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1
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Johann Joseph Felix von Kürz
GENANNT
BERNARDON.
EIN BEITRAG ZUR GESCHICHTE DES DEUTSCHEN THEATER»
IM XVIII. JAHRHUNDERT
VON
Ferdinand Raab.
AUS DEM NACHLASS HERAUSGEGEBEN
VON
Fritz Raab.
MIT 2 ABBILDUNGEN, 1 WAPPENTAFEL UND 1 NACH
DEM ORIGINAL VERKLEINERTEN THEATERZETTEL.
Frankfurt a /m.
Literarische Anstalt
ROTTEN 8j LOENING
1899.
7 <K Yß}</3
Alle Rechte vorbehalten.
VN ws
S #3
Vorrede.
Im MMe Quellen für die Geschichte des deutschen
Ij^l Theaters im IS. Jahrhundert, besonders für die
JWJSit der Wiener Huhne Messen so spärlich, dass auch
ein bescheidener Beitrag Beachtung verdient. Desshalb
schien mir die Herausgabe der folgenden Studie über den
, Wienerischen Bernardon" Joseph von Kurz aus dem Nach-
lass meines Vaters gerechtfertigt. Die ersten Abschnitte
I— VIII, welche die Thätigkeit Bernardons in Wien bis
zum Jahre 1760 schildern, lagen in der Abschrift des
Verfassers druckfertig vor, die übrigen IX— XII stellte
ich aus den vorhandenen Aufzeichnungen und den mir
zu Gebote stehenden Hilfsmitteln zusammen. Etwaige
IrrthÜmer in diesem Theil kommen also auf Rechnung
des Herausgebers. Uebrigens fallen in diese Zeit die
Unternehmungen des Kurz in Prag und in Frankfurt a. M.,
welche bereits durch Oscar Teuber und durch E. Mentzel
sachkundige und ausführliche Darstellungen fanden,
Den Auszügen der Kurz'schen Stücke liegen haupt-
sächlich Handschriften der K. K. Hofbibliothek in Wien
zu Grunde. Die übrigen benutzten Hilfsmittel sind
an den betreffenden Stellen angeführt. Den Herren
IV VORREDE.
Archivaren und Bibliothekaren in Wien, Prag, München,
Nürnberg, Frankfurt a. M., Mainz, Mannheim und Köln,
allen Freunden meines verstorbenen Vaters, welche diese
Arbeit mit Rath und That förderten, erlaube ich mir
den verbindlichsten Dank abzustatten. Ebenso fühleich
mich verpflichtet den Herren Verlegern für das überaus
freundliche Entgegenkommen und die elegante Ausstattung
des Buches meinen höflichsten Dank auszusprechen.
Meran im September 1898.
Fritz Raab.
Inhalt.
Seite
I.» Abstammung. Geburt 1717. Jugendjahre 1
II. Erstes Auftreten in Wien 1737. „Bernardon" 5
III. Gastspiel in Frankfurt a. M. 1741 142. „Judenhochzeit".
Heirath in Dresden 1743. , 16
IV. Kurz' zweiter Aufenthalt in Wien 1744. „Bernardon der
30 jährige ABC Schütz" 32
V. Bernardon's Kampf gegen das regelmässige Schauspiel 1747.
„Der neue krumme Teufel". Censur 1751 54
VI. Verbot der Bernardoniade 1752. „Zamor". „Hochzeit
auf dem Scheiterhaufen", „Der verheiratbe*te Teufel". .
Kurz' Abgang von Wien 1753 73
VII. Kurz in Prag 1753. Die Neuber in Wien. Kurz wieder
in Wien 1754. „Gelsen Insul" 91
VIII. Tod der Frau Franziska Kurz 1755. „Prinzessin Pumphia".
Vermählung mit Theresina Morelli 1758. „Beschützte
Unschuld". Abgang von Wien 1760 108
IK. Kurz Theaterunternehmer in Prag 1760J64. „Bernardon
der Schatzgräber". Am Reichstag in Pressburg 1764. „Die
Guvernante". „Das europäische Wäschermädel". „Die
Weiber und Bubenbataille" 124
X. Kurz in München 1765 und in Nürnberg 1766. Reper-
toire der „Impresa Kurz" in Nürnberg 134
XI. Kurz in Frankfurt a. M., in Mainz, in Mannheim, in Köln
1766|68. Ein „Wiener Faustspiel tt in Frankfurt a. M. 165
XII. Bernardons letztes Auftreten und Misserfolg in Wien
1769|71. „Die Herrschafts kuchel." Abgang nach Danzig
"** 1771. „Insul der gesunden Vernunft". Theaterdirector
in Warschau 1771J81. Letzte JaTire und Tod in Wien
1781183 175
JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
Stranitzky 1 ), dem vielgenannten Hanswurst und Direktor
der ersten stehenden Wiener Buhne, freundliche Auf-
nahme fand.
Nach den Kirchenbüchern von St. Stephan wurden
ihm, einem „Comicus", der aus leicht zu errathenden
Gründen seinen Adel zurückgelegt hatte, und seiner
Frau Edmunda hier am 22. Februar 1717 ein Knabe
geboren. Zu „ Gevatter* standen bei diesem: Joseph
Anton Stranitzky „Comicus a und seine Frau Maria Monika,
^ / sowie Johann Baptist Geferding „Comicus" und seine Frau
• * v/ Maria Margaretha. Der Knabe erhielt in der Taufe die
Namen : Johann Joseph Felix und wurde Joseph gerufen.
Joseph Felix Kurz, der Vater, blieb noch einige
Zeit in Wien. Er gab auch der Frau Maria Monika
Stranitzky Gelegenheit in seiner Familie auf eigene
Rechnung als Pathin zu fungiren. Nach ihr führte eine
jüngere Schwester von Joseph Kurz die Namen Maria
Monika. Ja noch im April 1719 wurde eben dieser hier
noch ein jüngerer Bruder, Anton Georg Ignaz geboren.
Im folgenden Jahre wendete sich Joseph Felix Kurz,
! der Vater, zugleich mit Scolary, Rademin, Hilverding
und Stängel, aus dem Süden nach dem Norden, wo er
in Berlin bei Eckenberg, dem „ starken Manne a , ein unter
dem Namen „ Felix a sehr beliebtes Mitglied wurde. Seine
Frau nannte man natürlich „die Felixin".
