie. "
ein Haͤufchen Aſche da. Aber die Gtutt) der Freunde
{haft iſt reine erquickende Menſchenwaͤrne. Die
beiden Flammen auf einem. Altar ſpielen in einan⸗
der, heben und fragen frohlockend einander, und oft
noch in der Stunde‘ der traurigen Schelbung ſchwe⸗
ben ſie froͤhllch und einig Ins Land der reinſten Ver⸗
eintgung, ber treueſten, untrennbaren Freundſchaft
ſiegend empor.
Der Leſer verzelhe die Ausfuͤhrlichkelt, womit
ih dieſen Punkt behandle. Da ich Ihm für die
wahre, einzige und ſchoͤnſte Seelenverettigung, alſo
auch für den edeiften und füßeften Genuß "Halte,
N f
507 s
deiien bie Menſchheit fähig iſt, dem auch feibft die
Aebe dienet: da es fo verfchledene Grade der Freund-
ſchaft gibt vom ber. leichten Geſelligkeit bis zur er⸗
babeniten, -ftillften, dauernditen Aufopferung,. die
freilich nur fehr auserlefenen Seelen unter ſehr felt-
nen Umſtaͤnden und Verbindungen, aber auch fol-
chen als das höchfte Privilenium,. als der aͤchte Vor⸗
ſchmack einer kuͤnftlgen hoͤhern Exiſtenz zu. Theil.
warb; kurz, da in ber Freundſchaft eine Vereini⸗
sung, faſt ohne Organe, rein, ganz, thaͤtig und
immerwachſend ſtatt bat: fo iſt ſie, duͤnkt mic,
auch der hoͤchſte Punkt alles Verlangens, und ge⸗
tade in ber groͤßeſten Auſtrengung und Bedruͤckung
wird fie das reinjte Gluͤck der Erde. Hier wirkt"
der wahre Magnetismus menfhlicher Seelen, und
wir wiſſen, der Magnet zieht am meiſten, wenn er
geuͤbt wird. Ungeuͤbt liegt er todt da; ohne Zu⸗
verſicht uund ſchwer erprobte Treue iſt Feine Freund⸗
ſchaft, keine Verwechſelung der Herzen möglich.-
Aber die Natir ſah, daß dieſe reine himmti⸗
ide‘ Flamme für und auf Erden meiſtens zu fein
waͤre: ſie kleidete alſo In irdiſche, ſinaliche Reize,
und; arm erſchlen Venus Urania als — Aphrodite.
Liebe ſoll uns zur Freundſchaft laden, Liebe ſoll
ſelbſt die innigſte Freundſchaft werden.
Den hoͤchſten Grad ihrer Entzuͤckung ſuche ich
nicht da, wo, wie ‚Here Hemſterhnis fagt, uns die
Natur. mit einem Augenblick irdiſcher Vereinigung
taͤuſcht (ein Augenblick, der fih ringsum In Lauter
Beduͤrfniß verlieret), fondern in dem erſten glüdli-
chen Finden, in dem uͤber alle Beſchreibung ſuͤßen
508
Augenblick, da beide Gellebte gewahr werden, daß
fie fi lieben, und es nun, wie unvolllommen und
unwillkuͤrlich es fey, fo gewiß, füß und übereinftim-
mend einander fagen. Warum muß ich das Wort
gebrauchen: Tagen? Das arme Wort! Was
Tann in biefem Augenblick die todte Zunge, bie lech⸗
zende Sprache fagen, wo felbft der feelenvolle feu-
ige Blick feine Flügel nieberfchlägt und feinen
EGlanz verhüfet. Wenn es einen Augenblick himm⸗
Aiſcher Wolluſt und reiner Vereinigung verkörperter
Weſen bier auf Erben gibt, fo iſt's biefer; «alles
‚ganz andrer Net, ald was und ber barbende Genuß
erlaubet. Ich weiß nicht, welche Mythologie ir⸗
‚gend eines aflattfhen Volks Ihre Zeiträume bes
hoͤchſten Alterthums fo eintheilt, daß die Menſchen
‚(damals noch paradieſiſche Geiſter) ſich Jahrtauſende
zuerſt durch Blicke, nachher durch einen Kuß, durch
eine bloße Beruͤhrung geliebt haͤtten, bls ſie in
langen Zeitraͤnmen endlich zu den niedrigen Arten
des Genuſſes allmaͤlig hinabgeſunken waͤren. Der
Augenblick jenes geiſtigen Erkennens, jenes Ver⸗
raths der Seele durch einen Blick ſetzt ung gleichſam
in dieſe Zeit zuruͤck, und mit ihr in die Freuden des
Paradieſes. In ihm genießen wir zuruͤcke m⸗
pfindend, was wie fo lange fuchten, und une
felbft nicht zu ſagen wagten: in ihm genießen wir
sprempfindend alle Freuden der Zukunft, nicht
‚ahnend, fondern habend, ia wenn man fo fagen darf,
‚mehr ald habend. Die Zukunft Tann Immer nur
‚entwideln, ſelten binzuthun; und oft thut fie ab,
fie vermindert den Wahn bes Genuffes bei jedem
Genuſſe. Jener Augenblick iſt der, da Pſyche den
509
Gott der Liebe erblickt, den fle fo lang verſchlelert
liebte: ach warum, Ungluͤckliche, ließeſt du deu Fun⸗
fen fallen? und endeteft damit auf fo lange, lange:
Zeit alle beine Freuden! — .
Es ift gewiß, daß die Seelen, bie zur treue=
fien, reinften, edelſten Liebe geſchaffen find, ſich
vor dieſem Augenblick des Verraths, als vor ihrem
aͤrgſten Feinde fuͤrchten, und mit ihm aufs Bloͤdeſte
zoͤgern. Das weibliche Geſchlecht, das die Liebe
überhaupt zarter, als das unfere, behanbdelt, fühlt,
wie viel die Flamme berfelben mit iedem Genuß
verliere, wie fie, ber Natur aller andern Flammen:
zuwider, erftidt, wenn fie ausbricht, und durch jede
Aeußerung ihre Innere Kraft und Seligkeit ſchwaͤcht.
Keuſch und heilig ſucht's alfo das Geheimniß felbft
im Herzen des Liebenden zu bewahren, fobald es
befieiben gewiß tft; und nichts macht ſich gewiſſer
als dieſes. Das Geheimniß wird gleichfam ent-
weiht, wenn es nur bie Lippen berührt : es erftirbt:
anf gewiffe Weiſe ſchon im erften Kuffe, im erften:
Seufzer. Aber da wir einmal Körper find, fo ver:
tert Pſyche freilich, wie bie alte Fabel lautet, Ihre
bimmlifchen Fittige, fobald fie zur Materie herab=
fintt. Iſt es Wunder, daß fie fih fo lange, und
mit fo vieler Mühe noch täufhen will, daß fie nicht
den Körper, ſondern nur das, was ihrer Natur ft,
die Seele des Seltebten liebe? gleich als ob fie ſich
Ihrer Ernledrigung ſchaͤmte, und bie kurze Dauer
des Genufles, den fie fucht, prophezeihte. Wie
verhuͤllet fie fih alfo dieſen! fie fuchet auch im Kuß
nur Wereinigung ber Seele, wie es das unten au=
⸗
‚910
e Gedicht *) gleichſam ganz Uebeathmend
get. Große Stellen im vierten Buch. Lukrez
, ſchuͤdern dieß Streben, dieß eitle, immer unbefrie⸗
digte Streben nach Vereinigung der Weſen ſo ſtark,
ſo philoſophiſch und kraͤftig, als ob Lukrez fuͤr das
Spyſtem ınaferd- Autors, oder dieſer ſein Syſtem des
Genuſſes und der Lebe aus ihm gefchrieben haͤtte.
— luͤcklich, daß die Natur biefen kurzen truͤgen⸗
den Wahneder innigſten Vereinigung von Seiten des
Geiſtes mit Sreundichaft-paerte, und von: Sei⸗
ten bes: Körpers mit: dem elektriſchen Funlen ihrer
Mluimacht begluͤckkte, darch den aus einer und wmebe-
groiflichen Verbindung zweier. Weſen ein Drittes
wird, gleichſam ein Geſchoͤpf der Liebe, des Ver⸗
*) Dum semihulco suario
Meum puellam ‚suarior,
Dulcomque florem spinitus
Duco ex aperlo tramite;
Animula aegra et saucia
Cucurrit ad labias .mihi,
Orisque rictum perrium
Et labra pueri meollia,
. Rimata. itineri transitus,
. Ve transiliret, nititur.
Tum si. morae quid piusoulae
Fuisset in coetu osculi,
Amoris igni percita
Transisset et me linqueret,
Et mira prorsum res foret,
: Dt 'ad me fierem mortuus,
"Ad. puerum at. intus viverem.
Aul. Gell. I, XIX. Gap. IX.
‚3all —
langens und ber unvollendeten Sehnſucht. Die
feuntige Kette ſchlingt ſich alſo weiter: zwiſchen ber
Dürftigkeit und dem Ueberfluß wird an ihr ein neues
Slleb aefnäpft, in dem ber Funke des Verlangens
‚welter jünde, Ueberhaupt bemerke ich allgemein,
daß der Schöpfer feinen Grad yon Vereinigung ber
Weſen in feiner Natur ohne Frucht lleß. Der erfte
‚Brad von finnlihem Genuß, nach dem auch ſchon
das Kind fauget, gibt ung Lebendfaft: er be
teitet ung ein Ebleres aus einer fhlechtern Ma⸗
terie. Se feiner dad Organ wird, befto gef-
ftiger find die Kinder feines Empfängniffess
"Düfte fiärken und erquiden die Seele: Mufit
tröftet und labt das Herz mit himmliſchem Tranke.
‚De Biber,
— — Simulacra, pabula amoris
führen dem Geiſt särtere Gedanken. zu, als
Ihe Materielles ſelbſt iſt; und endlih Freund⸗
ſchaft und Liebe, jene die Ehe der Geiſter, dieſe
der Körper, bringen uns einen Becher des Genuſſes
mit den ſchoͤnſten Früchten bekraͤnzt. Freund⸗
Ichaft erweckt edle Empfindungen, Veſtrebungen,
Thaten! Liebe, wie. die goͤttliche Fruͤhlingsſonne,
belebt den zarten, muͤtterlichen Weinftod mit Laub
amd Früchten. Die Schöpfungstraft des ers
ſten Urhebers iſt in ſie geleget.
Auch ſcheint's, daß die Natur Sorge getragen
habe, den kutzen flächtigen Genuß ber Liebe mit ei⸗
er Gabe zu erſetzen und. zu belohnen, bie. fie un⸗
wittelbar aus Ihrem Schoofe nahm, ja in der auch
das geringfte lebendige Sefchöpf eines Funkens der
Gottheit gewürbigt. werben. follte: es if bie El⸗
312
ternzärtiichkeit, bie väterlihe und mät-
terliche Liebe. Ste. ift göttlich, denn fie ik
unelgennäßig und febhr oft ohne Dank. Sie iſt
himmliſch, denn fie kann fi auch in viele zer⸗
theilen, und bleibt immer ganz, Immer ungetheilt
und neidlos. Endlich iſt fie auch ewig und un:
endlich, denn fie überwindet Liebe und Tod. Mb:
ſcheulich tft die Mutter, die ihrem Kinde de Lieb:
haber vorzieht: ſelbſt Thiere beichämen fie, die
freudig für Ihre Zungen ſtarben. Unter allen
Schmerzen bes Todes fchmeichelten und liebkoſeten
fie denen, die man graufam aus Ihrem Leibe riß;
und ‚für jede thieriſche Mutter gibt's Fein füßeres
Geſchaͤft, als ihre Jungen zu ſaͤngen. Mütterlice
Zärtlichkeit war das Pfand ber Liebe, womit die
Natur, gleihfam ans ihrem Herzen, die Schmerzen
ber Mutter belohnte. Nichte geht über die Augſt,
womit bie Mutter ein verlornes Kind fucht, und
nichts über die Freude, womit fie's nad langem
Suchen, nach vieljähriger Entfernung, wieder fin-
det, und wie neugeboren umarmet., Das Verlan⸗
gen der Mutter nach Kindern fft_ bie fchönfte Sehn-
fucht, die im Gürtel der Liebe Iag, ja aus der, bet
allen reinen Weibesherzen, er eigentlich ganz ge-
webt fcheinet. Sie find die Priefterinnen am hei⸗
ligen Keuer der Veſta; und wehe dem verackteten
Geſchoͤpf, das ſtatt diefer Flamme von einer andern
glühet! Nur die Spike feines Pfelld hat Amor
mit Verlangen gefalbet; *) unglädlih, wenn der
ganze Pfeil davon glüher.
*) Koıcas EIPUHTOYy 0150Y LUEOQ. Euripid.
15
Su wen Tann ich von ber zärtlichen, göttlichen,
ewigen Elternzaͤrtlichkeit binaufftelgen, als zu bir,
große allgemeine Mutter, zärtlicher höchfter Water!
„Meine Sprache hat Fein Wort, die Empfindung zu
nennen, mit ber du dich in jedes Geſchoͤpf, in je⸗
den Nerv und Winfel eines fchlagenden Herzens
feßteft, und jedem berfelben feinen für andere un⸗
überfehbaren, unerklaͤrlichen, unfühlbaren Genuß
gabeſt. Deine ganze Schöpfung iſt ein Gewebe,
das die Macht aus dem Nichts hervorzog, die
Weisheit einfhlug, und dem bie Liebe ihre
tanfendgeftaltigen finn- und liebreichen Figuren ein⸗
webte. Wer follte dich alfo nicht lieben, da jedes
Geſchoͤpf nur zu bir ziehet, zu bie welfet? und
wer kann's, wie er follte,. dba er im Meer beiner
Gedanken und vorgefühlten Empfindungen unter=
seht, und auch nur über ſich felbft in die tieffte
Tiefe finfet? Du Haft das Schickſal aller Eltern,
daß fie mehr Iieben als gellebt werden; aber du
baft vor allen das voraus, daß du die Sehnfucht
nach dir in mir felbft erfchaffen Haft, und mich an
Banden des Erfenntniffes und der Liebe dir immer
näher zuführen Fannfl. Mein ganzes Herz fagt
mir's, du werdeſt und müffeft es thun: denn das
kleinſte Fünfchen Erkenntniß und Liebe in mir iſt ia
nur ein Abglanz der unendlichen Flamme deines
Herzens. Du mußt mich alfo tanfendfach Inniger
erfennen, nennen, fuchen und lieben, als ich dich
nennen und fuchen kann; und biefer ewige Bug dei⸗
nes Herzens zu dem meinen fft mir ein eingepflanz-
ter Bürge meiner unfterblihen Neigung zu bir,
und des immer wachlenden Genuffes deiner.
‚314
‚Aber wie wird bee Ewige genoffen? durch An:
ſchauung? oder durch Empfindung? Unſer Autor hat
eine. harte Bemerkung uͤber die Schwärmer ‚ges
macht, *) die, recht geprüft, Leider nur zu wahr
ſeyn möchte. Es iſt die allgemeine Erfahrung, af
in alle Schwärmerelen Weiber yerwidelt gewefen;
oft wurden die Männer nur angeſteckt durch Weiber,
‚ die fie, wie es hieß, nen gebaren. Deus Min
‚nern waren fie alfo gleichſam Mittlerinnen ber Gott:
heit; und wie fie fi bie Gottheit, Infonderheit
den menſchlichen Sott dachten, und ihn empfanben,
davon liegen ja fo viele Schriften und. Briefe
‚ber Welt vor. Augen. Die Ohnmacht, die bie
Heilige Therefla vor dem Altar fühlte, als der
bimmlifhe Amor Ihe Herz berührte, Konnte,
wenn fie in dieſem Augenblick nur Törperlich be:
trachtet würde, ſchwerlich von einer anderen Art
ſeyn, als bie jede Ohnmacht von Liebe hat: denn
in den Säften bes Körpers Ift Liebe und Liche.an
‚Wirkungen .gleih, wer auch ber Gegenſtand feyn
möge. . Bel allen Gefühlen biefer Gattung iſt alfo
auch dem unſchuldigſten Herzen die größefte Behut⸗
famteit nöthig; ſelbſt Im Steom der göttlichen Xfebe
bleibt's immer nur ein menfhlihes Her. Alle
‚Mittlerinnen, .und wenn es bie - Mutter Gottes
felbft wäre, ‚find. gefährlich: fo wie dem weiblichen
Herzen alle irbifhen, und (zu finnlich empfunben)
ſelbſt dee himmliſche Meittler es feyn Tann. Bon
ganzer Seele, von allen ihren Kräften will Gott
geliebet feyn, nicht aber vom gährenden Nervenfaft
in einem Eranfen eplleptifchen Körper.
”) Semfterhuis philoſ. Schriften, Th. 1: & B8.
315
Wir kommen von, felbft auf die Grenzen, bie
unferer Liebe und Sehnſucht ‚hienteden bei jedem
Genuß gefekt Mind; und es find nicht Bloß, mie
Herr Hemſterhuls zu meinen fcheint, unfere Or⸗
‚gane, Tondern, wie er zuletzt ſelbſt findet, unfer
ifolirtes einzelnes Dafeyn. Er vergleicht
bie Eigenfchaft der Seele, bie. fih dem Zuſammen⸗
ftrömen mit anderen MWefen widerfeßt, der Kraft
ber Traͤgheit Inder Materie; und allerdings
muß diefe Kraft der Trägheit viel was anderes und
mehr fepn, als ber große Trupp mechanifcher Phi⸗
fofophen von ihr weiß oder ausſagt. . Schon .bie
beiden Worte, Kraft und Traͤghelt paſſen fo
zufammen, wie Bewegung und liegender Grund
In dem Wort „Bewegungsgrände.” Auch
Leibnis und alle befferen Denker haben über ben
inneren. Suftand der Materie Vermuthungen ge=
wagt, denen ich in ben verfprochenen. Anmerfungen
des Hen. Hemfterhuis gern einen angenehmen Zu⸗
wachs wünfhe. Vor jeßt laſſen wir. dieſe Aehnlich⸗
keit auf ſich beruhen, und ſehen die Grenzen, die
dem Verlangen unſerer Seele geſetzt ſind, durch
ihre Natur ſelbſt.
Wir ſind einzelne Weſen, und muͤſſen es
ſeyn, wenn wir nicht den Grund alles Genuſſes,
unſer eigenes Bewußtſeyn, uͤber dem Gemuß
aufgeben, und uns ſelbſt verlieren wollen, um
uns in einem anderen Weſen, das doch nie wir
ſelbſt ſind und werden kann, wieder zu finden.
Selbſt wen ich mich, wie es der Myſticismus will,
in Gott verloͤre, und ich verloͤre mich in ihm, ohne
weiteres Gefuͤhl und Bewußtſeyn meiner: ſo ge⸗
8
—
316
nöffe Ich nicht mehr; die Gottheit Hätte mich ver-
ſchlungen, und genöffe ftatt meiner. Wie gut Bat
es alfo die Vorfehung gemacht, daß fie das Saiten:
fpiel unferer Empfindungen nur nah und nach, in
ſehr verfhledenen Klängen und. Arten weder, daß
fie unfere Sehnſucht jetzt auffordert, jetzt einfehräutt,
unfer Verlangen hier thätig, dort leidend übet,
überall aber, auch nach dem füßeften Genuß, uns
auf unfer armes Ich zurädwirft, fagend gleichſam:
Du bift doch ein eingefchränftes, einzelnes Geſchoͤpf!
Du dürfteft nach Vollkommenheit, aber du haft fie
nicht! Verſchmachte nicht am Brunnen diefes ein-
zelnen Genuſſes, fondern raffe dich auf und ftrebe
weiter.’ Laffet ung dieſes in einigen auffallenden
Proben und Belfpielen fehen.-
Aller räuberifhe Senuß, der den Gegenftand
verwäftet, iſt uns bloß als Beduͤrfniß von der
Hand der Nothwendigkeit gegeben: er reibet
fich felbft auf und erſtirbt in fih. Der Menſch ift
ein Tyrann des Weltalld; aber wie bald ft auch
diefer Eleine Tyrann, wenn er in den Grenzen der
Natur bleiben will, vom Raube gefättigt! Jeder
finnlihe Genuß iſt eigentlich nur ein mildgemad-
tes Beduͤrfniß; wo die Zerfiörung bed Gegen:
feitigen aufhört, fängt erft ein freierer, fchönerer
Genuß, ein fröhiihes Nebeneinandberfeyn
vieler Sefhöpfe an, die fih wech ſelſe itig einan⸗
der fuchen und lieben. Ein Tyrann, der alles allein
feyn, der alles verfchlingen will, wie Saturn felne
Kinder, ft weder zur Sreundfehaft, noch zur Liebe,
felbft nicht einmal zur Vaterzaͤrtlichkeit faͤhig. Er
druͤckt und unterbrädt neben ihm kann nichte wach-
317
ſen, geſchweige, daß es mit ihm zuſammen wach
zu Einer gemeinſchaftlichen Krone.
Sobald mehrere Geſchoͤpfe milde neben einandı
find, und fi einander wechfelfeitig genteßen wollen
fo folgt, daß keins auf den alleinigen, alfo au
nicht auf den hoͤchſten Genuß qusgehen muͤſſe
oder es zerftärt um fih ber. Es muß geben un
nehmen, leiden und thun, an ſich ziehen und fan’
ans ſich mitthellen. Dieß macht zwar allen Gen
unvollſtaͤndig, es iſt aber der wahre Takt und Pulı
ſchlag des Lebens, die Modulation und Hanı
haltung bes Verlangend, der Liebe und alı
Süßigkeiten der Sehnfucht. Hier gebe ich die fchön
Weisheit der Natur zu bemerken, die alles in diefe
Pulsſchlag Teidender und thätiger, gebender un
empfangender Weſen, auch nad Gefchlechtern, Ar
genbliden, Zeitumſtaͤnden, Lebensaltern, Situattı
nen u. f. theilte, und gleihfam einwiegte. W
dort zwei Lichter am Himmel, ſo hat Gott auf di
Erbe zwei Geſchlechter gefchaffen, die im Schwung
der Empfindungen fih einander das Gegengewic
leiſten follen. Eins erfeßi dem andern, was de:
an Zartheit, dieſem an Stärke abgeht, und i
Meich der Liebe ift Zartheit mächtiger als Stärf
Die Shwachhelt des Weibes erftattete und umhuͤ
fete Gott mit Reigen. Wo er des Bebürfaiff:
wegen von den Regeln der Wohlgeftalt abgeh:
mußte: da fchlang er den Gürtel der Liebe um fi
begabt mit dem Verlangen, das, wie jene Gi
tinn faget, alle Stärfe überwindet. - Auch in d
Freundfchaft ift Ein Theil Immer der thätige, 1
andere mehr beinelfend und leidend: jener maͤr
318
lich, diefer weiblich; oft umgekehrt nach Geſchlech⸗
tern. Einklang tft in dieſer Che der. Seelen weder
angenehm, noch nüplich, noch. möglich... Konfone:
Töne muͤſſen es ſeyn, die die Melodie des Lebens.
und-des Genufles geben, nicht un iſone; ſonſt ver⸗
liert ſich die Freundſchaft bald in bloße Geſellſchaft.
Auch das wird hieraus offenbar, daß die Anzie-
hungskraft eines einzelnen menſchlichen Seele
fih ind Unendliche weber ausbreiten könne, noch
ausbreiten. dürfe. Die Natur bat ſchmale Grenzen
um jedes Einzelne gezogen; und es iſt der ger.
faͤhrlichſte Traum, fi unumfchränft. zu denken,
wenn. man eingeſchraͤnkt iſt, ſich Deſpot des Weltalls
zu glauben, wenn man von nichts als einzelnen Al⸗
moſen lebet. Die. ganze Schöpfung: mit Liebe zu
umfaſſen, klingt ſchoͤnz ‚aber. vom Einzelnen, dem
aͤchſten, fängt man an: und wer dieß nicht tief,
innig, ganz liebet: wie ſollte er, was entfernt iſt,
was aus einem fremden Geſtirn nur ſchwache Strahe
len. auf ihn herabwirft, Lieben Sinnen? — fo, daß
es .auch nur. den Namen. der. 2iebe verdiente. Die.
allgemeiuften Kosmopoliten find meiftens bie duͤrf⸗
tigſten Bettler: ſie, die das ganze Weltall mit. Liebe
er lieben meiftend nichts als ihr enges
Ich komme auf. den Umftandy da: Hr. H. bie.
‚grlechifchen ‚Staaten mit den unfern vergleicht. *)
und der- chriftlichen Religion den. Vorwurf zu ma⸗
hen ſcheint, daß fie durch gar zu viele Sorge fürs
ewige Wohl-des Indlvidnums feine Anhaͤnglichkeit
*) S. %. 97, _
319°
and flͤchtlge Mohl einen zeitlichen Staates minbere:
Det Vorwurf ſchlene nur dann gegründet, wenn
die Sorge für die Ewigkeit der Sorge für bie Zeit
entgegengefeht wäre, and ein gluͤckllcher Staat
anders als aus. lauter glädlihen Inbdtvi-
duen beftehen fünnte, Das erfte wird nur eine "
ſehr übel verftandbene Pfaffenreligkon behaupten; :
im zweiten Fall fann ja das Indiotbnum für nichts
ala feine Wohlfahrt forgen, und uͤberlaͤßt's dem,
ber die Mafchine (wie Hr. Hemſterhuis ſelbſt einen
Staat nentt) eingerichtet hat, oder aufztedt, wie
Gr fürs Ganze derfelben zu forgem Luft und Kraft‘
babe. Daß bie Gefengeber die chriſtliche Religion
faft von jeher gemißbraudt, und mif ihren barba='
riſchen Feudal= und Nitterverfaffungen über gemiſcht
haben, iſt in ber ganzen chriſtlichen Geſchichte
ihreiend; daran dürfte aber nicht bie Religion
Schuld Haben, fondern die groben Hände; die fie In
biefen heterogenen politifhen Teig Ineten wollten.
Rellglon tft, wie Hemſterhuis recht gefagt hat *),
die freie Bezlehung jedes Tudivibuumg “
aufs hoͤchſte Werfen; die ihre mit dem Namen
einer politiſchen Maſchine Ehre erzeigen wollten,
haben ſie am melften entftellt und erntedrigt.
Doch wieder zu unferem Segenftande! (denn
auch dei Heren Hemfterhuls war diefes nur Paren⸗
thefe.) Die Natur fängt.immer vom Einzelnen
an; und nur, wenn fie die Neigungen des Indivi⸗
duums In feinem Fleinen Kreife geordnet und befrte-
bigt hat, Fettet fie mehrere an einander, und ord⸗
”) ©. .112. e
J
320
net ihre Empfindungen zur gemeinſchaftlichen Gluͤk⸗
ſeligkeit. Aus glüdlihen Familien beſteht das
Wohl des Staates; oder feine Gluͤckſeligkeit iſt
eine Scheingröße. Nachdem in einem Menſchen
finnlihe und gefftige Freuden, SFreundfchaft und
Liebe, DBaterzärtlichlelt und eigene Tugend wohl-
geordnet und wohlgepaart find, nachdem iſt er fir
fih und andere gluͤcklich. Unmoͤglich kaͤnn er alfo
wie Meeresfhleim mit allem zufammenfiießen,
unmöglich alles in gleichem Grade lieben, Io-
ben und gutheißen, oder jeden Staub in einen Son⸗
nenſtrahl verwandeln wollen, damit er doch and
das Staubforn als einen Sonmnenftrahl liebe. Er
fhadet damit dem Guten fo fehr als dem DBöfen,
und verliert zuletzt ganz fein Urtheil und feinen
Standpunkt. Wer nicht zurüdfioßen kann, Kann
t
auch nicht anziehen: beide Kräfte find nur Ein
Pulsſchlag der Seele.
So ſind wir in dieſem Weltall; und wie
geht's auf unſerer ewigen Reiſe weiter hinauf?
Schwerlich anders. Nur auf unſerem eigenen
Daſeyn und Bewußtfeyn ruht die Eriften
anderer, fo fern fie durch Liebe und Sehnfucht mit
ung verknüpft find; verlören wir jene, fo hätten
wir auch von dieſen einen Genuß mehr. Nothwen⸗
dig wird unfere Exiſtenz von Stufe zu Stufe immer
freier und wirkender werben: unfer Genuß wird
weniger verberben und zerftören: wir werben Immer
mehr Freuden fchmeden lernen, indem wir geben
und thun, als Indem wir nehmen und leiden. Indeſ⸗
fen fcheint das gegenfeitige Verhaͤltniß nie ganz auf:
hoͤren zu können, das die Summe dieſes ganzen Gluͤcke
macht
521
macht. Um zu geben, müflen immer Gegenſtaͤnde
fepn, die da nehmen; um zu thun, andere, für die
man thue; Freundſchaft und Liebe find nie möglich,
als zwifhen gegenfeitigen freien, Fonfonen, aber -
nicht unffonen, geſchweige identificirten Geſchoͤpfen.
Und was endlich den Genuß Des hoͤchſten Weſens
anbetrifft; o da bleibt's Immer „Hyperbel mit
Ihrer Afymptote,” wie unfer Autor fagt *),
und muß es bieiben. Die. Hpperbel nähert fich der
Aſymptote, «ber. fie erreicht fie nie: zu unferer
GSeligkeit koͤnnen wir nie den Begriff unferes Da⸗
ſeyns verlieren, und ben unendlichen Be⸗
griff, daß wir Gott find, erlangen. Wir Blei
ben immer Geſchoͤpfe, wenn wir auch die Schöpfer
großer Welten würden. Wir nahen uns der Voll:
kommenheit, unendlich volllommen aber werben wie
vie, Das höchfte Gut, was Bott allen Geſchoͤpfen
sehen Eonnte, war und bleibt eigenes Daſeyn, in
welchem eben Er ihnen iſt und von Stufe zu Stufe
mehr feyn wird Alles in Allem. \
— —
8 ics.
Gerberd Werte, Philoſ. u. Geſch. R. 21
m:
unbanng
II.
Thomas Campanella.
Stimme e imes gefeſſelten Promethens aus feiner
Kaufafushöhle.
Aus der Adraſtea.
De ee —
—
rometheus aus ſeiner Rankafuchähle,.
bh, entſproſſen von euch Berſtande und: ewige:
| weder;
bh, ein liebender Forſchher des Wahren, -@uten ‚under
| Schönen,
fe die aberwitige Wert, die im Kampfe mit fd ift,
je fie freundlich zurück zur“ mir der Mutter⸗Die
eo. nahrte —
ru mich ifrem Gemahl. Sie goß mich, ſchneu wie ſie
| ſelbſt iſt,
min alle Geſtaäͤlten, ihr Ueberſchauer und Künſtler.
N dad Garde’ bie’ Unfere Wohnung; o Freunde, foflichet,
leht die zweiten Shurw*)! Gin Punkt, eine Linie,
ein Halm
hert zum U nerrdrechen en. — Wenn Women.
Dinge vorangehn,
kit UÜberireffeud ſie; ach, jo zerſchmetze die ſtolzen
zwiſſenheit, die uns fo viele Leiden gebracht Hat,
he jerſchmel an“ dem Feher; das ich dem Himmel
entwandte.
Quelle ber Uebel.
Die Tapferkeit entartete zu Stolz,
IHeuhetei die Andacht. Artigkeit
Mrd’ zur Cerrmonie; Berſtand, Subbilgeit;-
ktiede, Ciferfuht; die Schönheit, Bier.
m — |
) Die Schuſen der Wortweiſen.
7
826
Durch wen? Durch Euch, ihr Dichter, die ihr Helden,
Erlogne Heften, Trug, uneble Gluthh
Und Geckereien fingt; nicht Zugend, nidt
Geheimniffe, wie einft die Vorwelt that.
O größer find die Werte der Natur,
Ars eure Dichtung; füßer zum Gefange!
Daher nun der Betrug, und daß die Wahrheit
unwirkfam fich vergäftet. Ueberdeckt
Mit Lügen ach, vermag fie nichts. Nur Klarheit
Küftet die Menfchen gegen gafter, Wahrheit.
Die Welt und die Menſchen.
Die Welt, ein großes, ein volſtommnes Ganjze.
Belebt, ein Denkbild der allmaͤcht' gen Gottheit,
Ein Bild, das ſie verherrlicht und ihr gleicht. —
Wir Menſchen kriechen auf der kleinen Erde
Im Körper dieſer Mutter als Gewürm,
Wenn wir untheilhaft ihrer Liebe, des
Verſtands unmwiffend find, der fie belebt.
Dann find wir, wie der Wurm, der mid uu
Eennen ,
Sich nicht anmaßet, aber fih mir anhängt,
Und naget mid. — ‘
Ihr Stolzen, hebt die Augen,
Und meffet mit mir, was das Ganze fen,
Und was ihr ſeyd, und was dann eu ch gebühre.
Die Menfhenfeele
In einer Handvoll Hirn ſteh' ich, verfchlingenb
In mid, daß, was für Vuͤcher auch bie Welt
2 327
Beligen mag, fie meinen tiefen Durft
Nie flillen mögen. So viel ich genoß,
Ze mehr ſterb' ih im Faſten. Metrodor
Und Ariſtarch — aus einer großen we
Beköfteten fie. mich; und immer doch
Berlangend, hungernd, unbefriedigt, wend'
Ich mid ringsum ; unwiffend deſto mehr,
Je mehr ih weiß. , ’
So bin ih dann ein Bi
Des Unermeßnen, der bie Weſen alle,
Wie jener Fifhe Schaar das Meer, umfließt,
Den liebend der Berftand in altem ſucht,
Den Sater. ,
Ach, der Syllogism iſt nur
Ein Pfeil zum fernen Biel. Anſehen?) if |
Die Hand des Fremden, die den Pfeil nur losdrückt;
Der ift gewiß , der, ſelbſt der Gottheit Bild,
Innig fie Eennend, fih mir ihr erfüllt.
Die Welt und bie Biden.
Die Welt, ein Buch, darin der ewige
Berftand ſelbſt-eigene Gedanken ſchrieb,
Iſt ein lebendiger Tempel, worin ee .
Seflnnungen und Handlung, droben, drunten,
Borin fein Borbild er uns feloft gemahlt.
BeP und betrachte jeder dieſe Kunft
Lebendig, goͤttlich, daß er fagen dürfe:
„Ich bin's, der fie vollendet und volliuͤhrt.“
# ı
2 Autoritãt in Echulen.
#
328
Ach aber unſre Seelen id an Butr
Geheftet und an todte Tempei. Dieſe
Kopien des Ledendigen, mit vlel
Irrthuͤmern atgenommen; fle, _
Sie ziehn wir Gottes hohem Sehrftugr vor.
Deßhalb die Strafen, die von jentr Irrunge
Uns unvermerft ereilen. Zäntereien,
Unwiſſenheit und Schmerz. O kehrt zurüd,
Zu eurem Wedird, Menſchen, und zum Glüͤck.
————
Drei Uebel und drei Heilmittel
Drei Uehel zu bekämpfen, (fie, die ‚größten
Der Welt) ward ich geboren, Tprannei,
Sophismen, Heugelei. Mir wintet Shemie
- Mit dreifah:Hoher, Holder Harmonie
Sie zu befiegen.
Macht, Verftand und Liebe,
Die Pfeiler alter Weisheit, fie find einzig
Heilmittel jenes dretfachen Betrugs,
Worüber jetzt die Erde knirſcht und weint.
Tpeurungen, Kriege, Pkt, Neid und Betrug
Und Ueppigteit, und Ungerechtigkeft,
Zrägheit, Unwürde — alle wurzeln fie
In fhnöder Cigentiche. Dieſe wärzeft' h
Tief in Unwiffenpelt. Unwiffengeit,
Die Mutter alter, fie entwurjle — Zeit.”)
”) Der kühne Promethens fast: „Ichr⸗ Obige dren GR
die Grundfeſten ſeines Suftems,
325 “ |
Das Hohe und Tiefe.
Ihr Watolwohner, heder cute Blicke
Zum erſten, höchſten Sinn. Dann wird euch Kar,
wie tief, o tief am Boden Tyrannei,
(Obwohl bekleidet Mit dem fchönen Namen
Des Adels und ber Tapferkeit) euch ferhänt,
Und niederdruͤckt:
Denn fhaut die Heudelei;
(Einft war fie Gottesdienft!) Erſchrocken (haut
Die Heiligkeit, jetzt bübifhe Verfolgung.
Die Weisheit, jebt ſophiſtiſcher Betrug.
- Sophiften trat einft Sokrates entgegen;
Tyrannen Kato; Chriſtus fett beſchaͤrate
Mit feinem Himmelslicht der Heuchler Zunft:
Und alte opferten ihre: Leben Hin:
Jedoch was Hilft’s, enthälten | den Betrug,
Gottloſigkeit und Unrecht, auch dabei
Sein Leben wagen? wenn nicht ihr, ihr Menſchen,
Ihr Nationen, euren Sinn aufſchwingt,
Zum hch ſten⸗ Sinn, zum Sinn für Rocht und
Ba bedeit.
4
Folgen der Eigenliebe.
Le aͤubig lehrt zuerſt die Eigenliebe
Den Menſchen glauben, daß die Elemente,
(Die Maͤchtigen) daß ie Sterne,
Ganz fim: und Heise fich für ihhn nur reifen.
Dann fie ihm, daß Völker, außer un,
Unwiffende Barbaren find, die Gott
Nicht —*8
—
Fi
rn
350 -
Dann zieht fie uns näfer in
Die eigne Selle, uns allein zu lichen,
Und um uns nicht zu mühn, auch nichts zu wiffen.
Dann, weil fie ihren Wünfden alles, altes
-WBerfchieden flieht; dann läugnet fie Borfehung,
"Sa daß ein Gott nur lebe.
> Fortan achtet
Sie alle Liften hoch, macht fie zu Goͤttern,
Zulest ſich ſelboſt zu Gott, des Weltalls Schöpfer.
—
Eigenliebe und allgemeine Lt£be,
‘Die Cigenliebe macht den Menfchen träge;
Und wit der Träge leben, zwinget er
Sich weife, mädtig, gut zu fheinen. Er
‚Bernichtet, was er ift, und wandelt _fic
In einen Sphynx, reich überdeckt mit Ehren,
„ Und Gold und Schmeichelei.
Dod bald erwacht
In ihm die Eiferſucht. Wahrhafte Tugend,
Die er in andern ſieht, fie mahlt ihm feine -
Erfogene; und fporgt damit ihn an
Bu Haß und Neid, zu Unrecht und Berfolgung.
Wer ſich zur Liebe des Allvaters ſchwingt,
Sieht alle Menſchen an als ſeine Brüder,
Und nimmt, wie Gott, an ihrem Wohlſeyn Theil.
Drum waren, heiliger Jranciscus dir,
Die Ef, und Vögel, die du Brüder mannteft,
Heil ihm, der dieß verfteht!) fie waren dir
BGehorfam, nicht fheu und rebelliſch. Wir —
Machen den Menfchen ſelbſt zum fcheuen Thier. -
—i mu
331 _
Shein und Sepu.
Wer Zarb’ und Pinſel Hat, und damit Karten
Und Wände mahlt, ift darum nicht ein. Mahler;
Den Künftter macht die Kunft, ob ihm gleich Reisbret,
“.Mapier und Sriffel fehlte.
Nicht die Kutte,
- Richt das gefhorne Haupt macht Heilige Brüder;
So aub den König nicht ein Königreich.
Wen Weisheit, Lieb’ und Macht befeelet, der,
Sey er gleich Skiave, ſey er Baſtard, der
gt König.
Mit der Krone auf dem Haupt
Kommt unter Menfchen niemand auf die Welt;
Nur Thiere Haben (wie die Zabel fagt)
‚3um- Anerfennen folch ein Kleinod noͤthig
Sin Menfchenkönig, wie ein Dienfchenftaat,
Tritt vor der Sonne Licht, nicht als ein Traumbird..
An Zebern nicht, am Senn wird er erkannt.
Ein großes Luſtſpiel.
Bon Gott geleitet führe die Natur
Im Weltenraum ein großes Luftfpiel auf,
Sn dem jedwedes feine Role fpielt.
‚Am Ende wird (dieß Hoffen ſicher wir)
Der obre Richter gleih und recht enticheiben,
Wer hier am beften feine Rolle fpielte..
Die Kunſt der Menfhen ahmte die Natur
In diefem ihrem großen Luftfpiel nad. i
Auch fie maht Könige, Herven, Prieſter,
Und Sklaven, bie fie ftandesmäßig alle
Dem Wahn des Volks maskiret, aber wie?
2 - £
Ä . 332
Sottlofe werden dort Tanonifirt,
Hier Heitige ermordet. Nie dre Sklaven
Eins Fürſten dort, gemahtte Fürſten, die
Sich gegen wahre wiffeen: —
Wahre und falfhe Fuͤrſten.
Merw wir Klnkg, eins der Zufall" wollte;
Dem Schein nach. Gofrgtes ward'durg' Mater;
Sn Wahrheit. Scipto zum Their, niht gay
"Der Falſche, der unädte Zuͤrſt verfolgt.
“ Den Samen berer, die wahrhaft zu herrſchen
‚ Geboren wurden. So Herodes: fe
Des Titus böfer- Bruder; Kaiphas,
Und-jedaniedre Macht verfolget fo.
. Wer fih zum Knecht geboren fühlt, verfolget
Den, den er würdig feldft- gu herefchen Hält.
Der Tod des Märtyrers If ein Signal
Bon königlicheeSröhe.
. , ni: dem Tode
Erſtrecket hahrer Sroßen gerrſchaft ſich“
Stets weit und. welter; der Tyrati eriifiht-
Schuld und Schmerz.
Jedwede Schuld macht Schmerz ſle ſtrafet m
In Seer und Körper wie im guten Nänien.
Wenn nicht ſogleich, fo mindert nach und naͤch
Sie But und Brut; die Freunde fehn es traurig.
|
Bin. r.
L
358
Betrũbt der Schmerz den innern Willen nicht,
So iſt er nicht Verſchuldung. Liebet dieſer
Sogar. die Qual, um ſich gorechtzu ſeyn,
So iſt er Tugend.
Gut Gewiſſen, reines
Bewußtſeyn wahrer Güte iſt genug
gur Menſchenſeligkeit. Ungluͤcklich niacht
Erlogne Güte; ſie macht ſtolz und — dumm.
——_
Das falfhe Maß des Suten.
Riomand. wird: fagen: „ich ‚Kin ein Tyrann!”
Niemand: „Ich Hin der Antichtiſt?“ Ye-feiner
Der Bbſewicht, fo feömmer ſtellt en Ai,
Dir zu verkaufen deinen eignen Schaden.
Dex Beutelfchneider und die Mete, die
So finnreich des Betrugs fih. nicht erfreun,
Sie wähnen fi die fchlimmeren ; und doch
jedes Böfe minder Höf und ſchädlich,
Das nicht beträgt. Du bannſt für ihm dich hüten;
Fuͤr jenem kaum. Der Phariſaͤer iſt
Dem Himmel: ferner als. der. Samaeiter.
In Worten nit, ſelbſt nit in Wundern fteht
Die Güte; fontern einig nur in That
So ſpricht die Schrift. Und jenes faifhe Mat
Des-Buten, (deöhaftsfuomme Seuchelei,)
O welche falfhe Götter gab's der Erbe!
534
Maqht des Menſchen.
Ehre der hooͤchſten Macht und Lie und>
Klarheit!
O meine Kunſt, du Tochter ew'ger Wahrheit,
Entwirf ihr Abbild, das wir alle kennen
und — Menſchheit nennen;
Und Menſchheit nennen, was fo ſchwach geboren,
Verſtandlos, nacket, wie im All verloren,
Nicht Kind der großen Mutter, Baftard ſcheinet,
Den fie verneinet; .
Den fie verneint, indem fie Tieren Kräfte
Und Kieidung gab ; zum lebenden Geſchaͤfte
Dem Lebenden Verſtand verlieh und Waffen
Sich Recht zu haften. —
— Sicch Recht zu ſchaffen kann das Kind nur weinen:
Sin Klageton verkündet fern Erfheinen; , .
And doch ift er, der Menſch, fo vol Beichwerde,
Ein Gott der Erde
Gin Gott der Erd’! Er flieget auf gen Himmel
Aud ohne Schwingen, ordnet das Getümmel
Der Welten droben, mißt die weite Ferne
Zahlloſer Sterne;
Zahlloſer Sterne! findet auf Planeten,
Bexfolgt die Bahn der ſtreifenden Kometen,
Beuget den Sturm und ſchifft durch Welleuheere
Im offnen Meere;
Im offnen Meer gibt er dem Winde Flügel;
Nicht Eine Welt hält gnügend ihm den Zügel;
Gr ſuchet andre, kommt und ſieht — Gr fliege,
Siehet und ſieget.
335
Siehet und legt! Lautdonnernd in den Lüften...
Tiefgrabend in der Erde fhmwülen Grüften,
@rjaget er auf aller Erben Weite
Sich reihe Beute; “
Sich reihe Baur. er dringet weit und weiter;
Ihn trägt das ſtolze Roß, den ſtolzen Reiter;
Der Elephant wird, prangend ihn zu tragen,
Sein Giegeswagen.
Gein Siegeswagen. — Ihm, der Welten zwinget;. .
Wird Ehrenfranz die That, die ihm gelinget,
Cr ſchaffet Gärten, Städte ih und Ströme,
Und Gtaateipfteme;
Und Gtaatsfpfteme, die er mit Geſetzen
Rah Zeiten ordnet; Sprache zu erfeen
Erfand ee Schrift; ein Stahl dejeihnet Stunden
Cin Stahl Sekunden ; x
@in Stapı Sekunden bie zum Welten : Ende,
Dazu genügten nicht des Menſchen Hände.
Gein Seiſt nur konnt’, unendlich im DBeftreben, ”
So hoch fid heben.
So hoch fi heben, daß er Berg’ und Tudier
Umſchuf in feiner Denkkraft Ehrenmaͤhler;
Mir Feu'r und Stahl wußt' er in allen Zonen:
Als Herr zu wohnen.
Als Herr zu wohnen, der ber Erde Zrüdte .
Aus Welt in Welt trug, der fih Lufgerichte,
Der Blumen fi erzog, und unterm Laube
Die edle Traube.
» Die edle Traube, die das Herz begeiftert: _
Die fit der Traurigkeit und Zurcht bemeiftert ;.
O Böttertrant, entnebr ihm Teine Sinne,
Daß er beginne.
‚986
Ra. er heginn' und end und, f hlienieden
Sich ein Elpſuum, woblibatigen, rjehen.
Berftand, o Menfh, und Wille find die Waffen,
Dein Süd zu ſchaffen.
Misbrauch des Goͤttlichen.
Bit Wett und Leben und: ergält,ad WEB;
au” unfen Mothlſeyn hängt es ab. von ihm;
Wie? daß die Menſchen dann - night -Biabe in.kkes-
&ntzündet? und fie mehr die Nymgbe anſchaun,
Als die Gebieterinn ?
‚Bawiffenpeit,
So keck als arm, mißbraucht bad Wöttliche,
Verkauft für Trefflichkeit, was es naht.
Da firebt die Siebe dann ‚sad. Unpekannten
Nicht auf. Sie beugt die Flaͤgel nieberwärte.
Gefangen Hält den Seit Un wiſſenheit.
Batroͤgtxinn! Sie gibt — mern,
Den fie dem mapren fchlau entzog:ſie
Zn niadern Dingen Stugälen jener nsett
"Die alle Ding’ umftraßlet.
[ Ach Betrug
Und Schade! Wir umarmen Schatten ſtatt
Der Weſen; geben auf bie hohe Hoffnung
Des wahren Guts, verlieren auch den Sinn
Für dich, o Schönheit, did, Jdeen:Geberinn.
4 An
h
J 337
An etnen Deutſchen.
Verſtand und Liebe gaben dir die Schwingen
O Bänau, dich in deiner Jahre Frühling, .
Begleitet von Adami, deinem Züprer,
Umherzuwagen auf dem Erderund.
Alſo gelangt man zu dem höſchſten Ziel
Der ganzen Tugend, die euch Ruhm gewaͤhrt,
Ihr Deutihen! die das Uebel in euch tödtet,
- Das euer Deutfchland Tange Zeit beftürmt,
Das Deutfhfand, das an feinen eignen
Kindern
Berzweifert.
Meine Seele Tieft im Himmel,
Und ſieht in bejner Seer , o edler ZYüngling,
Söttlihe Grazien. Erwecke fie;
Dem irr'nden Pöbel laß Geſchwätz und THorheit.
Mit Hohem, ftogem, frommem Geift und Muth
Verkünde Krieg du jenen falfhen Schulen —
Als Sieger ſeh' ich dich. Ich ſeh's in Gott.
An einen Idyllendichter.
‚Nicht Licidas, nicht Driope, Likoris,
Und andre, die du fingeft, werden dich \
Verewigen, wenn fie nicht jener Schoͤnheit,
Der Unermeſſenen, Nachbilder find.
In jeder Eleinen Blume ſtrahlet fle.
Im Blümchen, das verwertet.
a
) 6. die Rachſchrift. |
derier’d Werte, Phil. u. Gef. IX. 22 j
35% -
Und, o Zreund,
Die Schönheit; die in andern du bewuttderfk,
Und Tiedft und fingeft, Freund, fie wohnt in dir,
In deinem Geiſt, in ihm; dem -OGötktiihen,
Dur den mein Geht: erwerkt Tick aufwärts. ſchuiugt
Und weit die Flüge: breitet; zu umfaſſen
Jedweden Abdruck ew'ger Samen:
Sie
Die in dir glänzt. mit jeder reinen Liebe; -
Sie finge, Zreunt, und nimm von Menſchen nicht/
Vom Ewigen erwarte Dank und Ruhm:
Mit Menſchen buchzuhalten ward ich laͤngſt,
Längft überdrüßig; meine Seele ruft _
Zur höchſten Schule dich, (o gih ihr. Statt)
In fie zu gehn mit unbefhriebnem Blatt.
Pi
“
*
Der Abel
Hoher Geburt ift menfhlider ‚Adel; von würdiget: .
Eltern
Ward er erzeugt, vom Berfland’ und der tapfern,
fittigen Tugend;
‘ s entſproſſen, bewäßri er. mit schönen Früchten der
That fid.
Tapferkeit und. boher Berftand ſind Probs des
- Adels;
Reichthum nicht; eine falſche Prob’. ift ererbter.
Reichtgum
Boltends der Ahnen Stamm — o arge, dunkle Be .
trüger |
—
Ei
Deine Ehren, Europa, nach welchem Maße de
Werthes
839 J
Theilſt du fie aus? Nach dem, was der Zufall füge?
Wie ſchaͤdlich
Dir felbſuvheneſt du: fo! Dean Feind weiß beſſer zu
reden:
Schaͤtzet Bimme: man denn nad Wurzeln, Zweigen un:
Blüte -
Dder nach reifen Früchten? Und du, der: klügetnde
Welttheil,
Hängft an ein Nichts dein. Beſtes! vertrauſt es gdß:.-
nend den — Ahnen!
Amor, ber Blinde
Dreitauſend: Jahce Ihon: verehrt die Wels
Den blinden Amor, ihn mit Pfeil und Flügeln;
Seitdem iſt er auch taub und fÜHTTOS worden,
Daß er night Hören, nicht empfinden mag.
Nicht mehr ein nadted,.ein unfhuld’ges Kink,
Gin alter, karger, fchlauer Greis ift er;
Auf Gold erpicht, in ſchwarz gakeidet, ſchießt er
Nicht güldne Pfeile, ſondern Dampf und Schwefel;
Mit, Hoͤllenpcagen peinigt er den Körper,
Gierige Seelen macht er träg' und taub.
Doch hallt ein Ton aus mei iner Glo de wieder: ">
Der Blind und Taufe, fonder Kraft zu wählen,
Weicht endlich doch der. Lieb unfhuldger Seelen.
*) Zürten und andere Wörter, bei denen Berdien ſte ste
Stellen der Verdienſte adeln.
20) ©. die Nachſchrift.
XXIIX
\ \
340
S t aͤ r k e. = -
Den wahrhaft: Liebenden macht viebe ftark;
Das Bildniß der Geliebten, ihre Schönheit
Berdoppelt feine Seele; muthig wird er
Zu jeder Unternehmung ; jede Mühe
Verſchwindet.
Gibt der Frauen Liebe fo _
Biel Kraft und Muth; o weiche Gtorie,
Und Freud und Hoheit füllete Die Seele,
Die, eingefhloffen zwar in dieſe Rinde,
Doch liebend fih der ewigen Schönheit ent. /
Unendtih ſchuͤfe fie fi ihre Sphaͤre,
Zmlieden und zu wilfen und zu thun
Das Schwere, has Unmöglihe — mit Bott
Wir find wie Wölf und Ziegen auf einander,
gern von der reinen Liebe hohem LEiht
Kennen wir Kraft der Liede nit.
Reichthum der Wiſſenſchaft.
Ein Hohes Glück iſt Wiſſen. Mehr als Haben
Iſt es Beſitthum.
Auch im Unglüd find
Die Wahrharftwiffenden nie niedrer Ark
Und Abkunft; Land und Volk und Saterfand
Berühmt zu machen wurden file geboren.
Das Ungtüd felbft verbreitet ihren Namen,
Erhoͤhet ihren Ruhm; und trifft fie — Tod,
So werden fie zu Heiligen und Göttern.
Die Rotten ihrer Feinde waren ihnen
Ergorung: Glückes Spiel wird ihre Luft,
Wie Liebenden der Lirbe Zune auch füß If.
“a
\ 341
Nicht fo dem trip ‚Unniffenden. Ihm wird
Dad Silück zur Dual; der Adel macht ihn naͤrriſch,
Mit ſchwerem, immer ſchwererm Thierestritt. j
Naht er der Stunde, da fein Lebensfunte
Dem Unglüdjeligen! in Nacht erliſcht. 7
Der deutſche Lutheraner. )
Ein Wandrer zwiſchen Rom und Oſtia
Fiel unter Räuber ; fie beraubten ihn,
Zerſchlugen ihn, und Tießen wund ihn liegen.‘
Borüber ging ein Mönch und betete
Sort fein Brevier. Ein Bifhof kam und gab
Ihm feinen Segen; dann ein Cardinal,
Teer rief in heil'gem Zorn: „verfolgen laßt ung
Das Raubgeſind' und unfer ift die Beute!“
Ein Deutfder Eam anitzt, ein Lutheraner,
Der's mit dem Glauben hält, nicht mit den Werfen,
Der trat zu ihm, verband ihn, Iud ihn auf.
Sein Thier und führer’ ihn zur Herberg' hin, -
Wo er jein pflegte, dis gefund er war.
Wer aller diefer war. der Menfchlichfte,
Der Suͤtigſie der Beſte?
Gutem Willen
Vei weitem ſtehet ihm das Wiſſen nach,
Der GSlaube Werken, wie der Mund der Hand.
Slaubteſt du auch was Srriges foger,
Das Gute, das du thuft, ift gut und wahr.
f
m
v) S die Nachſckrift.
m
1542 ‚
peoyibeng -
"wie Einrichtung der Bart in ihnen Theilen -
Und Theilchen, alle ſein⸗ und wohlgaordnet
Zu ihren Zwecken; alle zeigen dir
Gin wunderſames Wert des Weiſen, Guten,
Unendlichen. u
Der Mißbrauch dieſer Theile
In Thler und Menſchen, unſre vöſe Kuͤnſte,
Des Laſters Frohſeyn und der Guten Qual,
Daß alles ſich verirrt non feinem Ziel -.
Dieb ſcheint dem Prüfenden- zu fagen:- „ach!
„Der Meifter diefes (hönen Werkes ift
„Nicht feim Regierer.”
Pu Arfo. -Maht, Verftand,
Und Liebe, die Unendlichen, ſie gaben
Das Steuer einem andern? Und fie run?
Sie altern müßig ?
Nein: Ein Sott’Ift,-ber
Den. Zwift ent wirret und enthällt, warum _
So viele, viele irren, und fo langer
— ·
Der Gefangene
In Banden frei; nicht einfam und doch einſam;
Sitz ih Hier, ſtumm, doch meine Glocke Elingt:-
Der niedern Wet Ani Thor, :und dad dem. Auge
Soͤttlichen Sinns ein Weiler. : Himmelwaͤrts
Schweb' ich empor mit Schwingen, die die Erbe
Danieder drückt; von außen ‚tiefbehrängt,
Zraurig gefangen; in mir frei und froh. —
Ein zweifelhafter Krieg bewährt, den. Mut,
Im CEwigen fchwindet alle Zeit;
Die ſchwerſte Laft erträgt am veichtften fh, —
-
343
rg’ Hirten iſt meiner Siebe Wild
MSepraͤgetz ſicher fuͤhret mich Die: Zeit
Tahin, wo ohne Wortewman — verſteht.
r — ——
Machſichrift.
BETT Sampanelte-ift ‚ber Prometheus
boefer Kankaſushoͤhle. Sehnen: Namen deutet er
Aſters an, menn er z. B * „ans meiner
oe ein Tou⸗ nber „Ich: rufe; meine
iMraͤder zus Mc ihrer Matter n. f. Man weiß,
udaß wor ſeinen Mſcr. z. Be dem Athaismus trium-
:pbatus und ſeinen gedruckten Schriften, z. B. de
sensu rerum et magia gewoͤhnlich ſein Namens⸗
fehl, die Glocke, ſtehet. Wenn andere Phi⸗
doſophen vnelſtimmig fingen amb fagen: Jo sono la
Qampana ;: fo-fagbe:ber ‚bühne Mann in ſeiner Kau⸗
daamshohle beſchelden: io sono. la campazella.
Imehrere auch der ungedruckten, zumal: vorherſagen⸗
ben Gedichte beziehen ſich auf dieſe Namen-An⸗
fplelung.
‚Die bier bekannt gemachten Bedichte ſind ſo gut
"als aus einem Mſcr. gegeben; einem xeiſenden
Deutfchen ſind wir fie ſchuldig. Tobias Ad a⸗
*
a
mi, ber mit einem Rudolph von Buͤnau reis
ſete, und (nach. Joͤcher) F. ſaͤchſiſcher Hofrath zu
Moelmar und Eiſenach war, Fam auf feiner Ruͤckreiſe
«aus Griechenl and, Syrien und Palaͤſtina, über
»Maltha nach Itallen, hielt ſich acht Monate im
Neapel auf, und machte mit Thomas Campa⸗
j 4
" 544
nella, is defien hartem Geſaͤngniß Belanntfchaft,
gewann deſſen Zutrauen uub Achtung, wie ein eig⸗
nes Sonnet an Ihn zeiget:
ö a Tobia Adami, Filosofo.*)
Portando in man la Cinica lucerna
Scorri Tobia l’Europa, Asia ‚ed Egitto 4, f.
Ein in der Litteratur der. mathematifchen Bil:
fenfhaften wie In ihrer tlefften Theorie gleichbe-
wanderter treffiicher Mann führet ed. als eine Sel⸗
tenheit und als einen Erweis an, „wie viel Lebhafs
tigkeit Campanella in feiner Gefaugenfchaft behalten
habe;“*) Er kannte alfo die Summlung Gampa- -
nellifger Gedichte nit, die .Tobtas Adamt,
(Herausgeber: mehrerer Schriften. biefes von ihm
verehrten Weltweifen***),) unter einem verbedten
Namen der Welt Ichenfte.
. Seelta d’alcune Poesie Filosöfiche de Set-
timontano Squilla. Cavate da’ suo’ libri,
detti la Cantica: con l’esposizione. Stam-
pato nell’ anno. M. DC. XXI. hetft die Samm⸗
lung, 1) bie: Adamt dreien Freunden, . befannten.
*) N. 70. p. 73. unjerer Scelta.
**) Käſtner; Gefchichte der Mathematik. Band 4. Zwei⸗
ter Zeitraum. S. 215.
*) 3. B. Campanellae philosoph. realis: prodromus philo-
sophiae: de Magia libri 4. u, f. --
7) Adamo tradiderat Campanella libros canlicoram Sep-
: tem, carmine Italico seriptos. — Quaedam weleeta can-
' tica nostri autoris Adami edidit sub nomine Squillae
, Septimontani, fagt Cyprian-in feinem Eurien Leben
‚. eampanstta’s. Vita Campanellae Amt, 3722. 2.61.62.
!
*
345
edeln Männern, Wilhelm. be Is Benfe,
—A Beſold, Johann Valentin An—
dreaͤ in einer kurzen italleniſchen Zuſchrift dedi⸗
cite. Stehe fie hier ganz, die Zuſchrift!
An meine Herren und Freunde.
Paris 1621.
„Meine Zreunde, ih mache Euch hier ein Ge.
ſchenk, nicht vom Meinigen, ſondern von einem
Euch bekannten Freunde. Von außen ſcheint es
klein; ſeinem Gehalt nach aber iſt's von großem
Werth. Eures ſchoͤnen Geiſtes (de' Vostri belli
Spiriti) babe ich's würdig geachtet, und weiß,
daß Ihr es nach Verdienſt fchägen werbet. Der
‘gerade philoſophiſche Ausdrack, der mebr Fala:
breſiſch, natürlich und fein, ale toskaniſch,
geſchmuͤckt iſt, wird Euch nicht flören, die hohen
Gedanken, die er ausbrüädt, angenehm und ſchoͤr
zu finden.”
„Gewiß bin ih, daß weder dad uuooſnæiov dei
Darius, noch das Oungodnzıov Alexanders treffli
here Dinge In fih ſchloſſen. Der hoͤchſte Ber:
ftand (il Primo Senno), der fo hellglänzend«
Strahlen ausgoß, wolle, was die oberfte Macht dl:
Prima possanza) von Einer Art fchuf, durch fein
heilige Liebe vereinen. Euer — Adami.“
Auf diefe Sufchrift folgen 87 gewählt:
Stüde, theils Sonnette, theils. Pſalmodieen uni
Kanzonen, von denen Joh. Valent. Ardre
felbft einige deutfch zu geben fuchte.*) Ein paa
9 Geif liche Kuriweil, Gtraßb. 1619. © 9. u. f.
- nu
"346 " NS | 1
Proben duͤrfen gnug ſeyn, zu zehgen "wie kurz und
naiv der ſchwaͤblſche Dichter den Kakabreſen ſpre⸗
chen ließ.
Sp uͤberſetzte Audreaͤ zum Bekſplel das Sonnet,
das wir drei Uebel und drei, Heilmittel
genannt haben: *)
.3o m a q u i.
Mich hat geſandt die höchſte Weisheit
Durch Recht, Verſtand und Lieb bereit
Zu beſtreiten meiner‘ Feinde drei,
“Gewalt, SGefhwäs and Gleisnerei.
Hie werden drei mit drei bezwungen,
„Damit iſt's der Vernunft gelungen,
Und wird die Welt dep Marter quitt,
: So Zwang, Lug, Schein flets bringen mit.
Hunger, Krieg, Pet, Neid und Betrug,
Unrecht, GSeilheit, Trägheit, Unfug
Bringt Eigenliebe, der Thorheit Kind,
Duum greife ich an die Mutter geſchwind.
“
So das Somet, Auelle ber Uodel. *e)
AIn superbia.- |
Mannhzeit viel Enent, Fromkeit fih ſtellt,
-Höftigkeit prangt, die Weisheit ſchwankt, |
: Die List: nit vaut, Ahbnheis. färbt KHaut.
*) Adraften B. 3. St. 1. S. 146. En
Adraſten ebendaſelbſt &."148. |
- ‚847 —
De werdt, ihrDichter, viel gezigen beeriehen)
WMie ihr bringt: große Btreich". und Luͤgen,
Mit Thor⸗und Geilheit, Euch Bergnägen ;
ad ·laßt Gott's Wort und: Wander liegen,
MWelch's doch die Alten hoch getrieben.
»Doch mag: Eu’r tolles Phantaftren
» Der Natur Abgrund nit verühren;
Auch feyn Sure Gaiten viel zu grob
Zu erklingen ‚des. Höchſten Lob.
Sollt Ihr erfteigen Falſch's und- Wuhr,
So thut und. andre pedes dar.
»Wollt Ihr dichten, fo bringt gut Lehr,
Daß Jedermann warde beſſer.
Die Wahrheit leuchte feſter,
Der Laſter waapniglich ſich wehr!
ale: die Gefhicte Eampanella's bekannt iſt,
wie ihn von Jugend anf der Neid verfolgte, und
da diefer Literarifch nicht obfiegen Eonnte, er den
freldenkenden Mann politifch ergriff, und als einen
Staatsverbreher in's Gefängniß brachte, in
welhemer 25 Fahr mıter unfäglichen Qualen ſchmach⸗
ten mußte, ber. begreift leicht, warum feine Glocke
An diefer RKankaſushoͤhle ſo hoch und voll toͤnte.
Er fühtte. ſich aaſchudig, uͤberſtand alle Qualen mit
ftoifcher Feſtigkeit, feufzete in Sonnetten und Ge⸗
»+füngen:auf, bie endlich ſeine Stimme, die Stimme
eines ſchuldlos Gequaͤlten, durchdrang. Im Jahr
1399, als er nun eben in ſeinem Vaterlande ruhig
. gu leben dachte, war. er. gefänglich eingezogen; im
Jahr 1608: bemuͤhete ſich ber. Pabſt ſelbſi um feine”
Beſteinng, md ¶chiate deßwegen den bekannten
X
548
Gclopvins nad Neapel; vergebene. Die Fug⸗
gers bemüheten fih am fpanifhen Hofe fuͤr ihn; ver
gebend. Endlich gelang es dem vielgepriefenen Liebha⸗
‚ berder Wiffenfhatten, Yabft Urbandem Achten, dur
den Bifhof zu Catanea feine Freilaſſung zu bewirken.
Sampanella Fam nach. Nom, "zuerft unter die Hat
der Inqulſition, dann völlig in Freiheit; als er
aber auch in Rom vor den Spantern nicht ſicher war,
rettete ihn ber franzoͤſiſche Geſandte Franz von
Noallles verkleidet nad Frankreich, wo ihn Pel-
rest, und alle, die feinen Werth Fannten, Koͤnig
Ludwig der Dretzebnte felbft, gütlz aufnab-
men, und Richelieun ihn mit einer anſehnlichen
Penſion unterſtuͤtzte. Laſſet uns hören, mas et
ſelbſt, in feiner bekannten Schrift de libris pro-
- priis et recta ratione studendi, von feiner Schrift:
ftellerei im Gefaͤngniß an Naudé (Naudaeus) |
ſchreibet: )
maͤnnlichen Alter, in einem befhwertk
| hen Gefaͤngniß.
„Nach Vollendung deß allen geſchah mir, was
Eu Salony fat: wenn ber Merſch vollbragt
Campanella von feinen Schriften im
bat, fängt er an; wenn er ruben will,
I.
muß er wirken. Die Verfolgung, die fo lange
‚ über fo viele ergangen war, kam je&t über mid;
-?) Artic, II. p. 177. Ga Thom, Crenii Eaminlung de |
Philotogia, stadiis liberalis doctriyge, informatiene et
sducations literaria gemerosorum adolescentum, WE _
©, 167. eine Menge Elogiten auf ibn gefammels And.
849
als. Majeſtaͤtsverbrecher ward ic nach Neapek ges
führt, und weil mir Bücher verfagt wurden, fchrieb
ich latein und italieniſch viele Gedichte: von der
Erften Weisheit, Macht und Liebe, vom -
böhften Guten und Schönen um. f. Helm:
lich ward alles gefchrieben, wenn fi bie Gelegen-
heit dazu gab. So entftanden fieben Bücher
Sefänge, aus denen KTobias Adami eine Anzahl
nach feinem Gutduͤnken eriefener (selecta juxta in-
_ genium suum) unter bem Namen des Squilla Sep-
_ timontanus”) mit Anmerkungen herausgab. Auch
Elegieen fang ich von meinen und meiner Freun⸗
de Leiden, auch weiſſagende Reime und vier
Yfalmodieen über Sort und feine Werke; durch
dieſe Gedichte ftärkre Ich meine Freunde, daß fie in
ihren Qualen den Muth nicht finfen ließen. Außer⸗
dem ſchrieb ich volltiſche Aphorismen, die Sonnen
fladt, (eine mehr als vlaronifhe Mepublif) u. f.
(Hier folgt ein langes Verzsichniß feiner Schriften.)
Nah ſechs Jahren famen Tobtas Adami und
Rudolph von Buͤnan, ein Deutfcher von Adel,
auf iprer Müdreife von Jeruſalem nad Neapel; ich
gab ihnen die Schriften, die ich vorher dem Schop⸗
yins gegeben hatte, außerdem noch meine Meta
ponflt, die Realphiloſopeie, Medicin, Aſtrologle
und Werke in Briefen. Ste find fleißlger geweſen ale
jener, da ſie die Nealphiloſophle, die Bücher de sensu
‚rerum, bie Sefänge und den Prodromus herausge⸗
*) Der Name heilt: dab Gldckchen auf (ieben
Reraen; squilla if campana piceola, alſo mit dem
Wanıcn Campanella daſſelbe.
350.
geben, welchen letzten fie von mir nick.
belemmen..
haben.’ Auch⸗ Campanella's Schrift für-Saliläk;
ſtellte in Deutſchland Adami ans Licht.) Die;
Apologie, fagt: Kaͤſtner, muß bei ben erſten An⸗
griffen. auf den Galilaͤus aufgeſetzt ſeyn. ——
nella war zwar von dem Orden, der damals wider
Galilaͤi predigte; man. ſiehet aber aus dem Unger.
fuͤhrten, daß feine Philoſophie nicht: Die. Philoforhie
des Ordens geweſen.“**)
Die war ſie von Jugend auf-nict., welches dann
eben dem Campanella ſo viel Verdruß zuzog. Seln.:
Randemann. Teleſius, der. den. Spuren Parmeniæ
des nachgegangen war, und Porta ‚hatten. foimen--
chf sewedt; er frebte opmgefüge dahin, mein.
mit: aröperem Gluͤc Franz. Baeco ſtrebte, bie:
Philoſophie naͤmlich som Arifkotellfchen Wortkram
zu befreien, fie auf. Beobachtungen, auf Sinune und.
Erfahrung au gruͤnden, Afkconomie und Phpfit, Ge⸗
ſchichte und: Politik auch in ihr Gebiet zu bringen,
und allenthalben das große ewige Drei herrſchend guc
man, Macht, Weisheit, Liebe; .odex>
Wahrheit, Schönheit und..Gäte; die In-feb-.
nem Weltſpſtem nur. Eins: find. - Su-biefem. haben.
und hoͤchſten Ziel ſtrebte erl
Leibnitz ruͤhnb Campauella als elnender U.
habenſten Geiſter, din es ie gegehem - „Bin
fpißigfeluer, ſagt er, und ein großer Verſtand |
find ‚fo verpehleben, wie eine Bleitugei, gehhlenäeske-
*) Campanellae Apologia pro.Galileo, Mathematieo_Flo-
rentino. Frf. 1622
»y Käftners Gerd). der Mathematix. Band Im, An
31
oder geſchoſſen, bie zwar ſchnell fliegt, nur aber bag
weiche durchbringt, gegen die Kraft eines Felfen,
ben der Katapulf, langfamer zwar, aber mit einer
act fortwirft, die alles durchreißt. Auch bei
Shriftitellern iſt diefe Verſchledenhelt kenntllch.
Was iſt ſcarfſinniger gedacht, als Descartes
Phpſil, als Hobbes Moral? Verglelcht man je—
nen ludeß mit. Baco, biefen mit Campanella,
ſo ſſeht man jene friehen am Boden, biefe durch
Größe ber Gebanfen, ber Nathfchläge und Entwürfe
ſich zu ben Wolfen erheben und Teiften, was irgend
die Menfchheit. leiſten mag.“) MReibnik befak
ein. Miet. von Campanella's Relch bes Meſ—
Tlaß, das er J. A. Fabriz heraudzugeben anrleth. *")
Zu unferer Zeit wird ed nlemand herausgeben: denn
ntemand (left mehr. Campanella's Schriften. ***)
Mad dem, was gefagt ift, werben einige hart—
ſcheinende Stellen ſelbſt zu Sampanella’s Ruhme ge=
reihen. In feinem Vaterlande galt der Name des
Deutfhen (un Tedesco) für einen groben, dum⸗
men Barbar; feinem Orden war ‚ein Lutheraner‘
der verhaßtefte Ketzername. Und er wagte es, den
Tedesco Luterano ale den barmherzigen Samariter
darzuftellen, der den Mönch, Biſchof und Cardinal
beſchaͤmte! 7) Wahrſcheinlich gab ein Vorfall dazu
®) Felleri Otinm Hannover. p. 162.
€*) Opp. Leibnit. 3. 410.
sex) Ueber dad, was von ihnen herausgekommen und nicht
herausgekommen ift, f, Ernest. Sal. Cyprian. Vita Cam-
panellae. Amst. 1722.
+) ©, vorfiebende Geite 358,
a
852 -
Gelegenheit; aber auch außer folhem war nicht ber
Vorfall zwiſchen Adami und Campanella
felbft die Parabel des Samariters? Zwei gutherzige
Deutfhe mußten von Jeruſalem fommen, um bem
aus einem in's andere Gefaͤngniß gefchafften Einfa-
men Luft zu Schaffen, und feine Campanella tönen
- gu machen für alle Voͤlker und Zeiten. Seine
Kanzonen und Poefleen find auf fo ſchlechtem Pa⸗
pier fo eng und elend gedruckt, daß fle nicht anders
als Im barmherzigen Samartterlande
alfo erſcheinen mochten.
Nah dem, was gefagt iſt, werden ſich aud
Munde andere Städe lefen laffen, die in einem
Sönftigen Blatt der Adraftea erichelnen werben;
vor alem erhubene philoſophiſche Kanzonen, und
‚Au Bild In Campanella's große Abſicht.
Inhalt des neunten Theile,
\ -
-
a Eeite
2. Vom Erkennen und Empfinden ber menfch-
lichen Seele. 1778 . . . . 1-9
I. Gott. Einige Geſpraͤche über Spinoza's
Syitem; nebft Shaftesbury's Naturhym⸗
nus. Nach der zweiten Ausgabe. 1800. 95
Erſtes Geſpräch. Einsam. . . 148
Blinde urtHeile über Spinssn. . . 13-104 +
Bayle's Urtheil Über ihn. Bayie’s ers \
tienft, Eharafter und Wirkung. . . 104-106.
- Urfache der vielen Gegner Spinorzas. 106 — 110.
Sich ſelbſt witerfprechende Beſchuldi⸗
sung des Atheismus und Panttzeismus. 40— 192
Spineza's Leben. - 2.2.2 0. IR—UT
- Eingang feine Tractatd von ber Beſſe⸗
una des Verftanded und Yon dem We⸗
se, auf welchem man am beften zur
wahren Kenntniß der Dinge gelanget. 117124:
Hülfsregeln au Lefung feiner Schriften. 124126
Vanini's Ode auf Gott. Do! . . . 17—131
aweited Geſpräch. Spinoza ein Archi⸗
theiſt vor allen Theiſten. ...
Terders Werte z. Philoſ. u. Geſch. IX, 23 '
3
11 —134-
W 354°.
Wie fein Ausdruck: ed ift nur Eine Sub⸗ Seite
ſtanz, zu verſtehen d. 1234- 136
Leere Ungereimtheiten, die man dieſem
Ausdruck beimaß. .. 136137
Rettung des Autdruckd, daß Gott die
bleibende, nicht die vorübergehende Ur⸗
ſache des Weſens aller Dinge ſey. 137 - 139
Sind Weltund Gott gleich ewig? . 43139 1460
Urſprimg des Ausdrucks, daß Ausbeb:
nung ein Attribut Gottes fe. . . 10 MM
Wegraͤumung dieſes Ausdrucks aus Spi⸗
noza ſelbſt... 4414
Nichtigere Beftimmungen Denen ‚ was
Moterie ſey.. . 144 — 145
Beſtimmung jenes Auedrucks. ... 145 — 146
Folgen. . 146— 150
unterſchied des unenduͤchen und Enrloſen. 150 — 151
unterſcheidung der naturirenden und na⸗
turirten Natur bei Spinssn. . „ 1541—153
Eeibnitzens präftabilirte Harmonie aller '
Subſtanzen. .:. .153 15
Db ſolche in Epinnsa’s Soñem Siege? . -B5—157
Ob die mathematiſche Methode willkür⸗
lich angenommenen Begriffen oder har⸗
‚ten Ausdrücken obhele?_ . . . 457 — 159
Vanini's Charakter. . . i . 159 — 160
Bott. Eimige Husfprüde der Morgzen⸗
länder. .. 1219880162
Drittes Gefſprch. Eingang. Verfo:
nifikation der Nemeſts.. . . 163 |
Yuflöfung der bifdlichen Vorſtellung in
wiſſenſchaftliche Formeln.. 164 — 166
Welche Folgen der Begriff von innerer
Vollkommenheit, Güte und Schönheit
in der Exiſten; und Fortdauer eines |
Dinge gewähre! > 2 2 002 002 166—167
Bar 17
Ecke,
Wahrheit und Schönheit des Begriffs von
"inneter Nothwendigkeit. .. 167— 168
Ob Spinoza Gott zu einem gedanfenlofen
Weſen dichte? Dee... 18169
Vielmehr legt er ihm die Vollkommenheit
eines unendlichen Denkens als Attribut
feiner hoöchſten Wirklichkeit und Grund⸗
macht bei.. ..10172
Ob Spinozas unendiich⸗ denkender Wefen
ein geſammelter Name einzelner Denk⸗
kräfte fen? een en . 195-173
Das adfointe Denken it nach ihm auch
das abſolute wollen, mithin bie hoͤchſt
Macht nothwendig auch die weiſeſte
Macht, eine nach innern Geſetzen gesrd⸗
nete unenbſtche Güte. .. 173— 175
woher er gegen Die (ogenannten Endte6>
ſichten Hart rede? 2 2 220. 3%
preten ſoicher Anthropopathieen und
Willkürlichkeitteeee. 1776-179
Leibnitzens moraliſche Notwendigkeit. 180
Wie weit fie reicher ee. 386-183
Wieſern die Welt sufällis-im. - + + 13-185
Auflöſung ded Begriffs der Forisentionch
Ien in bie weſentliche Nothwendigkeit. 185—187
Wunſch su Zorichung ihrer Geſeze. 187 — 188
Ponfito: Thevlosien. - 2 ten. 188
Leffing, ein Spinsili? . . 4069- 190
Vierted Geſprüch. Leſſtugs Melerum
. sen über Spindra. —X 0 0 4— 0 0 -192
Bon Gott‘ald einer perſonlicken urſache
der Welt. U} 4 ¶ “ 4 34— “ « 193
Was ver Amdruck Perſon, Perſonlichkeit
bedente? 0 « 0) . . 0 0 _ 193 — 194
*22
Rode} und Leibnigens Erklänungen der
X
356
Seite
Ansdrücke Perſon, Verſtand u. 4194 17
Leifing$ Scherr / daß Fein freier Wille ſey. 197198
Ob die Kraft de Denkens in einer böhe —
ven Kraft gegründet ſey.66m-20
In einen höheren, d. i im böchſten reellen
Begriff gewiß; und wer if Biefr? - 20
Ob diefer außer allem Begriff liege? . . 200— 201
Leibnitz und Erin. > 0 0 0. 2
Zeibnitzens große Art au denfen . . 202-203
Ob er feine Philoſophie den herrſchenden
Lehrmeinungen aller Partien anzupaf
fen getucht babe? » 0 0. - 203—204
Ende und Refultat dieſer Leſſingſchen
Aeußerungen. 24- 205
Vom perfönlihen Supra und Extra⸗Gott.. 205
Ob Spinoza bie Gotteit dem Fatum un⸗
terworfen? . 0 . .- . 0 206 — 207
Wodurch ſich fein Eurem fo viele Miß⸗
verſtändniſſe zugezogen - - 207 - 209
Eyinesa’s Anrede am die Mißverſtehher. 210
Schätzbares in Jakobi's Buch Über die
Lehre Erin: > ee. M0— 2.
Kleiſts HHumuußs. 6682172-243
Der Begriff einer ſelbſtſtaͤndigen Wahr⸗
heit if die Demonſtrat ion von Gottes
Daſeyn ſelbſt. 214- 215
39 diefe ſelbſtſtändige Wahrheit zu finden? 215 — 219
Von der Demonfiration auf dad Verhält⸗
niß zwiſchen urtache und Wirkung ge
bauet. 0 \® . .. 0 219 — 220
Ob die Schöpfung Emanatlon ſey? ı. 221
Ob Spinsza fein Syſtem aud.der Kabbala
sefhöpftünbet : 0 0. 21—224
” D6 der Ausbruck „Welt ceele/ der Sort
heit geitene?. - 2°. « 24-223
Sott, in Sura aut Gileims Sanadat. 228 — 230
‚Sünftes Geſprach. Eingang. Aus—⸗
drückende Symbole der Wirklichktkeit
d. i. dee Macht, Weisheit, Güte find "
Ainder Schöpfung.230-231
wWie Daſeyn unferm Ertenntnit geseben
Wr? ee . 232
Der Begriff ber Netäiwendigfeit iſt wit N
drückend, fondern erfreulich. + + 23
Wirklichkeit iR ber Grund aller Begriffe .
und Wahrheit; das Nichts iſt michts.. 234 — 239
Wirklichkeit iſt ein unzertheilbarer Bes
griff/ der Grund aller Kräfte. . > 239 — 240
Erfter Grundſatz: Daſeyn Tann fich nicht
anders ald daſeyend offenbaren. Das
höchſte Daſeyn bat feinen Geſchöpfen
dad Höchſte gegeben, Wirklichteit, Da⸗ nn
feyn. . 0 0 240 — 242
Das wathhreſte Datenn "ann ſich mät an ·
Ders als innigwahr offenbaren; mithin
iR jede feiner Darkellungen ein Aus
deuch weſentlicher Macht, Güte und - \
Weibheit. Zwreiter Srundfap - + 242 —243
Aulle Drsanifationen find Ausdrücke die
ſer Eigenſchaften alt lebendiger Kräfte, 243— 246
Begriff won der Daterie. - -. 246 247
Gpinoza's Begriff vom Leibe aid einer
weſentuchen Sorm der Serie. - . - 2497245
„ Harmonie, die na in FOR Drganitasien.
offenbaret. - - « .. 249 °
Einfache Veſer⸗ der Drgamifationen;
.. Beharrung, Bereinigung oder Schris
37
Eeite
dung,Verahmichuig mit Fa " -
or Abdruck. ‘ % s 250
ESettetz des Veharrung d einteinander.
ſetzung des Entgegengeſetzten, durch Pole, 280 — 257
Verähnlichung der Weſen durch gegenſei⸗
tige Mitthe ilung...288- 260
Stille Wirkung des Daſeyns nach Stufen,
“und des emineniten Daſeynſs.
Verähntichung mit ſich bringt Weinbare —
—Zerſtörung in die Schöpfung; "fie iſt
nothwendiges Geſetz: eine
2 fortwirkendes Lebend.2660 - 265
Ob dieß forrvirkende auch Bin ſorerittken·
des Leben ſeye teten 5266
Daher zezogene Lehrſätze. = = 267-269
Vortheile eined philoſopherenden Seſprächd. 270
Ob Spinoza mit feiner einzigen Subflams -
einzelne Weiſen des Dafenns, d. i. Zus
dividuationen vernichtet babe? . + « 274
Was Individugtion und Selbſt fa? . 271— 273
Grade des Selbſtgefühls oder Sell... 24-275
Nachſchrift. Zwiefache Gattung der Pi \
loſophie aus Ueberzengung und Meberrebung. 275
Gewißheit einer wahren Idee Tach Svinsra. 276 —277
Norm einer wahren und ber prägnante ”
ſten reinften des als "Wetbebeiu allen
wahren Ideen. .. . 270281
Lefftng über die itkatei der Dinge.
same Sc et BU
Shaftesbury's Naturkyminis.:
Erſter Befang. Landleben Natur. Gott. 28 — 234
zweiter @efang Allbelebung. NRaft⸗
„loſe Verjungung der Schöpfung. Be
wegungte Raum. Zelt. wm
Gedanke, Bott, . 2835 — 286
|
859
Dritter Gefang. Der Sternenhimmel.
Die Sonne. Die Planeten. Die Erde.
Der Menſch. Gott.
Vierter Geſang. eich der untericht
then Schöpfung, der Erbe, ber Luft,
des Waſſers7 des Kichtö, des Aether,
Fünfter Sefang. Polargegenden unfes
rer Erde Gtürme, Froſt, Schnee,
wilde Thiere, See⸗Ungeheuer, Men;
ſchen. Macht der Menſchenvernunft.
Mittagsgegenden der Erde. Sonnendige.
Kühlung.
Indien. Der Elephant, Inſekten. Der
Seidenwurm. Arabien. Das Kamel.
Aegypten. Der Krokodil.
Das LAtlasgebirge. Der beitige Pain. Die
Gottheit.
/
Geite
286 —287
23 _
Anhang. I Lieben, Selbſt heit 1782% 295 — 321
IL Thomas Campanella. Stim-
meen eines gefeffelten Prome-
theus aus. feiner Kautaſue⸗
böhle.*) . . 0.0 22
Y
*) Zerfir. Blätter, 1. Thl.
**) Adraſtea, TIL Band.
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eu
„Zohan Gottfried von Herers
ſaͤmmtliche Werke,
| Zur Philoſophie und Geſchichte.
Zehnter Theil.
| Stuttgart und Tübingen, x
ds ver % © Got ta'ſchen Buchbandlung.
1828.
“r
_ Sohann Gottfried von Herder,
Sophron.
Geſammelte | Schulreden.
Herausgegeben
durch
,Johann Georg Müller.
Li
Stuttgart und Tübingen,
in ver J. G. Eostta’fhen Buhhandlung.
1828
\
Borrede des Herausgebers.
Ich Hoffe die Freunde der Herderiſchen Muſe
mit der Herausgabe nachfolgender Smulreden, die
der verewigte Verfaſſer als Ephorus des. landes-
fuͤrſtlichen Gymnaſiums zu Weimar bei den jaͤhr⸗
lichen oͤffentlichen Proͤfungen hielt, angenehm zu
uͤherraſchen. Außer der Gedaͤchtnißrede auf den
ſeligen Maſaͤus iſt noch Feine derſelben im Druck
erſchienen.
Ueber Pädagogik und paͤdagogiſche Syſteme un⸗
| ferer Zeit hat Herder fi in den nod) von ihm
jelbſt herausgegebenen Schriften nie, oder nur bei⸗
laͤufig, erflärt. Aber In der Schule, wo Amts⸗
pflicht ihn Dazu. aufforderte, da ſprach er mir Frei-
1. muͤthigkeit, mit Undefangenheit und mit Liebe über
. ‚die wichtigften Materien, welde den Unterricht be=
fonderd in den hoͤhern Willenfhaften betreffen:
. -deun dleſe Pflanzftätte des aufblünenden Geſchlech⸗
tes war ihm ein. Heillgtbum, der liebſte Wirkungee
freis feines Amts, ihr Gedeihen und Fortſchritt
feine heiligfte innigfte Angelegenheit, und ter Um⸗
. gang mit hoffaungsvollen Juͤnglingen verjüngte fein
.* Xeben. Freimuͤthig fprad er, da Amis: Gewifen-
baftigfeit und die Einſicht mancher Fehler und ver-
r kehrten Methoden fn-ienem Unterricht ihn dringend
—
—
— 6 pp — -.. De 1
r
dazu aufforderten; unbefangen, weil er bier nicht
zu einem unfihtbaren Publikum fprah, wo (wie
ihm felbft faft gewöhnlich widerfuhr!) auch bie
wohllautendite Stimme fo bald verhallt, wenn fie,
deutfhen Ohren, nicht aus zehn Journalen in kur⸗
zem wiberhallt: ſondern an Ort muß Stelle, zu
Juͤnglingen, die ihn lichten; zu Lehrern, bie gleich
mit ihm dachten und die er, als feine Mitarbeiter,
aufrkehtig ehrte und llebte, unh Deine Si, gleich⸗
fa Vortrauen / Peiner luatſrfero Beh er⸗
Se. nase nn
BR Rene runs TEL
a Barton’ @föfen Mebentwinei nalß bitkigen hehe deffen
us pineh ER ſeinennRieben MDR RAirche
ug ich ·in ſpalern⸗Jaͤhren i broſ Enteirfe,
obwohl genau und ausfuͤhrlich, auf; diefe Schuire⸗
udewhingegen gauz, Wort ſaee Wort ind ſelbſt
in der Stellung der Workte ſorgfattig ausgebefferi,
r⸗Als· ihaãtte er feibfe ſie zumꝰ Oben Und,
po ſo wle Fe dadſind, ſolſte ihnen auch dkeiletzte
Felle mangeln — welche Fuͤlle der Gedanken in ih⸗
et welche Schonhekt und welheriFluß der Rede!
vweſche Aliwend barkelt In fFeknen Rathſchlazen! weis
BE Hummitar ud reiche Sa file dasge⸗
reine Wohl! — "Das von-!ihtn ſo herztiich ge⸗
ebte, forrreun beſorzte fuͤrſtliche Gommffum zu
Welmar nehme fen das Vermuͤchtukß des großen
Mannes a n
DEE wiqhtigſtern Ge geriſtaͤndende d vfferclichen Un⸗
vtemichts werden hier adaehaudelte nd Hiekders
Amtgeuds wie hler ſo ſtark and numwunden auns ge⸗
n Wrochene) Aiheilon Ader⸗ den SGefſt! du wiſſefchaft⸗
⸗ —
—
*
7
AUqen Diagen, uͤber Barsige unh Rerdarbniſſe deſ⸗
Feiben, Aber die Mitzelt dieſe zu heben, aund jene
zag vermehren, was· fuͤr dig Neftunsatien-det Wiſſen⸗
AAaaften in efner Zeit, wo viele ihren gänzlichen
Verfall befurchten, wo audete (ſelbſt ſolche, die
für Reformatoren der Paͤdagogik gehalten ſeyn wol⸗
sten} aus ualenntniß hren: Werth für das gemeine
Mohl tief: herabſehen, mo alles eine Umſchaffung
. aller monſchlich en Einrichtungen und: Ideen zube⸗
‚weitet, zu thun ſey? — ſind mit ſolcher Klathelt
„und heſtimmtheit / mit ſo viel Weistzeit und Sach⸗
Nenniniß, mit fo; piel Geiſt, Witz und Lebendigkeit,
ah zugleich mit einer ſo ungeluͤnſtelten Beredfam-
deit des Herzens geſagt: daß ich voraus des Bei⸗
‚Ans ber: Beſten unſerer Nation: zu der. Heraus⸗
„gabe diefes Reden verſichert bin... Ich habe darum
auch den Herrn Verleger erſucht, Diele NReden noch
. Hefanders herauszugeben, damit die, melde fie vor⸗
. güglich angehen ,- Lehrer In Opmnaflen und Buͤrger⸗
Nhulen, {deren Beroldung gewdhnlich kanm zur Anz
-Achaffung des Beodes, geſchweige gu der fo koſtba⸗
„ger. Dächer, wie diefe Sammlung ber Herder ſchen
‚Werte fit, hinreicht:) und wer fonft: als Ephorus
ober. Pifitator Amtes megen Einfluß auf das Schul⸗
weſen hat, ſie kaufen koͤnnen; denn fuͤr alle ſolche
ſollten ſie ein immer zur Seite liegendes Handbuch
mörben. Dach, fie beduͤrfen meiner weitern An:
preifung nicht! -
Es find noch einige aus Riga und einige latei⸗
niſche aus Weimar vorhanden, aber unvollſtaͤndig;
unter den erſtern eine vorzüglich intereſſante, von
der Srazie in den Schulen; unter ben letz⸗
tern, : eine folge de muneris scholasti-
ci dignitate, utilitate et sanctitate
(1786.J aber es fehlt an beiden zw viel, als daß
fie abgedrudt werben Tönnten. Ueberhaupt habe
ich nur folhe aufgenommen, welche ein allgemeines
Intereſſe haben.
Da Herder In biefen Neben Matth. GSeßners
mehreremale mit verbientem Lob gedenkt, fo habe
ich feine ausführliche Recenſion der Geßner'ſchen
Iſagoge aus ber alten Lemgoer= Bibliothek im An:
hang beigefügt. Der Grundriß des Unter
richtes eines jungen Herrn von Stande
iſt rei und fchön, aber er bedarf eines Herders
Geiſt und Gelehrſamkeit ihn auszuführen, wentg-
ſtens (da alle Theile deſſelben da oder dort im ih⸗
nen bearbeitet find). eines fleffigen Studiums der
Herder'ihen Schriften. - .
Das Ideal einer Schule, wie Herder fie
in feinem geliebten Riga auszuführen gedachte, iſt
Fragment aus einer merkwürdigen Haudſchrift,
welche er 1769 auf feiner Seereife ſchrieb, worin
. er feinen Fünttigen Lebensplan mit ſich ſelbſt über:
legt, und fi bie Siele feines Wirkens ausſteckt.
In der Biographie werbe ich mehr bavon fagen.
Scaffhaufen ben 28. Nov. 1809.
Joh. Georg Müller,
Profeſſor.
, _ -
—— — wi u,
— — — — *
I.
Von der Nothwendigkeit der Schulzucht zum
Flor einer Schule. 1770,
N
Ich fprach im voriährigen Eramen *) uber den.
Schaden, den ein zu frühes Elleu von
der Schule auf die Akademie mit fi
führte; und Fonnte davon Latein ſprechen, weil.
die, welche es anging, den Inhalt ber Nede.allen-
falls In diefer Sprache ‚verftehen Fonnten; Ich ſpreche
heute über eine Materie, der ich gern ein allge:
meines Ohr wünfchte, und ſpreche alſo Deutich..
Ich will nämlich von der Nothwendigfeir
der Schulzuht zum. Flor einer Schule
reden. R
Da unlängft in diefem Saale eine latelnifhe
Rede gegen den Mißbrauch diefes Worts gehalten _
worden iſt, fo fern viele unter Schulzucht nur Nathe
und Bakel verltehen wollen; fo lege ic gleich den
damals gegebenen richtigern Begriff zum: Grunde,
”) Diefe Rede iſt mur unwenftändig vorhanden.
%
*
10
den auch ber berühmte Erneſti in feiner Abhand⸗
Iung von ber chriftlihen Disckplin wohl aus⸗
einander gefeht hat, daß nämlich zu bem, was
wir Disciplin, Zucht, usden nennen, inſonder⸗
heit gute Sefiunungen, Anſtalten, und
Vebungen gehören zu dem Zweck, dazu man
ung ziehen uud erziehen will. Zur Schulsucht ges
hören alfo auch richtige Geſinnungen, An
flalten und Uebungen zu dem Zweck, wozu
„sie in ber Schule follen gezogen werben. - Und da
dieß Fein anderer, als die Slüdfesigtett und
manderiet Nutzbarkeit des Menſchen,
des Chriften, des Bürgers Ift In den man-
berlei Ständen und Zuftänden, wozu ihn die Vor⸗
Nehung beſtimmt Hat, fo wich man bet kllem, was
Schuldisciplin heißt," auf dieſen Zweck bes
"Lebens Hinansfchauen und der goldenen Regel: non
scholae sed vitae discendum’ überall’ eingebenk
ſeyn muͤſſen, woher fih denn die Nochwenditg-
keit md Nutzbarkeit einer guten Schul
zucht in allen ihrem Thetlen von felbft ergibt.
-
Was fol nämlich aller Kram der Biffen |
. "Schaften und bes Gedaͤhtniß-lernens, wenn
unfere Seele dadurch nicht zu guten Gefinnun⸗
gen gebildet, wenn unfer Herz und Leben nicht
durch gute Vebungen genährt wird? Ich will mich
nicht auf ben alten, ‘aber ſehr wahren Ausſpruch bes
rufen: qui proficit in. literis 'ete.! die Chat und
das Beiſplel mancher mißrathenen Juͤnglinge mag
es zeigen. "Was half's Ihnen, daß fie viel wußten,
viel Fertigkeit und Fähigkeit, daß fie viel, wie fie
fagen, melernt Hatten) wenn ihnen; das vheßerLernen
Z4AL
wefagtee ) talleeriheSelerutes wat wirwienben ‚ober
sche BR vrdu⸗en mdſendildoa zu möllen. ie
tea DER Aurich fie rentzogen
a ſich gar detn Schuloͤ⸗ mu zu vwr guſſew nderralles
si auftdier ſchlochtoſt eꝰ Art ⸗zu brauch en · Die eh
FR RETTET zchror Ligenen Wehlfahrt
reis zul vernen waro nl HR Berk dazu war
witre Seeler nit: vbbildet ſio nuͤberlaſſen ſich -alfo
Super Riyten ; dern Freſheitder Ausſchwelfung. "Da
angisper een det verbotrte · Banm⸗da liegt · feine
Re ſchone abereleider vrraveltte Wlathe ti Eitern,
itFteimde⸗AQrugehbrige weinen/allenFreunde guter
angFaͤhtzreli · and Auiage, Yale Slebhabet der Menſch⸗
anhhell welnen: Merk HORB aum At dahin —.Sei⸗
— —
Aaund ommtanicht lader in anigneit —
trat eſeine ·blachenden Seelenkraͤfte und: alle Hoff⸗
Ahungen, dies man von lihmfaßte: fuͤr diefe und
Alelleicht · auch far jeno Welt iſt er verloren,” Blute
2 armes He der altern; bluke7 und wer ihn ver⸗
führer vernachlaͤfigt hat/ſuͤhle Flammen der
Jnclenein ſeluem Buſen und vergelkende Rache tkeffe
tn und Be ·Seinen.· — .
hhabe den Fau gefetzt daß worh BL FFE N
ughaften Ahne Sitten Teimen, "und bie 'gnte
uit neichteAulage; manches: Yernortteiben:'kiime,: das
wir in jungern Jahren gerne dis Hoffnung anſehen
Andelleben iwie fetten iſt's aber); daß ſeidſt Eins
ingpueibas Andere aufgehe vder kelme! Die veruach⸗
2paſtgte Schnlyacht / woelkche Hondevuiffs macht ſie ſelbſt
PR DER Wiffenſchaften Anm bim Lernen 7Ein Lehter,
aber ein n Feen til entre hat, habe er
. 2 -
alle Wiffenſchaften der neun — Mufen, fie werben
ihm wenig helfen; Tamm ſo viel heifen, als viel-
leicht die weit mählseve Willenichaft bei einem an-
dern Lehrer, ber von feſter Natur und einem guten
‚ ange ift, der wag er Gutes treibt, es bis zur
- Bildung einex Geſinmug/ einer Gewohnheit treibt,
der Wiſſenſchaften nit bloß: ausſtreut, fondern
- einprägt, fie auch beuen elnprägt, bie dazu nicht
große Luft hasten, kurz ber ber Lypkurgus und
- Solon feinen Klaſſe wird, und an ihr auch an
Seflunungen. und Sitten ein kleine tuͤchtige Republik
bildet. Dem audern Lehrer, der Gaben der Wil
fenfhaft, aber nicht. ber Zucht, bez Yebung nnd
Disciplin hatte, Aufmerkſamkeit zu befeftigen und
zu erhalten, Gehorfam zu weden und gu erhalten;
ihm entichluͤpſt das Meiſte. Nur der Willige lernt,
dazu nur In feinen willigen Stunden; ber Rabld:
. fige, der Träge bleibt nach, und iſt er eine Seite
lang nachgeblieben, wird ex ohne Zucht und Auf
weckung gewiß nicht. nachlommen, und bie ihm fo
‚weit voran find, einhofen-wollen. Er faläft lieber
oder Left Romane. Dev Harte und Widerſpen-
ftige fogar, ber getrieben feyn will, deſſen Seele
. ein Kiefelfteln ift, aus dem nie freimilige Fanken
fliegen, was wird er ohne. Schulzucht ſeyn? Was
wird erwerben? Wenn noch fo viel gute Lehren um
: Ah fliegen, er wird bleiben was er war, er wird
taͤglich was ärgers, als was er war, - werden.
Wenn keine Zucht zum. Guten da it; Die Zucht zum
: Böfen geht fort, und zum Unglüd it ſie faplicher und
. ber Yüngling zu ihr geneigter. Was Eltern, was
Loehrer, was Vorgeſetzte nicht thun, wird. bie Faul⸗
N
15
beit ,. bad Rafter, werden böfe Buben thun unb the
Bert vollfähren. Das arme Baͤumchen wird wach⸗
fen (denn wachſen muß es), aber ſchief und krumm:
der Acker, wenn er nicht geadert und befäet wird,
wit ſich felbſt beſaͤen, aber mit Unkraut. Das
e Dute, was der Juͤngling im Schlendrian
der Gewohnheit doch lernen muß, was ſich gleich-
fam von -felbft In fein Ohr ſtiehlt, wird unter dem
Unkraut erſticken, und fo iſt, als ob er gar nichts
lernte. Herz und Seele war nicht babei da er
{ernte, ex bat alfo nichts gefaßt, er kann's und
will's nicht anwenden, nicht brauchen.
- Ohne Sucht, ohne anhaltenden Fleiß und Uebung,
wie wenig iſt's, was wir lernen? und das Wenige
von wie wenigem Belange! Die Götter verkaufen
und nichts ohne Mähe, ihre ebelften Gaben geben .
fie nicht umfonft; alle grändtiche Wiſſenſchaft, zumal
{m Unfange und in der Jugend, muß mit Schweiß,
mit Hebung gewürzt werben. Was und nur fo an:
fliegt, verfilegt auch: die Spren, den duͤnnen Haber
nimmt der erfte wehende Wind fort. Daher wird
von allen Verftändigen der Lebendige Unterricht,
das gemeinſchaftliche Lernen, Schule und Gymna⸗
fium fo gefchäget und dem Selbftiernen und Selbft:
lefen weit vorgezogen, eben weil Zucht, Uebung bei
ihm vorausgefent wird: Gymnaſium nämlich
Heißt Drt und Aunftalt der Webung: in allem was.
gut ift, Wiſſenſchaft und Sitten follen feine Lehre :
Ulinge nicht unterrichtet, ſondern geuͤbt werben.
Schule fol nie ohne Zucht fepn, fonit iſt's keine
Schule, denn eine Menge kann nie zuſammen
beſtehen, (nie zuſammen unterrichtet oder gebt
-
151
welehe Arbaaıasr — —
tunssmndBinßelb:.. Nun was wir Adam miles
mis; wir- Können nanıfo (nich As in seht hans;
ben: dieß; allt sin: Seaachen- Wifenspaiienn Mille ;
ten, amd ſchoͤnen Keſten, Eine Schule alles Man
viek. Hucht. viel, und: ſtreuge Uebuns Im ken and
alleriei / Gaten; hat, dazu Die —ãA
fohndasıik eine gute Schuls. GSrunaßn
das ſowohl in. Tunenben als in Faͤhigleiten eig: Alten
ler Sauiplak edlen imngem Becken: wird, die im·
Biehp and Medelferung einsenunb,fic.ühen; un |
Das iſt ein wahres: und; gutes Gomraſium.,
diefe Quchs/ diefe: gute Wiſſenſchait⸗· mmd: Gitten-
übuug:uiht if, ba iſt rin todtes Meer und wenn alle
Maſen darin und. darum wohntond
Ich ſage,t o dt o q Meier, und wähle mis Fleiß
dieſen Audit, denn⸗giue / Schula ohne Qucht· ad
Vehnug: tk nicht: nur aſt il l ſt e hen d und milk
ſondern auch “Ubeold uͤ nſten⸗ und iug ift ige Ita:
gend muß geblidet werden, oder fie: mißbiidet Apr
jeibſt: dazu eine Menge Jugend: ‚Eins- verfährh
"das: Andere. Kans ein raͤudig, Schaf eine ganze
Heerde anuſtecken, wie denn nicht ein ruchloſen Schr.
ler eine ganze Klaſſe und Schule. Er befommsi:
ſehr bald Mitgehaͤtfen und WBruͤder, die laut oder
im Stillen fortwirken his endlich eine sanın Schulo
verpeftet werben. kann amd. notam infamiae daygn
traͤgt. Weh ihr, wenn fie diefe einmaichatl wenn
einmet: böfe Sitten in ihr Wurzel geſchlagen! Eine
Schube ſtirbt nie ans, bis fie ganz erfiicht:: eine:
Klaſſe geht und lommt und. Heibt und pflauzt fd
Immer ſert mit allen. Methode ‚und-Befinzungen,
155:
die un 9 Dee fie, be Sivn und Nelgungen⸗
did —— « Ofb ſpuͤrt der Lehrer von eineme
boͤſen Schüler: den Nachteruch noch lange nachher,
nachdrin ct ſich entfernt hat, und yon Tropfen ſchlleßt
man aufs Meer, von Einem Schuͤler aufalle: So ⸗
wie ſich in guten Auſtalten der Geiſt and die Seele
ihros Siffters oft Jahrhunderte forklebt und man
er Belſplele hat/ daß felbft Kante und -Möfe, :-
wem: fiein ſolche Auftalten traten, vom Geiſt bes:
Urheber und Inſtituts angeſteckt wurden und ihre
alte: Natur -ablegten: fo gehf'6 leider auch/ wenk‘«
Eintint: ein boͤſer Be An guten Anſtalten herrfchk.
Er tft ſchwer oder gar nicht‘ zu vertreiben, unb kommt
oft mit ſeben, bie aͤrger als er find, wieber. So⸗
dann · wehe dir/ Jugend! wehe dir / einzelner guter
Arbeiter, der vergebens gegen den Strom ſchwimmt
und in der See wilder Meereswogen ackert und
pfluͤget⸗ Du verzehreſt deine Kräfte: einzelne Gute
(denn das Gute iſt nie ohne Wirkung) (werben dir's
danken: der große: Troß aber geht feinen gewohn⸗
ten Irrgang: faͤhrt feinen Geſellen nach und ſieht
das Licht nimmermehr.
Wie noͤthig kit alſo auch In dieſer Abſicht prin⸗
cipits obsta! Boͤfe Sitten in einer Schule ſind ein
frefſendes Geſchwuͤr, das unter der Haut zehrt,
Krebs: an jedem hinzukommenden neuen noch geſun⸗
den und lebendigen Gliede. Was tt leichter zu
verführen, als die Jugend? was pflanst ſich Teich
tee fort, als das Böfe? Man zieht's gleichfam mit
dem Auge, man: ſaugt's mit dem Athem ein: die
wächferne: Jugend nimmt Geſtalt an, ehe fie es
weiß und faft will. Und ach, Geſtalt auf bie ganze
%
wi
16
Zeit bes Lebens! Yugendbiahre laſſen fig nit zu⸗
ruͤckrufen, fie laſſen ſich aber auch felten ober fodt
zuruͤckbilden: quo semel est imbuta etc. faat das
Sprüchwert und wie mancher Breis hat In feinem
Alter keflagt, was er In ber Tugend verfäumt!
wie mancher Miſſethaͤter auf feinem Richtplag bes
: rent, was er In der Schule von Böfewichtern ges
lernt und als Böfewicht geuͤbt Hat. Es iſt eine ge:
meine Erfahrung, daß (Töchter find, wie ihre
” Mütter und) Juͤnglinge, zumal den Wiſſenſchaften
‚gewidmet, wie ihre Lehrer. Die Sitten ber Schule
leben und auf Akademien, zu Haufe, in Aemtern
and Ständen oft durch's ganze Leben bin an, und
die Wunden, die und ba und dann gefchlagen wer⸗
- den, eltern noch oft im Alter, Wie nöthig, zumal
in unfern Selten nöthig, iſt alfo Schulzucht,. gute
Yebungen und Sitten ber Schuliugend! Wenn jetzt
der Anabe in der Schule nichts Gutes lernt, wo fol
er's lernen? wenn er In ber Schule Boͤſes treibt,
wo wird er's nicht treiben? In unferer buͤrgerl
Belt nimmt bie Ehrbarkeit guter und firenger Sit:
ten fo fehr ab: die Erziehung in ben Käufern wird
von Fahr zu Jahr fo üppiger und weicher: Alles
verſteckt ſich unter äußern Glanz ber Artigleit, Höf-
lichkeit und Weltfitte. Hat man fie, fo kann mau
frech, wild, ein Bube ſeyn: ift man's mit gutem -
Anftande, es gefällt, man wird von weichen, wel
bifchen Sinnen geliebt und gelobet. Ein Kranz von
Blumen wird dem Juͤngling um Haupt und Herz
geworfen und drinn find Schlangen und Skorpione:
ein Becher des Vergnuͤgens ihm an bie Lippe ge:
drüdt, der von füßem berauſchenden Gift vol iſt.
\ . So
See for Ciesehichaiten, und, Alapeypin : dauon
Wem... Wenn au der Kirche verwilberte Zweige gibſt
wer » Wer kann bie alten barten Weite beugen?
wenn du den Ghänden und ber Afademie, ben
Sarzaiu:unn Richterſtuüͤhlen Gaͤnſe gibſt, was wirb
WR imen anders als Gänfegefchrei bören?
Wide (om is dir Grunbſie⸗ der Irreliglon, Frei
„das fein Weh hie und ba im: In⸗
ners fuͤhlet, aber ihm nicht abzuhelfen weiß
ſteht/ unh flehet dir, Schule! Es forbert von bir,
Dei Wr anvertenute, feine jungen Sproffen und
dir. gelingt, ſie dem hertſcheudon Strom zu ent-
zeigen und.fe ihm⸗ fie ihnen ſelbſt zu teften. Biel
leicht daß es dir ge ihnen beſſere Geſinnungen
rinzupflenen, als die ſie zu Hauſe, die ſie in Ge⸗
ſchaften und taͤnden meiſtens handeln ſehen! ihn? n
berders Werle Phileſ u. Geſch. X, 2
18
buch firenge Uebung bes fähen Fleißes und der
füßen Tugenb Nerven gegen bie Ueppigkeit und eine
ſtaͤhlerne Bruft gegen herrſchende Schande umb Baker
su geben! Der Himmel fegue bih, wenn du fie
gibſt, wenn du unter zerfalenden Trämmern, wo
unter altem fanlenden Staube oft elend Sewuͤru
kriecht, einen fhönen Tempel ber Nachwelt nube-
merkt, unbelohnt, ungepriefen,, aber vor Gott und
im Stinen baueſt. Verzage nicht, guter Arbeiter,
wenn das Werk langfam flelgt: alles Ente sebeiber
langſam, aber es währet ewig wie Sottift! —
deine Pflanzen, deine Siylinge werben, wenn 8
Aſche biſt, dic In deinem Grabe feguen.
Und du alfo, die mein Wort gift, Jugend bieſes
Goymnaſil! ich wänfce es und alle Guten wänfhen’s-
mit mir, dich eine blähende Jugend nennen zu koͤn⸗
nen: eine Jugend, auferzogen in Zucht und guter
Drbnung; die täglig bedenkt: wozu fie bier fe,
nämlich geübte Siunen zu bekommen , zum linter-
ſchiede des Guken und bes Böfen, und ſich alfo, wie
in Sprachen und Willenfchaften, fo auch In Fleiß,
Sittſamkeit, Mühe, Eifer, Strenge und allen gu⸗
ten Tugenden zu aben, ohne die Ihr nichts ſeyd und
nichts werdet. Elin guter Kopf bei einem ſchlechten
Herzen iſt wie ein Tempel bei einer Mörbergrube,
und gute Wiffenfchaften ohne Sitten, ohne Er:
ziehung iſt wie eine Perle im Koth. Zucht und
Ordnung, Sittſamkeit und Beſcheldenhelt zieren
jeden Menſchen, vornehmlich einen Juͤngling: fie
find das Kleid der Ehre, das ihm wohl
und in dem ihn jedermann Hecht. Ordnung mub
Fleiß In den Kiaffen, Achtſamkeit gegen feinen Leh⸗
-_ 19 .
ser und ſtiller Gehorſam find Ruder uud Steuer bed
Schiffs: ohne fie tk Schule und Schiff verloren.
Eine Klaffe, die ihren Lehrer nicht hoch hält, die
ſich niet fagen läßt, In der Unorbnung im Kommen
und Gehen, Im Hören und Arheiten, In der Schlaͤf⸗
rigkeit and Nichtsthuerei herrſchen, iſt ein Grab
vol Todtenbeine und Unflath: im ihr kann nichts
Gutes gedeihen. Der beite Lehrer arkeitet fruchtlos
und die ſchoͤnſte Gelegenheit zu lernen wird nicht
geachtet: der Schüler geht unwiſſend, miß= oder
ungebildet aus der Schule und fo wird er Lebendlang.
bleiten. Der Staat hat au Ihm fein Gutes verlo:
ten, und fpät genug wird er ſelbſt über fi weinen
und fi In Jahre und Gelegenheiten zuruͤckwuͤnſchen,
die ihm nie wiederkommen werben. ber wohl. -
bie, wohlersogener, auch in Schulen wohlerzogener
Yüngling! freue dich der Schule und deiner Jugend,
freue dich deines fräberrungenen Kranzes und deiner
fhönften und ſchwerſten Hebung. Die ſchwerfte iſt
allemal die fchönfte Hebung, und bie firengfte Zucht
bat immer die fönfte Beute. Nulla dies vine
linea, fey dein Wahlſpruch In Lehre und Uebung,
fo werden ſich alle guten Menichen dein freuen umd
Bott, "der Vater aller Zucht und guten Ordnung,
wird dich mit Ehre und Kiebe fegnen. u
m
TU —
2
IL
Bon den Wo⸗enrheilen ambı-Madhtpeiiee: don
| u. Studir⸗ —— 4788.
Unter — gobfprihen,: Ke'nnfere Belegen
Bet, Ift auch der von der in ihr verbeflerten Lehrme⸗
thobe der Wiſſenſchaften nicht der geringfte: Erhat;
wie alle Pobforäge, bie einem fo vielfaffehden Diäpe
als ein Seitalter — in einer fo vielfaſſenden Sache,
ald Lehrmethode aller Wiſſenſchaften iſt, gegeben
werden, wie mic duͤnkt, ſetn Wahres und Fulſches,
fein Gutes und Böfes. Der Strom aller Verbeſ⸗
ferungen auf Erben Länft mit aus = und. ‚einfpringen-
ben Minfelm: bier reißt er ab, ‘dort ſetzt er zu.
Es iſt wohl nicht zu laͤugnen, daß, wo In’ ek
nem Seitalter die Wilfenfigaften ſelbſt "einen
höhern Grab von Vollkommenhelt gewinnen, eben
damit auch bie Lehrart verbeffert werde, in ber
fie andern beigebracht werden.” Su der Belt, ba dit
Naturlehre nichts als ein Namenregifter von Ab⸗
ftraftionen und verborgenen Qualitäten war; Tonnte
Ste auch nicht anders, als ein ſolches, gelehrt
und gelernt werden: fie ward alfo fchlecht gelernet.
Man ralfonnirte über viele Dinge, die es in ber
Natur gar nicht gab; firktt über fie nach angenom-
menen Formeln und Diftinktionen!: Erfahrungen,
Verſuche waren verbannt; fo war bie Lehrmethode,
was die Wiſſenſchaft felbft war, Spinnweb. Es
21
t ins Auge, daß, nachdem über zwei Jahrhun⸗
te her, dieſe Wiſſenſchaft und die Muthematit,
ihre. Schweſter, beſſer gebauet und aus den Kerkern
der. Scholaſtik in's Licht der. Erfahrungen gezogen
‚worden, man In Ihr mit ungleich geringerer Muͤhe
ſichere, reichere, gewiſſe Wahrheiten lernen Fann,
als man. es einft konnte. Die Verſuche llegen ver
aller Welt da: die Lehrfäße, bie darauf gebauet
werben, ‚find entweder unmittelbare Arlome, oder
wo ſie fih In Folgerungen verlaufen ,, tfl’ö. diefer
edeln Wiffenfchaft Art, ſogleich den Grad von. Ge:
‚wighelt anzugeben, In dem man fie anzunehmen
babe; in, ihr alfo und der Mathematif darf man
alfo Gottlob! Leine Lügen lernen: mau kann eine
RMeihe heller Wahrheiten auf bie Fürzgefte, leichteſte
Axt ſaſſen, und bie Merbeflerung faget. gewiß viel.
- Der Naturlehre und Mathematik feße Ich bie
Natursg eſchichte, die Geſchichte und Geographie zur
. Seite. fie gründen ſich zum Theil auf iene und find
mit Ihnen gewachſen. Seit man die Erde phyſiſch,
diſtoriſch, mathematiſch, geographiſch mehr Kennen
gelernt, find aus den genannten Wiſſenſchaften eine
Menge Fabeln entwihen, die vorher zum angeneh⸗
men Popanz der Kinder darin fanden. Man kennet
weht MWeittheile, mehr Geſchoͤpfe und Naturarten,
d lennet fie beffer: durch's Band ber Schifffahrt
d ung eutferute Länder naher geworden, und weil
% pfel Reiſende, weil ganze und mehrere Nationen
ſie Iennen Lernen, darf man von Ihnen nicht mehr
‚fo. ungeheuer lügen. . Aus den dunfeln Jahrhunder⸗
‚sen ber Geſchichte ſind eine Menge Fabeln, unge⸗
wille und. abertrlebene Dinge aurmeder ausgetrieben
—
22
vder gebrandmahlt, und es wird wenigſtens wicht auf
ſie, als auf den Hauptzweck und das Hauptvergnuͤ⸗
gen ber Geſchichte gerechnet. Der Knabe bekommt
alſo eine beffere Geſchichte, Geographie und Ratur-
geſchichte zu lernen, als man vor ein paar Jahrhun⸗
derten lernen konnte.
Die philologiſchen Wiſſenſchaften find denen, die
Ich bisher genannt, nicht mit gar ungleihem Schritt
‚gefolget. Unter einer Menge philologiſcher
Meinungen, Lefe: und Erflärungsarten bat man
mit der Zeit die Auswahl bes Beten gemacht und
theild eine Sammlung guter Ausgaben der alten
Schriftſteller, theils einen Votrath auserwaͤhlter
guter Huͤlfsmittel zu Stande*gebracht, bie man
Saprhunderte vorher nicht hatte und haben Fonnte.
Viele und vieler Augen feben mehr «ls die Augen
Eines; felbft bei Einem Menſchen lehrt Ein Tag
ben andern, und am meiſten iſt aus den Streitig:
keiten ber Kritiker, wo jeder feine Meinung aufs
ſchaͤrffte vertheidigte, wie fie vertbeibigt werben
Eonnte, eine Gewißheit und ein Licht erwachfen, wie
fie bei Sachen folder Art nur feyn können. Der
Schüler wird einer Menge unnuͤtzer Schalen uͤberho⸗
ben, an denen andere Zeiten noch Tuuen mußten
vnd genießt den Kern: fait unnuͤtzer Streitigkeiten
ſucht man bie alten, die größten SchriftfieHer ber
Melt, mit Geſchmack und was noch mehr tft, wit
Verſtand zu lefen, fie anzuwenden, fie zu verbauen.
Selbft in der Theologie, als philologiſche Willen:
Schaft betrachtet, iſt man über mancherlei unmätße
Streitigkeiten binmeg, der Schüler darf mit eimer
Reihe nußlofer Diſtinktionen verfpont werben, be:
1
23
ven Veranlaffnug und Gebrauch in andern, dunk⸗
fein Selten war. Die Huͤlfemittel der fogenannten
Heiligen Sprachen find, auch, aus ben weltlichen
. Schriftftellern, erweitert: man liefet und erklaͤrt
die Bibel, wie man ein anderes Buch erkläret und
Durch einen neidloſen, mildern Anbiid, durch einen
allgemeinern und, wenn ich fo fagen darf, menſch⸗
dern Gefichtepuntt, durch Entfernung der MYRit
und ber: Polemik, wo beide nicht hingehoͤren, wirb
auch bier in dieſen ſteilen, vielgetheillten Pfaden,
Avtele Ferwege und Abweichungen nicht vertheibist)
mit der Zeit ein ebnerer Weg bereitet. Das alles
NAießt in die Methode ein, erleichtert, befeftigt, er⸗
Säutert, bewährt fie: ie mehr in einer Wiſſenſchaft
das Helle vom Dunkeln, das Wahre vom Falſchen,
Das Nuͤtzliche vom Entbehrlichen gefondert iſt, deſto
beſſer iſt die Wiſſenſchaft zu lehren, defto leichter,
angenehmer und möglicher ift fie zu lernen: denn wo
Acht if, Tann man fehen, und wo Ordnung iſt,
kann man überfhauen und finden.
Ich wänfchte, daß ich in die ſem Ton fortfahren
Loͤnnte, und nicht zugleich von mancherlei Verbeſſe⸗
zungen ber Lehrmethode im Unterricht der Wiſſen⸗
Achaften reben müßte, bie mir Feine Verbeſſerung
deinen. 1. Hat man das Licht und bie Nrönung,
deren fich unfere Zeit mit Net In den meiſten Wiſ⸗
fenfchaften freuen koun, fo weit ausgebreitet, daß
alles gleich Licht und noch mehr gleich leicht und.
faßlich, ie für_alle gleich Leicht und faßlich
ſeyn fell — umb dieſe lite, leichte Methode in
_usum delphinorum aevi nogtri iſt, duͤnkt mic,
ſomohl der Natur der Wiſſen haſten an ſich, als
24
‚Ver: Natur unſerer Soele "und "ber: Tr umuichantet
menſchlichen Seelentraͤſte, eadlich and widiiite dem
Zweck und Nutzen entgegen; ben man von Erlerunag
ber Wiſſenſchaft Haven Toll. So wie: alles tun Ber
Welt in gleich licht iſt; ſo kaun auch nicht alles
in der Wiſſenſcheft ſeyn, und wer Licht hineinlagt,
wo kein's iſt, wer Foßlichkett hlainaͤgt, wo :fie
wit. iſt; iſt GSaukler, nicht Lehyer. — Jede Wiſ⸗
ſenſchaft Hat ihre eigene Methode, uud wer eine
in die andere hinkberträgt, macht's oft nicht: Eiger,
ale wer in ber Luft ſchwimmen, Au Waſſer [dem und
ackern will. Strenge: Wahrheiten der Metcphat,
Phyfik, Diatdernatik in Geſpruͤche ober in die Dich⸗
tung eines Romans Tieiden,, iſt meiſtens richtizle⸗
mender und anſtaͤndiger, als in den ſcholaſtiſchen
-Beiten eine romanhafte Mathematik, Phyſfit und
Metaphyſik ſelbſt war. Es iſt gar nt gleich viel,
eine leichte Seſchichte dieſer Wiſſenſchaften und ihrer
Lehrſaͤtze, etwa Anekdoten von ihrer Erfindang und
Anwendung im Kopf haben oder die Wiſſenſchaft
felbft, Ihre Leheſaͤze und Anwendung gelernt haben;
denn’oft fieht man, daß, wer fih an. dieſen über:
zuderten Wiſſenſchaſten, oder vielmehr antſelchen
falſchen Zutker, womit feine Wiffenſchaftt uͤberzegen
war, ſatt genaſcht hat, nachher nie "die "Anfangs
bittere, ‘aber nachher gefunbe und ſtuͤrkende Wurgel
zu Innen mehr Luſt Hat. Was hat's für ine: Nu⸗
g den gebracht, daß man alle pheilo ſophiſchen Zäkffen-
f@aften plögtiih in mathe matiſche Sem sont SR Oſt
ein einziger mangelhafter, unſtaͤter, d
griff dadurch volllommen, feſt web reset
mau die Namen, Axtoma, Dem vn ſtea vie
Fl
‘225
1er eteriind for meh’ 6 tein Fuaſhen· mehr
s6Matzen bringen, : wenn man die -Leibnisiihe mb
.Stewtonkiche Philofophie pour les-dames er: pyar
. ‚desvenfants einzichtet. Die: Philoſornthie in folbcher
Cracht wird feldft. Dame, wirb ſelbſt Kind; fie
verlkert aber damit Embzwed,. Würde, Beil
mung. Ein gleiches iſt's mit Sprachen, die man,
als ob’3 Keine: Sorachen wären,: aubrelngebornen.
Begruͤfen, ohne Gedaͤchtuiß, Mihe und-Brammatil
Jernen fol. Das Lernen iſt auch darnach und: If in
wmeniger Zeit: ein fenftcd:Mergeflen geworben. Ju's
fſonchte Waſſer, tu. leichten Sand iſt alles leicht ge⸗
ichrteben, and. wird auch wie auf feuchten Waſſer,
wie in leichtent Sande gluͤcklich verwehet. Die Seele
: hat: keine Naͤgel, "woran: fie, mas fie lernte, aufs
ı gehaugen und init ihnen in fich eingeheftet hat, die
gegelä der Srammatik ind Naͤgel, Mühe. des ge⸗
nauen Lernens und Wiederholens iſt die-Eingeftung
derfelben; dafür: aber fteden ſie auch feſt and laſſen,
feibft: wenn fie mit Gewalt herausgeriſſen wuͤrden,
Spuren nach ſich. Eine Grammatik muß der
Menſch iernen, denn Grammatil AK Philoſophie der
WEeprauthe, und die Sprache iſt ja der Umfang aller
me nſchlichen Begriffe; am je einer volkommenenn,
ausgebildetern Sprache man alſo Grammatik, b. i.
eine Nogit und Philoſoohble der menſchlichen Ver⸗
»aunft lernt; deſto beiſer lernt men fie, mad brhaͤlt
an ihr ein Modell für Orbnung, Gommmigteit und
‚arbeit der Begriffe tm: Kopfe fuͤr mlle andern Wiſ⸗
wmftenfchaften,“ Sprachen md Kuͤnſte. Ein Menſch,
er ‚im ſeinem Lake beitte Geammatik ‚gelernt hei,
Dlerut ſein Leben ·darch nicht ganan ; eigen ah
IN
26
cher ſprechen und fhreiben: er irret in Ungewlßtzeit
umher, und hat Fein Leitſeil im großen Labyrinth
der Sprachen und Worte. Erufins, ber große
Philoloa, nannte bie Theologie felbft eine gramma-
"ticam divinam, uud Geßner wendet auf fie an,
was Luther von der Theologie ſagte; fie raͤcht füch
An ihren Veraͤchtern. Sie raͤcht fih wahrlich auch
an dem, ber mit ihr tändelt, und fo.rächen fich ale
Wiſſenſchaften und Kuͤnſte au bem, ber fie auf zu
Leicht ſpielende Art zu faflen Luſt hat. In der Ne:
tur und Im Lernen wachſen die ofen unter Dornen:
nur auf bieten pfluͤkt man ſie. Durch's Lernen,
durh'6 fhwere Lernen, durchs mählame,
‚ganze Erfaffen, üben wir uns, wir bekommen Stärke
und Luft mehreres zu fallen, fchwereres zu lernen;
da hingegen ein Menſch, der ſich nie zum captu der
Wiſſenſchaft erhebt, fondern ben bie Wiſſenſchaft
immer ad captum gemadt, b. i. wie Honig und
Brei um den Mund bes Eranfen Säuglinge ge:
ſchmiert werben fol, auch nie gefund, nie.ftart
werben wird in Begriffen und Geelenträften. Cr
wird nachher In feiner Haupt: und Brodwiſſenſchaft,
in feinem Geſchaͤft, In feinen Lebensverrichtungen
ſo biöde und ſchwachherzig thun, wie er in feinem
erſten Schullernen geübt wurde. Was ſich nicht er
Hafen, wicht ertändeln laͤßt, das iſt fr ihn wicht
da: der Kern bleibt unberuͤhrt, wo nur ein paar
Zwiebelſchalen umher find.
D wie manderlel Lodfpeifen und Lodpfiffe kom:
men in unferer Zeit zuſammen, ben Juͤngling vom
‚ männlichen Wege des Gtublums abzuienten, usb
do die Gaten ber Enkypfo der dee Bunde an
27
im Lernen der Wiſſenſchaften zum verfenten! In nu⸗
fern Zeiten iſt das goldene Jahrhundert Saturns
zurädgefehtt, wo alles von felbft erwächft, wo, wie
damals die Ernte, anjeht der Deutterwis ohne '
Pflanzen und Saͤen ans ber Erde bricht, und in ſehr
angenehme, wohlgefällige Bluͤthen hervorſchießt.
Milch und Honig tinnen In Strömen, d. i. Genies
und fchöne Geiſter fprofien wie eine Saat bunter
Mohnblumen, auch wo fie eben nicht wachfen ſoll⸗
ten, empor; fo lang fie blühen, gewähren fie dem
Auge einen gar luftisen Anblid, nachher wenn der
Zahte Mohnkopf da fteht, klappert's inwenbig etwas,
und. fein Inhalt gewähret andern einen fanften
Schlaf. Was ſchadet's, daß der Knabe nichts lernt,
daß Hauszuht der Eltern fo felten fih mir ber
Schulzucht verbindet; ei! ei! der Knabe hat einen
guten Kopf, und wird zu feiner Zeit alles aus ſich
feibft lernen. Er hat auch fchon vieles gelernt unb
. gelefen, Romane nämlich, zephorleichte und in
füßer Ohnmacht des Seiftes hervorgeliſpelte Lieber:
vielleicht macht er gar felbit dergleihen, und wenn
er num noch eine nene Mobefprache binzufügt, wenn -
er tanzen und dramatifiren, gar auch agiren lernt
— Himmel, bilf, was fehlt dem Knaben? Ver⸗
fiehe er mm fein Wort eines alten Autors, wille er
nicht, wer eher gelebt habe, ob Daniel ober Johan⸗
mes der Täufer, Karl V. ober Alexander ber Gtoße,
— that alles nichts! Er bat fi, wie jener Tagte,
auf die galantiora gelegt, und wird fich wei-
ter darauf legen. Er wird In Jena dem elegante:
ften Haarbeutel tragen, und anf ein Haar willen,
in weicher Tiefe er auf dem Nüden fhweben muß,
1)
um.chn fanfthenahfliehendes-Gem.zu zeigen he
„sBecniein werben. ihm zu vechter * entllghen „ pie
Khan: von: Roſen und werden auch freilich wie Thau
„auf Roſen verfrodnen,. ober mer und Ungeazle⸗
fen hegden, das gemeiniglik von fo Tüßer Speiſe
dab! — Das alles gehärtigur leichten ſchoͤnen Stu⸗
O wie anders war's da, wenige Jahrhunderte
ruͤckwaͤrts. Theedor Agrippa d'Aubigne, -Mitter
nad Stallmeiſter Koͤnig Heinrich IV. ein Mann,
»der gar nicht eigentlich zu den Wiſſenſchaſten erzogen
ward, und ſeinem Stande nach micht ſchreibon uud
ſudiren, ſondern fechten und reiten ſollte, Rerzaͤhlt
von ſich in ſelnen ſeht offen und nicht. zum Druck ge⸗
ſchriebenen Memoires . an feine Kinder; ‚Saum
hatte ich das vierte Jahr meines Nitere zuuͤckge⸗
legt, fo gab mir mein Vater: einen: ——
: Zen Eottin, einen liebloſen, trotzigen Mann, der
mich aber im Frauzoͤſiſchen, Lateiniſchen, Griechi⸗
ſchen und Hebraͤiſchon zugleich und ſo gut unterrich⸗
tete, daß ich In meinem fechsten Jahre dieſe vier
„Sprachen glemlich gut. leſen konnte. Darich ſſeben
amd ein halb Jahr alt war, überfebte ich ben Crito
des Pinto, weil mir mein Water verſprach, biefe
Fred drucken zu laſſen, mit meinem jugend⸗
lichen Bildniß vor dem Buche. Als Ich. breisahn
Ju⸗ alt war, ſchickte mich mein Vornundnach
Senf. Damals Ins ich die Nabbiuen. geläufig ohne
Yantte, ich las fie, ſo wie auch das: Grlechiſche nab
: Rateinkjche: in framoſiſcher Meherfegung vorn obue
ben ‚est vorher :worgulefens: and doch murde ich zu
Mens wieder in's :Gallegiamı gethan, wel ih einise
®
Deere des Paharus am/ vat erfiätschente: ug 5
erzähle dꝛAud ig ney und daß dergleichen :Exempal'
von: fruͤhem Fleiß: unb außerordentlichen Fortkommen
in: der Phlloͤlogle damals im ſechszehnten und fie:
benzehnten Jahrhundert nichts anßerordentliches,
nicht s wunderbares geweſen, weiß jeder, der die
Geſthichte dieſer Zeit, Ihres: großen Fleißes in Spra⸗
ae des Mufs dieſer Studien noch auf Akabemien,
des Verths und der Hochachtung, In ber damals
‚bie Scuſen und: Schuiſtudien fanden, eu enbiih die
Berker zum Weil die frühen Werke eimer Reihe
Gelehrten kennet, die, wenn file in unſerer Seit
lebten, anch kaum ſeyn würden, was ſie damals
waren and wurden. Vielleicht auch hingeriſſen von
fruͤher⸗ Ueppigkeit, Wolluſt, Sy, uͤbler Gefell⸗
ſchaft, ‚oder von Modeſtudien, Mobeergesikhfelten:
. wir Mobdemethoden/ wären: fie auch geworben, was
ſo mamheigute Röpfe-jent: find‘, die fruͤhe Kläßten
und Bald verdorrten, Quellen geworben ‚die nicht
«mehr ſtroͤmen konnten, weil ihr Waſſer In herrlichen
Kaskaden aufgefangen wird, in die Luft ſteigt, und
in fein eigenes Becken traurig zurüdfällt. |
O Juͤnglinge, daß keiner von Euch In biefer Zahl
wäre! O daß Euch früh die Göttinn der Weisheit
erfhiene, und Euch Ihren rauhen Pfad mit dem
herrlichen Schloß der Ehre an dem Ende des Weges
zeigte, und ihr fie Lich gewönnet vor aller füßduften-
den, leichtbekiciveren, aber zum Verderben bfüh:
renden Woluft und Thorheit. Auch bier heißt's:
gehet ein durch die enge Pforte! denn die: Pforte
zur Pranchbarkeit⸗ zur Würde, zur Unſt
iſt enge amd der Wes- tft ſchmal, auch wenige find
—
| 30 oo
e6, die ihn finden. ber die Pforte ber Wolluſt,
Veppigtelt, der Modeſtudien und leichten Methode
ift weit, und der find viele, die darauf wandeln;
aber er führt in den Abgrund. Wer im Frühling
nicht ſaͤet, kann im Herbft nicht eraten: wer in der
Ingend ſich wicht mühet und über, mit Wiſſenſchaf⸗
ten, Graben, Schwierigkeiten, Hinderniſſen
ft und über alle fieget, der wirb in den Jahren
der Ehre nicht gekrönt, und In deu Jahren der Ruhe
wird er verachtet. Auf, alfo! zeigt auch jetzt durch
eure Antworten, burch bie gute, freubige Rechen⸗
ſchaft, die ihr gebet, daß uufer Symnaflum, & yn:
nafium, db. 8. ein Vebungsplas fey, wo woEl-
begabte, edle, täctige Zünglinge in Fleiß wettel-
fern, und von Thorheit und Ueppigkeit fern ach
jegt nach Kraͤnzen des Lobes und ber Liebe ihrer
Lehrer und Borgefegten ringen. Gott fegne das
Oymnaflum und alle guten Bluͤthen beffeiben: ex
fegue auch biefe Prüfung zu feiner und unferer
Sreude. EN
IN,
Bon Schuluͤbungen.
2781.
nebung iſt die Mutter aller Vollkommenheit.
Sie muß alſo and bie Sehülfim, die trene Ge⸗
faͤhrtiun jedes Lernens fepn, oder es iſt zu beforgen,
| — 31 |
das Lernen felbft werde einem großen Theile nach
unnuͤtz. Das jugendliche Alter ift zu allerlei Hebung
des Geiftes und des Körpers gefhaffen: die Glieh-
maßen beider Theile, Leibes und Geiſtes, Aieb-
ned) zart, noch elaſtiſch und bildſam. Die Jugend
hat einen Ueberfluß von guten Willen und Muth,
ſich zw üben, in allerlei zu üben; und die allgemeine
Erxfahrung zeigt's, daß man in biefem Lebensalter
durch Tage weiter kommt, als fonft durch Jahre,
daß, mas man jest lernt, auch üben, auch treiben
lernt, man nie vergefle, ja wenn ich fo Tagen darf,
an jeber guten Uebung eine Form erhalte, in die
man zeitlebens andere fchlage, Gebanfen, Kräfte,
Uebungen, Thätigleiten immer nur nach ber Art
moble, wie man in ber Jugend wirken geſehen
und felbft gewirkt hat. Wenn dieß alles ik (und
es ift unwiberfprechlih), fo find Uebungen bei der
Jugend mit Argus - Augen zu bewachen, und mit.
Vaterblicken zu überfehben und zu lenken: Statt im.
ber fchönften Begebenheit die Seele erfchlaffen zu
laffen, wird man fie üben, täglich anf jugendliche
Weife, d. i. mumter und frei üben, man wird den
Acer nicht nur beſaͤen, fondern and) bearbeiten, daß
er gewiſſe und Schöne Frucht zeuge. —
Es ergibt fh, H. und H. V., daß ich vom.
Schuluͤbungen reden will: ein ſehr unbeſtimmter
Name. Viele deuten fih an ihm nur auswendig
gelernte Reden, oratorifhe Chrien, ſpyntaktiſche
Exercitia, oder gar logiſch⸗ metaphyſiſche Diſputa⸗
tionen, und richten darnach ihr Urtheil ein. Andere
kennen unter Jugenduͤbung nichts, als reiten, fech⸗
ten, fpringen, tanzen, Schrittſchuhlaufen, oder
n
haite,. wir. alſe ber. ganze Jnhalt meiner: Nehes
ſeyn. |
I. Die erſte and nothwendigſte Schuläbung. Aftı.
art nich, die, dapıAnfmmerkfamkbeit:in hen
AMlaſſe erhalten wird; und alle: Wifttel;. bie, dehrenda
ab. Lernende anwenden, ſich in ie zu erhalten:
. ſtud Br der wahren, der, wöthteften: ich In:
aan Weimtchten wird ein munteror Wertrag
eine Gotgenwart ſeines Geiſtes gleichfam in Mitte
feines: Klaffe auf alle und Aber alle ſeyn, die ihn
hoͤren to denn ‚Flamme ſteckt Flamme: an, Gegen⸗
wert bes: Geiſtes erwedt Gegenwart des Geiſtes.
Eine ſchlaͤfrige Klafſe hört nicht, oder hoͤrt nur Kalk:
dernt ulcht, oder: lernt nur Stͤcwerk; am wenig⸗
ſten kann man ihr Lernen Uebnag nennen, viele
moehr erſchlafft bie Seele über ſolchem Hoͤren und
Halblernen, der Junge wird in der Schule du man;
wie man fo oft ſagt. Lediglich kaun dieſer atupox
scholasticus, ber: ſich zwifchen: der Schulmaͤnden
erzengen fol, daher fommen, daß die Seelenträfte
der Juͤnglinge nicht geweckt, nicht geübt werben; wer
nigſtens, daß nicht.alle mmb zwar. fortgehend mil,
immer reger Gegenwart des Seiſtes gebt werke;
fon
35
Tondern oft bad leere, trodene Wortgedaͤchtniß ber
hinkende Bote ſeyn muß, der die Stelle aller leben⸗
"digen, wirffamen Seelenträfte, der Einbitdungg-
Traft, des Urtheild, der Neigungen und eigener
Beftrebfamteit vertreten fol. Ein armer Stelver:
treter! Was fo laͤſſig, kalt, untheilnehmend ge⸗
hört wird, wird im Grabe bes Gedächtniffes begra⸗
ben, und fteht felten wieder auf; da im Gegentheil,
ſoͤbald der Lehrer das Gluͤck bat, feine Klaffe in rege
Yufmerkfamfeit, ja In einen Wettſtreit von Aufs
merffamfeit, von eigenen, fi übenden Geelen-
kraͤften feiner Schüler zu feßen, und darin zu ers
Halten, alles fidy gleich von felbft macht und fördert.
Er fragt, er fragt hie und da, natuͤruch am meiſten
wo am meiften zu fragen noch iſt, unvermutbet,
wo eine unvermuthete Frage und Antwort für den
Antwortenden und für die ganze Klaffe gut thut;
aus eigener Erfahrung bin id überzeugt, manches
Shläfrige kann auf dieſe Weife gewedt werden,
auch dem Gedankeniofeffen gibt oder veranlaflet mar
‚ auf folde Wefe Gedanken. Das Gleichniß bes
Plato, dag fih Seelen einander anfeuern, ziehen
und begeiftern, wie der Magnet dag Eiſen an fid
ziehr, kit wahr, und follte Infonderheit in Schulen,
In dieſer beillaen Berfammlung, junger, munterer,
leicht entzuͤndbarer Gemüther nie bezweifelt wer⸗
den — nur freilich muͤſſen In die ſem ‚certämine
ingeniorum Juͤnglinge ihren Lehrer nicht allein
arbeiten laſſen; fie muͤſſen arbeiten, fie möffen
werteifern, und ihre Geeleuträfte üben Wie
dieß? Zuerſt nicht anders als durch Aufmerkſamkeit,
aber durch jene gelenkige, rege, vieigeftaltige Auf⸗
Gerders Werte. Phiioſ. u. Geſch. X, 3
r
54
merkfamtelt, die fih jedem Wort, ieder nenen
Lektion mb Materie, neu und ihr eigen aufchliggt
amd nicht ablaͤßt, bis fie fe ganz, ſcoͤn, mnnter,
genau barftellen kann, ſobald der Lehrer fraget.
Ia, wenn er auch nicht fragte, das Bild ber Aur-
wort, die Ider ift in der Seele ba: dieſe Hat ſich
an Ihr unpermerkt, und Ton waͤhrend dem ‚Hören,
amd reinen Erfaffen geübt und felbft gebildet. O
wenn Juͤnglinge wäßten, wie ſchoͤn, wie reizend es
fey, wenn fie fich in dieſer liebenswuͤrdigen Geſtalt
zeigen! wenn auf eine Frage, ja nur auf den lelch⸗
ten Wink einer Frage, die Antwort, leicht, jugend⸗
lich, tar, wohlgebildet in Gedanken und Worten,
als ein ſchoͤner Abdruck ihrer Seele ohne Mühe her⸗
vorteitt, und wie eine befcheldene Minerva daſteht!
wuͤßten fie, was für ein gutes‘ Vorurtheil man
hieraus für ihre Seele, für Ihre Neigung amd
Brauchbarkeit, für ihr Herz und fhre Hnffanngen
faßt, mie würden fie wettelfern, wie würden fe
ſich in der Stille beſtreben, zwanglos, ſchoͤn, rein
und klar zu antworten, mit einer ſchͤnen Stimme
auch eine ſchoͤne Seele toͤnen zu laſſen und auch
heut ein frohes, ein des Ruhms gewiſſes und den⸗
noch ſtilles, beſcheldenes Angefiht zu zeigen! Das
Nachſchreiben ans dem Munde bes Lehrers _
traͤgt zu biefer Gebanfenäbung, zu diefer Bildung
fhöner und fertiger Antworten viel bei. Man Ternt
dabei, was man fchreiben und nicht fchreiben dürfe,
lernt, einen fließenden Vortrag auf feine Haupt:
ſaͤtze zuruͤckbringen, und in bie kuͤrzeſte, ſchoͤnſte
Bemerkung bilden. Man lernt ſchreibend am beſten,
.. 206 Die Abficht des Lehrers bei biefem, jenem Vor⸗
_
—— — — 2 re ee ne se ee en FE _)
85
twage ‚ey? ob er habe erläntern, ober: erweitern?
‚ du’ verbeſſern dder · ausbtlden · wollen? Durch's Wach:
ſchreiben: des Erwaͤhlteſſen, des Beſten, was nad
der Lehrer ſagt, bekommt man Lehrer und Arbeit
gewiß lieber; ja ſetbſt das Bad) lieber, über: wel⸗
ches man gehört hat. Mun-tiebt das tebte, mit
den jugendlichen Schultmnkrerkingen, die man dazu
an beften, beſonders, nachfchrieb, nöd bis in fein
Atter. Der große Leibnitz führte noch in felgen
nrännlihen - Jahren feine erfien Kombendien der
Biffentnaften mh auf Meifen bei: fh, er, der
Doch manche derſeiben fo anfehnitd; verandert und
vermehrt beste, ja er ſtarb von einigen Buͤchern
folcher-Art angeben. - Wie angenehm wird’ ed fen,
wenn am lebten. Dage des Eramens auch tinfdc
Nachſchriften dieſer Outtang, mit Fleiß and Urtheil
erzeichnet, Infonderbeit von Schuͤlern der erſten
Klaſſe und dimittendis werden vorgelegt werden
koͤnnen. Ich bin Überzeugt, viele. Anmerkungen
der Zebrer waren deſſen ſehr werth.
11. Ein großer Theil der Schulatbeiten betrift
Sprachen and klaſſiſche Autoren; eine der ſchoͤnſten
Schuluͤbengen wird hiebei offönbar ‚ mitm
ueberfetzung derfelben, aber Ueberſetzung, die
mit den Schriftſtellern in der Urſprache wetteiſert,
die ihrem Geiſt, ihre Form von Gedanken und
Schreibart fo edel, fo rein und ſchoͤn auszudruͤtken
ſtrebt, als es die Mutterſprache nur erlaubet.
Nach dem Urtheil aller Verſtaͤndigen ſtehen dieſe
Uebungen ſehr hoch and find ſehr nuͤtzlich; fie find
aber. auch: fehr ſchwer Jür jeden, der's verfucht hat,
wenn ihm der. Himmel: nur einiges Gefuͤhl der Boll:
u.
86
kommenheit einprägte. Ueber das Erſte mag der
größte Held und Regent unferer Seiten, der Könfg -
von Preußen, Zeuge fepn, dem wohl niemand in
Europa einen Haren, weitfehenden Blick abfprechen
wird: gute leberfeßungen aus den Alten hält er
für das erfte Hälfsmittel zu Blidung einer Nation
und Sprache. Wie näglih fie Zünglingen fen
können, iſt kaum zu fagen. Sie lernen hohe, wahre,
edle Gedanken in den fchönften, wohlklingendſten
Worten: fie lernen beides in eine fremde, von der
griechiſchen und römifchen fo verfchledenen Sprade
übertragen: fie lernen wahre Natur und Stärfe des
Ausdruds, wahre Form und periodum der Rebe.
Dem wilden Maulefel werden, wie Huart fagt,
Seile angelegt, bag .er im Gleiſe geben lerne und
nicht ausfchlage; oder edler zu fagen, bie große
Form von Gedanken und Sprahe der Sriehen und
Römer geht, wenn der dentſche Süngling derfelben
nur einigermaßen empfängig ift, durch dieſe Uebun-
gen unvermerft in ihn über. Nur muͤſſen diefe
Vebungen liberal feyn, d. 1. mit allem Fleiß und
Trieb der Seele, mit Luft und Liebe, mit vorberge-
henden Kenntniffen beider Sprachen und Völker und
mit nachfolgenden tüchtigen Verbeſſerungen geſche⸗
ben, damit fie nicht bloß, wie leider ber Vorwurf
oft gemacht wird, gezwungenes Erercitien- Schul:
und Knabenwerk bleiben. And o wie ladet hiezu
die Materie ein, die überfeht und in unferer Spra⸗
che nachgebildet werben fol! Die fhönen Sachen,
bie fhöne Seftalt, die großen Seifter, die fie auf:
ſchreiben und ‚geben, ihre Nachruhm, ihr ewiggeprie-
fener Name, wie freundlich und edel laden ſie jeben
87
ein, beffen Seele aus befferm Stoff gebilbet iſt,
und derihre Schönheit zu verftehen, nur einigerma= '
ben nachzubilden werth iſt; gluͤckliche Ingendzeiten,
die daran gewandt werden! gluͤcklicher Juͤngling!
der ſeine Jugendzeit auf ſolche Uebungen anwandte!
Im vergangenen Jahre find z. E. Ciceronis ofſieia,
einige ſeiner beſten Reden, ein ſchoͤnes Stuͤck aus
Ariſtoteles Rhetorik, Lucians Lob des Demoſthenes,
Theile aus den beſten unſterblichen Dichtern der
Welt, Horaz und Virgil gemacht worden: welch ein
uͤberraſchender ſchoͤner Anblick, welch untruͤgliches
ehrenwerthes Zeugniß des Fleißes und der Uebung
waͤre es, wenn am letzten Tage des Examens einige
ſchoͤne, richtig reingeſchriebene, und mit Luſt aus⸗
gearbeitete Ueberſetzungen dieſer Stuͤcke dargelegt
wuͤrden! Viele dieſer Stuͤcke ſind im Deutſchen noch
gar nicht, andere nicht gut uͤberſetzt: der Juͤngling,
der ſich daran gemacht; der ſich darin auch mit ſtil⸗
lem Privatfleiße bemüht hatte, fühlte, daß er eine
fhöne Vorarbeit gethan, und wenn Fein-Xob Ihn be-
lohnte, fühlte er dag befte Lob, den Nuken, den er
während bee Arbeit daraus gefhöpft hat, In feiner
Bruſt. Noch in männlichen Fahren würde er dieſe
Sugendübungen lieb haben und mit Freuden aufzei⸗
- gen: bad erfte Exemplar diefer Autoren noch mit
Tropfen feines jugendlichen, willigen Schulfchweißes
bedeckt, würde ihm fo lieb feyn, ald dem großen
Alexander das Cremplar felned Homers, woraus ‘er
unter Ariftoteles gelernt hatte. Und wie? wenn
ein fleipiger Lehrling feinen Lehrer und ung mit Ue⸗
berfeßungen und Webungen überrafehte, die er für
fih gemacht, bie ihm. nicht aufgegeben worden, dazu
n 38.
ihn Luſt und Liebe allein drang. Diefe:wärben Ihm.
und vielleicht; uns allen die lehſten ſeyn: man wuͤrde
an ihnen wahrnehmen, wohin ſein Geiſt, fein Herz,
felge Urt, ſein eigener Cifer Areber ſchoͤne Bluͤthen
zukuͤnftiger Fruͤchte, um fo ſchoͤner, weil ſie uner⸗
wartet wären, welt fie, wie im. goldnen Alter der
Welt, der reiche Schoos der willigen Erde: won felbfk
und mit aller Mutterfreude hervorgebracht hätte, —
Traurig wäre. jede Schule, wo alles bie Liegt !. wo.
nichts von felbft, nichts durch edle Nachetferung,
nichts durch eigene Luſt und. Mühe hervorkaͤme; mo
der. reichſte Boden fo.viel.träge, als der aͤrmſte. —
Diefe Tage. werben’s zeigen, was von ſo nothwen⸗
digen und: nüßlichen Hebungen auch diefe Schule,
dieſes Bomnaſium, ein Drt, der Uebung ‚beißt,
zum. Lobe und. zur Freude unfer aller hervorgebracht.
babe. . "
III. I. kann's mir kaum deuten, daß nicht aus
diefen Schulübungen, der täglich wachfamen Auf-
merkſamkeit, auf. ben Unterzicht des Lehrers und
das fleißige Treiben ber Alten nimt noch mehrere
und eben fo freiwillig folgen folten. Dichter z. E.
erzeugen neue Dichter, Redner. neue Redner, Phi⸗
Iofophen uene Phllofophen, wenn .bazu die Gaben:
in.der Natur des Tünglings legen. Nur Liegen fie
bei einem tiefer verſteckt als bei'm.anbern und muͤſs
fen alfo ſorgſamer hervorge ſucht werden. Die Babe
der Dichtkunſt meidet ſich am raſcheſten an; und ich
kann mir's kaum gedenken, daß nicht ein Juͤngling,
von einem Lobgeſange, einer Ode, einer ſchoͤnen Be⸗
ſchreibung, Handlung, oder wovon es ſey ergriffen,
ſich ſelbſt, wenn es auch zitternd und ſehr geheim
39
wäre, an etwas aͤhnliches der Art wagen follfe.
Die Erfahrung aller. ausgezeichneten Menfchen im
Zeiten und Ländern zeuget bier für mich! ſchon frühe
verfuchten fie, was fie nachher ald Werk trieben,
und immer war biefer erfte Verſuch, der freiwillige ,
Wink ihrer Muſe, ihnen ein Führer und Megwelfer
anf Lebenszeiten. Schon in der Fürftenfchule über-
fegte Schlegel feine Iphigenfs- auf Tauris, und
arbeitete an feinen erſten theatralifhen Werfen;
ſchon In eben der Schulpforte mahte Klopftod
den Ehtwurf zu feinem großen Meſſias. Der Exem⸗
pel mögen zwei ſeyn flatt taufend und zehntaufend,
deren geringften Theil man Fennet, und deren größ-
ter Theil immer ungefchäht bleibt. Sehr ausge:
zeichnete Menfchen bilden fih ohne Lehrer; es if
aber übel, wenn infonderheit zu unferer Zeit fich al-
les ohne Lehrer bilden und oft nur durch feine Un⸗
foͤrmlichkeit ausgezeichnet feyn wid. In unferer
Zeit wird viel gelefen, und Ich weiß, daß auch in
diefein Gymnaſium viel und vielleicht dag meifte ge:
leſen wird, außer. der Schule. Ob ſchlimm oder
gut gelefen wird? ob Schlimmes oder Gutes? dag
iſt die Frage; und: wie kann man,dieß wiſſen, wenn
nichts bavnn zum Vorfchein kommt, wenn der Lehr-
ling nicht das Herz hat, feinem Lehrer, was er auch
außer den Stunden liest, woran er Geſchmack findet,
was er vielleicht nachahmt und ih zum Muſter vor⸗
ſtelt, herzlich heraus zu ſagen. Wie angenehm
wäre es der fuͤrſtlichen Schuldeputation, wenn wir
avi. lebten Tage bed Eraminid unerwartet Fleine
Aufſaͤtze auf dem Tiſche finden: „das habe ih für
mich dieß Jahr über gelefen ; jenes oder dieß getrie⸗
/
40
ben; dieß nachgeahmt u. f.“ — oder falls einige
jurge, zarte und ſcheue Gemuͤther auch das Licht ei⸗
ner Deputation ſcheueten, nur zu mir, dem Auffe--
ber des Gymnaſii dad Zutrauen faßten, mir,
neben dem exploratorio, einen folhen Auffaß be=
ſonders anzuvertrauen, mit der redlihen Anzeige,
wage man dabei gewonnen zu haben glaube. Ein
folher freiwilliger Auffaß wäre dag befte explora-
torıum von ber Welt: nichts follte Daraus verun:
treuet und viel Gutes würde vielleiht durch wenige
SZurechtweifung bei ſolchem Nertrauen und guter
Meinung gefhafft werden: denn ih bin überzeugt,
in unferer Zeit kann nichts fo fehr bilden oder ver=
derben als gut oder ſchlecht gewählte Lectüre, und
ighr oft wird diefe fhlecht gewählt, weil man keine
beffere hatte oder wußte. Die Lectuͤre beftimmt am
-melften den Weg eigener Gedanken, eigener Sin-
nes- und Screibart, an den Infonderheit fa frü-
bern Jahren ungemein viel liegt... Ein Bud hat oft
auf eine ganze Lebenszeit einen Menſchen gebildet
oder verdorben.
Die Alten liebten die Kollektaneen, ent—
weder vollſtaͤndige Auszuͤge aus Buͤchern oder Aus—
wahl einzelner Gedanken und Nachrichten. Sie
koͤnnen zu manchetlel Zwecken, auf mancarlel Art,
“ angeftelle werden; angeflelli aber werden muͤſſen
fie, ganz vernachläfftgt werben koͤnnen fie in jünger
Jahren Faum ohne Schaden. Wie ſchoͤn ifi’d, weni
man fid aus einem guten Buch vielleicht nur wenige,
aber gute Sachen und Gedanken, die ung vorzügtidz
gefielen, aufſchreibt, fie unter. Klaffen bringt, fie
bet Gelegenheit zu finden weiß, und fodann In ihnen
r
41
oft die Geſchichte unſerer eigenen Gedanken und
derſelben Entwickelung findet! Ein gutes wohlgeord⸗
netes Buch wird und in einem Auszuge daraus noch.
Ikeber: und wenn ber Auszug verloren würde und.
wir ihn lebenslang nit wiederfähen, fo iſt ein Nu⸗
Ben davon unverloren, nämlich dag wird durch den:
Auszug vielmehr Fennen gelernt und gleichfam in
unfer Mark und Saft verwandelt haben. Ich weiß
wohl, daß man zu unfern Zeiten auch in den Wif:
ſenſchaften überall Quaͤcker ſeyn will: der Geiſt fol
ung ergreifen, die Salbung fol ung alles lehren
und auch bei der Lectüre heißt's, müfe man nur.
dem Gelft eines Autors nahhafhen und fih um.
feine Worte, um feine Sachen, um bie Ordnung.
derfelben u. f. nicht mühfam befümmern. Ich
fürte, man geht dabei Irre: ber Geiſt eines Au
tors oder eines Buchs laͤßt ſich nicht, wie ein Schmet⸗
terling oder wie Spiritus in eine Boutellle, zumal:
in eine windige Hirnboutellle fpünden. Der Buch—
ftad feflelt ihn an; Auszug, Schreiben, treue oder:
freie Nachahmung macht ihn ung eigen. Plutarch
und Erasmus (ich nenne nur zwei Schriftfteller.
von unfäglich vieken) gewiß zwei große Männer, bie -
felbft dachten und fehr weit auf Welt und Nachwelt
wirkten — ben Schriften beider merkt man die Kol--
leftaneen fehr an. Plutarchs moralifhe und philo⸗
ſophiſche Schriften find faft nichts ald themata, die
noch jest in Schulen gebraucht werden könnten zu
eigenen Elaborationen: fie find Gemein-Titel, un—
ter die ex eine Menge fchöner Gedanken und Bel:
fplele, die er hie und da gelefen hatte, zufammen-
ſtellte, ſo daß die Bindung oft fehr Teicht fheint,.
u
42
@rasınus meiſte, infonderheit frühere Schtiften,.
find Heberfeßungen oder Kollektanern von Apoph⸗
thegmen, von Mäthfeln, von Gleichniſſen aus Plu⸗
tarch, ja fogar von Wendimgeg und. Ausbrüden ber
Sprache: ein Buch, das er ausdruͤclich⸗/fuͤr Schu⸗
len ſchrieb. Den ſchoͤnen Ton, der in feinen Ge⸗
fprädhen, feinen encomio moriae und uͤberall in
feinen Schriften herrfihet, hat er aus feinem fleißig
. überfeßten Luckan, wie er ſelbſt befennet. Kurz,
was wollten wir ung über bie größten Geiſter hin⸗
ausfeden und nicht In Nahahmung, Sammlung,
Aufſaͤtzen mancherlet Art üben? Hier hört, bier
Itefet man 3. E. Geſchichte: ein ſchoͤnes Factum,
einen merkwürdigen Charakter; fagt ung nicht Gerz
und Seele, daß wir, wenn. wir lefen, das Buch zu⸗
thun oder wenn wir gehört haben, dad: Factum, ben
Charakter, die Geſchichte nach unferer Art fammeln
und zu einem Ganzen bilden follen? Hier Hat
Plutarch, Cicero, Theophfaft, la Bruve—⸗
- ze, und wie fie weiter heißen, ein ſolches Thema,
folhen Charakter, diefe Geſchichte, jenes Gleichniß
fo ausgeführt; Ich will den Schriftfteler vergeſſen,
die Sache nad, meiner Art ausführen und fodann
vergleihen. Sept will ich's verfuchen, in einem
Briefe, jebt In einer Abhandlung, in einem Ge
ſpraͤch, jetzt in Verſen; nicht ein und diefelbe Sache;
denn das gäbe ein ſchlechtes Machwerk, und jede
Sache kann nur auf Eine Art am beften vorgetragen
werden: aber es gibt ja vielerlei Sachen, wie es
verfchlebene Arten des Vortrages gibt, und ber
Lehrer wird, nachdem er feine Meinung gefagt und
Materie hergegeben hat, billig einem jeden bie Frel⸗
43
heit aafen/ wie- ers aufv befte efmputteiten ‚schen.
ket. Sefest, der Lehrling brachte auch fremde
Gedanken; er braucht ſie doch, wird mit ihnen alfo
bekannt, macht ſie ſich auf gewiſſe Art zu eigen, und
endlich der gute, ber wachſende, der ſelbſtdenkende
Lehrling wird Immer wentger - fremde Gedanken
zu brauchen ſuchen, wird fie wenigſtens neu einklei⸗
den und alſo auch bei jedem Diebſtahl etwas lernen.
Kurz, Laſt und Liob' zum Ding macht: and hier
Maͤh und Arbeit gering; ohne Luſt und Liebe aber
iſt allos, was ich geſagt habe, vergebens. Cine:
Schule guter Art tft eine-Gefellfhaft Bienen, bie
anffitegen und Honig fammeln, eine Schule laͤſſtger
Art waͤre eine Geſellſchaft der laſtbaren Thiere, die
hingehen, wohin ſie getrieben werben, und auch von
dem, was man Ihnen anflegt, zeitlebens’ nichts er-
benten. Ich ſchaͤtze zu ſehr bie Lehr= und Ehrbe⸗
gierbe vieler Schuͤler auch dieſer Schule, als daß
nicht auch dieſes Examen durch Vorzeigung eigener
speeiminum..dauoht gute Proben zeigen werde.
IV. Sept ſollte ich noch von der letzten Uebung
des: Gpmnaſii, dem Verſuch im Disputiren
reden. Ich welß, was man dagegen ſagt, und es
ift ohne Zweifel in aͤltern Zeiten übertrieben wor⸗
den, da man zu vlel disputirt hat, und-Aber lauter
Spllogismen in harhara und celarent die Sache
ſelbſt vorgaß; einige mäßige Uebung darin aber,
duͤnkt mich, ſollte wenigſtens zum Sprechen: im La⸗
tein, und zum Wetteilfer helfen, ſich einander im
Schnelligkeit der Gedanken und Scharfſinn des Aus⸗
drucks zu übertreffen. Wenigſtens fange hierin der
Privatfleiß einiger Juͤrglinge an. Statt, def '
48
man fih zum Tabakrauchen unb zum Kartenſpiel
verfammelt, komme man zufammen, gemeinfchaft-
lih zu lefen, einander eigene Auffäße vorzulefen,
fih darüber Anmerkungen zu machen, m. dgl. Das
Disputiren wird eo ipso damit werden. — Man
fage nicht, dieß gehöre. auf. Akademien: denn Ala-
demien find Schulen, nur höhere Schulen, und eine
wohl eingerichtete Schule, zumal ein Gymnaſium, iſt
eine niedrigere Akademie. Dort hört man; bier
Hört man: dert und bier fol man lernen, dort und-
bier kann man durch Uebung allein lernen: nir-
gend fällt-ber Meifter vom Himmel. Ja es iſt
ſehr bewiefen, daß wer auf Schulen nicht gelernt
hat, auf Akademien nicht einmal recht lernen könne;
wer fi) dort nicht geuͤbt, koͤnne ſich bier nicht üben,
weil dazu weit weniger Anftalt vorhanden, und auf’
Akademien alles in's Allgemeine geht. Auf Schu-
len iſt viel mehr Privatunterricht, Privatfleiß, Pri⸗
vatbildung, ja billig fol alles auf Ihnen ein foldhes
feyn; wer von Ihnen ungeäbt, unerfahren, unge-
lehrt kommt, kann duch alle Collegia laufen, und
sehn Hefte der fogenannten böhern Wilfenichaf-
ten nachfchmieren, ohne daß dadurch feine Seele
in den verfäumten Grund- und Schulwiſſenſchaften
"gebildet würde; fein Specimen, wenn er von ber
Alademie kommt, feine erften Predigten u. dal. zei⸗
‚gen noch. ganz feine nadte, barbende Seele. Auf
alfo ihr Juͤnglinge, lernt! braucht die gute Gele⸗
genhelt auch dieſes Gymnaſii, uͤbet euch, weil
ihr euch noch uͤben koͤnnet, ehe die ſchoͤnen Jugend⸗
—* ah find, und ihr ipren Verfuft zu fpät be=
auert — —
—
45
— | IV.
Vom Begriff der ſchoͤnen MWiffenfchaften ine
fonderheit für die Jugend. 1782. -
Die Jugend iſt dad ſchoͤne Alter des menſchli⸗
hen Lebens: fie liehet und übt alſo auch nichts fo
gern, als was ihr Thon duͤnkt. Schöne Wiſſenſchaf⸗
ten, fchöne Künfte find die fügen Lockſpeiſen, die fie -
anziehn, bie Früchte hefperiäifcher Särten, die fie
bezaubern. Das Nüslichfte darf nur fchwer ſeyn,
oder eine ernfte traurige Geſtalt' haben, fo flieht
ſie's, wie das Geſpraͤch trodner Greiſe; das Nur:
Iofefte darf nur durch feine leichte gefällige Miene
einladen, fo wird ed gefucht, geliebt, geachtet.
. Wie nun? tft diefer Trieb der Natur, diefer
Hang und Zug zu allem, was wohlgefällig und ſchoͤn
iſt, zu verachten? DBeging bie Natur eine Sünde,
da fie und diefe Neigung in das Herz gab, und in⸗
fonderheit die Jahre des erſten Aufwachens in's.
menſchliche Leben damit fhmüdte? Beging fie eine
Sünde, ba fie fo viele Sejtalten um ung mit An⸗
muth betleidete, und. die erften Jahre des Lebens
auch zum Frühlinge menfhliher Empfindungen
machte? Iſt's verboten, das Schönfte ftatt des
Haͤßlichen zu wählen? iſt's auch In den Wiſſenſchaf⸗
ten verboten? In ihnen, die die Zierde der menſch⸗
lichen Natur find, warum follte man in Ihnen nicht
auch die Zierde der Zlerde ‚ den Reiz des Reizes
ſuchen?
46 |
- Die Natur, 9. V., irrte nie; noch weniger
wollte fie duch das, was fie freundliches an ung
that, durch das, was fie Holbfeliges auf den Weg -
unſeres Lobensi:legte, eine Verfuͤhrerinn werdet.
As eine weife und guͤtige Mutter-handelte fie, daß
fie das Wahre und Sute in ihren Werken auch mit
‚Schönheit umgab, daß fie Infonderheit bie erften
Jahre des: menſchlichen Lebens: zu einem Garten ge:
faͤllger Empfindungen machte. Schon bie Pen:
heit, wemit ans hie erften Eegenſtaͤnde unferd
Wiſſens, EQeennens, Handelns, Strebens anzichen,
geht: die Leichtaͤgkeit, mit der In die fen Jah⸗
von unfer Blut ſtleßt, unſer Herz ſchlaͤgt, unfore
Seele denkt und verlauget, ſoll uns auch aufdie
beſchwerlichere Hoͤſe des menſchlichen Lebens ſauft
hinaniocken, und mir Liebreiz an: die Baude des Le⸗
bens fſeſſeln. Wir ſollen mit Luft, oft gkeichfam
unwiſſend unb Tpdelend Termen, was wir einſt auch
in ernſtern ZJahren, in beſchwerlicheren Verhaͤltniſ⸗
fen zu üben haben: ein einladender Fruͤhling fall
und zum Sommer, zum Herbſt, zum Winter unſe⸗
. rer Tage leiben. Nicht nur, was wahrhaft
if, :fagt der. Apoſtel, was ehtbar, was ge⸗
veht und sittfam, ſondern auch was
kteblin if, was wohhlautet, If etws
einer&ugend, tft etwa ein Lob, dem bem
- Ket nach. Die ſchoͤnen Wiſſenſchaften gehoͤres
alſo in s ſthoͤne Alter des menſchlichen Lebens: dazu
hat der Schöpfer fie, dazu bat er die Jugend ver⸗
ordnet, und beide nit gegenfettiger Liebe aneinan⸗
ber gefnäpfet,
Nun, was find ſchoͤne Wiffenfhaften?
47
Wie muß man fie ‚lieben und treiben,
daß man, was ſchoͤn iſt, auch ſchoͤn treiber?
— ‚Beide. Fragen duͤnken mich Ihrer Nuͤtzlichkeit, ia,
nach der Geſtalt unfers _Zeitalters, ſelbſt ihrer
Nothwendigkeit wegen die befte Einleftung zu einem
Öffentlichen Verhör zu feyn, das, ‚wie wir wuͤnſchen
und hoffen, auch ein edler Wettſtreit ſchoͤner Wiſſen⸗
ſchaften und ihrer Liebhaber ſeyn wird.
1. Gemeiniglich wird das Wort fchön mit
Leicht verwechſelt, denn bie leichte, ort Leichtfinnige
. Augend, flieht nichts fo fehr als Mühe und Arbeit.
Was fih auf den erſten Anblit empfiehlt, was mit
dem erſten Anblick zu fallen iſt, wird gewählt; was
‚ Nachdenken, Eifer, Uchung erfordert, menn ed au
das Nuͤtzlichſte wäre, laͤßt man als, abſchreckend und
haͤßlich llegen. In der lieben Mutterfprache. liest
man noch allenfalls, zumal, wenn das, was man
liest, auch leicht .gefchrieben, und. und wie Zuder-
. breit in. den Mund gethan wird. Etwa das Fran-
z0flfche verbindet man noch mit bem Deutichen,
theils weil die. erften Gründe biefer Sprache leicht
zu fallen find, theils weil man. in ihre fo manches
angenehme Lockbrod bat. Da. gibt ed Marzipan
fchöner Romane, ſchoͤner Gedichte. und Geſchichten:
Komödien und ſchoͤne Spielwerke manderlei Art:
der Schnitt ber Sprache Ift galant, die Manier ih:
zer Reize leicht und für's Auge: hoͤchſtens alfo lernt
man auch fie. Die wahren Quellen, die ewigen
Dentmale der. Wilfenichaft des Schönen, Griechen
und Roͤmer, werden vom Süuglinge oft nicht dafür
erkannt, weil die Bekanntfchaft mit Ihnen Mühe
koſtet, weil der Eingang In dieſe Heiligthuͤmer Durch
- /[y
48
den Vorhof einer zu eriernenden Sprache gehet.
Man frage manden, ob auch Virgil, Horaz, Stcere,
Homer, Theofrit u. f. zu den ſchoͤnen Wiſſenſchaf⸗
tengehören? In einer leicht zu lefenden Ueberſetzung
oder in Ramlers Batteur wird er fagen: Ja! Im
Griechiſchen und Latein find’s Elaffifche Autoren, und
bei vielen ftehen Floffifche Autoren und fchöne Wiſ⸗
fenfchaften weit auseinander. Gerade alſo bie
Form, die fo viel zu ihrer Schönheit beiträgt, iſt
Das, was fchlaffen Lehriingen fie zu bäßlichen, d. i.
zu muͤhſamen Schriftftellern macht, Ihre beneidens⸗
werthe Sprache. Das Aeffchen moͤchte gern ben.
ſuͤßen Nußkern haben, aber die Schale will es nicht
rnacken: es zerbiſſe ſich ſonſt feine artigen Zähne.
Iſt die griechiſche Sprache nicht eine ſchoͤne
Sprache? verdienen's ihre ˖ Schriftſteller nicht, daß
man ſie bloß der Wiſſenſchaft, d. i. der beſten Re⸗
geln und Beiſpiele des Schoͤnen wegen lerne? das
gegenwärtige Examen wird ihre Antwort ſeyn.
Vielleicht werden wir ſo viel Liebhaber der ſchoͤnſten
unter allen ſchoͤnen Sprachen, des Griechiſchen, fin⸗
den, als ehedem Muſen waren: Neun! vielleicht
auch nicht einmal ſo viele.
D einer traͤgen und uͤppigen Zeit, wo ſchoͤn heißt,
was ung leicht iſt, wo angenehm iſt, was ung fi
den Mund fliegt. Ich ging, ſagt Salomo, vorüber
vor dem Acker des Faulen, und vor dem Metuberge
des Narren, und ſiehe, da waren eitel Neſſeln
drauf, und er fund voll Difteln, und die Mauer
‚war eingefallen. Da id das fah, nahm ich's zu
Herzen und fchauete und lernte daran. Du willt
ein wenig fchlafen und ein wenig ſchlummern und
- . ’ ein
49
‚za werig bie Sinte zuſammeathun daß du ruheſt.
Ja ſchlaf' noch ein wenig und ſchlammere ein wenig
und ſchlage bie Hände in einander: fo wird dich bie
Armuth übereilen wie ein Fußgänger, und der Man-
‚gel wie, ein gewapneter Mann! Deine fhönen Wif-
‚Tenfcbaften werben ‚bir weder Ehre noch Brod brin-
‚gen: nichts rechts haſt du gelernt, dein: Gemuͤth
daſt bu erſchlafft, deine befte Zeit, die erfte Jugenb⸗
kraft deiner Seele verloren. Durch das ewige Taͤn⸗
‚bein haſt du bich von allem Ernſt entwoͤhnt: duxch
das zu Lelchte und Geſpielte iſt dir jede Feine Mühe,
ahme.die,, doch Fein Geſchaͤft gethan, kein Ruhm,
kein Gewinn bes Lebende erlangt werden kann, ver-
drießllch, ia gar unmöglih. Dein ewiges Zuder:
re bir bie Zähne und die Eingemweide, ben
agen und den Geſchmack verborben. In kurzer
Zeit ift bir das Schöne nicht mehr ſchoͤn: es iſt bir
selbft, well du es mit Uebermaß genoſſeſt, langwel-
(ig und efel: du ſchmachteſt wie ein Kranker an ben
Duellen der Gefunbbeit, des Liebreizes der Schoͤn⸗
beit. DS böre jeder, wer zu bören efu Ohr bat!
denn was ic fage, iſt fuͤrchterliche Wahrheit, ſchoͤne
Biffenfhaften, fo getrieben, werben bie haͤßlichſten
Wiſſeuſchaften in ber Folge: fie find Sprenen, ble
ben Juͤngling locen und verführen, ihm aber zuletzt
einen nadten Fiſchſchwanz zeigen: fie find das Zan-
bergeräth jener Eirce, bie ibn felten in einen fingen-
den Schwan, beito öfter aber in eine sgadelnde
Band, In einen ftolzirenden Pfau, im eine geſchwaͤ—
tzige Krähe, oder gar in den Nachbar Kudud ver-
wandeln. Als Kudud reimt er elende Berfe, als
Kraͤhe wird er ein Recenfent, als Pfau und Gans
Becher’s Werke z. Phil. u. Geh. X. 4.
50
wird er ein hoqtrabender oder ſehr angenehm ga⸗
celnder Kanzeltedner.
Jede Kunſt, jede Wiſſenſchaft, fie werde ſchoͤn
oder haͤßlich genannt, erfordert Fleiß, Mühe, Ne
bung ;-auch Dichter und Nebner, wenn man, wie
gemeiniglich, Ihre Werke für die einzigen ſchoͤnen
Wilfenfhaften hält, wurden nie ohne Fleiß, ohne
mühe groß. Der Wiederherſteller unferer Dicht:
kunſt, Dpis, ſchrieb ſchoͤn Latein, kannte die Alten,
und machte, wo nicht beffere, fo gewiß eben fo gute
Inteinifhe als deutſche Verfe; ber neuere Wieder:
herfteller derfelben, Haller, war gewiß ein fo
großer Selehrter, Weltweifer, Arzt, Naturlehrer,
Botaniker, als Dichter. Der ditere Schlegel,
das erfte tragiſche Genie der Deutſchen, überfeste
den Sophokles ſchon auf der Schule, und findirte
feine Kunft in den Alten. In welchem Sach der
Gelehrſamkeit Hatfichnicht Leffing gezeigt? Dicht:
kunſt und Schönfchreiberet war vielleicht das Ge⸗
ringfte, das man an ihm Toben konnte. inter den
Engländern war Milton ein eben fo großer Welt:
weiſe und Staatsmann als Dichter: und wer hat
nicht Ehrfurcht für die großen Namen Groting,
Erasmus! Grotiud war Theolog, Iuriſt,
Staatsmann, Geſchichtſchreiber, Alterthums keuner
md Weltweiſer gewiß In einem fo großen Grade,
als er Dichter, auch vaterlaͤndiſcher Dichter war.
Gedermann von ung iſt der Spruch Leſſings be:
kannt:
Es freuet mid, mein Herr, daß Ihr ein Dichter ſeyd;
Doch ſeyd Ihr ſonſt nichts mehr? mein Herr, das iſt
mir feld.
AT TT
15
Gede Wilfenfchart und Kunft hat In fi etwas
‚Schönes, nur wird dieß Schöne überall nur durch
überwundene Mühe genießbar. Alle Subjelte, die
von Natur eine ftark ausgezeichnete Gabe zu Einer
derfeiben, welche ed auch fey, hatten, zeigen bieß;
fie Fannten zuleht außer derfelben beinahe Leine
fchöne Kunft und Uebung. Was für ein Studium
fcheint dem Unwiſſenden trodener ald die Mathema=
tie; und welcher große Mathematiker fand. nicht an
ihr die füßeften Reize? Galtlaͤi tröftete fih mit
feinen Entdetungen als mit der erhabenften Schön-
heitstehre In feinen Banden, und Kepler wollte
mit Einer feiner Erfindungen das Geſchenk eines
Herzogthumes, wenn's Ihm der Kaiſer fchentte,
nicht vertaufhen. Wir fehen, mit welcher Liebe
ein Nechtsgelehrter, ein Geſchaͤftsmann des Staa-
tes, ein Arzt, ein Naturlehrer, ein Geſchichtfor⸗
ſche?,. in Mechaniker, ja gar ein Diplomatiker, ein
Heraldiker in ihrer Wiſſenſchaft leben, ſobald ſie
von der Natur dazu beſtimmt waren, ſie gruͤndlich
erlernten, und ſie gluͤcklich auszuuͤben im Stande
ſind. Jede uͤberwundene Muͤhe iſt ihnen ſuͤß, jede
neue Dunkelheit und Schwierigkeit ſpornt ihren
Muth, jede gluͤckliche Entdeckung, die nie ohne
Muͤhe geſucht und gefunden wird, iſt ihr ſchoͤnſter
Lohn; wahrlich alle dieſe Leute thun etwas anders
als eitle bald. verwelkende Blumen brechen, oder
- fremden Suder nafhen, und ungefunde Suͤßigkeit
fangen. uch die Biene fucht nicht ohne Mühe Ho=.
nig; aber Hummeln find’s, die den von anderen zu⸗
fammengetragenen fremden Honig nafchen und fteh: —
len.) ”
.52
2. Nicht alſo faule, üppige Leichtigkeit macht
dab, was man In Wiſſenſchaften und Kuͤnſten
Schoaͤnheit nennt; und mas macht's denn? Die
Alten nannten die ſchoͤnen Wiſſenſchaften artes quae
ad bumanitatem pertinent, ad humanitatem
informant, alfo Willenfchaften, die ung meufd-
lich machen, die uns zum, Menihen bilden:
man. Böunte fie alfo auch vielleicht am beiten bil⸗
dende Willenfchaften nennen. Was unfere See:
lenlraͤfte bildet, iſt ſchoͤn, was und nicht dazu bilder,
verdient ben Namen der ſchoͤnen chaften
nicht, wenn es auch über und über mit Goldſchaum
.beile@t wäre. Ich weiß, man bat. dieſen Begtiff
in den neueren Zeiten fehr verloren. Man ſetzt die
ſchoͤnen Wiſſenſchaften ben ernfthaften, Höheren, |
gruͤndlichen entgegen, als ob jene, wenn fie. ihren
‚Namen verdienen follen,.fpafhaft, niedrig, ſchael,
platt, feicht, ungründlih und unmaͤnnlich ſeyn koͤnn⸗
ten. Erlauben Sie mir alſo, H. V., | einige
Minuten, das Falſche und Schaͤdliche dieſer Unter⸗
ſcheldung zu zeigen, und auch unſern Zuͤnglingen
den wahren Begriff des. Schönen, d. i. bes Bllden⸗
. den In ben Wilfenfhaften, in allen. Wiſſenſchaften
‚zu empfehlen. un
... Sch fage alſo: ſchoͤne und gruͤndliche Wiſſen⸗
ſchaften Eönnen ‚einander. nicht ‚entgegengefegt wer:
ben: denn auch das, wozu Schönheit angewandt
‚wird, muß. geändlic fepn, ‚aber es tft. eine falſche,
verlodende Schönheit. Schöne und ernſte Wißen-
ſchaften Eünnen einander nicht enfgegengefeßt. wer:
den, beun die ſchoͤnen Wilfenfchaften find Leine Hof:
ſpaßmacher: auch fie haben ernfthafte Zwecke und
53
beförbern fie durch etnſthafte Mittel and Regeln.
Endlich ſchoͤne und hoͤhere Wiſſenſchaſten ſtehen ein
ander nicht fo gegenüber, als ob jene platt ind
ntedrig wären: fie haben auch ein Höchftes Ihrer
Art, fie fordern auch, wenn fle rechter Art feyn wol⸗
len, eine hohe und reich begabte Seele. Alle diefe
Unterfheidungen und Gegenfähe rühren von Miß—
verftändniffen und Mißbraͤuchen, inſonderheit vom
Zuſchnitt jener barbarifchen fcholaftifchen Zeiten her,
deren Nefte mir In fo manchem noch an und fragen.
Da hieß es zuerft von den fogenannten ſieben freien
Kuͤnſten.
Gram loquitur, Dia verba docct, Ahe verha ministrat,
Müs canit, Ar numerat, Ge pondcrat, Ast colit astra;
und auch hier fieht man noch die ernftäafteften Wiſ⸗
fenfhaften, Grammatik, Dialektif, gar Mathema⸗
tie und Aftronomte In der Zahl der freien Kuͤnſte.
Mit der Zeit fonderte man ab, gab der Grammatik,
‚ber Philoſophie und Mathematik ihre eigene Sphäre ;
was überblieb follte das Antheil der ſchoͤnen Wiſ⸗
ſenſchaften werden, alfo biieb ihnen zuletzt nirhte
ädrig, als bie edle Verskunſt und ein bischen Rhe⸗
torit, d. i. die fchöne Kunft, Perioden zu drechſeln.
Das wahre Schöne, was nämlich die Seele bfl-
det, was Gedanken zuführt, was Geſchmack und
Urtheil gibt, Fürz Saft und Ktaft des einzukleiden⸗
den Körpers hatte man Ihnen genommen, und nun
Tonnte man fie freitich von nuͤtzlichen, von grünbft-
pn
hen, von ernten, hoben, ja meinethalb auch von
den ſchoͤnen Wiſſenſchaften ſelbſt unterſcheiden: denn
wie ſie da lagen, waren ſie haͤßlich gnug. Sage
man doch in der Welt; wie Fann jemand eine ſchoͤne
54
Zorm geben,- wo er keine Materie? wie kann er
ſchoͤn reden, wo er Feine Gedanken hat? wo. ihm
ein wahrer erniter gruͤndlicher Zweck, wo ihm Lei⸗
denſchaft und Trieb der Seele fehlt, biefen Zwec
zu erreihen? Selbſt die Spinne macht ja ihr Ge—
webe nicht zwedlog: fie win Fliegen damit fangen;
in den meiſten unſerer fogenannten ſchoͤnen Wort⸗
geſpinnſte fängt ſich auch Feine Fliege.
Was find alfd ſchoͤne Willenfchaften? und war-
‚um nennt man fie alfo? — Entweder fol das Wort
heißen: man lernt in ihnen, was fchön ſey und
warum es fo fey? Dieb Iernt ſich aber nie dur
Regeln allein, nie oßne Materialien und Beifpiele;
ober alfo es find die Wilfenfchaften, die und Mate-
rialien bed Schönen in und zu einer fchönen Form
zuführen, und ba iſt der Begriff des Bildenden
und Schönen völlig Eins. Keine Wiſſenſchaft nen-
net man fchön, wenn fie nur unfer Gedaͤchtniß mar-
. tert, wenn fie und Worte ohne Gedanfen, Säge
. uud Behauptungen ohne Licht, ohne Beweis, ohne
praktiſches Urtheil darlegt, Furz, wenn fie feine von
. - unferen Seelenfräften bildet. Sobald fie dieß
thut, wird fie angenehm; und je mehr fie's thut,
je mehr fie unfere Seelenträfte, unfere Phantafie
und Erfindungskraft, unfern Wis und Geihmad,
unſer Urteil, infonderheit unfer praftifhes menſch⸗
liches Urtheil beichäftiget, je mehr Seelenträfte fie
auf. Einmal befchäftiget, deſto — bildender fft
fie, und jedermann fühlt's und ſagt's: auch deſto
fhöner. Man nehme 5. €. die Philoſophie, bie
man von den fchönen Willenfchaften meiſtens aus⸗
ſchließt. Allem Schönen liegt Wahrheit zum
Ds
55
Grunde: alles Schöne muß nur zum Wahren, zum
©uten leiten. Stelle ich alfo Wahrheit hin, wie
‚ fern fie menſchlich tft, d..1. zum Wahren und Guten
leitet: fo wird fie ſchoͤn: denn Schönheit iſt nur
bie aͤußere Geftalt der Wahrheit. Eine trodene
Dntologie, Kosmologie, Pſychologie, Theologie,
Logik, Ethil, Politik, Naturlehre u. f. gefällt kei-
nem; made man aber die Wahrheiten aller diefer
Wiſſenſchaften lebendig, man feße fie in das klare
Licht ihres Urſprungs, ihres Zuſammenhangs, ihres
Nutzens, ihrer Anwendung: man bringe fie der
Seele fo nahe, daß diefe mit dem Erfinder erfindet,
mit dem Bemerker bemerkt, mit dem Weiſen ur-
theilt,.mit dem Guten das Wahre anwendet und
ausübt: welche fhönere, d. f. bildendere.
Wiſſenſchaften kann es, als diefe find, geben! Es
tft ein großer Nels, den Zufammenhang ber Wahr-
beiten zu ſehen. Es iſt ein hohes Vergnuͤgen, die
Landcharte des menſchlichen Willens in irgend einer
Drovinz, mir Licht und Schatten, zu überfchauen, -
und bei jedem Schritt durch bie Wahrheit, die einer
erfand, durch den Irrthum, ben jener beging, fel-
nen Wis, feine Erfindungstraft, fein Urtheil zu
ſchaͤrfen. Gibt's ein größeres Gemählde In ber Welt,
16 die Welt felbit kit, wie fie ung die Kosmologie,
die allgemeine Naturlehre, bie phyſiſche Aſtronomie
darſtellt? und gibt's ein feineres Gemaͤhlde, ein in⸗
tereffanteres Schauſpiel für Menfchen als bie
menſchliche Seele in Ihrer engen und weiten Wir-
kungskreiſe, nach ihren Kr äften und Anlagen, Pflich⸗
ten unb Beziehungen, Leidenſchaften und Trieben
ſelbſt iſt? Wer bier nicht durch treme, ganze Datz
En 1
56
ſtellang dieſer Sachen lebhaſt far den Bl,
wirkſam an's Herz reden koͤnnte, wo Lörhfe ers
Der ganze neuerfundene' bardarifche Name Ar ſt he⸗
tik iſt ja nichts als ein Theil der Logik: was wir
Geſchmack nennen, iſt nichts als ein Ichhaftes
ſchnelles Urt heil, was Wahrheit und
keit nicht ausſchließt, Tondern vorausſetzt und we:
ſentlich fordert.‘ Alle Lehrgedichte find nichts
ats eine ſinnlichgemachte Philoſophie: die Fa
bel, Darftelung einer allgemeinen Lehre mb
Wahrheit In Gegenwart, in Handlung. Woher
nahm Cicero die fchönften treffendſten Gruͤnde Tel:
ner Beredſamleit her, als aus der Phikoſophle, auf
ber Zergliederung der Sache felbft, des menſchlichen
Herzens, des menſchlichen Verftandes ? Philoſophie
alſo, bildend, d. i. menſchlich vorgetragen und an⸗
gewandt, iſt nicht nur ſchoͤne Wiſſenſchaft eng
ſondern die Mutter des Schoͤnen. Rhetorik und
Poefte, was fie Bildendes, Nuͤtzliches, wahrhaft
Anpenehmes haben, find fie ihr ſchuldig. eben
ihr iſt's die Geſchichte, fo fern diefe naͤmllch
Keuntniß der Laͤuder, det Menſchen, Ihrer Regie—
rungen und Staaten, Ihrer Sitten and Religionen,
ihrer. Chaten, Tugenden und Lafter in ſich begreift;
Werden dieſe Sachen getrieben, wie man fie mand=
mat mit Schreden und Verwunderung getrieben
hört, freiiich fo find fle eiender Schutt haͤßllcher
Wiſſenſchaft; treibt man fie aber wie fie fi far
dieß Alter ſchicken, d. 1. wie fie viele und iſchone
- merkwürbige und Hare Kenntuffle gewahren, wife
ben Juͤngling Intereffiven, ihn Hug machen und bife:
ben — famı es eine ſchoͤnere Wiſſenſchaft als Dee
%
\
57 —.
und: Geſchichte geben? Wer lieſet; wer
haͤrt aicht gern Geſchichte? weicher gebildete Mann
ſagt nicht, daß er durch Geſchichte und Erfahrung,
bie eigentlich Sefchichte des Lebens iſt, am melften
gebildet worden? Iſt die Epopee, das Drama et:
was anders, als Geſchichte ober Mährchen, in allen
Metz der Sprache, der Daritellung und Einbildungs⸗
kraft eingekleidet ? und iſt nicht manche Geſchichte,
trem dargeſtellt, fcyön gefchrleben, angenehmer und
blideader als eihe überfpannte Epopee oder das luͤ⸗
genhaffe Mährkhen eines Nomans? — Alles alfo.