Bald jedoch schwang sich der alte Kurz vom einfachen
„Comicus" zum Führer einer eigenen „Bande" auf, die „sich
mit Producirung deutscher Comoedien ernährte a . Als
solcher traf er im Jahre 1725 zum erstenmale mit seinen
„Leuten" in Brunn ein und gab hier anfangs im Graf
Salm'schen Hause auf dem Dominikaner-Platze und in der
ständischen Reitschule beim Brünner Thore, dann vom
Jahre 1732 an, im neuerbauten Theater „meystens in
winter" Vorstellungen. Seitdem schlug er durch beinahe
*) Joseph Anton Stranitzky geb. 10. Sept. 1676 zu Schweidnitz in
Schlesien, gest. 19. Mai 1727 in Wien. Schlager, Wiener Skizzen.
Wien 1839.
Abstammung. Geburt. Jugendjahre.
Iie von Kurz stammten aus Kempten im Allgäu.
Sie zählten einst zu jenen Patrizierfamilien,
aus welchen der grosse und der kleine Rath dieser
reichsfreien Stadt hervorgingen. Ein adliges Geschlecht,
führten sie einen getheilten, roth und silbern gepfählten
Schild im Wappen, oben aber im rothen Felde drei
silberne Ringeln. Auf dem Helme einen lang runden
liegenden ebenfalls roth und silbern gepfählten Schild,
auf jeder Seite und oben mit einem Pfauenschweife be-
steckt. Auch die Helmdecken waren roth und silbern. 1
Ein Anton von Kurz stand als Fahnenjunker in
dem „löblichen kayserlich Max Starhemberg'schen Regi-
mente." Er fiel vor Mesmay „mit einem Stein aus dem
Stuckh an die Brust geschossen."
Dessen älterer Bruder Joseph Felix von Kurz im
Jahre 1690 zu Landshut geboren, verliess sein Vaterland
schon im dreiund zwanzigsten Jahre und wurde Schau-
spieler. Er ging vorerst nach Oesterreich, wo er bei
1 Paul Fürst nennt sie in „Desz Neuen (Hans Siebtnacher'schen)
Wappenbuch utnfFter und letzter Theil." Nürnberg <l668) pa^. 283
unter Kemptische Adeliche Geschlechter: »Die Kurtren."
JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
:.*»ftj
Stranitzky 1 ), dem vielgenannten Hanswurst und Direktor
der ersten stehenden Wiener Buhne, freundliche Auf-
nahme fand.
Nach den Kirchenbüchern von St. Stephan wurden
ihm, einem „Comicus", der aus leicht zu errathenden
Gründen seinen Adel zurückgelegt hatte, und seiner
Frau Edmunda hier am 22. Februar 1717 ein Knabe
geboren. Zu „Gevatter" standen bei diesem: Joseph
Anton Stranitzky „Comicus" und seine Frau Maria Monika,
sowie Johann Baptist Geferding „Comicus" und seine Frau
Maria Margaretha. Der Knabe erhielt in der Taufe die
Namen : Johann Joseph Felix und wurde Joseph gerufen.
Joseph Felix Kurz, der Vater, blieb noch einige
Zeit in Wien. Er gab auch der Frau Maria Monika
Stranitzky Gelegenheit in seiner Familie auf eigene
Rechnung als Pathin zu fungiren. Nach ihr führte eine
jüngere Schwester von Joseph Kurz die Namen Maria
Monika. Ja noch im April 1719 wurde eben dieser hier
noch ein jüngerer Bruder, Anton Georg Ignaz geboren.
Im folgenden Jahre wendete sich Joseph Felix Kurz,
der Vater, zugleich mit Scolary, Rademin, Hilverding
und Stängel, aus dem Süden nach dem Norden, wo er
in Berlin bei Eckenberg, dem „starken Manne", ein unter
dem Namen „Felix" sehr beliebtes Mitglied wurde. Seine
Frau nannte man natürlich „die Felixin".
Bald jedoch schwang sich der alte Kurz vom einfachen
„Comicus" zum Führer einer eigenen „Bande" auf, die „sich
mit Producirung deutscher Comoedien ernährte". Als
solcher traf er im Jahre 1725 zum erstenmale mit seinen
„Leuten" in Brunn ein und gab hier anfangs im Graf
Salm'schen Hause auf dem Dominikaner-Platze und in der
ständischen Reitschule beim Brünner Thore, dann vom
Jahre 1732 an, im neuerbauten Theater „meystens in
winter" Vorstellungen. Seitdem schlug er durch beinahe
*) Joseph Anton Stranitzky geb. lo. Sept. 1676 zu Schweidnitz in
Schlesien, gest. 19. Mai 1727 in Wien. Schlager, Wiener Skizzen.
Wien 1839.
Abstammung, öeburt, Jugendjahre.
zwei Decennien seine leichten Zelte abwechselnd in der
Hauptstadt Mährens und in Olmütz auf, wo er nach seiner
eigenen Aussage : „von denen dasigen löblichen Ständen
einen monatlichen Auswurf hatte", was allerdings akten-
mässig nicht erwiesen ist. Vom Jahre 1734 an erschien
er nebenbei zeitweilig in Prag.
So primitiver Natur aber auch die Truppe des
Joseph Felix Kurz damals noch war, so hatte sie doch
bereits eine für jene Tage keineswegs zu unterschätzende
Anzahl „gutt geistlicher und moralisch ausgearbeiteter
Comoedien" in ihrem Repertoire, wol eine Frucht des
„monatlichen Auswurfes." Sie spielte: „Die selige
Genoveva", „Das leben und todt S. Sebastians", „Das
Leben und Martirium S. Joannis von Nepomuckh", „Die
Verfolgung des Absolons gegen seinen Vater David",
„Daniels Erhaltung in der Löwengrube", „Die Bekehrung
S. Egydi", „Der wegen der Ehescheidung (König Hein-
rich VIII.) enthaubte Thomas Marcus (More)", „Der
israelitische Richter Samson", „Die Opferung Abrahams
mit seinem Sohne Isaac". Den Rest bildeten allerdings
Bourlesquen und extemporirte Comoedien, deren so
manche wohl, „mit scandalosen liebensintriguen angefüllt
auch sonsten mit ander zur ärgernus gereichenden Zotten
untermischet" gewesen sein mochten, wie die in politicis
verordneten Commissionen von Brunn und Prag zeit-
weilig behaupteten.