Tormmt bier auf Auswahl, auf Methode und
Bortrag an, daß, was erzählt wird, der Xehrer
Ansereffent mache, barftele, dein Verſtande und
Herzen zuführe, die Seelenträfte des Zuhörer da⸗
mit befchäftige:” fo wird feine Gefchichte die ange-
nehmſte, die bildendſte Rhetorik und Dichtkunft.
In der Geſchiqtte der Alten find Gefchichte und Re⸗
detunſt verbunden: die ſchoͤnſten Meben ſtehen in der
Geſchichte und koͤnnen nicht ohne fie verftanden; er⸗
kannnt, geſchaͤzt werden. Der gute Erzähler hat
eben die Regeln, die der Dichter hut, und wenn
hör Wehner, der Dichter nicht bloß beluſtigen, fon:
dern beſſern, die Seele theilnehmend befchäftigen,
fie bifden well, fo hat ex einerlei Zweck mit dem
Goſchichtſchreiber, wie mit dem Philoſophen. Kurz
Wuhrheit, Schönheit nd Tugend find die
dref Grazlen des menfchlichen Wiſſens, drei unzer⸗
trennliche Schweſteru! Wer Schönheit ohne Wahr⸗
Belt: will, hafcht lad; wer Wahrheit und Schoͤne
oghne Tugend, d. 1. ohne Nutzen der Anwendung
ſtudirt, jagt nach dem Schatten. Schoͤne Seſtalt |
— ‘
—
—
58.
and Form wird nur In fchöner Materie anfchaubar
und lebendig: bie wahrften, reichſten, mißlichiten,
kurz bie bildendften Wilfenfchaften find auch immer
die fchönften. |
Mir fehlt die Zeit, mich auf den ſpeciellen Theil
. meiner Abhandlung einzulaffen und zu zeigen, bag
. alle Regeln der Schönheit nichts find, fo fern fie
nicht ber Wahrheit und. Güte dienen, daß alle Blu⸗
men der Beredſamkeit nichts find, fo fern fie nicht
Wahrheit und Güte befördern, daß allen Wiſſen⸗
ſchaften das Befte fehlt, wenn man ihnen das.
Schöne, d. 1. das zur Menfchlichkeit Bildende rau-
bet, daß es aber jede auf ihre Art haben koͤnne und
‚haben folle, daß Feine Wiſſenſchaft barbarifch und
inhuman ſeyn dürfe, daß felbft die abſtrakteſten
Kenntniſſe ihren Reiz, ihre Schoͤnheit haben, fo
fern fie bildend und nuͤtzlich werden u. f. — genug
für heute! — der heutige und die folgenden Tage
..mögen, was ih auslaffen muß, thätlich beweiſen,
daß jede Wiſſenſchaft, bie hier im Gymnaſium
getrieben wird, eine ſchoͤne Wiſſenſchaft fen, weit
fie nämlich angenehm und Intereffant gemacht, weil
ſie mit Luft und Liebe gelernt, weil fie menfchlich
and bildend gelehrt werde. — — _
Ihr aber, werthe Juͤnglinge, ziehet noch befon-
ders den Nutzen aus meiner Rede, daß wenn auch
einige von euch im Begriff der ſchoͤnen Wiſſenſchaf⸗
ten gefehlt haben, ſie dieſen bei Seit verbeſſern.
Werfet, da ihr Juͤnglinge ſeyd und Maͤnner werdet,
die Puppen des Schoͤnen, bie leeren Gras- und
Blumenkraͤnze weg, die fo bald verwelfen und nach⸗
Der einen übeln Geruch geben; liebet, was liebens⸗
®
59. \
werth iſt, in aller Geftalt, immer aber in Bezie⸗
bung auf Wahrheit, Güte, Anwendung. Liebt und
uͤbt die alten Sprachen: fie find die Quellen und
Mufter alles Edeln, Guten und Schönen; liebt
Philoſophie, Theologie und Geſchichte: fie nähren
das Herz mit Empfindungen und erfüllen den Geiſt
mit Gedanken, fie geben Materialien zu alle dem,
was einer fhönen Einkleidung fähig und werth ift.
Flieht nicht die Mühe des Fleißes; ſobald Ihre
Muth fapt, wird die Mühe euch fliehen und ſich,
eben indem fie euch bildet, in Kohn, Schönheit und
Suͤßigkeit verwandeln. — E |
Du aber, erfter Urheber, und felbft der unend⸗
liche Inbegriff aller Wahrheit, Güte und Schönheit, -
laff and) diefe Schule, Laff’ auch die Uebung diefer
Tage zur wahren Anmuth, Schönheit, db. i. zur
Bildung menfhliher Seelen geweiht und gefegnet
{eyn. Amen.
V.
Vom Nutzen der Schulen. 1783.
Das Wort Schule iſt in unſerer Zeit einem
großen Theil ſich klugduͤnkender Menſchen fo gehaͤſſig
oder veraͤchtlich woerden, daß fie es gern aus der
Sprache, wohl auch aus dem Staat verbannen, und.
dagegen anderen neuerfundenen Anftalten und Ein-
richtungen einen Werth geben, oder gar, wie fie
meinen, dem Mutterwige, dem Genle, ber Natur,
dem Umgange, dem eigenen Fleiß u. f. die Pflicht
a
60 |
- auftragen möchten, bie abgeſchäfften pedantiſchen
Schulen zu etfegen, und uns volllommenere Men:
- fchen zu bilden, als nach Ihrer Angabe jene bilden
fonnten. Man bat alfo nicht nur ftatt bes veralte⸗
ten Wortd Schule und Schullehrer-dee Mode zur gut
neue anftändigere Namen belebt, Akademie 4: B.,
Graichunge-Sufitut, pädagogliche Anftalt, Philan⸗
thropin u. f., fondern man hat auch, wie fehr bekannt
tft, in neueren Zeiten fo viel von Genfe, von Ori⸗
ginalgente, das fich ſelbſt Hilft und kelnes Lehrers
bedarf, von Selbfterfindung, von wunderbarer Aus-
bildung durch eigene Kraft und durch unmittelbare -
Begeifterung geredet und geruͤhmet, daß zu Hoffen
oder zu befürchten fteht, bie Genies oder vielmehr
bie Menfchen felbft werden in kurzer Zeit wie Blu⸗
men und Bäume aus der Erde hervorwachfen, und
fih bloß durch den Anbli der Sonne, durch Genug
eines bimmlifhen Thaues begeiſternder Muſen zu
Wundergefchöpfen der Natur bilden, bie uns jene
glädliche Fabelzeit wiedberbringen Finnen, in welcher
alles von felbit erwuchs, und die lebensſchwangere
Erde alles, was wir fehen, ohne Samen erzengte.
te fchäblich folche Leere Lobpreifungen eingebildeter
Naturkräfte der Jugend werben Fönnen, ie. zum
Theil wirklich geworben find, bedarfkeiner weit⸗
laͤuftigen Eroͤrterung; die traurige Erfahrung, die
jährlich aufſchwellenden Verzeichniſſe der Meßbuͤcher,
in welchen größtenthetls eine junge federloſe Brut
ſich zu den Wolken und zur Sonne ſchwingt, die ab⸗
ſcheuliche Leere und Verwirrung, die in den metflenw
Büchern nach dem neueften Geſchmack herrſchet,
ſammt hundert Thädlichen Folgen, die daher ſtießen,
61
ſind leider zu deutliche Zeugen ber Serrättung, bie
.bas Geniewefen auf Kojten der Wiſſenſchaft und Er⸗
‚ fahrung, die fogenannte Natur auf Koften einer re=
gelmäßigen, ftrengen, bedaͤchtllchen Kunft, und bie
gerähmte Selbſtbildung und Selbfterfchaffung auf
Koſten eines fihern und näßlichen Unterrichts, den
‚wir bem Fleiß erfahrner Lehrer verbanten müßten,
hervorgebracht hat, ja wahrſcheinlich ſo lange her-
. vorbeingen wird, bis ſich nach Geſetzen der Natur
ber hefigte Trank, wenn er niht-träber werden Tann,
wieber aufflärt: Meine Abſicht iſt nicht zu tadeln,
. ober Fehler zu rügen, zu deren Vortrage felbft bie
‚mix gegebene Zeit in diefer Stande nicht hinreichte;
beffer iſt's, die Wahrheit in ihrer Würde and Schön-
. beit felbft binzuftelen, und da ich im Sreife ver⸗
ftändiger Männer und lehrbegieriger ar
‚tebe; fb wird bei jenen bie Erfahrung, bie fie fel
erlangt, bei diefen der Zweck, den fle ſich vorgefebt
haben, .gleihfam mein Mitrebner ſeyn, und die
„Anwendung, die ich, der Eurzen Zeit halben, übers
sehen muß, Ihnen vollftändiger fagen.
1. Als Chriſtus zum Beften des menſchlichen
Geſchlechts fein hohes Amt antrat und dazu vom
Himmel ans felbft beſtaͤtigt wurde, war fein erftes
Werk, ſich Schüler zu erwählen, und alfo eine
Schäle zu bilden. Zwölf Männer begleiteten ihn
fortan, denen er Unterricht gab, die er in ben Leh⸗
zen, die. ihm fein Vater offenbarte, nach dem Maße,
wie fie die Lehre faflen konnten, unterrichtete, bie
er zuletzt, da er felbft ber Erde eutzogen ward, an
feine Stelle feste, und an die es fein letztes Wort
war; gehet bin und lehret. Zu wohl wußte er,
54
62
daß jeder Unterricht nur buch Menſchen fortge-
pflanzt, nur durch Schulen aufbewahrt und nuͤtzlich
gemacht werden könnte; Daher ftiftete er dieſe
Schule, und die Apoftel folgten feinem Vorbilde.
Wäre er, der hocherhabene Helland der Welt, ohne
Schüler geblieben, fo hätte er feine Exfldrungen,
die er aus dem Schoos des Waters mitbrachte, auch
in den Schoos bes Waters bei feiner Himmelfahrt
zurädgenommen: im Munde des Volle wären feine
Morte gar bald zu Näthfeln und Mährchen worden,
‚oder hätten ſich In wenigen Gefchlechtern verkoren.
Nun aber, da er mit Unterricht anfing, da er den.
Unterricht zur Grundlage bes ChHriftenthums machte,
und auf ihn eigentlich feine Kirche baute, fo konnte
fi diefe erhalten, fo Eonnte fie zum Nutzen der
Melt fortdauern, ja was das Chriftenthum unter
allen Nationen Gutes yeftiftet hat, hat es nur durch
Unterricht, durch Unterweifung der Lehrer, durch
Öffentliche und befondere Lehre an die Jugend und
an das Volk, Eur; als Inſtitut ber Wahrheit und
guter Sitten, ald Schule geſtiftet. So fahen es
die Apoftel und die älteften Kirchenvaͤter an; wollte
Gott, daß man es dem Sinne feines glorwuͤrdigen
Stifters nach Immer fo angefehen hätte! alsdenn
wäre es gewiß, was es feyn follte, auch in jedem
Sahrhunderte und zu jeder Zeit geworden. Tank
alfo Sott felbft, da er zu den Menfchen herabkam,
fein anderes Mittel zur Erleuchtung uud zur Beſſe⸗
zung bee Menfchen, zur Wiederherftellung und Auf-
bewahrung der Wahrheit, als Unterricht, metbobi-
fhen Unterricht in einem Kreiſe geprüfter Lehrlinge, '
Fury Schule; fo mögen wir doch nicht kluͤger ſeyn
—
63° |
wollen, als es die göttliche Weisheit, nicht Lebrei-
Her, als es bie göttliche Liebe ſelbſt geweren iſt,
und wollen dem Gange der menſchlichen Natur, der
Verkettung des menfchlichen Geſchlechts, gehorſam
folgen.
Bon Kindheit auf naͤmlich empfangen wir den.
beften Theil unferes Weſens von andern, durch
Wäterricht, durch Eiziehung, ünd gleichſam durch.
mitgetheilte Erfahrung. So lernen wir Sprache
und Lebensart, fo bilden wir unfere Vernunft, und
gewöhnen und zu Sitten und Künften: das Haus
unferer Eltern, ja ich möchte fagen, der Schoos und
bie Bruft der Mutter iſt unfere erfte Schule. Aus
heiler Haut koͤnnen und zwar Geſchwuͤre, Kröpfe
‚and Beulen wachfen, aber nicht Wiflenfchaften und
Künfte. Was wir wiffen, willen wir durch andere;
was wir gebrauchen und zu brauchen felbft lernen
muͤſſen, haben andere erfunden; das ganze menſch⸗
liche Geſchlecht iſt gewiſſermaßen eine durch alle
Jahrhunderte fortgeſetzte Schule, und ein neugebor⸗
‚nes Kind, das ploͤtzlich die ſer Schule entnommen,
das dieſer Kette des Unterrichts eutriſſen, anf eine
wuͤſte Inſel geſetzt wuͤrde, wäre mit allem feinem
angebornen Genie ein armes Thier, ia In zehnfa⸗
chem Betracht elender als die Thiere. Da ung
nun bie Gottheit felbft in unfern ſchoͤnſten Vorzuͤgen
an diefe Ordnung gebunden, und unferm Geſchlechte
nad) in eine Schule des Unterrichts gefeht hat, au⸗
Ber welcher wir weder Menfchen werben noch Men:
ſchen bleiben, in ihr aber und durch fie alles Gute
genießen, was unfere Vorfahren vor Jahrhunderten
und Jahrtauſenden gebacht, gelehrt, erfunden, und
64
ihren Nachlommen überliefert; haben : ‚fa wollen. we
uns nicht von einer Kette reifen, bie der Schoͤnſer
unferm Geſchlecht wefentlich gemacht, und an welche
er für und taufend anerkannte und zum Theil ſchen
empfangene Wohlthaten gefnäpft hat. Laſſet ans
lernen, was wir lernen koͤnnen: denn es iſt ſchon
da; audere haben es für uns erfunden. Laſſet ups
hinzuthun, mas wir hinzuthun koͤnnen, damit mie
in der großen. Schule. ber Menfchheit auch mnfegn
Platz würdig beſitzen, und mehr zurädiefien als
mir empfangen. haben. Dieß iſt Geſet ber Natur,
dieß iſt bie von Gott ſelbſt erwählte, hellſame Men⸗
ſchenoronung. ..
2. Zur Fortpflanzung und Feſthab
tung alles Guten in der Menſchheit, allen Aiſen⸗
ſchaft, Kunſt und Uebung gehoͤrt alſo, Im weikide
tieſten Verſtande bes: Worts, Schule; ma. irgend
eine Arfindung, wo. eine nuͤtzliche Kunnſt und Uehnne
nicht zum Unterricht. und, zur Feſthaltung in einet
Schule ‚gebracht werden Eonnte, ‚leider! da ſchen
wir fie meiſtentheils mit ihrem eblen Urheber iker-
ben. O, baf mir es bie Zeit vergoͤnnte ‚hierher
die. Buͤcher der Geſchichte zu eröffnen ,.aub bau
hundert Beifpiele. den geoßen Verluſt zu zeigen, Dem
die Menfchheit dadurch gelitten, daß fo niele
ebeiften Gedanken und Erfindungen nicht zur.
gemacht, oder ald Schule fortgepflangt werben Foum=
ten! Wie viele ſchoͤne Wlüthen einzelner beufen-
den Köpfe gingen verloren, weil fie keine Frucht
beingen Tonnten: ber Urheber dieſer „Wahrbeften
und Erfindungen ftarb zu früh, oder er fand auf
einer unrechten Stelle; er hatte keine Lu, *
65
würbige Schäfer? oberer konnte nicht ſchreiben, nind
fein lebendiger‘ Unterricht erlag unter druͤckenden
Hinderniſſen und Mängeln. Freilich wäre dieß ein
ſehr trauriges, oft. beweinenswärdiged Gemaͤhlde:
fein Inhalt ift indeß hiſteriſche Wahrheit. Was
fich aus ber. alten mud aͤlteſten Zeit Gutes erhalten
Hat, Hat ſich Durch Schulen erhalten: was fih aus
Einer unter mehrere Nationen Vortreffliches fort-
gepflanzt hat, hat fih duch Säulen fortgepflanst,
|
|
|
"anb mit jeder zerſtoͤrten Schute ging ein Kein für
Sie ganze Nachtommernſchaft verloren. Was wwiffen
wir von ben Geheimniffen der Chaldaͤer, Aegvpter
, f., wenn fie auch noch fü viel Gutes gehabt haͤt⸗
ten? Nichts; mir ipren Schulen iſt and) ihre for _
genuunte Wetöhelt zerſtöͤret. Was wuͤßten wir von
deiner meuifchenfreundiihen Weisheit, edler Sokra⸗
to, wenn du feine: Schüler gehabt, wenn beine
ESauler dich nicht überlebt, und. deine Gedanken in
Aue hohe füße Sprache gekleidet hätten? Mit
‚deinem GSiftbecher wäre and) das Verdienſt deines
Lebens hinuntergetrunken geweſen: chne deinem
ſanften Xenophon, ohne deinen kunſtreichen Plato,
ws alle die nudiher weiter ginggen, wuͤßten mir fo
rgout als wichtu von Ar: Die Lehre Potbauoras lebte
urn ſeine Schuͤler ſort; und wir bedauern es,
daßem feise goldne, Hüfte:fa Tehr hinter den Tep⸗
‚str weihorgeurbabe, denn, wenn diefi nicht geſche⸗
hen wäre: waͤßten wir wahrſcheinlich mehzr von ihm.
DR Lese Zends ging nur durch feine edlen Schüler
in Wirkung; und daß die griechiihe Philoſophie
Abethaupt zu einem fo großen Echdade unter meb⸗
een Wollern, mehrere Iabrtaufende hindurch ge⸗
BB.
dichen fit, kommt une Bakery: Auf Perieen Me |
Gen, feften Grund des Wehiules durch Schulen
gelegt hat. Hinter Gcheimnife werfienit,, oder in
reiaſamen, dunklen Hellen verbergen, wire (fie: eir
Wergrabener Schatz geblieben, vder 88 Halb: zewie-
Nur kur Menſchen, bar Unterricht eben⸗
Year Meufchen in. Schrift, Mebe und Hehäng. pflauſt
Ach das Gute fort; uud Änfonbergeit Hub. Schulte
de danerhaften Hälfen, “unter denen die "Mpeg,
wie wir im Pflamzenreiche gewahr werden, Ihre zar⸗
ten Fruchtkoͤrner vor der Verginglichteit ſchret ui
gu kruͤnftigem neuem Wachehaur arfbe wahret. Wir
Wäre die Meformmtion fe weit gebiehen, wenn fie
fich vicht durch Schulen, —— gelche⸗
wer, feuriger, wahrheitllebeuder Mnbr Ta Schetf⸗
ten und Im — ———— Vertrngeife: weit ſortge flangt
haͤtte. Die Ethule Luthers mb Meltanchthons nat
als ein reicher Baͤum für mehr als cin Zahrhundert
ı@tites In die Weit geſtreuet ober’ geyfinuger: mb
jeher Fremd der Wiffſenſchaften be ed Ätpt,
Daß die Schule des leztgenannten verbientenr Man⸗
nes bald nach ſeinem Tobe fo gedruͤckt vmmd were-
Agliinpft warb. Ueber ein Fahrhunbert Hin folgte
auf dieſe Befehdung eine werte Barbarel unferer
Kirche. Gleichergeſtalt haͤtte Eraͤgnens, Haͤte Her
klaſſiſch⸗ gelehrte ing at mancher anderen
Schulen ſtiften koͤnnen, wie fie“ esverbieuten "em
‚wie weiter waͤren wir febtgerietz sunb. duͤrſten ijret
alcht anfangen, wo wir feit brittetab hundert 3%:
ren gewefen waren. -
Ruhm and Dank fey are aarer Ah, “eo:
len BSerlen der Were, bie tht in ranalichen Bla
I | BR rd SU EFEE Tr Bu vr
— SE SH 3 Tr TU TU TU TU | WEEE TEE” TUE EEE
— _— TE NE Geile Bien — TUE GE TEE —
on und far reanliche Miſſenſchaften, Säulen-Atf-
setzt, ud bleſs oude Auſtaiten ·des unte rtichis mag
Gr. Auch · haben wir's zu dankon, daß uns die Bar⸗
gar bedect, und: ber Mahnſian unwiſſen⸗
der Semdemer--aufts noue ſortgetiſſen hat. gIhr
welt, ein ſicherer Stamm, an welchem Jahrhunderie.
‚Ha graͤuende Kweige ſproſſen, and nuͤtzlich⸗ Fruͤchte
Ph erzesgen. | ”
+ :Ble alſo Schalen zur Yufbewahtung nud
Fertpflanzung · ber Wiſſenſchaft, ſammt allem On:
m, was «biefe-ung-Beingt, dlenen: ſo dienen / ſie
IR
⸗
—
2
68
Ferner zur Klarheit und Kiätigteit ı Ber
Biffenfbaft, zu ihrer Ausbildung und all
mäligen Bervolllommuung Es iſt naͤm⸗
Uch bekannt, daß ein Unwlſſender und Schwaͤrmer
eigentlich nichts Rechtes lehren kann, daß wer leh⸗
ren will, ſelbſt muͤſſe gelernt, d. i. ſich klare und
richtige Begriffe, nebſt einer hellen, leichten, faßlb⸗
Aen Methobe muͤſſe erworben haben. Daher find
alle Halbgelehrten ſo gern gegen den wahren Unter⸗
nat, alle dunkeln Schwärmer fo gern gegen ben hel⸗
len, richtigen und faßlihen Vortrag. &le fühlen
naͤmlich, daß fie felbft mit ihrer Weisheit ſchlecht
Dabei beſtehen, und daß ihre bampfige Kohlengluth
gegen den Glanz und das Zemer der Sonne ein
FIchlechtes Licht ſeyn werde: darum fliehen fie den
Zellen Tag, und fuchen dunkle Winkel. Der Schuͤ⸗
ler ſoll ſich felbit lehren, wie fie felbft von Bott ge⸗
Jehrt find: die Maſe fol Ihn begeiftern, weit [ke
ihn weder .erleuchten können, noch mögen. Ich
glaube, wir find alle darüber einig, m. H., daß
dieß faule Fiſche ſind. Wer etwas weiß, muß es
‚gelernt haben, und muß es fo lange lernen, bis ers
weiß. er etwas können will, muß es ‚geübt be=
ben, und muß ſich fu lange uͤben, bis er's Tann.
Je älter man wird, wenigſtens je mehr Me Ver⸗
nunft ‚bei-und zur Reife koͤmmt, deſto mehr fieht
man ein, daß es mit alfe diefem Genleiwefen, mit
diefer Begeifterung, mit diefer Beredſamkeit über
Sachen, von denen man nichts weiß, mit dleſer
FThaͤtigkelt in Gefchäften, von denen man nichts ver:
flebt, ganz uud gar feine Art hat; und, ih für mei:
nen geringen Theil’ habe einen Graͤuel daran, wenn
69
ich Geiles biefer Art vrebigen, fprechen, handeln
ſehe, leſe oder höre. Lerne was, fo kannſl du was:
lerne es recht, fo kannſt du es recht, und weißt,
warum du es koͤnneſt; gegentheils bleitft du mis
allen deinen Senfeaningen ein Stümper. Du vers
derbft dein Werk, wie du bich felbft verderbt haft,
und man fann dir hinter allen deinen Meifterftäden
nichts anders fagen, ale: Knabe, gehe in die
Schule.
Schule tft nämlih, wo wir eine Bilfenfiaft;
oder eine, Sprahe, Kunst oder ein Geſchaͤft gruͤnd⸗
lich und nach Negeln lerıren, mo wir und nad dies:
fen Regeln üben, fie ung zur Gewohnheit machen,
wo unfere Fehler und aus Gründen gezeigt, und
auf die leichteſte Art verbeffert werden. In bie=
ſem Verftande find Eulen für jede Wiſſenſchaft,
Kunſt und Uebung die unentbehrlichften, nuͤtziichſten
Hnftalten : dem es fällt nirgend ein Meifter vom
Kimmel, und alles, was man recht wiſſen und thun
will, muß man lernen. Eine Wilfenfhaft ohne
Gründe, ohne Deutlichkelt, Klarheit und gute Ocd⸗
nung iſt feine Wiſſenſchaft; eine Hebung, die man
auf's Gerathewohl thut, iſt Feine Vernunfthand⸗
Yung, vielweniger ein Kunftwerf. Nun verftehrt
ſich aber von feibft, daß ein Lehrer die Sache wiſſen
muß, die er lehret; folglich) Tann ich fie auch von
Ihm, und zwar beffer als von mir felbft, der ich
nichts davon weiß, lernen. Gr fichet, wenn er ſei⸗
nes Namens werth ſeyn will, von feinen Kenntniſ⸗
fen die Fruͤnde ein, folglich befigt er ein Richtmaß,
Das eram meine Uebunnen legt, und tiefe dadurch
verbeſſert: befitt ee Methode, fo kommt dadurch
70:
DOsbunug In meinen Kopfy und bie ide Witßen⸗
ſchaft iſt Drum. Er spricht. barüber; folglich:
lerne ich-auch ſprechen und den Mund üffuem Se
fprint, dab er verſtanden ſeyn will, und wirb- bieß-
ſummte Begriffe, die wir bleiden, und bie t&:
nachher anwenden kann, mo irgend ſich bie Getes-
genheit darbeut, Dieß, m. H., Ift eine ganz aubere
Sade, als bie und: da aus Bägenn etwas zufam-
mealefen, was. weber zum Kohl noch zum Salat:
taugt, ober fi gar- Wiltenfchaften, Regeln ab:
Kuͤnſte feibfr erfinden wollen, wie fie uns der Geiſt,
oder vielmehr der Wind zufuͤhret. Wiſſenſchaften
Laffen ſich nicht erfinden: fie dürfen and nicht erfun⸗
den werden, denn fie find einem großen Theilenach
ſchon das ſeit Jahrtauſenden hat ker menſchliche
Geiſt ihrer mehr erfunden, als wirdernen werden;
drum ſollen wir ſie auf dem kuͤrzeſten, richtigſten,
gewiſſeſten Wege lernen. Sprachen laffen ſich nicht,
erfinden: bie Menſchen wollen Feine neuerfundenen
ESprachen; wir ſollen nur Die ihrigen richtig ſchrei⸗
ben und ſprechen lernen. Dieß alles geſchieht num
in einem guten Unierricht der Schule, und ich moͤchte
fagen, in itzm geſchiehet es allein. Der ſelbſt⸗
gelehrte Stuͤmper bleibt meiſtens zeitlebens ein
Stuͤmper: eine gewiſſe Unſicherheit verfolgt ihn: er
bat bei dem groͤßeſten Fleiße mit feinen zwei Augen
nie alles bemerket. Er lernte; es fehlte ihm aber
bald an Uebung und Verbeſſerung, bald au Gruͤn⸗
ben.feiner Lehre, mithin an Sicherheit und. Gewiß⸗
beit, bald am Vortrage fuͤr andere, alſo an KMar⸗
777
Gew: Dratitchren mb Didrumg. ar Voertrage bes: '
Gümie fintset fi. dirß alles von ſeibſt; ich lexne,
wem; ich fo ſchreibe, wenn ichs auch nicht durch
den Datel lernez ich: hoͤre, und muß antworten,
Folglich lerne it ſelbſt erflären. Der Lehren
Ssrut;, indem er ichret; ber Schäler lernt. lehren, .
iadener vernet: ſo bekvmmt die Wiſſenſchaft auf uns
fere ganye :Schhenszeit in unſerm Kopf und in. unſe⸗
rer Haub Klartzeit, Leichtigleit, Wohlgeſtalt ud
Dehnung
Ycrwinfchte: abermals Maum zu haben, Ben
Selen Metiskeit, Klarheit, Deutlichkeit, Ord⸗
ung in fe gekommen, ober in ihnen erhalten wor⸗
De finb; Ka gegentheils bie Selbſtgelehrten und
Seudeſchadaͤrmer, wenn fie auch treffliche Köpfe was
zen, fh: ſeiten dieſer Borzüge rübmen Sonnten.
Bald. ſchrbte Dunkelheit. aͤber ihnen. und ihren
Brele, fo.wieihre Schreibart jenem Chaos vor der
Meisfchöpfung aͤhnlich war. Bald konnten ſie den⸗
Sen und ſchreiben: aber nicht ſprechen; bald erfan⸗
den ſee ſich auch im Styl eine neue Sprache. Ihre
ſchoͤnſten Gedanken gingen alſe verloren, weil fie
foliche nicht autzudruͤcken mußten, und fie. beilagten
es oft zeitlebens, daß: ihnen Schule, Sprache, lex
Hung und Methode fehle. Wenn gegentheils in
Wiſſenſchaften und Kuͤnſten fi fefte Grundſaͤtze era
Yalten, und durch fortgefepten Fleiß su immer meh⸗
rerer Volommenheit ausgebildet haben, wodurch
geſchahe dieſes als durch Schulen? Daß 3. B. die
ariechiſche Kunſt ſich zu den volllommenen und ſchoͤ⸗
-
72,
/
relchte Bewunderung der Welt eſind, Kant Baer,
daß Ge für jedes Behtide. die zewiſſe Proportise
und. Form des Charafters gefunden hatte, und Der
gefundenen Regel allentpalben treu. biieb. Dee
Kuͤnſtler hätte ſich laͤcerlich oder verächtlih Bemächt,
der aus alberner Willkuͤr davon hätte, abweichen,
und als ein Kunfigenie fi eigene Bahnen .erwählen
wollen; man blieb alfo bet dem Richtigen uud Mah-
ten, das man nur, wie man Eonnte, relch und ſchoͤn
anwandte. Woher iſt die Mathematif: auf einer
ebenen Etraße fo weit aid beinahe Leine andere Wif-
fenfchaft gekommen? Eden weil fie auf diefer ebe⸗
nen Straße ber deutlinen Lehre, ded Haren Untere
richts, der ordentlichen. Beweife biteb; . und kein
Schuͤler es fi In den Einn fommen lich, ſich einen
andern und neuen Eullides zu erfinden. . Der reine,
aͤchte lateinifhe Styl, bie wahre Haffifche Gelehr—
ſamkeit hat fich jederzeit in und durch Schulen etz
haften: man lernte an erwaͤhlten, alten Schriftſtel⸗
lern eine reine Sprade, Harmenie und. Ordnung t
man lernte dieß von geprüften Meiftern, nad deren
Lehren und Muftern man fih und andere biidete,
und fo flifteten Muretus, Geßner, Crnett
ihre fortdauernden, terühmten . Schulen; Feiner
ihrer würdigen Schüler nahm ſich's in ben Sinn,
eine neue Latinitaͤt, d. 8. eine neue Varbarei zu er=
finden ; vielmehr befliſſen fie fih im .alten zelnen
Stvyvl ihre Gedanken auszudruͤcken, ‚und jenen unr
fterblihen Muftern der Vorwelt in Elnfalt und
Würde, In Runde und Schoͤnheit za folgen. Schu⸗
ten dieſer Art find ‚gleichfam Ueberbleibſel bed alten,
7B
san Getdenaid, Bolloerte gegegtie Aufatte jeher:
Merderbniffe des Stus, die in jedem weuen. Jahr:
zehend. nnteneineringuen, Fahne, in, neuer Uniform
etuherziehen, und nicht: auders ale mit einer Ver⸗
wirnung Babels endigen können. : Kurz, was ſich
in ben Wiſſenfchaften und Künften dauerhaft⸗gruͤnd⸗
Lüches erhalten, und nach. klarer Einficht durch: erſte
Megeln zu einem Grad der Volllommenbeit ausge:
blidet at, hat ſich darch Schuten: gebilber und er⸗
halten, wenn zute Lehrer: ned Muſter ihre Vorſte- /
ber, wenn fleißlge und Schalet ihre Zoͤg⸗ -
Ibege waren. '
Sy konnte noch vlel von ‚ber größeren Lebhaſtig⸗
get, von der angenehmern Leichtizkeit, von dem
edein Wetteifer reden, der den lebendigen Unter⸗
richt mehrerer Schuͤler in wohlgeordneten Schulen
begleitet; ich würde damit aber die Zeit einem an⸗
deri nothmendigeren Geſchaͤft, der Prüfung unferer
Schuͤter ſelhſſt rauben. Einen Vorwurf muß ich
nur. noch abelehnen ſuchen, den man, wie mid
duͤnkt, febr ungerechter Weiſe den Schulen zu ma⸗
chen: pßegt⸗ naͤmlich, daß fie durch Ihre Regeln,
Durch ihre Meihode und Ordnung das Genie unter:
drüden, und in «ine zu enge Bahn einſchraͤnken.
Sehr felten, „pflegt man zu fagen, übertraf ber
Schauͤler den Meidier; voll fklavifher Bewunderung
ging er feinen Fußſtapfen nach, jtatt daß er über
ihn haͤtte ſteigen, und Die Wiſſenſcaft hätte weiser
bringen fotten. In dieſem Vorwurf ift etwas wah⸗
res, der größte Theil davon aber iſt falſch und ſinn⸗
las. Mit dem Steigen auf andere, mit den Bockſß
ſpruͤngen über andere, zumal über feinen Lehrer,
pie eine eigene Ben Angie Baer A frade
lich vft, uber bie’ Koͤpfe der "Witen wegtſprinen⸗
juͤngere Thoren, wie ſie ſelbſteſiude, koͤnnencfie uch
hlerin bewundern und lobenz nicht Immmen oben
geräty.her Sprung, und ſehr vſt wirb / der Spolu⸗
ger in der Jugend oder. im Alter ber Welt zum Ges
Laͤchter. Statt: den umbähdigen Kachnhelten ſolcher
Capriociosi, bie eben vom Klettern: und
dee Ziegen ben: Namen haben, tobe ich miritife ber
4 Dankbarkeit juuger Veute, die wie vergoßſ⸗
-fen, ' fie:ihren Lehrern zu bauten haben, um;
die, wenn mit dem Fortgange der Jahre: nub kadı
Sietges ſie ſolche auch einnint. worin. uͤbertvaͤfen,
dennoch die Rumen: derſelbem wit Schonung, Llede
und Ehrerbletung nennen, ia es ſich * ma⸗
hen, ihre Schuͤler zu heißen. Nichts kleidet einem
wirklich großen Mann ſchoͤner, als dieß Gewand der
Beſcheidenheit, wenn man. fieher, daß feige, keine
ſtolze Demuth ober vielmehr ein demuͤthiger Stolz,
fondern das. aͤchte Gefuͤhl der Orfenutlihleit :umir
Wahrheit if. Diele Lehrer Haben dleß brweidende.
werthe Gluͤck gehabt, und ich möchte es ſelbſb zn den
Vorzuͤgen guter. Schulen rechnen, daß fie biefew.
Schönen Semringeift ber Liebe und Hochachtung ges
gen Ihre Xehrer bei. nrürdigen: Schitern erwarten and
verbreiten. : Einentheilt dem andern: feien ma
Itchen Onthufiadmus. mit, unb wenn dieſer auch zu⸗
weiten etwas über die Gromen ſein Lob und feine.
Verehrung reiben foßte, ſo iſt dieß immer bei:
ein ſchoͤurrer Fehler, als menu dic ſchnmarze Kraͤhe,
die ſich mit entſallenen Pfanenfebernufhmhet und
in fie eidet, nun üben den armen Pfau her Ike,
\ 78
Kan: 21 - vrendhten meh zur laͤſtern. Man fehesitete
fheusd :umt die der Schule: entlaufenen Series ‚ala
bie gegen ihre .chemenligen:Zchren fe: Molg thun, und
aan wird Ihre: verdchtliche Bettelarumih deuntlich
geung ·wahrnehcnon. Dark haſt 5a Menfh, fagh
Maulus, das du nicht empfangen haft! und was
vuͤheneſt; du dich bean, ale ob du es nicht eumpfangen,
fonbern; wenn:uns ber Zuſach erlaube tft; wie Breite
Tepße Baͤr, alles ans bir ſeibſt gezogen und ge fogen
Haͤtteſt? — -Das. aber iſt durchass nicht wahr, daB
wahre: Grund ſaͤtze und Regein einer Wiſenſchaft,
ein: deutlichen Vortrag und eine: ſichere Methede
Derfelben je ihren Fortgang hindern; nur ein Un⸗
wiſſender kann fo etwas fasen. Vielmehr iſt's ges
wiß, daß eben diefe Principien und Regeln, biefe
Destlichtelt und Oroͤnung zum Fortsange In der
utffewichaft den Weg: bahnen. Man hat: kennen
seilerut, was ba iſt, und wind leichter gewahn,
woran es fehlet: man fichty wie bie erften Erfinder
der Wiſſenſchaft auf Ihre Eutdedungen famen, und
hat an den Regeln derselben: einem ſichern Kompaß,
ber uns weiter leite; ba ohne Gramdſaͤtze und Re⸗
gelm hingegen niemand. etwas weder erfinden, noch
verbeffers kann, er ſchwebt wie ein Unſinniger auf
dem weiten Meere. Der Baum, ‚ber tiefe Wur—
zeln gefchlagen hat, kann hoch und höher ald andere
empor. wachſen; wer aber ohne Wurzeln und Erbe
von Himmel hexabwachſen will, der verwellet bald
uns wird ein trauriges Spiel des Windes. Freuet
und ruͤhmet euch alſo eurer Schule, Ihr Schuͤler die⸗
ſes Symnaſit, und dantet Gott, daß ihr von au⸗
bern, dam ven gelegten, wuͤrdigen, bewährten und
—
- 6 4 |
einligen Lehtern das lernen koͤnnet; was ihhr ſelbtt
nicht erfinden duͤrft, and gewiß, zumal in eureu
Quyren, wicht würdet erfinden können... Aubere be
ven ht euch fundiert, fie haben die'fieget ber
Sprache, die Grundſaͤtze der Wiſſenſchaften, bie
Ordnung einer guten INetbode fih, zum Theil bar
viele Uebung, eigen gemacht, und tragen euch alles
vor, damit ihr's aus ihrer Hand mit Ueberlegung,
Steig und Dank annehmer. Ihr därfet und folt
einſt nicht ſtehen bleiben bei dem, was ihr. in der
Schule lerntet: bazu find Akademien, dazu iſt euer
ganzes kuͤnftiges Leben; aber. in der Schule lernen
muͤſſet ihr’, und. euch die Grundſaͤze und Degeln
eigen machen, die niemand ungeftraft betetdigt.
Nichts raͤchet fih fo fehr, als ein verfäumter Schul⸗
unterricht: nichts raͤchet fi fo fehr, als eine ver:
nadlaͤſſigte Grammatik, als hintangefeßte Princk⸗
pien, auf denen alle unſere Kenntniſſe und Uebun⸗
‚gen berufen. Moͤget ihr auf der hoͤhern Schule
fo fleißig feyn, wie ibr wollet, und ihr ſeyd ber
niedrigen Eule haibfertig entlaufen: fo wirb man
euch immer anfehen, daß fur, um eine wahre Ges
ſtalt zu befommen, noch einmal in den Dfen getban
werden müßtet, weil der Teig immer nechher naͤſſet,
oder das Geblide kruͤppelhaft und elend if. Laſſet
such alfo-nicht von dem Wahn unferer Zeit anſtecken,
Ategen zu wollen, ehe euch die Federn gewachſen
find, und wie Prometheus das Feuer vom Himmel
holen zu wollen, wenn ihr's In der naͤchſten Kuͤche
haben könnt. Die Genleiuht iſt eine verderbliche
IE ruhe; das wahre Genie liebt und übt Grundfäge,
Kenntniffe und deutiich verſtandene Regeln, kurz eß
”
—
—
v
77 .
Sat und lerut etwas. Auch bei bisfer Prüfung
Sünfchen wir, daß ihr dem Wert Schule Ehre mar
hen, und durch euer Beiſpiel zeigen moͤget, was
für nuͤtzliche und nothwendige Dinge man in Schu⸗
|
len lernet, und wie rühmlich man beftebe, wenn
wan fie recht gelernt habe. ihr werdet fobann der
‚ befte Beweis der Wahrheit meiner Rede ſeyn, und
die kuͤnftige Frucht, bie wir uns von euch verſpre⸗
‚ hen, in einer ſchoͤnen Bluthe zeigen.
i
1
/
!
VI.
Von der Annehmlichkeit, Nuͤtzlichkeit und
Nothwendigkeit der Geographie. 1784.
1
Es wäre unnüß, durch eine lange Rebe arient
dem beffern Sefchäft des heutigen Tages, junge
Rente im Wettkampf ihres Fleibes und Ruhms zu
4
i
jetgen, feine armfelige Zeit zu nehmen; und nod
nnnuͤtzet wär's, diefe Zelt mit einer Lateiniſchen Rede
zu verlieren, die gerade dem Theil unferer Ver:
fammlung halb oder gang unverſtaͤndlich wäre, dem
ich am meiften verftändiih zu werden wuͤaſchte. Ich
abe mir nämlich vorgenommen, von der Annenm=
lichkeit, Nuͤtzlichkeit und Nothmendigkeit einer Schul:
wiſſenſchaft zu reden, von der ich vor zwei Jahren
eben in dieſem fuͤrſtlichen Gymnaſio den ſonderbaren
Ausſpruch gehoͤrt habe: daß ſie ein fuͤr die Jugend
trockenes Studium ſey, und in der Ih bei manchen
Bxraminibus, die ich zu halten gehabt habe, mande
— u
v8
Buustinge fremder goſanden iube,,... mis :ıah :fie
winihte: Es iſt wink“ bie: EB lH Bier
waere ais hie Ben srapbie: ein @nıbium , be
wach: meinen Begriffen eben ſo trocen iſtas· wenn
ſo
Jahren der Jugenb fosamgemeflen tft, "Daß ebch· wi
wundere, wie irgend ein edler wohlerzogener Juͤnc⸗
ling in den ſchoͤnſten Jahren feines Lebens fie nicht
vor andern lieben ſollte, ſobald ſie ihm in der ee
. ftalt esfcheint, in der fies ihm erfcheinen muß, ndme
Ih ale die Grundfläche und —— — aller
der Studten, die gerude in mſerm
am meiften gellebt und geſchaͤtzt werben. '' Erlauben
Sie alſo H. V., daß ich ein kleines Gemaͤhlde der
Bieterie, und Der Deipobe amreeele in · dm ich fie
—* den beſten Jahren m den
ken Vergnügen, selexut' —* wie eben ſo⸗ vle⸗
pri m ergnägen Fe gelehrt habe. Ich rede audi
Stfahrung., und- bie Cape wird für ſich ſeibſt sehen.
Freilich wenn- man unter —8 nichts an⸗
ders verſteht, als ein trockenes Namenverzeichnit
son Laͤndern, Fluͤſſen, Grengen und Staͤdten, ſo iſt
fie allerdings eine trodene, aber auch zugleich ein?
fo unmürbig. behandelte nad mißverftaudene, Mort⸗
kenntniß, ‚als mean man-an ber Hiftorie nichts “>
ein Verzeichniß von Namen. unwärbiger Koͤnige mb
Jahrzahlen Tennet. Ein folhes Studium iſt nicht
nur nicht bildend, ſondern im hohen Grade abſchre⸗
Aend, ſaſt⸗ und Lraſtlas: Muh «in areßer Kheli
—
“
039
| Je nein ne Vi yälltinde
orlehat The die Imend nicht Otelje, ja, were
mnan die Wahrheit: fagen fol, nicht einmal Werſtnd⸗
aAMiehteit gentza, da vom den :nreiften: Krlecs⸗ mad
AMtaass ationen, die: in der Welt geſplelt worden,
detr Juͤngling ſo wenig. richtige Begtiffe hat, daß
vdieſe meiſtens auch moch manchen Cewatſeuen feh-
sten. :Abernift dieß wahre Geographie? wahre Ge⸗
shit? Iſt elende Momehätatur wine Burach6?
Iit ein Vorabelbuch aucwendig geterut, denn das
Mas ein guter Echriſtſteller Hit und würde man
‚sicht een: Menſchen für ſinnlos halten, ider um
Eateiniſch nd Ouiechtſch/ zu: lernen, nichts als das
Merxikon ſtudirte? Und gerade vas Hi: Seographie
Menſe ſreuee · in bem reineniedendige Serie woh⸗
*
’
" "so
sen Schauslatz, auf den und die⸗ ſchaffende Bike
‚md Weisheit zu ſehen für gut gefunden? Dike
‚Erde alfo, eine Kugel, als einen Planeten Tonnen
zu lernen, fi bie. allgemeinen Geſede bekannt zu
machen, nac denen fie fih um fih feibft und uie
Sonne bewegt, und wie daburch Tage nad Jahre,
Klimate und Regionen. anf: ihr werden, dieß alles
mit der Gaflichteit uud Wurde vorgetragen, Die
der große Gegenſtand fordert; wen bad niht bau
Geiſt erhebt uud erweckt, was ſollte ihn erheben Lu.
erweden? Es gibt einem edlen Ihusling einen
het jener erhabenen Freube, die wir fäblen, wenn
wir Scipto's Traum beim Cicero Lefen oder eine ex⸗
habene Muflt hören: benn dieſe Keuntniſſe find
- eine ‚wahre Mufik des Geiſtes. Aus. der groͤßten
@inbeit von Naturprinciyten wird Ainte uugemeffene
Nrihe ven genaranhliden Jolgen ſichtbar, Die wir
taͤglich empfiaden und genießen,’ und von denen dach
‚jeder Verſtaͤndige Auffchluß wuͤnſchet. Srusie. Ih
son einem Juͤngling: einen ſchiechten Begriff hätte,
der z. DB. Fontenellens Geſpraͤch von. mehr ats Einer
Weit ohne Veugnügen.läfe: ſo müßte es eine meg:
ſchenaͤhnliche Wildfäule ſeyn, die bei den großen
GSeſetzen, die. allgeweln auf unserm Grbküben Herr:
(hen, und wohnrch.er bad, mau er iſt aharb, un⸗
» gerährt bliebe... Zrbendiang werden. mir die Zeiten
aus bee Mergeneöthe meines Leheusrpuch Im Ans
denken ein angauehmer raum bleiben, da:meine
Seele biefe Kenugnifi zuerſt erupfing, und. ich über bie
@renzen meines Geburtslandes hinaus, in die weite
Welt Gottes, in weicher unfer erodaden a ſcwinimt,
entzädt warde ⸗
I In
J Der
J
. Se
Wer Meset, ‚ben. Gewehnen, thellt ſich in
de und Meffıri. jene Acht nie ein vers herver
m deſſen beiden Selten, tale auf einen plano in-
vlinato, Stroͤne cimmen: dieß iſt has große Behdit-
miß son Waſſer, aus deſſen Dünften , durch Die Luft
seilittert, und durch bie Hoͤhen bir Berge angepe=
gen .ıble-Käneklen aller: Pruchtbartelt and Nehraäg
wer Arde werben. Welche Fälle von ſchoͤnen mund
wählten Kenntulſſen, bie in biefer Betrachtuug
deubent“ Beun bes Juͤngling in Oedanken kime. ho⸗
hen Erhruͤden befteigt, und Ihre ſonderbaren Pdaa-
here fernen leint, wein er fo: dem aıft. deu @iäf-
gen Hund in bie Thaͤlor wanbert, enbii au die
anfer des Meres lammt, und bereit aubete We:
gdpfe, an Miuetallen Pflenzen, Wöieren und
vend nach. den. Geſetzen das Kitas Veſiaiten, Jatben,
EOebenearten, Bitten und ANeltztpren wechſein ach
ch veraͤndern, und ungeachtet aller Verſchledeuhrit
Das Menfengefihlecht boch allenthabben cola Bru⸗
dergeſthlecht dk won. Cinem Schoͤpfer erſchaffea, von
Elnem MWater euntſproſfen, nach Einem Ale der Städt
Feliateit auf fo verſchiebenen Wegen ringend und
ſtrebend — n wie wird fich fein Mick erheben, wile
wird "fi feine Seele erweitern! Judem er bie
mancheriei Probulte der Erde, bie mancherlei Sat:
Eugen der Schoͤpfung In dieſem oder jenem Klima,
die manchertei Denfarisn, Oebraͤuche, Lebensweisen
ſeiner Mitbruͤder, der Menſchen, aer lernt, die
alte. it ihn das Lit Einer Sonne geniehen *
Berders Werke z. Phlloſ. u. Geſch. X. 6
" " «82 N ‘ “
Einerlel Gefenen. des Schickſals gehorhen: wahrlich
fe muß tyıh Die Geographie das reizendſte Bemählbe
voll Kunft, Anlagen, Abwechſelung, ja voll Lehren
ber Klugheit, Menfchtichkeit und Religion werden,
Gr wird, ohne daß er fein Vaterland verläst., ein
Ulvſſes, der die Erde durchreiſet, viele Woͤlker,
KELander und Sitten, voll Klugheit und Thorheit ken⸗
nen lernt, und wenn ihm jedes won dieſem anfchau
‚Hd gemacht wird, fo muͤßte es eine flupide Mißse⸗
burt feyn,. die dadurch nicht Ideaa In den Kopf und
große oder geläuterte Empfindung in's Merz. er-
Belte. O Hätten manche kutzüchtige, ftols>, inte:
lexante Barbaren, die fich einbilden, daß außer if-
rem Erdwiunkel kein Hell ey, und ba die Sonne
der Vernnnft nur in ihrer Höhle fcheine, in Ihrer
Hugend. ur Geogrephie und Geſchichte beffer geter-
net: unmöglih wuͤrden fle die enge. Binde ihres
Haupts sum Gehirnmeſſer der ganzen. Belt und die
‚Sitten Ihres eingeſchraͤnkten Winkel6 zur Regel unb
Richtſchnur aller Zelten, aller Klimata und Mölker
gemacht haben! — Au meinem geringer The
wenigſtens muß ich befennen, daß Geogrophbe ud
GSe ſchichte (beide im wahren und würdigen Hmfang
ihrer Begriffe betrachtet) zuerſt dazu beigetragen
Haben, eine Reihe träger Vorurtheile abzufüttch«,
SGitten md Menschen zu vergleichen, und dad Wahre,
Schöne, Nuͤtzliche zu fuchen, In weicher Geſtalt und
Hille es ſich von außen auch zeige. Auf biege
Weiſe dienen, Seographie und Geſchichte der nuͤn⸗
Uchſten Phlloſophie auf der Erde, nänfih der Phi⸗
Tofophie der Sitten, Wiſſenſchaften und Kuͤnſte: fie
ſcqirfen den zensum humanitatis In allen Geſtalten
>
83
‘ md Formen: fi te lehren ung mit erlenchteten Augen
unſere Vortheile ſehen und ſchaͤtzen, ohne daß wir
dabei irgend eine Nation der Erde verachten ober
verfiuchen wollten. „In ihm leben,’ weben und
- find wir,“ fagt Paulus vorm Altar des unbekannten
"Sottes der Athenlenſer. „Gott Hat gemacht, daß
„von Einem Blut aller Menfhen Gefclechter auf
„dem ganzen Erbboden wohnen, und hat Ziel ge=
"fest und zuvor verfehen, wie lange und weit fie
wohnen follen. Sie ‘alle find Kinder feines Ge⸗
„ſchlechts.“
Es ergibt ſich aus dem, was ich geſagt habe,
daß Geographie auf eine wirkliche Art mannichfach,
reich, anſchaulich gemacht, von der Naturge⸗
u fe ichte und Hiftorie der Völker unabtrenn="
fey, und zu beiden bie wahren Grundlinien ge=
BA — Naturgeſchichte iſt das, was Zünglinge
- und Kinder am melften reizt, was auch Ihren Kopf
mit den reichften, reinften, wahrften, brauchbar⸗
ſten Bildern und Ideen füllet, bie ihnen weder die
aphthonianiſche Chrie noch Logik und Metaphyſik ge⸗
ben; und die wahrfte, angemehmfte, nuͤtzlichſte
"Rindergeographte ift Naturgefchichte. — Der Ele⸗
phant und Tiger, das Krofodill und der Wallfiſch
Antereffkren einen Knaben weit mehr ale die att
Kurfuͤrſten des heiligen römifhen Reichs In ihren
Hermelinmänteln und Pelzen: die großen Revolu⸗
tionen der Erde und bes Meeres, die Vulkane, bie
Ebbe und Flut, die periodifhen Winde u. f. find
feinen Jahren und Kräfsen viel mehr angemeſſen,
ale die Pedanterei zu Regensburg und Weplar.
Durch die Naturgeſchichte zeichnet ſich jedes Land,
⸗
88 =
ſedes Meer, jede Infel, ‚iebes Sims , iches Men⸗
jchengeſchlect, jeder Welttheil bei. ihm mit unver⸗
loͤſchbarem Charakter aus, um. fo. mehr,: ba: dieſe
Charaktere beſtaͤndig ſind, und nicht mit dem Namen
eines ſterblichen Regenten wechſeln. Das, ———
Roß, das axabiſche Kamel, ee indifche
der, ‚afrktanifche Loͤwe, der amerlkanifche Kaiman
u. f. ſind dentwuͤrdigere Symbole und ——
„einzelner Länder, ‚ale bie: wandelbaren Grenzen,
"die irgend ein teäglicher, Friede zog, und vielleicht
der erfie neue Krieg verändert. Und da alle Meiche
der Natur efnander fo nahe grenzen, ba bie Kette
„aller Erdweſen fo verſchlungen. in einander. ‚hängt:
„fo wird. Eines die Erinnerugg ‚des andern. Ser
‚Berg erinnert an Metalle und Mineralien, au Quel⸗
Ten und Ströme, .an hie ——— der —ãAã
fo wie an Thiere und: —— e ihn oder falnen
Abhang bewohnen. Alles füget ſich an einauder
‚md entwirft dem Geiſt des zu bildenden Ruaͤnglings
‚ein unvergeßliches Gemaͤhlde voll lehrreiſher Züge,
we in alle Wiſſenſchaften übergehen, und allent⸗
“halben: von vfelfeitigem nüglichen —— ſind.
Inſonderhelt weiß.jebermann, dei bie Seogra⸗
„pble gundahft der Geſchlchte und zwar jeher Ges |
ſwichte, ber politiihen und gelegsten, der Kirchen⸗
"und Staatsgeſchichte hiene, ja ih darf fagen, Auf
die Geſchichte ohne Geographie fo wie ohne Zeitrech⸗
N
nung größtentbeild ein wahres& Luftgebäude
‚werde. Was hilft's dem Juͤngling, wenn er.waiß,
was geſchehen iſt, ohne daß er weiß, mo 28 -ge-
ſchehen ſey? — und werum iſt fo ‚oft die alte Ge⸗
ſchlote cber ‚ein unkdter Traum. As Aae· hre Bes
—
85 X:
afäfte: zit nehmen? Nicht auch uner · andern befmwes.ir
gen; als weil“ffe zu vft von der alten Geographie... "
getrennt wird, undtalfe von lauter Schattenagrſtalten
redet, die in der Luft ſchweben? Durch die Geo⸗
graphie wird die: Geſchichte gleichſam zu einer illu⸗
minirten Karte für die Einbildungstraft, ja fuͤr
die Beurtheitungsekruft feibſt: denn nur durch ihre -
Hütfe wird es deutlich, warum biefe-und keine an⸗
dere Bälfer; ſolche and Feine andere Rolle anf dem .
Schunptatze unſeter Erde -[pfelten? warum . diefe '
Megenten hier, jene dort herrſchen konnten? dieß
Reich lang, jenes kurz dauerr mußte? warum die
Mouarchken und Reiche fo tind nicht anders auf eiue
ander folgen, fo und nicht anders zuſammen gren—
zen, ſich befedden oder vereinigen konnten? woher
die Wiſſenſchaften und die Kultur, die Erfindungen:
und Kuͤnſte dlefe und Feine andere Laufbahn nehmen,
und iwie von ber Höhe Alters durch Aſſorer, Perfer,
Aegvptier, Griechen, Romer, Araber, Guropderi.
endit ber Ball der Weltbegebcubeiten und Welt.
ftretttffetten jent bier, jetzt dorthin geſchoben ſey?
— Ich wuͤrde ſtundenlang reden muͤſſen, wenn ich;
dieß alles auch nur in den nothdürftigften Erempeln.
zeigen wollte. Kurz die Gevgraphie ift die Bafig der
Geſchichte und die Geſchichte iſt nichts ale eine In
Bewegung gefehte Geographie der Zeiten und Voͤl⸗
tr; — Wer eine ohne die andere tretht, verhehk,
feine, und wer beide nerachtet, follte wie ber
Maulwurf nicht auf, fondern unter der Erde woͤh⸗
nen. Alle Wiſſenſchaften, die unfer Sabrbundert
licht, ſchaͤzt, befördert und belohnt, gründen: ſich
vorzüglich. auf. Phileſophle und Geſchichne; Handel
14
j
®
86 =
und Politit, Oekonomie und. Rechte, Arzneikunſt
und alle praktiſche Menſchenkeuntniß und Menſchen⸗
vearbeitung gründen. ſich auf Geographie und Ge:
ſchichte. Sie find ber Schauplatz und das Buch ber
Haushaltung Gottes auf unferer Welt: bie Ge
fchichte das Buch, bie Geographie der Schauplag.
Sn jeder Wilfenfhaft der Alademie muß ein Stu⸗
dirender zuruͤckbleiben, wenn er dieſe Grundwiſ⸗
fenf&aften, beinahe die Materialien zuallem, Geo⸗
graphie, Geſchichte und Naturgeſchichte, nicht von
Schulen mitbringt. Gluͤcklich wer ſie auf denſelben
in einer ſchoͤnen, reizenden Geſtalt ſah! gluͤcklich,
wem ihre Unterhaltung nicht das Gedaͤchtniß fuͤllte,
ſondern die Seele bildete und den Geiſt aufſchloß!
Tretet auf, edle Juͤnglinge, und zeigt, was ich im
allgemeinen Gemaͤhlde nur unvollkommen und von
ferne anzeigen konnte, durch einzelne Proben in
Chat und Ausübung. leberrafhet uns durch Pro-
ben eures Fleißes, eurer Munterfeit, eurer edlen
Ruhmbeglerde fu diefer und In allen andern Wiſſen-
ſchaften eurer Laufbahn, und ber Genius eureg Le;
bers wird -euer fruͤhbegonnenes ruͤhmliches Werk
kroͤnen. _ .
VII.
Nach Einfuͤhrung einer Schulverbeſſerung.
1786.
Warum ſollte ich, hochgeehrteſte Verſammlung,
einen großen Theil der kurzen Zeit, der zu einen
87
vlel ebtern Zweck als einer Rebe befkimmt iſt, mit
vergehlinen Warten verderben. Meine Rede kann
nichts als Sachen vortragen, die den helle. vog
Ihnen, der über Erziehung der Jugend und die
Berfaflung der Schulen nachgedacht haben, laͤngſt
betaunt ſiad; und der ediere Zweck, zu dem dieſe
Etunden verordaet find, iſt die Prüfung der Ju⸗
gend ſelbſt: eine ſettene Gelegenheit, da Lehrer ihre.
Methode, Schüler ihren Fleiß zeigen und beide
darthun fönnen, wie fie die Huffaung erfüllt haben,
die das Publikum von ihnen faßte, oder wenig⸗
ſtens fallen ſolte. Ich fage, fallen follte: denn
In wie weniger Achtung und Aufmerkſamkeit find
Säulen dem Yublifum unferer Zeit? Hier find:
keine Seremonien anzugaffen, feine Komödien und
Buſtbarkeiten zu ſpielen; wir fplelen für ung ſelbit,
wie jener Virtuofe fagte; oder mie Plato fagte, da
er ſtatt eines vollen Lehrfaals einen einzigen Schüler,
erbiidte: „du biſt mir ftatt aller, werther Antima⸗
chus“ — — u Gle-Went,e find ung flatt aller,
und wir felbft ung ſtaͤtt aller, Lehrer und Schüler.
Dietes füritlichen Gymnaſiaums, wollen wir zu ung
ſeibſt fagen. Der Seiltaͤnzer bedürfen wir nicht,
am eine unwiffende Menge berbeizusiehen, was
wir treiben, betrifft Die Sache Gottes und der ewi-
gen-Wahrheit; die Sache der Menſchheit und der.
edelſten menſchlichen Bildung, die Sache der Wiſ⸗
ſenſchaften und was zum Nutzen des Staats fuͤr
Juͤnglinge In idr lieget. Traurig, wenn wir dazu
des Zullatfdens der wuͤſten Menge, ſtatt des bes
fuledigenden Zeugniffes unserer feitft bedürften,
Aber ind kann Ich auch in diefem feinen greiſe
[4
88
en verfügen; hoch⸗ und ae
Qußter —E ben auftichtigen
Dan ich Ihnen felbft ſchuldig biu, und den meinte
ganze Seele Ihnen ſo ve and willig · abtrac;
es iſt der Dauk fuͤr Ize Wem bie: Sie
meinem guten Willen in ſo reichem Mode *28
haben. Mit welchem Vergnügen habe ich“s erfae
ren, daß in denen Veränderungen, die Se. herzegl.
Durchl. bei einigen Lektionen. biefed Symnaſans
gewollt und in eigener. hoͤchſter Perſon geneigt:
haben, Ihre Wuͤnſche ben meinigen nicht nur ents
gegen geflogen, fordern guvorgelommen find, wurd:
" Ste: den Entwurf einer Verbeſſerung beindde- eher
andpefünrt haben, als ih Ihnen denſelben Int Meb⸗
nen vorzeichnen konnte. Mit einer Feeube uwb:
Willen nahmen Ste denſelben anf, die felbſt· meine
Hoffnung überttal; und Sie erpreßten mie, 16
baͤrfes fagen, mit dieſer nıterwarteten Beteitwkutg⸗
kelt, nit dieſer edeht erfinderiſchen Freude eine
Empfindung des Danks und der Verbindlichkeit,
die ich Ahnen laut und oͤffentlich To frei vertkage,:
als 068 meine eigene ade wire. Muͤndlich un
ſchriftlich Habe ich Aeußernngen in Ihnen bemerkt,
bie mir auch einft, wem ich vom dieſem Gym
fium entfernt ſeyn werde, eine immerwaͤhrende
| —— und Liebe zu Ihnen einfihßen, die mi:
es ſagen werben, bier waren Winner, die wie -Kh-
dachten, die wie ich wuͤnſchten und wollten! Auch
in dem, was Ihnen ſchwer zu feyn er:
nicht delobut warb, kam Ihre Beſtrebſamfelte ne?
nen Gedanten zuvor, Ihre Erfahrungen kelteten
WO and Ihr guter Wille ward der ſchduſte Lohn
pen wi x . LI na on — —— —
|
}
l
|
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89:
muiätetene, moluer Beitrebunze Ihacu ſvcc c
uud den: Ihrigen wirb der Aumel ed bohnen/ was
ke: hier far die Jugend des Gyennaftums Gutes
wollten uni thaten. Der ue Fleiß der Juͤnglinge/
ihre volle, jedt noch ſchlammernde Empfindung des
Danks und der Freude, noch mehr aber, Ihr eige⸗
nes Geffuchl deſſen, mas gut und lobenswerth tft,
via einſt die Bluͤthe, die Ste in ben Juͤnglingen
« Felbft wahrnehmen werben, wird Ste Int Stillen bes
lohnen, Wenn wir nichts thaten mitwmforer Mer-
Helferung, fo machen wir dem Jungling bie Arbeiten:
ber Schult angenehm, abwechſelnd, nunbar -und'
werther. Wir raͤumen einen Haufen alter Saal⸗
badereten weg, die, ob wir gleich nahe au der
Saale leben, doch gluͤcklicherwehſe nicht mehr unſere
Suulbadereien ſeyn duͤrſen, weil wir was befferes
zu treiben wiſſen, und zu treiben lange gewuͤnſcht
haben. Was ſoll der Unrath deſſen, was man zw
ewlger Vergeſſenheit lernet? was ſoll er in dem
Stauden eines oͤffentlichen· Hauſes, wo eine Ver⸗
ſammlung der Knoſpen und Bluͤthen des Staats
vlel end beſſeres lernen koͤmmte? Haben wir nicht‘
ekerhaft Iange Welle und Ueberbruß der Dunnihelt
genug In unfern andermeitigen Gefchäften? warum
fetten wie die Tugend damit tödten? Warum ihr
nicht ileber Das jchonſte jeder Wiſſenſchaft vhne Uns“.
ſchweif auf die, bie ſolche wit dem Unrath ihrer
Zeit beſchwerten, geben wollen ?' Id; trage Fein:
Bedenken, die: Dhedlogie biekin als. das ‚erfte Tick
ſpiel zu nemten und jebem frek zu kaffen- daß er ſich⸗
in der Pollbſopie und Gefchichte, in Erklaͤtung der
atten Sprachen und Igrer Muſter, fernere Boplelt
hr,
‘
90
ubenke. Die Schule -follte von jeher Miſſen⸗
ſchaft, die für den Anaben dient, das Nothwen⸗
diaſte, Wabreſte, Willenswertpyefte im ſchoͤnſten
und ſtrengſten Umriß geben, und ich weiß nicht,
warum fie es nicht ungeſcheut, ohne Muͤckſicht
anf Zelten und Menſchon geben diirfte? Je
einer eine Wiſſenſchaft gelehrt wird, deſto ſchul⸗
mäßiger wird fie; und je ſchulmaͤßiger, defto reiner
ſoll fie werden.
Ein gleiches iſt's mit ber Auswahl der Wiſſes⸗
Saft für die Ausend; obgleich eben. diefer Punkt
für den ſchwerſten angegeteu zu werben pfleget.
Man fagt: was für diefen taugt, taugt nicht fir
jenen; und es iſt wahr, fobatd man fih anf die
tünftige Beſtimmung jedes einzelnen Jünglinge ein⸗
läßt. Allein wenn man darauf fehen wollte, ſoll⸗
ten ſtatt Einer, fieben Schulen und ſtatt ſechs oder
fieben armer Lehrer, dreißig da ſeyn, wenn man fe
vornehm and efel Schulen für Inriften und Kuchen⸗
beder, fir Kameralifien und Leinweber haben wollte.
Die oͤffentlihe Scule ift ein Inſtitut des. Graapd,
alfo eine Pflauzſchnle für junge Leute, nicht nur
als Fänftige Bürger des Staats, fondern aud) und
vorzuͤglich als Menſchen. Menſchen find wir. eher,
als wir Profeſſtoniſten werden, und wehe ung, wenn
wir nicht auch in unſerm kuͤnſtigen Beruf Menſchen
bleiben! Von dem, was wir als Menſchen wiſſen,
und als Juͤnglinge gelernt haben, kommt unſere
ſchoͤnfte Bildung und Brauchbarkeit für uns ſelbſt
ber, noch. ohne zu aͤngſtlicher Ruͤckſicht was ber
Staat and und machen wolle? Iſt das Meer eins
wal gewetzt, ſe kann man allesieh damit fnmelden,
=
pe N
— — — — — — — —
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—— 91 u
und nicht jede Haushaltung Hält ſich eben ein ander -
Gedeck, das Brod, ein anders das Fleifh aus ein⸗
‚ander zu legen. Co iſt's auch mit der Schärfe und ,
Politur des Verftandes.. Schärfe und polire ihm, ,
woran und wozu du willt, guug, daß er gefchärft
und polirt werde, und gebraude ihn nachher nach
Herzens a und nad deines Standes Beduͤrfniß.
Ob du an Griechen oder an Römern, ob an ber
scheolögie oder der Mathematik. denken gelernt, d. i.
deinen Verſtand und bein Urtheil, dein Gedaͤchtniß
und deinen Vortrag ausgebildet habeſt; alles gleich
viel, wenn fie nur ausgebildet find und du mit fo.
‚hellen, ſcharfen, yollıten Waffen in's Feld der
Öffenflihen und der befondern Geſchaͤfte eintrittft.
Du magft deinen Wepfteln zuruͤcklegen, oder bei
Dir behalten, die erfien Gegenftände und Uebungen
des Erfennend mögen dir unwerth oder werth blei⸗
ben, guug, wenn fie, was fle bei.dir ausrichten -
fellten, ausgerichtet haben, und du nidt a8 ein.
Erdklos, fondern als ein Menſch, aicht als ein roher
Stemm, fondern als eine ausgearbeitete, wenig⸗
ſtens als eine behobelte Bildfänle die Schule ver⸗
laͤſſeſt. Das uͤbrige und naͤhere der Kunſt werden
dir kuͤnftig der Melſter und die liebe Meiſterinn Er-
fahrung fchon ſelbſt fagen._ Ich halte es alfo für
ſehr thoͤricht, wenn man be jedem Schulbuch, bei
einem yeropus und Phadrus, beim Cornelius und,
Anatreon,. aber gar .bei einzelnen Theilen einer,
xbeit, bei einem Quadrat und Eirkel,. bei einem,
periodo. der Gerichte oder einer Aufgabe des
Steh bie Eenge auftelte: cui bono? Zu feinem,
andem bano., als baf der Kunde reden und [reis
[5
en,
/
N
*
eigentlich gar ni
ng |
beit, feinen Verſtand, fefte Zange, Fee:
⸗
krauchen lerne; oder dap- ſein Bang after;
ſein Urtheil geſchaͤtft wirb:'er gewahr t
ſeiner Bruſt ein Herz ſchlage. Nachder mag et
Lehrſatz und Fabel, Geſchichte und Gedicht Vergef:
fen; wenn und wo er will, guug, er hat am uud‘
mit ihnen, was er ſote, gelemett
Laſſen Sie ſich alſo, m, H., wenn Ihnen kuͤnf
tig, und ehemal dergleichen umgeſchlachte Urthetie
vorkommen ſollten, von ihrer edeltt und rahmlichen
Bahn nicht ablvtken; der Juͤngllug ferne nie zu viet
wenn ers nicht für andere Ferm; fo lernt ers fig
fih, zu ſeinem Nutzen⸗ zu ſeiner Lehre und te:
lung, Wenn nicht fuͤr ſein Vaterland, fo fihr an-
r .
nicht ans;) und’ je tuͤchtiger ein Menſch iſt, derto
mehr iſt er für mehrere Länder brauchbar. Far’g
lebe Studiren ii der Meufch am wenigſten mb
e lernen; fonderh für's Reg en,
d. k. für den Gehrauch und die Anwendur in alten:
nicht genießbar; man Mipt ihn ſich ſetzen md trintt
alſsdann, ob-eg gleich fehrt aus iſt, daß mauche er
tränfe Ihiumen, Sp iſt's auch gut, - wenn dir. Ju⸗
gend viel und vielerlei unduzwar Das Piele mis
Eifer, mit Liebe and Enthuſtasmus ernet, ſtudt·
Zen Fölf fe deſwegen nicht:- denm.elgeustid fülkte Sein.
Menſch ſtudiren damit er findise obeb: (ubizg
‚93
habe. Je freier. fie iu die Malt hlneln fehen, je
act id fie für die Wege der Brauchbarleit zb
es Gluͤcks erhalten werben, defto wenigere werden
ken fie werben. fleißig und. arbeitfam fenn,
um aute tuͤchtige Menſchen zu werden. Die Zeit
iſt vorbei, da man. einen Theologen feiner ſchoͤnen
Seſilkulation, oder einen. Suriften feiner ‚feinen
Aniffe wegen, zu felner kuͤnftigen Lebensart bes
ſtimmte; der Zuri und ber Theolog, der Poſe⸗
. anentierer und Tifchler.follen, obwohl in ihren ver⸗
.Schlebenen Graben, gefcheute Menſchen feyn, ‚und
ſo mögen fie werben was. fie wollen. Sie werden,
was fle.werben, gut ſeyn, mad Damit anug.
nch Ihr alſo, muntere, liebe Jünglinge,
fen wunter..auf ber Bahn eures Fleißes ‚und: Ler⸗
‚end; ihr lernt und wißt nicht wozu? glaubt aber,
: 26 wih.eud, nie gerenen; denn ihr ſchaͤrft damlt
euern Verſtand, iihr naͤhret eure Wlßbeglerde, ihr
erwerbt euch einen Reichthum von Sachen, von
Kenntniſſen der Natur, der Wiſſenſchaft, des ge⸗
meinen Lebens, ihr gewoͤhnt euch zu richtigen Be⸗
griffen, zu einem geſetzten ordentlichen Vortrage,
zu einer Regel und Richtſchnur des Denkens und
Handelns anf euer ganzes Leben. Erkennt bie
Wohlthat, die euch erzeigt wird, daß Arbeiten ab=.
gewechfelt, daß fie enrer Faſſungskraft, eurer Luft,
euerm Kreife näher gebracht werben; daß man das
Unnöthige biniveggethan, damit euch das Nothwen⸗
dige, Schöne, Nuͤtzliche defto mehr reize. Ich er⸗
mahne euch und bin gewif, daß melne Ermahnung
eure Beſtimmung, euer Mitgefühl habe. Faſt nie
habe ih bei den neueingerihteten Arbeiten
u
94
eine Klaffe verlaffen, wo ich nicht mit Sreube auf
n oder jenen gefehen, diefed oder deſſen Fleiß
md Munterkeit bemerkt, oder ein gutes Zeugniß
von biefem oder dem andern gehört Hatte. Fleißige
Schüler ermuntern ben Lehrer, Ihre Luft zu Lernen,
{ft fein füßefter Lohn. Wohlan alfo, ed zeige auch
jest jeder Edle unter euch, was er gelernt, was er
gefaßt hat. Das Eramen iſt eine Rennbahn dei
Ruhms, ein Schauplah des Flethes. Der Träge
bleibt zuräd, der Unfletßige verſtummt. Der mu
tere, feiner Sache gewiffe, wohlbereitete Schuͤler
erhält Ruhm und genießt Freude.
Und du, o Gott, Geber des Guten, Duelle alfeı
Wahrheit, du Urheber aller guten Lehre und Unter:
weiſung, ſegne die Bemuͤhungen auch dieſes heutl:
gen und ber folgenden Tage, und laſſ dieſe Fuͤrſten⸗
ſchule einen Tempel deines Geiſtes, aller guten
Wiſſenſchaft und edeln Sitten ſeyn und bleiben.
* nl
Andenken
, | Anden
Sroffeſſor Joh. Karl Auguft Mufänd, -
- gehalten ' .
Im Hörfaal des Gymnasium?
am StiftungssTag
Herzog Wilhelm Ernf
_ ju Weimar den 50. Oktober 1787.
Nachdem wir jet das Andenken eines alten
gottfeligen Färften, des Erbauers, Stifters, Ver⸗
forgers und Freundes dieſes Opmnallumg dankbar
und pflihtmäßtg begangen haben: fo laſſet ung jebt
eine andere Pflicht der Dankbarkeit und Freundſchaſt
erfüllen, und ein neueres trauriges Andenken wenig-
ſtens mit einigen herzlichen Worten feiern.
Er ift tobt, unier verdienser guter Profeflor
Muſaͤus! Ex, dem icher Mann und jabes Kind
denr Namen des Guten gibt und geben wird, wenn
er an ihn godeufer. Er ift tobt, euer Lehrer, ihr
Schier, der mir eu als ein Bruder mit Brüdern
umging, ber such liebte, fich feiner Klaſſen väter»
sich annahm, und ſich vielleicht dadurch ſelbſt man⸗
ches Uebel feines Körpers, manche Krankheit ver:
mebtte, daß er aus breamendem Eifer für feine -
°
_
—
96
Sicht feiner Pflege abbrach, und oftmals zu früh
gu each eilte. Er war. hart gegen fi, und befto
nachgebender, gütiger gegen andere: er meinte es
redlich mit Gott und ber Welt, mit feinen Mit⸗
lehrern, Schülern, mit feinen Freunden und allen
Meunuſchen. Nie habe ich ein Wort von feinen Lips
om gehbrt zum Nachthell eines andern; . viclaceſt
fegte er die Fehler anderer zum beften aus, umb
{achte gu entichuldigen, was er entfchulkigen konute.
Er war gefaͤllig unb geſelig, ohne daß. er je feiner
Pflicht abbrach; visimehr trug er die ſchwere Buͤrde
feines muͤrſamen Lebens mit fit, G
muth, Froͤhlichkeit, Scherz und guter Lame.
feufzte nicht, ex mutrte wicht; zufrkeden mit ber
Begenwart, ‚wenn fie ihm auch hart und brüdenb
war, hoffte er eine leichtere Zukunft, und arbel⸗
tete ihr froh entgegen, ob er ſſe gleich hierauf Er⸗
den nicht erreicht dat. Eln unvermutheter Tobi
ihn von und! nahm ihn feinen Schuͤlern, nahm Em
feinen Freunden. Cr wird nicht mehr wiederkon⸗
men tu diefen Saal, er wird dieß Haus und fehke
Klaffe nicht mehr betreten: wir werben ſeine Ger
ftalt auf ben Stellen, wo er ſtand und faß, wo et
feine Klaſſe umterchbtete, und mit feinem eigenen
trenen Gutmeinen beim Eramen vwerführte, wicht
mehr fehen. Ybe feine Schuͤler werdet feine gute
treumoinende Stimme, feine Eriahnungen und
Kehren, feine Scherze und Eiafäle, mit denen os
auch feine Schularbeitegbelebte, wide mehr hoͤren.
Wie iſt jebenm von eich jene gu Muthe, bee ihn
auch nur einmal in-feinem Leben. beistbigt,
unb: ib eine ſaure Wertelſtunde sehe Sal
| ISSUE
97
Wuaͤrde er nicht, Da ſein guter Lehrer, ſein vaͤter⸗
licher Freund jest todt da liegt, viel darum geben,
es nie gethan zu haben? Liebe Schüler, was bies
ſem Lehrer begegnet ift, wird früher oder fpäter
uns allen begegnen. Liebet alfo und fchonet eure
Lehrer, To lange ihre fie habt; die fpdte Reue,
wenn ihr fie nicht mehr habt, iſt eine unangenehme
traurige, vergeblihe Neue. Ehret das Andenken
eures verftorbenen Lehrers dadurch, daB ihr auch
nach feinem Abſchiede von uns, euch feiner Güte
und Liebe dankbar, feiner Erinnerungen und Lehren
gehorſam, feines Unterrichts fleißig erinnert: denn
wiflet, daß ihr ihn durch euer gutes Betragen auch
uch nah feinem Tode und in der Afche ehret.
Hätte es ihm die Vorfehung gegönnt, er würde
noch jeßt gerne unter ung feyn feine Laufbahn hie⸗
nieden aber follte verkärzt werden, und war unver⸗
merkt zu Ende. Auf eine fonderbare Weiſe trug er
ſeit efaigen Wochen fchon die Borempfindung feines.
Todes mit ſich, und ob fie ihm jeder gleich aus dem
Sinne zu reden Tuchte, und von außen alle Kenn
zeichen feiner Krankheit gegen fie waren, fo wußte
er doch, was er fühlte, nahın das Abendmahl, und
ſagte, daß er es zum lebtenmal nehme, ordnete
felnen legten Willen und ftarb, ohne daß er's Inne
ward, ohne daß er’s felbft bemerkte. Die Gottheit
gönnte ihm noch den Troſt in feiner letzten Stunde,
daß er das Bittere und Unangenehme der Trennung
In derfelben nicht fühlte, ‚und fo verließ er bie
Welt, wie er gelebt Hatte, fanft uad rubig. Ems
pfinde und genieße den Lohn In einer andern Welt,-
guter Mann, den du in diefer weder empfingeft,
Herders Werte 3. Philoſ. u. Geſch. X. 7
98
noch Augftlich ſuchteſt! Du haft bie Würde bei
Amts und Lebens bis zu dem Grabe redlih
frönlich getragen, und jebt für einen anbern nich:
gelegt,. ber fie, wie du, fo heiter und bieberbenk
tragen möge. Verſtummt find deine Scherze al
Heine Freuden; aber auch deine kranken Füße ruhe
and dürfen dic nicht mehr tragen, und dein fi:
gerftab ift deinen Händen entfunten; ruhe fanft
einer fühlen Erde, wohin wir dich, wohin di
beine dankbaren Schüler heut Abend zum lebte
mal begleiten werden. Dich drädt Fein Fluch, IH
» Geufzer in ber Erde: aber manches dankbare, gu
Andenken deiner Freunde, deiner Mitichrer, bein
Schüler, aller die dich gekannt haben, folgt N
nad. Du hatteft keinen Feind in deinem Lebt
weit du ihm nicht verbienteft, du wirſt ihn am
nicht nach deinem Tode haben; vielmehr wird W
Froͤhlichkeit deines Geiſtes auch in vielen
Schriften zu Ehre deines Namens. fortleben.
gleitet ihm alfo, die Ihr dazu verordnet werbet, hei
ſtill und dankbar; und uns, meine Herren, fol ii
Andenken unfers verfiorbenen Mitbruders auch #
feinem Abfchtede von ung lieb und werth feyn.
feinem Begräbniß=- Tage wollen wir uns die Erf
zung und Lehre erneuern: daß kein Nacheuhm ||
rein und angenehm fep, als ber Nachruhm ber Lat
feligleit, ungefärbter Redlichkeit und Hergeudgätt;
daß Feine Blume auf unferm Grabe lieblicher duſte
als das Andenken der Humanität einer reinen, fiat
lich⸗guten, gefaͤlligen, feiedfertigen und fröplihe
Seele. Wir alle müllen früher oder ſpaͤter de
Gang gehen,/den unfer Freund und Mitbruder ge
99
sangen ift, und heut gehen wird: laſſet uns fire:
ben, daß man und fo theilnehmend und herzlich be= -
Daure, wie wir biefen Mann bedauern, ber an Ein-
falt des Charafterd. und an Güte des Herzens
ein Kind, an unverdroffenem Fleiß, as ſtiller Thaͤ⸗
tigkeit und Liebe zum gemeinen Beften ein Mann,
ein reblicher biederherziger Mann war. Sauſt ruhe
feine Aſche, und Segen blühe in jedem Guten,
Das er auch in diefem Haufe in den Gelft und in die
Herzen unferer Jugend fireute ! Selig find bie
wohlverdienten Todten! fie ruhen von ihrer Arbeit
and die Frucht ihrer Werke folgt Ihnen nad.
IX.
Dom ächten Begriff der ſchoͤnen Wiffenfchaf:
ten umd von ihren Umfang unter den
Schulftudien.
Bet der Einführung eines neuen Leh—
tere. 1788. *)
N
Dem neuen Lehrer kit infonderbeit ein Theil
der Wiffenfhaften angewieſen, bie nad bem Mode:
. Der Anfang der Rede wird weggelaſſen, well er
bloß perſonell it, und für das Publikum kein Intereſſe
Hat, Eben fo der Schluß.
100 “
Ausdruck unferer Zeit bald die fhönen, bald die
reellen Wiffenfhaften genannt werben. —
Da es nun fowohl In Beſtimmung ale In Anwen:
dung dieſes Begriffs aufden Kreisder Schul
wiffenfhaften mancerlei Mißverftändniffe und
Irrungen gibt, durch welche bie Jugend felbft fe
weit verführt wird, daß fle oft als ſchoͤne Wiſſen⸗
fhaften liebt, was fie fliehen, und dagegen vera:
tet, was fie fchäßen follte: fo hoffe ih dem Swed
der heutigen Verſammlung nicht zuwider zu har
dein, wenn ich vom Achten Begriff ber fogenaunten
fhönen Wilfenfchaften und vom Umfang berfelbe
unter den Schulftudlen rede. Ich rede inſonderhei
für die Ingend, und maße mir nicht an, Erwach
fenen über biefe Materie etwas zu Tagen, was fi
nicht ſchon wüßten, oder felbft vieleicht beffer al
ich überdacht haben; um fo vielmehr aber wird ihre
Nachſicht mir ein geneigtes Ohr gönnen, je mek
fie felbft die Folgen überlegt und wahrgenommen
haben, die aus einem irrigen und verfehrten Be
griff diefer Sache nad) dem Gefhwäs unferer Seit
bei Jungen und Alten nothwendig entfichen märffen,
wenn ſolche nicht durch eine richtige Idee verbeflert,
und gleichfam mit der Wurzel audgerottet werben.
Den Alten, Griedien und Römern, war be
Ausdruck„ſchoͤne Wiſſenſchaften,“ ſo fern fie den
gründlichen oder gas den nüßlichen -Wiflenfchaften
entgegengefeßt werden, nicht bekannt; unb Doch find
fie es, bie das Schöne in jeder Wilfenfchaft un
Kunſt des menfchlichen Verſtandes am fcharffinnigftei
erforfcht, und am glädlichften geübt haben. Di
Griechen nannten das, was wis Ihöne Wiffenfchaf:
101
en heißen, Künfte der Mufen, und verbanden ba-
mit dem Begriff, den bie. Römer nachher durch das
Wort literae humaniores oder studia humanitatis,
wie mich duͤnkt, ſehr gluͤcklich ausdruͤkten. Sie -
verftanden dadurd alles, was den Meufhen zum
Menſchen macht, was die Gabe der Sprache, der
Vernunſft, der Gefelligkeit, der Theilnehmung an
andern, der Wirkung auf andere zum Nußen der
gefammten Menſchheit, kurz alled, was uns über
das schier erhebt, und die feyn lehrt, die wir ſeyn
follen, ausbildet und befördert. Ohne Zweifel
werben wir mit biefem Begriff auf den würbigften
und nüßlichiten Zweck geleitet, ber unferer Natur
vorgeftedt iſt, und ber fogleih alle die Mißver-
ftändniffe, alle die Heinen und ſchlechten Nebenbe⸗
griffe ausfchließt, die In dem Wort fchöne Wiſſen⸗
fchaften nach dem heutigen Modegebrauch Liegen.
Denn bei diefen iſt man fehr geneigt, fich entweder
bloß eine mäßige Befchäfttgung mit dem, was
ſchoͤn iſt, vieleicht ohne Anwendung und Ausübung
zu denfen, oder gar alles Nuͤtzliche, Schwere und
Sründlihe auszufchließen, und mit einem bloßen
Wortgepraͤnge, mit einem Flitterſtaat In Bildern,
in gezierten Ausdräden, In Spibenmaßen, und
romanhaften Eintleldungen davon zu laufen; dahin⸗
gegen der Begriff der Alten, nah welchem nur
das ſchoͤne Wiſſenſchaft if, was bie
Menfhhett in ung bilden, zieren und ver:
edeln, was unb für die Geſellſchaft brauchbar, tuͤch⸗
tig, und derfelben angenehm machen kann, damit
uns alfo.auch die edelfte Freude, den fehönften Ge⸗
nuß unfer ſelbſt gewähret, und auf ganz andere
.
102
Wege leitet. Laſſen Sie und fehen, 5. V., wie bie
Alten biefen würdigen Begriff anwandten, imd was
von iefer Anwendung in den Kreis ber Schulftudien
gehöre. .
Sprache iſt's, die ben Menfhen vom ſtummen
Thier unterfcheldet; ohne fie fände der Gebrauch
der Bernunft nicht ftatt, und dieß herrliche Geſchenk
des Himmels bilebe eine todte, nutzloſe Babe,
wenn fie nicht duch Worte gleihfam lebendig,
brauchbar und nuͤtzlich wuͤrde. Alles alfo, was von
Kindheit auf unfere Sprache ausbildet, was uns
vernänftig, genau und beſtimmt, mad und ange⸗
nehm, Leicht überzeugend oder herzbewegend fpre:
deu lehrt, bildet in uns den Sinn der Menſchheit
und das edelfte Werkzeug aus, mit andern Mens
fhen zufammen zu leben und für fie zu wirfen.
Hierin haben es nun die Griechen und Nömer viel
leicht allen andern Nationen der Welt zuvor gethen,
und ich fürdte, daß fie in der Geſchichte Immer
die Einzigen ihrer Art bleiben werden. Ele hat:
ten ihre Sprade, und mit berfelben ihren Ge⸗
ſchmack, ihre Vernunft, Ihre Beredſamkeit, unb
. wag fie den Sinn der Menfchheit nannten, fo aus⸗
gebildet, wie wenige oder vielleicht keine neuere
. Sprache hat ausgebildet werden können, weil jene
Anlaͤſſe dffentlich zu reden, und durch den Vortrag
auf eine große Menge, ja auf die wichtigften Glie⸗
ber bed Staats zu wirken, bei den neueren Bölfern
felten oder gar nicht ftatt gefunden Haben; viele
andere Urfachen zu geichweigen. Unter folhen Ver:
anlaffungen nun, da In Poefie und Profe der öffent:
liche Vortrag alles galt, bildeten fi die Sprachen
—
|
103 ’
der Griechen und Römer zu einer beftimmten Ge⸗
nauigkeit, zu einer Macht, Harmonie und Schön-
heit, die auf dem Markt ober auf ber Schaubühne,
vor den Wichterfiühlen oder in einem erwählten
Kreife von Zuhörern und Kennern jene Wunder
wirkten, von denen bie alfe Gefchichte ung erzählet.
Man fprah von menfhlichen Dingen zu Menfchen,
zu gegenwärtigen Menſchen, die man unterrichten,
überzeugen, rühren, ermweichen, lenken oder bilden
‚wollte: Nothwendig alfo fehte man zu diefem Zweck
‚alles in Bewegung und vernachläffigte eben fo weniz
das Ohr ald das Herz der Zuhörer, das man er-
fhüttern, die Phantafle, die man erregen, ben
Verſtand, den man uͤberzeugen wollte. Man uͤbte
ſich, dieſen Zweck zu erreichen, von Jugend an,
brachte es in der Fertigkeit, beſtimmt, ſchoͤn,
maͤchtig, reich, flleßend, oder mit Nachdruck zu
reden, ‚zu einer Höhe, vor welcher ung jetzt ſchwin⸗
"delt. Beinahe aus dem Stegreife hielt Cicero feine
\ Rede für den Nofelus: in wenigen Tagen hielt er
‚ Teine catilinariſchen und philippiſchen Reden ſchnell anf
einander: in weniger als zwei Monaten fchrieb er
feine drei Bücher von der Natur der Götter, zwei
‚ von der Divination, feinen Laͤllus und Cato: in
‚ weniger ale drei Fahren alle feine philoſophiſchen,
und die meiften rhetoriſchen Werke, nicht nur bie
wir haben, fondern auch viele, die untergegangen;
und das alles nicht in einer trägen Muße, fondern,
mitten im Strom einer firudelvollen Republik, ums
ter einer Menge bee wichtigften, ſelbſt gefahrvoller
Geſchaͤſte. Wer das thun will, muß gewiß feine
"Seele befigen, und ſowohl feine Sprache als einen
104
reihen Vorrath von Sachen, Kenntuiffen und Er⸗
faprungen bereit haben. Eben fo erftaunen wir,
wenn der griedifche Sophofles einige achtzig Trauer:
ſpiele, viele in kurzer Zeit, ſchreiben Fonnte, Deren
Reſte wir noch bewundern: wir erfiaunen über bie
Menge Schriften, die von Ariftoteled, Plutarch,
Polybius, u. a. angeführt werden, und die alle
doch das Siegel ber Vollkommenheit auf fich tre-
gen; welches nebft vielen andern Urſachen aud
daher rührt, daß die Sprachen, In welden fie Dad)
ten, redeten und ſchrieben, genau und fchönge-
bildete Sprachen waren, und fie im Gebrauch ber:
felben durch unermuͤdete Hebung eine Faͤhigkeit er-
langt hatten, welche wir nur zu oft verſaͤumen.
Mer von Schreibern und Striblern getraute fid,
Bücher zu machen, die in Anfehung der Schreibart,
noch mehr aber in Anfehung ber Denfart an bie
Einfalt und Pracht, an die Kürze und Fülle, an
die Reinigkeit und Beftimmtheit jener alten Mei⸗
fterwerfe reichten? Wer getrauete fih, es in fo
kurzer Seit zu thun, wie jene es gethan haben?