Nicht minder zahlreich fast als die „gutt geistlichen
und moralischen Comoedien" in dem Repertoire des
Joseph Felix Kurz scheinen aber auch die leiblichen
Kinder in dessen Familie gewesen zu sein. Noch bei
seiner ersten Anwesenheit in Prag im Jahre 1735, wo
er im Manhardt'schen Hause spielte, zwingt ihn die
Sorge „um die Leibesnahrung für seine Frau, seine
sieben kleinen Kinder und die gesammte Bande" sich
an das Consistorium und die Statthalterei um die Er-
laubniss zu wenden: am Faschingsamstage, einem Norma-
tage, eine „gute und moralische Action" vorstellen zu
JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
dürfen. Bei seinem zweiten Aufenthalte daselbst im
Jahre 1743, wo er im „Goldenen Stern" Vorstellungen
gab, waren seine Leute : seine Frau, seine drei Mädchen
und sein Sohn „Antony" so genannt in Erinnerung an
den Onkel, den Fahnenjunker. „Ausserdem sei da Einer
Namens Noth (wohl Franz Anton Nuth), ein Anderer
Johann (Zuname unbekannt), ein Dritter sei nur ein ge-
wöhnlicher Theaterkerl mit Namen Andreas, ein Vierter
stamme aus Pressburg und nenne sich Karl Nachtigall,
endlich sei Einer aus Brunn, der nenne sich Anton Pabel,
war vordem ein Kammer-Lakai gewesen beim mährischen
Herrn Commissario von Burin. Er selber wohne am
Christen -Tandelmarkte im Findlerischen Hause ; wo sich
die Uebrigen aufhalten, das wisse er nicht, denn diese
Leute nehmeten das Quartier, wo sie es am leichtesten
bekommen. Der Platz im „Stern" koste ihm sicher 300 fl."
Unter den zuerst aufgeführten „sieben kleinen Kindern"
befand sich sicher auch der damals bereits achtzehnjährige
Joseph, dessen Wanderjahre jedoch kurz nachher ihren
Anfang genommen haben dürften. Vater Kurz scheint
es eben mit dem Alter und der Grösse seiner Kinder
nicht allzu genau genommen zu haben, wenn er auf die-
selben als auf eine Beilage zu einem beweglichen Ge-
suche reflektirte. Mehr der Mann realer Nützlichkeit als
idealen Strebens „immer den Mund voller Worte und gerne
die Hand auf der Tasche" wusste er von seinen Feinden,
das will sagen: seinen Concurrenten zu lernen. Und
wie einem derselben, dem Joseph Moser, die Kriegs-
dienste seiner Vorfahren, so musste ihm, dem alten Kurz,
der „Tod seines Bruders Anthony vor Mesmav" allent-
halben die Wege ebnen.
Erstes Auftreten in Wien 17 37. „Bernardon".
IL
Erstes Auftreten in Wien 1737.
„B©rnardon."
ie ersten Anfänge des Joseph Kurz. — er selber
schrieb sich gewöhnlich Kurtz — sind wohl in
undurchdringliches Dunkel gehüllt. Doch waren
die hier nur leicht skizzirten sozialen und künstlerischen
Verhältnisse, in denen er seine Kindheit und seine früheste
Jugend verlebte, nicht darnach angethan sein Andenken
auf die Nachwelt zu bringen. Natürliche Anlage und aus-
dauernde Pflege derselben mussten auch hier, -wie in so
manches Künstlers Er den wallen, das Meiste dazuthun.
Zu den natürlichen Anlagen des Joseph Kurz zählte
vor Allem eine sehr glückliche äussere Erscheinung. Er
erfreute sich einer ungewöhnlich vortheilhaften Bildung
des Körpers, dieses für den Schauspieler so bedeutungs-
vollen Instrumentes. Bei einem vielleicht ein wenig zu
hohen und zu schlanken Wüchse war er von einer
seltenen Geschmeidigkeit der Glieder und von einer be-
wundernswerthen Kraft und Ausdauer in seinen „Fatiguen".
Sein geistvoller, scharf geschnittener Kopf mit hoher
Stirn und gerader Nase verrieth selbst nach einem langen
und wechselvollen Leben noch den Adel seiner Herkunft.
Er Hess im hohen Alter noch die feinen und fast frauen-
haften Züge erkennen, die Joseph Kurz, besonders am
Beginne seiner Lautbahn, so oft verführten sich in Ver-
kleidungsrollen dem Publikum als Dame vorzustellen.
Und in der That muss diese himmelhohe Gestalt in dem
„acht Eilen weiten Strickrock" und mit den coquetten
Allüren der „Prinzessin Pumphia" . nicht weniger von
drastischer Wirkung gewesen sein, wie als „galante
Witwe" in „Le Mercure galant" von Edme Boursault.
NPas sprechende Auge leuchtete in dem Greise noch mit
dem ganzen Feuer der Jugend. Das sonore Organ hatte
JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
■*»ftj
Stranitzky 1 ), dem vielgenannten Hanswurst und Direktor
der ersten stehenden Wiener Buhne, freundliche Auf-
nahme fand.
Nach den Kirchenbüchern von St. Stephan wurden
ihm, einem „Comicus", der aus leicht zu errathenden
Gründen seinen Adel zurückgelegt hatte, und seiner
Frau Edmunda hier am 22. Februar 1717 ein Knabe
geboren. Zu „ Gevatter " standen bei diesem: Joseph
Anton Stranitzky „Comicus" und seine Frau Maria Monika,
sowie Johann Baptist Geferding „Comicus" und seine Frau
Maria Margaretha. Der Knabe erhielt in der Taufe die
Namen : Johann Joseph Felix und wurde Joseph gerufen.
Joseph Felix Kurz, der Vater, blieb noch einige
Zeit in Wien. Er gab auch der Frau Maria Monika
Stranitzky Gelegenheit in seiner Familie auf eigene
Rechnung als Pathin zu fungiren. Nach ihr führte eine
jüngere Schwester von Joseph Kurz die Namen Maria
Monika. Ja noch im April 1719 wurde eben dieser hier
noch ein jüngerer Bruder, Anton Georg Ignaz geboren.
Im folgenden Jahre wendete sich Joseph Felix Kurz,
der Vater, zugleich mit Scolary, Rademin, Hilverding
und Stängel, aus dem Süden nach dem Norden, wo er
in Berlin bei Eckenberg, dem „starken Manne", ein unter
dem Namen „ Felix " sehr beliebtes Mitglied wurde. Seine
Frau nannte man natürlich „die Felixin ".
Bald jedoch schwang sich der alte Kurz vom einfachen
„Comicus" zum Führer einer eigenen „Bande" auf, die „sich
mit Producirung deutscher Comoedien ernährte". Als
solcher traf er im Jahre 1725 zum erstenmale mit seinen
„Leuten" in Brunn ein und gab hier anfangs im Graf
Salm'schen Hause auf dem Dominikaner-Platze und in der
ständischen Reitschule beim Brünner Thore, dann vom
Jahre 1732 an, im neuerbauten Theater „meystens in
winter" Vorstellungen. Seitdem schlug er durch beinahe
*) Joseph Anton Stranitzky geb. lo. Sept. 1676 zu Schweidnitz in
Schlesien, gest. 19. Mai 1727 in Wien. Schlager, Wiener Skizzen.
Wien 1839.
Abs tarn mung, öeburt, Jugendjahre.
zwei Decennien seine leichten Zelte abwechselnd in der
Hauptstadt Mährens und in Olmütz auf, wo er nach seiner
eigenen Aussage : „von denen dasigen löblichen Ständen
einen monatlichen Auswurf hatte", was allerdings akten-
mässig nicht erwiesen ist. Vom Jahre 1734 an erschien
er nebenbei zeitweilig in Prag.
So primitiver Natur aber auch die Truppe des
Joseph Felix Kurz damals noch war, so hatte sie doch
bereits eine für jene Tage keineswegs zu unterschätzende
Anzahl „gutt geistlicher und moralisch ausgearbeiteter
Comoedien" in ihrem Repertoire, wol eine Frucht des
„monatlichen Auswurfes." Sie spielte: „Die selige
Genoveva", „Das leben und todt S. Sebastians", „Das
Leben und Martirium S. Joannis von Nepomuckh", „Die
Verfolgung des Absolons gegen seinen Vater David",
„Daniels Erhaltung in der Löwengrube", „Die Bekehrung
S. Egydi", „Der wegen der Ehescheidung (König Hein-
rich VIII.) enthaubte Thomas Marcus (More)", „Der
israelitische Richter Samson", „Die Opferung Abrahams
mit seinem Sohne Isaac". Den Rest bildeten allerdings
Bourlesquen und extemporirte Comoedien, deren so
manche wohl, „mit scandalosen liebensintriguen angefüllt
auch sonsten mit ander zur ärgernus gereichenden Zotten
untermischet" gewesen sein mochten, wie die in politicis
verordneten Commissionen von Brunn und Prag zeit-
weilig behaupteten.
Nicht minder zahlreich fast als die „gutt geistlichen
und moralischen Comoedien" in dem Repertoire des
Joseph Felix Kurz scheinen aber auch die leiblichen
Kinder in dessen Familie gewesen zu sein. Noch bei
seiner ersten Anwesenheit in Prag im Jahre 1735, wo
er im Manhardt'schen Hause spielte, zwingt ihn die
vSorge „um die Leibesnahrung für seine Frau, seine
sieben kleinen Kinder und die gesammte Bande" sich
an das Consistorium und die Statthalterei um die Er-
. laubniss zu wenden: am Faschingsamstage, einem Norma-
tage, eine „gute und moralische Action" vorstellen zu
8 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
neben Joseph Felix Kurz, dem Vater, der Impresario
Filippo Nero del Fantasia das italienische Singspiel in
nicht unrühmlicher Weise vertreten, und Hess sich doch
dieser Impresario in den Sommermonaten, in denen die
Impresa ruhte, gar nicht ungern „Linguae Italicae Magister a
nennen.
Für das ernste regelrechte Drama war die Begab-
ung des Joseph Kurz wohl von Haus aus gleich Null.
Doch war diese Gattung im Repertoire jener Tage
ohnedies nur der Rahmen innerhalb dessen die komischen
Intermezzi sich abspielten, nur die den untergeordneten
Kräften überlassene Folie, von der die extemporirten
Zwischenspiele um so wirksamer sich abheben sollten.
Und gerade für diese theatralischen Hors d'oeuvre stand
dem Joseph Kurz eine ungemein glückliche Auffassung
und eine wenn auch chargirte, so doch treffende Wieder-
gabe der im Scenarium meist nur angedeuteten „Cha-
racteurs" zu Gebote, war ihm eine nie versagende Gegen-
wart des Geistes, eine ihr Ziel nie verfehlende Schlag-
fertigkeit des Witzes eigen, wobei ihm ein lebhaftes
Mienenspiel und ein ungewöhnlich beweglicher Körper
vorzüglich zu statten kam.
Eine bestimmtere Form, eine fassbarere Gestalt ge-
wann das Leben des Joseph Kurz mit seiner Rückkehr nach
Wien, mit seinem ersten Auftreten in dem Stadttheater
daselbst. Vermittelt wurde dieses Auftreten durch Herrn
y % tf(f /■" Franz Riedl, „Bierleuthgeb im Comoedien-Bierhause
"-•v* /X** beim Kärntnerthor a , den ersten Theater- Agenten Öster-
reichs, den langjährigen Geschäftsfreund des alten Felix
^<*v Kurz, einem „Ehrenmanne." Es erfolgte im Jahre 1737,
<>£$ f ein Decennium nach dem Tode Stranitzky's, des Pathen
von Joseph Kurz, und fast ein Jahrzehnt nachdem die
beiden ehemaligen Pensionäre des kaiserlichen Hofstaates
Franz Borosini und Franz Selliers, ersterer früheres Mitglied
\}ll der Kapelle, letzterer früher Tanzmeister, auf Wunsch der
Kaiserin Maria .Theresia, das Theater-Privilegium von den
) t'u Erben Stranitzky's für zwanzig Jahreansich gebracht hatten.
5 jL^v
vV*
Erstes Auftreten in Wien 1737. „Bernardon". 9
(
Die neuen Unternehmer fanden die deutsche Bühne
auf einer, im Vergleiche zum französischen und selbst
zum italienischen Theater von damals, für Wien wahr-
haft beschämend niederen Stufe. „Man kannte* um mit
den Worten l^^ings zu reden „keine Regel, man kümmerte
sich um kein^Muster. Die Staats- und Heldenactionen
waren voller Unsinn, Bombast, Schmutz und Pöbelwitz.