Alfo fteden diefe Altvaͤter der menfchlichen Geiſtes⸗
bildung, als ewige Mufter des richtigen, guten
nnd geübten Geſchmacks und der fchönften Fertigkeit
im Gebrauch der Sprache vor und; an Ihnen müflen
wir unfere Denk: und Schreibazt formen, nach ih⸗
nen müffen wir, Menfchen nüßlich zu werden, un⸗
ſere Vernunft und Sprache bilden. So wie ber
Künftler, wenn er fih gleich den Apollo und Anti⸗
nous, die Töchter der Niobe, und den Laokoon
ſchwerlich zu erreichen getrauet, dennoch mit unver⸗
ruͤcktem Fleiß diefe Meifterwerke ber alten Kunft
u
|
*
105
nachzeichnet, nachformet und ſtudiret, weil er an |
ihnen die höchften Negeln der Kunft wahrnimmt: fo
follen auch wir die Mufter der alten Denfart, und
an ihnen ihre Einfalt und Würde, ihre beftimmte
Genauigkeit und Wahrheit, Ihren Wohlklang, ihre
ſchoͤne Ründe und Harmonie, ihre Kürze mit ihrem
Reichthum zum Morbilde unferer Gedankenweiſe
und unſeres Vortrages, Infondergeit in frühen Tah-
ren, unabläffig ſtudiren. Dieß thun wir nicht nur,
um Latein fpreiben zu Finnen, wiewohl auch dieſes
ein rühmliher, müslicher und beneldenswerther
Zweck iſt, fondern nah Art der Alten denfen und
ſchreiben zu lernen, gefekt, daß wir auch in ber
Sprache der Hottentotten fohreiben müßten. Denn
auch In der Hottentottenfprache wuͤrde man gar bald
den erkennen, der aus dem Eafialifhen Quell der
griechiſchen Mufen getrunfen, oder fetnen Ausdrud .
zur Beftimmtheit und Würbe der römifhen Schrift-
fteller gebildet hat. Er möge nachher Briefe oder
Alten, Predigten oder Qufttungen zu fchreiben ha⸗
ben; nie wird ex ſich undeutſch, und unvernünfttg,
binfend, Lahm, umnverftänblich, ohne Zuſammen⸗
hang, oder fchlelend ausdruͤcken, nie feine Schreib:
art mit unnuͤtzen Tavtologieen burchweben, und
wenn er es einer finnlofen Mode wegen thun muß,
genießet er wenigſtens des Innern Gluͤcks, daß er
die Thorheit einfiehet und fie verachte. - Der
Stun der Humanität, d. 1. ber dchten Menfchen-
vernunft, des wahren Menfchenverflandes, der
reinen menſchlichen Empfindung tft ihm aufgeſchloſ⸗
fen, und fo lernt er Nichtigkeit und Wahrheit, Ge⸗
nanigfeit und innere Güte üben alles ſchaͤtzen und
⸗
106
Heben: er ſucht nach dieſen Grazien ber menſchlichen
Denkart und Lebensweiſe allenthalben, und freuet
ſich uͤber ſie, wo er ſie finde: er wird ſie in ſeinen
Umgang, in ſeine Geſchaͤfte, von welcher Art dieſe
auch ſeyn moͤgen, einzufuͤhren ſuchen, und ihre Tu⸗
genden auch in ſeinen Sitten ausdruͤcken lernen:
kurz, er wird ein gebildeter Menſch ſeyn,
und ſich als einen ſolchen im Kleinſten und Groͤßeſten
zeigen. So die humaniora in alten und neuen
Schriftftelern ſtudiren, iſt etwas andere, als wie
jener es nannte, die galantiora nach neueſter Art
und Krnſt tteiben; bei welchen galantioribus man⸗
cher ſo weit kommt, daß er ſogar ſeine Sprache ver⸗
gißt, und weder grammatiſch noch ſelbſt orthogra⸗
phiſch zu ſchrelben weiß, geſchweige, daß in ſeinen
Vortraͤgen und Aufſaͤtzen an einen gebildeten Men⸗
ſchenverſtand oder an eine richtige Menſchenvernunft
zu gedenken waͤre.
Sind meine Grundſaͤtze bisher richtig geweſen,
m. Fr., ſo ergibt ſich, daß, was in den Schriften der
Alten und Neuen zu Bildung der Humanitaͤt eines
Menſcher, inſonderheit eines Juͤnglings dienet, auch
zu den humanioribus gehoͤre; es möge ſolches Bes
redſamkeit oder Poeſie, Philoſophie oder Gefchichte
beißen, Es iſt fchon gefagt, daß bie Alten jene
Unterſcheidung zwiſchen ſchoͤnen und gründlichen Wiſ⸗
ſenſchaften nicht kennen wollten; ihr Schoͤnes mußte
gruͤndlich und ihre Gruͤndliches ſchoͤn, d. i. uͤberzeu⸗
gend, erweckend, ruͤhrend geſagt werden, oder es
fehlte beiden Stuͤcken ihre zweite Hälfte. Die Re⸗
ben des Demofihened, Eicero und anderer großen
4
. 107
f ‘
Griechen und Roͤmer waren Keine eiteln Uebungen,
ihre Verfaffer als fhöne Geiſter und witzige Köpfe
zu zeigen, ſondern gerichtliche oder Staatsreden;
die fchöne Schrift des Cicero über die Pflichten war
eine Anweiſung für feinen Sohn, und alfo gleichfam
das moralifhe Teſtament eines Waters, wie meh:
tere feiner philofophifchen Schriften nichts als ern-
ſte Darftelungen feiner eigenen Grundſaͤtze find,
durch weiche er ſich ſelbſt aufklärte und in guten Ge-
finnungen flärtte. Eben fo ernfter Art find die be=
ften philofophifchen Schriften der Sriechen aus der
Sotratifhen, Pythagoraͤiſchen und Stoiſchen Schule.
Weber Eenophons noch Platons Schriften, weder
Pothagoras, noch Epiftets und Mark: Aurels
Grundſaͤtze find zum Zeitvertreib verfaſſet worden,
um etwa mit fchönen Worten und Bildern zu fpie-
len: fie unterrichten den Verſtand, fie beffern das
Herz, fie find und gewähren wirklih Studia huma-
nitatis. Geber, der einen Sinu für dad Wahre
und Gute dat, muß ed im Innern fühlen, daß es
ihren Verfaſſern damit ein Ernſt gewefen, und daß
fie die Früchte der Weisheit, Die fie für Ihre See⸗
len gefammelt hatten, dadurch auch andern zur Auf⸗
Flärung und zur Uebung, zum Troſt und zum Nus
gen mittheilen wollten. So iſt auch die Gefchichte
ber Alten durchaus pragmatifch geſchrieben, ob fie
gleich dieſen Namen nicht brauchte: fie beſchrieb Ge⸗
Schäfte und Thaten; fie wollte aber auch Tünglinge
und Männer zu Befchäften bilden, daher fie denn Re⸗
den, Grundfäge, Charaktere in ihre Erzählung
floht und überhaupt die ganze Geftalt annahm,
durch welche die alte Gerichte ſich von der Hiſtorle
4
\ 108
der Neuern fo ſehr unterfheibet. In alle biefem
ſuchte man das Schöne nicht als einen Filtterftaat,
fondern als den wefentlihen Theil eines Haren,
richtigen, verftänbigen, bildenden Vortrags. Man
forgte für die Wohlgeſtalt und für die Geſundheit
des Körpers und verlieh fich darauf, daß ein wohl⸗
gebaueter, feiner, Eräftiger, gefunder Körper ſchon
durch fich ſelbſt fhön fey. Um die Wahrheit hievon
einzufehen, barf man nur bie Schriften der Grie⸗
hen und Nömer fowohl in der Beredſamkeit als
Dichtkunſt, In der Philoſophie und Geſchichte mit
den Schriften ber mittlern, ja zum Theil der neuern
Zelten vergleihen. An Schminfe und Putz fehlte
ed den Mönchen mancher mittleren Sahrhunderte
nicht, mit welchen fie ihre Predigten und Ge⸗
dichte, ihre philofophifchen Abhandlungen und Chro⸗
niken balfamirten: und dennoch find ihre Werke Miß⸗
geftalten, entweder todte Gerippe, oder Leichname,
die einen uͤbeln Klofter- und Mönchsgeruch von ſich
sehen. Warum? Es fehlt ihnen am sensu huma-
nitatis, an Geſundheit des Verftandes und Voertra⸗
ges, an Ebenmaß, Nichtigkeit und Wahrheit. Das
Kleine und Große ift ihnen gleich wichtig: Die
Wahrheit und Lüge gleich angenehm, unb wenn
diefe zum Vortheil der Kirche und ihres Standes
gereichte, war fie ihnen meiſtens weit angenehmer,
als die verhaßte reine Wahrheit. Ste fahen alles
mit Moͤnchsaugen an; bie ganze Menfchheit erfchten
Ihnen nur im Gefichtefreig ihres Klofters, daher fie
auch durch ihre Schriften nicht Menfhen, Bürger,
Staatsmänner, fondern hoͤchſtens Kloſtergeiſtliche
stehen Fonnten, die wie fie felbft, prebigten, bete⸗
— — — — —— — en — — — — — — —
109
ten, gereimte lateiniſche Verſe und trockne ober er⸗
kuͤnſtelte Chroniken ſchrieben. Was würden Grie⸗
hen und Römer ſagen, wenn fie aufſtuͤnden und
viele unferer gepriefenen fchönen Werke Idfen! ja
was würden wir felbft dazu fagen, wenn fie, in's
Latein oder in's Griechiſche überfeht, als alte Hanb-
ſchriften uns in bie Hände fielen! Schon bie Ueber⸗
feßung in biefe alten Sprachen tft ein gefährlicher
Probierftein, ber das falfche Gold unbeftimmter Ge⸗
banken, ansfchweifender Bilder, ungefügter Perio⸗
Den, leerer Wiederholungen in feinem ganzen Bes
truge zeiget. Man, vergleiche doch bie alten Geſetze,
die Befehle der Kalfer, bie Anmahnungen und Re⸗
- ben der Feldherren und Phllofophen, die Erzaͤhlun⸗
gen der Geſchichte mit unjern Geſetzen und Edikten,
mit unfern Abhandlungen, Predigten und Alten;
es müßte ein Blöbfinniger ſeyn, ber richt den Un⸗
terſchied fühlte. Womit wir Seiten füllen, das
faßten fie in wenige Worte; worüber wir oft Bücher
fchreiben, das glaubten fie am beften dadurch zum
ehren, baß fie Feine Splbe davon erwähnten. Wie⸗
berum bemerken fie ſowohl in der Gefchichte als im
der Sittenlehre und Poelie, Züge des Charakters
ber Menihen, bie uns bei veränderten Sitten mei⸗
ſtens verborgen bleiben, und lehren uns die menfchlis
he Seele, den Gang der Leidenfchaften, die Srunbs .
ſaͤtze des Betragens Ihrer handelnden Perfonen nd= -
her und fruchtbarer Kennen, als der größefte Haufe:
neuerer Autoren. In biefem allen erweden und
bilden fie den Sinn der Menfchheit von vielen Sei⸗
ten, fie Ichren dad honestum und decens fn öffent:
lihen und Privatgefchäften Eennen, und pflanzen
110
die Lebe zu bemfelben In bas Herz bes aufmerkſa⸗
men Lefers, fie unterweifen in ber Philoſophie bes
Lebens auf eine Flare, gefehte, angenehme Weiſe
and enthalten alfo wirklich humaniora, d. f. Kenuts
niffe und Uebungen zu Ausbildung bes ebelften
Theile der Menfchheit, des Verflandes, des Ge
ſchmacks, des Vortrages und fittlicden Lebens. Auch
in den neueren Schriftftelern, wenn Ihre Werte den
Namen ſchoͤner Willenfchaften verbienen follen, koͤn⸗
nen wir doc wahrlich nichts Anderes, wenigſtens
nichts Edleres und Belleres ale diefes lernen: denn
Bloß zum Vergnügen, zur lekren Waterhaltung ber
Phantaſie oder zum Vorrath eines Geſchwaͤtzes von
fhönen Geiſtern, Dichtern, Künftlern, Nomanfchreie
bern u. f. Schöne Wilfenfchaiten treiben, tft eine
geiſt- und zeitverderbende Unternehmung. Sur
Menfhheit und für die Menfhhelt ge
bildet fol unfer Gelft und Herz werden, und was
und dazu bildet, iſt studium humanitatis. Außer
den genannten Wilfenfchaften möchte Ich alfo au
nicht gern die Mathematit von blefem Kreife bilden:
der Kenntniffe ausfchließen, da fie es eben fft, bie
durch finnfihe Figuren nebft dem, was an ihnen
bemerkt und erwiefen wird, unfere Aufmerkfamteit
mehr als irgend ein anderes Stublum auf abftrakte
Wahrheiten richtet, an ihnen mittelft der vorgegeichs
neten Figur feſthaͤlt, auch fowohl die Hand als Das
Auge, noch mehr aber die betrachtende Seele zur
richtigen Senaufgfeit gewöhnet. Da nun der Menſch
für ale Gefchäfte bes Lebens nichts Beſſeres lernen
Tann, als Aufmerkſamkeit, zu ſehen was ba iſt,
woraus ed entfpringt und was aus ihm folget: fo muß
ıll -
billig, wie. Pythagoras an feinen Lehrfaal ſchrieb:
„Niemand komme ohne Geometrie herein!’ an bie
Thür ber obern Klaffen eines Gymnaſiums gefchries
ben werden: Niemand gehe ohne Geometrie her-
aus; und fo wären denn, wenn wir alles zufammen
nehmen, Sprachen, Schreibart und Vortrag, Ge⸗
ſchichte, Philofopkle und Mathematik, die fchönen
Wiſſenſchaften, die bie Jugend bilden, alfo im edeln
Sinn ber Alten die humaniora. ‚ Ste geben unferm
Verſtande Nichtigkeit und Gewißheit, unfern Sit:
- tem Srundfäge, unferm Gedaͤchtniß einen nuͤtzlichen
Vorrath von Kenntniffen und Erfahrungen; unferer
Einbildungskraft verfchaffen fie einen edlen Flug
über den tragen Gang bes gemeinen Lebens, und
geben zugleich unferer Sprache Sicherheit und An⸗
ftand, eine gefällige Harmonie und Geſchicklichkeit,
über jeden Gegenftand, über jedes Geſchaͤft des Le⸗
bens zu fagen und zu fchreiben, was für Ihn gehöret.
Daß zu ihnen auch Drthographle und Kalligraphie
nöthig fey, berfteht fih von ſelbſt: denn wer ung
den Thönften Auffag In Schriftzügen barreichte, wie
fie etwa ein wühlender Ruͤſſel in der Erde hervor⸗
bringen würde: der rühme ſich ja Feiner fchönen
. Künfte. Die nothwendiaften, unentbehrlichſten
Schulwiſſenſchaften find Lefen, Schreiben, Rechnen;
wer fie am verftändigften, fertigften, fchönften treibt
und auf alle Welfe In feiner Gewalt hat, der hat
Damit den Grund zu tanfend nuͤtzlichen Uebungen
. gelegt, die alle auf fie gebauet werben.
Meine Rede If Iänger geworden als ich dachte;
die Nothwendigkelt ihres Inhalts für unfere Schul-
N
112
ingend mag ihre Länge entfhuldigen. — Und fo
wende ich mich zu Ihnen u. f. f. *)
X.
Weber den Vorzug der dffentlichen oder Privat:
Schulen. 1790.
Einer der befannten Gemeinpläße, auf weichem
fih auch noch zu unferer Zeit die große Anzahl der
neuern Padagogen umherzutummeln pflegt, tft der
Streit über deu Vorzug der öffentlichen oder Pri⸗
vatſchulen; und esift Diefer Frage ergangen, wie es
- allen allgemeinen Fragen geht, man bat fie fo ober
anders entfchleden, nachdem man für dieſe oder jene
Seite eine Vorliebe hatte, und alſo wilfürtih en
mehreres Gewicht in die eine ober die andere Wag⸗
fhale legte.
Wären oͤffentliche Schulen das, was fie ſeyn
follten, fo wäre, wie mich bünfr, bie Frage durch
ſich felbft entſchieden: denn cin öffentlides Gut if
befler als ein befondereg, und ein Strom, aus wel:
chem Hunderte trinken können, iſt befler als ein
kleines ſtehendes Waller, welches mit green Koften
zehn oder zwölf in Bells nehmen. Nur gehört zur
guten Einrichtung öffentlicher Schulen fehr viel, mehr
als in unfern Staaten gewöhnliher Welfe geletjtet
wird, und, fo lange gewiffe Vorurtheile der Bars
barei herrſchend bleiben, geleiftet werden kann.
*) Solgte noch die Anrede an den neuen Lehrer.
-
- — — — -
“118
Sol nämlich eine äffentiihe Landesfchule werden,
was fie feyn foll, fo muß fie auch ald Kandes-
ſchule betrachtet werden. Der Staat muß ihr bie
Aufmerkſamkeit ſchenken, die ihr ale der wichtigſten
Angelegenheit des Staate, durch welche feine kuͤnfti⸗
gen Bürger und Diener in allen Ständen geblibet .
werben follen, gebührt. Die Lehrer derfelben nıäf:
fen zu leben baben, und nicht wie der Lafttragende
Eſel nah einer Reihe ermattender Stunden von
Dornen und Difteln fih nähren dürfen. Ste müffen
auch in ihrem Stande geehrt werden, und nicht Im
Anſehung ihrer Perfon Hinter einen Schreiber ftes
hen, der nichts mehr als Buchſtaben zu mahlen weiß.
Die Schule muß kein ftaubiger Kerker fepn, in wel-
chen wie in eine dunkle Höhle iunges Vieh zuſam⸗
mengetrieben werde, damit es frohlodenh hinten
ausfhlage, wenn es bem Kerker entlommt. Die
Arbeiten muͤſſen alfo vertheilt und die Lehrſtellen
alfo befent feyn, daß der Lehrling nicht in der einen “
Klaſſe vergeffen dürfe, was er in der andern ge:
Lernt hat, fondern wie an eineni Faden der Etkennt⸗
niß und Weisheit ununterbrochen fortgeführt werde.
Der Vortrag muß alfo befhaffen feyn, dag er die
ganze auch zahlreiche Klaſſe befchäftige, und nicht der
eine Flügel im Todesſchlaf liege, indeß der andere
exercirt. Nebſt der Lehre muß auf die Bildung gu:
ter Sitten gefehen werden, damit der Knabe nicht,
ie höher er kommt und je gelehrter er wird, auch ein
defto größerer Flegel werde, und nicht fehon In den
oberen Klaffen alle die Bläthen abgeworfen habe, bie
in den.untern an ihm lockten. Es mäffen Feine boͤ⸗
fen Sefellfhaften, keine Klubbs der Verführung,
Herdere Wertes. Philoſ. u. Feſch. X. 8
Ai
.
114
Feine ftummen Lafter, Leine groben Sitten und Se:
wohnheiten in einer Klaſſe ftatt finden: denn alles
dieß ftecit wie eine Veit an, und macht eine Schuie,
bie eine Werkftätte des reinen Geiſtes ſeyn ſollte,
zu einem Stall ber Chiere unb zu einer Höhle dei
Satans. unge Leute, bie blühend und umverber
den hineinkamen, fiehet man in Eurzer Seit mit wel⸗
kendem Geſicht, mit erlofchenen Augen, mit leicht⸗
finuigen ober tölpifchen Geberden wie gefallene Er
gel umbergehen; fo daß Ihnen ſpaͤterhin nichts uͤbri⸗
bleibt, als die Zeit, die fie in ber Öffentlichen Schul
zubrachten, als einen ertöbtenden, bürren Herbf
anzufehen, den fie mitten in Ihrem Frühling erleb⸗
ten. Finden alle diefe Fehler und Vorwürfe be
einer öffentlichen Schule nicht ftatt, iſt fie in jede
Klaſſe und jeder Arbeit berfelben, unter jedem Le}
rer, fowohl in Anfehung der Willenfchaften, in de
nen er zu unterrichten, als der Sitten, bie er p
bilden bat, das, was fie feyn fol; und geniefe
dann der Lehrer die Aufmerkfamfelt, Belchumy
und Achtung, die er und fein Wert verdienet: fi
wird wohl Fein Verfiänbiger einen wohlgegrümbetn
oͤffentligen Tempel ber Willenfchaft und guten Er
ziehung für jene Meinen Dianentempeldhen Hinge
den, mit denen man unter grünen Baͤumen burd
manche Modekuͤnſte unferer Seit Ahgdtterek treibet.
Manche diefer Spielwerke haben ſich ſchon in ihre
Nichtigkeit gezeigt- und bei andern fürchte ich, beb
manche Megenten, bie eine öffentliche Schule wer:
achten, bloß weil fie eine alte, nicht von ihnen 3
gruͤndete Anftalt iſt, die Gefchichte des Hundes hı
. deu dfopifhen Zabel fpielen, ber das Fleiſch falle
"115
tleß, bad cr im Munde teug, ünd nach dem Schat⸗
ten bes Fleiſches im glänzenden Strom ſchnappte.
Jeder öffentlihen Anftalt iſt alfo daran gelegen,
die Vorwürfe in fi zu heben, die man allen öffent:
lichen Anftalten macht, und da ich bier Leider nicht
von den Bliedern des Staats, fondern nur von ben
Gliedern der Schuie felbft zu reden habe: fo will
ih nur drei diefer Vorwuͤrfe ausheben, und nad
- meinem Beduͤnken bie Mittel zeigen, wie Ihnen zu
entkommen waͤre.
Der erſte Vorwurf iſt, daß bei ſo zahlreichen
Klaſſen, als meiſtentheils in oͤffentlichen Schulen ſind,
urnmoͤglich alle Lehrlinge derſelben zu jeder Zeit ge⸗
nunpgſam beſchaͤftigt werden mögen. Der Vorwurf
hat viel Wahres, und unſer Gymnaſium fühlt die
Buͤrde deſſelben grugſam. Allerdings find die mei⸗
ſten Klaſſen zu ſtark beſetzt und ber Lehrer ſind zu
wenige. Wie indeſſen der Schiffer, der auf dem
hohen Meer gegen den Wind fährt, nicht feine
..Hände finten läßt, ober feine Steuer und feine Se:
gel dem Winde und den Wellen Preis gibt, fondern
: mit defto größerer Kunft die Segel richtet und feine
Steuer lenkt: fo hat auch der Lehrer auf feinem gro⸗
sen Strom einer zu zahlreichen Klaffe defto mebr
Aufmerkſamkeit und Anſtrengung, defio mehr Wahl
und Behutfamfeit nöthig. Er ließe völlig felne Se:
gel und feine Steuer finten, fobald er die Bequem:
tchleit wählte, einen Theil bex Klaſſe muͤßig zu laſ⸗
. fen, indem er fich ruhig mir dem andern befchaftiger.
Auf einmal iſt biebei der Gemeingeift ber Klaffe,
ber public spirit feiner öffentlichen Schule verloren.
Run träumt der eine Theil feines gelehrten Vatall⸗
116
lens, indeß ber andere arbeitet: et hängt feinen
Gedanken nah, pder treibt böfe Dinge, bloß weil
er fih fagen kann, „du bift vor jetzt nichts «ls
ein Auſcultant, d. i. zu beutfch, ein Maulaffe. Und
weiß er, daß er dieß unwuͤrdige Amt ganze Stun:
ben ober gar halbe Jahre lang beileiden Darf: fo
wehe bdiefen ſtummen Pythagoraͤern! In einem
halben oder Vierteljahr ermattet gewiß ihr su
weit bie Hoffaung des Fanlen fie beguͤnſtiget:
iſt noch Zeit, in einem halben Sabre wirft du per
wohl reden lernen.”
Ich weiß wohl, was zu dieſer unſtreitig fehler:
haften Einrichtung Vorſchub gegeben; die Schwaͤche
ber Ankoͤmmlinge naͤmlich, bie aus niedern Klaſſen
in höhere hinaufgehen und als unbefiederte Wögel
im Neft ſitzen muͤſſen, indeß die vor ihnen find, nn:
berfiiegen. Sie koͤnnen kaum zirpen, indeß fie mit
den Dbern der Klaffe fingen follen, und find alfo er:
baͤrmliche Säfte, eine Laſt ihrer Meitfchäler und eine
noch größere Laft des Lehrers. Gegen dieß Ber
derb alfo, den Riegel alles guten Fortganges in ber
gefammten Klaffe, fol jeder Lehrer, der von gefeb-
ter männlicher billiger Denkart if, mit allen Kräften
kaͤmpfen. Er weiß ia, wie weit bie Schüler ſeyn
muͤſſen, bie in eine andere Klaffe übergehen, und auf
dieß Stel des Fleißes hat er mit allem Ernſt und mit
einer edlen Ehrliebe zu halten. Es koͤmmt "gan
und gar nicht darauf an, welcher Schiller felbft uw
einer in die andere Klaffe fpazieren will, als ob et
eine Promenade machte; fonbern ob er hinüber ge:
fest zu werden verbient.. Und bie ganz gefeßwibrtge
Gewohnheit, daß öffentiic ein Ausgebot der folgen:
117
den Klaſſe gehalten, und die Schüler gefragt wer-
den, wer ſich zur Translocation melde? follte, wo
ſich noch Nee derfelben fanden, mit Stumpf und.
Stiel ausgerottet werben. Gott fragt Feinen, ob er
in's folgende Leben translocirt werben will: fondern
er translocirt nach ſeinem Gefallen, und der Lehrer,
der Billigkeit, Ehre und Pflicht fuͤhlet, wird bei dem
Eramen über nichts beforgter feyn, ale wen er dag
| Zeugniß der Translocation gebe. Er wird denken:
was du nicht willt, das die gefchebe, das thue an=
bern and nicht; und je mehr Er gefühlt bat, wie
fehr unreife Früchte die Geſundheit verderben und
unreife Ankoͤmmlinge den ganzen Lauf ber Studien
In einer Klaffe jioren: was jeder derfelben vor ein
Muͤhlſtein ift, den er feinem Nachbar anhängt und
was für eine Stodung im ganzen Körper einer
Schule jahrjaͤhrlich dadurch entftehe;. deſto mehr
wird er nach der Ehre fireben, nie einen Unmwärdigen
translocirt zu haben: denn der Unwuͤrdige iſt ein
Vorwurf für ihn, und ein Slede In der höhern-
Klaffe auf feinen Namen. Die Uebel fängt von
unten an, und muß von unten hinauf geheilt wer⸗
Den. Iſt's aber einmal gehelit, und der Zuftrom
aus Klaſſe in Klaffe in der geſetzmaͤßigen Wahrheit,
Sicherheit und Ordnung: dann wird jeder Lehrer
feine Ankoͤmmlinge mit Freude annehmen. Sie.
ſtoͤren ſodann feine Klaffe nicht: fondern bringen
meuen Fleiß in diefelbe. Eben mit diefen Ankoͤmm⸗
lingen wird er fich_alfo Im erften Wierteliahre am
meiften beichäftigen, daß fle feiner Methode nach
mit marfchiren lernen und den gefeßmäßigen Schritt
halten. Wo er einem oder dem andern, ditern
118
- oder jüngern nachhelfen muß, wird er’s in Privat:
ftunden thun; immer aber es zum Hauptgeſetz fel-
ner Methode mahen, daß nie jemand und ber
Schwaͤchere am wentgften müßig bleibe. Denn
nohmals gefayt, fobald eine Klaffe nicht ganz bes
ſchaͤftigt iſt; ſo Hatfieihren Allgemeingeift ver:
. Toren, und biefer tft der Spiritus rector, der das
Ganze zufammenhält, und ohne welchen der größte
Theil einzelner Glieder verwefet.
Der zweite Bormurf, ben man ben Öffentlichen
Schulen macht und den ich jeßo beräbren kann, iſt:
dag In den zahlreichen Klaffen auch alle einzelnen Lek⸗
tionen nach einem Schnitt getrieben werden, daß ba
fie alle auf's latelnifche fo eingerichtet find, als ob
wie alle naͤchſtens römifhe Bürger zu werden be⸗
fürchteten, fie auch die Schuͤler alle nah dem Latein
ordnen und jede andere, für und nöthigere Kenntnif
unr als ein Nebenwerk behandeln. Ich werde die Ant⸗
wort dieſer Frage hier nicht erfchöpfen, und den pu⸗
ren puten lateiniſchen Schulen Feine Vertheidigungs⸗
rede halten; indeſſen iſt, duͤnkt mich, der Fehler,
wo er wahrgenommen würde, ohne alle Mühe, ja
mit Vortheil zu andern. Ed kommt nur auf eine
richtigere Einthellung der Arbeiten an: denn es
bleibt den Kinde und dem Sünglinge bei unfern
zahlreichen Schulftunden, die bei einem Privatun:
terricht fi ſchwerlich ohne große Koften in der An:
zahl veranftalten laffen, Zelt genug, neben dem
Nuͤtzlichen auch das Entbehrlihe, und neben dem
Entbehrlihen auch dag Nothwendige zu lernen. Ya
felbft, daß in einer Klaffe mehrere Arbeiten getrie-
-ben werden, mact ia die Lehrlinge derfelben eben
119
nicht zu Bäumen, bie in die Erde gewurzelt find
und fi nicht von ihrer Stelle bewegen mögen. Man
Hat mehrere Schulen, wo bei jeder neuen Arbeit
auch die Schüler felbft der Ordnung nach wechfeln.
Ber ineiner Lektion in Prima fißt, Fann in einer an⸗
dern in Secunda ober Tertiä ſitzen, wenn er darin fel-
nes Platzes in prima nicht werth iſt; und ich ſaͤhe
nicht, warum, wenn einmal ein allgemeiner Geiſt
der Ordnung und des unpartelifchen Fleißes eine
Schule befeelte, dieß nicht in jeder öffentlichen Schule
feyn Eönnte? Keiner hat In feiner Klafie einen Plag
gepadtet, wie man in den proteftantifhen Kirchen
Kirchenſtuͤhle, und In ben Fatholifchen Kirchen Stühle
im Himmelreich löfet; vielmeht erfordert es jede
gute und billige Adbminiftration ber Schule, daß je:
dem der Platz zukommt, auf welchen er geböret.
Um alfo auch in unferm Gymnaſio hiefelbft lang⸗
fam zu geben, wird, nach geendigten Ferien dieſes
Examinis der Anfang hierin damit gemacht werden,
Daß in jeder Klaſſe bei jeder neuen Arbeit die Schuͤ⸗
Ler den Rang einnehmen, den fie bei diefer Arbeit
verdienen. Die Inteinifche Lektion bleibt die vor-
nehmfte, und gleihfem die ſtehende Arbeit, die
dem Schüler feinen vorzüglichen, perpetuirlihen -
Rang gibt: denn ein Gymnaſium iſt eine lareinifche
Schule, und die lateinifche Sprache ift Das Werkzeug - |
der Wiflfenfchaften und Künfte, Auch bei der Theo⸗
logie bleibt es in bdiefer Ondnung; weil Religion ei⸗
gentlich nie der Zankapfel eines gelehrten Wetteifers
werden muß. Bet allen andern Wiflenfchaften aber,
3 B. ber Mathematit, Geographie, Geſchichte,
griechifchen und ebräifchen Sprache, bei der Natar-
120
gefhichte und Naturkunde, in den untern Slaffen
bei der Arithmetik, dem Schreiben, eignen Auffägen
u. ſ. f. werden fortan die. Schiler auch in ihren
Plaͤtzen wechfeln, und ihrem Fleiß und Fortfchritten
nach in Ordnungen vertheilt werden. Es iſt bier:
bei nicht auf eine eitle Ehrbegierde angefehen, die
ich In Vergleichung mit ber innern Liebe zu den Wiſ⸗
fenfchaften ſelbſt für eine Kleinere, ja fogar oft ge:
faͤhrliche Triebfeder halte; "fondern auf die Megel
der Billigkelt und Ordnung felbf. Denn warum
follte, wie e8 oft zu gefchehen pflegt, ein fleißiger
und tüchtiger Knabe yon einer untern Bank aufge:
rufen werden müflen, weil die, die vor ihm fisen,
Naciaffige find? Und warum follte Er nicht den
Plan, der Ihm von Gott und Rechts wegen vor dieſen
tachläffigen gebirhrt, Inne Haben? Es kommt bloß
darauf an, daß die Lehrer bei'm Anfange ihrer Ar-
„beiten eine Prüfung vornehmen, und einen pflicht⸗
mäßigen Ueberſchlag machen, welchen Plaß jeder ih:
rer Lehrlinge bei jeder Ihrer Arbeiten einzunehmen
verdiene; und dag diefe Ordnung mit Öffentlicher
Autorltät eingeführt werde. Ste wird hierdurch
eingeführt, und bei jeder der genannten Lektionen
wechfeln Fünftig die Kehrlinge In allen Klaſſen. Ich
werde bei der erſten Einrichtung feyn, und auch das
Zünftige Eramen wird nicht anders als alfo vorge-
nommen werden. Bei jeder neuen Arbeit werben
die Schüler Ihre Plage verändern; vor der Hand
nur in einer und berfelben Klaffe. Sch hoffe aber,
es wird eine Zeit kommen, da wir fie auch in Alaf:
fen verändern koͤnnen; da, wer in prima zu einer
rektion untüchtig iſt, auch In secunda fihen Fann,
„
121
und wer In secunda zu einer Zeftion in prima tuͤch⸗
tig ift, auch primam befuchen darf, ohne daß im
mindeſten die Orbnung der Klaffen geftört werde.
Dieß wird Feuer und Nacelferung in die Schüler
Bringen, weil fie ſehen, daß man allenthalben auf
ihren Fleiß, aufthre Fortſchritte, auf Serechtigkeit
und Billigfelt achtet. Jede neu angehende Lektion
wird Ihnen eine nee Klaffe werden, und jeder. wird
ſich beftreben, den Ort In einer Arbeit nicht zu ver-
tieren, den er fin in einer anbern erworben hat und
ben ihm ſein eigener Fleiß, die Billigkeit und dad
Recht zutheilte. |
Der dritte Vorwurf betrifft die Sitten öffentlf-
Her Säulen, und bier muß ih mich an euch wen-
den, ihr Schüler: Ihr wiffet dag Spruͤchwort, daß
ein verpeftetes Schaf die ganze Heerde anſteckt, und
manche von euch werden es verführend oder verführt
an ihren eigenen Erempela wiffen, was eine öffent-
lihe Schule fey. Alles Gute und Boͤſe theilt ſich
mit, Fleiß, Eifer, Aufmerkſamkeit, Artigfeit, gute -
Eitten; aber auch Faulheit, Nachlaͤſſigkelt, nichts:
würdiges, liederliches Gewaͤſch, Grobheiten und
boͤſe Geſellſchaft. Ihr ſeyd alſo in dem Fall, auch
ohne daß ihr's wiſſet, au bauen oder zu zerſtoͤren,
zu verderben und verberbt zu werden, oder andere
aufzumuntern und Sterne zu feyn, die auch für an-
dere glänzen. Welches von beiden mwollet Ihr wer-
den? Unſer Gymnaſium iſt In einer Nefidenz:, und
zwar, welches noch Arger iſt, in einer Heinen Reſi⸗
denzſtadt, wo fih jede Verführung, die auch außer
dem Kreiſe des Gymnaſiums Legt, ſehr leicht auf
bafielbe aushreitet. Jeden Hinter Fommen Komoͤ⸗
122
dianten her, und zwar großenthells elende Komoͤ⸗
dianten, die fchwerlich verdienen, von einem Men⸗
fhen, ber Geſchmack hat, Jahraus Jahrein gefehen
zu werden. Für euch iſt dieſe Außerft mittelmaͤßige
Bande gar nicht; glaubt mir dieß auf mein ehrll⸗
ches Wort. Ich halle das Theater nicht; ader ein
ſchlechtes Theater iſt das idmmerlichfte Ding, nicht
nur unter der Sonne, fondern auch bei Abenblich-
tern. Und ach mit biefer Bande einzulaffen, mit
Komddlanten Umgang zu haben, Komoͤdiantenwei⸗
ber zu befuhen, Komöbdlanten Ihre Rollen abzu-
fchreiben, und dergleichen, tft einem Gymnafiaften
durchaus unanſtaͤndig. Mer fih hiebet dad Ge:
tingfte zu Schulden kommen läßt, wird, wenn er eine
fuͤrſtliche Wohlthat genießt, ſogleich derfelben ver-
luſtig, und, wenn er fein Verhalten nicht aͤndert,
aus dem Gymnaſio felbft ausgeſchloſſen werden,
Ihr Habt an zwei oder drei eurer Mitfchüler eine
Probe, wohln-der Umgang mit Komöblanten fie ge-
bracht hat, und dieſem Uebel Toll fernerhin nicht
nachgefehen werden. Ein gutes Theaterſtuͤck zu
ſehen, iſt Feine Sünde; nach fchlechten aber zu lau⸗
fen, tft nicht nur Sünde, fondern ungereimt,. ab:
geſchmackt und Eindifh. Auch für euch wird bie
Zeit kommen, daß ihr Theaterſtuͤcke fehen könnt und
beſſere, als hier groͤßtentheils geſpielt werden.
Jetzt aber iſt die Zeit fuͤr euch noch nicht da. Ihr
habt andere Geſchaͤfte, und euer Geſchmack iſt noch
nicht gebildet, um ein gutes und ſchlechtes Stuͤck
unterſcheiden, oder das erftere gehörig nutzen zu
Tonnen. Die Heinen Verdienſte uͤberdem, ſich
durch Abſchreiben ber Mollen einen Freiplap auf dem
⸗
123
Varterre und dergleihen, zu erwerben, find für
einen Gymnaſiaſten niederträchtig und abſcheulich.
Komoͤdianten will unfer Gymnaſium nicht ziehen,
und wer bas zu werden Luft bat, reife Lieber heute
als morgen. on
Alle Tabaks-, Bier- und Spielgefellfchaften
find für ein fürftiiches Gymnaſium die größte Schan⸗
De, und doch muß ich's bedauernd fagen, daß fie
nicht ausgetilgt find. Die künftigen Herren Dorfz
ſchulmeiſter üben fih zum Theil im Tabaksrauchen
ſehr, und andere junge Herren laffen es daran auch
nicht ermangeln. Einer hindert den andern durch
feine unzeltigen Befuhe, damit er ja nicht allein
ein fauler Bauch bleibe; und fo breitet ſich das
Uebel dermapen aus, daß man bei manchen jungen
Leuten, die hieher Eommen, in Eurzer Zeit einen
DBerfallder Sitten, eine Rohheit und Schlendrigfeit
wahrnimmt, über die man erfchridt, Indem man
fie bedauert. Mit aller Macht fol diefem Uebel‘
gefteuert werben, und ich bitte alle Lehrer und
Freunde der Echule aufs Uagelegentlichfte, ihm
fteuern zu helfen. Alle Tabaks-, Bier: und Spiel:
gefchafter machen fich des Gymnaſii verluftig, und
das mit der aͤußerſten Unehre, in nach Befinden der
Umftände mit öffentlicher Schande.
Endlih muß ich vor einem Lafter warnen, das
ich mich felbft zu nennen ſcheue. Der Schuldige
wird's wilfen, ohne daß ih es nenne, und den Un:
ſchuldigen werde ich nicht ärgern. Wer rechtſchaf⸗
fen ift, und es von feinem Mitfchüler weiß, der
zeige es an; fein Name fol verfchwiegen bleiben.-
Der Ungkädfelige, der es treibt, und dazu einen
124
feiner Mitſchuͤler verfährte, ihr habt eine Suͤnde
auf Euch, die ihr in eurem ganzen Leben nicht gut
machen Eönnt, ihr habt eure Jugend vergiftet, ben
Keim eurer Gefundheit zerftört, und Brandmahle
in euer Gewiffen gefest, die euch zeitig genug qua:
len werden. Für eure verfuͤhrten Mitfchäler aber,
wollte Gott, Ihe waͤret nie geboren.
Gib deine Furcht einem jeden in’ Herz, allge:
genwärtiger heiliger Gott, daß er vor jeder Sünde
ſich wie vor der vergiftenden Schlange fchene.
Pflanze Liebe zur Wiſſenſchaft in jedes Juͤnglinges
Gewuͤth, fo wird er den Muͤßiggang und die ver:
führende Luft, jeden Irrgang böfer "Gefellfchaften,
ſchlechter Sefprähe, grober Sitten und niedertraͤch⸗
tiger Laſter, wie eine Peſt der Hölle fliehen. Er
wird die Wahrheit Heben, weil fle ſchoͤn iſt, Artig⸗
feit und Tugend, weil fie wohlgefällig macht bei
Die und bef den Menſchen, den Fleiß, weil er bie
Seele bt und ein neues Leben ſchafft, die Ord⸗
nung, weil fie unentbehrlich und nuͤtzlich iſt zu allen
Gefhäften.
Jetzt wollen mir unfere Arbeiten anfangen,
meine fämmtlihen Freunde, Lehrer nnd Schüler;
ich hoffe und bin es gewiß, daß wir und mit einan-
der erfreuen, und dieß Eramen für alle Klaffen ein
Feft des Fleißes und Ruhmes feyn werde.
Noch habe ich den meiften Lehrern öffentlich zu
danken, für den Fleiß und Eifer, den fie Im vergan-
getten Sahre auf die Ausarbeitung ber ihnen aufge
‚ tragenen Lektionen gewandt haben. Es hat ihnen
Mühe gekoftet, allein diefe Mühe tft, wie ich ans
dem Beiſpiel einiger Klaffen weiß, von fehr gufen
f
125 >
Folgen gewefen, und wird fih auch in ber Folge
innen reichlich belohnen. Noch wenige Schritte, fo
ift der Berg überftiegen und wir können und unferer
Arbeit freuen. Der Lehrer einer Schule -fdet gewiß
nicht in's Meer; er fireuet feinen Samen auf ein
Land, wo er hie und da gewiß feine gute Stätte
findet.
XI.
Rede
vor ber Beerdigung bes Direktors
bes fürftt. Gymnaſiums zu Weimar,
Serrn
Johann Mich ael Heinze,
gehalten
im Hoͤrſaal bes Symnaflumg,
den 9. Oftoder 1790.
Hochgeſchatzte Tranerverfammlung,
und Hebe Schüler.
Br wir ſind in dieſer naͤchtlichen Stunde hier ver⸗
fammelt, um. bie entſeelten Gebeine eines Mannes
se feiner Gruft zu ‚bringen, ber die Ehre unferer
‚Stadt und Schule, einer der nüplichften Mitbürger
unferes Landes und une allen würdig der Hochach⸗
r
126
tung ımd Liebe war. Und ich babe deßwegen Sie,
meine Herren, ale feine Freunde, Kollegen und Let
chenbegleiter an dieſen Ort bemähet, um nach ih
Ihrer theilnehmenden Gegenwart mit freundfchaft:
liher Hand in wenigen Worten einen Ehrenkra;
anf den Sarg zu legen, dem wir jetzt zu feiner fie
heftätte begleiten. |
Er iſt dahin, euer Lehrer, ihr Schuͤler, die ihr
anjent ald Berwalfete nicht nur von außen im Trauer:
gewande, fondern auch, wie ihr ed thatlih um
wahr bewiefen habt, allefammt mit Innerer dankbe
rer Rührung um mich und vor mir fichet. Crit
dahin, euer geehrter und geliebter Xehrer, und a
wenigen Minuten werdet ihr die ehrwuͤrdige Leiche
den Weg bin tragen und begleiten, auf dem fie
nimmermehr zu biefee Schule, nimmer zu ihrem
Haufe miederfehret. Wenige Wochen ſind's, du
wir noch in dieſem Saale den guten Greis nadı fel
ner Krankheit wie verjüngt und munter fahen, als
Elnige von euch zur Geburtstagsfeier unferes La
desfürften Reden vortrugen, an welhe Er feine
letzte Hand gelegt hatte. . Wir dachten bamald
nicht, daß wir ihn zum Ießtenmal in biefem Saale
fähen: wir dachten beim lekten Examine, an wel:
Kemer noch alle feine Kräfte zufammennahm,, und
den Entwurf feiner Arbeiten aufs folgende Jahr
mit neuem Muthe vorlegte, nicht, daß feine Lauf
bahn fo bald unterbrochen werden würde. - : Ste fl
jet geendet, feine fhöne, ſtille Laufbahn, auf wel:
her ihm Gott das feltene und große Gluͤck eines
guten Alters verliehen hat, daß er, bis auf die letz⸗
ten Lebenstage feinen Geſchaͤften treu und In ihnen
127
smermübdet, den Tob als feinen nicht erficheten,
- aber auch nicht gefürchteten, willlommenen Freund
aufnahm. Er iſt zur Ruhe gerufen, ber In feinem
Werk redliche und treue Knecht Gottes: fein Tage:
werk auf Erden tft vollendet:
Spargite humum foliis, inducite fontibus umbras
Et tumulum facite et tumulo superaddite carmen
O juvenes, mandat fieri sibi talia Noster,
Zwanzig Jahre war unfer Lehrer das Haupt
diefer Schule und ich bin fünfzehn Jahre mit ihm
geweſen. In ftilem Gange ift diefe Zeit dahinge⸗
firichen: die Jahre find wie ein Traum vorüber.
Die Jahre find vorüber; aber das tn Ihnen gelelftete
Gute bleibt: es iſt dauernd In menſchlichen Seelen
und jetzt ein unverwelklicher Kranz auf des Derftor-
benen Grabe. ie manche hunderte von Schälern
haben während dieſer Zeit feine Lehre genoffen, und
die Frucht feines Geiſtes, feiner Mühe als einen
guten Samen in ihrer Bruſt verwahret. Einige
von ihnen find fhon berühmte Männer und glänzen
als Lehrer auf ſremden Akademien, oder haben in
Schriften fi ale Lehrer der Nation gezeigt; andere
find es noch nicht, aber fie werden es werden. Und
da hat es fich Immer gefunden, daß ie mehr jemand
ans der Schule unfers Lehrers davon gebracht, und
feinen Unterricht fih recht eigen zu machen gewußt
hatte, deſto mehr auch derfelbe feinen alten Lehrer
ſchaͤtzte und ehrte. Nur diejenigen waren gleich:
gültig gegen ihn, bie ald leere Köpfe in feine Klaffe
- Samen, und als leere Köpfe diefelbe verließen.
Diefe hielten fih an die dufere Schale, weil fie
[88
128
den Kern nicht zu nuͤtzen wußten; verſtaͤndige und
treue Gemuͤther nutzten an Ihrem beſcheidenen, guͤ⸗
tigen Lehrer feine Kenntniſſe und Gelehrſamkeit,
die Frucht vieler Arbeit und Muͤhe, ſeinen richtigen
und feinen Geſchmack, mit welchem er Sprachen und
Wiſſenſchaften vortrug: bie Form feiner Denkart,
nach den fhönften Muftern ber Alten gebildet, ging
auch In ihre Seele über. Noch eine größere Anzahl
feiner Schüler, die nicht berühmt wurden (denn nicht
jeden führt ſeine Laufbahn zum gelehrten Ruhme)
find in allerlei Aemtern und Ständen braudyhare
Männer geworden, und auch unter denen, die jegt
feine Leiche begleiten, find einige feiner wärbigen,
dankbaren Echüler. Gie, meine Herren, vertreten
alfo den ganzen Chor aller der Abwefenden, die in
unferm Lande oder in andern Ländern von unſerm
fel. Lehrer zum Dienft der Willenfchaft oder ber
Gefchäfte gebildet und von Ihm auf Akademten oder
in die Welt gefandt find. In deren aller Namen
thun Sie jest den lebten Gang mit ihn, und win
fchen feinen verfiorbenen Gebeinen eine fanfte Ruhe
im Grabe, -felnem Geiſt aber Freude und Erqul⸗
dung im Reiche Gottes, wo alles Gute belohnt
wird, Im Lande der ewigen Güte und Wahrheit.
%
Unfer verftorbener Lehrer hatte zuerſt fa Wit:
tenberg und Leipzig vom Sahr 1756 Bid 41 den völ:
ligen theologifchen Curſus gemacht, und auf denfel-
ben ſowohl ald auf bie mit der Theologie verwand⸗
ten Wiffenfchaften 6 Jahre (eine längere Zeit, als
manche Theologen von Profeflion auf fie zu wenden
pflegen) verwendet. Ach erinnere rulch noch eines
j Gollegii,
129
Collegii, das er felbft über bie ebrälfhe Sprache
sachgefchrieben, und mir bei einer Veranlaſſung zur
Anſicht mittheilte: fo wie wir und auch oft Stun-
denlang über die fchwerften theologifhen Materien
amterbielten. Und dennoch maßte ex fih den Na:
men eines Theologen nicht an, und verbat beftän-
dig den Unterricht In ber ebräifhen Sprache, weil
er dieſe, wie er befheiden meinte, nicht in dem
Grad verftände, wie ein Lehrer fie verftehen müßte.
Eine feltene Beſcheidenheit, die eben den Meifter
verraͤth: einen Meifter, der, was er nur halb
wußte, gar nicht lehren mochte, und der im brei an⸗
dern, der griehifhen, Iateinifhen und deutſchen
Sprache, die er als Meifter verftand, ed genugfam
geprüft hatte, was dazu gehöre, eine Sprache recht:
fchaffen zu lehren. Das Oriechifche des neuen Te= -
ſtaments erklärte er befto feiner und fchöner: er
kannte den Genius biefer Schriften: feine Anmer:
- Iungen über den Zufammenhang ihres Sinnes wa-
ren kurz und treffend, fo daß er mit einem Baͤndchen
Obſervationen darüber fih einen neuen Ruhm hätte
. erwerben können. Bis In die letzten Jahre feines
Lebens unterließ er nicht, auch das Neue zu lefen,
das zu Erläuterung derfelben erfchlen; und aus bem
sorlegten Beſuch, den er mir gönnte, erinnere ich
mich noch fehr wahrer und feharffinniger Urtheile,
die er über eine nenerfchlenene Weberfeßung des
neuen Teftaments. fällte. Die Wahrheit der chrift-
lichen Religion und ihrer Gefchichte lag dem redli⸗
hen Greiſe ſehr am Herzen; außer unferm eigent-
lichen Berufsgeſpraͤche vom Unterricht und Bildung
ber Tugend habe ich Ihn faſt über keine gelehrte
Berder's Werte 5. Phil. u. Geſch. X. 9
180
Beier fo fo pehnehment u forgfäise medien
ven ei über diefe. Es war ihm bange und —
ber Licenz aller dergleichen verderdlichen Schriften,
die auch in die Haͤnde der Tugend kaͤmen, in iyee
Gemuͤthern hervorbringen müßte. Mehrmals ba
er ſich's aus, über bes Grotkus ſchoͤnes Buch von
der Wahrheit ber chrifilichen. Roligion eine obgen
Stunde halten zu koͤnnen, unb faſt bi6 an ben ie
feiner tenten Krankheit dußerte unb wiederholte a
ſehnliche Wuͤnſche nad einem recht guten theolag:
fen Lehrbuch. Sein Unterricht in der Mekigien
ging dahin, feinen Schülern eigentliche und wohl
verftandene bibfifche Wahrheit zu lehren, unb fx
mitt alle dem zu verfchonen, was fie boch mit der
Zeit wegwerfen müßten. Da er weiter als andert
fahe, fo Fonnte ihm nothwendig nicht jede Behand⸗
lung ber Theologte gleich angenehm und wife:
men feyn: fein ſehnlicher Wunſch giug alfo dahin
doch einmal ben Inbegriff der heiligſten und nett
wenbigften Wahrheiten von fcholaftifchen Spitzfindig
gelten, die weder dem Verſtande Stich halten, med
das Herz beſſern koͤnnen, gereinigt, und in dem Lid
dargeſtellt zu fehen, In welchem fie das Gemuth der
gend und des gemeinen Mannes gleichfam wos
ſelbſt gewönnen und an fi zögen. Er felbft trauett
es fi, bei der ihm eigenen Befcheibenheft, nicht mu
etwas dergleichen zu unternehmen; er wuͤnſchte
aber, daß es von andern gefhähe, und hat mich m
meinem Theil darum mehrmals erſuchet. Die et:
tung vom Schriften, die hierin einſchlagen, Hebte er
434
fee m und.noch.im letzten Actys haben wir hei Gele⸗
genheit bes. Andenkens an den fel. Jeruſalem eine
Mede von ihm über deſſen Vertheidigung ber. Reli:
gion mit großer Empfehlung und Theilnahme ger
birt. Spaidings ſchoͤne Schrift über die Beſtim⸗
mung des Menſchen hat er. in.fhönes Latein über-
tragen, und er wuͤnſchte ſich, wie er mehrmals ſagte,
jünger zu ſeyn, um auch meine. Schrift über den
Geiſt ber. biblifchen Poeſie, durch eine Ueberſetzung
in's Latein. auch andern als Deutfchen befaunt ma:
hen zu können. Ale feine moraliſchen Neben und
Ausarbeitungen, 3. B. über den Werth der Seit,
den Nutzen der Schule, bte- dreifache Unſterblichkeit
des Namens, Ruhms und der Seele, athmen ben
Geiſt eingr-gepräften Meligion, und ſein Leben ſprach
daruͤher noch mehr als feine Schriften. Immer
habe ich ihn mit ber. größten Hochachtung, bie mir
ER ot gegen ihn einflößte, von Gott und
Thriſtus fprechen hören, uud er vermunderte ſich
über die neuen: Splafndigfeiten, bie man. in bie
Beweife vom Daſeyn Gottes bringen wollte. In⸗
ſonderheit war er mis Dankbarlelt gegen.Golt über
alles in ſeinem gehen. genoſſene Gute durchdrungen,
ſprach gern vum den Proben ber väterlichen Vorſe⸗
hung, die ex in ſeinem Leben erfahren, war aͤußerſt
zufrieden mit. feinem Schidſal, aͤnßerſt zutrauend
gegen Gott uͤber die Zulunft in und nach dieſem Le⸗
Deu, Er freuete ſich mehr des Gluͤckes der Seinen
als ſeines eigenen Gluͤckes: der Ruhm und bie Be⸗
Rederung ſeines Sohnes z. B. war ihm jederzeit
en Andenlen voll zarter inniger Vaterfreude. Mit
gxoßer Heiterleit ſprach er vom Tode und ging ihm
152
mit einer Zufriedenheit, die eines Achten griechifchen
Weiſen würdig war, entgegen. Er hatte geprüft
was Sriehen und Römer an Troftgränden gegen
denfelben ausgebacht hatten, und theilte ſolches in
Ueberſetzungen und Neden mit; er felbft aber hielt
fi an die Troftgrände der hriftlichen Religion, und
fang (dei deu Proceffionen an den Wilhelmd- Tagen)
das Lied darüber mit Glauben und Andacht. Sept
iſt er über die Dämmerung diefes Erdenlebens hin
weg, and genießt fchanend die Morgenröthe himmll⸗
cher Erkenntniß und Einſicht.
- = Candidus insuetum miratur limen Olympi
Sub pedibusque videt nubes et sidera —
In Göttingen zog des Phllologen Geßners Be-
Ranntſchaft und Umgang Ihn von der Theologie zur
Philologie über, deren Studium und Anwendung
nachher die vornehmſte Berchäftigung feines Lebens
wurden. Wie ganz er, fowohl im Ausdruck der la-
-teinffhen Sprache, ald in den Grundſaͤtzen über dag,
was Bildung des Geiſtes, der Sitten, bed Vortra⸗
ges u. f. heißt, ein treuer Schüler der Denkart Geß⸗
ers gewefen, zeigen feine fchönen Abhandlungen,
pe Fleiß in der Inteinifhen Sprade und Schreib-
aart, vom Gebrauch des Iatelnifhen Wörterbuch;
daß Grammatik, Rhetorik, Poeſie In den Schulen
zu lehren fey; feine Gedanken über alte und neue
Uebungen der Schreibart, von der grammati—
hen Auslegung dbeutfher Dichter, vom
Werth der allgemeinen Lefebegierde, von ben Merl:
malen guter Naturen junger Leute nach der Regel
Mes Sokrates, von ber Lebe zu den Wiſſenſchaften,
133
als dem einzigen, beften Grunde, bas Stubirem
zu erwaͤhlen, vom Zweck und Nutzen bes hiſtoriſchen
Unterrichts in den Schulen: daß die neueſte Ge⸗
fchichte mehr Vergnügen gebe, als die alte, aber
Dagegen ſehr ungewiß fey; ſeine fchönen Abhandlun⸗
gen; Honorificum esse optimis seriptoribus trac-
tari in scholis; de genere dicendi naturali, de
arte facile discendi; In sententiam Aristotelis:
Adolescentes spe vivere; In dietum Catunisz
adolescentem, in quo senile est aliquid, et se-
nem, in quo est aliquid adolescentis, probo;,
Consideratio dicti Horatiani: sapere aude; de:
nmotione autoris classici; de felicitate discen-
tium in scholis, und noch neulich feine Verglei—
hung des Cicero und Ambrofius in ihren beiden
Schriften de officiis, nubd jeder andere Auffag vom
ihm zeigt, bei jener gründlichen Richtung der Ge—
Danfen und des Ausdruds, die Ihm Immer das
erfte, heilige Gefeß der Schreibart war, auch dem.
liberalen, milden, philofophifhen Geiſt, der nur
durch's Lefen der Alten genährt und angefacht wer—
den Fonnte, und unter den beften Philologen auch
Geßners Schriften vortrefflich auszeichnet.
Es iſt diefer Gelft jene wahre Humanftät und
Urbanitdt der Alten, fowohl In Wahl der Materie,
als in Gedanken und im Ausdrud: ein Geſchmack
bes Nihtigen und Wahren, des Einfachen, Gutes
und Schönen, ber ſich nicht befchreiben läßt, aber
defto mehr empfunden wird, wenn man dergleichen.
- Schriften und andere alt= oder neumodiſche barba=
riſche Auffäge mit einander vergleihet. Wer dieſen
Achten Styl der Alten fi In jungen Jahren vicht a
-
154
eigen gemacht bat, erlangt khu ſchwertich In Tätern
Jahten, er möge an feiner Schreibart fünften, wie
lange er wolle; und was bad fonderdarfte iſt, es
lernt ſich ein folder Stol, es bilder fi ein folcher
Geſchmack nicht Leicht ohne den Unterticht eines le⸗
Bendigen Meifters. Hingegen wer ihn fh einmal
zu eigen gemacht Hat, ſey er Theolog, Juriſt, oder
wäg er wolle, dein bleibt er immer und einig; ee
nimmt tn feine Kunſt oder Wiſſenſchaft bas Gefuͤhl
der Humanitaͤt und Urbanitaͤt, des Guten, Richti⸗
gen und Schönen, Im Sinne der Alten mit hinuͤder.
Freuet euch Alfo und ſeyd ſtolz barauf, Ihr Schuler,
daß ihr noch in die Zeit gekommen feyd, ba ein
wahrer Römer euch Latein lehrte. Jebe Aniner⸗
fung, jede Lehre deffeiben, die ihr In enern Papie⸗
ren habt, aus dem nun erblichenen Munde biefes
Lehrers, fen euch werth; feine lateiniſchen nud
deutſchen gefammelten Schriften, ſeine Ueberſetzun⸗
gen aus den Alten, ſeyen In euern Händen, denn
je mebr ihr bie Alten Itebgewinnen werdet, befto
mehr werbet ihr auch die Anwelfungen biefer Art
Ifeben fernen. Was von der Iatelnifhen Sprache
gilt, gilt auch von ber deutfchen. Alles, was der
fellge Mann über die Grammatrlt und Proſodie
derfefben gefchrieben und nachher feinen Heinen
Schriften größtenthells eingerädt, bat den Beifall
ber größeften Kenner der beutfchen Sptade erhal:
ten, und Leffing 3. DB. fprach von ihm als vom
richtigften und feinften Srammatifer unferer Spraihe.
Einen ſolchen Mann habt Ihr zu euerm Lehrer ge-
habt. Wohl dem, der den Unterricht deffelben ver:
ſtaͤndig und rechtfchaffen gebraucht und zu ſich feibft
185
jagen kaun, er ſey Im Geiſt und au Fleiß, nicht
dio dem Namen und ber Klaſſe nah, deſſelben
Squͤler geweſen. War er dieß, ſo wird er dieſen
Seſchmack tren und rein ſich erhalten, ihn weiter
diſden, die Alten, Griechen und Römer, zeitle⸗
dens üeben, und nie durch Barbarei, durch ein
Iagenium horridum et inficerum den Namen und
die Aſche feines Lehrers ſchmaͤhen.
Wie nichtig und vorübergehend find auch bie
edelften Bemühungen, Gaben und Erwerbe in die⸗
fem fterblihen Leben! Unſer Seit, dieß Himmels⸗
Fuͤnkchen, der Hauch aus dem Munde Gottes, iſt
an einen hinfäligen, zerbrechlichen Körper gebune
den, ber mit den Jahren altert, und zuleht hinſinkt.
Hin iſt alsdann fuͤr die Mitlebenden jede ſchoͤne
Gabe, die ſich dieſer unſichtbare Bewohner einer
irdenen Hätte durch Fleiß und lange Uebung zu
eigen gemacht hatte; bie Hütte zerfänt, und ber
Satin aufbewahrte geiſtige Schatz gehet für ung ver-
ioren. Er läßt fich nicht vererben, nicht durch Ge⸗
Schenfe ober Teftamente vermachen; von jedem, ber
ihn befiden wid, muß er aufs:neue, durch eigne
2
Mühe erworben und errungen werben; fonft gehet
er, wie bei fo viel Känften ber Fall gewefen, mit
wenigen Menihen, auf lange Zeit: ganz und gar zu
Grabe. ft wollen die Worfehung bitten, daß fie
den Geiſt Achter alter Gelehrſamkeit bei und nicht
antergehen laſſe, daß In einem Gymnaſium, fin
welchem unter viel andern ruhmwuͤrdigen Männern
Tellarius, Gefner, Heinze gelehrt haben, nie die
Barbarei, oder ein Trödeltram ftatt alter, Achter
136 - -
Waare anflomme, unb daß der Geiſt vorgenannter
Maͤnner gleichfam unfterblich in ihm lebe.
Und nun, meine Herren, wollen wie an unfer
traurigfreundfchaftliches Sefchäft gehen, und das,
was an unferm Freunde Erde war, ber Erde geben.
Mit Hochachteng und ſtiller Ehrerbietung, ihr
Schüler, naht euch der Leiche eurers Lehrers,
und traget den übergebliebenen Reſt feines irbifchen
Daſeyns fanft in feine Schlaflammıer , zu feiner
Nubeftätte. Nie werde von euch fein Name anbers
genannt, als mit Dankbarkeit, Ehrerbietung und
Liebe: denn es iſt edel und ſuͤß, einen Vater und
Lehrer auch in feinem Grabe zu ehren. Er war
ein milder Mann, von geblldeter Seele, von ſanf⸗
tem, zartem Herzen, auch im Gefühl der Freund⸗
ſchaft; er tft zu felnen alten Freunden, an bie er
jederzeit mit Zärtlichkeit und Achter, alter Treue
dachte, zu feinem Schmidt, dem er bald nachzufol⸗
gen glaubte, und auch bald nachgefolgt ft, jet bin
über. Er ruhe fanft! und babe für feine ftillen
Derdienfte feinen Lohn in der Welt des Lohnes.
Uns allen aber gebe Gott, wenn ed und frommt und
gut iſt, ein fo gleichmuͤthiges, frohes und bei taͤg⸗
lichen Sefchäften ruhiges Alter, und wenn imfere
Zelt kommt, ohne Krankheit, Sram, Sorge, Bes
fümmerniß und Peln, ein heiteres fanftes Entfchla-
fen! Have, bone senex, änima culta, pia,
candida, have!
137
Zufaßg zu diefer Rede:
Ans einer nah feiner Zuruͤkkunft aus
Stalten 1789 gebaltenen Rebe ge-
bört folgende Stelle hieher.
„Ich habe bei meiner Rüdkunft ein Buch ge⸗
funden, das auf manche Fahre dem, der es liefet,
eine Reihe Schulreden erfeßen kann, und das ich
nicht nur als ein Ort: und Zeitandenken, fondern
als einen Freund und Wegweifer in bie Hände
fammtliher Schüler der erften Klaflen dieſes Gym⸗
naſtums wünfhe; es find unferd Herren Direktors
gefammelte Schriften in lateinifcher und
deutfcher Sprache. Nicht nur iſt der Inhalt derfel-
ben dem größten Theil nachaus den naͤchſten Be⸗
duͤrfniſſen unferer Zeit in Abficht auf Schulunterricht
und Erziehung bergenommen, fondern fie fallen
auch eine folhe Menge bewährter unb feiner Re⸗
geln zur Bildung der Denk- und Schreibart in bei⸗
den Sprachen, fo manche auf Erfahrung gegründete
fruchtbare und fchöne Bemerkung über Wiſſenſchaf⸗
ten und Studien In fih, und find außerdem in der
reinen, feften, Elaren und bündigen Sprache ver
faßt, die allenthalben den Meifter zeiget; daß fie
mir (ich darf es ohne Schmeichelet fagen) wie Er⸗
fheinungen aus einer alten beflern Beit vorgekom⸗
men find, und mich In dieſen erfien Tagen ſeit
meiner Ruͤckkunft fonderbar unterrichtet und erfreut
baten. Sie zu nennen und jedem fleißigen Schüler.
zu empfehlen, fey dießmal allein der Inhalt dieſer
{
*
E88
Einleitungsrede. Wenn jeder berfelben fi die auf
Regeln gegründete, fihere, helle und fchöne Deut:
art in den Jahren des Unterrichts hieſelbſt mit
Liebe und Luft zueigen machte, fo würde fich unfer
Gomnaſium unter andern Schulen fo trefflich aus:
geichnen, wie fi unter einem Schwall von. Mode⸗
Schulfchriften dieſes Buch auszeichnet.’
—
2.3
Schulen, eine Lffentliche Landeöfache zum |
gemeinen Beten.
\ dei der Ginfüßrung des Herrn Ditektors Böttigee
und Hrn. Sub: Kimrektöors Stiebri;) 1791.
—
Da ſich nicht vermuthen laͤßt, daß alle Glieder
dieſer hochgeneigten und ſchaͤtzbaren Verſammlung
dem lateiniſchen Vorttag der bisher geführten Hanb-
kung in allem anf eine leichte und unbeſchwerliche
Weife haben folgen koͤnnen, fo erlauben Ste mir in
meiner Mutterfprache, die ohnebem tiefer ans Herz
dringt, noch einige wenige Worte.
Nah allen Stätwänfhungen und Frenbigem,
was bei einer Eheeinſegnung gefagt warb, wird
and an das Kreuz erinnert, fo Gott auf biefen
Stand gelegt hat, und vieleicht gehört es auch zu
meiner Yllht, bei der Einführung ber neuen Leh⸗
zer und Ihrer Verlobung mit diefer Schule, deſſel⸗
139
gen zu erwähnen. Um aber thft Klaglkedern diefen
zz Su zen F lR es
frohen Tag nicht zu fören, will ich bloß einige
Sorte darüber ſagen, daß, fo wie Schulen Aber-
Haupt eine Öffentiihe Sache zum gemek
men Beiten, fo auch bieß fuͤrſti. Gymnaſſum Feine
Privat⸗, ſondern eine Landes - Anftalt:fey, und was
Daraus furße. 2
In der Zeit, da Schulen nach unſern heutigen
sBegriffen angelegt imd von den Klöftern getrennt
sourden, fing man fogleih an, fie als ein dffent-
Atches Gut anzuſehen, und bleß war die Utfache,
warum bet der Reformation die Fürften melfteh-
theild den Stadtmagiſtraten "das Patronat der
Stadtſchule anvertrauten, eben In der Ueberzen⸗
gung, daß, da Die Söhne fhrer Bürger, bie Ju⸗
gend ihrer Gemeine, darinnen zur Brauchbarkeit
im gemeinen Wefen, zu nuͤtzuͤchen Kenntniffen and
guten Sitten gebildet würden, jede Stadt ſolche
als Klelnode ihrer Verfaſſung, als Gärten und
Pflanzftätten ihrer Nackommenſchaft nicht andere
ale anfehen Könnten. So lange diefer Biriger- unb
Ge meingeiſt Herrfchte, in Sräbten und Verfaſſun⸗
gen, In denen er noch herrſchet, ſehen wir, nicht
nur im Jahrhundert der Neformatien, fondern auch
noch jeßt, diefe bürgertiche allgemeine Theilnahme.
Die Vaͤter der Stadt find auch Näter der Schule;
die Bürger der Stadt, bie ihre Zöglinge waren,
biteben auch lebenslang Ihre warmen Freunde, Die
Ankunft, die Einführung eines neuen Reftors und
Lehrers, 10 wie ihres neuen Pfarrers und Seelſor⸗
gers, (denn Kirchen und Schulen wurden and pa⸗
t riotiſchem Keformationggeift Innig verbunden) wa⸗
140
en ihnen ein Feſt ber Freude, des Gluͤckwunſches,
der Bezeugung Ihrer Liebe und Achtung: Die öffent:
lichen Examina und Actus wurden von den Vätern
der Stadt, von den Bätern ber Schüler, von ber
Ltebhabern der Willenfchaften, von den Landeskol⸗
legien befucht, man nahm au den Fortfchritten bet:
felben und an allen guten Anftalten Theil: man be |
ſtrebte fi fo viel man konnte, biefelbe zu befür-
dern. Wer der Geſchichte kundig iſt, ber weiß,
dag in diefe Zeiten und Verfaſſungen die Bluͤthe
der Schulen in Deutfchland gehört, in Denen bie
gelehrteften und größeften Maͤnner, die nuͤtzlichſten
Rectores und Schullebrer lebten, deren Namen
wir noch jest mit Hochachtung nennen, deren Ge
lehrten: Namen von ben Ihrigen mit Dank und mit
einer Art Bewunderung genannt wurden. Je mehr |
feit dem dreißigiährigen. Kriege und der daraus er
folgten gänzlihen Meränderung ber Zeiten, mit
dem Verfall mancher Städte in Deutfchlaud, auch
der gemeinfame Bürger: und Stadtgeift fan, befte
mehr fanfen bie Schulen, und wenn nicht entweder
aus Liebe zu den Willenfchaften, ober von Roth
gejwungen, oder von den Bitten einfehender Maͤn⸗
ner ermüdet, die Negenten des Landes ſelbſt ih
biefer Werkftätten öffentlicher Erziehung, ale Lan⸗
dDesanftalten angenommen hätten: fo wäre in
vielen Gegenden Deutfchlande eine neue Barbare
entftanden, die zum fortgehenden Geiſt der Zeiten,
zum verfelnerten Gange der Gefchäfte, der Sitten,
des gemeinen Lebens und Wefens. am allerwenig-
ftemgehörte. Das Verhältniß aller Stände gegen-
einander, ber Preis ber Wagren und Lebensmittel,
ıdı
bie Lebensart ſelbſt hatte fich geändert; und es wäre
eine traurige Anſicht gewefen,, wenn allein bie
Schulen, bie doh dem Staat Menſchen zuberei-
ten und zubilden folten, wenn alle die Lehrer ber:
ſelben, als alte Stadtruinen, als Denkmäler einer
verfhwundenen Verfaſſung hätten zurüdbleiben
follen.
Unferer Schule nahm fich der ewig preiswuͤrdige
Wilhelm Eraft an, der dieß Gymnaſium er-
Haute, die Stadtichule zur Landesſchule machte,
ober vielmehr beide verband, und damit auf bie --
ebeifte Wette für die Nachkommenſchaft forgte.
Hätte der glorwürbige Fürft einen Schritt welter
thun Tonnen, auch etwa nur foweit als In benach⸗
harten Kindern andere Fürften mit Ihren Schulane
ftalten früher gemacht hatten, wir würden ung bef-
fen fehr freuen, und es noch jeht dankbar zu ge:
nießen haben. Indeſſen war boch einmal bie gläd-
liche Bahn gebrochen, und die folgenden Landesfuͤr⸗
sten, infonderheit die Herzoginn Vormuͤnderinn und
der jentregierende Herzog, haben der in manchem
noch fehr bedrängten und eingeſchraͤukten Auftalt
ihre Borfiht, Hälfe und Beiſtand nicht verfaget.
Bir Tönnen auch fiher darauf rechnen, daß, ba der
Geiſt und das Bebärfutß unferer Seiten, nothwen-
dig gute Schulanftalten will, die alte Barbarei und
Trägheit nie mehr wieberlommen koͤnne und werde.
Wir müffen mit der Zeit fortsehen, oder die
Zeit fchleppt und fort, an's Surädgehen iſt nicht
mehr zu denken; gluͤcklich iſt der, ber willig gebet,
der nicht nur feinem Nachbar mit Schritten zuvor⸗
kommt, ſondern ſelbſt der Zeit, bie bisweilen lange
142
Game fihleicht uud dem Vedurſaiß, das
fyät, aber ſodaun deſto graufemer und haͤrter mek
bet, Feundig und einſichtsvoll vorellet. Wer er
von Hunger und Theuerung angemahnt feyn mellte,
daß er ſich Syeife ſchaffe und fein Brod erwerbe,
der ſtuͤnde in feinem Rauge ſelbſt unter den meiſte
unvernuͤnftigen Thleren. Der Gedanke, ber mi
am wirffamften daran erinnert, iſt der, daß Schu⸗
len keine Privatanſtalten, ſondern dffeutiige
Werke, Anſtalten für Belt und Nach welt
find! In dieſen Worten liegen Pflichten unb Auf
munterungen für alle, die am Schulen auf irges
eine Weiſe teilnehmen, (und bas-fieb ale Burger
im Staat, ja alle. vernünftigen, chriftlichen und wohl⸗
denlenden Menſchen) nothwendig aber. noch weht
fuͤr die, denen eis Geſchaͤft hiexaͤber anvertrant iñ
die mit Schulen und Erzlehurgtanſtalten eigentlia
zu thun haben.
Jeder Lehrer an einer oͤffentlichen Schale be
bente, deß er ein oͤffentlicher Maun, ein. Die
des Staats, be fein Geſchaͤft eis oͤſentliches, leir
Privatgeſchaͤft fey. Die Form und Bildung der
Rachkommenſchaft ift ihm übergeben, die thener⸗
ſten Schaͤtze der Eltern, ia der. Menſchheit ſelbe
find in feinen Haͤnden. Wie das junge Wachs ge⸗
beit und gebildet wird, fo. wird es, ſo manche
Haͤnde nachher auch. an ihm rüden und models, an
in: feiner ſtarren Form wird es yon ben erften Eis
unten I Immer nad. Spuren zeigen: ber. erſte Ge:
ruch, ben ein neues Gefäß. bekommt, wird es lang
oder immer begleiten. Ich freue mich alſo, daß
nicht nur jeder Zeit, ſondern auch in ben fünfzehn
143
Syalyeon, feit ich hier bin, und an dieſer Auſtalt theil⸗
genommen habe, mehrere Maͤnner aus ihr hervor⸗
gegangen find, bie auch in andern Ländern uns Ehre
machen, und zum. Shell in aufehnliden Stehen Ge⸗
Legenheit nuͤtzlich zu wirken und Ihr Gluͤck fanden,
Andere Pflanzen bdiefer Art find im Sprofien oder
mech im Keltuen; wenn eine gute Witterung fie be:
gänftigt, wird auch ihnen die Zeit ihrer Bluͤthe
kommen — mo nicht in unferm engen Kreiſe, wo
manche aafanie vtelleicht verbicht, weil es ihr an
‚Beben und. Nahrung fehlet, fo außerhalb bemfel-
ben: denn die Willenfchaft, Brauchbarkeit, Ein⸗
ht, Tuͤchtigkeit in Geſchaͤften find ein gemeines
Sat ber Menſchheit. Erheben Sie ſich alfo, hoch⸗
geiſchatzte Lehrer dieſes Gymnaſiums, Aber jede
Wolte, bie Ihren Geſfichtskreis trüben. oder veren⸗
gen möchte; Ste arbeiten wicht für die Gegenwart
allein, ſondern auch und am meiften fiir bie Zu⸗
Zunft; nicht für die Welt allein; wie fie ik, ſon⸗
bern auch wie fie ſeyn wird; nicht für unfere Stadt,
umfer Land allein, fondern für das Wohl der ihnen
anvertrauten Iugend In allen Ländern. Wenn Sie
alt und ſchwach ſeyn werben, wird She Abenden,
wenn es in die Herzen ber Jugend mit Liebe ge⸗
pflanzt ward, vielleicht. bier, vielleicht in andern
Landern, noch jugendlich biüäen, wenn Sie Aſche
find, wird Ihr Name in menſchlichen Gemuͤthern,
in dem Guten, das Sie geſtiftet haben, unſterb⸗
lich ſeyn, und durch die, die fie bilbeten munter
fortwirken. Troͤſten, ſtaͤrken, ermuntern Sie fih
alſo mit dem Gedanken, daß Ihe muͤhſames Ge⸗
ſchaͤft kein Privat⸗, ſondern ein allgemeines, oͤffent⸗
144
Aiches, ewiges Werk ſey, ein Werk, bas bie Stabt,
Das Land, bie Nachkommenſchaft umfaflet, beffen
Saame ‚mit der keimenden Mernunft fortketmet,
mit der zunehmenden Wilfenfhaft und Humauitaͤt
fortwaͤchſet, ia in jedem neuen Boben neue Kraft
-gewinnt, und neue Blüthen und Fruͤchte träget.
Entfernen Sie alfo auch bei Ihrer Arbeit alle Yık |
vatabfikten, und, wenn ich fo fagen barf, ale
Privataͤngſtlichkeliten. Ste gehen vorüber, aber
die Schule bleibt, und was Ste In Ihe Redliches,
Rechtſchaffenes, Gutes gefchafft und bewirkt haben,
Das, 1028 vielleicht von Ihuen unter Menfchen übrig
bleibt, iſt Ihe unfterbliher Name. Es gibt Leine
‚größere Diffonanz im bürgerlichen Leben, als wenn
-man in einem Öffentlichen Mann zu ſehr den Privat:
mann fiehet, oder jener fi in biefen endlich ger
verliert. Da wirb der Schullehrer ein Lohnarbei:
ter, der ruhm⸗, geift= und herzlos auf feinem duͤr⸗
ren Boden vertrodnet. Quam misera et con-
temta res est homo, nisi se supra humana
.erexerit!
Ihr Schuͤler, bedenkt, daß es eine öffentliche
Anſtalt fey, die ihr zu befuchen und zu genießen
‘Habt. Gymnaſium heißt ein Uebungsplatz, in wel-
‚chem ihr alfo zu einer guten Fähigkeit, Brauch⸗
"barkeit und Tuͤchtigkelt im Staat, auf Lehrſtuͤhlen
in Schulen und in ber Kirdie geübt und gebildet
«werben follet. Je mehr ihr dieß einfehet, befte
‚angenehmer werben auch bie Stunden des Unter⸗
richte, den ihr genießet, deſto erfreulicher bie
Uebungen werben, bie eure. Lehrer mit euch trei:
ben, benn es find Uebungen ber Tuͤchtigkeit für
euer
(ad wem Landesherrn gegebene Geſetze, und der
Schallehrer iſt darauf verpflichtet. Jufonderheit
ige im den ebern Klaſſen, bei denen ich Thon
suchr Heberiegung und einen reifern Verſtand vor⸗
anstehen darf, werbet das Gymnaſtum wicht als sin
Zuchthaus, weiches es jetzt wicht wehr iſt und ſeyn
. Damm, ſondem «is. einen Vorplatz der Wade
mte ober jeder andern oͤffentlichen Be:
ſtimmung anfchen, zu ber euch eure Mehjung
ader das Shlitfal ruft, mithin in em ſelbſt den
Ä ee diefer öffentlichen Beſtimmung frühe eutbeden
ad entwideln. Ihr werdet wicht auf's Geruthe⸗
wohl bush alle Klaſſen fehlenden, fondern biete: .
bensart, dam ihr beſtimmt ſeyd, dem Lehrer zei-
eig entdeden und eure Stublen darnach orbnen. So
viel es das oͤffentliche Ganze zulaͤßt, ſoll euch in al⸗
lem dabei und dazu geholfen werben, daß ihr dem
Staat brauchbare, für euch felbft gefchidte und
glädlihe Menfchen werdet: denn fämmtliche Lehrer,
infonderheit die Lehrer der drei obern Klaffen, die _
das eigentlihe Gymnaſium ausmachen, ftehen als
ein gefihioffener Phalanı ba, und bieten einander
die Hände; der neue Direktor des Gymnaſiums iſt
des ganzen Öffentlihen Werks Meifter.
ent follte ich noch von der allgemeinen Achtung
und Theilnehmung reden, auf die von allen Stän-
den, denen infonderheit, bie ihm nahe. angehen,
Das Gymnaſtum, als eine öffentliche. Landesfhnle;
Berders Werke, Philoſ. u. Geſch. X. 10
146
Anſpruch zu machen hätte; da ſich aber allgemein
Eiuſicht, und ein warmer, wirkſamer, theilnehme:
der, gütiger Wügemeingeift nicht, am wenigfia
aber vom Schulfatheber, einfprechen läßt, fo wein
wvir über diefen Punkt die Fahne der Hoffaung mi:
fhwingen, und wiefern an den Bemühungen br
Lehrer des Gymnaſiums, auch unter dem nem
Directorio, einiger Anthell genommen werde, pr
trauend erwarten. Eins darf ih nur noch fagen:
der Hentige Tag, an welchem ich zwei wuͤrdige ke
‚ ser andern würdigen Lehrern zugeführt Habe, If fk
mich ein Tag der Freude und Hoffnung. Mir
er's für viele, möge er's für alle ſo ſeyn, und dei,
was wir wuͤnſchen, und bie fegenreiche Vorficht
waͤhren. Ich bewillkommne Ste alſo, hechgefi
nene Lehrer, auch in deutſcher Sprache im dieſer
Hoͤrſaal, und jeder Liebhaber der Wiſſenſchaften
jeder Mater und Freund eines Kindes und Junz
lings, jeder tedliche Bürger, und wen fonft de
Wohl der Menfhheit und Rahlommenfchaft am
Herzen liegt, fegne nnd Gluͤck zu.
—
| | xU. =
Dom Genius einer Schule. 1793. *)
Victurus Genium debet habere liber, fat
‚Martial; und unfer Hagedorn hat diefen Int:
*) 41792 hielt der Verfaſſer wegen einer Krankheit sine
Schulreden.
) 147
gang feines Epigramme dem. Sinne nad) ganz ges
troffen: „Ein Buch, das leben fol, muß einen
Schupgeift haben.‘
Das Gleiche kann man auch von jeber Anitalt,
yon jedem Inſtitut fagen. ., Hat es Keinen Genius,
der es belebet, der es in's Neich der Wefen auf: .
nimmt, fo bleibt es eine todte Geburt. Verlaͤßt
fein Gentus ed, entziehet der ihm feine Obhut und:
Borforge, fo gehet es bald In das Reich der Schat-
ten über.
Belanntermaßen weiheten bie Alten, Griechen
und Römer, jedes lebendige Wefen, ia fogar jeden
merkwürdigen Drt, einem Genius, dem fie oft
Altäre aufrichteten, den fie mit Opfern und Lihatio-
nen, am meiſten aber_mit einem Andenfen ehrten,
das viel Mührendes und Schönes mit fih führer.
Jeder Menſch hatte einen Genius, der ihm von
feiner Geburt an als Anffeher, Zührer und Be-
gleiter, als ein warnender Freund, als ein unbe-
ftechlicher Zeuge und Michter, mithin als der Bote
feines Gluͤcks und Unglüds zugegeben war. Est
singularis praefectus, fagt Apulejus, domesticus.
speculator, individuus arbiter, inseparabilis:
testis, malorum improbator, bonorum proba--
tor. Doch warum führe ich einen fo fpäten Schrift:
ſteller zuerft an, und nicht ältere Zeugen? Jedwe—
dem, fagt Menander: -
Jedwedem fteht ein Genius
Sobald er nur geboren wird, zur Geite,
Ein guter Genius zu weifer Lebensführung.
Denn daß ein böfer Geift und zugegeben fey,
‚ Ein gutes Leben ung zu fchmätern, dieß
Iſt nicht erlaubt zu glauben. —
Y
148
Ya unter ben. Berfen des Heſtodus finbet Ü
ſchon diefe uralte. Beſtimmung der guten Dämont!
Haß fie nach Rathſchluͤſſen des hoͤhſten Gottes mat
fterblihen Menſchen auf der Erde das Waͤchte!
amt führen. Jedermann weiß, was Edbkrat
von ſeinem Daͤmon geſagt und geglaubt Hat, daß
ihn nie treibe, wohl aber warne, und daß |
Stimme deſſelben ihm He Stimme der Gotthe
duͤnke. Es iſt hier weder Ort noch Zeit, die Bew!
logie dieſer Vorſtellungsart von Ihrem Yrforum
an, zu verfolgen; eins merle ich nur an, daß‘
Stoifer den Begriff von einem Genius oder Dim
des Menſchen wohl auf ben reinften Altar feste
nen. war nämlich der. vas, das. Gemuͤth im Die
ſchen, das heiligite,. unbeſtechlichſte Urtheil fein
Seele — denn fo ſagt Marc: Aurel: „das Gemuͤ—
iſt's, was wir ben Dämon oder den Gott In m
nennen, den Vorſteher umd Führer des Reben
Himmliſcher Natur Ift er und hebt zur: Verwand
fhaft mit dem Himmliſchen und von der Erde
por. Nichts iſt elender, als ein Menſch, der
feinem Gedanken alles auf. und unter. ber Eu
durchſchweift, der, was In fremden Seelen worgsl
muthmaßend zu erforfchen ſtrebet und nicht fuͤh
daß er ihm ſelbſt genug iſt, wann. er nit ſatnem ei
. nen Dämon vertraut lebet, und dieſen recht were
ret. Die rechte Verehrung deifeiken defbehet ab
darin, fein Gemuͤth von Keideufchaft, von Leere
Wahn und von jeder Unzufriedenheit uber Din
-der Welt frei zu erhalten.“ Und der -vorstreffilc
Schüler Epiktets, Arılan, Fast alfo: „deine Di
ftelungsfvaft iſt freilich nicht ſo groß wie Iupkter
149°
ber- er hat eltein jeben einen Auffeher zugegeben,
er nie ſchlumimert, der nicht jur hintergehen iſt,
nfern Damon. Haͤtte er uns wohl einem beſ⸗
sm und wachfamern Führer übergeben können?
Benn ihr eure Thuͤre verfchloffen and eure Kammer
erdunkelt habt: fo fatte euch nie ein, 31 fagen:-
um find wir allein: denn Ihr ſeyd nicht altein, ſon⸗
ern Gott iſt darin und ener Dämon. Diele
ebikefen des Lichtes nicht, um zu bemerken, was
be thut. Diefem Gott, eurem Gentus,
ollet ihr Treue zuſchwoͤren, wie bie Soldaten dem:
‚dfar. Bloß um des Solbes willen ſchwoͤren dieſe,
ab Ihnen auf der Welt nichts wichtiger feyn folle,
16 Ehfars Stud und Leben; ihr hingegen, bie ihr
on diefem Gott: fo vieler und großer Dinge gewür-
igt feyd, ihr wollet ihm nicht fchmören? und went
je gefchmworen habt, den Eid nicht halten? Und
‚a6 werdet Ihe ſchwoͤren? Daß ihr ihm nfe unge:
orfem feyn wollt, daß ihr auch in Anfehung deſſen,
as er euch beſchert, nie Klage erheben, nie wider
n murren, daß ihr nichts, was feyn muß, mit
willen thun oder leiden wollet. Iſt wohl jene
zulbigung biefer zu vergleichen? Jene ſchwoͤren,
aß fie niemand In ber Welt dem Caͤſar vorziehen
ollen; Ihe, daß ihr die groͤßeſte Achtung und Trene
egen euch felbft haben werdet.” — Wie heilig iſt
jefe Lehre! mie gemaͤß dem Worte Genie, db. i.
Ingeborne Natur, eigene Art bes Dien-
hen! Sind wir ſelbſt, iſt unfer Gewiſſen, ift
38 Helliafte im uns micht heillg, wo follen wir
sun bad Heflige finden ?
Sacer intra nos spiritus sedet, malorum,
150
"bonorumque 'nostrorum ohservator et eustos.
Hic prout a nobis tractatas est, ita nos ipse
'tractat. —
So dachten bie Alten vom Genius bes Men
Shen, wobei ih mich auf die weichliche Meinung
von einem guten unb böfen Damon, die etwa nut
dem angenehm ſeyn Tann, ber gern verführt ſeyn
‚mag, um nachher auf ben fchwarzen Genius bie
Schuld zu werfen, gar nicht einlaffen werde. Guug,
Genius war die Perfonifilation der ganzen
reinen und edlen Natur des Menſchen.
Wozu er geboren fen? was In feinen Kräften ftebe?
was er erreichen Eönne und fole? was er, um fol
ches zu erreihen, nothwendig vermeiden muͤſſe!
wie er, feiner Natur gemäß, aufs befte zu diefem
Zweck gelange? was ihm noch fehle? was ihm, fel-
ner frähern Verſaͤumniſſe oder Mißhandlungen we:
gen, vielleicht auf Immer fehlen werbe? das alles
fagt uns die Stimme des mit und und in und ge
borenen geiftigen Bruders, bes reinften Bil⸗
des und Abbildes .unferer ſelbſt, unferes
Ideals, fo fern es fich in uns fplegelt und im
Innern unfers Bewußtſeyns wieberglänget, Eur
anferes göttlihen himmliſchen Daͤmons.
Frage o Füngling ihn, was bisher aus die warb?
and was bu jebt ſeyn Fönnteft? cr wird dir antwor-
ten. Höre feine Stimme, fein leiſes Wort:
„warum bu es nicht bift? was du verfäumet haft,
und vielleicht nle mehr nachholen Faunfl? was ba
forthin unterlaffen, was bu regfam thun mußt, um
daB Verfäumte und Derwahrlofete nachzuholen?
er wird dir feinen Rath nicht verfagen! Schaue fn
. 151 j
eu Spiegel; bu wirft bie Spuren auf beinem des
cht fehen, die Leichtfinn, Unart oder vielleicht ger
Gederlichleit daranf gezeichnet haben. Schaue in
en Spiegel deines Gemuͤths, und bu wirft alles -
oc deutlicher ald von außen wahrnehmen.
*
Victurus genium debet habere puer; jeder
Füngling, der ſich ſelbſt ſchaͤtzet, der zu leben, und
rar Leben fortwährend gluͤcklich zu ſeyn, Luft hat;
x muß feinen Genins verehren und lieben: benn
nit ihen reiten, ihn betruͤben, ſogar Ihn betrügen
u wollen, wäre bie größefte schorheit. Könnte
soHl au eine größete Thorheit gedacht werben,
Is daß ein Menſch fi ſelbſt hintergehen wollte?
gebe Kraft feiner Seele, bie Sefundheit feines
zörpers, die fröhliche Zeit der Jugend fey ihm alfo
‚eilig, alles nupe er mir Weisheit, Anftand und
Sprerbietung gegen ſich felbfl. Dem Ge:
‚ins wurde kein Blut, kein Leben geopfert; un⸗
chuldige Blumen, froͤhlicher Wein, wohlriechende
Salben, heiliger Weihrauch, waren die Gaben, die
nan ihm darbrachte; lauter Symbole, fo wie ber
Tugend, fo auc des dlteften, reineften und frohe⸗
ten Gottesdienftes ber Erde, der Innigen Herzens⸗
yerehrung.
Aber nicht nur einzelne Perfonen weiheten die
Alten einem fchüßenden Geiſt; fie hatten aud Ge:
sten bes Orts, Genten der Gefellfchaft.
Fine Reihe Auffchriften tft bekannt, da Altäre, .
„der andere Denktmal:, dem Genio loci gewidmet '
waren; .und das oft wiederholte Symbol, bie
Svlauge, die fi um den Altar winder, iſt uns an
—
'152 "
unfeem, Det Defsunt. grung. Weher ber Beulud-der.
Drsb unser dieſem Biide? Er war das Symbol der
Gelundheit des Orts; und: Gefunbheit, Seiftes
und des Körpers, ber Luft unb aller Elemente ik
bie größefte, ia ich: möchte fagen, die einzige, allet
umfaflende Wohlthat, die der Genius ber Natur
und zu geben vermag. Ein folder Alter fagte ale:
bier iſt feine mal’ aria, keine ungefunde, as:
ſteckende Luft; bier kann man froh. unb erquickend
athmen. Wo dergleichen boͤſe Kuft:vertrieben war,
konnte man bes Genius des Orts dankbar einen
ſolchen Altar aufrichten; ja wo man mit jeden
Athemzuge Erquickung genoß, da mar auch obme
Altar und Juſchrift der. Ort, am dem man
‘ Leben. froh unb genialifch empfand, dem Beutns
heilig. So hatten Quellen, Berge, Häufer,
Städte, Wege ihren Genius; am ausgezelchnetſten
aber hatten es die Sefellfchaften ber alten Belt von
einzelnen Familien an bis. zum- mächtigen ewigen
römischen Wolle. Die Genien ber Haͤuſer hleßen
Karen, ob biefee Begriff. gleich nicht fo rein war,
als ber Begriff bes Benins einer FGamikie,
dem biefe ihr Wohlfenn, ihre Erhalteiug ober ſicht⸗
bare Bewahrung zu banken hatte: deun feht oft
wurde bie Idee eines guten Genius oder Daͤmons
mit der dankbaren Erinnerung eines ausgezeich⸗ |
net guten Gluͤckes verbunden. Der Hausge⸗
noß ſchwur bei dem Genins feines Seren, bee
fpätere Römer bei dert Genius ſeines Fuͤrſten, ber
er eben dadurch ale den Schubgott uud Erhalter des
KReichs verehrte. Centurien, Collegia, Kolouten,
Munickpalſtaͤdte welheten ihrem Genius, zumal
168.
als Neuangekemmene ober Sluͤckliche und Wohlge⸗
diehene in entferuten. Orten Zuſchriften, Opfer,
@rläbde. Der hobe Genies des römifhen Wels
enduch iſt auf mehreren Müngen ſichtbar. Wels
tens fteht ex als ein fchöner Juͤngling da, vor eis
nem. biumenbefräugten Altare, die Opferſchale umb
etwa ein Horu des Ueberfluſſes in feinen Händen.
Wie ſchoͤn eine dergleichen Perſonifikation fey,
begreift: ein jeder., der die Idee eines Staats, ei⸗
nee Geſeuichafe, eines gemeinſchaftlich handeinden
Dolls, eines Inſtitus von wirkſamer Eiurichtung
zu-.faffen faͤbig iſt: Denn alle dieſe Namen, wenn
fie leben und gedeihend fortleben ſollen, muͤſſen
ihren beſchuͤgzen den, leltenden, warnen⸗
Den, gluͤklichen Genins haben. Sobald die⸗
fer ein Bolt, eine Stadt, einen Staat, eine Elurich⸗
tung, ein gemeines Weſen verläßt, oder feine
Stimme nicht mehr gehört wird, fo iſt auch mit
Lleichten Fiägeln das Gluͤck binweggeflogen, und- der.
böfe Genlus tritt, wie er dem Brutus oder Dior
erſchien, in fuͤrchte rlichſcheußlicher Geſtalt heran.
„Ich bin dein böfer Genius, Brutus; zu Philippen
jtenfe du mich wieder.“ Und diefem ſchrecklichen
Wiederſehen entachet: ſodaun fchwerlih jemand,
Wer aber ben Schutzgeiſt in fich, in feinem Beruf
und Stande, in der Geſellſchaft, zu der er gehört,
in der Einrictung, zu der er mitwirkt, verehteti
dem bleibt auch Er hold und treu; erswirbeudaunen,
ein Gluͤcklicher bis ans Ende feines gehend.
Victurä et Genium debet habere scholä.
Ein Färft, ein Gönner und Befchäger kann ſolches
Pe
allein nit feyn, ob es gleich ſehr gut und wän-
ſchenswerth, ia in vielem Betracht unentbehrlich
notpwenbig fit, daß Schulen, Gymnaſien, Zur
‚alle dauernden öffentlichen Juſtitute auch ſolche Ge⸗
nien haben. Der wahre Genius indeß muß im In⸗
ſtitut felbft leben; er muß mit ihm geboren ſeyn,
ale feine Kräfte weden, alle feine Glieder beleben.