Die Lustspiele bestanden in Verkleidungen und Zaubereien
und Prügel waren die witzigsten Einfälle derselben." w
Die Wiener Bühne war noch fast ausschliesslich von der
Stegreifkomödie beherrscht und selbst die spärlichen
Übersetzungen fremder ernster regelmässiger Dramen
mussten sich „per licentiam comicam", wie man es nannte,
das Extempore läppischer Intermezzi und die nicht selten
sehr geschmacklose Verbrämung mit Gesang und Tanz
gefallen lassen.
Die neuen Unternehmer, die sich als Italiener „Im-
presarii" nannten, thaten so manches für die Renovirung
des Hauses und die Ausstattung der Stücke. Den
Touristen jener Tage erschien das „Theatrum bei dem
Kärntner Thor" als das grösste und schönste im ganzen
Reich, was allerdings nicht allzu viel sagen wollte. Die
Bühne ward mit Dekorationen von bisher nie gesehener
Pracht geziert, die Garderoben der Schauspieler mit
solideren Kostümen bereichert, Chor und Orchester besser
besetzt und besser geschult und ein vollständiges Ballet
in's Leben gerufen. Die Herren Borosini und Selliers
waren nicht vergebliche Augenzeugen der blendenden
Schauspiele ' in der „Favorita" und in dem „grossen
kaiserlichen Theater bey der Burg" gewesen. Noch
unmittelbar vor dem ersten Auftreten des Joseph Kurz,
am 17. April 1737, brachte das Wienerische Diarium
folgende Anzeige:
„In dem alerh. kaiserl. privilegirten Theatro bey dem
Kärntner - Thor werden die gehörigen Zubereitungen
zu den künftigen änderten Oster-Feiertagen anwieder-
um neu angehenden Comödien gemacht und werden
i
lo JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
sonderlich kostbare Kleidungen und Veränderungen der
hiesigen Schaubühne dazu verfertiget.*
Dagegen thaten die neuen Unternehmer für die
geistige Hebung und Leitung des Ganzen so gut wie
nichts. Was die Wahl der Stücke anbelangt, so liessen
sie vorerst Alles beim Alten und das Repertoire athmete
nach wie vor den blühenden Unsinn der Haupt- und
Staatsaktionen und die bodenlose Gemeinheit der bürger-
lichen Posse der Stranitzky'schen Aera. Nur für die
Heranziehung neuer darstellender Kräfte thaten die Im-
presarii von Zeit zu Zeit etwas. Und hierin bewiesen
sie auch in der That zumeist einen richtigen Blick, was
um so schwieriger war, als der treffliche Darsteller der
Stegreifkomödie nicht nur Schauspieler sondern auch
Dichter, nicht nur Meister des . Wortes sondern auch
Sänger und Tänzer sein musste.
Die Hauptakteure in dieser bedenklichen Welt des
Scheines, die der nun zwanzigjährige Joseph Kurz hier
betrat, waren: Gottfried Prehauser 1 ), als Hanswurst der
glückliche Erbe und Nachfolger Stranitzky's, Franz
Anton Nuth als Harlekin ein beliebter Komiker, vor
Allem aber „Compositeur" zahlreicher allenthalben mit
Beifall gegebener Zauberpossen, in denen seine Frau
Maria Anna, geborne Viertel, die erste Rolle spielte,
Johann Leinhaas 2 ), ein trefflicher Pantalon und Andreas
Schröter 8 ), ein tüchtiger Bramarbas. Neben diesen
*) Gottfried Prehauser geb. in Wien, bei einer italienischen
Truppe ausgebildet, trat in Salzburg 1720 zuerst als „Hanswurst" auf.
Stranitzky berief ihn nach Wien, wo er bis zu seinem Tode 1769 eine
rege Thätigkeit als Dichter und Schauspieler entfaltete. Wurzbach,
Biograf, Lex.; von Görner, Der Hans Wurst-Streit, Wien 1884
2 ) Johann Lcinhaas geb. in Venedig, in Wien als Pantalon be-
liebt 1716, Impresario in Böhmen und Sachsen, wieder in Wien 1744
und 1748. Gest. in Wien am 22. Mai 1767.
8 ) Andreas Schröter geb. in Berlin als Sohn eines Holzhändlers
1696, zuerst in dänischen Kriegsdiensten später Ost. Offizier, endlich
Schauspieler 1720, gab Liebhaber, Tyrannen, Bramarbas. Gest. in
Wien 1761. Wienerisches Diarium 1761.
Erstes Auftreten in Wien 1737. „Bernardon". 11
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verdient noch Friedrich Wilhelm Weiskern genannt zu
werden, der vorerst kleine Rollen, dann die „Leander",
"die Liebhaber der „Bourlesque" spielte und wie Nuth
als glücklicher Bearbeiter vieler besonders italienischer
Lust- und Singspiele debütirte.
Das erste Auftreten des Joseph Kurz auf dem Stadt-
theater nächst dem Kärntner Thor fiel noch in die
prähistorische, fast urkundenlose Zeit des Wiener deutschen
Theaters. Von den Stücken des damaligen Repertoires
haben sich nur wenige in Abschriften und im Drucke, die
meisten nur dem Titel, den ihnen beigegebenen Avertisse-
ments und den in selbe eingestreuten Arien nach erhalten, ja
von den meisten hat überhaupt nie etwas anderes bestanden
als dieses und ausserdem ein sehr mageres Scenarium.
Dem ernsten Drama brachten die weiteren Kreise,
wie bereits angedeutet, nur ein geringes Interesse ent-
gegen. Beweis dessen, die den Titelangaben derselben
meist, wie zur Beruhigung, beigefügten Bemerkungen:
„in der ganzen Comödie seynd nur 6 serieuse Scenen"
oder „diese ganze serieuse Action spielet nicht länger
als eine Stunde." Da fanden es denn die Theaterzettel
auch ganz überflüssig, Dichter und Schauspieler erst
noch namentlich aufzuführen. Die in den Intermezzi's
oder in den lustigen Nach-Komödien und Operetten auf-
tretenden Charaktere aber waren zumeist stehende Masken,
deren Repräsentanten ohnedies aller Welt bekannt waren.
Da hiess es denn auch nur einfach : „Hannswurst, Finette
und Scapin werden mit modester Lustbarkeit eine an-
genehme Veränderung machen" und Jedermann wusste:
Hanswurst sei kein anderer als Prehauser, Finette keine
andere als Frau und Scapin kein anderer als Herr Nuth.