Diefer SGentus iſt ed fodann auch, ber dad Ganze
‘in Geſundheit und Kraft erhält, der es vor Gefah⸗
ren warnet, ibm in Unglüdsfällen emporhlift, es
dei Veränderung ber Zelten mit Ihnen neu verjuͤn⸗
get unb: m Niter mit jugendlichem Muth belebet.
Denn der Genins eines Volls, einer menfchlichen
Geſellſchaft, einer guten. Einrichtung, der Genius
einer wohleingerichteten und wohlverwalteten Schule
{ft gewiß unſterblich.
Was will der Genius au biefem heiligen Ort?
wofür warnt er? was gebent er?
Hier ſol die Menſchheit in den lebhafteſten
frübeften Jahren zum Wohlſeyn auf bie ganze Le⸗
benszeit, zum Vortheil aller Stände und Berufs:
‚arten, zum wachſenden Glüd ber ganzen buͤrger⸗
lichen Gefellfchaft gebildet werden. In jugendlicher
Geftalt fteht alfo der Ihöne Genius der Schule da;
Blumen umfränzen fein Haupt; er opfert dem Al⸗
tare des Vaterlandes die reinften Opfer, und das
Fuͤllhorn des Segens, des guten Gedeihens in al-
len Zöglingen und Pflanzen der Schule tft In fel-
ner glüdlihen Hand. Er fpricht zum Lehrer, er
ſpricht zum Schüler „verehrte mich! ehre dic ſelbſt,
dein Amt, bein Geſchaͤft, deine Beftimmung; ber
Ort iſt Heilig.”
155
Zum Lehrer ſpricht er: „ehre dich ſelbſt“ du
treibſt ein göttliches Damonifches Werk; bis berei-
teft das Süd, du bilbeft die Seelen der Jugend ;. -
ja bu wirft felbft ihr Genius und Führer auf den
Weg des Lebens. Oft wird deine warnende Stim⸗
me in ihrem Herzen wiederklingen, auch wenn fie
Dich nicht mehr ſehen; oft wird bein heiteres, vaͤter⸗
liches, genialiſches Geſicht ihnen auch in ber Ent-
feruung und Abwefenheit gerade alddann wieder
eriheinen, wenn deine Lehre, dein mwohlthätiger
int, dein Unterricht, am meiften aber bein Bel-
fpiel und Vorbild ihnen, wie ein Genius viae et
witae erſcheint auf Eritifchen Scheidewegen ihtes
. Lebens. Ehre und liebe alſo den Geiſt ihrer Ju⸗
gend; entweihe ihn nicht mit Scheltworten und Er⸗
hitterungen zu unrechter Zeit; fchone Ihn aber auch
nicht, wo er fich ſelbſt zu viel nachfieht, und Gefahr
Läuft, fih ganz zu verlieren. Der Schwur bei dem
Haupt des Sünglinges war bei den Alten ein hoher,
heiliger Schwur ; die Pflicht, dem Genius einer zu
erziehenden Jugend vor dem Altar der Menſchheit
und bes Vaterlandes gelobt, ihr ein uuseywyos
>>
78 fıs ayados, ein assiduus observator, prae- -
stes et tutclator zu fepn iſt gewiß eine heilige
Pflicht. Quisquis hanc aram laeserit, habeat
‚genium iratum gerieris humani et numina
Diyum.
Noch inniger aber ſpricht zu euch, ihr Juͤng⸗
linge⸗ der Genins dieſes Orts: denn er iſt euer
Ideal, eine Perſonifikation Eurer, euer ſidissimus
germanus. Wie ſoll er euch erſcheinen? wie wol⸗
— —
let ihr euch den Genius dieſes Orts, dieſes Gym⸗
136
naflums am lbebſten denken? Etwn wiejened: We-
ſpenſt dem Dion erfchlen, magna mulier, habite _
valtuque nihil a tragica Furia distans, domum
scopis verrens, ober auf deutſch, als ein Schrei
liher Orbit mit Bakel und Peitſche in feinen Haͤu⸗
den? Oder ſoll ed der Genins ber Jugend, - der
guten Lehre umd Unterweifung ſeyn, wie ihn fick
bie Alten dachten? Lieber the, tote Ich nicht: zwei⸗
- feier bie lebte Vorſtelungſart, fo merkt euch
1. In Platons @erfpräcken nennet Sokrates die
jungen Leute, mit denen er ſpricht, gern uıtt dem
fhmeicheinden Namen daınonse; md: wie biefer
ſchoͤne Name: alles in ſich faffen kann, womit der
gute Geringe Juͤnglinge beſchenkt hatte, Schoͤn⸗
heit, Artigkeit, Talente, Wohlerzogenheit, kurz
eine gluͤckllche Natur und Phyſſognomie in Ge⸗
muͤths⸗ und Leibesgaben, fo haben die Griechen
auch vorzäglih eine empfedtende Lichenswirbige
Eigenfchaft dabei nicht vergeffen, Me Beſcheid en⸗
beit, die holde Scham. Was man In ber
Kunſt Genius nennt, iſt Fein wilder, auffah⸗
render, ſondern ein ſittſamer beſcheidener GSotter⸗
Juͤngling. Sanft ſenkt ſich fein Haupt; unſchuldig
blickt ſein Auge; auf ſeine Wunge, auf ſeine Lippe
iſt Gragte gegoſſen und er ſelbſt keunet fie nicht; er
blickt daher, wie aus Elpſium, wie in einem Hold:
fellgen Zraume. Dies daruorıov, dieß fanfte
Siuckliche, unterſchelbet die Gerten von andern
Geſtalten, feibft von einem ſchoͤnen runden Bacchas,
dem es recht wohl iſt, bem aber biefer Sentens
DIER, dieſe Füße Nänternpeit fehlet.
- 1
157 \
Wiß wurben in ſolchen Genien bie ſchoͤnſten Knaben
und Juͤnglinge nachgebildet, in deren Augen, wie
die Griechen ſagen, die Scham wohnte. — Der
Genlus dieſes Orts, ihr Juͤnglinge, liebt, vor
allen. andern, dieſe himmliſche Gabe, Beſcheiden⸗
heit und Zucht. Bei jedem Schamloſen, unan⸗
Ständigen Wort und Betragen ruft er entruͤſtet:
ringe duos angues! sacer est’locus! extra
mejite. —
2 Das göttlihe (Is:0v, daruorvıov, in einem
Menſchen iſt zwar eine Gottesgabe; es muß aber
durch göttliche Menfchen erweckt werden, wie Plato
in mehreren Geſpraͤchen zeigt. Euch erfcheint bier ber
Genius des Alterthums; die Stimmen und Thaten
der größten und fhönften Seelen der Vorzeit werden
‚euch bier vor Ohr und Auge gebracht; ihr Geiſt
foricht zu. euch, laßt euern Geiſt ihm antworten.
Ihr ſeyd, meine Kleben, alle fo.verfhledener Art;
die Gottheit gab euch verſchledene Saben und Neil:
gungen, wie ihr denn auch zu verfchledenen Lebens⸗
arten, Gefchäften und Ständen beftimmt feyd, und |
ein verſchiedenes Gluͤck euch erwartet.
" Gemmas, marmor, ebür, Tysrhenn sigilla, tabillas,
Argentam ‚.vestes, Waetalo murice tinctas, ;
Sunt quià non habeant, est qui non curat habere.
Cur alter fratrum cessare et Indere et ungi
Praeferat Herodis palmetis pinguibus, alter
Dives et importunus ad umbram lucis ab ortu
Silvestrem flammis et ferro mitiget agrum;
Seit Genius, natale comes qui temperat astram,
Naturae Deus humanae, mortalis in anum
Quodque caput, yultu mutabilis, albus et ater,
x
158
So verfchleben indeß eure Neigungen feyn mi-
gen, fo wuͤnſchet ihr doch alle euch einen guten
. glüdtihen Damon (eya9ay Aaıuove) zum Führer
and Schutzgeiſt eures Lebens. Diefer tft nicht
ſchwarz, fondern weiß, ein Bruder der Rechtfchaf:
fenheit, der Gottesfurcht, des Fleißes, der Be:
ſcheidenheit, Schamhaftigfeit, Ordnung und Tugend.
Alle fittlichen Grazien lieben ihn; er ift mit ihnen
erzogen; er wird vom Himmel gefandt, gute, recht⸗
fhaffene Fünglinge, die Freunde feiner Gefpielen
find, euch als Freund zu begleiten, als Wohlthaͤter
and Richter zu belohnen. . =
3. Das Öffentlihe Examen iſt das Feſt bes
Genius diefer Schule; an ihm fol und wii
er fih in feiner fchänften Geftalt zeigen. Nicht
mäßig und träge, nicht furchtſam und ſinnlos: denn
fo zeigen Genien fih nicht; fondern munter, thd-
tig, der Sache gewiß, beſcheiden, fittfam. Hin⸗
weg alle Furcht und Schen; ſie gehört nicht zu bie:
fem Tage; wer wollte fich nicht zeigen, wie er iſt,
wenn er fich würdig zeigen kann? Wir find alle bier,
den Genius der Schule, euern Genius, ihr Schi:
Ier, in feiner beften Geftalt zu erbliden, und ihn
mit dem verdienten. Nuhme zu kraͤnzen. Suͤß wirb
euch in den Ferien die Erholung nach biefer Arbeit
ſeyn, wenn ihr fie mir Ehre genteßet, und ihr wer-
det dem guten Genius biefed Crameus Blumen un-
fhuldiger Freude und ben. Weihrauch eines reinen
Dankes um. fo ſchoͤner opfern, je minder ihr dabei
den guten Genius euerd Lebens vergellet, der euer
Gluͤck und eure Wohlfahrt ſeyn muß.
159
Wohlan dann! es beginne der Ehrentag der
Schule und der Schäler: der Genius derſelhen er⸗
fcheine und empfange von une bie ihm gebuͤhrende
Verehrung.
Ipse suos Genius adsit visurus honores
Cui decorent sanctas mollia serta comas.
Vorher aber wenden wir uns neh zu bir, du
großer Schußgelft der Natur, bu Stifter und Er:
halter aller Löblichen Orbuung,, du inſonderheit der
Juͤnglinge Vater und leitender Führer. Ohne dei-
nen Segen iſt jede menfchlihe Bemühung nichtig;
ohne deine wachſame Morforge, was bälfe «alle
menfchliche Auffiht! Nimm alfo auch diefes Inſti⸗
tut, diefe Schule, diefe Jünglinge und Ihre Lehrer
nnter deine Obhut, und gib ihnen beinen guten
Geiſt, der fie beihüße, leite, und zu Ihrem Werk
beiebe. Auch zu diefen Tagen gib deinen Segen,
daß alles zu deiner Ehre und zum Wohl ber Menſch⸗
heit gereiche.
— —
| XIV. |
Bom Gemeingeift einer Schule. ’
> (Bor dem Examen gehalten.) 1794.
- Jedermann fpriht zu unferer Zeit Yom Ges
meinwefen; es ift aber nicht gut, daß man bies
fen Begriff nur als Form, wohl gar als Regierungs⸗
nn | 4
160
‚form, nicht aber, wie ed der Name felbit fagt, als
Sache beiramtet. In jeder menſchlichen Ynfalt
und Berbladung, welche Form fie auch habe, gibt
es ein Semeinwefen, res publica.. Es iſt
die nämlich die Sache ſel biſt, wozu bie Verbin
dung da ift, das Objekt, das fie betreibet, der
Zweck, zu dem eine Verbindung der Menfhen
eine Anftalt, abzielet, wovon alfo auch ihr Inneres
und Außeres Intereffe abhängt. An dieſem
tereſſe müffen alle Glieder jedes lebendigen u
tuts mitwirkend theilnchmen, jeder fein Sch, ſo
feen e8 das Gange fordert, dem Ganzen aufopfern,
damit er von feiner Seite den Nußen ziehe, und
den Nutzen leifte, den in der geſammten Zahl auch
ibm das Gemeinweſen des Yuftituts gewähret, und
den es von ihm fordert. Die gemeine Sade
-tft die Seele bes Inſtituts; alle Anogduungen uud
Einrichtungen deſſelben fiad nur die Drgankfasign
feines. Körpere.
Doriie Geſundheit und Blüthe eines ſolchen Inſti⸗
tuts fuͤr die Menſchheit zu bewirken, iſt vor allem
ein Gemuͤthscharakter nötbig, den man Integri—
‚tät, zu deutſch Rechtſchaffenheit nenner; wir
wollen ung aber am lateiniihen Worte halten. In
tegrität bezeichnet etwas Ganzes, Unver
legtes, das ulle feine Theile in gefunden, voͤlll⸗
gem Zuftande betrifft, und von feinem Fleden, von
Feiner Krankheit verunedelt iſt. In dieſem Zuftande
genießt und gebraucht das Ganze alle feine Kräfte,
So ift ein Baum, eine Blume ganz, wenn the
fein Theil fehlt, und in feinerem Verftande, wenn
er auch. pn fremden Binden; von einem re
eu
-
161
Athem nicht befchmunt oder verunreiniget if. Un⸗
fere Natur, unſere Ingend blüher in Integritaͤt,
wenn.Körper und Seele dad Ihrige thun, und am
ägr Leine Bruͤche fidy dußern, die Ihr. Wermögen, ih⸗
ren Genuß, die ganze Zuſammenwirkung ihrer
Zelle: Rören. Chem Mann, feinem Wort
und Glauben, ſemem Charakter, feiner Fu
ma gebührt Integrität, wenn jedes von ihnen tft,
was es ſeyn foll, fo daß man fih darauf verlaffen
.and fagen kann: „man babe dad Ganze.’ Jede
Werſtuͤmmelung und Serthellung, jeder Wurmfraß
geheimer Luͤge und Falſchheit, jede ſchlechte und
fremde Verwendung der Kraͤfte, endlich, was die Fa⸗
ma betrifft, jede ſchleichende boͤſe Nachrede ſtehet
der Integritaͤt entgegen; und wo die wirkenden, die
mitwirkenden Kräfte verunedelt und aufgeloͤſet ſind,
da iſt feine res publica, keia geſundes bluͤhendes
Gemeinweſen.
Daß ein Inſtitut ſich im Ruhm der Geſundheit
erhalte, dazu muͤſſen feine Stieder, jedes an feinem
Theil, mitwirken, daß fie fetbft integri, jedes an
Stelle und Ort fey, Was nie zerſtuͤckt ſeyn muß,
+ ein menſchlicher Charakter. Naget an ihm ber
Wurmfraß, wie follten ſich andere auf den verlaffen
koͤnnen, der fich felbft verlor, der feinem eigenen
Gemeinweſen nicht mit unverletzter Seele, nicht .
mit ungefhminkter Redlichkeit, nicht mit unangeta⸗
ſtet-gutem Namen, fondern als eine morfche bruͤ⸗
chige Säule dienet, in der Würmer und Mäufe
wohnen.
Unfer Gymnaſium ſey nicht von dieſer Art; In⸗
tegritaͤt ſey ſein Charakter, ſeine Blume, ſeine
Gerders Werke z. Phlloſ. u. Geſch. X. 41
u
. 2
_ Yurbe. Integritat bezeichue auch Se Crane;
feine Klaſſe wolle beffer ſcheinen, als Fertk; Fe
geige aber auch, was Petit. nit ganzer Bogenwer
Dub Geiſres, mit gauzer Meblihkelt Bed Eharaktrte
dep wir ie uuferm: Gpineftunk. ein. Gern eine
‚ sem amerfeunen nnd: ehren, daß Wit gegen da—
fülbe umſer @efed, daß Uebergengung, biefe Pi
geleiſtet zu haben, unfere: ſaßeſte Belchuumg fer.
Adeste animis integris, viriintegri,.integri ade
lescentes. Der Schluße des Eramens, der der
zweiten Theil meiner Rebe enthalten ſoll, zuge
aus allen fo aufmunternd, :f6 erfrenlich Feen, <ie
Wis mitgmger Seelerheffe.unbimänihe..
r \ ” — —— N e .
XV.
Von der Beſcheidenheit, verecundia et. pudor.
(Nach dem Examen gehalten.) 1794.
Der Sutegrität, von der id zu Eröffnung. bei
mm vollendeten Eramens geredet, babe ich zum
‚Schluß deffeiden eine jedem Gemeinwefen wuent
behrliche edle Schwerter zusuführen, Be holde
Sham (verecundia et pudor).
Sie iſt nicht etwa bloß das Mißfallen, das. ein
Rechtſchaffener mit ſich ſelbſt hat, weun er ſich nicht
in allen Stuͤcken integre, rein, lauter, ganz, m
entweiht findet; Tonft wäre fie Immer eine traurige
BSöuoͤttinn; fie ift mehr und oft etwas anderes als bier
tes. Jene ſittſame Beſcheidenheit nd
—
—
165
Wr bie daa Maß ihrer eaͤfte, ihrer Verbienac
ammt der Groͤße ihrer Pfiſchten kennt, mad: nicht
aehr vor fich- hält, als ſie iſt; daee char zu: befchet:
en, als zu ſtolz anh amaßend von ſich drukt, Die
ch icht zur Schan ſRellet, ſendorn lieber das fittfe:
we Geawand der Varhuͤllung waͤhlet. Sie iſt jene
zuͤchternheit des Eimer (swpprswn), bie auch im
wen Waͤnſchen, in:iheen Farherungen unde Anfe-
ungen gesen; andere Maß. bäst-,.die nicht aur- ek:
me, ſondern auch: ftembe: Kraͤfte wie Die at
aber, daß Mem in Einem Fahr. gebant werdor
och wrniger vengibt, daße es ſchen und durrh ie
ibft: gebauet .fey; Ah die/ inte sunkiifchamend: war zu
räftent.,. lichen vorwaͤrts zur Häheihinenffcht, and
is plus ultre, nicht hocheruthis · hinaufruft, ſondern
14 tiefſtem; Herzen vlelmehr ann. hinaufſerchzot.
Dach ichfagen; va. 1. meld Gehkht e“UM
id allein das unertraͤglichſte iſt, ob es gleich auch
der Welt: Gottes exiſtirt? Das nuverſchaͤmte Ge⸗
KK, Das: ener Homer, ihr. Schaͤler, bie Huwire-
rn nannet. Solche freche Menſchen haben alles
emeinweſen zeufidet. Das quibus licet iſt Ihnen
nz; foombe; petere lioet, zogare licet, arrogare
‚ot iſt Iihnen anf der Stirn. geſchrieben. Sie for: _
en:alled, fie verlangen alles; und Haben ſchamlos
s im Auge, wozu Dem beſchaͤnten Blick, eben bed
hen Frageunden wegen, die Antwort fehlet. Wenn
mir von Gettije. einen Heinen Winkel des Him⸗
18 erbeten darf, fo iſt's der wo kein Unverſchaͤm⸗
‚ Tein Schamloſer, keine Humdsſtirn neben mir
hnet.
O sale eihre und liebe Ich dich, du zarte und be⸗
&
164
ſthelbene Scham, bie nicht verianget, ſondern furcht⸗
ſam erwartet, die fich ſelbſt weniger, andern deſto
mehr einräumt, und auch bei'm ſtreugſten Willen,
bein fefteften Vorſatz ben Schleier der Beſcheiden⸗
heit, ben Saum der Geduld nicht verfennt. Nom
ward wahrlich nicht In. Einen Tage gebaut, nud Daf
ſo viele Wuͤnſche der Menfchen mißrathen, was ik
‚ Schuld daran als ihre Schamloſigkeit, Ihre unbe:
feidene Anverſchaͤmtheit, unglüdlihe ſchamloſe
Meſen für fih und andere; eins derſelben bringt
ein ganzes Gemeinweſen in Swietraht; es erreicht
nichte, ale daß es ſchafft und hat unruhige Tage.
und o wie llebe ich Dich, dm. zarte, beſchelbene
Scham, vorzuͤglich am Yüngling! Das erubescit,
. 'salva res est, tft ein heiliger Spruch; gewiß nicht
in dem Sinne, ale ob der Juͤngling über ſich erek
ahe. Er kann ja auch über ‚andere erroͤthen;
‚er kann verfiumnien, weil man ihn Albernheitern
‚fragt, und erröthen, daß man ihn über fen
-MBerftummen beftafet. Ihm iſt bag lederne Gefict
noch fremde, das feine Empfindung, vielmeniger
eine Schamröthe zulaͤßt; noch If Morgen in feinem
Bid, und der Schleier Aurorens, auch wohl be
thaut mit Thraͤnen, iſt ihm noch kein Gelächter.
Scham und Integrität weiche nie von unſern
Gymnaſium — und was kann ich euch Juͤnglinge
auch jet auf eure Ferien für einen beffern Beglei⸗
ter wänfchen, als Integrität und Scham! Geht zwi⸗
ſchen diefen beiden Schweſtern, ſi ie werden end
-fchön und ſicher geleiteen.
j Shnen, meine Herren, Direltor und Lehrer ıc.
Tann ich nichts als einen armen Dant abftaften, für
f W Pi
N
165 |
fe Freude, bie Ste mir in dieſen ſchwuͤlen Tagen
‚egeben haben. Sie iſt mir eine wahre Erguidung -
‚ewefen; denn ich darf fagen, ımb habe es in ein-
einen Klaffen und Arbeiten deutlich begenget, wie
ehr das Gymnaſium auch In diefem Jahr nicht ruͤck⸗
oärts gegangen, fondern wirklich zugenommen hat.
dürfte ih hierüber Ihnen den Schatz meines Her:
ens eröffnen! Aber Ihnen wie mir hängt die
Dede der Befcheldenheit vorm Antlitz; ic will nicht
oben, ich habe mäßig getadelt; ich darf-alles hoffen,
es was ſich erwarten läßt, erwarten. ch, meine
Herren, wir haben einen mächtigen Mitarbeiter, die
zeit; er ift zwar ein unbeſoldeter Collaborator; er⸗
xbeitet aber duch alle Klaſſen, in allen Lektionen.
Fe regt auf; ich wollte fagen: er regt das Kind im
er Wiege auf! - Laffen Sie und feine Aufregung
ur Frucht und zum Nutzen gebrauchen,
Inſonderheit wänfhe ich zur fittlihen Bildung.
zs iſt nur eine Albernbeit, daß man denkt, ein
zymnaſium laſſe fich zwar in der Lehre, den Kinften
nd Wiffenfhaften (in denen. unfer Gymnaſtum in
telem eines der erften nach innerm Gehalt tft) zu
inem ausgezeichneten Gemeinweſen, fchmwerlich aber
ı Sitten machen. Auch in Sitten iſt's möglich;
nd ich fehe davon, troß unferer fürftl. Heinen Reſi⸗
enzftadt, und aller ihrer agrämens, wenn ich mich
n das Jahr 1777 erinnere, da ich das erfie Eramien
fer hielt, uuverlennbare Spuren. ‚Nein Juͤnglinge,
uch in Sitten regtere euch Gemeingelft, ein fittil-
‚es, ein mufterhaftes Gymnaſium zu werden. Ei:
er für alle, alle für Einen! Kein Ausſaͤtziger, kein
nverſchaͤmter, lein Schanbbube! - Haſſet ihn alle,
J P , x
—
X
166°
wie wir ihn haſſen⸗ Hicht ij; ve fey euch einlinb
‚sgehefener, vis ihun Ute bargerlice Gewmit auvſtoſt
‚Kein Fleck fen: auf dem Giwanbe; das ven Beinein
geiſt eucer Heiligen: Gemelaſwaft bocteidet. Iutren⸗·
At, Bam und Shre ſey wirtemb, fo IR Men
XVI.
Bern Zweck dffentlicher Pruͤfimgen. 17795.
am meine Pfttcht zu erfüllen, uwb zugleich die
dem Pramini enge genng geſetzte Beit Ihe Nie za
eutziehen, will ich aut mit einigen Worten ben
JZwerk Öffehttiger Esaminum ſelbſt augeigen.
Der Zweck bed Examinis iſt nie. Die: ganye
aufbdahn ber Stadben eints-ganzen Jahrrs zu Surd-
laufen; wie waͤre dieß In fü kurzer *. moͤglicht
ie einmal alte Lektivnen dürfen md Liamen
vorkommen, wenn man fe nicht iu Minnben ubfey
tige und damit den ganzen Zweck biefer Mertiiches
Handling werfehlen mil. Noch weniger baun urub
mug die Abſicht der Lehrer ſeyn, unterhaltende,
glaͤnzeude Lektienen vorzicfaͤhren, mud durch btefeite
ſelbſt glaͤnzen zu wellen. Will beeſes der Exami-
hans, er ſey uma Ephorus vder Docent, To wird dus
Ganze gewiß einzelnen ſchumernden Theilen anf
geopfert, unbber ſteißige, gabenreiche Schuͤlet muß
umter dem Glanz ober dem Staube, ben fein Fragen
erregt, ſelbſt leiden. Er beldmmt sicht Beit, ſich
ſelbſt gu zeigen (welches doch Zwock ‚bei ‚Tkumanieis
*
wen, labem ſich der Examinans zeigen will und {ben
leituſam Dad "Sicht, worin.:er geſehen werben fell,
vogimint. Ich Halte daher michts darauf, daß
er Kehrer het ſeinen Frasen lauge ‚ud viel ſpricht,
siert ab letzret. Daß Cr dieß thun koͤnne,
raut man ihm au; ja man ſieht voraus, daß ers
ſethan habe. Die Methode, die man an ihm zu .
chen: wuͤnſcht, iſt die, daß er: die Fraten geſchickt
‚imgubeiten und die Antworen and der. Seele des
Sqhalers hervorzuholen wille; daß er dem Fehlern
Jod: natwortenden umprtomme, nad ſie vohne Me:
hung deſſen leicht und geſchiet werheftere, Sry,
yaß er. ah jenem beruͤhmten Gleichniß des Sottra⸗
es wir die Hebamme, ‚der: Diener freurber Ges
sanften undiRemtuiffe-fey, und die Kenntniſſe feiner
Zögtinge: glätchfam-su Tage foͤrdere. Mit nichten
enmt es Hier darauf an, daß bei einer Wiſſenſchaft
eb Lehre. alles geſagt weibe, was Beim Worttage
yagiber gejagt werd; -biefer falſche Schein von
Bränbtichkeit aber Boliſkandigkeit, Die jede Materie
Helchfam ‚erfhöpfen /will, verengt die Beit und bie
Zemather, fowehl:berer, die da hoͤren, als die ba
atworten. Er benimmt dem Pramini ‚Bad Leben,
ud den Examinatoribus die Anſicht des Ganzen,
vorauf es hier um :meiften ankdmmt. In ſeiner
lafſe ſey der Lehrer bis auf's kleinſte genau und
zrundlich; jetzt zeige et und mar, daß er genau und
randilch geweſen. Die Wurdzel bleibe in der Erbe;
reine und ihr Gewaͤchs, deſſen Blumen und
te.
Fri Ä
Anthkam es nicht Die Ubficht der Examinato-
an: ſepa, jeden Schuͤler In ſeinen profoetihus bis
168 |
anf ein Haar kennen Ternen zu wollen: denn bieje
Abſicht wäre nah Ort und Zeit ganz unerreichbar.
Nicht jeder Schäler har Gegenwart des Geiſtes ge:
nug, um in jedern Augenblid auf jede Frage: gleik
. gut zu antworten. Oft verfagt ihm das Gebächtaif
feinen Dienft, wo er bie Sache felbfi ſehr gut. weiß,
oft die Sprade. Der etwas bedaͤchtigere Kopf if
deßhalb nicht der ungefchiditere, und ber. dreifte,
tede Knabe, der vorfchreiende Staar, der ſchwa⸗
bende Papagei, wenn fie fich gleih im Eixamine
durch Zufaͤlle aur beften auszeichnen, find. befheib
nicht die wuͤnſchens wuͤrbigſten Subjekte. Hier alſo
verläßt ſich die Ephorle auf die tabulas. censorias,
bei denen fie vorausfent, daß fie ohne Haß mb
Liebe, mit aller Unparteilichkeit eines. Richters umd
gätigen Vaters abgefaßt find, und bei'm axamine
felbft bleibt der Wahlſpruch gut und nöthig: «Eile
mit Welle! Uebereile dich nicht mit Fragen, uͤber⸗
eite niemanden in feiner Antwort. Lieber weniger
Lektionen ruhig und fanft Durchgeführt, ald eine nad
der andern. wie Wettermolfen vorbeiftreihen laſſen,
in Deren Mitte man wie in einen Luftwagen fortge-
fährt wird, und hintennach, wenn man wieder zu
Erde gelangt, fih nur betdubt fuͤhlet. Nur dann
wird ein.Eramen für die Antwortenden und Sören:
- den angenehm, wenn jede Lektion fo lange feſtgehal⸗
ten wird, ‚bie die Profectus ber Klaffe in derfeiben wie
ein Gemaͤhlde mit. Licht und Schatten erfcheinen, und
man dadnrch zum neuen Gemaͤhlde der folgenden Lek⸗
tion vorbereitet, geftärft und gleichfam orientirk wird.
Elin Lehrer, der feine Klaffe kennet und lieht, ‚wird
alſo auch die Fragen fp einrichten, baß fie beantwor⸗
\
N
—
-
19 F
:t werben koͤnnen, und wird fie an ſolche richten,
je fie. ihm etwa am beften beantworten mögen:
jerdurch wird Nacheiferung in bie Kaffe gebracht,
nd Nacheiferung iſt befler als Beſchaͤmung. Die |
stummen, die fodann. zueärtbleiben, find fi felbft
te größte Schande, und ˖es müßte jedem unfleißigen
shäter die empfindlichſte Beſchaͤmung feyn, daß
van Ihn am Öffentlihen Examen der Frage nicht
erth gehalten. Mit nichten aber müßten blöde
jemäther mit Unfleißigen vermifcht werben: oft
nd fie die fählaften, zarteften, gruͤndlichſten Köpfe.
3on dem ex abrupto antworten, halte ich nicht fo
tel, ald man gemeiniglich davon hält; ja ich glaube, -
8 fey wahre Spiegelfechterel, aus ſaͤmmtlichen Lel⸗
innen eined ganzen Sahres, anf alle Tragen unvor⸗
ereitet, antworten zu follen, daß kein Quentchen
m Gehalt fehle. Wer von uns Eönnte das, wenn
e fo ex quolibet quaelibet gefragt wärbert Ein
Spiel zur Zeitkuͤrzuug mag das wohl feyn, aber
ein ernſthaftes, vernünftiges Examen. Ich fage
8 hiermit üffenitich, daß Ich ſeit mehren Jahren
in pdar Tage vorher den Lehrern eine Note zufoms
nen laffen, welche Lektionen ich vorzunehmen ger
Achte, uud ich. bin dem feligen Direktor Heinze
tiefen, wie mehrere gute Gedanken ſchuldig. Nun
ann der Lehrer felbft die Leftipn anfehen, bie er
uxchfragen foll, Damit er fie nicht ex abrupto, das
T verwirrt .umd.praepostere, fpndern vernünftig
nd gelaſſen fragen: könne. Gr kann den Schülern
nen Wink geben, worauf ungefähr fie fich noch in
en. festen Sjunden bereiten mögen, damit fie nicht
ine umernünftige Furcht betäube, oder fie gar ie
’
-
170
Der Iieden img PrÄber nee —— Tops die
lem rien wolen, ab wein’ zum reifen Timemit
gar wagerhtet'baftehn. Eine Wihtjarabe Imiden
Getkonen fe das Examen * ſeya, ſouberu cm
vernanſeige, vaͤterllche Urbung
fo tritt nach dem gngefllörten, was dad Ern⸗
men nicht ſeyn fol, gar bald an's Licht, wegi’ed
denn angeftent werde; und der Zweck, duͤnkt mich
dreifach.
1. Daß der Lehrer zeige, wus und wie er in
Ganzen fein Jahr Öffentlich verbracht habe. _
2. Daß · die Squͤler zeigen, wie fie ben Unter
richt genäht. haben,, und eine ‚Gelegenheit bekom⸗
men, ihsen Stel amd Gaben.äffentiih darzulegen,
5. Daß arſchetne, wie die Kluſſen gegen einem:
der ſtehen, welche Harmonie, oder Diäheenınide ia
beiten, Methoden, profsstibus x. ſ. f. herrfche.
Bon jeden will und kann Ih ut. wuinige Worte ſa⸗
gm. Die Staat, der Stunt und der Laudecherr,
der dem Otaxte verficht, haben Macht ib Pluich
auf ſich, den Suftand einer Pflauzſchalr zu erfor⸗
ſchen und zu verbeſſern, die der Stabt Bürger, dem
Staat dramtete Diener und dem Laudedherrn Werk⸗
Feuze bilden ſoll, durch welche er Sefchaͤſte ſeines
Sandes verwaltet. Dazu ſtud Examinatoren boſtellt;
—— |
des offenttichen Rcaminis. - EHER FeiniOüphel, keine
herabgeerbte nuhloſe Gewohnheit, federn: was bet
Truppen die Revuͤe, In andern Departenents "Des
viflon ader Viſitatien genannt wird. Es foß-bifents
I umterfucht. werben, Meſern die Acmrgeſchriebenen
m
Befene, fewohl bie Lektionen, aie Bucht ad Orb»
mg betreffetb, im Ganze ſind, oberut. Mikes
zei ſollen verbefietb, Fehler und lnsrbkungen abze⸗
teüt, Alagen gehoͤrt, Ungehvrſame zurecht gewirſen,
ver Fleiß gesicht, der Unſtoiß getadelt und rüber vioß
tes uupartellfcher Bericht erſtattet werben. Der
Esherws::niit denen ihn zugeerbaeten Vifitatoren
anbelt atſo ‚gegen feine Pflicht, wenn er von biefem
aAlem nicht bie gehinige Notiz nimmt, mub: mit eis
vom ſchloͤfrien Auge über Werberbutffe und Vorur⸗
tete, als ob fie doch nicht zu anbern Teyen, Anweg⸗
zieitet. vehrer handeln gegen ihre Pfluͤht, wenufie
he ihrer Klaſſe verfchwetgen; oder hart⸗
* als site Sewohnheltennuterflüben, unb uͤber⸗
must irgend erwas an's Licht zu bringen wmitertafien,
vas zur gefeguäßigen Verwritung des huen auver⸗
die vereinigt?
tepen, Iannibaflelbe an Gange erhalten, vom DRofl,
yerfig mit! Jahren und Jahrhuaberten in feine Fe
son anfent, wihnäftg gereinigt und wo möglich in
Stan; und bie: thaͤttgſte Wirtumg geſetzt werben.
Dime Eramen nnb Wilitarienenentiihläft jede oͤſſent⸗
ie Auftalt und afhmet zuletzt, wie nuch ber Res
zeude der h. Johames then fett, fanft nad unwirk:
om im Brabe.
Ungeachtet ber kurpen geit zeigt ſich Drei: einen
fentiiäyen Cramen ber Lehrer viellehiht mehr, als
26 feibfi meoimet: Micht mut feine Lehrart mind
ffenbar, ſondern auch der Geift uud day Gemüth,
nit weichem er feine Klaſſe betrachtet wab behau⸗
nik Ober die Sprache mad Miſſenſcheit, bie er
Fe
⸗
— —
m?
lehrt, felbft inne habe? wie er fie vorzuträgen
wiſſe? mit welchem Gluͤck er arbeite? ob er mit
Werſtand und vaͤterlichem Gemuͤth die ihm Auver⸗
trauten anſehe und uͤbe? ob er von ihnen geehrt und
+
geliebt, ober bloß gefürchtet und betrogen werdet
vb ihm die Klaſſe, mithin auch er ber. Klafle zur
Laſt fen? das alles wird in einigen examınıbws
fehr offenbar. Weiß ex nichts, als über Die Schäler
zn jammern unb zu Flagen, fo ift das ſchon ein bi:
fes Zeichen: benn wenn ber Schiffer auf dem Meer
über Wind und Wetter bloß klagen und jammern,
nicht aber fein Schiff regieren, es über Klippen und
Strudel, unter Wetter und Winden weiſe führen
will oder kann, fo tft er ein bifer Schiffer; und der
‚ tk ein böfer Schulmann, der über feine Jugend
nichts ale zu lagen weiß. Dagegen zeigt fi, wie
ein erfahrner Feldherr, wie ein unverdroffener Schlf-
fer, ber verftändige, unablaͤſſig bemühte, gerechte,
billige, gütige Lehrer feiner Klaſſe mit Freude und
Ehre. . Er begt Rechnung ab von dem, was er
- Sollte und wollte, wie weit er fam und warum nit
weiter? Was Ihm ober feiner Klafle, und warum
es ihnen fehlte? Er wird jeden Wink, der ihm
gefhieht, jeden Rath, der ihm gegeben, jede Bor:
ſchrift, die aufs nene eingeſchaͤrft wird, willig und
freudig aufnehmen: denn beffer, fpät gelernt, als
niemald;: lieber unvolllommen gebefiert, als ger
uicht, ehrlicher und ebier geftrebt, als gefchlafen.
Fuͤr einen getreuen und rechtfchaffenen Lehrer find
die Tage bes Examinis feftliche und: Triumphtage,
"feine Jahresrechnung wird ihm abgenommen, und
‚fein em e erleletert ſich, wenn er ſiehet, daß jer
€
— — — —
178
mand an ber Buͤrde, bie ihn das Fahr hindurch als
lein drüdte, redlich und Erdftig Theil nimnıt.
SGlelchexrgeſtalt ik auch für die Schüler das Exa⸗
men eine Zeit des Feſtes. Nicht etwa nur, weil
die Ferien darauf folgen, und mancher in eine au⸗
bere Klaffe oder auf die Akademie gefchidt witd;
fonbern weit jeber mehr oder weniger Gelegenheit
bekommt‘, ſich öffentlich zu zeigen, von-feinem Mifs
fen Rede und Antwort zu geben, und ſich durch bie
Art feiner Antworten, buch feine Ausarbeitungen
und Proben, durch das Lob, das ihm gegeben wird, .
öffentlin zu empfehlen. Mißraͤth ihm auch eine
Antwort, kaͤmen gleich anch nicht viele Fragen an
hu, haste er auch das lingläd, von feinem Lehrer.
aunſchuldiger Welfe nicht genng geſchaͤtzt zu werden;
e mäß ſich- dadutch nicht. abſchrecken, nit .niedere
lagen, fonbern vielmehr erheben und aufmuntern
affen. Guter Muth, Fleiß und Tugend uͤberwin⸗
ven alles; dee kommt weiter, bem nicht alles fo -
rar Teicht gemacht, der aber-dafür In feinem Innere -
ten gewedt wird: ber fucht deito mehr Lob zu ver>
tenen, dem das Lob ſauer gemacht, der nicht zum
ruͤhzeitig und übermäßig gelobt wird. Wapnet euch
ifo mit Anufmerffamfeit, mit Geduld und Gutmuͤ⸗
bistelt, Uebe Schüler; ſehet den heutigen und mor=
enden Tag für euren Chrentag an. Gebt acht
uf Arbeiten und Fragen; antwortet ohne Furcht,
» gut ihr's wiſſet, mit Befonnenbeit,. Sreimüthig-
eit und der jugendlichen Luft und Liebe, bie euer
llter fo ſchoͤn kleidet. Muntert eure Kehrer, mun⸗
ert uns alle auf, erfreut und alle; fo habt ihr deſto
ngenehmere Ferien, wenn ihre das Lob des Fleißes
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Don.der Ausbildung dev Rede und Sprache
in. Kindern und: Juͤnglingen. 1798.
Be Nebe weh Spkache den Menſcher
vom Dhler unterſcheidet, ſo gibt es eine Kuut
der Sprache und Rede, die unser den Moer⸗
fen: ſelbſt vielleicht einen fo großen Urwderſchied
macht als die Rede zwiſchen Thieren unb Menſchen.
a: ber. wenigen: Seit, die mir bier vewöͤnnt I,
werbe ich geigen; das dieſe Kuuſt ber Rede und
SHeuptgefiäft ber Schulen ſeyn muͤffe
*
Wenn wir auf doͤe Melt treten, koͤnnen wir zur
ſchreien und weinen, aber nicht ſprechen und reden;
wir aͤußern nur thieriſche Laute. Manche Votter
und Menſchen verſolgen dieſe thieriſchen Laute
derch's ganze Leben. — Man ſtelle ſich in eine eine
Getfernung, in ber man ben So der: Stimme
8 - “ ” -
4 . - % \
25
au Meile niqht veruisumt,. ſo hoͤrt un zwar _
ER ee Seesen den Truthahn, die Gens, die
hate, bei manchen Nebnern best: Pfau, die Rohr⸗
ommel, uud bei: affeltirenden Schoͤnlingen. den⸗na⸗
aͤrlichen Kanerirrvogel; nur vicht eben — menſch⸗
iche Schame. Unſer Tharingen hat viel mind,
ber keinen augeueiuuen Laut ber. — welches
nan dann am moliſten inne wird, wenn man, wie
ft der Fall iſt, zuar Toͤne, in einander gezogene
bout hoͤret, aber den Siun der Mede nicht —
et. — Süuglinge, die dieſen un
ekt bloßer Thierlaute an ſich haben, fie mögen —
Städten oder. = m Lande ber ſeyn, muͤſſen ſich alle
Bymneflum eine mienfchlihe, na= “
—
charakter⸗ and ſeelenvolle Sprache. ju be—
ommen, und von ihrer bauerifchen oder ſchrelenden
Beffenmundart ſich zu entwoͤhnen. Sie muͤſſen das
Zellen und Belfern, das Gackeln und Kräczen, das
Lerſchluken und in einander Schleppen ber Worte
ind Stlben abhdanken, und ſtatt ber Thler- bie
Menſchenſprache reden. Gluͤdlich iſt das Kind, der
tüngling, bem von feinen erften Jahren an. ver
tändlihe, menſchliche, liebliche Töne in's Ohr ka⸗
nen, und ſeine Zunge, den Ton ſeiner Sprache un⸗
vermerkt: bildeten] Gluͤcklich iſt das Klad, Dem
eine Waͤrterinn, feine Mutter, ſeine aͤltern Ge⸗
ſchwiſter, feine Inverwandten und Freunde, endlich
eine fruͤheſten Lehrer auch im Gehalt und Ton: ber
Rede gleichhſam Vernunft, Anſtand, Grazie zuſpra⸗
ben; ber Juͤngling, ber Wann wird fie nicht ver⸗
dugnen, fo lange er lebet. Denn nur burch Hören
‚esuen win ſprechen, md wie wir frühe hörten, mie
Mi
176
unfer Mund, unſere Zunge ſich in der Kindheit mb
jugend formten, meiſtens ſprechen wir fo zeitle⸗
bene. Die suavitas oris ac sermonis, .bfe suavi-
tas quae exit ex ore iſt ein fhöner Eiupfehtingk
Belek anf den ganzen Weg: unferes Lebens; Juͤm⸗
linge, von denen man fagen Fauil, was Eicero von
den Grackhen und ihrer Matter Eornelte Tagte:
filios non'tam in gremio edacates, quam m
sermone matris, haben an diefem muͤtterlichen Ge⸗
fen? einer angenehmen, deutlihen, ſanftuͤberte⸗
denden Sprache eine fhöme Anlage in Bernandft
amd Kultur geerbet.
| Wem dieſes Gluͤck wicht ward, der maß in fei⸗
ben Zeiten, bel noch blegfamen Organen feine Spra⸗
che beſſern; er lerne fprechen wie die Menſchen,
deren Sprache ihm am reinften, bentllichſten, cha⸗
raktervollſten, Heblichften tönf; Ten eigener Ver⸗
ftand, fein Ohr fey hierin Richter. Dieſe Menſchen
hoͤre er oft und mit Liebe; ihre Stimme umſchalle
ihn and) in der Einſamkeit, wie dort den Agame—
non, da er vom Traum erwachte, Neſtors Stimme
umuiſchallte:
Eygero Vit Ünvs, dein 7 kur aupeyur’ —*
Er ahme ihnen aber nicht, wie jener amerikanl⸗
ſche Vogel, der die Stimme anderer Vögel nad:
ahmt, unverfiändig und Inehtifh nad. Junge
Leute, die ſich zu einer fchönen Rede bilden wollen,
fallen ungemein bald in's Affektirte, und ich kenne
mehrere, bie. jeßt noch das Gymnaſium befschem,
andere, bie es vorbem befucht haben, bie fidy einen
erzwingen feinen Ton der Stimme, den die Italie⸗
y -ner
177
er voce finta nennen, eigen gemacht haben, eb
ex en gleich nicht eigen und feinem Menfchen na=
th ift. Die Rede iſt Ausdrud der Seele, ein
darftellendes Bild aller unferer Gedanfen und Em⸗
pfindimgen; fie muß alfo Charakter haben, nnd
nicht den Tönen gleich fepn, die man hinter dem
Stege hervorgeiget: Wie unfer Körper nicht bloß
Nerven und feine Fibern, oder zierliche Blut⸗ und
Saftgefaͤße, fondern auch Muskeln, Sehnen, Haut,
Knochen hat, und ſolche in gehoͤriger Staͤrke haben
muß, wenn er geſund feyn ſoll, ſo iſt's nicht die
weiche, zierliche, entnervte, buhlerlſche Sprache,
die einen Mann und Juͤngling empfiehlet. Wir
wollen an ihm Feine dulce loquentem Lalagen hd:
ten, dulce rilentem, fondern einen jungen Mann,
der gefunden Verftand, beftimmte Begriffe, Treue,
Wahrheit, herzliche Rechtfchaffenheit, fo wie in Ge⸗
fiht, Handlung und. Geberden, fo aud in ſeinen
Worten, im Ton. feiner Stimme ausbrädt. Es
gibt einen Ton des Herzens, ber unmittelbar zum
Herzen dringt, einen Ton ber Ueberzengung und
Der gefunden Vernunft, der die ganze Seele ergreift,
amd als Steger einnimmt; bahingegen ber falfche
Ton, wenn man Geflunung und Affekte ausdruͤcken
will, die man weder hat noch kennt, dem Gemäth
anderer Menfhen viel wibriger und unausftehlicher
if, ale ein falfcher Ton im Gefange, wenn er auch
noch fo arg heulte. Wahrheit, Wahrheit Hilde un-
fern Ausdrud auch Im Ton ber Stimme; ex abun-
: dantia cordis; weſſen das Herz voll ift, beffen ge⸗
Het ber Mund über. Wie die Muſik eine Tomleiter
hat, auf der. fi bie Stimme auf= und abfteigend
. Berverd Merde » Philoſ. m Be X. - 42
. 178 oo.
‚üben muß, fo bat die. Rebe ein weites Reich m
Segenftänden, Geſinnungen, Leidenſchaften, Em
pfindungen, Zuftänden der Seele u. f. f., ber
Ausdruck fie zu fchaffen, und auf die mächtigfte, ax
genehmfte Weite darzuftelles hat. Daß fie dieſet
zu thun vermöge, dazu gehört Nebung: denn aus
in ber Kunſt feine Sprache zu brauchen, fällt de
Meiſter fo wenig yom Himmel ald In der Tonkunf.
In diefer muͤſſen die Finger, in jener. die Organ
geübt werden, zufammt ben Seelenkräften, aufdk
ſich die Rede beziehet, deren Wirkung fle dußert.-
Leſen heißt diefe Hebung; aber ein LZefen mi
- Berftande und Herz, ein Lefen Im Bortrage je
der Art, und neben. ihm eigene Compoſitioer
und ein lauter lekendiger Vortrag derfelben. Die
ift die Schule, In welcher die Rede der Menſche
gebildet und geübt wird; ihrer haben ſich im Grie
henland und Nom bie gröfeften, die gefchäftrele
. ten und wichtigften Männer hoch hinauf bis in ii
Alter nicht geſchaͤmet. Sie haben fie angepriefe:
diefe Schule menfhliher Sprahe und NRedbeäbun;
Anweiſungen und Regeln in ihr gegeben; fie Haba
ſich wetteifernd um bie Vervolllommnung der Sp
he, der Stimme, der Nede befleißigt. Auf di
Weiſe wurden fie kultivirte Nationen, und-fchriebe
" ihre Kultur der Ausbildung der Sprahe uud Net
zu. Wer dleß nicht nethez hatte, hieß cu Darbatı
und wir werben uns nicht befremden laſſen, daß mer
uns, fobald wir. nicht unfere Sprache und Rede ihnen
gleich ausbilden, dafür, was felbft dem Ton um
Buchſtaben nad) Das Wort: Barbar fagt, halte.
Das. Lefen, ein lautes Leſen bes beiten Schriß
1
179
ten in jeder Art des Vortrags, Erzählung, Fabeln,
Beſchichte, Goſpraͤche, Selbftgefprähe, Lehre und
dehrgedichte, Epopden, Oden, Hymnen, Luft: und
Trauerſpiele in Gegenwart anderer, oder mit an⸗
yern, ohne Zwang, in der natürlichften Art, gibt der
Rede fowohl als ber Seele felbit eine große Vielfoͤ⸗
nigfelt und Gewandheit. Von der Zabel, vom
Maͤhrchen an, durch alle Gattungen des Vortrags
ollte das befte, das wir In unferer Sprache ſowohl
n eigenen Produkten ald Ueberfehungen haben, in
eder wohleingerichteten Schule durch alle Klaſſen
aut gelefen und gelehrt werden. Kein klaſſiſcher
Dichter und Proſaiſt folte feyn, an deffen beften
Stellen ſich nicht dag Ohr, die Zunge, das Gedaͤcht⸗
id, die Einbildungskraft, der Verftand und Wis
ehrbegieriger Schuͤler geübt hätte: denn nur auf
iefem Wege find Griechen, Nömer, Stallener,-
franzoſen und Britten ihrem edelften Theil nad zu
ebildeten Nationen worden. Alcibiades gab jenem
Schulmelfter zu Athen eine Maulfchelle, der den
rften Haffifhen Dichter feiner Sprache, ben Ho⸗
ner, nicht in der Schule hatte; und wie fleißig
te Sriehem.ipre beften Schriftfteller, wie fleißig
fe edelften Römer die beften griechiſchen Schriften
sfen, wie oft fie ſolche abfchrieben, duswendig
ernten, nahahmten und fih zu eigen machten,
lingt für unfere neue barbarifche Zeit beinahe wie
In altes Mährchen. In Stallen weiß der gebilde-
re Theil der Nation ihre Haffifhen Dichter faft - .
uswendig; in englifchen neuen Schriften werden
e zu Zeit und Unzeit angeführt, und mit britti-
hem Stolz gepriefen; wie fehr die franzöfifche Na⸗
Mi
a 7
‚180
Aon auf ihre. Sprache und Schreibart, auf die Pe
‚ Kter derfelten in jeher Art ftolz Ik, weiß jedermen,
and nur Dadurch, durch bie Delenfigtelt und Ric:
tigkeit ihrer Schreibart, durch ihre Immer ber Lage
der. Sache angemellene Gegenwart des Geiſtes, bard
$hren immer lebendigen Witz und Verſtand finb fe
de Freunden und Feinden, was fie find, worbe.
Sie ehrten die Mufen, fie ſchaͤtzten 1 Umgau
Komedil als kı Schriften vorzäglihe Talente; bapım
ſtanden ihnen aud Die. Mufen bei, und haben genf
ga der unglaublichen Uebermacht, die jetzt ga;
Deutſchland In Schreden feßt, mitgeholfen. -
Wir Deutſche hingegen ſind hierinne ſehr nachte
Alieben; unſer Schul- und Kanzelſtyl und unfe
Kanzeleiſtyl, ber Regensburger zumal, ſind au
wahren deutſchen Eichen und Buchen, oft nicht eu
nal geformte hoͤlzerne Style, mit denen wir wobhl
Leine Nation an uns loden, aber aud feinen Zen
todtſchlagen werben. Unſere edle deutfche Sprad
4 noch bei weitem nicht geworden, was fie fen.
koͤnnte; unfere beften Schriftfteller find in Haͤuſen
ft auch in Schulen unbekannt, und an Höfen vr
Achtet, da fie doc, von Jugend auf die Denkart dr
Nation bilden, Ihre Iebende Sprache regeln, ihre
Amgang verfügen und erheitern folten. Kein et
led Bid, Teine große Geſinnung, Aufmunterm
und Warnung, wenn es mufterhaft gedacht und ge
Fagt ift, ſollte bloß in unfern deutſchen Buͤchern un
Bibeln ftehen, ‚oder makulaturweiſe in unſern But:
Saden legen, Tondern in den Schulen follte, wi
auf der Tenne dad Kor von der Spreu geflchte
Ecdes Ebeifte und Beſte laut gelefen,. auswendi
- 187“ u.
zelernt, von Fünglingen fih zur Negel gemadr;
nd in Herz und Seele befeitiar werben. Wer mn
er euch, Ibr Tünglinge, Fennt Uß und Haller, Kleiſt
nd Klopfiod, Leſſſng und Mindelmann, wie bie
ztaflener Ihrem Arkoft und Taſſo, die Bıltten ihrem
Milton und Shafefpeare, bie Frangofen fo viele
hrer Schriftjtellee keanen und ehren? — Diek '
aute Leſen, audwendige Vortragen, bildet nit. '
me bie Schreibart, fondern es praͤgt Tormen der
Hebdanfen ein, und weckt elgene Gedanfen; es aldf
em Gemüth Freude, "der Phantafie Nahrung, dem
Herzen ehren Vorſchmack großer Gefühle, und erweitt,
vern:dieß: bet und möglich iſt, einen Nationalcha⸗
alter. Mit welchem Entzaͤcken erinnere ich mich
neiner Jugend; da ich zuerft dieſe nnd bie alten
zchruftſteller und "die erſten Schriftſteler fremder
dationen lad! Kaum reicht in meinen ſpaͤtern Jah⸗
en etwas an dieſe Freude, an dieß ſauͤße Erſtuumen.
n der Jugend iſt die Serle der Biene gleich, die
dem erſten ſchoͤnen Fruͤhllagskag am jedem Kelch
er jungen Blumen daͤngt, und ihren: ambroſiſchen
onig ſaugt; zim Herbſte des Lebensgeht man über
:mähte Wieſen, oder gar über gebraachte und
toppelfelder.
Zum guten Lefen: und Auswendiglernen gehoͤrt
thwenbig eigene Kompoſitien, fo eingeſchraͤnkt
eſe auch ſeyn moͤge. Man muß ſich im Schreibne:
en, wenn max richtig ſprechen, wenn man getam: -
en nnd hören wi. Alſo kleine Aufgipe-von allen -
"Art; Angszuͤge and Buͤchern theils ſtallenweiſe,
8 nach dem ganzen Plan-ded Buchs und feiner: "
ordnung, dieß find die Zellen, die fih der Zei
182
Her Biene banet, die Körbe, in benen fie ihren He⸗
“ nig bereitet. Nulla dies sine linea, Fein Tag muß
voräbergehen, wo nicht ein junger Menſch für fig
felbft etwas fchreibet; er hole nur nach, was er ver-
geſſen möchte, oder feße fich feine Zweifel auf, ober
derichtige diefelben, ober exrcerpire ober Eomponire,
in welcher Hebung es auch fey. Der Stiffel, d. i.
dei uns die Schreibfeder fchärft den Verftand, fie
- berichtigt die Sprache, fe entwidelt Ideen, fie
macht die Seele auf eine wunderbar angenehme
Weile thaͤtig. Nulla dies sine linea.
Am innigften aber wirb Sprache und Rebe burd
Umgang gebildet; und leider wir Deutfche nutzen
den Umgang zur Bildung unferer Sprache und Rede
faft gar nicht: darum heißen wir bei andern Ratio:
nen fo oft ſtumme, oder ungeſchickt Sprechende,
grobe Barbaren. — Sprache iſt durch Umgang,
nicht in der Einſamkeit entſtanden; durch Umgang
wird jeder Ausdruck in ihr gewetzt und polirt. Auch
im Umgange ſollte man fish nie einen Barbarismus
erlauben; alle gebildeten Stände in andern Natio⸗
nen fprechen im Umgange ihre Sprache korrekt; nur
ber einzige Deutfche nicht, ber fpriht und erzählt,
etwa wie die Hebamme in Shalefpeare. unge
Leute follten fi unter einander aufgeben zu bemer⸗
ten, wo jemand von ihnen einen Sprachfehler ge-
macht babe; dieß iſt keine Pedanterie, fondern ſetzt
und für's ganze Leben in den ſichern Beſitz eines re-
gelmäßigen guten Ansdruds. — Noch mehr follte
man fi Wieiäigen, jedesmal auf's befte und an-
Ntändigfte zu reden. Wenn man gefragt wird, aufs
-
185
jepkammtefte und gefälligfte gu entworten: ment ,
man erzählen fol und win, auf's anmuthigſte zu er- \
‚äblen; oder wenn man eine. Bitte, einen Antrag
m thun hat, fle aufs beſcheidenſte und wärbigfte
zu thun; felbft unangenehme Dinge, Verweiſe und
dergl., ohne Zorn und Grobheit auf die anſtaͤndigſte,
aachdruͤcklichſte und zweckmaͤßigſte Art zu fagen. Das
ft der wahre Atticismus, Politeſfe, Urbanität,
oder wie man fonft den guten Ausdrud in bee ge⸗
meinen Sprache des Lebens nennen möge. Durch
ihn haben fi alle wohlgefitteten, bürgerlichen Natio⸗
nen unterfchleden. Antwortet man dagegen einem -
Fragenden, wenn ed auch ein Unbekannter wäre, _
wie ein Bauer, halb, fchief, quer, und weiß nicht,
ob man den Mand öffnen fell — erzählt man wie
ein Trunkener, das Vorderſte zu Hinterft, das Hin⸗
terfte voran, In ellenlangen Einfchlebfeln und Yarens
thefen, fo daß man nie zum Zweck kommt, und ur J
zend den Ausgang findet; uͤberlaͤßt man ſich im
Scherz groben Zoten, beleidigenden Ausdruͤcken,
und dem unſinnigen Aberwitz von Wortſplel und Laͤ⸗
herlichkeiten, über die niemand lacht, fo Läuft man
Hefahr, ewig ein deutfcher Bauer zu bleiben, wel-
ben Rod man auch trage. — Eure Rede fey alle:
zeit lieblih und mit Salz gemwärzet, fagt YVanulus;z
and Chriftus fagt: habet Salz bei euch; wenn das
Salz, wie eure Epäffe abgefhmadt und dumm wer:
ven, fo [hättet fie auf bie Gaſſe n.f.w. Es gibt
setn befchwerlicheres Geſchoͤpf der menſchlichen Ge⸗
ſellſchaft als ein Menfh von dummen Reden; und
tein erbaͤrmlicheres Glied unter den menſchlichen
Sliedern als eine vorlaufende, flolpernde, ftotz
1 — 1
tetnde grobe der ungel ad ſpitzlg nd“ felicetat |
ne, dumme Zunge. |
um zu dieſer Huͤchternhelt Im Reben des tim |
sanged und zu einem guten Styl der Geſellſchaft
überhaupt zu kommen, hat man einige Regeln ber
Vorſicht nöthig! 1) Mar falle niemanden in die
Nede; ein Menfh, der dem andern in die Rede
fat, ift ein Wahnfinniger, wie die Indianer jagen,
oder wie andere fagen, ein feines Verſtandes nicht
maͤchtiger, dem niemand viel zutcauet. Im Bud
Hiod war Elihu fo vol von Weisheit, daß ihm ber
Bauch Ferften wollte; gr wartete aber doch, bis die
Alten’ ausgeredet hatten, au's Ende. 2) Man huͤte
ſich vor gewohnten Eigenheiten und Liebliugsaus—
druͤcken, dadurch man entweder lächerlich oder ein⸗
toͤnig wird, weil man fie gemeiniglich zur Unzeit
wiederholet. Saft niemand kann Ihnen ganz entge⸗
hen; inſonderheit haben fie Leute, die’ viel reden
möüffen, und ohne Vorbereltung reden; doch aber
huͤke man fich vor ihnen und ſchraͤnke fie To viel mög-
lich ein. Man beſielle fih Wächter, die und ſolche
ſagen muͤſſen, oder fey fich feibft Waͤchter. Jeden
von uns iſt bekannt, an welche Albernhekt man ſich
gewoͤhnen kann, wein man nicht auf ſich merket.
3) Man huͤte ſich vor allem Deſpotismus im Um⸗
gang und in ſeinen Geſpraͤchen. Deſpoten im Umgang
find die unettraͤglichſten Geſchoͤpfe; fie brechen die
muntere lieblihe Unterrichtung ab, halten “fie auf,
le fen Be Teitwärts, und prägen Ihre Meinung mit
> Stoly als Siegel der Wahrheit auf, Sie kommen
nicht zur Wahrheit und wollen andere nicht dazu
laſen. Jeder junge Menſch pruͤfe ſich des Abende,
—
b)
u
ob er Heute eine Unge hnenheit begingrn, "eine wit '
gebahrilche Rede gedußert,' einen Discurs verderbt,
eine Antwort gegeben; oder font ein Beträgen ge⸗
zeigt hat, mit dem’ andere, mit dem er nicht zuftie⸗
ben ſeyn Fönnte, Zur Unfreundlichkeit iſt uns die
Rede nicht gegeben. Bel allem kommt es vorzug⸗
lich darauf an; daß unfere Rede ganz ſey
und was Ganzes beftimmt fage. DerDeutfche
halbirt außerorbentiich gerne, und hält ſich nieder:
trächtiger Weife an die Halbwahrhelt. ntweber
antworten wir wie ber Unterofficher mit dem Anlt:
. tet „Ham! ham!” 'ohne zu fragen, ob ber andere
daraus Aug werde;’oder wir ſprechen wie Diehit-
boten, Lakeilen — komplimentenvoll, herumgehend
um'die Wahrheit. — - Dafür halten uns dann auch
die fremden Nationen. Ste fagen, man kenne einen
Deutfhen an feinen Komplimenten, an feiner Anrede
oder: Antwort, am Toa feiner Unterredung. — Ent=
weder ſey er ein Groblan, oder kin ſchlelcheader Hofl-
zer, ‚oft beides zugleich. Dat, was man ſagen will;
zehn; ganz beftimmt und doch artig, höfld zu fagen,
ad ein Ende in feiner Rede finden zu Fönnen; das
iſt der ſchoͤne Ausdrud der Gefellfchaft und des Um⸗
ganges. Er ift wie ein ſchoͤner Edelgeftein, ein Kind
der Natur, aber durch Kunſt gefaßt, vol Sinnes, voll
Anmuth, vol inneren Werthes, klein und koftbar. —
- Damit auch meine Rede ein Ende gewinne,
tretet hervor, ihr Juͤnglinge/ mit freier Stirk uud
mit erfreuerd lieblicher Rede. Niemand fage
was er weiß, halb; niemand fage. es furdtfane
and kuechtiſch. Eure Lehrer werden euch ganz und
mit väterliher Gewiffenhaftigkeit die Fragen vorles
-
ai 4
186
gen; mit willigem Ohr find wir hier, eure genug-
thnenden, euch Ruhm erwerbenden Antworten zu
hören. — Niemand fiode, niemand zage. Mir
find hier auf den Auen der Mufen, der Geberinnen
füßer Rede. Die Stimme der Juͤnglinge zu hören,
{ft angenehm; die Engel felbft erfreuen fi, fagt
Swedenborg, wenn Kinder anmuthig reden,
wenn. fie. mit Holder Stimme lefen, unübereilt,
and verftandreih antworten, wenn fie mit einer
tindlichen Gewißhelt, was fie willen und gelernt
haben, fagen. Gerne fey bier ein Feind, ein Aufs
Horcher diefer heiligen genlalifhen Nerfammlung.
An einander freuen wollen wir und, und ia Ruhe
uns Zeit nehmen, einen Sarten der Wiffenfchaften
zu durchwandeln, in dem "auch wir einft als Juͤng⸗
. Minge Roſen fanden. Jeder ftebe wie Ulpffes Da,
wie Homer Ihn befchreibt, mit ruhigem Auge und
gefenftem Scepter, ald ob er was zu fprechen while;
aber wenn er zu reden anfängt, dann mögen bie
Worte, wieleichte Schneefioden, einanber folgen; er
defriedige mit jedem Worte, und man vergeffe alles
andere über feiner angenehmen wohlkiingenden Rede.
*
xvm.
Von der Achtung, die Lehrer ihren Schuͤlern,
Eltern ihren Kindern ſchuldig find, 1797.
⸗
Maxima debetur puero reverentia if JIwuwe⸗
nals bekannter Aus ſpruch, der Im Zuſammenhange,
Lu
.
187
wie ber Zuſat zeigt, si quid turpe paras, war.
eigentlich nur fo viel fagen will: haft du was Un⸗
ehrbares vor, fo trage wenigſtens vor Kindern und
Knaben Schen, und Ärgere fie nicht mit deinem
Beiſpiel; die Urfache aber, weßwegen der römifche
Dichter diefe Warnung gibt, laͤßt ſich anf mehrere
‚Dinge, als auf die bloße Vorfiht, Knaben nichts
Unehrbares zu zeigen, anwenden; und ſo will ich,
‚m. H. H., der heutigen Pflicht meines Amts ge⸗
‚mäß, etwas allgemeiner von der Schen und Achtung
"reden, bie Lehrer ihren Schuͤlern, Eltern ihren Kin=
‚dern ſchuldig find, und einige Worte von der gegen
m
‚feltigen Ehrerbietung, bie Kinder ihren Eltern,
Schuͤler ihren Lehrern zu erweiſen haben, beifuͤgen,
‚in beidem aber muß ich Ruͤckſicht auf den Platz neh⸗
‚men, anf welhem, auf den Zweck, zu welchem ich
ſprege und auf die kurze Zeit, in der ich zu reden habe.
Maxima debetur puero reverentia, und ſo
find wir zuerft wohl alle darüber einig, m. H., daß
unanftändige Worte und Scheltreden Eitern und
Lehrern mit feinem Grunde der Wahrheit je zum -
Vorwurf follen gemacht werden koͤnnen. Wit -wifz
fen alle, daß der Knabe von jedem ihm öffentlich
dargeſtellten täglichen Vorbilde gewiß, auch ohne
daß er's will, ein böfes oder ein gutes Beiſpiel
nehme; denn in jungen Jahren nehmen wir unaus-
bleiblich die Sitten, die Reden und Geberben an, ’'
I
die wir täglich vor ung fehen, die fih und Im lauten -
Schall eindrüden, ja gar durch dad Anfehen eines
Daters oder Lehrers empfehlen; fondern nur das
will ich anführen, daß ein ehrliebender und ehrbe⸗
Am -
-
gieriger Knabe durch Beleidigungen diefer Art,
188°"
wenn ffe ihm vor feinen Mifſchuͤlern geſchehen, am
empfindlichſten gekraͤnkt und ſcheu gemacht, ober,
wenn er wilderen Gemuͤths iſt, erzuͤrnt und erbit
tert werde. Was bleibt aber einem Lehrer, wenn
er ungluͤclich genug wäre, die Achtung und Liebe ſei⸗
- ner-Schüler verloren zu haben? wenn bie, die mit
dem gräßeften Zutrauen, mit der innigſten Neigung
zu ihm kamen, gleihfem mit Mühe Ihr “Herz von
ihm wenden, weil fie natuͤrlicher Welfe das Unrecht,
dad ihren Mitſchuͤlern geſchieht, und ihnen auch bes
gegnen kann, mit innerlich. gefränftem Stolz als
das Ihrige annehmen, und Ihrem Lehrer. unver:
merkt die. Liebe und Gunft entzlehen, welche bie
Hardhabe zu allem Guten find, das in der Schule
geflältet werden kann. Urbeite nun ferner iu fau-
rem Schweiß, du armer Zehrer, mit denen bie ihr
Herz von dir gewandt haben Did wird 3. B.
niemand zufrauensvoll fragen, wenn er erlebt Hat,
daß andere auf ihre gutgemeinten Fragen muͤrriſche
Antworten erhielten: du wirft Kloͤtze finden, wenn
dur Kloͤtze zu finden glaubt, und deine Schüler dazu
gemacht haft. Man wird dir genau nur fo, viel
Liebe erzeigen, als du andern von deiner Seite er⸗
zeiget haft, und wenn du im Augenblick des Un⸗
muihs einzelne Schuler oder ganze Ordnungen. mit
Namen belegte , durch die fie gewiß wider deinen
Willen Ihren Mitfchätern zum Seipött werden, fo
wundere dich nicht, wenn du ihr Gefühl bes Wohl⸗
flandes und der Ehre zuerft-gegen Dich felbft empört
findeft.- Die Zeiten-find vorbei, da Schimpfworte
w'rken konnten, was fie. vielleicht auch nie gewirkt
baden, wahre Scheu und Ehrfurcht: mancherlet
« -
-189 ‘ ;
Urſachen fommen jufammen, warum biefe Methode
nicht mehr Früchte bringen mag. Bielmehr läuft eine
. Schule oder Klaſſe Gefahr Ihren guten Ruf zu ver:
lieren, wenn die Feinde bed öffentlihen Unterrichts
mit einigem Recht ihr üble Sitten vorwerfen bür-
fen, fo wie auch ber Stanb bed Schullehrere, ber
erachtet genug ift, fi nie heben wird, fobald man
auch nur mit einigem Scheine ben Vorwurf ihm ma=
chen kann, daß er auf blefe Welſe bag Gefühl ber
Ehre bei feinen Schülern erfchlaffe oder heleidige.-
Das Auge der Verdchter Öffentliher Schulen wen⸗
‚det fi von ihnen, wie yon einem Kerker für Ungluͤc⸗
ſelige zurüd; man verachtet ober beklagt den Lehrer,
man beklagt und bedauert die Schüler.
Maxima debetur puero reverentia — das Ge⸗
fühl von Recht und Unrecht Liegt tief in der menſch⸗
chen Seele, und dußert fih in ingendlichen Ge⸗
muͤthern ſtark und lebhaft. Thue einem Knaben
Unrecht; er fühlt es Inniger, als. es ein Mann
fühlen wird, ber mit deinem falfchen Urtheil zu-
gleich den Grund oder Ungrund beffelben fiehet und
- Aberfichet. Jener kann und darf fich vielleicht nicht
verantworten, fühlt er aber, daß ihm wehgeſchieht,
und daß er bloß durch feine Jahre und feinen Schul-
ftand verdammet fey, hier deinen Eigenſinn, dort
deine muͤrriſche Laune zu tragen, jetzt eine böfe
Nachrede die dir zugefiogen iſt, unfchuldigerweife
zu entgelten, jetzt unter deine ihm unbegreifliche
Eonderbarkeit fih zu ſchmiegen — was kann in fel-
nem Herzen auffeimen ald Unmuth und die Be-
gierde, fobald es. möglich tft, von die ſen Launen
‚ befrelet zu werden. Vielleicht, wenn er böfes Ge⸗
“
190
muͤths iſt, macht er mit aubern einen gottlofer
Chor, dich insgeheim zu verfpotten; und noch lang
nachher, wenn cr ben Schulbaͤuken entkommen If,
wird er mit Schmerz oder mit Spott deine Chorkel:
ten erzählen. So pflanzen fih oft Klaffen= ml
Schulgefhichten lange, und felbft nach dem Tode
ber Lehrer fort, wahrlich weber zum Außen, ut
zur Ehre bes gemeinen Weſens, in welchem fie ih
Geſchaͤft trieben.
Maxima debetur puero reverentia et cura:
denn die aufwachſende Jugend iſt ber groͤßeſte She
des Staats. Aus ihr kann alles Sute und ale
Schlechte werden: denn In ihr weiches Gemüt
drückt fich alles Gute und Schlechte ein. Schon Is
den Schuljahren koͤnnen Jünglinge an Körper un
Seele verderben, und aufihre ganze Lebenszeit ver
luͤmmeln, ober fie Fönnen zur Frende ihrer Eltern
zum Nutzen bes Staats, zur Ehre der Welt und
der Wiffenfchaften wie blühende Biume heranwach
fen, und auf ihr ganzes Leben wie ed auch fey:
follte, den Grund zur Urbeitfamkeit, zur Ordnung
zum guten Gefhmad, zur Tuͤchtigkeit in allen Ge
Ichäften, Eurz zur Tugend und Glädfeligfeit Legen.
Yun aber haben Eltern nichts Weriheres als Ihr
Kinder, der Menſch Hat nichts Schoͤneres, al
feine Jugend. Iſt diefe verloren, fo bar er feh
Beſtes verloren: iſt zu biefer Seit feine Seele ge:
kraͤnkt oder vernahläfligt, gefrimmt, ermattet un
u fhlaff geworden, fo ermuntert und erholt er fid
kaum wieder. Brich du diefem jungen Gewäds
fein Herzblatt. ab, zerknicke feinen jungen auffire:
benden Wuchs; du wirt es bald verwelft, ober, fo
TE In u — — mn — -
— — m m mE WE = SI TE ou na m
191 -
lange es da fft, wirft du vieleicht eine armfelige
- Pflanze. an Ihm bedauern. Ich will und mag den
Gedanken eines öffentlichen Inſtituts nicht ausden-
Ten, In welches junge Gemüther in den fchönften
Sahren ihres Lebens kommen, daß fie auf Lebens-
zeit vielleicht verwildern, oder verwelfen.
Icch habe In meiner Anwendung der Lehre Ju⸗
venals bei jungen Leuten ein Iebhaftes Gefühl vor:
audgefeßt, von dem, was vor oder mit Ihnen ge=
fchleht; und ich laſſe mir diefe Ueberzeugung, daß
fie Gefühl und zwar oft ein fehr feines und richtige®
Sefühl haben, nicht rauben. Das Auge eines
Juͤnglings bemerkt wahrer und fchärfer, als das
Auge manches Mannes und Grelfes: fein Urtheil
iſt oft unpartelffcher als eine Meinung, die fih
bloß aus der Gewohnheit erzeugte und auf dem traͤ⸗
gen Schlendrian ruhte. Wir werden alle darüber
eins feyn, daß der Merftand junger Leute am mel-
ften, ja einzig, dadurd gebildet werde, wenn man
verftändig mit ihnen umgeht, zutrauend mit Ihnen
ſpricht, und das wilfenfchaftliche verftändig treiber;
Daß ihr Herz am meiften, je einzig, dadurch ge—
wonnen und gelenft werde, wenn man Ihnen ein
vaͤterliches, freundfchaftliches, wohlmeinendes, un⸗
. verdroffenredlicheg, gutes Herz zeiget. Der müßte
ein Teufel aus der Hölle feyn, der In weniger Zeit
acht dadurch gewonnen ober gelenft würde, und
wuͤrde er's nicht, fo bat der Lehrer feine Pflicht ge:
than und träget bei feinem wohlmeinenden, billigen,
menfchenfreundlichen Herzen den Lohn in fih. Hinz
‚gegen verllert man felbft In weniger Zeit alles edle
„Gefühl und die fhönfte Freude des Lebens, ſobald
—
1.49%
-. m. ſich in ne et febt, | Menfen
‚wie unemp e zu behandeln, und dem auges
—* Gebrauch ber. Vernunft und. Billigkelt gut
beguemer Gewohnheit. zu entfagen. Der alte Te
zenz..hat. in feinem Luftfpiel „bie Brüder“ Härte
und Güte neben einander geſetzt, und ber letzten
‚ob er fie gleich mit.vieler Schwachhelt mifchte, dew
noch den Preis gegeben. Inter ben, Philologen u
feres Tahrhunberts darf man nur, am ‚Ende de
Geßnex'ſchen Iſagoge, die auch In dieſem Spmuafı
eingefuͤhrt iſt, den Artikel de educatione. leſen,
Am Grundſaͤtze der Sanftmuth und Billigkeit zu fu
‚den, bie, wie mich duͤnkt, der Natur und Erfah
„zung volllommen gemäß find, und jedem ben Wunſch
ablocken, auch. fo erzogen zu ſeyn, wie man bier
die Erziehung in ‚Regeln bemertt findet. Ded
warum Tollte ich fie ſeibſt nicht anführen , . da fe
‚meinen Satz auf die lehrreichſte fchönfte Weiſe be
kraͤftigen: Cogitare jubet philosopbia, fagt en
patres et qui vicariam illorum curae provin-
—cgiam imponi sibi patiuntur, nihil esse sollicita
‚cura dignius unoquoque puero, qui possit,
‚prout tractatur, magnum bonum fieri suorum
et reipublicae velmagnum malum. Posset induc-
tione ostendi, pleraque vilia, quorum nomine
‚accusatur naturae nostrae corrupt.o, a pravi-
tate et stultitia educantium oriri. Quantun
ergo fieri potest, max ab initio curandum est,
ut.ament eos, a quibus formari docerique
debent, blanditia quae grayitati nihil dero-
. get, indulgendis voluptatibus innoxiis, ignos-
cendo erroribus; efficiendo praesertim ,. ut in
. bene-
\.
193
benefieio ponant doceri, poenam autem maxi-
mam putent, si hoc illis negetur. Maxima de-
betur puero reverentia, ut conservetur aucto-
ritas, ne noceatur illi exemplo. Adducantur
parvi, ut statim quidem parcant jussi, deinde _
vero rationem requirant et discant, cur facien-
dum unumquodque fuerit. In primo vel men-
dacio vel damno dolose dato, quam vehementer
fert humanitas castigandi et vix denuo poena
opus erit. — Non postulandum est ut per
omnia sapiant, ut graves sint pueri, h.e. ut non
eint pueri. Unus et constans.tenor disciplinae
‚bservandus, qui consuetudinem inducat; pro-
aut erescit intelligentia, usu ratio est confirman-
Ja. Inprimis omnibus virtutum laudibus atque
exemplis aures illorum personent, exercenda-
zumgque illis oecasiones subministrentur. Tur-
pitudinem omnem despaere et abominari in
aliis, maxime in se consuescant. — — Cum
puniendum est, misericordiam potius quam
; iram prae nobis feramus, laetemur rebus illo-
rum bene gestis tanquam -felicitatis auguriis,
Amor denique et cura ipsorum salutis undique
_ eluceat etc.
Kurz, m. H., das Licht leuchtet durch ſich ſelbſt;
| Feuer wird nicht durch Eis, fondern durch Feuer er⸗
zuͤndet. Das Gefühl der Naceiferung und Ehre
wird nur durch edle Vorbilder erwedt ; Anftand,
Thaͤtigkeit, —— eine ſchoͤne und leichte Weite
zu hanbein, fernt fh -. ra *
gforzgeſetzter ſſlüer Bee und fafl einzig aus
venliebe nur durch Liebe, . o wird aub Ge⸗
gegenſeitige
Horb Werte). 9 —*— N nyrerbietung
(
294
nur Durch zuvorkemende Billigkeit vaterliche Sreue
unb ſorgſame Achtung erweckt; wiealle, fo theilen
ſich auch dieſe Gefinnnugen unvermerlt mit; mul
wehl der Kaſſe, wohl der Schule, in der ſie gleide
fin: gzum taͤſllchen Siemenb werdene ein ſchoͤnes
Band, das Lehrer und Schuͤler täglich: feſter laupfet
Mun waͤrbe Geßnern mad mich übel: nenftehen,
wen glaubte, daß iche ſratt ſtoeuger Baht: mh
Hinktiihen Grhorſacus uud
Ordnung, fehtt: einds
einer feſten Mugehnäptgteit im Arbeiten, Sewehe
heiten und Sitten, jene
ber uhlreichen Berſammlung von Menſchen nf
Ordtn ung herrſchen, wem. nicht alles zuui ar
‚werden —— ‚aber kanm une ſtatt finden,
on auf fie: wit eruͤſter "Strenge. gehalten wirh
and faſt dad Weite; was bie Jugend ain 5*
Schulen lernen fol; iſt Ord aung. Süubsebinatten
med puͤnetilcher Geherſam muß ſo wie Tab Keleg⸗
heer und auf per Schiff, Tor bei jedem oͤffeutliches
Sefchuft ſeyn, an welchem mehrers zu arbeiten ha
ben; alſo gewiß auch in der Schule. Eigenſin
und zuͤgelloſe Frechheit, Ungehorſam vnd grebe
Haloſtarrigkeit muſſen durchaus nicht gebwäber wet:
sen. Hievon bin ich ſo uͤberzengt, daß ich Bas
Schulge ſchaͤft wie ein⸗ IHoͤllen eual e ophee ww
der Danalden auſehe, fo fange: ber Lehrer miqht
if in ſeiner Klaſſe Here, ſ feiner Schuͤler maͤchen
eines jedeh Winkes, den er oibt, gewiß M.
Dieſe —*— Ordnung Tann. har auf niches ai
auf Vernunft und Billigkeit gebauet ſeyn, der
405
———— Das Geſetz Naß hereſchen und
Lehrer darauf halten, mit Lindigkeit ober
een „allemal; aber Jeibenfhafties, mit Liche
nud Suͤte. Von innen heraus, vom Gelft muß es
auch hior anfangen» fe daß der Schiller in weniger
Seit aa thattteh begroifen lerne,, warmu ihm fo und
nicht - andere zu: handeln erbaubt werde. Das vor⸗
nohmfie: Mittelalfo zu dieſer allgemoiaen Ordnung
m: Beaſchaͤftignag, lebhafte Beiäftigung. bez
Saele des Knaben, ſo daß diefer gleichſam nicht
Zeit habe, ausguſchweiſen oder muͤßig zu ſeyn. Aus
Der Soele Deo Lehrers theilt ſich dieſes Feuer mit,
nnd verbreitet ſich wie eine elektrifche Kette auf die
Edeln und Fleißigon zuerſt, von ‚biefen eudlich and
auf Ma Rmdgen. mad Daumen. Gobald jeder ſie⸗
het, daß er micht undemerit bleibt, fobald ex ges
wahr wird, daß zuyar nie amd Unrechtes von Ihm
geqordert, ihm mir etwas, was seit wiſſen
oder chun konnte, -unbillig zugemuthet werde, daß
man ahm aber auch nichts nachſieht, und daß fein
Unveeht zu reychter Zeit zwar mit. ſchononder Haud,
| aber dennoch au's klare Licht Lammt, fo wird er ſich
emdlich · mohl huͤten lernen und umter „Die Ordnung
ſehmiegen. Gelingt es dem Lohrer nun gadaß er
neben. der ſtileg Liebe zur Wiſſenſchaft auch
oͤffentliche Ehre und Nache iferung In feine
Klaffe gu bringen: weiß, fo fehlen ſich Sucht und
Orduung ˖ von ſelbſt dar. Sn Mort, ein Blick,
ein leiſer Wink von ihm wird mehr ausrichten,
als hundert Scheltworte und aufahrende Sitten
peodisten, uͤber die man ſich aus Gewohnheit hin⸗
andiekt, oder die muͤßig um's Ohr ſauſen.
| |
196
Gluͤcklich tft ber Lehrer, ber bad Herz fen
Schuͤler in feiner Hanb hat und ed lenken kann, we
Hin er will! Sluͤcklich Hit der, dem fie folgen, ſelbkt
wenn fie auch noch nicht wiffen, warum er- fie diefet
‚Weges führe. Gluͤcklich, wen fie an feittem Ge⸗
burtstage wirklich mit Bändern der Liebe binden
Freilich Liegt bei diefer fchönen Gabe, Zutrauen u
Llebe zu erwecken, oft eine gluͤckliche Natur zum
Grunde, vieles aber und das meifte rührt doch de
von ber, nicht wie man ift, fondern wie man fi
beträgt, wie man benft und handelt. Wer feine
‚Stande ober Gefhäfts müde Ift, wer fein Aust, wi
der Jugend umzugehen, als eine befchwerliche Lat
"träger, dem iſt der fchönfte Segen entnommen, bes
uns die Vorſehung zutheilen Tann, nämlich, m
anferer tägiihen Arbeit Freude gm *
den, und an ihr Immer ſelbſt als Juͤnglinge zı
lernen. Dieß iſt der gute Geiſt, den jener Köntg
im Pſalm ſich erbittet, der freudige gewiſſe
Geiſt des Lebens. Er ſtaͤrket ſich In feinem
Geſchaͤft durch Gewohnhelt, nimmt mit den Jahren
eher zu, als ab; arbeitet nicht vm Lohn oder Ehre,
and empfängt beide um fo ſicherer und reiner, weil
er nicht für fie arbeitete, weil er nicht an fie Dachte.
Vorzuͤglich iſt er Ein Geſchenk wärbiger Schulleben
geweſen, wie: die gelehrte Geſchichte beren ein
große Reihe zu nennen weiß. "Dem Neide und be
glänzenden Welt verborgen, lebten fie befto giädtt:
cher im Krelfe junger Menfchen, an deren Bluͤthe
fie fh freuten, und bie ihnen auch Im grauen —
noch etwas von ihrer Munterkeit, ihrem empor:
ſchießenden Leben mitzutheiien fchienen. Non die:
N
L
—
. 197
en geliebt und verehrt waren fie auch In ihrer Ar⸗
suth gluͤcklich, in ihrer täglichen Geſchaͤftigkeit ver
nuͤgt, und Durch eine ſtille Gewohnheit Gutes zu:
an zund zu lehren, allenthalben das honestum.
hren Schülern beliebt zu machen, und fi an je;
em Zortfchritt derfeiben zu erfreuen, gefundb und
eiter. ‚Beid warb es denn ein ſchoͤner Lohn für:
ie, ‚die. als Erwachſene in Ehrendmtern zu fehen,.
san. fie ald Tünglingen fchon Liebe und Achtung.
zeigten, und eben durch biefe Achtung, oft nur
urch ein ftilles Mort, das dieſe Achtung mit Freude
md Hoffnung ausdrüdte, andern Mitfchilern un⸗
emerkt, einen unauslöfhlichen Funken in fie ge=
vorfen hatten, der fpäterhin in die edelften Flam⸗
nen ausſchlug. Mit inniger Frende erinnert ſich
ver Tüngling oder junge Dann des guten Worte,
as ſein Lehrer Ihın:fagte, ‚bed Lobes, das er ihm: .
us einem Knaben gab, der Hoffnung, bie er fih
son ihm zu machen fehlen, und bes Gluͤckes, das er
hm gleichfam väterlich weiſſagte. Einzelne Worte
ieſer Art find oft die fruchtbarften Samenkärner
uͤr's ganze Leben bes jungen Menfchen; fie mun⸗
ern Ihn zum Schwerften und Würbigften anf, und
treiben unvergeßlich In feiner Seele. — — :-
Ih wende mich num zu euch, ihr Schüler, und
ehre den Satz Juvenals In jene Lehre Quintilians
ind ſo vieler andern, ſelbſt heiliger Schrlftſteller um:
naxima debetur parentibus et qui parentum
unt loco, reverentia, unter welden die Lehrer
ewiß die erfte Stelle einnehmen. Gehorchet euern
ehrern unh folget ihnen, denn fie wachen für eure
Seelen, So ermahnet die Schrift; und dieſe Er⸗
"208
mahnung beytehef ſich (init allein ut
: ——; D CVc5 —
a n Seelen, ihre Sem anonatſo⸗
geruif niert dad GIhE des pugen grenfait dee
Jeder meh bene, whk |
Hebten, noch mehr aber durch fere Kepler md
gehungen madt: denn fchon eirertet ge
Demerkung oftmmd täglich gu vlederholen / vie ſeſte
einen fat ade Jahre wieder au teeibenn, und at
ften aber diepelben Fehler and BBergehingeni het“
Awieberfommen zu Sehen, fhon bieß iſr/ eiue up!
abmattender niederdrüctende Mühe und Beſchwen
Wird diefe Veſchwerde mn: gat ein nagenber 9
an der Serie des Lehrers daßor feine grbeh*
verloren achtet, umd ftatt des Dauks ame ke
Kraͤntungen von feinen Schotern erlebe®3 wehrt
die In der Schule nichts taugten. - Der He
und mußte ein Soldat, der anbere ein komdbler
der dritte noch etwas ärgere , ein ſele cer Sun
ſteller, ein erbaͤrmkicher ueberſehet, ein # i
Ticher abmöbfenfehrefber m; f. f+ Werden fie tiu
ten die Hoffnung der Vorlaen; bexfändigten f
an Wohlthaͤtern, ‚Eltern und Lehtern, und wart“
und biteben anf’Ihre Lehentzelt Unkraut. erm®
‚net euch alſo, m. L., und — Liu
. vys -
ven der Bernunft, des Fleißes, und ber Ehre von
Qugend auf. Jede Alaffe, jede Ordnung in der
taffe, jede Koborte, bie zufammen in die Klaffe
Jam, oder die fonft ein gemeinfchaftliches Geſchaͤſt
treibt, made ein Ganzes aus, wo in Beobachtung
der Pflichten einer für alle, ale für einen ftchen,
wid Keinen Verführer ber Unſchuld, keinen Spötter-
feines Lehrers oder feiner Mitfgäler, Beinen Laͤrm⸗
wahrer, Cabakraucher, Sartenfpieler, keinen un⸗
zuͤchtigen, oder gar abſcheulichen Menſchen unter
Hi dufde. Sobald In einer Klaſſe dlefer gemein⸗
ſchaftliche Geiſt, ein gemeines Gefühl ber Nacheife⸗
rung und Ehre merfbar wird, iſt der Weg zu allem
Guten gebahnet. Run darf der Lehrer feinen Ruͤ⸗
—
cken wenden, und man wird nie mehr ſogleich ein
Freudengeſchrei junger Affen hinter der kaum ge⸗
ſchloſſenen Thuͤr hoͤren: denn in einer Klaſſe, die
ein Gefühl für Pflicht und Ehre hat, ſitzen keine
Affen, fondern Menfhen. Wie ber Soldat bie
Sahne feines Regiments hoch halt, fo wird jeder
Wohlerzogene für den guten Namen feiner Klaſſe
forgen, und Ehuerbietung für dan Lehrer haben, der
diefen guten Ramen bewahret. Sobald nur einige
mwohlerzogene, gutgeartete Schüler in einer Klaſſe
die Oberhand haben, muͤſſen nothwendig die andern
fchweigen, und ſich vor ihnen ſchaͤmen. Mit ausge-
zeichneten Mäßtggängern und Lotterbaben wird Fein
ehrllebender Jüngling umgehen; vielmehr werben fich
die Guten nicht nur in mufchuldigen Vergnügen zu⸗
ſammenthun, fondern auch um fich in Sprachen mit
einander zu üben, bie Lektionen mit einander zu _
wiederholen, ober. ein ruͤtzlihes Buch am lefent
-
200
Sreunbdfchaften der Art, wenn fie auf Aehnlichkel
des Gemuͤths und auf reiner Sittlichkeit ruhen,
dauern oft durch's ganze Leben, und find noch im
Alter erfreulich; dagegen ein Babe und Werführer
gewiß fepn kann, daß er von feinem Verfuͤhrten,
fobald diefer zur gefunden Vernunft zuruͤckkehrt,
lebenslang gehaßt und verabfeheuet werde. Kurz
ihre Zünglinge, Söhne braver Eltern, die Hoffnung
zutünftiger Jahre, habt Achtung für euch ſelbſt,
babt Achtung für den guten Namen eurer Klaffe, und
Drduung, Gehorſam, Liebe und Hochachtung gegen
eure Kebrer, die ihr fir eure beften Freunde, nit
für Gegner und Feinde anzuſehen habt, habt Hoch⸗
achtung für biefer euch prüfenden Verſammlung.
und erfreuet und alle durch die muntere Nechenfchaft,
bie ihr von euerm Fleiß, von euern Fähigkeiten und
Tüchtigleiten ablegen werdet. .
Der Himmel fegne unfer Inftitut!
XIX.
Bon Schulen als Werfftätten des Geiftes
“ Gottes, oder des heiligen Geiftes. 1797.
Unfere Vorfahren nannten die Schulen Werl:
. ftätten des Geiftes Gottes; eine altväterifhe Be⸗
nennung, von der man fi vielleicht wundern wird,
daß ich fie in unfern Zeiten mwiederhole, und nicht
lieber vom Tempel bes Apollo, der Mufen und
Grazien rede. Die Benennung, recht verftauden,
druͤgt aber eine ſo edle Sache, und zwar viel ıyahı
201
xer und inniger aus, ale ale jene Idolenausdrüde
vom Tempel des Apollo, ber Muſen und Gragien
mnur bezeichnen mögen. /
Geiſt Gottes hieß befanntermafen von den
Altefien Zeiten ber bewegenbe mädtige Na—
turkraft, jene lebendige Regung, die den
Seſchoͤpfen Leben mitthellt, die durch Wirkſamkeit
ihr Leben erhält, ihre Kräfte ſtaͤrkt und fördert.
& etft Sottes hieß Ihnen In menfhlihen Seelen
jede edeifte Kraft, wenn fie fih In vollem Ge⸗
auf ihres Daſeyns auf bie vorzüglichfte Welfe
äußert. Geiſt Gottes ‘hieß ihnen endlich jene
fortwährende Tendenz des Menſchen, immer,
vollfommener zu werden, heller im Verftande, rei⸗
ner im Herzen, Eräftiger im Willen, von innerm
Vorwurf frei, der Gottheit nahe, ihr verwandt,
nach ihr gebildet. Die fchönften Sprüche und Auf .
munterungen bierüber ſtehen in einem vom Geiſt
Sottes gefchriebenen Buch, der Bibel, die uns
viel angenehmer und lockender wären, wenn wir fie
ohne Efel und Vorurtheil, in dem Geift, in dem
fie gefchrieben find, hell und aufrichtig läfen. Es
fey mir vergönnt, eine kurze Anwendung hievon auf
bie Schulen zu mahen, und den alten Ausdrud
„Schulen feyen Werkjiätten des Geiſtes Gottes, ei⸗
nes heiligen Geiſtes,“ nicht nur zu rechtfertigen,
fondern chriſtlichen Schulen als ben eigenften und
angemeflenften zu vindiciren.
I. Was vom Fleifh geboren wird, das iſt
Fleiſch; das heißt, nicht nur es tft ſchwach und un⸗
kraͤftig, fondern auch es gehet dem finnlihen Ge—
nuß, dem Zeitvertreib und Zeitverberb, angenoms
292
menen Gewohnheiten, Inſtinkten uud Wegterbm
nach; Gelſt muß ihm angebitwet, mm in ihm
wie durch eine neue Geburt erweckt werben, daß er
einen edleren Genuß als den Genuß der Stun,
einen edlern Zweit des Lebens ald Settvertreib uw
Beitverderb kennen lerne, daß Hebung Hierin ihn
zur Gewohnheit werde, und er fi in biefem
hoͤhern fchömern Juſtinkt gteichfam als ein neues Hi
heres Geſchoͤpf, froh, frei, wirkſam und gihetie
fuͤhle. Wir wiſſen alle, die Seit der Kindheit und
Jugend iſt die ſchoͤnſte Zeit biefer moraliſchen BE
"Ing und Umblibdung, daß aus dem kkeinen Die
fhenthier ein Menſch, daß ans dem Skluven ber
Sinne ein überiegendes, freithätiges Wefen werde.
Ale Erziehung gehet dahin, oder foll dahin gehen,
dem Menfchen diefe innere Macht, diefe einmwoh-
nende Weilsheit, dieß reine Auge, diefen heilen
Berftand, heiligen Geiſt zu geben, ohne welche
alle ertverbenen Kenntniffe und Geſchicklichkeiten md:
ßiges Iubehör oder Werkzeuge zum Verderben wer
den. Wie ſchoͤn kleider das Kind, ben Juͤngling
jede Spur einer moralifchen Bildung, bie man au
ihm wahrnimmt! Gibt es eine holdere Stirn, ein
fchönered Auge, als in welchem Zucht und Scham,
Aufrichtigkeit, Zutrauen, Beſcheidenheit und Liebe
— Geiſt Gottes wohnen! Gibt es einen ſchoͤnern
Metz der Geberden und Glieder, als wenn fie mit |
reiner Unfchulb, mit fanfter Gefaͤlligkeit, gleichſam
sie mit dem Dei ber Freuden zur Ihönften Thaͤtig⸗
Seit gefalbt find, und täglich gefalbt werben. Der
Auedruck jenes ebrätfhen Juͤnglinge, in dem von
Kindheit auf der Geiſt Gottes wohnte, und ihn zu
- 308
Panic: Aufuiunterung · rine pedhetchei Zutunſt ſelnes
Aebeus zehtn:. Wie follt eh etwas Unwuͤrdtoes⸗
Da wider Bett, das Weifige, bas in mie
if, finbigend hat fo etwas Sthoͤnts und Mide
+98; daß es allein im Stande It ,; einen Juagling.
Bar vich hellige in ſich, der ſich ais den Tempel el:
or görftigen Geiſtes erlennot, tot allem Unwuͤr⸗
digen , Riebrigen, Gtweinen zu bewahren, Wie
fol’ ifch - ekwad unwuͤrdiges thun mb wider bus
eifede Wefagt 4 meiner Brut ſandinen⸗ Ye aus:
serökäneten Menſchen hatten dioß edleve Gefuͤhl in
Ki, das ebon fie on gemeinen: Meuſchen auszolch⸗
Fete, das ſie vor allbm Gemeinen,Medrigen und
Riehertraͤchtigen · bewahrte. Es warthr Styutz und
Schiem, ihr NRathgebor und Waͤchter, he warner;
Der Fround, ihr gebletender Damon, der Ihnen,
Teatt der beiten Heerſtraße uͤppigot Phantafie und
gürfteruhelten,, den ſchmalen Weg, die enge Pfotte
Dr6 abns und: Woblgefalleus bei Dott und Mon⸗
ſchen zelgte; fie innen nicht har geigte, fonbern die⸗
fen. Weg zu geben, die Pforte zu durchbringen fie
antrieb — ein mächtiger, belebeuder, ruhiger
Seife, der Geiſe einer fortwährenden Seihfiteflr:
«ung; der Getſt der weht. „Er et‘, fagt
jenes alte, fadne Buch, „nicht m eine bos hafte
„Seele; er wohnet nicht in einem von Laſtorn enf-
„weiheten Körper. Der heilige Gehft,, der recht zu
„denken bebrete/ weicht von den Nuchloſen, und
‚übertäßt fie ber ‚Strafe, bie fie über fi ſelbſt
„verhaͤngen, da fie denn nie ungeſtraft bieiben ?
„dern Gott Ift:Zenge Aber alle Gedanken und erkeu⸗
met: alle Herzen, md hoͤret alle Worte;
205
\
» "Düntt es ihnen nicht, m. H., dänkt es euch
nicht, liebe Juͤnzlinge, daß es in biefeass Sinn fuͤr
die Schule ein edler Name ſey, Werkſtaͤtten des
heiligen Geiſtes zu heißſen? und was ſie heißen,
zu ſehn oder zu. werben? Was helfen alle-MWiffen:
ſchaften · ohne Eitten? Was heifen alle erworbenen
Kenntniſſe ohne Gemuͤth? — Wir willen alle,
daß. unſern Zeiten: mit Recht der Worwurf gemacht
wird, daß nicht, wie in ben alten und älteften Zei-
ten, unfere Weisheit im Leben ausgedrädt wird,
und von Sitten ausgehend, auf Sttten zuruͤck⸗
fehret. : Sie wohnet hei ung, mehr im Kopf ale im
Herzen, und bat meiſtens mehr anfer Gedaͤchtniß
bereichert, alk unfere Dentgri uud Sinnes⸗
art gebildet. Die unermeßliche Luxurie in ben
Wiſſenſchaften, ihre faſt unüberfehbare Vermehrung
bat ung zu Sklaven. des Willens gemacht, oft ohne
alle Selbitbildung; wie manche Jugend: Seele
ging tm trugeriſchen Doean der Vielwiffenheit, ber
Allgeleht ſamkeit, an.einer Scylla, bei einer Cha⸗
subde ober auf glatter Woge unter! — O Lehre
Geiſt Gottes zuruͤck! Geiſt Gottes ber alten und aͤl⸗
teſten Zeiten! als die Weisheit noch Uebung, als
das Lernen noch Weisheit war. Kehre inſonderheit
in die Schulen zuruͤck! In unſern Zeiten, da hinter
den Schulen auf Akademien oft das wuͤſteſte, wil⸗
deſte Gewirr der Ihe Nicht-Ich — ih 4 wit
Ich, und ein Sehruͤll niedriger, grober Zaͤnkereien
fie erwartet... Kann man auch Trauben lefen von
ben Dornen? Jeder. gute Baum bringt gute
Srüßte ; an .den Früchten erfennt man den Baum;
au Eitten und Thaten lerat man eine Weilsheit er:
Pr
-
|
' "405
Tannen, wei Beiftes fie ſey? Ob jene Weisheit von
oben her tft, die, mie Jakobus ſagt: keuſch, fried⸗
fam, gelinde, laͤßt ihr ſagen, iſt voll guter Fruchte,
unparteliſch, und ohne Heuchelei. Oder jene ans
dere pſvchiſche, daͤmoniſche Weisheit, die Neib
und Zanf, Unordnuung und eitel boͤſes Ding bezeich:
wen? Seiſt Gottes Tehre zuräd in bie Schulen, um
dba einen guten Srund in ben Gemüthern der Juͤng⸗
Iinge zu legen, und ihnen ben feften reinen Charak⸗
ter anzubliden, der ſich durch die ansgelaflene Un⸗
fittlichfelt, die grobe Frechheit, die naſeweiſe Zu⸗
bringlichkeit, bie jeßt in fo vielen. Schriften herrſcht,
nicht verführen laffe! fonbern ber auf einem reinen
Selbft unwandelbar feftfteht und nicht want. Er
kehre zur und wohne in ben Schulen unfers Orts,
ba an ihm, wie niemand es laͤugnen kann, fo viele
- Gelegenheit zus Zeitvertreib und Seitverberb und zu
jener Keckhelt iſt, bie ſich von Auſtand und Sittlich⸗
keit gerade losſagt. Bon Jugend auf, von Innen
wehe Geiſt Gottes uns an; denn von außen leben
wir zu unſerer Zeit in einer boͤſen Zugluft, in der
garſtigen Daͤmonen⸗ Welt.
Ih Jede gute Gabe hieß bei den: Ebraͤern
eine Babe des GSeiſtes; Geiſt hieß ihnen, was die
Sabe beledte, Iänsterte, brauchbar machte,
und zum Zweck des Ganzen anwandte. Sollten wit
nicht wünfhen, daß in biefem Vetraht. Schulen
Werkitätten des Geiſtes würden? Wie viele und
mancherlei Gaben keimen In diefen Fünglingen, alles
fammt gute, von Gott gegebene Gaben? Was Fin:
nen wir benn Schöneres wänfchen, als daß Geiſt fie
erwecke und belebe, dag ein guter Geiſt im
206
Verſcen Mefe Buben: hanncu stenke;; ſerzu cheen
Geſchaͤft abſondere und Irie ? - Dem. Gelſt Gottes
ſind alle Daben der Menſchen gleich werth, dem
die menſchliche Gefeſthaft forbort verſchiedene Ge
ben. Er arbeltete jraon Kueſtlern mus Mau dei
SHelligthums nadaweiffagte In ᷣen Meyheten.· E
ſprach in hen ans Wolk vichtede iu den ĩ Mchtern
gab Muth: deu Vefre iaun bed Volls, den Helden
Auf Davibs Harfe ſaug er Pfalnen; uud den dei
Weifen war er Lehre und Welsheit; kr: Sefchafu⸗
mann teeb er fein Gefchaͤft. Als Ind Chain
team. eutſtend, war es fein untesfhelbendien Char
tee, daß ohne Ruͤckſicht des Alters unb Standes
ein newer Griſt auf alte ansgegsoffen werk
und jebe gute, ksde nuͤhtiche Babe anid Mich: tretea
‚denn; ſizt Pauls’, alle mancherlel Gaber
hat emdy. Bett : ‚gogeben:;, einı@eift Toll fle:beichen
Mibmih anders ermarb ſich bad Chrftentizam · di
Hetzen bes Meuſchen, als daß es Die: Vorueth eile
bie: eine Weihe won: Menſchen mubrunhbae cuaqhte
wieberriß, sad in allen alle und alleriei Gaben #
gemeinfchaftlihem Nußen wecte? Hier IE kein Zube
noch Grieche, lein Sklave noch Sreigehorner; fein
Mann noch Welb, alte find ins: im Grifkiihem Ger
laritaͤt; Brauchbarkeiton traten au's Acht, die fonf
ewig in her Dunkelhrit gelogen: hätten, und es / ward
jene graße weite Baſis der Aultur gelegt/ die allt
Staͤnde, alle Völter umfaßt, und von der die alte
Welt nicht wußte. Daß dieß mit den erſten Ber
-
207 .
Suchen ‚wicht anders als. unvollkommon gef
sehen
Tonmte, daß fih hieran mit. jedom Schritt der Zeit -
mene Mißbraͤuche hefteten, daß die Popularitaͤt des
Chriſtenthums oft zu plebejem Geſchmack ausartete,
dieß alles und hundert Dinge mehr, die davon. zu
fagen waͤren, kann die Wahrheit und Reinheit des
guoßen Geſettes nicht aͤndern, das da wil, daß
atlen Menfhen geholfen werbe, Inder fie
zur Erkenntniß der Wahrheit kommen,
daß jeder Menſch in dem. Fache gebraudt werde,
worin er der brauchbarſte iſt, und. von ber ſchoͤnſten
Saat, die Sott goſtreuet bat, durch mannichfaltige
Gaben im Menſchen, die Frucht, der vielfeitige
Mutzen gezogen werde, bie wie ia auf Aeckern und
ieſen, von jedem Halm und Strauch, von jedem
Schrsanım und Baumzu sichen ſuchen. Göttliche
edle Ralente im Menſchon unbenntzt liegen, ver⸗
often. und ſich felbit amfreiben: gu laſſen, Hi ulcht
nur Hochrerrath gegen bie Menfchheit, ſondern ber
größefte Schade/ den ein Staat Hch ſelbſt. zufügen
gan: bean wit jedem diefer vergrabenen todten
Sapitale geht nicht nur, wie man glaubt, Kapital -
and Zins: verloren, ſondern da diefe lebendigen
Kräfte Gh. wicht eben. immer mie todte Kapitale be=
graben laſſen, ſo garathen fie au⸗ und durcheinauder
unb machen dem Gemeinweſen viel Vorwirrung,
viel Störung. Ein nicht angewandter Menſch rubt
nicht, ſondern weil er leben muß, zumal wenn er
erbittert warb, kaun er fehte Gaben auch ſehr oͤbel
amwenden; bis zuletzt alle dieſe lebendigen Raͤder
in- und durcheinander gerathen und die ganze Ma⸗
fehle ein trauriges Schaufplel gibt. Das aͤlte ſte
208
Shriftenthum hielt alſo ſehr viel auf Gaben, Se
Brauch der Gaben, Auwenbung aller Gaben
vorzägtih auf die Babe Talente zu kennen mi
hervorzuſuchen, Gelfter zu prüfen und uw
terſcheiden; alle großen und billigen Menfchen, it
andern vorftanden, fuchten biefem beichenim
Geiſte nachzuahmen, Talente zu weden und ms
zubilden, fie hervorzuzichen, an Ort und Stehe
zu ſetzen, zu gemeinſchaftlichem Nutzen.
Werde alſo dieſe Schule auch eine Werkſtaͤn
des pruͤfenden Geiſtes darin, daß unter wohlbegeb
ten Junglingen nit «alle einerlel begehrten und fd
führen Iaffen, wohin fie der Beitgeift, der Ham
der Mode treibt! Alles drängt zu umferer Zeit #4
hinauf; zu viele wollen finbiren; zu viele welt
Buchftabenmänner werden. O! werdet Sefchäftt
männer, liebe Zünglinge, Männer in vieler
Eeſchaͤften! die Buchftabenmänner find bie ungli
lichſten von allen, und muͤſſen es nach Lage unfelt!
Zeit von Jahr zu Fahr immer mehr werden. Er
Handwerker, ein Känftler, ein Seſchaͤſtemann H
gewiß ber brauchbarere Menfch vor fo vielen auık
gen halbgelehrten Buchſtabenmahlern! Wie jept I
Seiten laufen, wird und muß feine Achtung zunek
men, dagegen bei der fchrediihen Konkurrenz me
stoßen Menge der Unwuͤrdigen die Achtung Di
Buchftabenmänner abnehmen muß, und es kam
vieleicht eine Zeit kommen, ba fie verhungern
Die Welt hat der Wiffenfchaften, zumal des War
tes Gottes fatt; fie will amuͤſirt ſeyn. Mas
muß ſich ihr, durch was es auch fey, unent
vehrlich zu- machen. willen; im Studiren, ni
289
bas Für ein Geſchaͤft man fonft ergreife, muß man's
on Jugend an hierauf anlegen; brauch bar, vor
uͤglich, unentbehrlich zu werden In einem unent-
ehrlichen Geſchaͤft. O Eönntet ihr die Klagen ber
Iegfätikhen hören, die dort und hie und da nah
zrod ſchrelen, auch bei guten Gaben, wie man
e oft perſoͤnlich, oft in Briefen wimmern hört;
ve wuͤrdet ſchaudern! — Wenn ihr einen diden
neßtataisg in die Hand nehmt, fo denkt, ben
dhten Theil diefer Bücher hat der Hunger ge-
beleben, die. Noth hat ihn dirtirt. Wenn ihre die
Inferein, die Revskutiond- Schriften, die Ver⸗
aglimpfungen ganzer Stände und Aemter Iefet; fo
AR, eine großen Theil derſelben kehrte ber Hun⸗
r Bellen, der Ehrgeiz, die Habfucht, der Neid,
e Neth belfern. Ste würden Ihren Vater mb
eunb ermorden, wenn fie den auffreffen Könnten;
nn fe Haben das unglädfeltge Handwerk erwähtt,
fyreiben, fih von Unte und Druckerſchwaͤrze
naͤhren. O weckt andere Gaben in euch auf, ihr
:ben, und wendet fie zu beſſerem Zweck an, brauch⸗
e 30 feyn für Aemter, unentbehrliche tüchtige
aͤnner zu Gefchäften, gute Werkleute, Handels-
te, Künftler! Thut, was ihr thun Könnt und
t, das zu wirken, wozu euch Gott, wozu die
itur ench beſtimmt hat; und mwählet nicht nad
Berem Rang nd Anfhein! Achtung wird
h bie Zeit geben; nur im Gebrauch ferner eigen-
rausſchließendeigenen Gaben iſt man vor⸗
lich, eminent, gluͤcklich.
III. ®etft Heißt Kraft, Leben. Im todten
haam tft kein Geiſt; In einem kranken ſchwachen
erders Werke 3 Phil. u. Geſch. X. 14
219
Organ iſt der Geiſt gefingen und duldet. Wola
wie nicht wänfchen, daß unfere Schule eine Weil:
flätte des Geiftes in gefunden, tuͤchtigen
fröglihen Organen ſey und werde?
Man fpiet mit dem Wort Sente, inte |
man jede leichte, fluͤchtige Anlage, jede leicht er
regte Luft und Nelgung zu einer leichten, Inder
den verguügenden Wiſſenſchaft Geute nennt, de
ber in unfern Zeiten fich die Genies vorzuͤglich burd
Anabenftreihe anszeichnen, und den Namen dert
ſelbſt sum Ekelnamen gemacht haben. Vor Zeit
war dieß nicht alfo: Genie heißt Genius, Seit;
eine beftimmte Anlage zu einem Gefchäft heißt Tr
lent, Gabe. Geiſt aber aͤußert fih nur
Kraft, durch Kraft zu denfen, eine Idee ausp
‚ arbeiten, lange fefthalten zu Können und fie In altı
Schlupfwinkein zu verfolgen ; mithin äußert 10
alfo Geiſt auch in Kraft zu arbeiten, fich einen ie
ften Puntt vorzufegen und nach ihm zu ftreben; P
Kraft der Hebung, ſich durch Hinderniffe nicht d*
ſchrecken zu Iaffen, fondern durch fie wie nenn"
ſtaͤrkt zw erfcheinen. Geiſt äußert ſich durch @*
ſchicktichkeit, fih ein Geſchaͤft, wie ein Orce
eigen zu machen und es durchaus zu beleben
vieles in einem, eines in vielem zu bemerken, N
ichwere Regel der Nollkommenhelt eingufehen und
fie unabgewendet zu wirken. Wo bieß alles nich
iſt, da nenne man den leichten Schwaͤtzer, den dr
pigen Schwädhling nicht Genie, und glaube
daß wo Geiſt fehlet, er ie erfeht werbe. Be!
durch einen lügenhaften Anſtand, noch ſelbſt dur
eifernen Fleiß, fo ſchaͤtzbar diefer iſt, Tann er erſeb
Der
=--. —— nn netten ng Tu
\
- 211
werden. Quaͤle fih niemand Geiſt zu haben oder
zu ſimuliren, wenn er ihn nicht hat; vieles laͤßt
fih erzwingen, nur nicht Geiſt; ber todte Buch⸗
ftabe kann niemand Gelft geben. Alſo auch Ihe
Juͤnglinge, hört eine warnende Stimme: Strebt
nicht nach dem, was euch die Natur verfagt bat,
haſchet nicht nach Stand und Amt, als ob Ihr damit
and den Geift des Standes und Amtes erhieltet.-
In manden Stüden find der geiftiofen Maſchinen
fo viel, daß man fich vor Ihnen nicht zu laſſen weiß;
ganzen Ständen iſt die. Ehre dur fie geraubt.
Das Wohl des Ganzen bedarf Geiſt, thätigen Geiſt,
nicht feeleniofe Leichname. Aber ein guter Geiſt
muß es feyn, ber uns belebt, fonft ind wir Daͤ⸗
mone, die eine Hölle in ſich tragen und außer ſich
amber vertreiben. — Bewahre der Himmel eine“
jede Schule und Akademie, daß fie ein ſolches Pan-
daͤmonium nicht werde!
Auch das Geſchaͤft diefer Tage regiere Gottes
Geiſt! die Schule zeige ſich ale eine edle Werkſtaͤtte.
In allen Klaffen mögen glüdlihe Drgane biefes
Geiſtes auftreten, gute Jünglinge in Kenntniffen,-
Gemäth, Sitten und Geberbe! Angefihte mögen
vor uns daftehen mit freier Stirn, mit heiterm
Auge, und jede Lippe fpreche den Ton ber wohlge⸗
faßten, überlegten , verftändigen Wahrheit. —
Jede Klaſſe, jede Arbeit zeige, daß fie mit Geiſt
getrieben fey, und zwar mit einem guten Gelft, mit:
Merftand und Abfiht, zur Bildung der Juͤnglinge
für ihr Fünftiges Leben, zum Wohl der Menfchheit,
zum gemeinen Beften. Jeder Klaffe möge das
Zengniß gegeben werben, daß fie auch dieſes Jahr,
*
- 2:2
fo ste an oͤffentllchem und Privatftelß, fo: auch un
guten Sitten, an einem guten Geiſt zugenomuten
habe, daß wenn wir dieß Examen beſließen, sie
"alle mit freudigen Herzen aus dleſem Hatte und ws
den andern Schuler gehen mögen, mit der fröhifiken
ueberzengung, daß In Ihnen nicht der Geift des
Muͤßlggangs und der Shienderet, der Unorbunkg
und Sururte, des Duͤnkels und der fatfhberäntnten
Kunft, fordern Geiſt Gottes wohne!
FREE
XX.
Dom Fortſchreiten einer Schule mit "Dem
s Zeitalter. 1798. Ä
Wir leben tn der Zeit; fotglich mäfen wer and
mit int nnd für fie leben md leben lernen. Da
fich ‘die Seit ſtets verändert und aus Ihrem Schuss
‚immer Neues, Gutes und Boͤſes, au's Licht konnnt,
deſſen Zufaͤllen wir unterworfen find, an dem wir
wider Willen mit Beifall oder Abnelgkiig, mit gelb
oder Freude Theil nehmen mäffen, fo folgt mathe.
wendig daraus, daß wir ung um das, was bie Zeit
hervorbringt, befümmern, dag Gute, das fie mus
Darbeut, nuͤtzen, dem Boͤſen, das fie und droßt,
zuvorkommen, das Uebel, womit fie uns belaͤſtigt,
mindern, und zwar durch eben bie Kraft mindern
muͤffen, die allezeit neben dkeſem Boͤſen zu ſeiner
eberwindung wohnet. Denn einmal iſt bau’ die
ante: Ginrihluns: unſerxer Gsbauiuckt, deß fie Aueh
Pole hat, und nur durch beide beſtehen kann, daß
adem Gift ein Gegengift von deu Händen.der Mut⸗
er Natur ſelbſt/ zugeordnet iſt, daß jedes Streben,
obald es uͤber ſeine Schranken tritt, eine gegenſei⸗
ige Beſtrehung erweckt, bie es einhaͤlt und: zum
Beſten des Ganzen -arbuet. Wir muͤſſen alſo der
Zeit dienen, damit wir ie nicht verliesen oder von
be unterdruͤctt und. vom Vater Saturn aufgefreſſen
werden; vielmehr ˖ ſie auf eine geſchikte Art taͤuſchen
aud über. fie hexrſchen lernen. Zu beidem iſt uns
Ye. Vornunft gegeben, ber. Zeit zu dieren, doch
ifo, daß uicht fie uns, ſondern daß wir ihr ge⸗
mn. x
Wonn dieß In allen Geſchaͤften des Lebens,
zei allen : Einrichtungen fuͤr Menſchen gilt, ſofarn
je: Kinder der Zeit find amd unter ihren Einfluͤſſen
ishen, ſo gilt es auch von. ben Einrichtungen zur.
Bildung. ber Menſchen, von oͤffentlichen und Privat
aulen. Keine muß ſich außerhalb der Grenzen
es Ranms und der Zeit befinden, ſonſt fteht fie
in unrechtem oder gar feinem Ort. Keine muß
zeraltet ſeyn oder voralten; ſonſt geht fie. unter.
Sollen dbeſe Einrichtungen Menschen für bie Zeit,
vie jetzige und kuͤnftige bikden, Tollen fie dieſe jun⸗
sen Menſchen den Gebrauch und bie Anwenduag
etziger and kouͤnftiger Zeit. lehren, und. fie dazu ge⸗
vohnen: ſo wuͤſſen ‚fie. in ihrer Zeit, für. die Zu⸗
naftige ſeyn und mit der Zeit fortlehen. Was zu
ınferer Zeit; ‚am Ausgang unſeres fo merkwuͤrdi⸗
von Jahrhunderts gaſchehen müffe, davon will ich
inige Worte ſagen. Hufere Zeit iſt ein großer
‚ * 1°
214
Meder! Die grobe elferne Wanduhr raffelt und ruft
mit gewaltigen Schlägen.
1. Seine Mutterfpracde verfiehen, rech
und andringend reden, gefhelt und vernünftig
fchrefben lernen, muß jebt ein jeder. Es fit ein
redendes und fchreibendes Jahrhundert; das fel-
gende wird es nach allen gegebenen Anlagen nicht
minder werben. Wie ungeheuer viel Gutes und
Boͤſes iſt in den legten sehn Jahren duch Sprechen
und Schreiben ausgerichtet worden! mict Das
Schwert, fondern die Zunge hat alles in Gang ge:
ſetzt, fo daß diefem neuen Zuge auch Schwerter
nicht zu widerftreben vermochten. Die Waffen ſanken
vor her in Gang gebrachten Sunge nieder. Ned
mehr beförderte und wirkte. das gefchriebene, das
gebruckte Wort; wie Schleßpulver flog es in einzel-
nen Blättern umher und zuͤndete allenthafben.
Ale Seitungsblätter find jest voll ſprechender, ein⸗
ander wiberfprechender, erörternder, rathgebender,
befchließender Verſammlungen; zu alle diefem ges
Lört Sprache und Aufſatz, fertige prompte Rede und
eine Geſchicklichkeit zu Entwürfen, d. 1. Begriffe
aus dem Nebel zu ziehen und in's Licht zu ftellen,
‚Klugheit und Muth, Maͤßigung und Feuer ber
Mede, Vortrag. Dieß ift Geift ber Seit; wir kön
nen ihm nicht widerftreben,, noch weniger dürfen wir
{hm entfagen und im Schlummer mis einer gebun-
denen Zunge und einem ſchlaftrunkenen Auge zuräd:
bleiben. “ Das große Hephata iſt geſprochen; auch
wir mäffen, ſtatt pedantiſch su flanmeln und gu
flottern, vernünftig ſprechen und ſchreiben lernen.
Der Deutſche Ift von kurzen Worten; bie Zunge Ifl
215
hm fhwer; er greift Lieber zur That; dieß hat ihm
ſenuht und gefhadet. m einer Seit, wo ber
Schade daven überwiegend an ben Tag fommt, muß
ede Schule, jede Erziehungsanſtalt fi aufmachen,
en Berftand und das Urtheil, ben patrlotifhen
Berftand und das rechtfchaffene Urtheil jedes faͤhi⸗
en Juͤnglings zu fchärfen, daß er einft in feinem
treffe von Gefchäften richtig denken, fertig ipredhen, -
nd auch In Schriften und Aufſaͤtzen geſchickt fich
uszudruͤcken vermoͤge. Wie weit zuruͤck wır In die⸗
en Fertigkeiten find, davon liegen die Erweiſe mit
hren traurigen Folgen am Tage: man behandelt
ne ale eine fchwerköpfige Nation, die noch nicht
yeiter gefommen ift, ale langfam zu buchftabtren,
nb der man als einer Sklavinn das Haupt zu fchee=
en im Werk tft, damit im gefchorenen Kopf der
ebensgeift etwas freier cirkulire. — Wie wenig der
yentfhe deutſch kann, liegt am Tage; nicht der
zauer, nicht der Handwerker allein reden größten:
heild, zumal wenn fie fih gut ausdruͤcken wollen,
In verworrenes, abſcheuliches, verruchtee Deutſch;
mdern je höher hinauf, da geht's oft defto ſchlech⸗
7, bis man auf der Spitze des Berge fih bes
yentfhen, das man nur mit Dienftboten und Kam⸗
teriungfern ſpricht, gar ſchaͤmet. Ein fchmatler
streif an dieſem deutfhen Heliton und Pindus iſt
Hein aufgenommen, auf welchem man bie Mutter-
rache rein zu fprehen und rein zu fchreiben werth
ilt; ein fhmaler Streif! Lernt deutſch, ihr Juͤng⸗
nge, denn ihr feyb Deutſche; Ternt ed reden,
breiden, in jeder Art fchreiben! Lernt erzäh«
na, berichten, fragen und antworten; zuſammen⸗
\
| AP:
haͤngend, aubriugenb, ‚Klar, natuͤrlich ſchuciben,
vernuͤnſtige Auszoͤge, Tabellen, Erpofitionen um
Deduktionen der Begriffe sahen; lernt, was ile
deuft und wolt, fagen. Die Zeit gebietet's, die
Zeit fordert's; wir mollen nicht känger dAudos um
noyılaloı *) feyn.und bleiben,
2. Die Welt verwandelt ih. Nicht nur bad
ſuͤdliche Europa, Frankreich, Italien, die Nieder
lande, Holland, die. Schmelz haben eine ayben |
großentheils vor ber .Hand. traurige Geſtalt ange
nommen, ber wir wänfhen, daß fie ſich In „eim
freudige Geſtalt verwandeln möge, ſondern, die
Metamorphoſe ſchreitet fort, uͤber einen Heft ugs
Deutſchland uud wer weiß, wohin weiter? Sehen
vorher nahm Nordamerika eine audere Geſtalt au;
ein anderer Theil von Indien, oͤſt⸗ oder weſtliqh
wird fie wahrfipeinlih auch annehmen. Die Wels
harten verwandeln fih in Grenzen, Staatsvarfaſz
fungen, Religionen, in politiſchen Grundjägen,
Sitten und Gebraͤuchen; fie .merden nen IUuminizt,
— Offenbar muß der Schulunterricht nicht nur hie⸗
von Kunde nehmen, ſondarn auch in Die Urſachen
biefer Weltveränderungen eingehen; Geſchlchte ma)
Geographie bekommen. eine andere Geſtalt: Dews
die Grundfäge, auf die man das Etudium der Ge
Ihichte und Geographie ſonſt bauete, haben ſich ver
ändert. In der Seſchichte z. B. llegen nad. Die
Namen der Koͤnige und Ihrer geführten Staats⸗ aber
Samittenfriege, nicht mehe mit dam Jutereſſe am,
wie ehemals, da mas bloß rohe Kriegsihaten-aber
*) Stumm und KRammueint.
-
.47
gperlägige Gtantsnyeratianun bewunherte vnd eive
‚ngmellige falſche Bewunderung derſel ben don Iuua⸗
ngew aukang. Der Schleler iſt wenuefallönr
ser. vielmehe wit gewaltſamer Hand. wengeriffen;
ie. Augen find. uns geöffnet, um in.ber Gengraphie
ud. Befchichte etwas Nuͤtzlicheres au lernen. Den
zau der Erde, ihre Reichthuͤmer der Natur und
nf, wer zu biefen ‚etwas Großes und Gutes
un Erfindungen, durch nüpliche Beſtreben und
iurichtungen balgefzngen, wer Ale Erde und das
ubsge-waltende Menſchengeſchlecht verfhöners oder
neßelt habe, hie Engel oder Daͤmonen ber Mens
pen ſollen fe Inder Geſchichte wit reifem Urthell
Raen lernen. Mit resfem Urthell: denn we⸗
uſen wir fon die Geſchichte? wozu laͤſe ſie
fe Jugend? um einen falſchen Glarz anzuſtaunen?
m. Miflethaten, die — wer es auch ſey — Grie⸗
RE, Deutſche, Ftzanken, Kalmucken,
Finnen und. Tartaren als Wenſchaumuaget mb
Zeltwersunger ‚begangen , gedaulenlos oder mit
nentiiger Chafurcht chronologiſch herzuerzaͤhlen?
e Zeiten And voruͤber. Urthail, wenianden
Ixtheil ſoll durch die Geſchichte gehildet uud -86=
airft werben: ſonſt bleibt fie ein verwarrenes oder -
bird ein ſchaͤdliches Buch. Auch Griechen und Roͤ⸗
218
lelgeſichtige Ungeheuer in der Geſchichte. Die Se:
ſchichte iſt ein Spiegel der Menſchen und Menſchen
alter; ein Licht der Zeiten, eine Fackel der
heit. Eben in Ihe und durch fie muͤſſen wir bewm-
dern lernen, was zu bewundern, lieben lernen, wei
zu lieben iſt; «ber auch haſſen, verachten, vera:
fheuen lernen, was abfcheulich, haͤßlich, veraͤchtlich
tft, fonft werden wit veruntrenendbe Mörder ber
Menſchengeſchichte. — Die Grunbfäne ber Bil:
ee der Eiftenveränderungen, ber Rell⸗
en, Wiffenfhaften, Handlungsweiſen, Kuͤnſte,
bie in der Gefchichte erfcheinen, follen zu unſerm
Geiſt und Herzen fprehen und unfern Verſtand
fchärfen. Allein auf diefem Wege Ift auch das Lefen
der Alten erfprießlih, vom Phadrus und Nepos an
bis zum Terenz, Birgil und Horaz, Cicero, Sue:
ton und Tacitus. Gute und böfe Thaten fprechen
in ihnen, falfche Grundſaͤtze und gerechte, haͤßliche
Larven und Gefichtergefichte. Unſere Zeit ruft de
in neueren Belfptelen auf, jteit fhredlihe und trö-
ftende Aehnlichkeiten auf; burh Unternehmungen,
Helfen, durch Thaten und Unthaten belebt fie die
sefammte Geographie und Geſchichte. Wir wollen
ihre Erwedungsworte hören; auch In unſern Schu:
len lebe Geographie und Geſchichte; Geſchichte im
diefer ratfonnirenden, d. I. vernünftigen Darftellung;
das Lefen der Alten nach den Grundſaͤtzen der Alten,
verglichen ınit ben Grundſaͤtzen unferer Zelt.
- 5. Unfere Zeit bringt auf die fogenannten fe
fien, nägtihen Wiſſenſchaften und Känfte, auf Me
themattt, die Arithmerit, Geometrie in allen ihren
Anwendungen, auf Nasuriehre und Naturgeſchichte,
219
rmals in allen ihren Auwenbungen und Zerglie⸗ -—
amgen der Natur; die bloßen Wortſtudien bat
zielleicht mit zu großer Spröbigkelt ſeitwaͤrts ger
ben, und anfer ber allein ſeligmachenden Kanti⸗
mn Philoſophie, die ſich dieß Privilegium aus-
ießlich erworben, verachtet fie Wortgrübeleien
fogenannten Unfinn der Schulen. — In eber-
bungen dürfen wir der Zeit nicht, In bem wo fie
r und nuͤtzlich hinweiſet, muͤſſen wir ihrem gebie-
en Finger gehorchen. Die Zeit tauber Wort:
He tft vorüber; auch dem blendenden Wortihall
franzöfifhen Sprache wollen wir nicht, jedem
ak aber auf das, was die Zeit gebietet, dem An= , _
dbaren, Nuͤtzlichen, Dentlihen, Wahren, Er:
erlichen, Nothwendigen muͤſſen wir folgen. -
huen muß ein Knabe lernen, damit er fein Leben
:chne: denn die gefammte Vernunft, zumal in
zung menſchlicher Dinge, heißt Rechnen. Geo⸗
rie muß ein Kuabe lernen, daß er ein Augen
3, Richtſchnur, Sefchielichkeit in ber Hand, In⸗
ton des Beweiſes und endlich die Neigung be=
me, in weldher praftifhen Wiffenfchaft und. Ue⸗
g es auch fey, nicht oberflächlich, fonbern gründ-
zu verfahren, und dem Vaterland nüslich zu
den. Naturwiſſenſchaft und Naturlehre muß
Knabe lernen, damit er ſich ſeines Lebens er⸗
se, bie Wohlthaten ber Natur erkenne und recht
rauhe, und endlich einmal fo mander Aber⸗
sbe und Irrthum verfchwinde, der das menſch⸗
: Geſchlecht nie glüädlih gemacht hat, und in
re Zeit gar nicht gehört. Vorzuͤglich muͤſſen
, die, ‚die einft die Lehrer Anderer werben follen,
—
ı 210
Organ iſt der Geiſt gefangen und duldet. Wollen
wir nicht wänfhen, daß unfere Schule eine Werk
frätte des Geiftes in gefunden, tuͤchtigen,
froͤhlichen Organen ſey und werbe? - |
Man ſpiekt mit dem Wort Sente, indem
man jede leichte, flächtige Anlage, jede leicht er:
regte Luft und Neigung zu einer leichten, locken⸗
den verguägenden Wiſſenſchaft Sente nennt, be
her in unfern Zeiten ſich die Genies vorzuͤglich durch
Knabenftreihe auszeichnen, und den Namen Genie
felbft zum Ekelnamen gemacht haben. Vor Zeiten
war dieß nicht alfo: Gente heißt Genius, Geiſt;
eine beftimmte Anlage zu einem Gefchäft heißt Ta
lent, Gabe. Geiſt aber dußert fih nur durch
Kraft, durch Kraft zu denfen, eine Idee auszu—
arbeiten, lange feſthalten zu koͤnnen und fie in allen
Schlupfwinkeln zu verfolgen; mithin dußert fio
alfo Geiſt auch in Kraft zu arbeiten, fich einen e
ften Punkt vorzuſetzen und nach ihm zu ſtreben; in
Kraft der Uebung, ſich durch Hinderniſſe nicht ab-
fhreden zu laffen, fondern durch fie wie neuge⸗
ſtaͤrkt zu erfcheinen. Geift äußert fih duch Se
ſchicklichkeit, fih ein Gefhäft, wie ein Organ
eigen zu machen und e6 durchaus zu beleben;
vieles In einem, eines In vielem zu bemerfen, die
ichwere Regel der Nollkommenheit einzufchen und auf
fie unabgewendet zu wirken. Wo dieß alles nicht
tft, da nenne man den leichten Schwäher, den ap
yigen Schwächling nicht Sente, und glaube nie,
dab wo Geiſt fehlet, er je erfeht werde. Weder
durch einen Tügenhaften Anstand, noch felbft durch
eifernen Fleiß, fo ſchaͤtzbar diefer ift, Tann er erfent
211
werden. Quaͤle ſich niemand Geiſt zu haben oder
zu ſimuliren, wenn er ihn nicht hat; vieles laͤßt
ſich erzwiugen, nur nicht Geiſt; ber todte Buch⸗
ſtabe kann niemand Geiſt geben. Alſo auch ihr
Juͤnglinge, hoͤrt eine warnende Stimme: Strebt
nicht nah dem, was euch die Natur verſagt bat,
haſchet nicht nach Stand und Amt, als ob ihr damit.
auch den Geift des Standes und Amtes erbieltet..
In manchen Stuͤcken find der geiftlofen Mafchinen
fo viel, daß man fich vor Ihnen nicht zu laffen weiß ;-
ganzen Ständen iſt die. Ehre durch fie geraubt.
Das Wohl des Ganzen bedarf Geiſt, thätigen Geiſt,
nicht feelenlofe Leihname. Aber ein guter Gelft
muß es feyn, ber uns beliebt, fonft rind wir Dä-
mone, die eine Hölle in fih tragen und außer fih- -
umber vertreiben. — Bewahre der Himmel eine-
jede Schule und Akademie, daß fie ein ſolches Pan⸗
daͤmonium nicht werde!
Auch das Geſchaͤft dieſer Tage reglere Gotte
Geiſt! die Schule zeige ſich als eine edle Werkſtaͤtte.
In allen Klaſſen moͤgen gluͤckliche Organe dieſes
Geiſtes auftreten, gute Juͤnglinge in Kenntniſſen,
Gemuͤth, Sitten und Geberde! Angeſichte moͤgen
vor uns daſtehen mit freier Stirn, mit heiterm
Auge, und jede Lippe ſpreche den Ton der wohlge⸗
faßten, uͤberlegten, verſtaͤndigen Wahrheit. —
Jede Klaſſe, jede Arbeit zeige, daß ſie mit Geiſt
getrieben ſey, und zwar mit einem guten Geiſt, mit:
Verſtand und Abfiht, zur Bildung ber Zünglinge
für ihr Fünftiges Leben, zum Wohl der Menfchpeit,
zum ‚gemeinen Beten. Jeder Klafle möge das
Zeugniß gegeben werben, daß fie auch diefes Jahr,
{1
x
5 4
u
> 2:2
fo wie an oͤffentlichem und Privatffetß, ſo auch un
guten Sitten, at einem guten Geiſt zugenomuien
habe, daß wenn wir dieß Examen beſagließen, wir
alle mir freudigen Herzen aus dieſem Haus und aus
den andern Schulen gehen mögen, mit der froͤhllehen
teherzengung, daß In ihnen nicht der Geift Bes
Müptgyangs und der Sthienderet, der Unorbuinäg
und Lururfe, ‘des Duͤnkels und der fatfchberuͤhtnten
Kunſt, ſondern Seife Gottes wohne!
FREE
EX.
Dom Sortfchreiten einer Schule mit bem
s Zeitalter. 1798.
Wir Leben in der Zeit; folglich maͤſſen wir and
mit int und für fie leben und leben lernen. Da
fü ‘die Seit ſtets verändert und aus Ihrem Schuss
immer Nenes, Gutes und Boͤſes, ar's Licht kommt,
deſſen Zufaͤllen wir unterworfen find, an dem wir
wider Willen mit Belfall oder Abneigiag, mit Leid
oder Freude Theil nehmen mäffen, fo folgt 'noth:
wendig daraus, dad wir ung um das, was bie Seit
hervorbringt, befümmern, dag Gute, das fie ums
darbeut, nuͤtzen, dem Böfeh, das fle ung broßt,
zuvorkommen, das Uebel, womit fie uns belaͤſtkgt,
mindern, und zwar durch eben die Kraft mindern
muͤſſen, bie allezeit neben biefern Boͤſen zu feiner
eberwindung wohnet. Denn einmal iſt das die
215
ante: iaticnms unſexer Crdarwelt, deß ſie AMuti
Pole hat, und nur durch beide beſtehen dena, def
jedem Gift: ein -.Gegengift.von deu Händen.der Wut:
ter Natur ſelbſt zugeoxrdnet iſt, daß jedes Streben,
fobald. es uͤber ſeine Schranken tritt, eine gegenſei⸗
tige. Beſtrehuag exmedt, bie es einhaͤlt und: zum
Beſten des. Ganzen -arbuet. Wir muͤſſen alfo der
Seit: dienen, damit wir fie nicht verlieren. oder von
{pe unterdrückt unb vom Vater Saturn aufgefrchen
weeden; vielmehr ˖ ſie auf eine geſchikte Urt täufhen "
und über fie hexrſchen lernen. Zu beidem iſt uus
die. Vornunft gegeben, ber. Zeit zu dieren, das.
u! daß nicht ſte uns, ſondern daß wir ihr 9
m. .
Ron dieß in allen Geſchaͤften des Bebens,
bei allen : Einrichtungen für Menſchen gilt, ſofarn
fie. Kinder der Zeit find -und unter Iyren Einfluͤſſen
fisben, ſo gilt- es auch von den Einnichtungen zur.
Bildung.der Meunſchen, von öffentlihen. und Privat:
ſchulen. Seine muß Sich außerhalb ber Grenzen.
bes Raums und der Zeit befinden, ſonſt ſteht fie
an unrechtem oder gar feinem Ort. - Keine muß
veraltet ſeyn oder woraiten; ſonſt geht fie. ımter.
Sollen. dieſe Einrichtungen Menicken für bie Zeit,
bie jetzige und kuͤnftige bilden, follen fie Diefe jun⸗
gen Menſchen den Gebrauch and bie Anwenduag
kehiger und koͤnftiger Zeit lehren, und fie dazu ge⸗
woͤhnen: ſo muͤſſen ſie in ihrer Seit, fuͤr die Zu:
künſtige ſeyn und mit der Zeit foxtleben. Was zu
unſexer Zeit, am Ausgang unſeres fo merlwuͤrdi⸗
gen Jahrhunderts gaſchetzen muͤſſe, davon will ich
einige Worte ſagen. Unſere Zeit iſt ein großer
* 4
214
Wecker! Die grobe eiſerne Banduhr raſſelt und ruft
mit gewaltigen Schlägen.
1. Seine Mutterſprache verfichen,” recht
und andringend reden, geſchelt und vernünftig
fchreiben lernen, muß jetzt ein jeder. Es iſt ein
redendes und fchreibendes Jahrhundert; das fol
‚gende wird es nach allen gegebenen Anlagen nicht
minder werben. Wie ungeheuer viel Gutes und
Boͤſes Ift In den Iehten zehn Jahren dnch Sprechen
und Schreiben ausgerichtet worden! wicht das
Schwert, fondern die Zunge hat alles in Gang ge⸗
fest, fo daß diefem neuen Zuge auch Schwerter
nicht zu widerftreben verniochten. Die Waffen fanten
vor her in Bang gebrachten Sunge nieder. Noch
mehr beförbderte und wirkte. das gefchriebene, das
gebruckte Wort; wie Schiefpulver flog es in einzel⸗
nen Blättern number und zündete allenthalben.
Alle Seitungsblätter find jetzt voll_fprechender, ein⸗
ander wiberfprehender, erörternder, rathgebender,
Hefchlteßender Verfammlungen; gu alle diefem ge=
Lört Sprache und Aufſatz, fertige prompte Rebe und
eine Geſchicklichkeit zu Entwärfen, d. i. Begriffe
aus dem Nebel zu ziehen und in's Licht zu ſtellen,
Klugheit und Muth, Maͤßigung und Feuer der
Mede, Vortrag. Dieß iſt Geiſt der Zeit; wir koͤn⸗
nen ihm nicht widerſtreben, noch weniger duͤrfen wie
ihm entfagen und Im Schlummer mit einer gebun-
denen Zunge und einem ſchlaftrunkenen Ange zuruͤck⸗
bleiben. Das große Hephata iſt geſprochen; auch
wir muͤſſen, ftatt pedantifch zu flanmeln und zu
fottern, vernünftig fprechen und fehreiben lernen.
Der Deutſche ift von kurzen Worten; bie Zunge iſt
215
ihm ſchwer; er greift lieber zur That; dieß bat ihm
zenutzt und gefhadet. In einer Beit, wo ber
Schade davon überwiegend an den Tag fommt, muß
iede Schule, jede Erziehungsanftalt fi aufmachen,
den Verſtand und das Urtbeil, den patrlotifchen
Verſtand und das rechtfchaffene Urtheil jedes faͤhi⸗
gen Juͤnglings zu fchärfen, daß er einft in feinem
Kreife von Sefchäften richtig denken, fertig fprechen, -
und auch in Schriften und Aufſaͤtzen geſchickt ſich
auszudruͤcken vermoͤge. - Wie weit zuruͤck wir in bie-
Ten Fertigfeiten find, davon legen die Ermeife mit
ihren traurigen Folgen am Tage: man behandelt
und als eine fchwerköpfige Nation, die noch nicht
weiter gefommen ift, als langfam zu buchftabiren,
und der man als einer Sklavinn das Haupt zu fchee=
ren im Merk ift, damit im gefchorenen Kopf der
Lebensgeiſt etwas freier cirkulire. — Wie wenig der
Deutſche beutich kann, legt am Tage; nicht ber
Bauer, nicht der Handwerker allein reden größten:
theild, zumal wenn fie fih gut ausdruͤcken wollen,
ein verworrenes, abfcheulihes, verruchtes Deutſch;
fondern je höher hinauf, da geht's oft defto fchlech-
ter, bis man auf der Spibe des Bergs fi des
Deutichen, das man nur mit Dienftboten und Kam:
meriungfern fpriht, gar ſchaͤmet. Ein fchmaler
Streif an diefem deutihen Heliton und Pindus ift
allein ausgenommen, auf welchem man die Mutter:
fprache rein zu ſprechen und rein zu fchreiben werth
hält; ein ſchmaler Streif! Lernt deutſch, ihr Juͤng⸗
linge, denn ihr feyd Deutſche; Ternt es reden,
fchreiben, in jeder Art fchreiben! Lernt erzaͤh⸗
len, berichten, fragen und antworten; zuſammen⸗
-
\
216
hangend, andringend, „Mas, natuͤrlich ſchreiben,
vernünftige Auszäge, Tabellen, Erpofitionen unh
Debultionen der Begriffe machen; Terut, mad ik
denkt und wollt, ſagen. Die Zelt gebieter's, die
Zeit fordert's; wir mollen nicht künger aladas um
noyılakoı *) fepn. und bleiben.
2. Die Welt verwandelt fh. Nicht nur bad
ſuͤdliche Europa, Frankreich, Italien, die Nieder
ande, Holland, bie. Schmelz haben eine ande
großentheils vor ber. Hand, traurige. Seftalt ange
wommen, der wie wänfhen, Daß fie ſich in ‚ein ein
freudige Geſtalt verwandeln mäge, ſondern be
Metamorphoſe ſchreitet fort, uͤber einen Theil was
Deutſchland und wer weiß, wohin ‚weiter? Sm
vorher nahm Nordamerika eine aubere Geſtalt an;
‚ ein anderer Theil von Indien, oͤſt⸗ oder waſtlich,
wird fie wahrſcheinlich auch annehmen. Die Melk
charten versvandeln fi) In Grenzen, Staatsvparfaſ
fungen, Religionen, In politiſchen Grundfägen,
Sitten und Gebraͤuchen; fie werben neu Ilfunsinist,
— Dffenbar muß der Schufuntesricht nicht nur bie
von Kunde nehmen, fondeen auch In Die Urſaqhen
biefer Weltveränderungen eingehen; Geſchichte nal
Geographie bekommen. eine andere Geſtalt: Dem
bie Grundſaͤtze, auf die man das Studium der Ge
ſchichte und Geographie ſonſt bauete, haben ſich ver
ändert. In der Seſchichte 3. B. liegen uns die
Namen der Könige und ihrer geführten Staats⸗ oder
Familienkriege nicht mehr mit dam Suternffe m,
wie ehemals, da man bloß rohe. Kriegsthaten oder
*) Stumm und Rammeind.
⸗
247
pinhexlißige „Stegtsoperationen bewunherte mad ring.
Igagmeilige falſche Bemunderung.dexfeiben ben Juͤng⸗
Ungsu autzwang. Der Schleler iſt ‚weggefallen,
ober. vielmehr mit gewaltfamer, Hand weggeriffen;
die Augen find uus geöffnet, um in.ber Gengrappie
umb. Geſchichte etwas Nüsliheres zu lernen. Den
Bau ber Erde, Ihre Reichthümer der Natur und:
Kunſt, wer. zu biefen ‚etwas Großes und Gutes -
bush Erfindangen, durch nüßlihe Beſtreben ‚und
Gigrichtungen beigetragen, wer die Erde und dae
ige waltende Menfchengefhlecht ver ſchoͤnert ober
entſtellt habe, bie Engel oder Daͤmonen der Mens
ſchen ſollen wir Inder Geſchichte mit zeifem Urtheil
lennen lernen. Mit raaͤfem Urtheil: deu wo⸗
zu laͤſen wir ſonſt die Geſchichte? wozu laͤſe fie
die Jugend? um einen falſchen Glauz anzuſtaunen?
wm. Miſſethaten, die — wer es auch ſey — Grie⸗
chen, Roͤmer, Derittſche, Franken, Kaliucken,
Kpunen und Kartaren als Menſcheumager ab
Weitverwuͤſfer begangen, gebaufenlos ‚aber mit
knehtiſchet Chefurcht chronologisch - hexzuerzaͤhlen?
Die Zeiten find voruͤher. Urthail, ‚ment
Urtheil ſoll durch die Geſchichte gebildet ge⸗
fadrft werben: ſouſt bleiht ſie ein verwarrenes oder
wird ein ſchaͤdliches Buch. Auch Griachen und Roͤ⸗
mer ſollen wir mit dieſom Urtheil leſen. Alexauder
der. Welteroberer, der Truakenbold, der Grau⸗
ſame, der Eitle, und Alexander der Peſchuͤtzer der
Künfte, ber Förderer der Willenfhaften, der Er⸗
baner der Staͤdte, der Laͤndervexeiniger, find in der⸗
ſelben Perſon nicht. eine. Perſon, nicht zwei Perſoaen
von einem Werth. So mehrere. vleudvoo· oder
9218
= „gbelgeffätige tingeheuer in der GSeſchichte. Die Se
fhtate iſt ein Spiegel der Menſchen und Menſchen
alter; ein Licht der Beiten, eine FZadel der Wahr⸗
heit. Eben in ihr und durch fie mäflen wir bewm-
dern lernen, was zu beivundern, lieben lernen, wei
zu lieben iſt; «ber auch haffen, verachten, verab⸗
fheuen lernen, was abſcheulich, haͤßlich, verdtiih
ift, fonft werden wir veruntrenende Mörber ber
Menſchengeſchichte. — Die Grundſaͤtze ber Bl:
ferregierungen, der Sittenveränderungen, ber Reil⸗
gionen, Wiſſenſchaften, Handlungsweiſen, Kuͤnſte,
die in der Geſcheichte erſcheinen, follen zu unferm
Geiſt und Herzen fprehen und unfern Merftand
fhärfen. Allein auf diefem Wege iſt auch das Lefen
der Alten erfpriehlih, vom Phadrus und Nepos an
bis zum Terenz, Birgit und Horaz, Cicero, Sue:
ton und Tacktus. Gute und böfe Thaten fprechen
in ihnen, falſche Grundſaͤtze und gerechte, haͤßliche
Larven und Geſichtergeſichte. Unſere Zeit ruft fe
In neueren Beiſpielen auf, ſtelt ſchreckliche und troͤ⸗
ftende Aehnlichkeiten auf; durch Unternehmungen,
Reiſen, durch Thaten und Unthaten belebt ſie die
geſammte Geographie und Geſchichte. Wir wollen
ihre Erweckungsworte hören; auch in unſern Schu⸗
len lebe Geographie und Geſchichte; Geſchichte in
diefer ralfonnirenden, d. i. vernünftigen Darſtellung;
das Lefen der Alten nach den Grundſaͤtzen der Alten,
verglichen mit ben Srundfägen unferer Zelt.
3. Unfere Zeit dringt auf die fogenannten fe
ften, nuͤzlichen Wiſſenſchaften und Känfte, auf Mar
themattf, die Arithmerit, Geometrie in allen ihren
Anwendungen,. auf Nasuriehre und Naturgeſchichte,
— — — — — —
219
vnermals in allen ihren Anwendungen und Serslles
derungen der Natur; bie bloßen Bortfindien bat
fie vielleicht mit zu großer Sproͤdigkeit ſeitwaͤrts ger
ſchoben, und außer ber allein ſeligmachenden Kanti⸗
ſchen Philoſophie, bie ſich dieß Privilegium aus⸗
ſchlüeßlich erworben, verachtet ſie Wortgruͤbeleien
als fogenaunten Unſinn dee Schulen. — In Ueber⸗
treibungen duͤrfen wir der Zeit nicht, in dem wo fie
wahr und nuͤtzlich hinweiſet, muͤſſen wir ihrem gebie=
kennden Singer gehorhen. Die Zeit tauber Wort⸗
ſchaͤlle iſt vorüber; auch dem blendenden Wortichall
Der franzöflfhen Sprache wollen wir nicht, jedem
Wink aber auf das, was bie. Zeit gebietet, dem An- , .
wenbbaren, Nuͤtzlichen, Denutlihen, Wahren, Er:
forberliben, Nothwendigen muͤſſen wir folgen. -
rechnen muß ein Kuabe lernen, damit er fein Leben
berechne: denn die gefammte Vernunft, zumal in
Führung menſchlicher Dinge, heißt Rechnen. Geo⸗
metrie muß ein Kuabe lernen, daß er ein Augen»
maß, Richtſchnur, Geſchicklichkeit in der Hand, In⸗
tuition des Beweiſes und endlich die Neigung be⸗
komme, in welcher praktiſchen Wiſſenſchaft und Ue⸗
bung es auch ſey, nicht oberflaͤchlich, ſondern gruͤnd⸗
lich zu verfahren, und dem Vaterland nuͤtzlich zu
werben. Naturwiſſenſchaft und Naturlehre muß
ein Knabe lernen, damit er fich feines Lebens er-
freue, die Wohlthaten der Natur erkenne und recht
gebrauhe, und endlich einmal fo mander Aber
lasıbe und Irrthum verfchwinde, der das menſch⸗
liche Geſchlecht nie glüdlih gemacht hat, und in
unſere Zeit gar nicht gehört. Vorzüglich muͤſſen
and die, die einft die Schrer Anderer werden follen,
—
jene Miſſ raten; us Raltn des Mer en
reiaer United Anwendung ber Dinge-felbk, Ink
tialxen. Nicht Mertgelehtte, fonbern ; gebkägt,
naͤtzliche, geihidse Menſchen will unfere Zeit: ie
Bebärfulife derſelben, ein ſteigender Mangel, eig
auöhere Aonfurrenz, wielleiet auch- bald die bradn
be. Roth felbft, wollen. biefe Bildung zu ulelfeitigen,
praktifchen gemeinen Nuten. In ruhlgen Zeige
darf man viellekht träumen; unfere.Deit, ein un
biger Argus mit Hundert Augen, ein Briareus mi
hundert Haͤnden bewaffnet, ruͤttelt vom Schlaf aul
7 Ja, die Tünglinge ſelbſt, nen biegen Zaltum
ſtaͤnden gewedt, wollen nit träumen; -follen fr
alfo zu fallen Anwendangen hrer Kräfte sieht ner
führt werden, (wozu unfer Beitaiter fo viele Bde
genheit Dachister) jo muͤſſen fie. geführt. ah zu zes
ter Anwendung derfelben geleitet werden. Mepadi
tiet ſie, ruft nus der Aeon zu, beihdftigt: fe :feah,
ſfartgehend, gewaͤhlt, nuͤtzlich; es kommt eine Zeit
in. der fie. geäbt ſeyn muͤſſen; Ihrer Gepepictiaiet
werden fie bedürfen, :
: :e Religion — darf mensihrer zu unfere
Zeit noch enwähnen? Mir Net: Denn Metigien
wahrhafte Rellsion wird unaus getilgt bleiben; die
viorten der Hölle werden fie nicht aͤberwaͤltigen zu)
der Antichriſt ſetbſt muß fie fördern. Da wir za
urſerer Zeit aber ſo viel und mauche dußere Sonn
untergehen ſehen, mag ſpricht dieſer Untergang zu
und? als: „pruͤfe! prüfe, was dem Geiſt mad Her
ara des Menſchen wahrhaft Religlion ſey! Diefe
rette aus Den Schiffbruch; fie.bewähre!“ — um
was die Zeit zvedem aufpricht, zuft fie beſonders des
"991
Ben zu: Bef ‚ grimbet, was went
Nelligzion iſt In-jungen Bemithern: denn es iſt eine
zeit der Gefahr, der Prüfung! Was aber befe⸗
rigt und begruͤndet iſt, werde nicht bloß Theothe,
ondern Shmesart, Handliungsweiſe, Yrarts.
Da ausführt hieruͤber zu reben bie Zeit mir
zerbent, fo ſey mir erlaubt bloß einige Goͤtzen zu
»*emerken, die aller Berzendreigten zerſtordabe
Feinde ſind. Sie find:
1. Der Egoismus. Egeldmus iſt in der
weit Immer da geweſen, und beinahe ift der Natue
meer (d. i. Maͤnſt, Maͤnnlein) md Egetft ekus;
aſt zweiſte ich aber, ob er ie fo laut gerebet, Fo
frech gedacht, fo mnbenminden gehandelt bat, mie
est; er herrſcht in Zeitlaͤuften, Zeitſchriften, Seit-
yegebenheiten, in der ganzen Zeit lekſe. Viellekcht
yerrfcht er ftatt mancher anderer Abweichumzen in
ven Schuten jetzt: denn eine an ſich fehr INGE
sörbegterbe wird leicht Egoismus. Und doch hat
‚te menſchliche Geſellſchaft beinahe keinen gefährli⸗
heren Erbfeind ats dieſen Herrn, den Egolsmus.
Sr Hat eine aufblaͤhende Kraft, und treibt boͤſe
ande von ſich, bald aber wird Im Innern alles hohl
nd leer, Form ohne Materie, Schein ohne Seyn,
ınd, wie die alte deutſche Sprache es nannfe, ein
Schemen: benn er verftopft ungemein, dep nichts
iußeres Gutes in uns, und im lieben Ego gar bald
Ule Seelenfräfte ſtill ſtehen; bewahre der Himmel
eden Chriſtenjuͤngling vor diefem aufblaͤhenden, ver⸗
topfenden boͤſen ismus! Ein Juͤngling muß beſchel⸗
ven ſeyn in feinem Wiffen und in der Aeußerung
‚effeiben, nitht anfgeblafen, nicht ruhmeedig und
L |
IN
_ ‚222
verachtend. Der arme Mäuft, wie viel iſt, wı
er noch nicht weiß! Ein Egoiſt wird es nie lernen
Siehe die wachfende, blühende, buftenbe Plan;
an; fie gibt und nimmt, mit allen Elententen jı
fammenhängend nimmt fie von allen Elementen, wı
Licht, Luft, Waſſer, Erde, verarbeitet es in fi
ſelbſt, und gibt es würghaft der Welt wieder. 9
her Finſterniß jelbft neigt fie fich nach dei Lidti
mit ihren Wurzeln fucht fie die Feuchtigkeit im de
Erde; mit Ihren Blättern trinkt fie die Luft m
gibt fie verarbeitet wieder. Sie ift, was fie ii
und kuͤndigt ſich Durch Ihe Daſeyn, durch ihre Kraͤf
und Aeußerungen ſtill an, nicht ruhmredig; der X:
turcharakter iſt in fie ſtill gepraͤget. Ahmet die
Kinder der Natur auch durch ſittſame Beſcheldenhe!
nach, Ihr Juͤnglinge; nichts verunziert einen Jay
Ing mehr als Dünfel; er macht flarrfinnig, wide
fprechend, ſtolz, Kberläftig, grob und aumerträgiid
2. Ein zweites Hebel, das alle praftifche wahr!
Religion aufhebt, tft bie in unferer Seit überhai
nehmende Schlenderet, jene Lodgebundenk
von feſten Grundfägen, von richtiger Orbuung, wi
firenger Mühe und Arbeit. — Unter dem Ber
wande, daß man fich die Arbeit und dad Leben leid!
mache, daß man fi fo genau nicht an Regel, Heli
Ordnung halten dürfe; daß der Geiſt, das Genie
und treibe, entwöhnt man fi alter Anftrengung ft:
ner Kräfte, mithin auch Ihres beiten Gebrauchs, I}:
rer hoͤchſten Wirkung: dem nur durch einen fit
fern Fleiß, durch eine fchwerere Hebung, durch du
nicht gemeine Anfpannung der Kraft wird das we
tere Ziel, das höhere Vortrefflihe errungen; den
223
Shiummerndben, Schlendernden bleibt es ungeſehn
oder unerreicht; er liest am Boden, oder taumelt
fort auf dem alten ausgetretenen Wege. Und doch,
wie fehr ruft und die Zeit eben zu diefer größeren:
und längeren Anftrengung, zu biefer unablaͤſſigen
Munterleit und Gewandtheit durch alles, was um
uns vorgeht, auf! Von allen Seiten ruft fie uns
au: die Stunden bes Schlafs und der fchlaftrunt-
nen Schlenderei find voräber! — Hinweg alfe
auch aus den Heften ber Jünglinge jene ſchlendernde,
nachlaͤſſig ohnmächtige Handfchrift im Nachſchreiben
und in eigener Ausarbeitung, der man fogleich an=
fieht, daß es dem Schreibenden Fein Ernſt war, und
Daß er davon wollte. Hinweg jene alte Schlenderet
ſich In Sefängen von Wein und Liebe, von Liebe
und Wein, von füßem Empfinden, von Blumen und
Blüthen, Blüthen und Blumen zu üben! Einem
wadern Juͤngling bietet die Zeit wohl andere The⸗
mata zu feiner Uebung dar; mit Verſtand wird er
fie wählen, mit Feuer und angefttengtem Muth
ausführen; denn wodurch haben fich die großen Gei⸗
fter, die feiten Seelen aller Seiten ausgezeichnet?
Weſentlich waren fie nicht anders gebaut, wie an-
dere Seelen; aber fie hatten ihre Innere Drganifa=
tion geregelt, geftärkt; fie Fonnten einen Gedanken
Länger fefthalten und von allen Seiten verfolgen,
eine und diefelbe Arbeit länger, Träftiger treiben;
fie hatten fih mehr geüber. - Diefe ftärfere und
längere Intenſitaͤt der Seelenkräfte machte jenen
Roger und Franz Bakon, Keppler und Newton, Leib⸗
nis, Haller, Euler, Linne, Büffon, und in politis
ſchen Geſchaͤften alle vor andern tüchtige, erfahrene,
N
<
224
vh⸗rcheerate. Schwterigtelten, Gefahren, Sales
une, kyr Seſchaͤft ſelbſt beſtegten fie; ſo wirrden®
Ueberwiader. Der Schlenderude, der ſich am
lekcht und karz macht, gelangt zu nichts; uud we
von JIngend auf ſchlendert, nichts als ſchlenbert, ſes
wenn. wit das Ungluͤck auftattelt, die ſes iu:
ben fort bis am ſein unruͤhmliches ſellges Ende.
3. Das arzſte Zeitlaſter enbiih, vor dem Thh:eis
—— zu huͤten bat, iſtbdie Schamloſtateit,
der Eros, die Vermeſſenheit unferer Seit. —
Mast daß man in früheren Seiten wit etwa größe
gerebet Yitte; man wer zumellen- ſehr grob unb
legte die Worte nicht auf die Wage; aber daß ww
fo ſcheu⸗ und ſchamlos alfen angenommenen Erik:
ſaͤden ber Anſtaͤndigkelt und Ehrbatkeit, ves allze⸗
meluen und beſondern Rechts det Volker ud
Menſchen, offenbaren gegenſeitigen Pflichten wih
Brjiehtmgen entſagt, ſie verlacht und verhoͤhnt hatte
davon iſt in ber Geſchichte ſchwerlich eine gu
Probe. Wenigſtens ſuchte man zu bemaͤutelu, gu
umwinden, jetzt ſpricht man alles frei Werd,
ſchteidt alles frei heraus, handelt vor den Augen
der Welt, als ob keine dergleichen Grumdſaͤhe da
waͤren, and damit Ich mich des Pythagoraͤiſchen A:
drucks bebiene, ‚‚man thut ber Sonne gerade tat
Antlitz.“ Hüte ſich jeder edle Juͤngling vor bleſer
abſcheulichen Zeitfrechh⸗it! hute er ſich vor aller
wilden Leferet, die zu ihr fuͤhret! „Ein Juͤugling,
der ſeine Scham verloren bat, bat alles verteren;
wer fih zu lefen getraut, woräber gief&fam' das
Blatt errötdet, wer ftolz, frech, unbeſchelden fi zu
ſchreiben ‚getraut, was er in einer ehrbaten Ver⸗
ſamm⸗
Ä 225
ammlung, ober einem Manne, dem er Hochachtung
chuldig ift, nicht fagen dürfte, hat feine edle Bil⸗
ung verlängnet, er ift oder wird in⸗ und auswen⸗
yig ein Iingehener, ein Schenfal. Schuͤtze fein Ge⸗
ins jeden jungen Mann vor diefem Gift der Zeiten !
Und. nun, wohlauf! erwahe Eramen! mit
Munterkeit und Freunde! zur Frenpe! zur Ehre!
xx.
Bon Schulen ald Symnafien.
(Bor dem Examen.) 1799.
Gymnaſinum heißt ein Uebungsort. Koͤrperli⸗
hen Uebungen waren bie Gebaͤnde oder Stätten, bie
nan GSymnaflum hieß, zuerſt gewidmet: mit der
zeit wurden fie Verfammlungspläge zur Unterre⸗
zung mit den Tünglingen über Gegenſtaͤnde allerlet
Art, und fo kam, wie bekannt ift, der Name zu hoͤ⸗
heren Uebungen hinauf, zu Uebungen in Willen:
rchaften und feinern Künften, bis fie zuletzt bie
ſchoͤne Bezeichnung der Anftalten wurden, bie Vor⸗
zfademien feyn folten, und die, wenn fie ihren
Zweck erreichen, dem Staat vielleicht nuͤtzlicher, deu
Juͤnglingen angenehmer, bildender, ficherer find,
als Akademien felbit. Mir laffen den Urfprung
bes Namens, und gehen auf deffen lehrreiche Be⸗
beutung. -Vebungsanftalten find Oymnas -
Serderd Werkes. Phil. u. Geſch. X. 45
226
fien, Anfalten zur been, zur nüplige
fen Uebung.
Mit Anlagen Lommen wir auf die. Welt; aus
gebildet werden diefe Anlagen nur durch Uebung
Unfer ganzes Leben iſt für und Gymnaſium; mes
aus ung werden foll, muß in uns durch Hebum
werden. Je eblere Kräfte wie in und erweden, je
zu einem beſſern Zweck, in je beſſerer Ordnung, nk
ie mehrerer Leichtigkeit, Sicherheit und Kunft wi
fie zu dieſem Zweck üben und ausbilden, deſto beffere
” Menfchen find wir. Dem unentwidelten Keim,
dem rohen Edelſtein gleicht die unausgebildete See
le; ein ungeuͤbter Menſch it, worin es auch fe,
ein baͤueriſcher grober und roher Menſch, ein
brutum.
Von Kindheit auf ſtrebt die menſchliche Natur,
daß fie geuͤbt werde. Warum gab der Schöpfer der
Jugend, der menfchligen Tugend zumal, jene Dun
terteit, jene thätige Unruhe, jene Bertebfemiekt
und ihre Schweiter die unerfättlihe Neugierde? Z
feinem andern Zweck, als daß der Menfch geuͤbt,
in allen Kräften geübt werde, Dazu jene Beweg
lichkeit der Augen, der Füße, ber Haͤnde, ber Zunge,
der Lippen, der Gefichtszüge In unferer reichen vor
trefflihen Drganifation; dazu der Gebrauch unfe
zer Finger, die die Schöpferinnen faft jeder Kunß,
und fo vieler Beguemlichkeiten des Xebens fine.
Unfer Körper iſt zuͤr Uebung gebauet; zur Uebung
find unfere Seelenträfte mit folgen und keinen au
- bern Eindiihen und jugendlichen Neigungen begle:
tet. Einem gefunden SKinde und Knaben, einem
glücklich gebildeten feohen Juͤnglinge tft nichts vor
“
227
‚after, alo tige: Ku; ein Abungsintee Leben iſt
bau: Tod; muntre, auch beſchwerliche Uebung tft
web bringt ihm Freunde, Geſundheit,
WVom erſten Moment des Lebens an haben wir
us alles, was wir koͤnnen und willen, vieles, ohne
yaß mir es gewahr wurden, durch Uebung erworben.
Wie unfer Faß gehen, fo bat unfer Auge. ſehen,
zuufer Ohr hoͤren, unfere Snuge fpreden gelernt,
yurch Uebung geleent; alle unfere Kemntuifle, Ge⸗
wohnheiden und Fertigkeiten find Mefuitate unſerer
Hebung: Wer. fich für Arbeit und Hebung fürchtet,
iſt ein umbeholfener, ſchwacher, kranker Menſch,
Zalbzebildet, unbiidſam; wer fi für leiner Uebuag
r&gendt, wen eben die ſchoͤnſte, ſhwerſte Uebung am:
rneiſten weckt, wer darin ſich am beſten ausnimmt,
wer fie aufs ſtreugſte aushaͤlt, der Juͤngling iſt
o»tibſam, er wird ein noluroonos, ein vielgewand⸗
er, vielgebildeter Mann werden. Ohne mich auf
as ungeheure Feid einzulaſſen, wie jede Wiſſen⸗
haft und Kunſt, was fie iſt, nur durch Uebung,
acc Uebung vorzuͤglicher, wohlorganiſirter Men⸗
chen geworden, halte ich mich in den Schranken ei⸗
zer Schalrebe und bemerke, daß jede Schule, jede
iafle der Schule, von ben unterfien an, fein Platz
‚ae Muße und Traͤgheit, zum nuthaͤtigen Lernen
sub Vernehmen (schola), fonbern ein Uebungsplatz
vuvpvaoıov, TasdEVT7Q409, meleıntr,oov ſeyn müffe,
and zwar, wenn fie es in ben eberften Klaffen ſeyn
ſoll, in den unterften zuerft.
Betrachte man doc die junge Brut der unterm
gelaſſen, wie fie mit Luft und Freude zu jeder Im:
zendübung daher zeucht. Nennen und Laufen iſt
228
ihre Luft; unerträgliger ift ihr fa nichts als dei
Eitzen; daher fie fih auch die Schule vorzägie
durch das umerträglihe Sitzen bezeichnen. In be
Schulen beißt es bekommen fie Sitzfleiſch. Um ik
‚nen bie Schule nicht gang wibrig zu machen, wa
:{ft in unfern engen Gymnaſien⸗Mauern das einzig
Huͤlfsmittel? Das innge Wolf, bie Schaar von Bi
:geln, denen nur bie Flügel fehlen, werde, fr
viel es die Klaſſe zuläßt, in mancherlei Hebnns
erhalten, ihre Geelenträfte werben befchäftigt, ge: |
Abt. Das wollen auch fchon bie erſten Rudbimsente,
die fie lernen. Buchſtabiren, lefen, rechnen, ſchret
den, enthalten bie vielfachften Uebungen unferer See:
ienträfte; ein Philoſoph hat ausgerechnet, daß u
ſere Seele, mich büntt, einige vierzig Nebuungen ver:
nimmt, indem fie bie große Kunft lernt, su bug
Hadiren. Hat nun ein Lehrer Verſtand, Ge
ſchicklichkeit und Blegſamkeit genug, beim Bud:
flabiren, Lefen, Rechnen, Schreiben, wozu ih
noch das Sprechen, Erzählen und Zeichnen der Ft
guren hinzufügen muß, alle die Uebungen anzumen-
den, bie diefe ſieben ſchoͤnen Künfte, Buchftabiren,
Leſen, Schreiben, Rechnen, Sprehen, Erzählen,
"geihnen ber Figuren in fich fchließen, und ihrer
Natur nach norhwenbig fordern; hat er fie zu üben,
-ceihwelfe In ber ganzen Klaffe zu üben, unabläffige
Luſt und Neigung — gewiß wird Ihm ber fröhliche
übungsluſtige Sinn feiner Kleinen dazu bel:
fen. Ihm, wie ihnen, wird bie Arbeit ein Spiel,
eine Luft: Uebung werben, da im Gegentheil eine
Klafle armer Pogmaͤen, bie nur das Eitzfleiſch
üben, jedem Fremden ein trauriger, trauriger,
229
trauriger Aublick iſe! Unſere öffentlichen Schulen ind”
bekanntermaßen im Kampf mit Privatſchulen, und
fo viele Vortheile jene haben mögen, ze sit dennoch
voraus zu fehen, fie werden von Jahr zu Jahr im
dieſem Kampf verlieren. - Wodurch verlieren fie?
wodurch gewinnen jene? Dieb fagen und alle Er—
ztehungs = Iuftitnte in Ihren Verkuͤndigungen: durch
webung. — Hierin, darin follen bie Kinder ge⸗
abt werben, rufen fle alle laut; duch Hebung:
follen fie lernen. Worin num ihre Uebung beftche?
worte, mit welcher Ordnung und Abwechfelung fie
getrieben werbe, tft bier nicht bie Frage. Das Wort
webung iſt's, was die Eltern freut, die Kinder
bezaubert. Jeder Mühe bequemen. fie fich gern,
wenn fie nur geuͤbt werben.
Die körperlichen Uebungen find ben oͤffentlichen
Schulen entnommen; find aber die Arbeiten, die
fie zu treiben Haben, nicht -auch Uebungen? Richtig
und angenehm ſprechen, geſchickt und richtig
ſchreiben, erzählen, ſich ausdräden, rechnen,
zeichnen zu lernen; felbft hören und beantworten zu
koͤnnen, was ber andere fagt und nicht fagt; bei'm
Himmel! das erfordert Uebung, feine, viele, laug⸗
fortgefeßte Uebung, bie. gleichfam der Geiſt des
Lernens, die Seele bes Unterrichts iſt, und fi
durch nicht anders erfehen laͤßt. Der Wort: iin
terricht, die todte Lehre, Lektion, Lernen, Nach⸗
fchreibeng. f. f. find, fo lange nicht Hebung bes Geiſtes,
des Willens, beruft und Liebe unhjeber ingendlichen.
Fähigkeit dazu kommt, todte Wörter, und werben.
den Kindern bald ekelhafte Namen. Luft und Liebe
macht alles leicht; Hebung befeelt jedes Werk, tn:
I}
250
dem fie die Anlage in un? sur Terbibenufkn
Traft, Fähigkeit, Ferecgleit erhöhet. Durch Ne
bpung erri⸗in⸗ man den Preis in alen Kamapffplein;
suse Uetung lerate Milo: den: Oqſen tragen, mi
Herkales feine Arbeiten beſtehen; derch willig,
frohe, unablaͤffig fortgeſetzte Uebung alle in wird mw
‚feiner Kun Meiſter.
Das Hauptwort ber. Schulen und Gymnmaſien di
‚alfo uerera; übe dich! nur dadurch erlangt ma
die. Krone; dieſer kategoriſche Imperativ geht: durt
‚alle Klaſſen und Lektkonen. Und wie Fommt. ma
dazu, worinne bejteht: dieſe Uebung? Mich dunl
tn drei Stüden, die und: die-Natur ber Schulat:
‚beiten felbft vorzeichnet.
a) Sinnlihe Aufmertfamfeit des Kiabden
des Knaben und. Juͤnglings werde erweckt; fein
‚Seele werde aus dem Echlafe gerüttelt, ‚ober ın
‚ „fremden Gedankon gereinigt. Souſt traͤumt er fort,
‚fein. Geiſt, ſoin Wille, feine Seelenfräfte werben
nicht geübet. Au Zeichen, bie dieſe Aufmerkſam
ıteit erwecken, fehlt es den Wiffenfchnften nick;
eBrtft. aber nicht ber baculas - in. mensa oder ir
.sergo, der dieß Wundeswerk:thut; ſondern es Hi
:der Körper jeder Wiſfenſchaft ſelbſt, die fin
lihe Form, ohne welche ihr Gelft nicht fen
kann. Wie man ohne Buchſtaben wicht leſen, ohnt
Zahlen nicht. rechnen, ohne Stimme und Geberden
nicht ſarechen uud erzählen kann: fo-Iann Ma—
thematit 3. B. aicht ohne ſinnliche Darſtellung
‚Geographie nicht ohne Landcharten, Naturge—
Fine nicht ohne Abblidung, Phofir nicht op
Berfuche mad; Proben, Gefch ich te amt ohne et
[
231
nen Leitfaden, der das Ganze verwebt und an-
ſchaulich macht, vorgetragen werden. Jede biefer
Darftellungen fordert und wedt Hebung. Wie
Die Natur alle unfere Begriffe mittelft der Sinne,
mittelft ihrer Eindrüde und Hebung aufwedt: fo kann
es der Diener und Schuͤler der Natur, der Lehrer
- einer Wiffenfchaft nicht anders; ie tebhafter, ie
deutlicher, je angenehmer und finnlicher er feinen Schuͤ⸗
lerndiefentypus vorhäft, je bemerflicher er ihnen
macht, mas in ihm gefehen und nicht gefehen
werden kann, was mit der Seele gefaßt werben
muß, je mehr er diefen Typus felbft gleihfam zu
ſchaffen, ans feinen Gliedern zu Eonftitnfren,
auf feine Glieder zuruͤkzufuͤhren, und bei ſeinen
Schuͤlern in eine Art Selbſtſchoͤpfung, d. i.
in Nachbildung zu verwandeln weiß; deſto mehr
uͤbt er, d. i. er hat ſelbſt und gewährt Hebung.
Die Geſchichte z. B. (um nur ein Exempel anzu⸗
fuͤhren) wird nie Uebung des Geiſtes, wenn ſie
dieſen Typus entbehret. Bloße facta, arena sine
calee, intereſſiren nicht; treten fie aber in eine
Reihe, in Glieder, wird allenthalben wie an
einer Kette gezeigt, wie dieß aus jenem ent-
fprang, wohin dieß oder jenes wirkte; greifen die
Glieder biefer Kette fo fcharf in einander, daß
man bei jedem Fortgang flieht und fehen muß: aus
diefem entftand jenes, anders Eonnte es nicht
werden; fo war, fo tft das menfchlihe Sefchlecht
nach Landftrihen, Seltaltern, Nationen, Religio⸗
nen, Spraben; fo artete, fo entartete es; bie
wir jest da find, wo wir find, fchlingt fich biefe
lebende Kette, man nenne fie Tabellen oder Typus,
—
232
|
durch die ganze Geſchichte, und fchlägt in jeden
merkwürdigen Moment elektriſch an; ein ig
navum pecus mäßte der feyn, beffen Aufınerk:
ſamkeit nicht durch einen folhen Vortrag der Ge
ſchichte geweckt, deſſen Seelenktaͤfte nicht auf be
reichſte Art abw echſelnd und fortgehen
fo geaͤbt wuͤrden, als ob er jede Begebenheit ax
fähe, und fie felbft erfände.
b) Abwechfelnd und fortgehend fey biefe
Uebung. Hierin liegt das innerſte Geheimniß u=
ferer Theilnahme mit Luft und Freude, folglie
auch unferer Bildung. Leibnis hat bemerkt, daß
der menfchlihe Geiſt nie fcharffinnfger, oder, wit
wir fagen, aufgelegter fey, ald wenn er fpielet;
woher die? manche Spiele find fo fchwer, fe
ermüdend; andere find fo firengen Regeln unter:
worfen; ſie erfordern eine fo wachſame Genauig⸗
keit u. ſ. f. Eben daß fie dieß fordern, macht das
Spiel für den Liebhaber intereſſant; es wid
nur dadurch angenehm, daß es Seelen- oder Le:
beöftäfte fortgehend und wechfelnd, wed:
felnd und fortgehend befhäftigt. In
Sortgang der Befchäfttgung Ilegt ein unnennbares
Vergnügen; wir füglen den gluͤcklichen Fortgang,
duch den unfere Kräfte wachfend geſtaͤrkt werden;
ie abwechfelnder dieß gefchieht, deſto reicher füh-
ten wir und an Kräften; bald biefe, bald jene thut
ſich hervor; und geht zur Ruhe, ohne Ueberbruf
und Eridhiaffung, von cfner andern nab der Re:
gel des Spiels abgelöfet. Leibnitz ſchlug zu Ue⸗
bung verfihiedener Seelenträfte mehrere folder
Spiele vor z. B. das Spiel ber Urſache und
%
’ 233
Wirkung: wenn bad gefchieht, was wirb wer:
den? das Spiel ber Hälfsmittel: wenn dieß
ſich zutraͤgt, was muß gefchehen? wie kaan man
fih helfen? dus Spiel ber Zufälle: wenn man
dieß thut, was kann fich zutragen? das Spiel ber
Mittel: wodurch Kann dieß, bad mehr noch be=
wirkt werden? u. f. Für fih genommen, ermübden
biefe Spiele bald; Im Fortgange einer Arbeit aber
Tann und muß fie der Lehrer unvermerkt faſt wi-
der feinen Willen anwenden. Eben dadurch wirh
niht nur die Aufmerkſamkeit feſt gehalten, ſon⸗
dern auch die edle, die uns fo unentbehrliche Kraft,
das Vermögen praftifher Erfindung ge⸗
ftärkt. Es gibt Spiele des Witzes und Scharf:
finnes, Aehnlichkeit und Unaͤhnlichkeit zwiſchen
Dingen zu finden; wie oft kann der Lehrer, wenn
er nicht bloß dociren, d. i. ſteif und hoͤlzern vor⸗
tragen, ſondern die Seelen der Schuͤler mit ſich
arbeiten laſſen will, wie oft kann und muß fie
. Der Lehrer hervorholend, fragend, veranlaflend ge⸗
brauchen. Man bat Spruͤchwoͤrter-Spiele;
auch diefe kann und muß bie Schule oft gebrau⸗
chen. In den Sprühmörtern jeder Sprache be⸗
ruht ihre wahre Kraft und dhte Volksweis⸗
beit. Weber manche Sprühmörter läßt fih eine
Abhandlung, ein Buch, ein Drama fehrei-
ben, is viele find daraus gefchrieben. Die ge⸗
fheiteften, weiſeſten und wigigften Männer aller
Zeiten und Völker haben fih mit Spruͤchwoͤrtern be⸗
ſchaͤftigt und erluftigt, vom weiſen König Salome
an bis auf Erasmus, Bako — und wie viel
- andere mehr! Des großen Erasmus Wis und leichte
\ ST
Schrelbart Hi aus Spruͤchwoͤrtern und gangbaren
Rebarten gefhöpft,; Cervantes, Swift, Ster
ne, Montaigne, Rabelats, unter und 2=
tber, Leffting, Mofer wohnen glefhfam in
ihnen; zu rechter Seit angebracht oder entwidet
üben fie mehr als eine Seelenfraft, wenn fie fig
bier in eine Geſchichte oder Fabel, dort In einen
Beweis, in ein Sefpräch, eine vernänftige Debut
tion verwandeln. Anlaͤſſe zu ſolchen Uebungen bie:
ten faft alle in den Schulen getriebenen Schriften bar.
c) Ein drittes Mittel zu Uebung mancherlei
Seelenfräfte in Schulen gibt jene edle Nadel
ferung, jener löblihe Wettfampf an die
Hand, den der alte Heſtod die gute Eris
nennet; in Schulen foll und darf diefe gute, wohl
thätige Erls wohnen. Da In einem Haufen fäpls
ger Juͤnglinge mancherlei Faͤhigkeiten gleichfam ver:
theilt find, Indem diefer die Gabe bed Gedaͤchtniſ⸗
fes, jener des Wißes, ein britter des Scharfſinnes
ein vierter der Einbildungskraft und fchaffenden Dich:
«ang, ein fünfter den Vorzug des einfehend - bei:
ien, ja des erfindenden praftifhen Verftan:
des, ein fester der beftimmenden und ſcheiden⸗
den Vernunft, ein fiebenter endlih das Talent
des Calculs und Mechanismus bat — mie
ſollte wicht eine lebendige liebung des ganzen Schul:
koͤrpers entfliehen, wenn diefer Antagonismus
tebender Kräfte gehörig gewedt, aufgefordert und
in Thaͤtigkeit geſetzt wird? Ein bekannter fpantfcher
Art Jnan Huarte bat eine eben fo befannte
Prüfung der Köpfe zu den Willenfhaften” ge
Wörleben, die Leſſing uͤberſetzt hat; er theilt darin
spe Genies für die Wiſſenſchaft aus, und kau⸗
sgiet fie nach den Fächern bed. Schirnd und bef-
‚Ten Hlppokratiſcher Beſchaffenheit von Feuchtigkeit
sand Drockenheit, von Hitze und Kite, Wie bie
mancherlei Gonies ſich im mſorm Gehirn haben
und ˖ fitzen, mag Huarte wiſſen; wie ſie in ben
gachetn und lumbis ber Klaffe ſthen, das kann
‚mid: muß einem aufmerkfamen Lehrer wohl bekaunt
werden. Er muß es balb ime geworden fon,
"wo Fein Geboaͤchtniß⸗ und ſeine Werftandes-
Maͤnner, wo feine Phantafie - Jünglinge, item,
Wo die Wutz⸗Gruͤtz⸗ mb eritiſche Spiktb-
Beer ſctzen, und ſie ſich beb dieſer und jener Wiſſen⸗
:fhaft; bei jener und-biefet Aufgabe Halten and geber⸗
Yen? Sie vo hne Haß und Zank In Lebendige Uebung zu
ſetzen, jedem Talent ſeinen Werth zu laſſen, ohne daß
es ſich aͤber ein anders erheben duͤrfe, ja, daß es vlel⸗
mehr die Nothwendigkeit und Nutzbarkeit deſſelben
. auch erkemen lerne, dieß iſt, dieß ſey das fortgehende
Acdernug ber Säulen. — In dleſem Betracht,
wie hoͤch ſtehen Gymnaflen Aber Univerſitaͤten! Im
GSymnaſium wird jeder Schuͤler von ſeinem Lehrer
gẽkannt, geſchaͤtzt, geuͤbt, geuͤbt auf bie ihm zu⸗
Jommende eigenſte Weiſe; mit guten Lehrern nad
Schaͤllern befehte Opmnaften ſind ganz und gar eine
:febendige Debung. Auf Univerſitaͤten Tenat der
Xgr feine Zuhoͤrer kaum; er Iiefet, wie es
heißt, und fie hoͤren; er iſt Profeſſor, d. . Aus⸗
. zebner. ber Wiſſenſchaft, ſie ſind Akuſtiker, die von
einem zum andern, von Kephas zu Apollo wandern
nund hören, mas er profeſſorirt. Wiſſenſchaften,
die chungen erſordetu, z. BSprachen, Mathe⸗
256
matik, Geſchichte, Schreibart ıc., laſſen fich daher
in öffentlichen Kollegien auf der Akademie faſt gar
nicht lernen. Wer fie von Schulen nicht mitbrachte,
muß fi eigene Privatlehrer halten, ober er lernt
fie nie. Der hoͤchſte Unverſtand eines Juͤngliuge
iſt's alſo, wenn er, ehe feine Uebungen Fertigkel⸗
ten worden find, vom Uebungsplatz, b. I. vom Gym:
naftum dahin eilt, wo einzeln nichts geübt wird,
wo Im Allgemeinen nur hörende Ohren und fchrei-
bende Finger in Bewegung gefeßt werden, und es
jedem Süngling uͤberlaſſen bleibt, aus dem Kohl,
den er ſich täglich von fünf Wieſen fammelte, ſich
felbft ein Gericht zu bereiten. che, wenn er ein
ungeäbter Kopf iſt! In feinem Haupt, wenn bad
Zufammengetragene ia dahin gelangt, mird ein bi:
fes Gekoͤchs werben.
Aber warum reden wir, wenn wir bom Gym:
naſium fprehen, von Wilfenfhaften, von Kemmt:
niſſen allein; gibt es nicht andere Faͤhigkeiten im
Süngling, die ebenfalls nur buch Uebung zu
Fertigkeiten werben können? Sol feine Seele
nicht auch lichen und baffen, anziehen und
zurüdftoßen lernen? Soll er niht auch in Tu:
genden, in jeder Gemuͤthsſtaͤrke, in Entha It
ſamkeit, Anſtreugung, Maͤßigkeit, King
heit, Wohlanſtaͤndigkeit u. f. geuͤbt werden?
Ohne Uebung erlangt man dieſe Vortrefflichkeiten
nicht; und doch find fie Die ſchoͤnſten Vortrefflichkeiten,
und am leichteften erlangt man fie in ber Jugend.
Wäre alfo jedes Gymnaſium ein Pothagereum, deſ⸗
fen Genoſſen mit einander eben fo in praftifcher
Vollkommenheit wettelferten, wie in Willens
— — — —
— — — — — — —
—
237
fchaften und Künften! Wer 5. B. gegen feine Leh⸗
zer, gegen Eltern und Vorgeſetzte, gegen verbienft-
. volle Männer im Leben oder in der Geſellſchaft die
wuͤrdigſte, reinſte Hochacht ung zeige? das Un⸗
recht, das ihm gefchieht, oder geſchehen koͤnnte,
aufs kluͤgſte abwende, aufs edelſte raͤche, aufs
großmuͤthigſte ertrage? wer ſeinen Freund aufs
lauteſte und innigſte, ohne Schmeichelei und Un⸗
wahrheit, ohne Eigennutz, Stolz und Anmaßung
liebe? wer feine Begierden aufs maͤchtigſte zu
belämpfen wille, auch erlaubte, nur Aber ihr |
Maß firebende Begierden? wer feine Zelt am
beften eintheile? wer fih dem Körper nad
am beften trage? unvorbereitet am beften fpreche,
wer bie edelfte Einfalt, bie zwanglofefte Har⸗
monte in feinen Handlungen zeige? wer bei
Worfaͤllen, die erzählt werden, am mächtigften, am
verſtaͤndigſten denke; bei unvorgeſehenen Zufäl
len am kluͤgſten ſich benehme? wer bei allem den
edelſten Zweck des Lebens mit Vorbeigehung alles
Gemeinen und Niedrigen ſich auserwaͤhlt habe?
und wie er dieſen Zweck bei allem ohne Geraͤuſch
aufs ſtillſte befolge — hiernach meine Freunde,
Zuhoͤrer, Lehrer und Schuͤler, wollen wir alle ſtre⸗
ben. Das Leben ſey uns Gymnaſium und da alle
menſchliche Wortreffiichkeit und Tugerndnur In Ue⸗
bung beftehet, fo fey es unfere angenblicklich tägliche
Frage?! in quo exerceor? quid ago?
Und ihr Juͤnglinge, wohlauf, ein Jahre eurer.
Uebungen iſt verfloffen; zeigt biefer Uebungen
Fruͤchte! Die Saranten find geöffnet; der Kranz
iſt am Bieter
—
Li
⸗
258"
Rede nach dem: Ermtieit. 1799:
Abermals iſt alſo ein Jahr zuruͤckoe begt, vie
Schuljahr. Mit wie mancher Mühe! mit wie man
* von Jungen und Alten augewandten Schweiß!
faft nicht zu fogen Ju's Unendliche Taufe: Die.
Rechnung jugendlicher und auf die Jugend verwand⸗
ter Mühe, auch vergeblider Mühe, Sorgen und.
Gedanken.
Ganz vergeblich ward fie dennoch pie angewandt
biefe Mühe; ganz in Luft: und Meer werben fie
doch nicht hingeſtreut, dieſe Gedanlen. Der Lehe-
ling muß viel,Zinfon umfenf und auf's Gerathewohl
ziehen, che er die rechte Linie trifft; -deg- Lehrer und
Saͤemann begraben ihren Saunen in die Erde. Et
ſcheint zu verweſen, und ˖geht wenn kuft und Seunte
und Zelt und bie. maͤchtige Kraft der Natur ihn
weden, reich.an Früchten hervor.
Jeder Umgang. mit. Menfchen, jede menſchliche
Rede und Handlung wuͤrzt ſich allein durch MWers
ſt an d. Nur einen verſtaͤndigen Menfchen hört mau
gern; eine Handlung; in der Verſtand liegt, ſieht |
man mit inuerem Genus und Freude. Will men
ein Examen, das iſt eine Probe jugendlicher Uebun⸗
gen und Lektlonen loben, fo finde ich fein anderes,
kein groͤßeres Lob für fie, als: es waren verfiändige
Uebungen, und die ſich in ihnen geuͤbt hatten sel
ten fih verſtaͤndig.