Verlautete jedoch einmal rechtzeitig, dass an einem
Abende Frau Nuth als Finette durch eine Collegin er-
setzt werden solle, so forderten die Einen kurzweg an
der Kasse ihr „Legegeld u zurück, während die Anderen
sich durch eine eben nicht allzu massvolle Kritik an
der armen Stellvertreterin schadlos hielten.
12 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
Je karger aber die in grossem Folio gehaltenen
Affichen in Betonung von Dichtern und Schauspielern
waren, um so verschwenderischer waren sie in reklamen-
haf ten Ankündigungen von Avertissements, Verkleidungen,
Arien, Kinderpantomimen, Dekorationen, Maschinen und
Feuerwerken. Ja, es fehlte auf denselben selbst an zahl-
reichen Abbildungen phantastischer, vor allen zwischen
Teufeln und Teufelinnen spielender Scenen nicht. Eine
Wiener Dramaturgie oder auch nur eine Wiener Tages-
kritik von damals hat wohl nie bestanden oder hat sich
zum wenigsten nicht erhalten.
Doch ist gewiss, dass Joseph Kurz gleich bei seinem
ersten Auftreten auf der Wiener Bühne schon die ganze
Vielseitigkeit seiner reichen Begabung zu entfalten im
Stande war. Ob dies mehr für die Schule spricht, die er
bisher unter seinem Vater durchgemacht oder gegen
die „Wiener deutsche Comödie a mag dahin gestellt
bleiben. Er spielte vorerst in den Scenarien von Nuth
und Weiskern neben Prehauser zweite komische Partien
aus dem Stegreife und errang in einer derselben, in der
Rolle eines jungen, ungezogenen, Widerlichen, dummpfiffigen
Buben, Bernardon genannt, einen solchen Erfolg, dass
dieser Bernardon nun seine stehende Maske wurde. Er
debütirte in heiteren Soloscenen mit von ihm selbst ge-
dichteten und in Musik gesetzten Couplets, die allerdings
mit dem denkbar geringsten Aufwände von Stimme,
Kunst und Begleitung zu bestreiten waren. Er trat als
Solotänzer in Balleten seiner eigenen Erfindung auf, die
freilich nicht viel mehr waren, als kleine Divertissements
aus National- und Charaktertänzen. Er wirkte in den
damals so beliebten Pantomimen mit, die entweder Inter-
mezzi der Haupt- und Staatsaktionen waren . oder auch
selbständig gegeben wurden. Endlich versuchte er sich
als Theaterdichter.
Auch ist gewiss, dass Joseph Kurz nur zu kommen
und gesehen zu werden brauchte, um zu gefallen. Aus
einem gelehrigen Schüler Prehausers, der ihn mit seltener
Erstes Auftreten in Wien 1737- „Bernardon". 13
Kollegialität in die neuen Kreise eingeführt hatte, ward
er wie über Nacht degsen gefährlicher Nebenbuhler.
Während seinerzeit der bereits ältere Hanswurst auf dem
Wege einfacher und treuherziger Bornirtheit die Gunst
des Publikums nur langsam errang, eroberte sie der um
zehn Jahre jüngere Bernardon auf dem Wege einer mehr
bewussten und nur scheinbar naiven Dummheit wie im
Sturme. In ihm nahm der etwas antiquirte Hanswurst
eine modernere, fast möchte man sagen, geistvollere Ge-
stalt an. Beide wirkten in erster Linie durch eine uner-
schütterliche Objectivität und eine gesunde Naturwahr-
heit. Niemand im ganzen Hause wurde durch das
laute Gelächter, das eine vorgebrachte Frechheit oder
eine arge Zote im Publikum hervorrief, mehr über-
rascht als Bernardon selber. Es schien, als wäre er
durch solch ein schallendes Echo erst über den Sinn und
die Tragweite der eigenen Worte aufgeklärt worden.
Von seiner Erscheinung auf der Bühne, von seiner Spiel-
und Redeweise gibt einer seiner Zeitgenossen, allerdings
ein Gegner der Bernardoniade, ein sehr anschauliches
und sicher sehr treffendes Bild: .
„Nun stelle man sich ein hochansehnliches, hochgeneigtes
Auditorium vor. Vierzig vollgepfropfte Logen, ein Parterre zum
erdrücken und die Gallerien zum einbrechen. Die Gardinen aufge-
zogen, Bernardon kommt aus den Coulissen mit ein paar Seiten-
sprüngen und einer lächerlichen Reverenz hervor."
„„Ich habe Appetit, denn der Tambour meines Magens schlägt
schon Rebell und Vergatterung, aber meine Occasions-Laterne
Colombine wird wohl wieder im Finstern auf der Treppe an einen
Heyducken angestossen seyn, dass sie einen Geschwulst bekommt,
der erst in dreyviertel Jahren aufgeht."**
»Bravo, Bravo, schreit das hochansehnliche, hochgeneigte Audi-
torium und klatscht 3 Minuten 45 Secunden, die Galler ie eine
Minute weniger, ein paar Logen aber zwei Secunden länger. St. —
St. und eine allgemeine Stille zeigt die Begierde den Verfolg zu
hören.**
„„Was ist zu machen"**, fährt Bernardon in seinem Monologe fort,
„„ich werde zu Mamsel Isabellen gehen und sehen den Tambour
meines Magens sowie meine äusserste Liebe zu befriedigen und
zu krönen. Aber da kommt sie eben. Jetzt Bernardon nimm deine
14 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
ganze Beredsamkeit zusammen, erwünschtere Gelegenheit einen
Liebes-Antrag zu formiren, kann unmöglich erdacht werden. Wir
sind hier überdies neben meinem Schlafzimmer und hier steht ein
bequemer Sopha.""
„„Schönste Gebieterin! nachdem sintemalen, alldieweilen und
demnach die Sterblichkeit aus dem Firmament der Sterne, gleich-
wie die hellglänzende Sonne in der Morgenröthe und Julius Caesar,
der berühmte Philosoph, nicht minder der Alexander, der stoische
Lehrer von der Liebe, also sag ich Ihnen, dass meine Gedanken
durch die Wolken, wie die Sonnenstrahlen von der sterblichen
Sterblichkeit, Glückseligkeit, Freude, Entzücken, Wollust und Ver-
gnügen das Innerste meines verliebten Herzens durch die Liebe
und Zärtlichkeit auf der Reitbahn des Cupido allezeit und jederzeit •
auf dem Mistbeete meines Herzens liebe und verehre, habe gesagt,
sage und wollte sagen und verstummte und sprach." "
„Bravo, bravo, abermal ein Donner von 3 Minuten."