239
Ich getraue michs zu fagen, daß wenn au.ber
aͤrgſte Feind unſeres Gymnaſiums bei diefem Ver⸗
hör gegenwärtig geweſen wäre und er den Zuſtand,
in dem vor 10 — 20 Jahren diefe Anftalt war, ers
lebt hätte, er ſagen müßte: bei allen Mängeln, bie
unfere beſchraͤnkte Anfkalt drüdten, zeigten fich Leh⸗
zer und Schäler in allen Klaffen verfländiger,
d. 1. Ihrem Zweck angemeflener, weiſer. Mi ern⸗
fter, filter Freude habe ih dieſe Zunahme, diefe
Fortſchritte des praktiſchen Verſtandes wahrgenom⸗
men und muß ihn oͤffentlich ruͤhmen. Nicht verge⸗
bens fing die ftille Minerva, die jungfraͤuliche, mil.
Lauter nuͤtzlichen Symbolen fi auszeichnende Pallas,
unfere Schulhandlung an; ihr wohlthätiger Einfluß
Hat ſich bewähret, ihr unſcheinbarer Olivenzweig
gruͤnet und gruͤne lange, uͤber dieſem ihrem heiligen
Tempel, dem der Lorbeer des Apollo und fein zu
heller Götterglang vieleicht nicht ziemet.) Der:
ftändig wollen wir werden, wir alle, Lehrer und
Schüler, Zuhörer und ich, der Redner felbft,. nad).
der alten Sentenz des weifen Dichters: 5
Iſt aufs Nuͤtzliche nicht mein Fleiß gerichtet,
Sp arbeitet ih, ah, zu Teerem Ruhme.
Und da meine Einleftumgsrede vom Gymnafium
als einem Uebungsplatz aller nuͤtzlichen Fähigkeiten
der menfchlichen Seele handeite, fo erlaube man
mir zum Abfchiede (einer Schulrede muß dieß nach
*) Die Anweigungsrede unfered Gymnaſiums im Jahr
4716. handelte de sanae mentis indicio circa Gymnasia
et scholas, reipublicae literariae seminaria. Diefe sana
mens fey unſere Pallas. Mens bona etc.
€
240
altem Herlommen erlaubt ſeyn) einen kleinen w
landiſchen Wortwis. Unfer Gymnaſium, bad ik,
anfere Uebn gsſtaͤtte, heißt Ernestinum, dei
Ernſtiſche Gymnaſium. Ernſt, Ernft, mei
Freunde und Zuhörer, tft das, was allem Uebnngen
dieſes Hauſes vorſtehen umd fie begleiten muf,
wenn fie das ſeyn folen, wozu der Stifter diefei
Haufes diefen heiligen Jugendtempel (ich nen
ihm nochmals alfe) erbaute. Ernſt nimmt alle m
fere Seelenträfte zufammen; ein redlicher frommer
Eruft macht alle Uebungen leicht und nuͤtzlich; et
unterfheidet fie von finnlofem Spiel, von zerfiten:
tem Unfinn; er macht uns verftändig. Ernſte lie:
bung allein bringt weit und führt zum Ziele. — — —
— — Mir begraben mit dem heutigen dir:
men bes Jahrs 1799 den alten Adam, das alte fk
kulariſche Schuljahr, und wollen Zleit anwenden
daß wir in den Monaten Sept., DE., Nov., Der
noch manche feiner alten Sünden, die ung ankleben
md träge machen, begraben, damit, wo möge
mit dem Jahr 1800 auch in diefem alten hundert⸗
— — — — — —-
jährigen Haufe eine nene Wiedergeburt werde
Hieruͤber wollen wir_ung bie Hände geben: denn
vielen alten Unrath abzuthun, legt freilich und Te:
Diglich an und. Mor zweihundert Jahren begrad
man in Schulen mit felerlichem Geſange:
„Run treiben wir den Papft hinaus’
und In noch ditern Zeiten: ®
„Nun treiben wir den Tod hinaug,”
Tod, Teufel, Papft und Hölle;
das waren prächtige Schulaufzuͤge! Jetzt ziemt ed
und
7
f
Ä 241 Ä
und, den alten Adam mit Werk und Weſen zu be⸗
graben: denn ein neues Jahrhundert geht an! DH
fey es, wenn ed mir vergoͤnnt iſt, hier: wieder zu
erſcheinen, ein lichtbringenbes, für unfer Gymna⸗
fium erquidendes, für Lehrer und Schiler freundii- .
ches Jahrhundert! In diefen einladenden Wün-
fhen wollen wir alle das Lied anftimmen:
Gott gebe nur ein fröhlich Herz
Erfrifhe Geiſt und Sinn, u. f.
Er laſſe feine Lieb und Gür
Um, dei und mit ung gehn, u f.
- - Die Ferien gehen an! Sie werben jedem Schuͤ⸗
ler eine erquickende, erfriſchende Luftzeit, wo er je-
den Tag mit einer guten Wiederholung, einer nuͤtz⸗
Karen eigenen Nebting, einem neuen frohen Ent-
ſchcußᷣ anzrichnet. Auch er begrabe den.alten Adam,
ſetuos vdrigen Lebens, und ſchicke fi zu, daß bag
Day Jahrhundert ihm⸗ auch aufgehen koͤnne als
etne dellbringende Aurora!
‚Den 2ten September gehen die Schularbeiten
wleder an, jeder junge Krieger fteht an biefem Tage
bei feinem Feldzeichen unter dem Helm und Schilde
der Minerva, Und fo lebt wohl, liebe Sünglinge,
der Anwuchs und die Hoffnung unferes Vaterlan⸗
des! Lebt wohl! | | u
Mit den orten eines unferer gellebteften Dich⸗
ter fey mir ein etwag höherer Schluß erlaubt, zu
biefer.meiner ſaͤlulariſchen Begraͤbn. ßrede.
Bon fabelhaften Namen reißt
_Bu Dir, vollkommner hödjiter Geift,
Berders Werte. Philoſ. u. Geſch. X. 16
N 242
Sid mein Gelang empor!
Nur Du gibt Weisheit, Pallas nicht:
Aus Deines Lichte quillt iger Licht .
Zu Sterblichen hervor.
Gie Leite mich im Labyrinth
Des Lebens, wo, durch Irrthum blind,
Sich mein Berftand verliert,
Wenn fie die Nebel nicht zerſtreut,
Und mid durch alle Dunkelheit,
Zum Glück und Guten führt.
08 flieht vor ihrem Helen Blick,
Der Thorheit flüchtig Schattenglück,
Manch farbiht Luftgeſicht.
Sie fieht, tro& feiner Mummerel,
Daß alles, alles eitel fey,
Allein die Tugend nicht. ”)
Im verfloffenen Jahrhundert wie viele junge
Menſchen gingen aus biefem Gymuaflum binaw!
Ste blühten in, fie blühten außer ihrem Vaterlaud
und brachten Früchte. . Wie mancher Procuethen
faß bier, bildete Menfchen, ungeſehen ſtand hinter
ihm die fleipige Minerva; und In feinem Haufe
nagte der Geier an ihm, Hunger, Sorge, vielleicht
Haß und Verachtung. Sol diefer efle ſcheußllche
Kontraft noch ein Jahrhundert währen? Nein, hide
fie, oberfte Weisheit, das trau'n wir bir, als be
Freundinn unfers Geſchlechts zu, gewiß Hiücht, ge:
wiß nicht. Foͤrdre alfo, wenn es ſeyn kann, bein
Berl; warum wollte du es nicht firbern? Sprich:
„es werbe ct und es wird, wo es noch dunkel
iſt, Licht werben! Und du, Heiliger, menſchenfreund⸗
* Andie Weis heit; von un .
Te
ler Mann, ber fiharffchend, wo es umnferm @e--
ſchlecht fehle, das Wort ausſprach: wer ein Kind- -
aufnimmt in meinem Namen, ber nimmt mich auf;
wer biefer Beringften eines ärgert, dem wäre bafs
fer, daß ein Muͤhlſtein an feinen Hals gehängt und
er in's Meer verfenkt wärbe; fchaffe, erwede unter
und auch im kommenden Jahrhundert: in heineme
Sinn Shriften !
XXIII.
Non scholae, sed. vitae discendum. 1800--
Nur drei Worte feyen mir vergönnt, über eine
bekannte Regel: nicht der Schule muß man
fernen, fondern bem Leben. ’
Was heißt Lernen? Man hat davon falſche
Begriffe, wenn man glaubt, es heiße: fremde
orte ſich einpraͤgen. Worte find Schälle; ohne
Gedanken druͤcken fie fihmzuwellen, zumal in der
Jugend, mit großer Kraft ein; ohne Gedanken aber
hat man fie nur ald Papagei gelernet: denn befann=
termaßen lernt auch der Nabe, der Papagei Wort⸗
ſchaͤlle und ſagt fie zu rechter und zu unrechter Seit
Worte ohne Gedanken lernen, iſt dee menſchli⸗
hen Seele ein ſchaͤdliches Opium, das zwar zuerfk
einen füßen Traum, einen Tanz von Spihen und
Bildern gewährt, vor dem man ſich ale vor einer
4
Pan
ganze Bände fogenannt philofophifche. und poetiſche
Schriften; man liefet; / wie Hamlet fagt, Worte,
Morte, Wortfchälle, Schälle, bei denen ungläd
liherweife die Autoren zkauubten, daß fie daͤchten
indem fie doch nur fprachen und nachſprachen; dunlle
dba: lichte Scheinen Ber Iıhägkiäftnt; RE man jeht
Dden und andere Gedichter jetzt Abhandlungen
nennt ¶Wontſcaue a ve ie
| ib der träge Meuſch HE zur ihnen To geiieig!
Woite wird Ihm teimter zu — Pen
u denken. Cr findet in Ahken Herkipe, oft ſchore
ebänfenformen; ſte palleır In bie Rebr; dem
gleich trägen ſtad fie willfommeit, mie fie es Ti
waten; er Farin wie mit Redhenpferinigen mit thaca
ben Cours des gemeinen Reblſplelß Halten; Wärsm
be er ſich, watum atdere nitt Gebanken ters we
hör oder befchweren? O wir viel leere Worte fa
Kinb, der Juͤngling aufs; ıld’vfel leere Nik
Atihen, Die off am Inuteften tönen, deren wem
um gemaͤchlichſten, am oftiten und liebften bebieken,
EuBe wir ale in unſerem Köpfe Main mache Die
Ytobt Darüber, bet irgend einem gemeinen Sefprach
Cie man bei Kirche ober in Geſetlſchaft Hörer eb
frage ſich, wie jeher Kaͤmmerer aus RMohrenlaud
\
= —
ahergeheſt da an, was. du hoͤreg ?“ © quantum
ost, in verbis, in. literis, in voaibus imane,
2 1 1 1 Te
“Bon biefer Wortſehlenderei muß ſich ein bauten:
Rer. Süngking frühe entwöhnen, bey mit innen hat
er nicht denken gelernt, ſondern das Denken verler⸗
net. Es hat fich in ihm sine Wortwelſe zuſammen⸗
gazogen und Figuren -gebildet, die fih in ihm mie:
im Agat. verhaͤrteg und doch amt Verurtheile, d. j.
fremde Urtheile einer. fremden Gedenlenweiſe ſigh
op dendie innere Kraft ſelner Seele wenig ober feinen
all nit, Er wird ein Sllave fremder Gedanken;
und Meinungen, ohne daß er die Ketten auch um:
fühle, ohne daß ex frei und ſelbſtthaͤtig au werden
auch nur ſtrebe. Lebenslang iſt und bleibt er ein
Nachſprecher, ein Wortfizeiter, Worshändler. Ach
ſagte ber Affe jener Zabel: „ſchoͤne Larve, ſchade
daß es ihr am Hirn fehlt! Ach, koͤnnen wir zu man⸗
chem Redner und Schriktfieler ſagen, ſchoͤne, habe:
klingende Wortmaſchine, ſchade, daß fie. fo wenig
is 20a Klavier oder als — — Szyrachmaſchine
Den 23 . . | j j
Was than mir, wenn wir gaben, ſprechen,
zeichnen, tanzen bernen? Nicht wahr? wir uͤhen
und vollfuͤhren ein Werk; wir machen's nach, bis
vix s koͤnnen. Bis es gelingt, mit unfern Kraͤf⸗
on, mit unſern Gliedern. Sp bei ſichthar ie
ie. Yugen fallenden Künften; bei unſichtbaren und
‚ei dem unfihtharften von allen, beim Denken, finr.
vet das Lernen auf Feine andere Weise. ſtatt.
eine Gedanken Tann mis der Lehrer acht ein-
‚eben, eintrichtern; meine Gedanken Tann, wii,
7
1
246
md muß er durch Worte weden; alſe daß fr
meine, nicht feine Gedanken find. orte find
Hloß das Inſtrument, dieß muß ich mit eigenen
Kräften, auf meine WBelfe brauchen lernen, code
th babe nicht gelermet: Der befte Pruͤfſtein alfı,
«9b jemand etwas gefaßt Hat, iſt, daß er's nık
machen, daß er's feibft vortragen kann, nach fe
‚ser eigenen Art, mit feinen eigenen Worten. Mertt
æeuch biefed, Ihr Katecheten! Das ewige Wenden
‚and Dreben vom Subjekt aufs Praͤdikat, vom Ai
ditat aufs Subjekt: „wer hat dich erſchaffen? wen
hat er erſchaffen ?“ iſt noch fein katechiſtren, fen
dern ein leibhaftes Wortjaͤhnen, da man den mi
gzur Rechten und Linken, auf: und abwärts zieht, un
"immer doch nichts ale dem jaͤhnenden Fuhrmann:
laut: abi! oho! faget. In eigenen Worten muf
man katechiſtren; eigene Worte muß man dem Ar
techiſirten herauslocken, feine eigenften Worte,
:diefe , dieſe allein bezeichnen feine eigenen Gedan⸗
ten. Ihnen muß man folgen, an fie feine eigenen
-Gebanten knuͤpfen; fo lernt man lehrend, fo lehrt
:man lernend. Wie in allen Kuͤnſten bie. eigen
Mebung alles, alles und ohne fie Feine Kunſt ik, fr
iſt in Wiſſenſchaften nichts ohne eigene Auffäge, fx
feiner eigenften Sebanfenmanier, in der mau fld
fein einziges unverfiandenes Wort erlaubet. Die
Gedankenweiſe bed Lehrers iſt dem Lernenden nut
Vorbild, wie im Zeichnen der Schaͤler die Bor
Theft oder das Gebilde des Meiſters nachformt,
nachzeichnet.
So rehn und einfach dieß Geſetz der Kunſt und
der Natur, ſo viel Tagt’6 für Lernende und Lehrende.
a
— — — — — —
— — nm oT Tb En VE ui SU U GE — — —
247
Sie gebietet bem Lehrer, daß feine Gedankenform,
feine Art des Vortrags In ber Seele des Lernenden
ein Vorbild und Mufter werben Eönne: denn nicht
nur dad, was er fast, fondern wie er's fast, b. 1.
wie er's wohl oder übel verftanden denkt, iſt Lehre,
d. 1. ed wet Sebanfen, und geht in bie Seele bes
Lernenden über. Die große Ordnung ber lebenden
Natur verinäpft alle Weſen durch einen ſtillen Ueber⸗
gang lebendiger Nachbildung. ie wir bei einem
Wahnfinnigen wahnfinnig werben, bei einem Stam⸗
melnden, ohne daß wir's willen, mitftammeln ler:
sen, wie liebliche Worte, liebliche Geberden und
Sedanken, von denen, mit denen wie leben, in
uns übergehen, fo auch die GSedankenweiſe des Leh⸗
rers bei'm Bortrag der Willenfchaft, gleihfam die _
SMelodte feiner Seele. Wehe dem, der fchlechte
Geſaͤnge oder gute Geſaͤnge ſchlecht finget; er ver-
dirbt damit das Organ und die Sedanfenform feines
Lehrlings, dem es oft beffer wäre, er hätte nichts,
als Mefes alfo gelernet. Wer ſich begmügen wollte,
es find ja doch Schälle, Töne, oder im Felde der
Wiſſenſchaft, es find ia doc Wiſſenſchaften, die er
lernte; ber erinnere ſich, daß auch die Chiere
Schälle bervorbringen, manche aber fehr unange⸗
nehme Schälle und Töne, und daß jede Wiſſenſchaft
und jede Kunft nur Ein Marimum der guten Dar-
fiellung ‚babe, das zu ihr gehoͤret, bas Feiner an-
bern Wiſſenſchaft oder Kunſt, als hoͤchſt ungeſchickt,
anzupaſſen iſt, in ihr ſelbſt aber ein unerlaͤßliches
Geſetz iſt.« Allenthalben iſt bie Wahrheit nur Eine,
und dieſe Wahrheit hat allenthalben nur Eine Form,
die ihr an dieſem Ort die einzige, die beſte iſt; wie
248
es zu zwei Punkten nur eine gerade Linie gibt un)
jede Kreislinle, fie ſey groß oder Tlein, vier rechte
intel einfarlieft. Recht lernen md recht Ieheen
beſtimmen alfo einander wie entgegengefehte Win
kel; durch fremden Fleiß kann jemand zwar gelehrt,
Jlettr&, aber nicht gebtidet, cultive, noch weniger
savant werben, im dchten Sinne des Worte. El⸗
gene Bildung erlangt man unter der Hand und
Leitung eines rechtfchaffenen Lehrers nur durch eige
nen Fleiß, durch eigene Bildung.
Hiernach erklärt Rh num auch, was es Heißt,
. nicht ber Schule, fondern dem Leben lernen. Der |
Schulte lernt man auf eine gute Welle, wenn mm
ihe Ehre macht, wenn man dad Bepräge mir fh |
wimmt, man fen in einer guten Schule gemefen;
ein Gepräge, das fich nie verwifcht, das immer
kenntlich und lobensiwerth bleibt, Zutrauen erwed
und auf der Bahn des Lebens viel MWortheile ge
währt. Gewiß iſt's Lob und Empfehlung filz eimen
Menfhen, wenn man fagt: er bat Schule: bw
gegen einem Rips - Raps, der von feiner Schube
weiß, Feſtigkeit, Beſtimmtheit in feinen Arbeiten
fehlet. Dem Wort Schule iſt die Welt in at
len Künften und Wiſſenſchaften viel fchuldig; Uebunz
unter einem guten Lehrer ‚gibt ein ſicheres Hand⸗
und Augenmaß, eine vernänftige Tendenz, eine
fefte Regel. Auch wenn ber Lehrling fi vouskek:
rer entfernt, bliebe er auch nicht ein Zweig auf Tel:
nem Stamm, auf feiner Wurzel, ſo nlnmt. er be
feine Art mit fich umd fproßt weiter. - Sofera 10%
-alfo gut der Schule lernen, ' d. 1. alles das 'Ietutn,
Sn
449
* man in ihr lernen kang; mb e6 ſchulm
t. fefk, befttmmt, tet ernen. ie u äh
Auch noch in einem andern Verſtande iſt's er:
Laubt der Schule zu Ternen, wenn man hämlic,
feibit ein Lehret werben, d. 1. bie Willenfhaftep '
fortpflangen will, fo daß aus dem Lehrling ein Ger
ſell, ein Altgeſell, ein Meifter werde u. f. DR
aber ſolcher Zunftlehrlinge doch In einer Schule im⸗
mer die wentgften find, fo bleibt's für die. meiſten
ein heiliger Spruch: nicht ber Schule Lernen, ONE
dern'dem Leben,
Was Heißt dem Leben lernen? Offenbar,
was nühlich im Leben iſt, was angewandt werden
kann, wodurch wir beffer leben lernen. Da aber
Das Leben fo viel und mancherlei bedarf, ba ber
"Anwendungen und Nußbarfeiten fo viele, und ge-
wiß nicht alle unmittelbar find, Indem eine Kennt:
nik auf die andere hauen, der andern forthelfen
muß: fo wäre es fehr thöricht, bei allem, was ich
ferne, zu fragen: wozu kann ich's anwenden? ad
wird mir's bringen ober helfen? Chor, üherfiebit
du dein Leben und weißt alle Umſtaͤnde vorber, In
die du fommen Fannft? MWelft du, was In jedem
Geſchaͤft, in jeder Minute brauchbar ober eutbebr-
Lich fey? Wenn du Geld fammelft, fragſt du, oder
weißt du beftimmt voraus, wozu du ed auwenden,
wenn du eine Sprace lernft, weißt du, mit wen
du bie Sprache ſprechen mwerbeft?, Alfo führt ber
Ausdrug „dem Zeben lernen“ darauf zuruͤch, daß
man ſich ſelbſt in allen feinen Anlagen. und Fählg-
gelten, in Seeleri= und Zeibesträften zu dem bilbe,
was Leben heißt; an fich, fo weit es die Gelegen-
-
352%
gen der g Ru. — De der Weit ft
— e tüchtige *3
Die Zeiten, dab man Scha t
* —E Lieder aͤbeiſett, ober fonft mi
bet Sprache und Poeſie tändelt, ſeyen auch hei dat
Jugend yoräber: dann Das Leben, wazu 64
Unge zu bereiten haben, fordert andere. Geſchi
teilt als Mnafceontifche oder Schöferlieder. Mk
dem Jahre 1800 Ift in manchen Dingen eine anbere
Zeit angebrochen, bie mit 1801 u. f forkfchre
neuen Fleiß, neue Emfigleit were dieſer neue —*
s auf in Ernſt uud Ueberlegung! Ihr Juͤno
nge geht einem neuen Jahrhundert entgegen, ie
44 wir als Alte, halbahgebebt uereaen lernt
dem neuen Jahrhundert, in Ihm zu Leben.
Endlich da das Lehen nicht neue Kenntniſſe vnd
Gedanken, fondern auch Willen, Triebe, Thet
braucht, und in dieſem vor allem das Zehen Beficht,
fa mendet fi der Spruch, nicht der Schule, fandere,
dem Leben zu lernen, vorzuͤglich auf Biking des Hen⸗
zens und des — Was haͤlfe es tauſend gſamn⸗
en Willen, Leingen Geſchmack, Leine: Luſt
ud Trieb zu Ieben, honett und cechtichaffen zu Ichen,
haban? Im Willen leben mir; das Herz muß.uue:
verdammen oder troͤſtaen, fldelen aber niederfrhler
gen, lohnen oder firafen,; nicht anf Kenutniſſe sl.
lein, fondern auf Charakter und Weiche, nufı bie-
meunſchliche Bruſt ik die Wirkfamkeit und der Mark,
das Gluͤck oder Ungiuͤck muferes Lebens sebanek.
Leben lernen heißt alſo ſeinen ———
Richtung, geben, nee Grundſaͤtze reinigen, be
— —
=. 258
fligen, ſtaͤrken, feine Vorfäge Iäutern und tapfer
begründen, nicht mit dem Kopf allein, fondern auch
mit dem Herzen exiſtiren gegen Eltern, Freunde,
zehber, Mirfhäret, Bekahnte, Fremde, fi Sit
ten erwerben, anfländige, frohe Sitten, Liebend-
werth machend vor Bott und den Menſchen. Leben
lernen heißt, die Stunden des Tages wobl ein
thellen, ſſch Ordnung im Geichäft geben und fie mit
ſtrenger Munterkeit erhalten, den Etgetzllchkelten,
bem Schlaf, det Traͤghelt nicht mehr‘ Zeit einräu-
men als ihnen gebührer; fih Vorſchriften machen,
wodurch man feine Schwäche überwindet, feine el=
genthünlige Schwäche, die niemand beſſer als wir
ſelbſt kennen, dfe zu überwinden wind am ſchwerſten
wird, und die die Elgenllebe fo gerit fn Schuß nimmt;
beftehe biefe worin fie wolle; ſey ed Hang zu Stolz,
zu thörichter Elnblldung von ſich feibft, an ber ſo
viel junge Leute unferes Zeitalters krank Ifegem,
che zu Geringſchatzung und Werachtung anderer;
det Neigung zu Haß, zu Zorn, zu Menfcenfeind-
—
ſchaft, oder zu Verzatheit, zu Kieinmuth, am
meiſten zu Uepplgkeit, zu Wolluſt, Traͤgheit, zu
Taͤndelet mit dem andern Geſchlecht. Durch alle
dieſe Neigungen, wenn fie überhand nehmen, ver—
liert, vertändelt, entnervt, vergaͤllet ber. Juͤngling
ſein Leben und fchafft fich Feine andere Ausficht, ale
ſich und ändern zur Laft zu werden, das Leben einft
feibft als eine Bürde zu tragen, oder zu vergeuben
und zu verlieren. Von allen diefen Feindinnen des
Xebens hinweg, ihr Juͤnglinge! — temmt teben,
STE ; wuͤrdig und. gluͤclich leben !--
258
XXIV.
Vom wahren Fortſchritt in der Schule.
(Rede nah dem Examen.) 1800.
Menn wir in der Zeit leben, fo muͤſſen wir
auch mit der Seit fortfchreiten; ich freue mich ber
Vebergeugung, daß unfer Gymnafium und Die von
und beſuchten Schulen diefer Stabt im vergangenen
Jahr nicht ſtehen geblieben, noch weniger zuruͤckge⸗
sangen find, fondern wirkliche Fortſchritte gemacht
haben. Es fey mir erlaubt, unparteliſch bieräber
meine Gedanken fowohl als den Dank zu dußern,
ber denen, die zu dieſen Fortſchritten beigetragen,
gebuͤhret.
. 1. Der ſchoͤnſte und lobenswuͤrdigſte Fortſchritt,
ber bei Schulen genannt werben Fan, tft nad dem
alten Spruͤchwort: qui proficit in literis etc.
die Zunahme an Sittlichleit, an Zucht und Orb
2. Nächft dieſem iſt ein zweiter fchöner Fort:
—* in Schulen, wachſender Verſtand, zuneh⸗
mende Einſicht und praftifhes Verſtaͤndniß deſſen,
was gelehrt wird; es. unterfcheidet fih, wie Licht
ſterniß, vom bloßen Wortherbeten. nein
Hfenttisgen Eramen ſpringt biefer Unterfchteb in
*) Die detaillirte Beurteilung der eraminirten Schule
nach diefen Srundfäpen wird hier wesgelaffen.
—
N
255
Auge und Ohr. Man Hört 6 nicht eben nur am
Lehrer , fondern man hoͤret's und fichet’6 an den
Lehrlingen, ob fie die Sache gefaßt, oder bloß das
Bild ergriffen, oder endlih gar nur das Wort ges
lernt haben; und diefer Unterſchied zwiſchen Sache,
Bild, Wort tft, ich möchte beinahe fagen, inkom⸗
menfurabel. Wer die Sache faßt, bat den Ber:
ftand der Sache; fein Verftand iſt aufgefchloffen;
er ſpricht mit feinen eigenen Worten, was er er⸗
Tennt, aus; Luft und Freude iſt In ihm; er darf
nicht gezogen werben; der Innere Verftand der
ache ziehet ihn; er muß hernorgeben, was er einſah,
was er mit Wohlgefallen nicht etwa nur, ſondern
* innerer Jubrunſt erkannte. Dieſe Funlen des
Erkennens find himmliſche Funken, semina aeter-
| nitatis. Mer bloß das Bild der Sache hat, Tann
auch und zwar fehr angenehm diskuriren; Bild aber
ift einmal nicht Sache, vom Bilde diskuriren und
genoflene Wahrheit anfchanen, iſt nicht baffelbe,
Worte endlich herſagen, gut und beftimmt berfa=
gen, iſt gut oder mag gut ſeyn, gerade aber nur
für die, die an ber Sache felbft oft am wenigften
Thell nehmen; fie werben alfo getrieben, und müfs
fen getrieben werben, weil der Gefft fie nicht wedt,
weit feine Innere Zuſprache ſich zwiſchen dem zu Era
fennenden und unferer Ertenntels burftigen Seele
fie zum Genuß zwingt und einladet, — Es wäre.
kuͤhn von mir, bier Grenzfheildungen machen zu
wollen; zumal In einem Gymnaflum ales gelehrt.
werden muß, Gaben, Bilder, Worte und Zei⸗
hen; ſovlel iſt indeß gewiß, daß ich mehrere Lek⸗
‚tionen, ba Worte im klare Anſicht ber Sachen vers
Ä 256
andere wurden, und den Juͤnglingen ſich einge-
geist haben, nicht nur aus dem Alterthum, fon
erh auch aus den MWilfenfchaften, 3. B. Phyſil,
Geometrie, Botanif m. f. f., mit innigem Wer:
gnuͤgen gehört. babe. Ich wunderte mich nicht, baf
dle Lehrlinge fo munter ſprachen: denn fie hakten
begriffen, drum: ſprachen fie munter; wo fie nicht
Segrelfen, ſondern herbeten follen, da hört bad
muntere Sprechen von ſelbſt auf. — —
. Ah, m. H., Freunde, Brüder, Lehrer, Lehr:
Unge und Schüler — was hilft alles bemdnteln!
aan muß eine Sache wiffen, die man lehren wii;
man muß ſie Bang wlſſen, dann lehrt und faßt fie
ſtch von ſelbſt. Lichte iſt Licht. Wem Licht anfse⸗
gangen iſt, erleuchtet, auch ohne daß er's weiß
and will. Wert es fehlt, truͤge er auch zehn
Feine Hornlateruchen, damit Fein Ungluͤck gefchehe,
mir fich umher, was Können feine Lehrlinge thun?
Ste zeigen auch das Feine Hornlaternchen ohne ein
Stümphen Wachs = und Talglichted. Ich kenne
keln Iuftigeres Thema als gegen die Aufklärung zu
reden und zu ſchreiben: denn in einem ſtockdunkeln
Saal tanzt ſich's anmuthig. Nichts iſt fuͤrchter⸗
Ucher als in den Abyſſus hineinzuſehen, wo 200,
2000, und meinetwegen 20,000 Jahr her wieder⸗
gekaute Worte im ekelſten Dunſt, unverftaͤndlich
hinaufſteigen! Und Kinder, Juͤnglinge, lehrbegie⸗
tige Juͤnglinge mit dieſem Dunſt füllen wollen, daß
ſie ihn einſchlucken muͤſſen, um ihn ung wieder zu
an, und — o wehe, — mid ſchaudert! mid
€ —1 2 . + Pe “en .
Hinweg Herfommen! alte, leere, träge Be⸗
wohn:
a
— — — — — — — — — — — — — —
272° ‘
+ Das Helugſte in einen Meuſchen, alſo auch
in xæinem Juͤngling iſt ſein Geiſt; er heiliget den
Koͤrper. Zweien Juͤnglingen, die. die Schrift aus⸗—
zeichnet, Joſeph und Daniel, weiß. fie kein edleres
Loh zu: geben, ala: „In ihnen war ber Elohim,
deg heiligen Götter Geiſt; und. ern den ˖ ſie als die
reuinſte Bluͤthe der Menschheit darſtellt, war In heie-
lig e mGeiſt gebildet end mit ſeinem Freudenoͤl. vor ·
alleg Sterhlicden geſalbet. Genius nennen wir.
Im einam Menfchen das Goͤttliche, das.in Ihm Icht,
Das ihn eigen. charakterifist, „treibt: und befeelt;:
wohl! wenn dieſer überigbifche Engel in ihm ein
reiner, heiliger Genius ift, der fich das Edelſte
nur zu feiner Laufbahn erkiefet. Gemeines, Schlech⸗
tes wird er nicht fehen,. oder verſchmaͤhen; nur mit
Dem Reinſten In reinen Geiſtern lebt er; dieß iſt
fein Element, fein Athem, feine Wirkungsſphaͤre.
Wie manchen gepriefenen. Schriftfteler wirft er fort,
wie jener eine unanftändige &eftalt aus dem Tem
pel warf, mit dem Ausruf: „Fort von binnen!
Nichts Heiligen iſt In dir!“ |
Dieß reine Goͤttliche ſoll jeder Juͤngling im
ſich bewahren und ausbilden; es iſt der feinſte
AUmriß ſeines innigſten Weſens. Dieß reine
Goͤttliche fol jeder Lehrer in feinem - Shüler
Zi
ale feinem jungen Freunde anerkennen oder ken⸗
men lernen! es Heben, ehren und ausbilden!
— In ihm wohnt des Menfchen einzelne Kraft,
felne. reinſte Gluͤckſeligkeit, feine innigfte Weis:
heit. "
Aber ah! Nichts wird fo leicht entweihet, als
_
dieß Heiligthum! dieß himmliſche Gemählde wird
Herders Werke z. Phlloſ. u. Eeſch. X. 18
- iſt's? Wie Haft du ed bewahret? wie ausgebil⸗
. STE _
fo leicht beihmmust! diefe Perie geht fo leicht ver-
loren! — Wenn fie zertreten ift, wer Tann fie |
fammeln? wer kann Ihr Ihre vorige Geftelt, ihren
heilen reinen Slanz geben? Frage fi alfo jeder
Juͤngling: If in die etwas Heiliges? und was
bet? Jeder lernende Juͤngling frage ſich:“ im
Wiſſenſchaften und Uebungen, was iſt die heillg?
welche Wiſſenſchaft treibſt du als eine heilige Wiſſen⸗
ſchaft, der du auf den Grund kommen wollteſt?
Kamſt du dahin? Ziebt fie dich noch au, mit
himmliſchem unwiderſtehlichem Zuge?
Welche Schriftſteller, welche Grundſaͤtze ſind
die heilig? Was lleſeſt du am liebſten? wobei
gebt dir bein Inneres auf? was excerpireſt du
am forgfältigfien, am treuften? Lebeſt du Ife-
ber mit großen oder mit Fleinen Geiftern, mit
Engeln oder mit Gergefenern ?
Llebeft du die Regel? bean Heiliger iſt nichts
als Ordnung und Regel. Liebſt du fie allenthal-
ben in Wiſſenſchaften, Meinungen, Sitten, in
Uebungen, in Kleidern und Geberden? oder iſt
dir allenthalben das Oberflaͤchliche, Fluͤchtige, Fre⸗
che, Unverſtaͤndige und Unanſtaͤndige, poͤbelhaft⸗ge⸗
meines Geſchwaͤtz lleb und werth! —
Fragt euch Jaͤnglinge hieruͤber vor den Altaͤ⸗
ren der helligſten Maͤnner aller Zeiten, bie mir
verehren. Leget Dabei die Hand auf euer Herz
und ſeyd redlich.
Wir fangen jetzt ein Examen an. Keine Wil:
ſenſchaft, Fein Autor werde von ung mit unrel>
275
nen Händen angegriffen, und in jedem hinter ber
Schale der reine Kern gefoftet.
Geifter der Willenfhaft , ihe reinen ewigen Seelen!
Geifter der Eitten und Zucht, werdet, o wertet
und nah! —
Poſſen bannet hinweg, unfeufchen Gefhmad und den
Düntel
Der Kaͤſtaliens Quell ſchmaͤhlich entweihet und
trübt!
Aanhang.
2) Regeln fir. den Schulunterricht.
Sragmente aus verfchiedenen Handfchriften,
meiftend vom Jahr 1788.
l.
Ueber das Lefen und Sprehen.
Herder gab 1786 ein Buchſtaben- und 2e
ſebuch für die Weimar’fhen Schulen heraus, mit einer
lehrreichen Vorrede über den Gebrauch deſſelben. Da
fie aber ohne das Büchlein ſelbſt nicht ganz verſtändlich
ift, fo bleibt fie Hier weg. Gr trachtete dadurch diefe
Arbeit für die ganze Klaffe zugleich angenehm und
nützlich zu machen und fie dem Lehrer und Schüler zu
erleichtert. „Das Taute Vorbuchſtabiren ded Lehrers
fersft, das Vorſchreiben an der Tafel, das abwechfelnde
taute Buchflabiren mehrerer zufammen, und infonderheit
dag Wiederholen und die Unterfheidung Ähnliher Wör:
ter follte dabei zu Hülfe genommen werden, damit bie
dentliche Ausfpradhe durch das Ohr in die Seele kom⸗
me, und nad) folder fih allmälig das Auge und im
Schreiben die Hand gewöhne.“ —
—
47
"Das Schreiben kann mit dem Leſen nicht jeitig
genug verbunden werden: denn eing Hirte, dem andern,
und das Kind, wird nicht nur durch die Abwechstung,
ſondern nod mehr durch die Uebung, indent es fiehet,
daß es auch etwas thun kann, angenehm aufge:
munter. — 3u Schreibübungen gibt dad Buchſtabir⸗
buh einen großen Vorrath. Die Kinder Fünnen es
mehrmal 'abfchreiden, und bie’ Sehrer ihnen ähnliche
"Worte, fhwere Sylben, auch ahnliche Nomina und
Verba, die fie nad diefen Vorbildern durchhin frei:
den mäffen, vorgeben: fo lernen fle richtig fchreisen, jr
dekliniren und conjugiren, ohne daß. ſie wiſſen, was
singularis und pluralis, dekliniren und coniugiren
Heißt. Auch kann er fie nicht zeitig genug Üben, Woͤr—⸗
| ter und mit der Zeit einen Spruch, einen einen Brief,
eine: Kleine Gefhichte aus dem Kopfe zu fhreiben; je
Veichter diefe Uebungen gemacht werden, deſto befier ge:
deinen fie; denn nur durch Uebung Fommt Luft und
Liebe zur Arbeit in’ junge Leute, und wo eine Klaſſe
bloß leſen und Hören muß, fihläft fie gewiß ein.
— 2.
Vom Leſen des Caſar, Curtius und Ho:
raz, in dem Gymnaſi um.
1. Julius Cäſar iſt eigentlich nicht für Schü⸗
ler (der zweitoberſten Klaſſe), ſo leicht und ſchön Latein
er auch ſchreibt: denn die Sachen ſelbſt, die er erzählt,
find für einen Knaben'oft unverſtändlich und ſelten in:
terefjant Bor der Hand wähle alfo der Pehrer nur
die verftändlichften Kapitel von den Sitten der Völker
u. f., beffer aber, man führe flatt des Cäſars den Ju:
ftinug oder Curtius ein. Denn ob ber letzte gleich
in der Latinität an Cäſar nicht reicht, und in manchen
278
Gröden ein Romandichter If, fo hat er doch ein An:
ziehendes und Unterhaltendes, das wenige lateiniſche |
Schriftſteller Haben.
2. Bei Horaz follten niht nur wie auch bisher
gefchehen ift, die üppigen oder gar garftigen Oden un
Epoden ausgelaſſen werden, fondern ber Lehrer fid
überhaupt nicht an die Ordaung der Stücke binden
Die Aufmerkfamleit wird dadurch mehr erhalten, dit
Luft ſelbſt zu Selen wird geichärft, und der Lehrer hät
fih den Weg offen, den Schüler vom Leitern zum
Schwerern in der angenehmften Abwedslung fortzufüh
ren. Hinter jeder Ode wird ſodann das Kunſtwerk des
Dichters Eur; entwidelt, wie z. B. er bei diefem und |
jenem Gegenftande den Gefihtspunft nahm, den Plan
‚anlegte, die Wendung machte, wie er Lehrfprüdhe oder
große GSefinnungen einwebte, jeht mit einer neuen Mu:
nier lobt, jeßt beftraft, Iehret, u. fe Ich Haube naͤmlich
bemerkt, daß unter allen Sattungen der Poefie die H8
‚here Ipriiche Gattung gerade die fey, bei der die ani-
mae vulgares den Zweck und das Ganze des Kunſt⸗
werks, worauf ed angelegt ift, am wenigen für ſich
ſelbſt finden, welches bei einem Lehrgediht, einer Gle
gie, einer Erzählung, einem Liede u. f. viel eher in’
Auge fällt. Horaz infonderheit hat dieſe Entwicklung
ſehr noͤthiig, weil ohne fie die Schüler oft nicht wiſſen
mögen, was man an einer Ode, die fo wenig Realıa,
wie man fagt, zum Gehalt hat, liebe und Iobe.
3.
Relig onsunterricht.
1. Bei der Religion mit der Jugend viel moralif:
ren, ift nicht gut;-aber die Lehren und die Beweije gut
erklären, die Regeln der Sittenlehre mit Gründen und
Beiſpieſen aus dem gemeinen Leben, der bibfifcyen und
379
antern. Seſchichte “unterflügen, das gibt einen lebendi⸗
gern dinrud. — —
2. Daß die Schüler in die theoloaiſche Kritik ge:
führt, und den Lehrſätzen fortgehende Widerlegungen beis
geſtellt werden, iſt fee zu vermeiden. Denn dadurch
wird thelld alles prodlematiſch, da der erfte Eindruck
von Wahrheiten jeder Willenfhaft poſitiv und ge
wiß fen muß; theils würde der Eigendünkel junger
Menſchen, die ih immer Äber den, der widerlegt wird.
erhaber dünken, fehr unzeitig damit genähret. Das
Unwahre, Schlechte, Seichte in Meinungen ber Theolo⸗
“ gie wird weggelaffen, als 08 es nicht in der Weit wäre,
und dagegen ausgeſuchte, geprüfte Wahrheit gelehret.
3. Da aud in der oderften Kaffe eines Gymna⸗
flums eigentrih kein cursus theologiae academicus
getrieben werden darf: ſo hat und behält der Lehrer
Freiheit für feine Schüler, die nicht alte eigentliche Theo⸗
fogen werden follen, in feinen Griäuterungen und Zu⸗
fägen (zu dem vorgefchriebenen Lehrbuch) nur das vorjus
tragen, was für fie alle bimet. Und dieſes iſt nach
meiner Meinung, a) ein beftimmter Begriff je
der Lehre, ohne weiträufige fchofaftifhe Terininofogie,
die nur für eigentliche Theologen gehört und von ihnen
auf der Akademie gelernt werben muß; b) wenige,
aber tühtige Beweisftellen der Schrift mit
der exregetifhen Analyfe des Beweiſes. Die
Untüchtigen werden übergangen , als ob fie nicht da wä⸗
ven. c) Eine kurze Geſchichte jedes Dogma, in
weicher die vornehmſten Streitigkeiten und Witerforüce
kurz angeführt werden, und. infonderheit gezeigt wird,
wie bdiefe oder jene atroamatifche Beftimmung der Lehre
aus ihnen entftanden fey. „ Diefe drei Stüde find für
ben künftigen Zuriften, Mebdiciner u. f. eben fo drauch⸗
bar als für den fünftigen Thenfogen. Je weniger davon
im Lehrbuch fteht, defto mehr lernt der Schüler durch
mündlichen Unterricht faffen und fi ſchriftlich anmerken.
—
80
|
" Unigensbgmt N Ib, Mad DiteiiEien Br
und Urtheil, nicht bloß Gedächtniß Anga wnben, und
leint in und mit wer Theolagle, -in: weicher auf ſolche
Weiſe Philoſophie, Geſchichte und: Exegeſe sufammentref:
fen, sie aurch eine prakttiſche Sagifrfeltipenten.
Bei Tinem dreijährigen. Kurs in ber. Klaffe ann wit
der Theologie Grotiuside veritate relig. -chräst.
wechſeln; und rine Ginteidung in die Bäder
der Schrift, verbunden mit der-Lektion biblißchet
-Aitertgämer In deeſer: Sernt der Yüsgling- wiege
ſchichte des jüdiſchen Volks und feine Einkichtungen tm:
nen, fo fern dieſe ſich auf die Geſchichte und den Inhalt
der bibliſchen Bücher weichen. : Bel den bibliſchen Wü:
ern ſelbſt müffen., theils allgemein der Inhalt, theils
befonders die merkwürdigſten Stellen bemerkt werden,
die fich durch die Würde und Wichtigkeit deſſen, was fie
fügen, oder duch das Schickſal MlBgeDeaNet zu werden,
auszeichnen u. f.
Bei dem Eurforifhen Lefen des arifttigen N. Teſta⸗
mentes ift es nicht etwa nöthig, bei der Ordnung der
Bücher zu bleiben. Gin Evangeliſt und einige Srieſe
verſchiedener Apoſtel können wechſeln. Allenthaiben werde
‚ber Ebra'smus bemerkt und auf vrbentliches Griechiſch
und verſtändliches Latein oder Deutſch zurückgeführet,
durch welche Art bes Leſens ber Verſtand des Jünglingse
gewöhnt wird, die Bibel als ein an ſich ſelbſt verſtänd—
liches Kup zu — und zu gebrauchen.
F De 5: Es er
PR, Seſchihte und Besfteyfte
-.: a) Inder unterften ‚Kaffe: saß" die Gengränsie
vloß naturhiſtoriſch gefehrt werden. Die Hauphſtadte,
die Namen der Konige u. dar. bleiben dem Knaben noch
vollig verborgen. Dafür lernt er! bloß pthyſiſthe Seotzta⸗
— — — — —
— — —
— —— — — — —
2881 .
later 0.18 Aliiyer raserge rue AMoeere ſvndertare
rigen. Ad Thiere kennen; vorausgefetzt die anze
u Weftart amd HER der Erde. Er vernt, wn'Bherine
nwyhiere "und" Eepharcten, vb: Affen und Kumele ’RRD,
go wen Die Diamanten· ſucht, woraffee und’ Thee
riwächſt; weſche Mationen ſte holen, wie die Leute aus⸗
‚‚ehen, die dort und hier wehren u. dal. ; die vornehm⸗
oRen diefer Sachen müffen: in Kupferngezeigt werden.
z Die politiſche Goographie aber wird fuͤr einmal lebe
Aetrteben. J en
"Die polltiſche Geſchich te eben fo wenig, fondern
nur die menſchtiche Geſchichte. Es werten die Haupts
ſtücke der Geſchichte erzänrt, und wo die Völker gewohnt
haben, von denen die Rede iſt, auf der Charte gewie⸗
“fen; ſonſt aber nur menfchliche Geſchithten als‘ Mähr:
qhen erzahlt, von Cyrus, Atexander, Rom, Mahomed,
“dem Papſt, Luther u. f., doch muß der Lehrer ſich da⸗
bei huͤten; daß er nichts erzähle, als was Kinder faſ⸗
‚sen Eörnen, aber auch, was ihnen maͤtzlich iſt. Die
Auswahl dieſes Untetrichtes iſt die ſchwerſte unter ‚alten
ar idee Maffe, und: zeigt die Beurthenungokraft des
ngeßrers. on
5 Be’ Die angenehme, faßliche, und’ für Kinder ſehr
lehereiche Sektion in der phyſiſchen Geographie wird
‚in ‘ver folgenden Klaſſefoprtgeſetzt. und allgemach mit
Ber politifhen Geographie verbunden; doch fo,:dvaß alles
unverſtändliche und für den gemeinen Mann unbrauch⸗
‘bare ‚Üübergangen „wird. Außer den Merkwürdigkeiten
der Natur in den verſchiedenen Ländern; und. Weltthei⸗
„Menrtwerden den: Schüfern von: der verſchiedenen Ledens⸗
„art und dem Sitten der Böfker,, vom ihren Refigionen
and: MRegierungsarten die Kenntniſſe beigebracht, die ih⸗
nen, eine Zeitung: zu verſtehen, ber: einem ‚Sefpräcde
von dem, was: in der Welt geſchieht, .nichh ohne Schande
„beizwwohHnen ,. nöthig: find. J
Zugleich wird Über die Geſchichte ein kleiner
N ⸗)
99% -
Aronologiſcher Abriß des Ganıen mad den Hauptrei⸗
Hm und Bölksen gegeben, die in der Seſchichte vor
2ommen, famımt den Ländern, Gegenden, Hanptfiädten '
and Hauptperfonen , Die oft genennt werben. Mit der
|
Lifte von Königen aber, vder mit einem Detail ven
Kriegen werden die Schüler, fo viel es ſeyn kann, ven
ſchont. Statt deifen wird- bei jedem Volk angeführt,
was es nuͤtzliches erfunden habe, und den Knaben alſo
ein Begriff von den vornehmften Künften und willen
fchaften gegeben, wie fotdhe In der Gedichte bed menſch⸗
Kihen Geifted vorkommen; z. B. -von der Schifffauet,
dem Handel, der Aftronomie, dem Gebraud des Mag:
nets, des Eiſens, bed Slaſes, des Pulver, ber Bud:
. deuderei u. f. Diefe Saden find die merkwürbigften
und nüglichften in der Gefchichte, file können auch durch
Kupfer erläutert werden, und ber Knabe defommt mit
innen ein Verftändniß von Dingen, die er fonft das
ganze Leben durd ohne Verſtand ausſpricht.
e. In einem folgenden Kurs wird phyſiſche, poll:
tifhe und Handels : Gevugraphie verbunden. Der
Schülern einen Begriff von den größeften, allgemeinſten
Berhältniffen der Länder und Mächte gegen einander
aus ihrer natürlihen und politiſchen Beſchaffenheit zu
geben — ift der große und angenehme Iwed dabei.
Ein gleiches its mit dem Hiftorifhen Alnter:
wiht. Die erfte Sorge muß Hier feyn, ihnen einen anı
ſchaulichen Begriff vom Ganzen der Geſchichte in
ähren verfhiedenen Perioden zu geben, und
ſodann aus jeder nur dad Merkwürdigſte herauszugeben.
— Den Mängem des Lehrbuchs kommt man mit Ta:
dellen zu Hülfe, dazu der Lehrer den Schülern theils
ſelbſt Anleitung gibt, theils folche von ihnen aus dem
Lehrbuch Über die Periode ausziehen läßt. Es ift dieß
eine fehr angenehme Uebung, bie auch ben Kopf der
Schüler für andere Wilfenfhaften aufräumt, weil fie
We gewdgnt, Begriffe in Ordnung zu fegen, und fie in
285
"folder zu denken. Ginige vom Schuͤler ſelbſt ausgzar:
‚ beitete Tabellen aus der Geſchichte prägen dieſe mehr
in’s Serähtniß, als lange Dictate je thun werden.
d.’) ueberhaupt. Ueber die älteſte Geſchichte
eile man als halbe Mythologie hinüber, erzähle ſie et⸗
wa, wo man ſie erzählen muß, wie man Mährchen
erzähft, und entwickle aus ihr lediglich, was geblie—
ven iſt, nämlich den rohen Anfang der Societät,
Fünfte, Geſetzgebung u. dgl. — Bon Griehentand
fängt dis klärere und zugleich. angenehmere Gefchichte
an; aber auch in ihe werde nur entwidelt, was den
Knaben anfhaufich gemacht werden Kann, ihre Bil:
dung zu Eleinen Völkern und Staaten, zu
Künften und Wiffenfhaften, und zur Tu
gend des Bürgers, der Liebe des Baterlam:
des. Alle Begebenpeiten, Perfonen, facta, müffen in
dieß Licht freien, weil es das Nützlichſte, Wahre und
Ginzige ift, was ber Knabe begreift. Bei den Römern
ebenfalis. Bei der Barbarei mittlerer Zeiten, und was _
ihr für Anfangsverfuche abgeholfen, deßgleichen. Jeder
Schritt zu Abfchaffung der Mißbräuche, jede große Er:
findung, Unternefmung und That kommt da auf ihre
Gtelle — und der Verfolg der Gefchichte wird für den
iungen Lehrling Anblick der CHarte der Menſch—⸗
Heit, und des durch alle Lafter, Fehler und Tugenden
zum Beften ringenden menſchlichen Geiftes. Der 2te
Band von Zfelind Geichihte der Menfchheit Hat ben
Plaa. Wenn ign ber Sehrer für fih ſtudirte, und fo:
dann mit dem Fit und Reichthum der Gefhichte, fo
fern fie für Knaben gehört, ausfüllete: fo
müßte nichts ſchoͤneres und lehrreicheres als die Ge:
ſchichte exiſtiren.
e. Die Mytänlogie muß nit als Geſchichte
traktirt werden, da fih im Kopf eines Knaben vieles,
®) Um 1778 gefdhrleben.
Pr
284
wonberbar miſchet: ſonbern ats Wilder "Mär den,
aAltegorien (ohne ſich doch“ bei der moraliſch⸗ phyfi⸗
ſchen Deutung lang aufjimhalten: jeder Poet und jeber
GSebrauch "wacht ſich Teldft Deutung), kurz als eine alte
Bilderſprache, die mankennen muß, wenn man fie
ſltehet. Das iſt genug. Sie nimmt alſo nur in den
Flickſtunden der Erholung Platz, zumal bei Kindern,
die vrelleicht nie Poeten! tefen werden.
f. @ine kurze und zweckmäßige Geeſchichte der
Philoſophie Hatte ich Für‘ Schüler der oberſten
KAlaſſe eines Symnaſil fehr nüglih. "Ohne fie ſind ige
nen nicht nur Eicero's philoſophiſche Schriften, fondern
uch viele andere Dinge in Büchern, die fie. Tefen ,- in
wifenfchaften ;- die fie treiben ; ja ein großer Theit der
Philofophie feruft unverſtändlich, fo wie die Dogmatit
ohne SGeſchichte der Dogmen immer: halb unverſtaͤndlich
bleibet. Wird fie und die Geſchichte der (hören Wiſ⸗
ſenſchaften, fo wie auch ‘der alten Sprachen befonders
‚getrieben, fo .entfabet ſich die Univerfafgefchichte, die
wegen der Menge ihrer Ösgenftände dem Yüngling fonft
unüberſehlich iſt, einer großen Bärde;. da biefe Gefchichte,
allein genommen, ihm sine ſehr angenehme Ausficht
Aber Zeiten ımd Völker gewaͤhret.
5. _
Schöne Wiffenfihäften.
Batteur muß in den Schulen abgeſchafft wer:
den, indem er für Schäfer gar nicht ift, und nur Schwär
Ger bildet... Meit beffer für Schulen iſt Efhenburg,
aus deſſen zeihem und orbentfihem Lehrkuh die We:
thode diefer Lektion fih von feldft ergibt; ed wird in
i hm nur wenig, aber beftimmt theorifir® Die Ges
fhichte jeder Art des Vortrages und Proben der beiten
—— — — — — — — — — — —
2889
Muſter müfen hier. das heſte bewinken — ——
Der Zweck hiebei iſt immer der, daß. die Schäfer eine.
rechten Begriff von dem, was ſchöne Wiſſenſchaften
. feven, und was. in ihnen ſchön fen, ‚bekommen, damit:
fie vor der verperblichen Seuche einen; böſen Lectüra ber.
wahret werden. Indem, der, Lehrer für die: vornehmſten
Gattungen der. Schkeibart bie, beſten Werke. des- Wißag-
unter den: Alten und Neuern in: Poefle und Profe ken⸗
nen ehrt, und durch ausgeſuchte Proben zeigt, warum;
dieſe bei, den. verftändigfien: Menfchen allen-Zeiten- für,
Muſter gegolten Haben, gelten und gelten werden, ſo
wird des. Gefhmad der. Yünglinge. nur. auf. dad Befker
jeder. Art gerichtet. Sie werden für die- Akten eine;
Liebe aus Ueberzeugung gewinnen, und die Meder;
lectüre unferer Zeit, ſchlechte Romane und elende Verſe,
verachten.
6.
Arithmetik und Geometrie.
a. Mit der A. und ©. läßt ſich ſchon früh ein
Anfang machen. Die Arithmetik ift ein Spiel mit,
Zapfen, und die Geometrie mit Linien; weiter find
fie für Kinder noch nichts. In der Arithmetit muß,
ein Knabe viel rechnen, fo lernt er rechnen; in der
Geometrie viel zeichnen und naczeichnen , fo- befomms- _
er Berhältniffe in’3 Auge, Feftigkeit in die Hand, Pro:
portion in ‚die Seele, wenn er aud die Schärfe der
Demonftration noch nicht oder nicht immer begriffe.
Sie muß ihm anfhaurih und in Körpern handgreiflich
gemacht werden. Se mehr die Knaben hübfche Seid:
nungen gemacht haben u. f., defto mehr wird fich ihre
Luft vermehren, defto mehr befommen fie auch Augen:-
maß, Gefhidlichfeit in der Hand, und praktifhe An:
wendung zu alferfei Dingen des Lebens. Der Eleinfte
286
Knabe kann diefed machen und begreifen; ja oft mehr
als ein aeoßer.
b.‘) Die Geometrie dringet auf die Grfen:
nung der Beweistraft in Berbindung und Fol:
gerung folder und nicht anderer Site Mar muß
fi alfo (in den höhern Klaffen eines Gymnafli) Hüten,
daß, da Knaben gern alles Tieber mit dem Gedädytnif -
und der Eindbildungskraft treiden, auch dieſe Wiffenfchaft
niht bloß Gebdächtnißwerk werde, d. i. daß fie
eine ſolche und ſolche Reihe ihnen oft vergefagter Säge,
die fie etwa auch mit den Augen beftätiget finden, fer:
nen, die Adentität des fcheindar Verichiedenen aber mit
vem Berftande nicht anerfennen. Die Geometrie würde
ihnen dann um fo weniger nuß, weil nachher die Se:
genftände, worauf fie angewandt werden, oder der geo:
metriihe Geift, d. i. die Richtigkeit und Gemwißheit im
Berbinden und Folgern, der angewandt werden foll, fo
ſehr verfchieden von Cirkel und Linien find. Wenn alfo
ie, fo ift hier die foßratifhe Lehrart nötig, da er
durch Tragen und Winfe den Knaben die Geometrie er:
finden Tief, die Sätze felbft aus feiner Seele ent:
widelte und eben damit tief auf der Ginerleiheit und
Beweiskraft verharrte, ohne welche die BKiftoriich:gelern:
ten geometriichhen Sätze weniger Nuben jchaffen, und
wohl gar den Blick auf die wahre Geometrie für die
Zukunft erſchweren.
®*) Um 1778 gefchrieben,
287-
Zufag zu einer Vorſchrift an einen Hauslehrer.
(lin 1786 gefchrieben.)
Einige Rathſchlaͤge re die Methode.
1i. Die Ordnung der Irbeiten muß ſo feſt ſeyn,
daß iedes Kind wiſſe, was es auf den folgenden Tag.
Haben wird. Sie werden damit zur Orbnung gewöhnt,
freuen fih .auf die Arbeiten, die fie lieden, ſchicken fich
zu dem Böſen mit Geduld, und befommen -dadurd eir
nen Geſchäftskalender in ihre Gebeine, der⸗ ihnen ſehr
gut thut.
2. Keine Arbeit muß zu lange dauern, und auch
der angenehmſten Arbeit wegen die andere nicht Zeiten
fang aufgeopfert werden. Auf eine Viertelſtunde kommt's
nit an, wenn fie eben im Zeuer der Luft um Auf⸗
merkſamkeit find, oder die Materie ſich ‚nicht trennen
Yäßt; aber Wochen und Tage ift dad Treiben einer und ,
derfelben Arbeit mit Zurüdfeuung der - andern nicht
zathfam. Selten Haben mehrere Kinder zu einer und
derſelben Sache gleiche Luſt oder Eeſchicklichkeit, und ſo
ſchleppen fie läſſiz und müßig einher, und verlieren all⸗
mälig aud) den Trieb zu andern Arbeiten , Eurz fie
kommen in den Geſchmack des Widerwillens und der
Zrägheit. Und dann nützt fih auch Lei Erwacfenen
die Spibe der Aufinerffanfeit ab, wenn wir Gine und
Diefelde Sache, ſelbſt im Feuer der Leidenfhaft dafür,
lang und unabläſſtg treiden. Bei. Kindern ift Diele
Leidenſchaft theils nicht zu vermutgen. theils, wenn fie
auh im Keim da wäre, nidt einmaf zu reißen. Es
werden Baratiers daraus, oder Thhrme bie aufeine
Seite hangen.
Die Cintheilung und Difpofttion der Arbeiten muß
wie ein Geſetz Goites in der Natur feyn, und Wenn
28%
fie von etwas noch mehr Hören wollen, müſſen fie es
fit durch mehrern Fleiß in anderm erfaufen.
5. Year. Tag mügen: fie stmad;; aber nun weni.
ges, auswendig zu, lernen und zu. fhreiben oder auszu
arbeiten haben. Die Wahl Hierin muß theils aufs
Angenehme, Wichtige und Abwechfelnde, thells Darauf
(eben, daß es mit der Zeit unvermerft etwas Ganzes
werde, woran fie fi freuen Finnen. Dieß fest bie
Schuͤler im die Nothwendigkeit, nichts vorbeitäilen zu
mweien,: die: Bücher reinich zu halten, u. f. Wei dieſen
Auffäben iſt ſowohl auf Materie als Form ſelbſt Kat
Yigraphie, Orthographie, Geradeſchreiben ze. zu ſethen:
denn ed macht nur wenig mehrere Mühr, ohne Flecken
und: Sudelelen, genau, richtig und ſchoͤm zu fchreisen.
4. Am Sonnabend wird gefragt: ob jemand für
fi was Eigenes gelefen oder abgeſchrieben, ober aus:
gearbeitet: Habe? (doc ohne daß Kierüher Gefeg. oder:
Zwang walte) Wer es hat, zeigt es auf, und der
kommt darüber Lob oder Zurechtweifung. Auch iſt bie
Unterſuchung deſſen, was jeder am liebſten treibe, was
ihm: in der Woche am: beſten gefallen, am- meiften ge
gluͤckt ſey, ein Mittel, die Aufmerkfamkeit der Schüfer-
auf fi ſelbſt und auf die Arbeiten zu richten, und fie
durch Freude an ſich ſelbſt und eine wohlvollbrachte
Woche zu belohnen. Sonnabend ift endlich der dies
censorius über das Verhalten der ganjen Woche, dad
ſich der. Lehrer in der Stille einzeln bemerkt Hat.
bB) Grundriß des Unterrichts für einen jun-
gen Xdelichen,
> +(Büdeburg. 1773.)
1. Offensarung Gottes in der Natur.
1. Begriffe von.Weite, Größe der Welt.
Erde
f
289
Erde — Pflanzenfoflem — Geftirne — Himmel:
das Unermeßlihe, Mannigfaltige in allen dieſen
Ausfihten, Entdeckungen, Bermuthungen! — —
Auf der andern Geite vom Unergründlich : Kleinen
in der Natur, Menge, unbegreifliche Kleinheit der
Theile, der Geſchöpfe, dir Welten; Atgrund von
‚allen Seiten.
3. Kräfte inder Natur Bewegung Schwere,
Anziehung in Tbeltgebäuben, Erdkörpern, einzelnen
Materien: magnetifche Kraft: Elektricität — das
Wunderbare, Unergründliche, Sufammengeortnete
deſſelben.
Organiſation: Lebenskraft, Bau, Nahrung,
Fortpflanzung der Pflanzen — — Biele dieſer
Kräfte wirkend in die todte Natur hinab, und
tHieriihe Natur hinauf — — vergeblihe Ver:
fuche etwas davon zu erklären
Thierleden, Sinne: Ban derfeiden, Bau ber
Belt für fie: unendlich manniefaltig; Unerkläeli⸗
des des Sefühls durch fie bei einem Weſen, Gi:
ner Klaſſe, verfhiedenen, allen Klaſſen der Welt —
Kräfte der THiere: in Bewegung: Mus:
kein, Bau bed. Körpers.
Gefühl, Gedanke, Wille: in Neigungen und
Trieben; Inſtinkte der Thiere: Giner Art, man:
cherlei Arten u. ſ. w.
Bernunft: Ihr Daſeyn: Vorzug und Wirkung
auf Menfcheniehen, Menichengefhleht, gunze Na:
tur — —
5. Zufammenordnung dieſer Kräfte:
1) nad Regeln der Weisheit. Gefebe der
Natur, 1. im todten Univerjum: Himmels:
£örpern, Erde, Geftalt, Größe, Bewegung berfel:
ben — in igren Körpern, Elementen — Willen:
fhaften, bie daher entipringen, und die Geſetze
erforfhen, anwenden, beredinen. 2. In der OQeke⸗
Berdecs Werte 3. Philoſ. u. Seſch. X, 19
N
26
damen Lhterén, Men,
_ —S id Unter⸗ und Sedeneincander
Ordtung. Geſete der Fortpſtanſunig. Bauer
Nahrung, Ledensart, Tobes u. f. w. Orduung in:
fonderheit Im meiiſchlichen Geſchlecht, nach Alter
Klima, Stufen der Kultur, Maß der Kräfte un
des Verderbniſſes.
2) Nach Regeln der Schöntheit, d. i. eine
gefuͤhlten Suten für ſtunliche Gefhöpfe; im Uni:
verſum, Himmel, Erde, Pflanzen, Thiere, Men:
ſchen: an Geſtalten, Zarbenmiſchungen, Bewegung |
Ordnung, Thätigkeit, Handlung.
5) Bur GBlügfeligkeit alles Lebenden.
Ausbreitung bed Lebens in der Natur. Verſchie
dene Stufen, Zwecke, Gefühle, Neigungen deſſel
den. Welten, Lebensalter, Lebensabwechfelungen,
Stufen für ieded. Große Kette der Natur. Blick
in’d ganıe Reich Gottes —
4. Begriffe und Empfindungen Hieraus.
Yuf ein wrächtiges, weiſes, gütiges Weſen, das Ur
heber und Erhalter iſt.
Ob anf ein oder mehrere Weſen? Ob von Engeln,
Dämonen, Untergöttern, Begriffe in der Natur
find? Urſprung der Vielgoͤtterei, Abgdtterei, aus
Schrecken, Furcht, Erftaunen, Dankbarkeit, Be
munderung, ihre Gefchichte, Arten, Stufen, "Bir:
tung.
DH auf alle Eigenſchaften in Gott, Allmacht, Höchfte
Guͤte, Gerechtigkeit, Zorn u. ſ. w. — — — Dei;
ſten: ihre Arten — — das Gute und Fehlende
ihres Syſtems — — ob man von und auf Gott
fhließen könne? warum nit? Ob auch nicht in
den Regeln der Weisheit und Güte? 06 der Be
griff was helfe, daß Gott ein verborgenes Gt:
was fey?
Ob es ein gutes und ein böfed Princi—
294
pkum geben könne? Urſerung biafed Irrthums
und ſeine Seſchichte im. Orient. Ob die Geſetze
der Natur von zwei Urweſen jtugen? wie das
Behterhifte und anfcheinende Boſe in, deu Natur
anzuſehen, zu erffären oder ju ertragen fu — —
Bon Sroeiflern gegen Bott, Gottes-Bſtorern.
Ob die Natur Gott ſey? Akheiſten, Pantheiſten.
Ob man von einem Zuſtande vor Den Weit ohne
Welt Begriffe Habe? Etwas vom Urſprunge der
Wert erklären könne, wach Naum — Beit und
Kraft? Ob die merſcchliche Bemmemft. von ſelbſt
auf Unterfadungen der Wei: Vomme — Wille
VF. Seſchichte des menſchlichhen Geſchlecht s
oder der Kräfte der Menſchheäüt; wo es
Hauptzweck würde, die Beraͤndorung, Bortgang oder
Abnahme menſchlicher Sedanken, Migungen, Sit:
tem u. det. durch Volker und Zeiten zu Vewfulgen —
Der Kern aller Geſchichte.
‚ Urfprung des menſchlichen Geſchlechts. Daß es
einen Anfang haben müſſe, nach Geographie, Se:
ſchichte der Länder, der Voͤlker, der Künſte —
nach Aehnlichkeit und Wahrfcheinlichkeit der Natur
— und ganzen Haushaltung des Geſchlechts. Ob
in einem und in jedem Laude national? ob von
zween? ob aus einem urfprüngtüh thioriſchen Zu:
ftande ? in weicher Gegend? "von welcher Bildung ?
SBufammentreffung alter Seſchichte der Wölker,
Sprahen, Sitten, Neligtenen, Kümfte, Willen:
{haften auf Alien. Auf wilde Gegend? wie viel
oder nicht wir davon: wiffen und willen dürien ?
Schönheit der OÖffenserung im urſpruage des
menfſchlichen Geſchlechts.
. Göttliche Erziehung von dieſem urſprunge
an. Schöpfung des Mannes zuerſt, allein. An⸗
‚fang des Unterrichts, der Kenntniſſe, Sprache;
erſtes morafifched Gebot. Schöpfung des Weibes.
292
Grhtärung ber Begebenhheit, bie Umſturz machte.
Ob fie Urfprung des Uebels erfläre? oder Leber:
gang aus dem Kräuter : in's Aderbau:feben ? oder
die Entwickelung neuer Begierden? Ob's Seſchichte
Dichtung, Zabel fen? Ob das menfchliche Ge:
ſchlecht zu dieſem Zortgange beſtimmt geweſen?
Seſchichte des erſten Brudermords, als
zweier Menſchengeſchlechte, Hütten: und Zeiter:
Wirkungen vom langen Leben biefer Jugend der
Wett, um jede Religion, Tradition, Erfindung” und
" Gewohnheit rings um den Stammvater zu ver :
ewigen. Wahrſcheinlich erfte Religion aus der '
Suöpfung der Welt. Erklärung ded unverftand:
nen- erften Stüds der Offenbarung, als ein Ge
maͤhlde ded Morgens, als erſtes Inſtitut des Sak:
baths und der Werktage, ald erfte Hieroglyphe bes
Katenderd, der Aftronomie, der Phyſik, des Ber
ſuchs in Buchſtaben, als erfter Schritt zur Kur:
tur. Trümmern davon in der Gefhichte der Ye:
aypter, Phönicier, Syrer, Perfer.
5. Wunderbare Veränderung ber Bert.
Ob die Sündfluth allgemein geweien? Zweideu⸗
tigkeit in diefen und andern Zweifeln. Wenn nad
alter Naturlehre die ganze Erde aus Wafler ent: -
ftanden,, allgemach von ihren Höhen abgetrocknet,
und mit Pflanzen, Tieren und Menſchen erft
bevölkert worden? Ob durch die Sündfluth ſich bie
Bahn der Erde verändert? Veränderung des Wohn:
platzes der Menfchen, der Lebenszeit. Folgen aus
— dem alfo verkürzten Leben, auf Spraden, Git:
sen, Gewohnheiten, Trennung in Böfterfchaften
bei Babel. Erklaͤrung dieſer Geſchichte — und
Anfang der Vöoͤlkerhiſtorie.
bh. Böltergefhihte Bei welcher als Gefchichte
I \
293
des menſchlichen Seiſtes betrachtet, folgende fon:
derbare Erfahrungen, algemein zu merken.
ı) Nur ein Eleiner Strich der Erde Hat rach
unferm Begriffe, Kultur, d. i. eine künſtliche
Berfaffung von Gitten, Wiſſenſchaften, Religion
und Einrichtung. Der groͤßte Theil ter Völker
find fogenannte Wilde, d. 1. Hirten: oder Jagd⸗
und Fifchnationen,, ober. in einem kleinen Kreife
erſte Anfänger, der Künfte und bürgerlicien Le⸗
bensart.
. 2) In diefem Eleinen hellen Streife iſt das
Meifte, auch was man nicht dent, Tradition
gewefen, die das Volk ſelbſt erfinden können
“und nachher mehr als das, dazu erfunden; wirk:
th aber doch nicht erfonnen, fondern bekom⸗
men bat. So ſchlingt fih eine Kette der Ueber:
gabe von Aften über Griechenland und Rom nad
Guropa Hinüber — und das Webrige außer diefer
Kette bleibt in Dämmerung.
3) Selbſt bei jedem diefer Volker Hat das Licht nur
eine Zeit gedauert — Wahsthum, Blüthe
und Abfall find auf einander gefolgt; ſodann ift
ber Genius der Kultur weggeflohen, und hat fi
ein nahgelegeneds Land voll frifcher Kräfte auser⸗
fegen, dieſelbe Scene durdzufpielen. Auch ift Fein
Beiſpiel in der Geſchichte, daß durch menſchliche
Mittel er je gezwungen wäre, in erfter Jugend
wieder zurückzukehren. Aſien, Aegypten, Rom find
Trümmern.
4) Selbſt jeder Thaͤtigkeit, Erfindung und Anwen:
dung fheint ihre Zeit des Schickſals be
fiimmt zu ſeyn: da viele® Tängft da war, und
nicht gebrauht — vieles täglich gefehen und über:
fegen warb ; jett aus der Eleinften Sache die größs
ten Wirkungen wurden, und eine Eleine Anwen:
dung Welten veränderte. Häufige Beweiſe aus der
298
Sefchichte. Und ſelbſt hie Thätigfeiten der gröf:
ten und beften Leute haben in wibrigen Zeiten
unterliegen nber gerade das Gegentheil befördern
müßen, bis des Punkt ber Reife. Fam.
5) Es ſcheiat ein gewiller Gerigang durchh die Ge:
ſchichte der Bötker gu laufen, wit aber , daß die
Menfchheit an Kräften over an Glüdkieligkeit ge: -
wachen , foubern mar immer auf andern un
nensm Briten von Fähigkeiten, Reigungen und |
Beftrebungen gebildet, d. i. entwidelt, geprüft,
verändert worden. Meiſt aber find dieſe Eigenfaat
den ausichließend gegeneinander gewefen. und ni
bat alfo die Menſchheit auf einem Fleck, zu eine
Seit, von einer Situation gebildet, ein Gefäß der
Vollkommenheit ſeyn Eönuen oder folen. Indeß
ſcheinen bei Anreifung der Bölfer Spuren eine
Weisheit zu ſeyn, die entzüdend ſeyn müßte,
wenn wir fie ganz überfähen: 3. €.
») im Orient entfiansen die erften GSeſellſchaften
und Reiche. Vorthelle des Klima's dazu, bie erſte
Nothdurft den Menſchen zu erleichtern. Ideal
des ruhigen Hirtenlebens gu Ausbildung
ser fimpelften und ftärfften menſchlichen Neigun:
«gen, des väterlihen, pacriarchaliſchen
und einfachften häuslichen Lebens.
Charakter ber Morgehländer hiezu. Ihre -Druhe,
Weichheit, Einbildung — — — Game ber Re
ligian in alle dieſem. VWortheile, daß bie erften
Geſetze, Gewohnheiten, Cinrihtungen ‚alle vrien:
tal, religiös und nicht philoſophiſch geweſen. Sa:
me. um Defpotiemus in biefen Neigungen. Ge
burt deſſelben buch ben erften Eroberer, Gutes
und Böſes für die erſtere Kinbäelt : Zeiten durch
ion befördert. Der Hang zum Goͤttlichen, Wil:
ſenſchaften, Uebernatürlichen in ber frühen Gin:
ig ver Menfchen. :Mrisutatifike Roeſte und
F
29%
Seſchichte. Orußer Umfang der Reiche, Ewige
‚Dauer ber Bewohnheiten. Morgenländife Erzle⸗
ung und Glückſeligkeit.
2) In Aegypten ward ber erfe Staat des
Ackerbaus gegründet. Konnte im Orient nicht
gebildet werden: warb’s in Aegypten durch ‘Be:
Fuͤrfniſſe und Erleichterungen der Natur. Beihürfe
. and Belohnung des Nils: Mangel der Hirten:
Weiden, des Holzes, große Flaͤchen. Alſo Zufams
mendrang der Menſchen, Ausmeſſung des Landes,
— mung des Eigenthums: mithin er
Ke Möglichkeit einer Polizei: Nothwendigkeit der
Sarite, Dörfer,. Städte, Fortſchritte des menfchs
Then Gefchlehts Hierdurch zur Sicherheit, Indus
In Ordnung. Erſte Abtheilung ser Stände,
weckte Künfte: ägyptiſche Baus und Bildner⸗
£unft, mit Erklärung des Unförmrichen derfelben:
Aapptiſche Geſetze und Sitten, Charakter der
* und Religion in alle dem. Urſprung der
ythologie und Beſchaffenheit berfelben Erklaͤ⸗
rung der todten Fabeln: Geheimniſſe, Religions:
kriege: Haſſes gegen die Fremden und das Meer:
Verewigung der Borfihren durch Mumien u. ſ. w.
Große Werke des erſten bürgerlichen Deſpotismus
— Pyramiden, Obelisken, Tempel, Grabmaͤhler,
Säulen, Dämme u. ſ. w. Charakter des Aegypti⸗
ſchen in dem allen.
B) In Phönicien. Anfänge der Schifffahrt, Han⸗
delſchaft, des Beſuchs fremder Länder. Ausge⸗
ſparte Lage zu diefen” Verſuchen zwifchen Aſien,
Aegypten, auf einem Sunde vol Inſeln. Wirkung
Seſſen auf den menſchlichen Geift: Bruch der Na:
tional⸗ Bande, Kolpnien, Gaftfreiheit, erſter
Schotte vom Völkerrecht. Zeinere Künfte, die da;
durch entſtehen. Begriffe des Reichthums, Luxus.
Verfall dadurch vyn der reintrn Menſchlichtgit des:
/
-
196
Drient3 und dem ftrengern Fleiße Aegyptens: aber
Erweiterung des menfhliden Hanges auf andern
Seiten. Vorſpiele einer ariftofratiihen Regie
rungeforın : SKofsnien längs dem mitttänbifchen
Meer hinab in Sriechenland, Afsifa, Spanien.
Zwifchen diefen drei Gegenden wählte id Sott
‚einen Zweig des reinften und alten Stammes in
Alten, erzog in in Aegypten, bildete ihn in Ara:
bien, und pflanzte ihn in Judͤa. Das jüdi
fhe Volk. Ob feine Gebräuhe ägyptiſch gemes
fen? Seine Tpeofratie. Ob's je ein berügmtes
Volk vorftelfen ſollen? Ob feine Regiments: Ber
fafung, Start, Sitten, Epoche in Afien ge
madıt ?
4) In Sriehentand. Lag als Säugling zwiſchen
Aegypten und Phönicien, und nahm von beiden
ihre Politur, Gefebgebung, Künfte, Einrichtung,
Religion, Willenfhaft an, die ed aber alles nad
ſich nationaliſirte. Schöne Yriedhifhe Lage dazu,
Kıima, Bildung, Leichtigkeit, griechiſcher Geiſt,
Jünglingsalter des menfchlichen Verſtandes; Liebe
zur Freiheit, Schönpeit, Teichter Wirffamfeit, Lieb:
haberei in allem. Echöne Sprade. Urfprung der
fhönen Künſte. Was die Bildrierei und Baukunſt
‚zum ſchönen griechiſchen Geſchmack veredelt? Ur: ı
fprung ber Dichtkunſt in alten morgenfändifchen
Traditionen, National: Berfammlungen, Geift der
Heinen Staaten, Zeitakter der Eitten, Leidenſchaf⸗
ten, Sprache. Urſprung einer griechiſchen Repus
blik, die ein Morgenländer kaum für möglich erfannt
Hätte. Wirfnug der Beredfamkeit in ihnen. Speak
eines griehifhen Bürgers. Urſprung der Philofo:
phie in ihnen: bürgerfiche Geftaft derſelben. Go:
rated, Plato, Ariſtoteles, die mancherlei Schulen.
Griechiſches Theater. Zwei, Wirkungen, Inhalt,
Einrichtung deſſelben. Olympiſche und andere
|
297
Spiele. Lacedämon: feine fonderbare Berfaffung:
"Btäthe, Abfall. Urfachen des Verfalls von ganz Gries
chenland. Berfuft der Freiheit, des griechifchen Geiftes
— Epoche Aleranderd und feiner Nachfolger in Aflen
und Aegypten: Verfall diefer Reiche Warum in Ae⸗
gypten zum zweitenmal Beine@poche entftehen Können ?
5) Rom. Gonberbare, unvermuthete und dunkle
Entſtehung. Urſachen feines ftillen Wachsthums.
EGituation beffelben zwifchen Stafien, Griehenland
und Karkhago. Seite des menfdlichen Geiftes, die
fie ausgebildet. Römiſche Berfaflung ; Abwechs⸗
fung derſelben. Genius der römiſchen Tugend,
Stärke und Tapferkeit; Eroberung der Welt. Ein⸗
fügrung. der römifhen Gefehe und Sitten in bie
Provinzen. Gutes und Böfes Hieraus. Großer
Schritt zur erweiterten Menſchlichkeit und Völker⸗
recht — aber auch Zerreißung aller National : Leis
denfchaften und Bunde einzeiner Völker: in fpäter
rer Zeit militäriſcher Deſpotismus, römiſche Schwels
gerei und Ueppigkeit.
Geftärt der Welt unter dem Orbis Romanus.
Entſtehung der chriſtlichen Refigion. Ob
aus der morgenländiſchen Philoſophie? Art und
Urſachen der Ausbreitung. Ob fie das römſche
Reich mit geſtürzt? die Barbaren menſchlicher ge⸗
macht? Kampf mit dem Heidenthum unter Ju⸗
lian. Wie ſie in die Länder Europens eingeführt
worden?
6) Zuftand der nordiſchen Bölkerſchaften:
Border Gemeinihaft mitden Römern.
Berfaffung, Tugenden und Mängee Wie fie mit
den Römern zu thun befamen? in bie römifchen
Laͤnder gelodt wurden? Ihre Züge, Berwü—
tungen, Site, was Qutes und Böfes bamit
geftiftet wurde? Zerftärung des Reſts der füblichen,
Kultur, Künfte, Geſetze, Wiſſenſchaften. Kag—
908
cher Quſtand watrend dielar Abae. Seife Kräfte,
Beuöskerung, rauhe Tugenden und Seſetze, die in
dieſe ſeineran Länder gebragt wurden und füch mit '
den vorigen miſchen. Mene Reiche ‚ber Gothen,
Longohazden, Franken, Wenden, Angeln und Nor:
inner Ihre Geſetze Lehens⸗Verfaſſung,
bie über Europa ejngefüprt wurde. Urfacen ber
gelten , große Folgen auf fo viel Jahrhunderte.
Das Gute ynp Mangelnafte in ifr. Naprung in
—
ige für die püpſtliche Hierarchie. Großes
Webäude derſelben Über ganz Europa.
Gntftepung des Mohamedismus in fen.
Weftatt, Urſachen, ſchnelle Ausbreitung deſſelben.
PFinmwirkung der Araber auf den Zuſtand der Wiſſen
Ahaften und des Geſchmacks in Europa.
Seiſt der mittlern Zeiten. Gothiſcher
Geſchmack in Baufunft, Literatur, Produktionen
ded Genies und der Sitten, Urfahen, das Große
und Kleine in demſelben. Vergleichung mit dem
morgenländifhen und griechiſchen Geſchmack. Rit:
ter⸗Geiſt, aus welchen Neigungen er be: und
entftanden. Adenteyerlich Gefühl der Ehre, Liebe,
. „Broßmuth und ‚Religion. Etoff deſſelben in ben
. ‚bamgligen. Zeiten. Abenteuer, Romane und No:
vellen. Urfprung ber Dusle. Ordalijen und Got:
tesgerichte, Kreuzzüge: Wirkung derſelben auf
den Zuftand @uropens. Geift der "Möngerei, der
Orden und des Kloſterlebens. Verfall der Geift:
lichkeit,
Berfuche ſich aus biefem Zuftanb empor zu be:
ben, Demüthigung. der Vaſallen. Gtrebung ber
Sürften nad Landeshnheit. Korfchläge zur Kir:
den: Beibefferung, Errichtung ber . Univerfitäten.
Sandelnde Republiken, Einzelne Märtyrer der Wahr:
beit ‚und Berbeiferung ‚ber Bitten.
MI Near Bufand Auropens. Eroberung
399
Konftantinopels Entdeckung zweier Welten.
Ganz veränderter Zuftand ber Regierungs : Arten,
Handels, der Wiffenfhaften und Fünfte, Einfüh—
rung der griehifihen Sprache in Italien. Wieder:
auffebung des Schönen in Baukunft , Bild und
Mahlerei, Sprache, Sitten. Goldene Zeit unter
den Medicid. Merkwoͤrdige und. große Leute das
mals in alten Ländern Buropend. evolution ih
‚ Allem. Landeshoneit In Spanien, Frankreich, Eng:
"and wid den nordiſchen Neichen. In Deutſchland
Kreife, Kammergericht und Landfrieden. Große
VBeränderungen Dunch die Landeshöheit. Blüthe
der Hauptſtädte, Llnfte : Verfeinerung ,. Buchdru⸗
drei, -Anndherungen „ber Reformation in allen
Ländern. Luther Urfachen feines Auftrifts in
feinen Lebens-Umſtänden, Zeitläuften. — — Das
Göttliche und Menſchliche dabei, und bei Beför—⸗
derung feiter Seher. KBwede und Mißbräuche der
Reformation. NKalvin, "Davingli. Reformation in
England. Streben zur Sreitelt in England. and.
den Niedberlanden, auf woe verſchiedene Waiſe. Me;
Aligionskriege m Deutſchland und Kerfall Des: gedro⸗
heten Univerfal: Deſpotismus. Fortgaͤnge der Hand⸗
- ung und ihres Einftuſſes. Akadenien. Erwackung
der Naturiehre und: Philoſophie: die.enft durch Sek⸗
ten ging, und damit immer mehr das Sakten⸗
mäßige abſträubte. Freidenkerei, bie ſich daher er⸗
hob, und verfchiedane Geſtalt berfelken in verſchie⸗
denen Rändern. Geift der Oekonomie, auf wel
chen ſich alles wendet. Reſte der Barbarei, und
neue ſchaͤdliche Vorurthaile. Auslichten und Hoff:
nungen der. Zukunft.
1
‚800
c) Recenfion
von
J. M. Gesneri primae lineae isagoges in erudi-
tionem universalem, nominatim philolo-
giam, historiam et philosophiam, in usum
praelectionum ductaee Accedunt nunc
praelectiones ipsae per Jo. Nicol. Niclas.
Lipsiae 1775. bet Fritſch, 2 Bände,
jebere von 2 Alphabeten In groß 8.
Das Buch ſelbſt, Über welches Borlefungen er:
feinen, ift Tängft als ein vortreffliches Schulbuch bes
kannt; dur die Vorleſungen des Verfaſſers darüber
wird fein Werth und feine Brauchbarkeit merklich erhö⸗
het. Das Berbienft das Gegnern bei feinem Leben
auszeichnete, nämlich Menſchlichkeit (menn wir das ent:
weigte Wort Humamnität fo eigentlich Herftellen dür⸗
fen) feine Menfhrihkeit in Iateinifher Schreibart,
in den Schulwiſſenſchaften und bee Philoſo—
phie macht auch das Gepräge diefed Buche.
Sein Latein ift Fein gewölbter Ciceroniasmus vol
hohler Worte und Perioden, fondern eine reine, flie
Bende didaktiſche Schreibart, die fih auch für dem Eon:
cretum einer neuen Sade und Sprade nicht fo knaben⸗
mäßig ſcheuet, wenn's genannt werden muß. Man
Hört fein Latein immer, und liest ed nicht, ein gu
tes Zeihen! Keine Sprache folte anders gefchrieben
®) Stand in der Lemgoer Bibliothek, IX. Bd.
u 01
werden. — In dem Betracht ift dieß Buch alfo fehr
angenehm und fehr nützlich. “
Gesners Menſchlichkeit in den Schulwiſſen⸗
ſchaften beſtand bekanntermaßen darin, daß er über die
Sklavenmethode der Grammatik, des Deklinirens nr
VBokabellernens hinweg war, und gern in feiner Schul:
anmweifung diefe edle Sprache lebendig machen wollte.
Es ift. bekannt, daß er damit in den Schulen nicht
durchdrang. Die Mühe aber, die er fi bei Unter:
ſtützung dieſes Lieblingsgedantens gegeben, Hat ihn auf
manche andere fehr nuͤtzliche pädagogifche Bemerkungen
gebracht, die einen anſehnlichen Theil diefed Buchs aus:
machen: Die praecepta discendi generalia, ber
große Artitet de linguis, ingleihem Ars oratoria,
Logica, Methodus, Ethica zeugen davon, und er
wird in diefer fo wahren, als nethwendigen und nüß:
Yihen Reformation , mit ber ber trefffihe Philolog
ſchwanger ging, an unferer Zeit eine billigere Beurthei⸗
Lerinn finden. >
Endlich lebte Gesner in Zeiten, da ed mit ber
Philoſophie recht eigentlich wie mit dem Hut in Gel:
Yerts Fabel ging: die Philoſophie Rüdigers, THo:
maſius, Wolfs verbrängten einander. Einem Schul⸗
weifen. von geprüften Sinne der Alten mußte dieſes
Schattenſpiel vorüberraufhender Kartenhäuschen Gele:
genheit zu guten Gedanken geben: deren Reſultat eben:
falls diefes Buch enthält, und Gesnern jetzt als einen
wahren Propheten zeiget. — Alle drei Geſichtspunkte
machen uns alſo auf das Buch begierig. Und fürwahr,
ein Yüngling und ein Schullehrer von feinen Sinnen
kann mehr daraus lernen, als aus zehn neumodiſchen
Büchern.
em die Isagoge ſelbſt, ohne Kommentar, fon
ein liebes Buch gewefen: wer Gesners Chreftoma:
thien, feinen Horaz, Claudian und Orpheus
riebgewonnen; ter endlich ihm His in feine opuscula
1
3062
und memorias nachgefölgt N, und un hier die
Quelle ſehen will, woraus die Baäͤche und Bäcyrein Mei:
fin: ver feie dieſen Kommrentar. Gr Hat: ein treue
Bild des Autors mik Licht⸗ und Schatteizügen. Bier
Jugend unſeres Vlertheillahrhunderts, die Die Tatefnkttie
Eyrache fo fehr hintanſetzt, kann dieſes Buch ein wat
ches Coltigiam werden.
Zreiiich geht's au hier ohne Mängel nicht ab, un
wir können diefe deſto freier fügen, da. ber unfierhlicde
Gebuer unferes Lobes nicht bedarf, und wir Hier nur
um ber Lebendigen und nicht um der Tobten willen
fgreiten. Nämlich. die Schranien eins Schulmanm⸗
werden hier redt offendar. Wo die Wortwiſſenſchaft
"bie Kenntniß der Titel, oder endlich ine gerwiſſe Schlicht
heit und Rundigkeit des Begriffs genug war, If Sek
ner vortrefflih. Sn den eigentlichen Schulwiſſen ſchaften
gibt ex Anmweliung ald ein Meifter und feine Beohad
tung als Künftter; zeigt auch mit Fritifher Renntuif
und Sorafalt gute Quellen und Bücher weitern Unter:
richts an: hier ift er ein Kleinod. So z. B. die Ati
tel von den —— von der Redekunſt, das vor
treffliche, große Stüf son ber philoſophiſchen Geſchichte,
infonderheit bei den Alten, u. dgl. Die Stücke, wo
ein fchrihter Brick und gefunder Menftjenverftand Kits
reicht, z. E. von der Anweifüng zum Lernen Übersanpt,
von pfochofogifhen Spftemen und von ben primis na-
"turae in der Moral, find einiges Weiſen in Griechen⸗
land werth. — In andern Städen, fieht man, mar
der PHilolog fremde. Der Eingang ;. @. vom Anwuchs
der Realwiſſenſchaft in unfern Zeiten ift dürte, aus
Titeln oder vom Hörenfagen. Die Abfchnitte von der
Doefie, nod mehr yon der Muſik, am meiften end:
ih von dee Mahlerei bleiben zuruͤck, und der letzte
ift des Buchs und des Verfaffers ganz unwerth. Ur
kann's ausfiehen, die Mythologie gepriefen zu Te,
weit fie Feuerwerk und Backwerk infcribirt? oder
368
wu SUR durch Denen, Huttrrſſe End Stteutz⸗
fdyameın errläitert: a ſehen? Seb grab hie, nrakrr
Beigiänte vom Neifemunb Kirchoöngefchechte
find auch Abkhnitte der Art: fe find die Aydier Var
ruhe, die aber zu beſſern Hösen führen. — Auch bie:
Him and wieder vorkommende, ja fo gar Aivels bis breis
mal wieberhelten Burſchen⸗ uns Prsfeſſo rau
ſch ichten over Kollegieufhwänte find im Druck
keine Bierde. Der Herausgeber Hätte fie fiher wege
gun Türmen, und kein Sahn ‚Hätte darnach gekraͤhet
Wir wollen uns aber, da wir ein Schulbuch der
Jugend empfehlen, an dieſen Mängeln nicht weiden.
Das Auge des Juͤnglings findet fie ſolbſt, und bleibt
zu gern daran hangen, um auch die guten Sachen
Teichter zu faſſen. Schon ber Umlauf von Jahren, feit
dieß Collegium aufgefegt ift, Hat vieles an unferes
tieven Frauen Literatur verändern müſſen; da
Yächelt man denn über den guten alten Vater Gesner
zuweilen, der nun auch zu niden beliebt, meiftend aber
find dieſe Fehler unterrihtend. Sie zeigen immer, wie
fiher ein Gefhmad, aus und nad den Alten gebildet,
über Modefahen hinwegblickt, wenn er gleich in anderm
Betracht etwas dürftig und arm bleiben muͤſſen. —
Soliten mande berüßmte Magistri nosfri zu unferee
Zeit ihre Vorleſungen herausgeben oder fie ihnen ent-
wandt werden; welch duͤrftiges Knabengewäſch bekaͤmen
wir oft zu leſen!
Saſſet uns alſo lieber zum: Borfſchmack des Buchs
einige Stüce herauszichen, und etwa ergänzen, Ba
zu tadem. Wahrlich, wenn aus Gesners Isa
ans Sulzers kleinem Abriß der Wiſſenſchaften,
etwa aus Formeys Conseil pour se forwéer ans
Bibliotheque peu cehoisie et tres nombreuse:
ober Aus Stockhauſen (fo mangelhaft **8 beide
Buüucher find) mit Wahl und Verſtanbe ein Buch ges
k
;
1
&
{
h
}
A
dag:
if,
na
ME
ur
1
— 79—
fielen kann ſogteich Genie gezeigt und Senie
werden: ja der erfie Blick auf die Sache
Genie immer das Meile. Hier müßte der Sehrer Ba
eon und Sulzer zu Hülfe nehmen: in jeder Wiſſen⸗
(daft, wenn’s gleich der Schüler nur noh glauben
muß, Grenzen, Lüden, Reize, Methode kurz und Präf:
tig zeigen: reichlich wirb. ihm feine Mühe und Ge
nauigteit vırgolten werben. — In Sesner And ned
guten Lehren einige Titel- und Büdernachrichten, die
wenigſtens zeigen, daß er auf einer berühmten Univer:
fität, bei einer vortrefflichen Bibliothek lebte, und daf
er — nicht verachtete, was er nicht verftand. Die
Nachrichten von den Encyklopädiſten vor ihm find in
diefem Abfchnitt das Befte $. 22 — 50.