Ein alter Holzschnitt, Kurz als Kölnischen Stadt-
soldaten darstellend, fand in diesen Tagen durch Nestroy's
„Sansquartier" und die eben geschilderte Spielweise
Bernardons durch Karls „Staberl" eine treffende Illu-
stration.
Durch ein von Prehauser klug angebahntes Kom-
promiss ,war nun daß Quartett: Hanswurst-Prehauser,
Harlekin-Nuth, Bernardon-Kurz und Pantalon-Leinhaas
complet und beherrschte unangefochten Repertoire und
Bühne. Unter ihm erreichte die Stegreifkomödie eine
Vollendung, die selbst deren Gegner entwaffnete und
denselben eine Art von Bewunderung abzwang. Vor
allem füllten die Bernardoniaden, deren ewiger Inhalt
Bernardons Geburt, Leben, Glücks- und Unglücksfälle
sowie dessen Tod und Wiedererstehung waren, allabend-
lich die weiten Räume des Stadttheaters am Kärntner-
thore bis an die Decke. Doch waren diese Bernardoniaden
weder ein von Joseph Kurz erfundenes Genre, noch
rührten sie alle von ihm her. Während aber selbst in
der Blüthezeit Stranitzky's und Prehausers der Adel
sich ausschliesslich der kaiserlichen Oper oder den
„italienischen musikalischen Zwischen - Spielen" zuge-
wendet hatte, strömte er nun nicht minder als der
Öernaröon.
Erstes Auftreten in Wien 1737. „Bernardon". 15
gemeine Mann nach dem bisher so arg vernachlässigten
deutschen Theater. Und er folgte hierin nur dem Bei-
spiele, das der Hof ihm gab. Will doch die Chronik
des Wiener Theaters von damals sogar wissen, dass die
Mitglieder des „Kaiserl. privilegirten Theatri beym
Kärntner-Thor" in diesen Tagen zuerst verschiedene
Male nicht nur nach dem kaiserlichen Lustschlosse
Mannersdorf, sondern auch in die kaiserliche Hofburg in
Wien zu Vorstellungen befohlen wurden. Doch abge-
sehen davon, dass in den Jahren 1701 bis 1754 Manners-
dorf sich gar nicht in kaiserlichem Besitz befand, führt
der einzige klassische Zeuge in diesem Falle, das Wiener-
ische Diarium nur im Carneval des Jahres 1737 eine
Vorstellung von „Der Vormünder", einer Bearbeitung
von Carlo Goldont's „II Tutore" in dem Spanischen
Saale und im Carneval des Jahres 1739 eine Reihe von
„bey Hof in Gegenwart Allerhöchster Herrschaften Nach-
mittag gehaltener Comödie-Burlesca" an, von denen aber
nicht gesagt ist, ob sie, wie dies wohl sonst gemeldet
wurde, von „einigen Cavalieren", von den^Kaiserlichen
Edelknaben" oder von Berufsschauspielern aufgeführt
wurden.
Da, in der Nacht vom 20. auf den 21. October 1740,
starb nach kurzem Krankenlager Kaiser Karl VI. Schon
am Tage darauf aber erschien ein „Königliches Patent"
des Inhalts:
„Als befehlen Wir euch allen, und jeden, keinen ausgenommen,
hiemit Gnädigst, und wollen, dass ihr alle, und jede Frölichkeiten,
Musiken, Trompeten, Jäger-Horn, Fecht-Schulen, Täntz, Comödien
und alle andern dergleichen Freuden-Spiel, und äusserliche Er-
zeigungen bey denen Hoch- und Mahlzeiten, auch anderer Zu-
sammenkünften, sowohl bey Tag als Nacht, heimlich und öffentlich
ernstlich, und bei Straf ab- und einstellen, und hierwieder zu handeln
niemanden verstatten, wie auch dergleichen euch selbsten ent-
halten sollet : An denen beschiehet Unser Gnädigster Will und
Meinung."
Hiermitwar die Landestrauer angeordnet, die Theater
waren für die Dauer von acht Monaten gesperrt und
16 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
die ersteren Mitglieder derselben hatten die Wahl:
entweder im Lande zu bleiben und sich mit einer
bescheidenen Sustentation zu begnügen oder ihre Kon-
trakte als gelöst anzusehen, und in die Ferne zu ziehen.
Unter denen, die das Letztere wählten, waren: Franz
Anton Nuth und seine Frau sowie auch Joseph Kurz.
Sie folgten einer Einladung in die freie Reichsstadt
Frankfurt am Main, wo bald nach dem Tode des deut-
sehen Kaisers Karl VI. die ersten Vorbereitungen zur
Wahl seines Nachfolgers getroffen wurden.
III.
Gastspiel in Frankfurt a. M. 1741|42.
„ Judenhochzeit." Heirath in Dresden 1743.
ei seiner Ankunft in Frankfurt am Main, im Früh-
ling des Jahres 1741, fand Joseph Kurz die ersten
Schritte zu den glänzenden Wahl- und Krönungs-
feierlichkeiten bereits gethan. Die bei solchen Gelegen-
heiten unvermeidliche Vertretung des Schauspieles war
längst zweien in der Theaterwelt viel genannten Männern
anvertraut : dem deutschen Prinzipal Francesco Gervaldi
Wallerotty — auch Bellrotty, Pellerotti und Wallerodi
geheissen — und dem französischen Directeur Jean
Baptiste Gherardi.
Wallerotty hatte sich schon zwei Jahre vorher durch
die Darstellung einer Reihe mit Gesang und Tanz reich
ausgestatteter Haupt- und Staatsaktionen sowie toller
Burlesken und Nachspiele einen allerdings mehr als
zweifelhaften Namen gemacht, und sich so die Fürsprache
des theaterliebenden Grafen Colloredo. des churböh-
mischen Gesandten in Regensburg erworben. Gherardi
Frankfurt 174l|42. Judenhochzeit, lteirath 1743. ll
dagegen hatte sich während seiner letzten Tournee durch
die Schweiz, Elsass und Lothringen mit der Vorführung
des klassischen Repertoires der Franzosen nicht nur den
Beifall der grossen Menge, sondern auch die Anerkennung
des kunstsinnigen Marschalls von Broglio in Strassburg
und des einflussreichen königlichen Rathes Hanus in
Nancy zu erringen gewusst. Er hatte in Monsieur
Seriny einen trefflichen Compagnon.