Aber gülden find die Regeln vom Lernen über:
Haupt: von Luft und Liebe zur Gabe, von der
Aufmerkſamkeit, dem Nachdenken, der Wie:
derholung Wie die Seelenträfte zugleid
zu Üben Bon Selibſtgelehrten, Bielge
Vehrten, Allgelehrten Vom Lefen, Ercer
piren, Nachſchreiben. Snfonderbeit find die Be:
merfungen von der-Orbnung im Lernen (der vorge
gebenen und wahren Ordnung) und daß man die erfien
Srundſätze der Wilfenfhaften allemal glauben
müſſe, eines Weiſen in Griechenland wert. Hier if
Gesner Philoſoph, d. i. Menfchentenner und Men:
ſchenfreund, bes Zünglings Bater. ($. 47 — 78.)
Die Finteitung ($. 79. u. f.) von dee Sprade
Überdayps, ‚Sat wahre und zum Theil tiefe und new
Züge:
:
g
— — —— — — — —
305
Büse: überhaupt gefingtrs Gesnern, menn ed an bie
Seelenlehre und etwas an's Wunderbare ſtreift;
die neuere PHilofophie aber, was Sprache übers
Haupt ſey, if, wie leicht zu erachten, bier noch nik
genutzt. Der Lefer muß diefe Lüde ausfüllen: denn je
genauer man das Werkjeug der Vernunft und Wiſſen⸗
Schaft kennet, deſto beſſer kann man's brauden. Hier
wohnt recht die Inſtrumentalphiloſophie, wie man die
tyricht⸗ ſpllogiſtifche Kunſt einft nannte.
Iy Abficht auf die Mutterſprache ($. 86 u.f.)
iſt Gesner Hilfiger als die Latiniften zu feyn pflegen;
eg: ift aber nicht. eigentlich getroffen, warum? wie?
und in welchem Maß fie gegen andere Sprachen zu
trsihen? noch weniger ift ihr Charakter fo unterſchei—
beſtimmt, als ihn ein Kenner alter Spraden
ke, beſtimmen können. Hies muß der Leſer vieles
dazu thun, aus neuen und alten Büdern, bie Gesner
nit kannte. Vortrefflich iſt's bemerkt, was Reli—
“int und Bibel zur Erhaltung, Prägung und Bil:
einer Sprache thue, und auch bei der deutſchen
Die, Abfchyitte von. der Tateinifhen und grie
chi ſchen Sprache, auch mit den angezeigten Büchern,
ſind aifiih. Ein einziges ug in feiner Art, wenn
age ſo wäre.
Bon den morgenländifhen Sprachen, infonderheit
den neugefundenen Alphabeten find gute Hiftorifche
Nachrichten; der Artikel von den europäiſchen
Sp'rachen taugt nicht-vie. Der Yüngling ſollte eis
nen Eurzen Begriff von der Natur, Abftammung,
dam Charakter, d. 1. dem unterfohledenen geiftis
gen Gepräge der neuern gelehrten Sprachen bekom⸗
mien: alsdann ſollt's beſtimmt werben, wiefern und
zu’ welcher Ktaffe von Gelehrſamkeit jede nützlich
oder unentbehrlich fen: fobann, damit ber Yüngling
Berders Werke 3. Philoſ. u. Geſch. X. 20
806
Luſt fhöpfe, die vornehmſten Büher und Meiſter—
ſtücke derfelben — — von alle dem wenig!
Die Poeſie ift als Modus der Sprache in einem
guten Geſichtspunkt geftellt, mitunter auh gute Be
merkungen,, was z. E. die wahren Dichter immer auds
gerichtet u f.; aber der Autor Elebt zu fehr an den
lieben Spibenmaßen, bat vom poetifhen Gehör
fanderbure Begriffe, und ift Hier nur ein Schulpoet. —
Das harte Urtheil über Klopftocd Hat etwas Wah—⸗
reg, od es gleih ſchwatzhaft und unedel gefagt if.
Noch mehr Wuhres Hat das Urtheil Über Meiers
Aeſthetie, der Gesner fehr fend ie. Baumgarten
würde es nicht beffer ergehen, wenn er nicht aus Geb:
ners Thesaurus Exempel hergeholet hätte: da ift nun
eine Liebe ter andern werth. Ueberhaupt wärs eine
Frage der Unterjudhung werth: woher die alte und
neue Aeſthetik, Poefie, Nedetunft und Phr
lofophie fih meiſtens alfp feind find? und
an wen die Schuld Tiege? Ohne Zweifel an
beiden Teilen!
Bei den Abihnitten „Mythologie un
Mahlerei“ ift zu verwundern, wie der Autor fo
viel ſchöne Bücher feiner Univerfitätsbitfiothet fo menig
habe nutzen? oder vielmehr, wie wenig Gefhmad
ihm dieſe Haben geben Fönnen, ſelbſt, wenn er fe
Kannte! Man fieht an Gesner, was man an fo viel
andern fiehet, daß der Geſchmack diefer Art eine Gabe
reäherer Jahre:ift, die im Alter ſchwerlich mehr
ertangt werde. Welch anderer Mann if Hier. Heyne!
u Die Redekfunft ift ebenfalts (ehr fhulmäßig ber
handelt.
Die Ginteitung von ber Geſchichte überKaups
($. 586) und vom Hiftorifhen Glauben ($. 405)
iſt trefflich, wie meiſtens alle allgemeinen Einleitungen
der Art. Es find Grumdfäße eined Mannes von rich⸗
tigen Sinnen , durch's Lefen der Alten, nicht dur
807
kritifſche Sophiſten, Geſchmäckler, Zweifler, mathematis
ſche Metaphyſiker, u. dgl. gebildet. Es ift alfo eben
fo eine Narrheit, in der Geſchichte mathematiihe Bes
weife oder Gewißneit zu fordern, als — in der Mas-
thematit Hiftorifches Zeugniß. Und dom ift diefe Narr:
heit heut zu Tage beliebter Geſchmack. Giner der treffs:
lihften Philologen, Freret, hat in den Kommenta⸗
ren feiner Akademie darüber eine Abhandlung geliefert,
die ich, fo wie die meiften von ihm, aus diefem Wuft.
herausgezgogen und befonders befannt gemacht oder übers
fest wünfdhte. Gr fieht da wie ein König unter den:
Kegeln. .
Die Anweifung Gesners zur Geographie
will nicht viel fagen: die Anwelfung zur Chronolo:
gie nennt wenigftend gute Bücher, fo wie auch der
Abſchnitt ven der alten Sefhichte Als ein Ders
zeihniß und Beurtheilung der zum Theil koſtbaren
Hauptbücer. muß. man diefe Stüce brauchen: ba Hat’s
dem Autor genubt, daß er neben der Bibliothek lebte.
Der Abſchnitt von den neuern Reihen If nicht
viel werth. Da find weder die beften Bücher genannt,
noch die nöthigſien Begriffe gegeben.,
Genealogie, Heraldik und bass Reifen
folgen Wer foll alſo reifen, wie hier geichrieben ſteht?
Ad considerandos nummos bracteatos, ad dig-
noscenda diplomata, tabularia, musea — eim
philologiſcher Handwerksburſch: und geleit’s ihn Gott!
— Daran tft nieht gedacht, daß ein anderer Menid,.
ein freier, genievoller , edler Jüngling reife!
Die Kirchengeſchichte iſt auch für Untheolo—
gen unvolffommen und verzogen. Soll jeder Gelehrte
even das in diefem Felde willen und davon denfen?
Die Gelehrten: Gefhichte ift mit Büchertiteln
und Fächern zu überhäuft; daher ift für den Geſchmack,
den Verſtand und das Genie hier wenig. An diefe
Sottesgabe wird für Fauter Gelehrſamkeit nicht gedacht:
E17 sap: .
dems: dee Autor .excerpirte den mie auifhen Katalog
una. wollte zu viel fagen..
Aber nun kommt ein Eaffifder Abſchnitt, die phi:
toſophiſche Geſchichte, fie in aud; das größte im
Bub. Infondergeit in der älteiten griehifhen Phi⸗
tofephie ift Gegner vortrefflih: man fieht, Orv heus
und Pythagoras liegen ihm am Herzen. Gr ver:
theidigt dieſe mürbigen Altväter des menſchlichen Se
ſchlechts, doch ohne Uebertreibung: rechtfertigt infon:
derheit das alte Gleichniß zwifhen Gott und der Seele
der Wert, und fo ſchlicht und treffend geht er in feinen.
Urtheifen hinunter, bis auf unfere in der Philoſophie
(Spa!) höchſte, Fehte und güldene Zeiten In dieſen
erfenuet er, vom Geiſt ter alten, infonderheit der
Orpheiſch⸗ Heraktitifchen Philofophie turhdrungen, nicht
alles für Gap, was manchem fo fdiemet. Er ift aud
überhaupt der billigen, gefunden Meinung, daß man,
un vom Sekten: und .Kebergeif in: der Pällofopfie be
wagrt zu werden, lieber von Mr Alten "und der Ge
ſchichte der Philofophie, atd von Beibnik und Wolf
anfungen müfe, Ueberhaupt ftehen die lebten zween
in ſehr abflehendem. Licht — kurz dieſe Geſchich te
dar Phifoſophie wird aud consummalissimum
virum, durchlaufen zu haben, nicht gereuen.
Su der Pſpchologie find vortreffiihe Saden.
Dis Leibnitziſchen Dichtungen von den Monaden,
der. Harmonie und: der Freihett wollen ihm nicht
zu. Kopf. _Hier indes man viel. gefunden Verftand, und
zwifchen inne fehr naive Urtheile. Gesner befennet,
er :babe., ſech Tange. zu, dieſer Philoſophie gezwungen,
ſchaͤmet fih aber nit, Palinodie zu fingen, zeigt auch,
wie wenig neu dieſe Hynotheſen zum Theil fepen: z. GO:
des Laibumib Harmonie zeigt er im beiannten Starte:
ſtaner Geulinx, den Leibnitz gerriß gelefen — alles
mit. vieler Wärme, als Menfch geſchrieben und nit
ale Monate, —
u
369. u
DOmtofogie ſeagt. Wer mach Ermeſti und‘ den
Arten: Diefen Theil tmrbeften: Latein leſen will, leſe.
Oft wird auch gezeigt, "wie wenig’ neu’ diefer und‘ fener
Grundſatz ſey, der’ Auser "Hat aber noch viel cholaſti⸗
ſches Spinnweb beizubehalten gewũrdigt. Tie theolo-
gta naturalis iſt mit der Schlichtheit und gefunden
Berwänft geſchrieben, wie die Pſychologie und!pie
phileſophifche Geſchichte. !Der Verf.“ legt einen
ſehr richtigen Begriff der theologiae naturalis zum
GSrunde, und zeigt, daß nicht alles aus der Sernunft
geſchöpft ſey, was wir jetzt mit: einem Spielwerk ber
Vernunft beweiſen. Auch im Abſicht der Freiheit
des höchſten Weſens iſt Sesner kein Leibnigiener;er
neigt fich auch in ſeinem Begriff von Allgegenwart,
Raum, Schöpfuug zur finntihen, geiühlvollen
PHilofophie der Alten, bie ihm überhaupf fo
tieb war.
Der Logik, als einer Denkt: und Bermunft:
sungft iſt der Philolog, der die Grammatik Teldft! fo
einfchräntte, nicht gewogen: er führt mehr als einmal
das gute Wort Guſtav Adolphs an, der Logik wand
-Metaphyfif die praeputia der Wiſſenſchaften
nannte, und fie beinahe verbot. Logica per ana-
gramma caligo :. wer seine mafürliche Logie' —
fie duch Kunſt nicht lernen, — indeſſen bringt "ber
Verf. nachher nöd, ziemlich den ſyllogiſtiſchen Kram Her:
"dei, daß man wenigſtens das Geräth kenne. — Won
ver Methode, dem Bücherleſen, ueberſetzen
and Beurtheiten kommen weniger Bemerkungen
vor, :als man von der Weisheit dieſes Lehrers erwaär⸗
tete. Er Hat Hier überhaupt geeilet. Die Difyu:
tatiomern ſchließen dieß Sunpiäd. ($. 1204.)
Es folgt die praftifihe Phitofonnte, won:
fondergeit der Artikel de primis naturae 'ein TAG:
bares Stüd if. Dan Fieht den’ Verf. ars Güter, 'der
Kinder gekannt md gelirbet: ans ihrer Seele nimmt
— 510
er die meiften Erfahrungen, wmeiftens mit einem fehr |
(Hiisten Blicke Her; zeigt fobann, wie diefe Srand⸗ |
triede der Natur alle weder gut noch böfe find,
und eine Feder haben müllen, die fie rüdgaite und
teeibe. Dieſe wird die Bernaunft, das Seſetz der
Billigkeit und Liede. Das utile und decorum
bringt er auf Eins jurüd: wovon auch in der Vorrede
eine Abhandlung utilitas, honesti mater , non ju-
‚dex ftehet._ In den lebten Apfchnitten von Hinder:
niffen der Tugend, von Anreizung zu befondern
Zugenden, vom Eheftande, dee Erziehung u.|.m.
find vortreffliche, meiftens aus den Alten genommene
Bemerkungen und Lehren, obgleich der Autor, wie es
‚am Gnde ber Borlefungen gewöhnlich if, ſehr eilet.
Aus altem erhellet, daß diefer Kommentar Eein
vollendetes, aber ein fehr nütfiches und angenehmes
Buch fen für die Jugend. Die Lehrer auf Univerfitä:
ten mögen ihre Geſtalt fehen, was oft erfhiene, wenn
ihre weifen Katheder: Reden ſämmtlich gedruckt würden.
Die Kleinkreiſigkeitt und Eigenllebe, das ewige Ich und
Bezlehen auf ſich ſelbſt, die beim Gesner nur Eleine
Zlecken find, weil man fiehet, daß er bubei nichts ar⸗
ges hat, würden an andern häßliche Kröpfe und Giten
deulen werden, bafür der Welt efelte. Und doch muß
es ber Jugend, diefem Publikum, dafür man am mei:
ften Ehrfurdt Haben follte, nicht efein! Ya ed wird
äbnen (weil ale lebendige Sitte fih am tiefften eins
frißt) erfie Farbe der Gelehrfamkeit und Weisheit.
Inde tot lacrimae! — £affet fie diefe Vorleſungen
fehen und denten: „Geſchieht das am grünen
Holz!” — Das Hat nun ein Freund ausgefeilt und
gegeben, „was will am bürren werden?‘ wie,
wenn ein Feind bei Lebzeiten dich Sudler! dich Trüdels
weid! dich Schimpfer! gedrudt darfiellie — Man:
hen follte man’s beinahe wünfchen.
Rupe alſo wohl, Lieber Paͤdagog: Du, der fo
311 —
viel memorias für Männer, Weider und Hermaphro—⸗
diten fchreiden müffen, und gar deine eigene memoriam
(de rebus ad Gesnerum pertinentibus) ſchreiben
mwoüteft: deine memoria grüne} ohne neu dir nadıge:
ſchriebene Schufübungen und Hefte.
— —
d) Ideal einer Schule.
1769.
Die erfte Cinrihtung meiner Schule jey, fo viel
möglich, im Stilen und mit Genehmigung meiner Mit:
lehrer: auf ſolche Art ift die Befeſtigung meiner Abſichten
natürlich, und ich fidere mich der Liebe meiner Kollegen.
Iſt's möglich, einzuführen, daß jeder feine arbeiten wählt,
die für ihn find, Stunden wählt, die für ihn find, feinen
Unterfchied an Klaffen und Ordnungen findet und finden
will: wie viel wäre damit ausgerihtet! Su hat jeder
“ feine Liedlingeftunden und Arbeiten: fo fält der Rung-
freit weg, und das, was da bleibt, ift nur Orduung: fü
wird die Achtung der Schüler unter tie Lehrer vertneifet:
fo wird der Einförmigkeit und dem verbrüßfichen Cinertei,
immer einen Sehrer und eine Methode zu haben, abae:
holfen: fo wird Veränderung in dad Gunze der Schule
gebracht, und alle Klaffen nehmen daran Theil: fo wird
Feine ganz und gar verwildert, da doch alle Subjekte bei
Einer Schule nicht alle gleich gut fenn können: fo wird
ein größeres Bund unter Lehrern und Schülern: fo bes
fommt jeder die ganze Schule auf gewiſſe Art zu überje:
hen, zu unterrichten, und wird ein Wohlthäter des Gun;
zen: fo bekommt der Auffeher das Ganze der Ed:ule
mehr zu Eennen, und überhaupt fo ift die Vertheilung
die ratürfid.fie. Nun wird nicht alles der lateiniſchen
Eprame aufgeopfert, und ihr gleichfam zu Liebe rangirer:
,
812
nun kann jeder Schüler, nadı jeder SAH and
niebrig und gerade an ſeinem Ort ſeyn: nun hat Ye
um einer Nebenfade wilien, in allem verſäumt werben:
das Papiſtiſch⸗Gothiſche, das die Tatelnifche Spraqhe jur
Herrfherinn macht, wird weggenommen, und alles a
ein regelmäßiges, natürlich eingetheilted Ganze. Jeden
Lehrer bleibt fein Name, fein Rang, feine lateiniſche e&
gene Klaſſe; nur jede andere Wiſſenſchaft, Theologie,
Popfit, Oriechiſch, Ebraͤlſch, franzöflfhe Sprache, Geo:
grappie, Hiftorie, Realien, poefi⸗ u. t. w. wird vertheilt.
Cine Realklaſſe fähgt an. Die erften Kenntniſſe
mehr der Naturgefhichte, als der Naturlehre, mehr von
fi, als von Entferntem, Fremdem, von Körper, Seele,
merkwürdigen Saden, die man täglich draucht, und fies
het und nicht kennet, Kaffee und Thee, Zuder und Se
würze, Brod und Bier und Wein u. f. w. Die game
Außere Geftatt der Welt, in deren Mitte der Texnetbe
Knabe ftept, wird erklärt; Er auf den Unterftied ud
Aehnlichkeiten und Beſchaffenheiten der Tiere gerüstet,
die er fo liebt: die gemeinften Bebürfniffe des Lebens,
“Erfindungen und Künfte ihm gejeigt, damit er fi fersft
kennen, in feinem Umkreiſe fühlen, und alles brauchen
ferne. Das wird ihn zu Teinem Fremdlinge in der Wen
machen, wo er ift: ihm Feine unverftändenen Ihren Tafs
fen, die er fonft mit Sprahe uw Gewohnheit Teent,
ihn aufweden, felöft zu betradten, und uͤberhaupt dem
großen Zwecke nacheifern, ihm das zu erklären, oder hm
die Erklaͤrung von alle dem finden zu lehren, was Thm
die Sprade als Vorurtheil einprägte. Hier drauchtes
eines Genies für Lehrer und Schüler; nur Treue,
Fleiß und Aufmerkfamkeit. Hier kommen lebendige Gas
den und Kupfer zu Hülfe: er kennet feine wert: hier
wird alles Tedendig: es findet fih, daß das eben 'Dafferde
tft, was er wußte und nicht weiß, zu trennen ——
und nicht trennet, ſpricht und nicht benfet, Welche Re⸗
volution in ber Seele ber Knaben! welche Errrgung von
- 518
unten auf! Gifer, nicht bloß akademiſch todter Erflärun⸗
gen , fondern Tebendiger, Tebenbiger denntniſſe; das er-
weckt die Seele, das gibt Luft zu lernen und zu Veben:
das hebt aus der Einſchläferung der Sprache; das !äßt
Ach Den Eltern zum Rupın der Kinder vorpredigen ; das
läßt ſich anwenden: das bildet auf zeitlebens... Büffons
Naturpiftorie ift hier für den Lehrer mit Auswahl ein
gutes Buch: die Artikel von der Menfaheit, von vielen
einzelnen Thieren, ohne Spftem, find bioß für die Zur .
gend und fonit kaum gut.
Man fichet, daß ſich mit diefer Ktaffe von ſeidſt
manches zufammenfchlinge, inſonderheit aus der Geſchichte
der Künfte, der Handwerke, der, Erfindungen; nur · daß
dieſes alles bloß untergeordnet bleibvt, und Bein Haupt:
jweed wird. ‚Gin Scüter, der von Künften und Yard:
werken ohne Iebendige Anſchauung aligemeinhin ſchwutzt,
iſt noch Ärger, als der von allem nichts weiß: der aber,
denmn jede Kunſt dienet, um anderes von lebendigen Kennt⸗
niffen, die er als Knabe fhen haben muß, zu ertkären,
der bleibt noch: Immer Anabe, indem er auch davon hört,
und wird nicht ein Maulaffe von einem unwiſſenden nah:
planbernden Lehhrijungen.
- Man fleget, daß wathematiſche Begriffe eben: fo Yut
dazu gehören, aber nicht, wie fie in umfern Bädern fie:
Gen, fondern wie ſie der Hanptbegriff einer gamyen Wiſ⸗
fenfhaft find, Töne, Farben, after, Yuft, Figuren
Erfheinungen, Maſchinen u. -[. m. Tommen fd Epiel
merke hieher, und ‚werben die Bafls zu einem ſehe gro⸗
Gen Gebäube.
Erzaͤhlungen von -diefer und jener Vegebecheit Sa⸗
che, Sridjsinung, Erfiudung, Denkwürdigkelten weben
fi) aͤberall ein, ptündern Hiſtorie und Geographie, ohne
von beiden einen pedantiſchen Schatten zu kekhen, "Wille:
zen und beleben ˖alles, geben Lawter Data und Dewtweites
digkeiten, ob fie gleich nur immer, ed war einmal! ers
zaͤhlen; von der heifigen Hiftorie knuͤpft füch hier nichts
%
».
514
ein, als was wirklich menfhlid iſt: Adam, die Schr
fung. das Paradies, die Sündfluth: Kirhenceremonien.
die von Ehrifto herfonimen, Tanie und. Abendmahl, mi
chen deffen Gefhichte unentbehrliih und rührend; alle
bloß Jüdiſche wird vermieden: es wird Hauptzwed
dem Knaben von alle dem Iebendige Begriffe zu geben.
was er fieht, fpricht, genießt, um ihn in feine Wet
zu feen, und ihm den Genuß derſelben auf feine ganze
Levengzeit einzuprägen. ° Mit einem folhen Anfang
wird er nie der Wilfenfchaften und noch weniger des
Lebens überdrüffig werden ; nie feine Schulzeit beklagen:
fi nie in einer andern Welt geboren zu ſeyn wün
fen, weit ihm durch Feine andere der Kopf verräd
iſt, und die feinige fein erfter Horizont wurde. Schöne
Klaſſe, die erfie und befte, den menichlihen Geift zu
bilden: dte angenehmfte, die Entwicklung einer ſchönen
jugendlihen Seele zu behorchen, und file auf ihre ganz
Lebenszeit weife, gründlich, von Vorurtheilen frei und
glücklich zu maden. Sie verfchließt auf immer dm
‚faulen, moraftigen Weg, auf Wörter, Bücher und Ur:
theile anderer ſtolz Hinzutreten und ewig ein fchmwaken:
der linwiffender zu bleiben. O wäre ein ſolches Bud
gefhrieben! oder vielmehr Hätte ich einmal einen for:
den Curſus durdgelehrt!: und noch mehr ihn feldſt
burcdhgefernt! und zuerft burchgelernt! und wäre fo ge:
Hude! Nun bleibt mir nichts, als -eine zweite Grjie
Hung übrig: ich will mich in Frankreich bemühen, die
Buͤffons und Nollets recht fhäten zu fernen, überall
Kunſt und Natur und Auftritte der Menſchen aufjufu
hen, und in mid zu prägen, unb recht zu genießen:
und _die rehten Quellen von Büchern kennen lernen,
um mid nad) ihnen. wenn ich fie habe, zu bilden —
Genius meiner Natur! wirft du mic an mein Ber
ſprechen, das ich dir und ınir'tgue, erinnern!
- Zür das Herz gehörf eben eine ſolche Kraffe. Der
Katechismus Luthers muß reiht Innig auswendig ge:
!
j 315.
Yernt” werden, und ewig bleiben. Grftärungen über ihn
find ein Schau von Pflihten und Menfhenfenntniffen.
Was auch Baſedow Über das Jüdiſche der jehn Ge:
Bote fage, mit rechten Erklärungen und leichten Ginlei:
zungen find fie eine fhöne Moral für Kinder. Das
Artikelbekenntniß ift, dem erſten Stüd nad, vortreiffich
und mit jedem Wort der Erklärung groß: das zweite
führt auf die Lebensgeſchichte Jeſu, für Kinder fo rüh:
rend und erbaufih: das dritte ift mehr nad den MWor:
ten des Artikels ſelbſt, als jedem Buchftaben der Er:
ktärung fehr nützlich und gleihram die Bafls zum Be:
Eenntniß deffen, was chriſtliche Repubtie if. Luther ift
nicht in feinen Sinn eingedrungen, der mit jedem Wort
eine potitifhe Einleitung ift, Ihön und unterrichtend.
Pas Gebet Chriſti iſt Schwer zu erklären, und Luther zu
weitläufig: es ift im Sinn und mit Worten der Zeit
Jeſu: zum Theil auch nach den Verurtheilen der Jün⸗
ger, die auf Gin beffered mit ihren eigenen Ausdruͤcken
gelenkt werden: es hat alfo eine jüdiich:helleniftifche Far:
de, und muß, da es einmal tägfid) in unferm Munde '
ift. in ſoiche Worte, eben fo Eurz und verftändlic über:
fett werden, als es ein Chriftus jetzt für Kinder beten
würde. Das Saframent der Taufe ift vortreffiih, um
zu bilden, um daran zu erinnern, was man verfprocden,
um dıriftiihe Bürger zu machen. Cine Taufe ofne Un:
terciht nach derfelden ift Nichts; mit diefem, in den er:
ften früheften Jahren, die nutzbarſte Sache von der Welt.
Tas Abendmanf ift das, worauf fie zubereitet werben
folen, und nicht zeitig und innig genug zubereitet werden
£fünnen. Tas joll einer meiner größten Zwecke ſeyn,
die Saframent würdig zu machen, es zu erheben! bie
Konfirmatiın in alle Zeier ihres Urſprungs zu feßen, und
die erfien Gindrüde fo ewig zu machen, als ich ann.
Dazu will ich ChHarfreitag und alles Rüprende zu Hülfe
netmen, um es wenigftens von außen fo ehrwürbig zu
machen, als ich kann: die erſten Eindrücke in ihrem gan:
516
on Ginfluffe aufs Leben zu zeigen, den Pöbel zu emp.
“ren, die ſchönen Geifter zu Überzeugen, die Jugend 4
erbauen.
Der Katechismus dee Menſchheit, wie ich ihn se
entworfen, fängt bier an, und wie fehließt er ih =
Luthers Katechismus zuſammen! Züge, Portruite, ‘&
fhichte, Leben aus aller Hiſtorie kommt bazu, um nei
lich zu bilden ; aus der Bisel'wenig — Kain, "die he
fluth mit gehörigen Einſchraͤnkungen, die Gefchihte Je
fephs, Et, einiges non David, die Geſchichte Zefa
einigen Handlungen u. f. w. Die Seſchechte wubete
Bölter-und Zeiten, in großen Beifpielen und Boreiien
drängt ſich haufenweife heran: lebendig Verde fie erjäl
wieder erzähle, nie ;geiernt, wie pedantiſch derrcharſcer
und durchgeknetet: fo bildet fi Seele, Gepdaytnti, AR
rakter; Zunge, Sortrag, und nachdem wird Ahr tank.
terer Zeit auch Styl, auch Denkart bilsen. "Mit pe
fother Seſchichten wird die: Seele des Knaben in ein
‚guten Ton gewisgt: der Ton trägt fich fittt font, "wird
ſich einprägen, und auf ewig die Seele ſtimmen.
Die: Ztweite Renefruffe iſt (Hon "ein Eompfäterer dar
(a8, ver ſich vem Wiſſenſchafttichen mehr nähert. DER:
gurhiftorie wird ſchon mehr Nerrurtehre, allgemeiner, Hr
Yammenhartiewber, mit yhftrumenten und’
Da vekommt der Jüntziing Wonderdinge zu ſehen, m
noch mehr zu Arbeiten: wie Bin th aber hierin der
Amt? Weiß Ih Inſtrumente zu wählen, zu
zu verbeſſern? Bier muß mir meine Reife zu Bi
fkonnnen vder alles iſt vergebens. Die ‘erfte veſte N
ſtrunntenſammlang, wo ich fie finde: wo ich Walt ri
nem Manne bekannt wWerde: infenbergeit in "Werft
and "Holland, wo Ih der Sprache mächtig Yin — u
iu fe ſehen und kentien lernen, und jeden Mahn’
tzen, mit dem fh wihgeße, und mich zu fetdyen’Sndliegen
mit denen ich wnuehen kann, nd keinen Wintel kr
"Toren. ine Reiſebeſchreibumg jebes Landis oki
317°
ie Merfmärbigkeiten in Naturſachen, Inftrumenten und
Rupfern fagen, die da zu fehen find: und da jeder
Mann gern feine Sachen erklären, mag, fo hoffe ich.
kErtlärer zu finden. Und wenn ich zurückkomme, o ſo
vili ich alles erregen, um die Nutzdarkeit und Unent⸗
yehrtichteit folcher Sachen des Anfhauens zu zeigen, id)
vilt das Elende dev Worterzählungen beweifen, und .
Nicht rufen, bis ich ber Schule einen Schatz uch In⸗
deuimenten und Naturalien verfhaffe und nachlaſſe.
Vielleicht werben fich, wie Büſching das Glück gehabt,
olche zu finden, auch für mich und meine Adfihten Ber
örderer finden. |
Die Naturgefshichte wird. in das Entferntere fort⸗
gefeßt; durch Kupfer und Naturſachen. Buffon, Swam—
merbagn, Reaumyr, Röfeler u. ſ. w. follen hier. ſpie⸗
leyde Bücher ſeyn, deren Bilder, wit. Erzählungen ber,
greite} werden. ie vieles habe ich hier. ſelbſt zu Kerr...
mep, was. ein, Philoſoph, wie. Reimaxus wufte,
Eben biemit wir). ein Weg zu. Bülhings Worker.
reitung zur Geographie: ein Buch, das. ich. wuͤnſchta⸗
Nig,.ein Collegium in feinem. Umfangs, durchzuwiſſen.
Die, Naturbhiſtorie verſchiedener Reiche führt. auf die
‚Gepgraphie, die. in, ihrem Anfange. am ſchwerſten iſt.
Wia id. von ‚meiner ſichtlichen Sityation ausgehe? Wie.
Naturanſicht einer Intel, Halbinſel, feſtes Land. u. f. m
‚auf. eine Kante: ipmmaz wis..ich diefe in ber Hakan,
finde? wia,eing Karte, der Welt werde? Wie fih Meer.
und, feſtas Sand, im, Ganzen. verhalte? Wie Flüſſe und
‚Ospigge, werden, u, ſ. w.? Wie die Erbe. rund fepn.
tönne? mie fie fit) umſchiffen faffe? Wie fie. in dee.
Puft ſchwebe? Wie Tag und Nacht werde? — fiehe
ba! fo wird ber Anfang ber Geographie natürlich pho:
fifhe Geographie. Hier verfammelt fih Naturlehre,
Naturbiftorie, etwas Mathematik und viel Data, viel
Grfcheinungen, viel Geſchichten. Es ift nicht zu fagen,
wie ſchwer manches den Kindern zu erklären fen, to:
‘
518
von fie immer fhwaten; aber eben auch iſtes nicht zu
fügen, wie nußbar ein folder Curſus ſeyn müffe Hier
wird die vorige Naturgeichichte ausgebreitet: ich finde, |
daß jedes Land feine Menfhen und Gelhöpfe Habe: ih
lerne ſie überall kennen, jedes an feine Stelle feren,
und den ganzen Umfang einfehen, in den Alles gebött,
den ganzen Körper der Erde. Man läßt fi alſo in]
jedes Landes einzelnes und am wenigften yolitifches De
tail noch nicht ein: von allem die Hauptbegriffe und '
wie alles infonderheit zum Ganzen gehört. Natur
bleibt alſo Natur und die erfie: WMenfchengattungen,
potitifche und wilde und halbwilde Welt, in ihrer Ge
ſtalt, Kleidung, Lebensart; affo nur Hauptftädte, aber
viel Data von Sitten, HSaupteinrihtungen und Zuftän
ben: was fle haben und liefern, find und nicht find:
wie fern altes ein Ganzes ift oder nicht if. Dei ak Ä
lem Eommt Erzählung und Bild zu Hülfe: die gang
Geographie wird eine Bilderſammlung. Wenig um
feine erzwungene Reflexion, Feine Charafteriftit, noch
feine einfeitigen Ybeen ; aber Data, Erzählungen Da
lernt der Süngling aus feinem Winkel Hinausfehen, er
lernt Sumanität, nichts blind verachten und verfpotten,
altes fehr Eennen, und feinen Zuftand genießen, oder
fid einen beſſern ſuchen. Großes Studium! mer wird
dabei ermüden? — Aus den beften Reifebefchreibungen,
aber im Gelhmade eines Reifenden, wie Rouifeau (©.
Eril-s. TH. Über die Reifen) muß ein lebendiger Aus:
zug’ alles belieben! Welche Welt Hier für den Jüngling!
zushdren! zu vehalten! wieder zu emählen! aufzufchrei:
ben, Styl Denkart, Vernunft zu biſden: abzuwechſeln
— welche Wet!
Mathematik wird noch nicht anders getrieben, als
mit Phyſik verbunden: wie viel aber kann und muß
da ſchon getrieben werden, um jene nicht zu verlaſſen!
Zur Geographie fchlicht fih Aſtronomie, Chronologqie.
Gnomonik: zur Kenntniß des Lichts, der Luft, des
319
SBaffers, der Körper, Optik, Aerometrie, Hpdroftatik,,
Mechanik: zur Kenntnif der Kürten, Geometrie und
perfpektiv — von allem alfo lebendige, nette,. vollſtän⸗
sige Begriffe; ift der Raum Elein oder groß?
Aber es kommt noch ein größerer, die Sftorie,
dieſe muß jeto ſchon eine Hiftorie der Völker werden,
und wie das? daß fie dem andern freu bleibe, nur die
Haupiveränderungen und Revolutionen jedes Volks ers
zähle, um einen jekigen Zuſtand Zu erklären, wie ber
Geift der Kultur, der Bekanntheit, der Religion, der
Wiſfſenſchaften, der Sitten, der Künfte, der Erfindun⸗
gen von Welt in Welt ging: wie vieles dahin ſank
und ſich vertor; anderes neues herauf Fam und ſich
fortpflanzte: wie biefer mit. jenem Geſchniack abwech⸗
fette, und meiter furtging, und der Strom der Zeiten
ſich immer fortfenkte, bis er unfere Zeit gab, den
Punkt, auf dem wir fliehen. Man fliegt, viele Hiſtorie
ift mihts, als eine Reihe von Bildern, in vielen Gats
tungen ; nar mrüß in Eeiner Fein eimiger todter Begriff
gegeben werden, ferit ift alles verforen. Don Eeinem
Geſchmack. ‚Erfindung, Kunit feine Geſchichte gegeben
werden, wo nicht der Begriff fhon in der erften Klaſſe
liegt, von keinen Revolutionen z. E. in der Politik,
feinen Kriegslehre u. ſ. w. erzählt iwerden,. wo nicht
der Serdtavuntt fyon vorgefiedt if. Man, fleht, daß
Hier nichts von unferer Geſchichte dieibt, Keine Reihe:
von Königen, Schlachten, Kriegen, Geſetzen, vder elenz
ven Charakteren‘; alles nur aufs Ganze der Menfch—
heit, und ihrer Zuſtände, der Völkerwanderungen und
Einrichtungen, Religzionen und Geſetze und Denkarten,
Sprachen und Künſte — lauter Hauptbegriffe. Keine
Geſchichte einer einzelnen Kuuſt wird hier vollftändig
gegeben, fo wenig „ als eine einzige volftändige Theo—
rie zum Grunde lag. aber der Same zu allen Theos ,
rien und allen Geſchichten einzelner Künfte, Willen:
fdaften, Geſetze u, f. w., fofern er im Strom der Zei:
820
ten letendig berbeigefhtwommen, daſteht. Bir. haben
genug Geſchichten des Hevolutions von Zranjofen um
Ongiindern; alte find fehr zu brauden und. Beine fol
vergebens da fenn ; nur keine muß, wie fle iſt, gebraudt
merden, und Rollin am wenisfien. Seſchichte ber
Guben. von Prideaur, der Aegppter von Me
tieni, Mallet mit Shaw, und mit Pacod ws
buaden, der Chinefer von Dühalde,. der Jay |
nas von Sämpfer, der Tariaren von be Buig
nas, des Indianer und Perfer von Tayernier
den, Araber von. Murigni, ber Griechen wor
Bindelmaun, Mably u. f mw. von Rom. vos
den. neuern Böltsrn — welche große Anzahl Sam
lungen, im der ih nicht eher ruhen will, bis. ich. eime
Eine Fompiete Sammlung. der beften in jeber Gattung
hate, und mis daraus eine Gedichte des naenfd
hen Gefhlehts made Abbt ünternathhm fie
und führte fie nicht aus; Boſſuet Hat einige wor
tafidee Bilder, Boltaire.noh nubbarers Betrach
tungen: die Boyſens und Häherlins fammeln
om. de Mehegans u. a, behandeln auf ihre Art:
dia Gatterers fixeiten Über hilloriſche Zunft; ich wid
nichts als eins bildende materielle Seſchichte
des. menfhlihen Geſchlechts fuhen, vol Pur,
nemene und Data... Montesquieud Gaeiſt der Ge
fege, und der Römer, Hume über England, Bat: -
taire, Mably, Goguet, Windelmannu.f.w.
find: hiezu große Männer ı doc ich gerathe zu weit —
In diefem großen Zortfluß der Gefhichte iſt Grie
chenland ein kleiner Pla, und in diefem Meinen Pat
die Mpthofogie eine einzelne Merkwürbigteit —- immer
merfwürdiger, als Hundert andere Mythologien, ba fe
fi Über drei große Völker und fo viel Seiten und
Dichter und Beltweifen und Künftier erſtreckt, die bie
Lehrer der Welt find. Sn der Runft und Dichtkunſt
iſt biefe Mythologie am fihtbarften, am ſchönſten, am
an:
!
321
anfchaufichften: in jener wird fie wie eine lebendige Dat:
tyliothet für Kunft und Dentart und Poefle und Na
tionafgeift ftudiret: und allerdings ift fie ein großer
Beitrag zur Gefchichte des griehifhen Seiſtes. Statt
der bioßen zerſtückten Erklärungen Eönnte man für die
Zugend fhöne Stellen der Dichter, ganze Beſchreibun⸗
gen und-ganze Gedichte auffuchen, und die todte Kunſt
durch bie Tebendige Poefie beleben. Weberhaupt Tann
man nicht zu vier tun, um das bloß Zabelgafte in .
der Mythologie zu zerfiören; unter folbem Schein, als
Aberglaube, Lüge, Vorurtheil Hergebetet, ift fie uner⸗
trägfih. Aber als Poefie, als Kunft, als Nationaldenk⸗
art, als Phänomenon des menſchlichen Geiftes, in ih:
ren Gründen und Zolgen ftndirt: da ift fie aroß, gött:
lich, lehrend!
Der Uebergang von Mythologie ber Griechen auf
Se ſchichte unferer Religion ift rafch, und Hier nichts als
Zu fat: diefe ift Hier, wie eine Gefchichte der bibliſchen
Bächer aus Zeit, Bolt, Nation, Denkark zu ſtudiren.
Es iſt nicht zu ſagen, was ein ſolches pragmatiſches
Studium der Religion für Nutzen brachte: noch iſt Fein
Compendium, Fein Setem in der Seele der Jugend
präetablirt, noch ift nichts als chriſtliche Oekonomik der
Kirche nah Luthers Katechismus getrieben; jetzt wird
Geſchichte, die es aus Zeit und Volk erklärt, wie Theop:
nevftie, und die Schriften der Theopnevftiie müffen ver:
fanden werden. Das wird angenehm, wie Geſchichte,
wie lebendige Gxegetit, wie ein Hinwandeln in andere
Zeiten und Länder. Das wird bildend und pragmati:
ſche Einleitung zur Quelle der Theologie. Das gibt auf
lebenslang Hochachtung und DVerftand der Religion: das
ift das befte Mitter, ein neues chriftfihes Publifum zu
fhaffen. Mit dem Katechismus der Menfchheit wird
dabei fortgefahren, und er ift das Buch zur Bildung.
Ordnung des Heild wird nicht anders getrieben, als fo:
fern fie jedesmal aus der Bibel im Zuſammenhange der
Servers Werte . Philoſ. u. Beh. X. © 21
\
Zeit, Gefcidue erh Sinnes feigt: Das einzien Miei clan:
mahre Dogmmit,zu befomumen ; Die. weder cine Einnumiung:
dbibliſcher Spräche, noch ein ſcholaſtiſches Gpftem fen.
In dieſem Zeitraum muß die Einbilsungskraft tes
von; wie im erſten Sedaͤchtnig, Nengterde, Sinn und
Empfindang befriedigt wurben. Hirr jſt alles Birh, Ber
mahlbe, dir erſte Schritt von bee Erfahrang zum Male
fonnement, was jetzt foigt. —
und das wird die dritte Klaſſe. Hier wird die,
Phyſik ſchon In ihren abſtrahirten Grundſätzen, im I
fammenhang einer Wiſſenſchaft gezeigt. So auch bie
Mathematik und Hier wird's atfo ſchon Geſſchtsphntt
eine Schlußrelhe zu Überfehen, mie fie die Ntewtone ge
dacht und wufgedadt haben. Gbenfalls näfert fich bie
Naturgeſchichte einer Kette; bloß der Orbnung und bes
Usberfehend wegen; bloß alſe aus. Schwäche und: nicht
aus Nothwendigkeit. In allem. Diefem voflenbnek : fie
jetzt Philoſophie der Natur; allgemeine große Ausſich
ten, um fo viel als möglich die Kette der Weſer au
zurühren, bie in dee Natur herrſcht. Wen Remton
dis Maupertuis, von Enter bis Käftner sieh
Hier Lehrer des menfchlichen Geſchlechts, Prophaten Dee
Natur, Ausleger der Gottheit... Auf forhe Axt wire
das Spftem. nid: zu frühe Geift der Erziehung; es
kommt aber auch nicht zu fpät: es ſchichtet die Serie,
gibt der Jugend den letzten Drud, und Ausfihten auf
die ganze Zeit des Lebens. Hier betiene man ſich das
Sußerrihen Geiftes, der . Encyklopaͤdie, um bei allem
Stufe der Vollkommenheit, Mängel und wahre Beichak
fenheit zu zeigen: man werbe Überall, wie Bacon, um
- auf Lebenszeit zu entzünden und den Yüngling auf: bie
Akademie zu Taffen, nicht als einen, ber feime Studien
vollendet Hat, fondern fie jetzt erft anfängt, und dazu
auf die Akademie und aufs ganze Lehen eingeweihet
wird. Gitern, Obrigkeiten Eöunt ihr's genug belohnen,
daß man dadurch Faulheit und Ausfhmeifung bei eurer
/
®
388
Keterawtfchen : Jugend auf: Mademien faſt unmöglich,
moratifch wenigſtens unmöglich macht?
U Geographie wird hier eden ſo vonendet. Ein.
lebendiger Abriß ver Statiſtik jedes Landes, umb- des
Zeafam merhanges allbe Länder durch Sprache, Kommerz,
Politie u. ſ. w. HYler wird, wer: Geiſt dazu: at, eins
gerseinet, um em Ernte der Nationen: zu werdet;
ihr Interefſe gegen eimander wird gewagen: er we:
gleiche, denke, waͤhbe verdeſſere ordne. Wie viel Unter⸗
wiſſenſchaftfen oͤſſnen Mt: hierr Oekonsmie bes Landes,
Seſetzgednung, Handel, in alten ihren Z2weigen! zu allem
die Sartentötner, zu aim die: Morgenröine zu einem
glũcktichen Tageı — — gier ſchueßt fih-die Geſchichte
an. Sie Faß fih ſchn auf jedes Reh im Detail ein,
und fa werden Könige, Reihen, Gefchlechter, Namen,
Kriege „u. f. w. unvermeidlih. Alles aber wird nie
eine Seſchichte der Könige, der Geſchlechter, ber Kriege:
fondern des Reichs, bed Landes und alles deffen, was
zu deſſen Gtüdteligksit oder Abfall beigetragen Hat oder
nicht. Es verſteht ſich, daß es hieher ‚gehört, wie fi
alle Meiche zufammenfhlingen, au bIoß in yolltiihen
Vertraͤgen betrachtet: dieß ift der letzte und veränders
lichfte Theil der Geſchichte: nad) welchen Ausſichten üter
alle: Zeiten und Bölker nah dem Genie des Mohtes:
quieu, dem Bemerkungsgeift eines Mably, der Potirie
eined Hume u. f. w. Erziehung, die für unfer Zeitalter,
mo der kriegeriſche und Religionegeift aufgehört Hat,
wo nichts ats der Kommerz :, Finanzen: und Blidunge:
geift herrſcht, fehr nötig. und nützlich if.
So wie jede Lehre auf biefer Klaſſe ſchon übers
Haupt näher dem wiſſenſchaftlichen wird, fo auch bie
Künfte und Handwerke. Hier müſſen einige 5. E. Zeich⸗
nung, Mahlerei, in befendern Stunten vorausgefekt,
und mit Hüffe diefer von andern durch Nachzeichnungen
u. ſ. w. Nachricht gegeben werden. Alte Inſtrumen⸗
talkuͤnſte find in dieſem Fette die ſchwerſten: was ſoll
525
“nan von ihnen zeigen? Sinfteumente? Die wirken nur,
indem fle wirken, und diefe Momente find in iguen
nit fihtbar. Wortbefchreibungen?! Wie elend, wie
ſchwach, wie leicht werden fie die Sprade eines Hal:
le!a) Man befuhe atfo die Buben einiger Künfter
z. E. Uhrmacher u. f. w. und pflanze nur dem jungen |
Menihen Luft ein, die andern jelbft zu beſuchen. Man
zeige ihm, wie viel Geiſt, Fleiß, Erfindung, Verdeße⸗
tung, Vollkommenheitsgabe in alien ruhe, und daß die
dee Theil der Menfchen der naͤchſte ſey an der unnad
ahmlichen Kunft der Thiere, die gewiſſermaßen Kunf
der Natur ſelbſt if. Hier fiehet er den größten Shan
platz des menſchlichen Geiftes, ben der Züngling fe
Seiht und gern verkennen lernt, und darum blind bleibt.
Auf diefer Klaſſe iſt's erft Ort zur völlig abſtrakten
Philoſophie und Metaphyſik, mit der man fonft m
Ffrühzeitig anfängt: die aber Hier unentbehrlich ift, und
auch eine ganz andere Geftalt anntınmt. Sie ift Hier
‚208 Refultat aller Erfahrungswiſſenſchaften, ohne bie
fie freitich nichts als eitle Spekulation wäre, hinter de
nen fie aber auch der bifdendfte THeit if. Die Piyde
logie, was ift fle anders als eine reihe Phyſik der
Seele? die Kosmologie anders ald die Krone der New:
tonfhen Phyſik? die Theologie anders ald eine Krone ii
- der Kosmologie, und die Ontologie endlich die bildendfe
wiffenfhaft unter allen... Ich geftehe ed gern, dag wir
noch Feine Philoſophie in diefer Methode Haben, die |
‚recht SJünglinge bilden könnte, und die Ontologie infon:
derheit, die vortrefflihe SLehrerinn großer Augfichten,
was ift fie, ald Terminologie geworden! O was wär
hier eine Metaphyſik in dieſem Geifte durdgängig, feine
Ausfihten von einem Begriffe auf einen hoͤhern ausju
“breiten, im Geift eines Laco, was wäre das für ein
A) Verfaffer einer „Werkſtaͤtte der heutigen Künfte,
4
4
— — — — — un
335
Bert! Und ein Iebendiger Unterricht darüber im Geiſt
eines Kant, was für himmliſche Stunden!
Die Logik wird nichts ald eine Experimental⸗See⸗
lenlehre der obern Kräfte, und fa wird fie ein ganz
. ander Ding, als fie iſt. Welch ein Abgrund von Grr
fahrungen, mie die Seele ideen fammelt, urtheilet,
fehtießet, Tiegt hier verborgen, und was ift die Eleine,
elende A. B. C. Tafel, die unfere Logik enthält! Man
muß immer verbergen, daß man Iehren will, und nur
Ideen aufweden, bie in uns ſchlafen; unfere Logik thut
das Gegentheil, nichts als Tehren thut fie, und fiehe!
ſie lehrt troden und erbärmlich. — Eben hieraus leuch⸗
‚tet ed hervor, was für ein Eleiner Their in ihr ent:
deckt fey: weld sin weit größerer iſt die Aefthetit, als
eine PHifofophie der Sinne, der Einbildungskraft, der
Didtung! — Welch ein: größerer, die Philofophie des
eigentlichen Bonſens, worunter das Wahrſcheinliche, das
Phänomenon u. ſ. w. nur kleine Funken find, und die:
die wahre Lehrmeifterinn beö Lebens wäre.
Ehen fo die Morar mit der Seelenlehre, die Ethik
mit der menfchlihen Natur, die Politit mit allen Phaͤ⸗
nomenen der bürgerlihen Haushaltung verbunden! wie
ſchließt fidy alles an, was für ein Baco gehört dazu,
um dieß alles nur zu zeigen, wie es in den Plan ber
Erziehung und Aufweckung einer menfchlihen Seele ge:
hört! der ed ausführe und feldft dahin vilde!
Die Theologie tritt Hier heran,. wird ein Syſtem,
aber vol Phirofophie eines NReimarus, fo wie fie in
der vorigen Kiaffe vol Philologie eines Michaelis und
Ernefli war. Alsdann wird fie weder ermüden, noch
verekeln: fie wird denkende Chriften und phitofophifce
Bürger machen — und wohl dem, der mit ihr, als
Theologe auf die Akademie geht.
Auf die Akademie gent, und fiehe da! eine
Krone aller Philofophie. den Jüngling zu erheben, daß
er fih ſelbſt veſtimme, feine Studien recht einzurichten:
%
—
585
vohfie, gut Yefe, Höre, betrachte, genieße, fehe, fügte,
lebe, daß er wife fein eigner Herr zu feya. Wiek win
ppthagoraͤiſch Collequum: Wie ‚ein Beipeich weit fich
ſelbſt bei'm Schluß des Tages! Geßners Encykiopaͤnie,
mit mehr Reulität durchwürzt, wäre darüber das Safe
Lehrbuch und Sutzer ihm zur Geite. euer, um bis
menf&liche, diefer, um die geiehrte Seite des Jünglings
zu deden: jener mit dem Geift eines Rouffenu „ dieſer
eines Baco erklärt: das muß- anfeuern, bilden ad auf
die ganze Lebenszeit anfoßen! -
Ich Habe mih über Spraden nicht aufgelaffen und
alſo nur drei Klaffen geſetzt: denn es ift befier, daß
man fange auf einer Klaſſe beide, als zu gefchmwinde
fpringe. Sit der Lehrer derſelbe, fo ift eine ſolche zu
Öftere Beränderung nur ein Name; iſt er ein anderer,
int feine Methode anders, fo ift der zu öftere Sprung
ſchädlich. Ueberdem giht's Hier wirffi drei Stufen in
der Natur dee Sache: das Kind Lernt nihte, ars fi
aues erktären, was um ihn iſt, und er fonft nur ſchwa⸗
ben würde, und Tegt durch Neugierde, Sinntichfeit und
Cmpfindung den Grund zu allem: der Knabe dehnt Ai
in Ausfigten und Kenntniffen Ber Einbiſdungskraft fo
. weit aus, als -er Einn, und überfliegt das Reich der
Wiffenfhaften in hellen Bildern: der Züngfing fleigt
auf alles herunter, und .erforfht mit Berftand urd
Bernunft, was jener nur Überfah. Sinn und Gerühl
‚ if alfo das Inſtrument des erften; Phankafle des an:
dern, und gleihfum Geficht der Serie; Bernunft bes
dritten und gleichſam Betaftung das Geifled! Der Mu
terie nad) theitte ſich jete Stufe wieber In drei Behäftı
niffe, Raturlehre, menfchlihe Seſchichte und eigentkiche
abftrafte Philoſophie. Go z. E. in der erfien Klaffe:
Naturlehre, Geſchichte, chriſtlicher Katechismus. In der
zweiten, Naturlehre mit Naturhiſtorie und Mathema—
tif: Seographie und Geſchichte: Sinleitung in die Ges
(dichte der Religion und Katehismus ber Menſchheit.
- \ _
r
*
In der bäkten Malhematik und Phpſik und Künfte:
Bergraphie, Gedichte und Politik, Metaphyſik, Philo⸗
ſophie, Theologie, Encyklopädie. Die Eintheilung iſt
ũ verall natũrlich. Der Phyſiker kann nicht ohne Ma:
thomatit und umgekehrt: tr Hiſtoriker nicht ohne Geo⸗
graphie und umgefehrt:: der Philoſoph nicht. ohne Rell:
gion feyn und v. v. Das: erfte ift für den Sinn, das.
andere fürs Gefiht des Geiftes und Einbildung, das
dritte für Berſtand und Vernunft: jo werden bie See -
- Ienträfte in einem Kinde von Jugend auf gleichmäßig
ausgebeflert, und mit Proportion erweitert. Das iſt
das Kunſtſtück aller Erziehung und ber Glückſeligkeit
des Menſcchen auf fein ganzes Leben!
Hiezu Habe ih alſo drei Lehrer, oder neun Lehrer,
oder im höchſten Nothfall nur einen nöthig. Das erfte
ift das beſte, und jeder der dreien lehrt auf drei Stu:
fen feiner Klaſſe: dieß ift von außen gut, um ihm
durchgängiges Anfehn zu verſchaffen; “und von innen,
um ihm mehr Raum zu geben, son unten auf feine
Wiſſenſchaft zu exkoliren, die mancherlei Stufen berfel:
ben in Evidenz, Notäwendigfeit und Bildung zu zeigen,
- Methode des menſchlichen Geiftes in drei Kraffen zu
lernen, und ihm endlich, wenn er fi feinem Felde gibt,
Aue von außen und von andern Arbeiten unb Der:
wirrungen: zu verfchaffen. Der Schüler wiederum wird
an eine fortgehende Methode gewöhnt, flieht, daß er
immer ber Lehrer ift, der vorher mit ihm Kind war,
jetzt Knabe, jebt Züngling wird, und getwinnt ihn defto
Yieber, indem er ihn immer beffer verftehen, nußen, ans
winden lernt. So wirb das Gebäude ohne Verwirrung
und ohne Unordnung, und da ber Vormittag vier Stun:
den gibt, fo bleibt jeder eine übrig, und die vierte zu
‚ einer Sprade. Die ganze Realſchule wird alfo ein ſimpler
Plan von drei Klaffen, drei Lehrern; neun Abſchnitten
und neun Hauptarbeiten, die aber viel unter ſich begreifen.
—
"528
Kraffe ı. Kraffe 2. Kaffe 5.
Natur. Geſchichte. Abſtraktion.
Ord. 1. lebendige Nat. Hit. lebendige Geſchich te aus al⸗ Katehism. Sprüde:
einzeln. | ter Zeit, einzeln. deutſche Poeſie und Sprache.
Ordne 2. Naturlehre. Geſchichte m. Geograph. Einleitung in die Geſchichte
künſti. Mathem. | ünftt. Bilder alter Völker. \ ‚ der Religion und Katechis⸗
Phyſit. II aller Zeit T mus der Menſchheit.
” unfrer Seit
DOrdn. 5. Naturwiffen ISefhihte u. Geograph.Philoſophie und Metaphyſik.
ſchaft. politiſcher Grund aller Zeiten| Logik. Aeſthetik. Bonſens.
ſcientif. Mathem. - — Vöoͤlker Moral. Politik. Ethik.
Phyſik — — unſrer Beit, Theologie. Encyklopaͤdie.
Naturlehre nn
r
' Künfte |
\
—
Po - ...
*
—R nn on —
x
829 .
Es iſt natürlich, daß Ih dazu faͤhige, willige, ju⸗
gendliche Subjekte von Lehrern noͤthig habe: Obere, die
wich äußerlich unterſtützen, mit Raum, Zeit, Inſtru—⸗
menten, Bildern: und dann Lehrbücher. Es wäre nicht
unnüg, wein ber Auffeher einer Schule ſelbſt Schemata
zu den Iehten gäbe, wo wir fie noch nit gebrudt ha⸗
ben : gedrudt aber find fie in gewifem Maße nah ums.
ferer Weld befier, und nad der Pythagoräiſchen hlimmer.
Jetzt Sprachen! — Sprachen? Es wird immer
einen ewigen Streit geben, zwiſchen lateiniſchen und
Realſchulen: dieſe werden für einen Erneſti zu wenig
Latein, jene für die ganze Welt zu wenig Sachen ler⸗
nen. Man muß alſo ſtückweiſe fragen: iſt die lateini⸗
ſche Sprache Hauptwerk der Schule? Nein, bie wenig:
ften haben fie nöthig: bie melften Iernen fie, um fie zu
vergeilen. Die menigiten wilfen fie auch auf ſolchem
Herben Wege in der Schule felbft: mit ihr gehen die
beiten Jahre Hin, auf eine elende Weife verborben: fie
Henimmt Muth, Genie und Ausfiht auf alles. Das ift
alfo gewiß, daß a) Feine Schule iſt, wo man nice,
als Latein Iernet; ih babe ihm zu entweihen geſucht,
da ich drei völlig unabhängige Realklaſſen errichtet, wo
man für die Menfchgeit und fürs ganze Leben Iernet.
b) Daß keine Schule gut ift, wo man nicht dem Latein
entweichen kann: in der meinigen ift’d. Wer gar nicht
nöthig Hätte, Latein zu lernen, hätte Stunden genug,
in dem, was gezeigt iſt, und gezeigt werden fol. c)
Daß keine gut ift, wo file niht wie eine lebendige Spra⸗
che gelernt wird. Dieß fol entwicdelt werden.
Man Iobt das Kunftftüd, eine Grammatie, als
Grammatik, ats Logik und Charakteriftie des menſchli⸗
hen Geiftes zu lernen: fchön! Sie iſt's, und die latei⸗
niſche, fo fehe ausgebildete Grammatik ift dazu die beffe.
‚Aber für Kinder? Die Frage wird ſtupid. Welcher
Auintaner kann ein Kunſtſtück von Caſibus, Deklinas
tionen, Konjugationen und Syntaxis philoſophiſch Über:
n
|
ent WE ſcht its, als Rs. töbte Bellinbe, dei
Yan Dadi mut, Uwe 'mnberielen Mulper (zu -Kaben,
some eine Sprache zu ſernen. "Go. uiit vr ip Hin
und hat:
‚ die we Hier von der wOltofopgäfer
Yerm einer Gpeadye Seksinmt, Weiden in ihen, umb wen
zettig genug wiamak entwicketn. Sicht wahr:
amt "Anlage: zur Philsſephie der Sprache, aber
ſich aus meinem Donat je in mie entwickell?
Weg alfo das Latein, um an ihm Geaumnatft a
Lernen; hiezu iſt Keine ‘andere in der Welt ats unfere
Mutterfprache. Wir Iernen diefe dumm und unwiffend:
durch fie werden wir klug tim Spreden und Tchräfrie
Im Denken: wir reden fremder Leute Worte. umb &kt:
woͤhnen und eigener Gedanken. Was für Geſchaͤfte hat
wier die Unterweiſung, und welches wäre feier ats
dies? Die ganze erfte Kiaffe von Naturhiſtorie iſt
«in lebendig phftofophifches Wörterbuch der Begriffe m
und, fie zu erffären, zu verſtehen, anjumenden: oe
Pedanterei der Logik, ohne Regeln der Srammatit. Di
ganze erfte Klaſſe der Seſchichte Fit Uebang in ber leid:
teften, Yebendigften Syntaxis, in der Erzählung des $i
ſtoriſchen Styls. Die ganze erfte Klaffe für die Em
pfindungen ift Rhetorik, erite Rhetorik der Sprachener
gie: alles lebendige Urbung. Nur ſpät, und weni |
aufftchreiben; aber was aufgeichrieden wird, fey das le
dendigſte, befte, und was am meiften der Ewigkeit dei‘
Sedaͤchtnkfſes würdig if. So fernt man Grammatik
aus der Sprade; nicht Sprache aus der Srammatil.
Go fernt man Styl aus dem Sprechen, nie ſprechen
aus dem Yänftlihen -Seyl. So Iernt man bie GSpraik
bee Leidenſchaft ans ber Ratur, nit diefe aus Ber
Kauf. So wird's Gang, erft ſprechen, 9. i. denken,
Merken, d. i. erzählen, fpredhen, db. i. bewegen
4@ Eeruen; und wo iſt hior Hit dee Grund getegt:
Die eufte Maſſe der Sprache ſad :umo Muktenfpranue, He
—
85:
ig written: werigen: zufenumenfdfiuge, und immer Cine:
Arbeit auf Eine Serie fortieke. Mer Lehrer Ichre den⸗
Gen, ergählen, bewegen: der Schüler lerne dieſe drei: fe
(ernt ex ſprechen: diefe Maße iſt .alio miht von der
‚ vorigen, ber erften Dronung durch alle drei Klaſſen ums
terfchieden. Die. wöidbergolung. und Meigobe des behrers
iſt ſchon Epramäbung.
Aus dieſer erſten Ordnung bed Sprechens folgt
in der zweiten das Schreiben; und alſo der Styl.
‚ Laß den Schüler die Erfahrungen und Verſuche, bie er
flept, in aller Wahrheit aufſchreiben: die Bilder der Hi:
ſtoörie und Geographie in altem ihrem Lichte auffchrets
ben: die Einleitung in die Geſchichte der Religion und
Menichheit in alter Stärke aufſchreiben, und er hat alfe
Lebungen der Schreibart, weil er alle der Denkart hat.
Gr Ternt freitih damit nicht fachenfofe, ekle Briefe,
Chrien, Perioden, Reden und Turdatrerfe machen, bie
bei alter Ordnung noc Turbatverfe, bei allen Materia⸗
lien Schulchrien, bei allee Kunft der Wendung Tinte
Perioden, bei allem Geſchrei kalte Reben bleiben; aber
er lernt was beffers: Neihthum und Genauigkeit im
Vortrage der Wahrheit: Lebhaftigfeit und Evidenz in
Biiderr, Befhihten und Gemälden: Stärfe und uns
aufgedunftete Empfindung in Situationen der Menfchr
heit. Jene erfie Methode verdirbt in Briefen, Neben,
Perioden, Chrien und Verſen auf ewig: fie verdirbt
Denk: und Schreibart: gibt nichts und nimmt vieles,
Wahrheit, Levhaftigkeit, Stärke, kurz Natur: ſetzt in
keine gute, fondern in Hundert üble Lagen, auf Lebens:
zeit, macht ſachenſoſe Pedanten, gefräufelte Periodiften,
elende Schulrhetoren, afberne Briefſteller, von denen
Deutſchland vol ift, if Gift auf Lebenszeit. Die
meinige lehrt altes, indem fie nicht zu Lehren
fheint: fie ift die bildendſte Klaſſe des Styls, indem
fie nichts als ein Regifter amderer Klaſſen it, fo
wie auch wirktich die Worte nur Regiſter der Gedanken
332
find. Sie gewwögnt alſo dazu, nie eins vom andern m
tuennen, noch wentger fi auf eins ohne das ander:
was einzubliden, und am wenigften, dad eine gegen das
andere zu verahten. Mit ige erfyart man unendlig
viel Seit, unnäge und unmöglihe Mühe, bie auf je
dem andern Wege ſeyn muß, thut mit Cinem, wad
nicht durch fieben gethan werden kann, bildet fachenreiche
Köpfe, indem fie Worte lehret, oder vielmehr umgekehrt, |
lehrt Worte, indem fie Sachen Iehrt, bildet den Ppilofes
phen, indem fie den Naturiehrer unterrichtet, und hebt
alſo zwifhen beiden den ewigen Gtreit auf: bildet den
Schriftfteller der ECinbildungskraft., indem fle aus der Ge
ſchichte und Weltcharte unterrichtet, und hebt alfo zwi:
fchen beiden den ewigen Streit auf: bildet den Redner, in;
- dem fie den Philoſophen der Menfchheit bildet, und hebt alfo
zwifchen beiden den ewigen Streit auf. Der Logiker umd
der Naturerklärer wird Eins: was er urfprüngtih auch
ift, und in den Tſchirnhauſens, Pascals, Wolfen, Käfts
ners und Lamberts war. Der Sefhidt: und Schön:
fchreiber wird Cine, was er urfprünglih auch war, da
die Herodots, Zenophons, Livius, Nepos, Boccaze, Ma
chiavells, Thuane und Bofluets, Hume und Windel
manns galten. Der Redner in’d Her; und der Rebner
über Situationen der Menfchheit wird Eins, was exe
auch war, ba bie Platone und Demoftgene, die Catonen
und Liceronen, die Boſſuets und Bourdaloue und Rouſ⸗
feaus u. f. w. noch ſprachen. Da war im erften Fache noch
feine Baumeifterfche LogiE, im zweiten Feine Gattererifche
Hiſtorienkunſt, im dritten Feine Ariftoterifche oder Lindner’:
fhe Rhetorit vorhanden. Da lernte man befchreiben, er⸗
zählen, rühren, dadurd daß man fahe, hörte, fühlte! —
Die dritte Ktaffe wird hier eine philoſophiſche Klaſſe
des Styria, wie es fchon ihre Arbeiten mit fi bringen,
die nichts als Philofophie find. Nichts in der Wert ift
fhwerer, als Kunft und ‚Handwerk zu befchreiben: -wie
gut muß man gefehen haben! wie gut ſich auszudrücken
{
1
333
weißen! wie oft feinen Syl wenden, Worte fuchen,
sand recht fürs Auge reden, damit man begreiflich wer⸗
De! Und dazu führt die erfte Ordnung — zu einer
Sattung von Styl, die ganz vernachlaͤſſigt wird, zu ei⸗
arer Gattung, in der die Halle's ſo elend ſind, zu
einer Gattung, die für alle am nöthigſten iſt, für
Rrufmann und Handwerker , für den Mann von Ge:
Kchäften und Erfahrungen, für alle. Hier ift Gellert
elend, wie ed Mai durch fein Beifpiel zeigt: und hier
äaſt doch die wahre Nutzbarkeit und Würde der Schreibs
art, in unferer Sachen: und politifhen und Kommerzs
und Öfonomifhen Welt, vom Staatsminifter bis zum
Sproieftmader, vom Müplenfchreiber bis zum praßtis
ſchen Philoſophen, vom Handwerker zum Kaufmann.
Hier zeigt fi die rechte Würde, in welder z. €. ein
Baumeifter, ein edler Mechanicus, ein Kaufmann,
wie 9. und ein Staatsmann reben , ber nicht wie in
Regensburg fhreibt. Hier find wir Deutihe mit uns
fern Kreis: und Stantsgefhäften, mit unfern Oekono⸗
mie: und Handelsbüchern, mit unfern Pütters und
Eſtorrs, noch ſehr Hinten: bier muß der ZJüngling ans
-fangen unb vollfommen werden.
Daſſelbe bezieht fih auf die zweite unb deitte
Klaffe_diefer Materie; wo er in allen Arten -der Rea⸗
lität — von Politik His zur Philoſophie Unterricht er:
Härt, und hier eben wird die Rhetorik in ihrer großen
Allgemeinheit erft offendar. Beſchreibungen von Kün:
ffen und factis: Befchreidungen von den Gründen eis
ner Situation, d. i. Politik und dann NRaifonnement
His zu allen Gattungen der Abftraftion; o wie viel
Arten des Styls mehr, als unfere Redefünfte geben !
Bortrag in, Metaphyſik, Logik, Aeſthetik, Bonfeng,
Morar, Ethik, Politik, Thedlogie; allemal in ihrem
Umfange! — Gott! weicher Reihtyum, Berfchiedenheit,
Menge an Materien und Formen! und endlih von al:
Tem aus philoſophiſche Blicke auf Sprache und alles! —
!
im Dad in: Styl VerrWutteeh me une for® nigiste
der Wett
Ieder Lehrer tigt in ſeiner · Mae: ten en m
dert: Dratertarien dazu; bie Auffitt und Adrtekfur ver
feinen: gendrt dem Inſpector. So kernt ert jeden Sri
der ganzen Schule, jebes Berdienſt jedes Leheers, jedes
Talent jedes Schükters, und’ jeden Fortgang jebes Ti:
kents derſelben in vollen Maße, und nicht durch Be⸗
horchen der Lektivnen, nicht durch Berichte der Lebter,
nicht durch fatſthe, vage Erpforatorten und Crekimk,
ſondern durdy Prosen und Effekte’termen: Tier Lehrer
Hätte nichts zu thun, als die Schhfer- dazu auyanateel,
und der Inſpector dem Lehrer am oder Lehrduch zu
geben: alles thut fi von ſeidſt, ohne Birterfeit, Wr
flerungsbegterve und Herrſchfucht. Die erfte Klaſſe: de
nicht ſchreibt, fondern fich nur übt, zeigt‘ Heike - tete:
gen kindlich anf und erzählt deſto mehr: das iſt Der
als Paränetifhe und Befunde: das tft das: jugert⸗
liche Wettſpiel feuriger Kinder. Cine allgemeine Ber:
fammtungsftunde der Lehrer und Shüter, wo die-wäh
digſten hervorgezogen, bie unwürdigſten geffchter, umd
eben dadurch auch den Lehrern Aufinunterungen gegeben
‚werden. Eins freundſchaftliche Stunde mongatlich unter
Lehreun, wo man. nidt beiet, ſondern ſich deſpricht,
ſich freuet, aufmuntert, ergeht, als Mitardeiter in
einer Ernte! — Eigentliche Rhetorik und Poetit- als
Kunft ift noch nicht: Hier, fe wie ſpaͤter „hinten. Fam
men:t-
Man flehet, daB ber Lehrer in: jeder. Sturite Bias
verialien gibt; der Schülern fie: zu Haufe, odec in Wer
letzten Dieeteftünde :ausarbeitet: und der: Inſpector Bat
wögeritlich neun oder wenigftens ſechs Stuuden nötig: um
altes zu Hören, -zu Tefen, zu beutthelten. Man begostft,
baß eben darkit ein ganızur großes Quantum ven. feidit
wegfalle. Daraus wird werhfslimwelie: eine Geſchnhte
der Atdeiten gemacht, wie die Geſchichte, die. Memoiren
. 32% . . |
ber. Akademien: die bleibt bei: der Geha: Die Anal
bes. Korrekturen wird: jebem Schüler. gezeigt, und des
Rector wählt nur die: Meiferftüde, um zum: Denkmal
and. zur Verewigung ber: Guten im Muchiv: ber Schule
anfbehaften. zu werden, Es verſteht ſich, daß Die:-gen
rüsten Zoulen chen fo. aut: im Arſhiv der. Schule, weis
auf der Rolle bed Cenſors mit. einer Note aufbehalten
— — — — — —
= nn
— — — —
werden;. nun. daß; dieß jedesmal nur: das drittemal gas
ſchieht. Am: Examen, das jährlih: einmal öffentlich
ifk, wird dieſe Gefchichte, der. Akademie Tank: und ne
feierlishften Stunde. vorgelefen. Der Lehren hat eine in
feinge Klaſſe, wenn er will; die von der Schule bleibt
bei dem Rector, aud: äußerliche Ungezogenheiten der
Schälerrage: zu verhüten. Der Rector iſt felkft. de _
Sekretaͤr davon , ber; ed: monatlichh aus den llehungen
herauszieht, und in dem. Verſammlungean vorlleſet.
Nach der Mutterſprache folgt die franzoſtſcho: denn
fie ift die allgemeinſte und unentbehrlichſte in ECuropa
ſie iſt nach unferer Denkart bie :geblivetfte: der ſchoͤne
Styl und der Ausdruck des Geſchmacks ift am. meiften
in ige geformt; und von Ihr in andere Übertragen: fie
iR die. Veichtefte und einförmigfte,, um. an: ihr einen
Praegustus der philoſophiſchen Grammatik zu neh:
mm: fie if bie ordentlichſte zu Sachen der Erzählung,
der Bernunft und des Raiſonnements. She muß alſo
nah unferer Welt unmittelbar auf die Mutterfprahe
folgen, und bor jeder andern, felbft vor der lateink
fhen vorausgehen. Ich will, daß felbft der Gelehrte
beſſer Franzöſiſch als Latein Einne.. .
Drei Klaſſen gibt's In ihr: die erſte Hat zur
Hauptaufſchrift Beben ; die. andere Gefhmart; Die
dritte Bernunft — In altem der entgegengeſetzteſte
Weg von unferer Bildung, die tobt anfängt, ypebaus
tiſch fortgeht,. und mürrifh endigt. Es muß ein franı
zöfiher Lehren da fen, der fprehe, Seihmad
und Bernunft habe; ſonſt ſey er von: allem: entnom⸗
536
men. Das arte Wort hieß Leben, und das erfie Se
ſetz alſo: die Sprache fol nit aus Grammatik, ſon
dern Ichendig gelernt werden: nicht für's Auge um
durchs Auge ftudirt, fondern fürs Ohr und durchs Ohr
gefproden, ein Seſetz, das nicht zu übertreten if. Ich
weiß, was ich mir für verwünfdte Schwierigkeiten in
den Weg gelegt, aus Büdern, mit dem Auge, ohne
Schau und Feſtigkeit fie zu verftehen und zu verftegen
glauben: ba bin ih mehr als ein Unwiſſender. Die
erfte Sprache ift atfo eine Plapperſtunde. Der Lehrer
fpriht mit dem Schüler über bie befannteften Sachen
des gemeinen Lebens , wovon überdem die erfte Orb:
nung Handelt: der Schüler Fann fragen, ber Lehrer
muß ihm antworten, und fih nad ihm richten. Gin
Schüler Hat nad bem andern Freißeit (aber nur im
zweiten Theil des Eurfus) Materien vorzuſchieben; nur
alte weitere Methode, Lehre, Zrage, Ausbrur bleibt
dem Lehrer. Go wird der Schüler ein lebendig Ge
fpräh, und wie fchön if, wenn er bas wird und ft:
dann iſt er auf ewig auf dem beflen Wege. Nichts
als eine kleine Geſchichte wird bei dieſer Klaſſe gehal:
ten, nah der fih alsdann der Inſpector richtet, deſſen
Stunde bier, wie dort, .eine Stunde Eindifcher Ba—
billards ift, aber für ihn eine Stunde feyn muß, ber
er gnug thun kann: fonft iſt alles aufgehoben.
Die zweite franzöflihe Kraffe fpriht und Tiefet;
mit Geſchmack für die Schönheiten und Tours de
Sprade: Hier find Boffuet und Fenelon, Voltaire
und Zontenele, Rouſſenu und Sevigne, Erebillon
und Düclos, -Leute für den Geſchmack der Sprade,
der Wiifenfchaften,, des Lebens, ber Schreitart. Hier
- wird gelefen, das Buch geichloffen und gefchrieben;, al:
ſo gewetteifert. Hier werden alsdann die Schönheiten
der Sprache recht erffärt und gehäuft, um einen ori
ginalen franzöſiſchen Styl zu bilden. Uebung und Ge
wohnheit ift überan Hauptmeifterinn,, und fo wie das
” Sehrbuch
.
"337
Lehrbuch der Klaſſe ein Auszug aus Buͤffons, Nollets
und allen Geſchichten, und ein Kakechismus der
Menäneit aus Rouſſeau u. ſ. w. iſt; fo iſt das Ge:
ſchichtbuch der Kiaffe nichts minder als ein Wetteifer
. mit diefen großen Leuten.
. Drittens, und end kommt die philoſophiſche
Grammatik der Sprache. Bei der Mutterfprade hat: .
"ten wir wenig Bücher; uber wir Eonnten file, eben -
weil es Mutterſprache war; lebendig ſelbſt ableiben und
bitden. Hier Haben’ wir net Stoß gute Bücher, Re⸗
ſtauts, d'arnaudbs, Düdlos, :Dismärals,
‚fordern fie: franzöfifche ' Grammarträ auch die leich⸗
tefte unter allen Sprachen. Die Sprache iſt einformig,
philtoſophiſch an Th, fon, vernunftig: ungleich leichter
ars die deulſche und 'rdteinifche, alſo ſchon fehr bearbeil⸗
‚ter — zudem Hard mich “den Vorzug, wenn man’ an
ihr phitsſophiſthe Granimätie' reiht at Mist daß ‚hr
Genie zrölfihen der Tatkinifchen und’ unferer ſteht: von
dieſer wird Alfohusgejängen ; und zu jener jubeteitet.
Dies Studlum tft Hier alfo am 'reiäten Örte, "angenehm
und 'Hlldend: es fagt die Mäntel der Sprache, wie
igre Schönheiten: e3 verbiiibek Perlingen und Uebungen
über bie Werke der großen Autoren ſeibſt. Es über
fh im mechaniſchen, phyſiſchen, vragmatifhen Styl,
indem uns bie Franſoſen in allem, in ihren politiſchen,
yorfifchen , mechaniſchen Wirken fo fehr Überlegen find:
über fich in der Wefchichte, wo die franzöfiſche Sprache
die meiften feinen Urterfchiede in Zeiten, Fluß in Bils
dern, Reihe von Gedanken u. ſ. w. hat: über fih in
der Philoſophie, in der die framöſiſche Sprache den mei:
ften Schwung gemonnen — und thut zu allem die Ur:
theife der Mritiker, ver Frerons umd Voltaire und Ele:
ments hinju, um auch bie Eprade der franzöflfhen
Kritik lebendig zu Ternen. Aus allem kommen Proben
an den Director, ber biefe Sprache alſo nah Aller Jein:
Heit verfiehen muß; oder ber Zweck ift verloren. Dieß
berders Werde 1. Dälief.u. Eeſch. xX. 22
838
it eind von den Mitteln, wodurch bie Schule brillis
ren muß, und ohne ihr Wefen zu verlieren und falid
zu brilliren. — Gebt follte bie italienifhe Sprade
folgen, das Mittel zwifchen der franzöflfhen uns Yateis
nifhen, infonderheit für den Adel, die Kenner von
Geſchmack, und die, die ſonſt nicht Latein Lernen, uns
entbeortih 3 die Ausſicht iſt aber zu weit — ich komme
aufs Latein.
Barum foll man bei dem eine Ausnahme machen.
um es nur todt und verekelt lernen zu wollen? Es iſt
eine todte Sprache! gut, hiſtoriſch-, politiſch⸗ natio⸗
naltodt; aber literariſch lebt ſie; in der Schule kann
ſie leben. Aber ſo wird ſie nicht rein und klaſſiſch ge⸗
ſprochen? Warum nicht? Wenn es der Lehrer ſpricht,
wenn er nur Sachen wählt, über die es lohnt, Latein
ju ſprechen, warum nicht? Und dann, gibt Natur und
Fluß und Genie und Kern der Konftruktion, und leben⸗
dige Berftändlichkeit der Iateinifhen Sprache nicht mehr,
als das Schattenwerk weniger reinen Worte und Phras
fe8? und werden nicht mehr Iwede in ber gelehrien Res
publik erreicht, wenn ih Latein kann, um zu fprechen,
zu leſen, zu verftehen, zu fühlen: als zu wortfihten,
zu feilen, zu mäften. Und iſt's nicht endlich Zeit, von '
diefee Sucht binwegzulenken, und das Studium der
lateiniſchen Sprache würdiger zu machen? Die Wieder;
herftelung der Willenfhaften fing fih in Stulien an:
dieß Land fpricht beinahe Satein, indem es italieniſch
ſpricht. Ohr und Zunge find Latein: das Eonnte die
Sprade adoptiren. Die Tateinifhe Sprache batte in
den Kiöftern die Willenihaften und Religion erhalten :
fie fchien ‘von beiden und infondereit der Testen alfo
untrennbar. Stalten Eonute alfo feine Reifen von Bis
da’3 und Sannazars haben, in denen wenigftensd die
leichte, Holde italienifche Nätur, die holde Muſik der.
Sprade u. f. w. zu fehen flub: indeffen hat body ſchon,
wie jeder weiß, und der Autor Über die italieniſche Liz
. 339 _ .
teratur gezeigt Hat, diefe Sprache viele Jahrhunderte”
durch fehr dadurch verloren, fie Hat Anagranımatilten
und Keititer gehabt, und den großen Geift aufgehal:
ten, der in Stalien fhläft. Was geht dieß alles uns
entfernte Deutſche an? wohlan alſo! mit unferer eige⸗
nen nnredifhen Originalſprache ſey —
Die erſte lateiniſche Klaſſe ſpaͤt, weit nad: der
Mutterſprache, hinter der franzöfifhen und ſelbſt ita⸗
lieniſchen, wenn es ſeyn kann. Sie fange zwar nicht
mit Sprechen (denn das Genie iſt zu verſchieden!) aber
mit lebendigen Lefen ar, in Büſchings Bud, wenn
ed nur originallateinifche ‚Perioden hat,. oder in den-
Historiis selectis oder im Cornelius Nepos, oder wo
.ed fey. Nur lebendig, um den erften Tateinifhen Ein⸗
drud ftard zu machen , den Schwung und das Genie
einer neuen, der erften antiten Spradhe recht einzus:
pflanzen, und alſo wahre Lateiner zu bilden. Hier
wird nichts geplaudert, von Seiten der Schüler; und
der Lehrer fpriht nur immer als. Lektion, lebendige
Lektion, rein und vorfihtig. Aber viel wird gelefen, .
immer Eindrüde, lebendige Bemerkungen, eingepflanzt:
bier ift alſo die erfte Kraffe was bei der franzöflichen.
die zweite war: aber wie viel Vorſchritte hat nicht auch
der Schüler ſchon!
Die zweite Klaſſe fährt ſchon aelehrter fort, übt
ſich in allen Arten des Styls, und fchreibt alfo.-” Da.
find Livius, und Eiseronen und Salluftiud
"und ECurtiusu. f.w. — mas für eine neue Welt von
Reden, Charakteren, Geſchichtſchreiberei, Ausdruck, Höf⸗
lichkeit, Staatswelt! wenig wird überſetzt, denn dieß
iſt wenigſtens nicht Hauptzweck: aber alles lebendig ge⸗
fühlt, erklärt, Rom geſehen, die verſchiedenen Zeital⸗
ter Roms geſehen, das Antike einer Sprache gekoſtet,
antikes Ohr, Geſchmack, Zunge, Geiſt, Herz gegeben:
- und allem nachgeeifert! welch Gymnaſium! welche ſchöne
Morgenroͤthe in einer antiken Welt! welch ein romt⸗
| ' |
340
ſcher Jüngling wird das werden! hier -alfo kommt an
tite Niftoriographie, Epiſtolographie, Rhetorik, Sram:
matif! Man flieht, wie übel, daß man die Rhetorit
für's einzige nimmt! bie -antife Rhetorik mit der me:
dernen verwechſelt! die antike Hiftoriographie nicht er;
Märt, die Eyiftofcgie zum Mufter nimmt, und üser:
Haupt Grammatif einer antifen Sprache nicht von der
Modemen unterfeidet. Hier wird lied unterfihieden,
Kebendig gekoſtet, nachgecifert: in diefer Kaffe muf
:49 der vateiniſche Styl Hitden!
Die dritte folgt: und Hier die Poeten: Lucrez -um
Birzit, Horaz und Ovid, Martial und Juvenal um
Perflus, Catull und Tibull. Hier ift dad größte Zei,
antite Schönheit, Sprache, Geift, Sitten, Ohr, Re
giment, Serfaffung, Wiſſenſchaften zu fühlen zu geben.
Hier Eeine Naeiferungen; es ſey denn, wen die gol:
dene Peter Apolls ſelbſt wet; aber viel Gefühl. Ge
ſchmack, Erklärung. Auf diefer Klaſſe find die Blumen
und die Krone der Tateinifhen Sprade: die Birgile
und Aoraze, tie Cicerone mit ihrer Philofophie und
Höchften Rede, die Pfiniuffe und Tacitud: die größten
Muſter alfo antiker Poetik und Poefle, antiker Rhe⸗
torie und Rebe, antiker Politif und Naturhiſtorie —
welche Welt, wahre Gelehrte, Weife aus der alten
Weit. Römiſche Sachgelehrte zu bilden, die die Römer
fennen! Wie vier Habe ich ferdft noch auf ſolche Art
zu ftubiren! — .
Griechlſch endlich, iſt das unter den Antiten, was
fzanjöftf unter Modernen war. Aud der bloße Theo⸗
foge fängt nidt mit dem Tateinifchen Teftament und
ver Halliſchen Grammatik, fondern mit einer reellen
Grammatif, deren wir viele haben, und jogleich mit
£efen des Serodots, Kenophons, Lucland und Homers
an. Wohlverftanden, in einem Circus ven Zeit, Zorts
ſchritten und Wiffenjhaften! Hier ift die wahre Blume
des Alterthums in Dichtkunſt, Sefhichte, Kunft, Weis⸗
— — — — — — — — — — —
* x 341
heit! Weicher gangling wird hier nicht, der die lateit
niſche Sprache durchſchmeckt hoher athmen und fi. in,
Eiyfium dünken. Drei Kraffen gibts bier: id sin,
aber noch zuwenig mit mir ſelbſt Über. Methode einig,.
um fie genau zu beftimmen. Am fiherften, daß fie ſich
uach dem Latein richten: in der erſten viel geleſen in
Herodot und Zenophon und Eucian, oder im
erften allein. In der zweiten viel gefhmeckt und
demertt, in alten profaifhen Gattungen... Yu der
dritten der ganze’ griehifhe Geift gekoftet , in Poeſie
und was dem anhängt. Es ſchadet nichts, daB diefe
in der Gefhichte vorausgegangen ift: denn in ber Ge:
fhichte der Geiſter nach unferer Zeit, Welt, Sitten,
Sprache, geht fie niht voraus: zuerft genommen , ver:
dirbt fie ſogar: da gegentheild, hintennach erfcheinend,
alles auf fie bereitet und einladet, wie blühende Kinder
auf ihre brühendere Mutter! O wer bier ein Kenner
der Griechen wäre!
Sn der-hebräifhen Sprache möchte ih mit Mi:
chaelis einigfeyn; fie ſollte gar nicht, oder wenigſtens müßte
fie mit der Bleinften Auswahl getrieben iverden , gleich:
ſam der innigfte Kreis eined Pythagoras. Sie fommt
alſo fehr fpät, und wirb blos ais orientafifhe, beta:
nifche, poetifhe Sprache, eined Buchs vder einer Samm⸗
Yung wegen getrieben, die vortrefflih if. Dieß ganıe
Studium ift Phifofophie: die Sprache geht zu fehr ab,
ats fie ſprechen, in ihr fchreiben- zu Eünnen. Aber als
orientalifhe Naturs und Nationafdenkart betrachtet —
wei eine Welt! Moſes fangt an, und wir lernen
feine Lieder felbft wie Kinder — von Abraham bie
Moſes wird Tebendig zu Tefen gefuht: Jacobs Lodge:
fang und Miriams wird ftubirt: Mofed Leben und Re
gubtie ſtudirt, erklärt, und fo weit muß man gefom:
men ſeyn, um auf bie Akademie zu wandern. Wer weiter
will, geht Joſua und die Richter dur, fängt Samuel
an, und geht jetzt an die Pſalmen, Jeſajas und ei⸗
N }
342
nige Propheten: faͤhrt in den Koͤnigen fort, und geht
mit einer Auswahl ber Propheten und Pſalmen weiter,
u. ſ. w. — — Hier ift eine Tabelle der Klaffen der
Sprachſchule: deutihe Sprache hat Worfprung, franzd:
fſiſche folgt, itatienifhe bei manchen — bei andern u
einiſch, Griechiſch, Edraiſch alſo —
105
1. Deut. Klaffe. Franzöſ. Kraffe. kat. Kraffe. Griechiſche.
Erſte Ordnung. Erſte Ordnung Erſte Orbn. Erſte Ordn.
| Zweite deutſche. 2te franz. 2te latein.
ste deutfche. |3te franz.
Erfte ital..
Hebräifde.
Zweite griech. Orbn.
Dritte latein.
weite italien.
Repetit. des Franz-
Repet. des Deutſch.
| 4244
Man ſiehet; mit Fleiß nur zwei italieniſche und
zwei griechiſche Klaſſen; denn beide find ſich an Sub:
jetten entgegen. ur eine hebräiſche, denn fie ift die
legte, eingefchränttefte Sprade; und ihr Anfang ift
leicht ; fo wie ihr fchwerfter Fortgang zum Slück bloß
akademiſch nicht ſcholaſtiſch iſt. Franzöſiſch Hat vier
Klaſſen, denn ed muß immer fortgeſetzt werben: Latei⸗
nifh nur drei: deutſch fünf, denn es dauert fo lang.
ald Unterriht in, den. Wilfenfhaften dauert, und ift
nad unferer Methode unabtrennbar von ben Gedanken.
Die erfte deutfche Klaſſe Foincidirt mit der erften Ord⸗
nung der drei erfen Kiaffen, und fordert Feine Befons
derheit, als dig Korrektur ded Lehrers. Die zweite
Schichte, wo die franzöfifhe anfängt, wil’d, und das
Bis zur griehifhen Schichte: das find täglich drei Stun:
den, wovon bie ging zwei, die andere drei, bie dritte
vier Abfonderungen hat... Die hebräifhe Schichte fät
auf zwei Stunden, die Wode, etwa Mittwodh und Sonus
abend mit fünf Abteilungen, Und fo find mit allen
- biefen Spradarbeiten täglih drei; und Mittwoch und
- Gonnabend eine Stunde beſetzt, mit den vorigen drei
zufammen addirt, find täglich ſechs, Mittwoch und Sonn:
Daß die Säule fo viel. möglih National : als
KHrovinzialfarbe bekomme, versteht fih, und das in Ne:
ligion, Geſchichte, Gergraphie, Naturhiſtorie, Poritik,
SBaterlanddgegenden n. ſ. w. Daß dieß aber nit
mehr als. Farbe ſeyn müſſe, verfteht fi eben fo fehr:
denn ber Schüler, fol für. allg. Welt erzogen werben.
Aber ausführen? und ‚warum Eönnte ich eine folde
Etiftung nicht Ausführen? Ward den Lykurgen, Solo
nen möglih, "eine Republik zu fchaffen, warum nicht
mir eine Republit für die Jugend? Ihr Zwinglis,
Ealvins, Oekolampadius, wer begeifterte euch ? und wer
fou mich Begeiftern? Eifer für daB; menfchliche Beſte,
845
Größte einer Yugendfeele, Vaterlandsliebe, Begierde
auf die würdigfte Art unfterbiih zu fern, Schwung
son Worten zu Realien, zu Etabliſſements, Yebendige
Belt, Umgang mit Großen, Weberredung des Generals
Gouverneurs, lebendiger Vortrag an bie Kampenhaufen
— Gnade der Kalferinn, Neid und Liebe der Stadt!
— — O 3weck, großer Zweck, nimm alle meine Kraft;
Eifer, Begierden! Ich gehe durch die Welt, was Hab’
ih in ihr, wenn ih mid nicht unfterbiih mache!
Er
-
Inhalt des zehnten Theile. _”
ESeite
1.. Von der Nothwendigkeit der Schulzucht zum
Silor einer Schule, 1778.. . 09:
2. Ron den Bortheilen und Nachtyeiten dev heuti⸗
sen Studienmethode. 1700.. 20
3. WVon Schulühungen. 1781. . . . 3
4 Bom Begriff ber fchönen Wigenſchaften/ infon.
derheit für die Jugend. 7 . 46
5. Vom Nutzen ber Schulen. 783. . 59
6. Bon der Annehmlichkeit, Nislichfeit und Nor
wendigkeit der Geographie. 1784. . 77
7. Nadı Einführung einer Schulverbefferung. 1786, 86
8. Andenken an den fl. Profeſſor Murfänt. 1787. ) 95
9. Vom ächten Begriff der fchönen Wiſſenſchaften
und von ihrem Umfang unter ben Schulſtu⸗
dien. 1788. - . ” 95
10. Ueber den Vorzug der voffentichen oder privat⸗·
ſchulen. 1790. 212
11. Re i der Beerdigung dei fa. Diretion
He ze. 1790. + . ..- 126
13. Schulen, eine Öffentliche Lander ſache zum ge⸗
meinen Beſten. 17935.. 412138
13. Vom Genius einer Schule. 1793. . 16
14. Rom Grmeinneift einer Schule, 17954... 4 169
16. Von der Beſcheidenheit. 174 0 nee: 168
") Dieſe einzige Rede iſt gedruckt erſchienen in Muſäus
ägſenen Schriften, von A. Kotzebue herausgege⸗
179
v
548
‚ _ Seite
‚26. Kom Zweck öffentlicher Prüfungen. 17%. . . 166
17. Bon ber Ausbildung der Rede und Sprache in
Kindern und Zünglingen. 1766. 17%
18. Won der Arbtung, die Lehrer ihren Schülern,
Eltern ihren Kindern ſchuldig find. 1797. . 186
29. Bon Schulen ald Werffätten des Geiſtes Got:
tes oder des Heiligen Geiſtes. 1797... - wo
ↄoꝛ Vom Gortichreiien einer Sorie mit dem Zeit⸗
alter. 1758; . 222
21. 22, Bon Saum “ Gomade, (me Ken. )
1799: 225, 238
5, Nicht für die Schufen, für vas Seen mi mar.
‚ fernen. ıBvo. .
24. Bon wahren Fortſchritte einer es: 1800, . 2%
35. Von der Neugier. ıBoı, . aß
a9. Von der Heiligkeit der Schutei. — . 26
Anhang. on
a. Kegeim für:. ben, Gehuluntercicht, . Fraomeute
aAus verſchied ruen Gumbfdediften.. . . . 76.
») Grunhwißuhed,iätwtercuckts fir einen dungen.
Adeligen 1774. . . 88
©). Necenfion von J. ‚Matth. Gefnerh, Iogog.;
in rwditjonege uniyswealsmn Nach mieias Mer ,.
gabe, 1775. (Zuerſt gedruckt in deu Zeige...
. Bhblietheß⸗ 0 Zu dae
4) Ideal einer Schule. . . 312
x
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This book. Kould De ı %“ |
‚ibrary on or before the ar ae | h
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by retaining it beyond the specified |
time, J.
Please return promptly.
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