Wallerotty, ein Mann von jener literarischen Halb-
bildung, wie sie damals, eine Frucht des verfehlten Be-
rufes, unter den Wanderprinzipalen gar nicht selten war,
bestritt sein Repertoire zum grössten Theil aus Eigenem.
Von nicht gewöhnlicher Belesenheit in mehr als einer
Literatur nahm er nicht nur seine Stoffe, sondern auch
seine ganzen Stücke, wo er sie fand, und passte sie
durch allerlei theatralische Zuthaten von Zwischenspielen,
Maschinerien, Gesang, Tanz und Feuerwerk dem Ge-
schmacke seines Publikums an. Natürlich erlaubte ihm
die „niederreissende Thätigkeit eines Theaterprinzipales"
nicht, diese Stücke im Detail auszuarbeiten, sondern er
musste sich begnügen, nur die Scenarien derselben zu
entwerfen, in diesen den komischen Personen so viel als
möglich Anregung und Raum zu ihren extemporirten
Lazzis zu bieten und das Verständniss derselben dem
Zuschauer durch kurze Avertissements und Inhaltsan-
zeigen soviel als möglich zu erleichtern. Neben den so
von ihm selber „zusammengestellten Actionen" brachte
Wallerotty noch einige von seinen „Haupt-Compositoren"
Nuth und Schuch, ganz in demselben Geiste coneipirte
Machwerke. „Nach den wahren Regeln verfasste Stücke"
wie „Jean de France, oder: Der teutsche Franzose",
„Das Gespenst mit der Trummel", „Der sterbende Cato",
„Der poetische Dorf- Junker" zeigten sich in seinem Re-
pertoire nur selten. Auch wurden diese phänomenalen
Erscheinungen stets durch den Beisatz signalisirt, dieses
Werk wird von Wort zu Wort, wie es uns vorgeschrieben,
produciret werden!
I
18 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
Anders Gherardi. Nach Johann Michael von Lofcn,
dem Grossonkel Goethes, der die Schauspiele des Walle-
rotty geradezu „abgeschmackt und elend" nennt, „er-
warb sich Gherardi bei Kennern vielen Beifall, verstand
die Regeln der Schauspielkunst und wusste alles wol
anzugeben." Sein Repertoire bot gewissermassen den
Mikrokosmus der französischen regelrechten Bühne jener
Tage. Doch war es hin und wieder auch mit einer
Haupt- und Staatsaktion mit eingelegten improvisirten
Intermezzis versetzt, wie mit dem „Simson" oder führte
vollständige Stegreifcomödien vor, wie „Die Liebe des
Arlequin und seiner Cloe a in welchen die Beschäftigten
nicht minder durch die Schlagfertigkeit ihres Witzes als
durch die Präcision ihres Zusammenspieles glänzten, und
mit denen sie bei ihrem Publikum nicht weniger Beifall
fanden, als mit dem regelrechten Trauerspiele und mit
der regelrechten Comödie.
Die Gesellschaft des Wallerotty stand so ziemlich
auf einer Höhe mit der des alten Felix Kurz. Den
Kern derselben bildete hier wie dort die Familie des
Prinzipals. Wallerotty selber, eine wahre Proteus-Natur,
erwies sich vor Allem wirksam als leitender Regisseur
und als drastischer Hanswurst, versuchte sich aber auch
als ernster Held. Um ihn gruppirten sich seine Frau
und seine beiden Töchter sowie seine Schwägerin und
eine Mademoiselle Laura, deren Fächer jedoch nicht
strenge abgegrenzt waren, und denen noch einige
namenlose Individuen secundirten. Aus Anlass der fest-
lichen Gelegenheit des Wahl- und Krönungsaktes waren
überdies Franz Anton Nuth und dessen Frau mit dem
schweren Opfer eines Honorares von wöchentlich zwölf
Thalern als „Premier Agent und Premiere Agentin a aus
Wien verschrieben worden. Mit ihnen und wohl auf ihre
Empfehlung erschien auch Joseph Kurz. Monsieur
Lebrun und Monsieur Mecour, als Balletmeister, ein
Signor Tanini Panini und eine Mademoiselle Amely als
^Premier Agent und Premiere Agentin im Tanze"
Frankfurt 1741I42. „Judenhochzeit. u tfeirath 1743. 19
sowie sechs Tänzer und Tänzerinnen besorgten speciell die
chorographischen Leistungen der Wallerotty 'sehen Truppe.
Natürlich verwandelte sich im gegebenen Momente auch
jedes Mitglied des recitirenden Schauspieles in einen
Tänzer oder in eine Tänzerin.
Weit zahlreicher und viel besser organisirt war die
Gesellschaft Gherardi's. Sie zählte gegen fünfzig Mit-
glieder und die meisten derselben hatten bereits an grösseren
französischen Bühnen hervorragendere Partien gespielt.
Bezeichnend genug war es bei Gherardi nicht wie bei
Wallerotty der Hanswurst, der die erste Rolle spielte
sondern der tragische Held, Monsieur le Cocq, nach Lo£n
ein Künstler „mit sehr guten Ansehen und zum Trauerspiele
wie geboren." Gherardi, der Altere, wirkte als Heldenvater
und Regisseur. Im Lustspiele war Monsieur Gherardi,
der Jüngere als Arlequin das belebende Prinzip, während
ein Monsieur Bevurement als Vertreter der eigentlichen
Stegreifkomödie glänzte und ein Monsieur Nevard als
polternder Alter vortrefflich war. Von den Damen wurde
vor allen Demoiselle Baudain gelobt, welche die Alziren
und Zairen gab. Als Colombina zeichnete sich eine
Demoiselle de l'Isle und als Soubrette eine Demoiselle
Lyonais durch Geist und allerliebste Erscheinung aus.
Alle Mitglieder der Gherardi-Seriny'schen Gesellschaft
waren gleich denen der Wallerottyschen „ebenso wol im
Agiren als im Tanzen und Singen geübt."
Die Deutschen eröffneten ihren Schauplatz „in der
grossen neu erbauten Hütte auf der Bockenheimer-Gass a ,
die Franzosen „h la Rue de Tous les saints dtte Aller-
Heiligen-Gasse dans (la) maison nommie le Länge-Gang"
Die Preise der Deutschen waren: „Parterre nur 6 Batzen,
auf dem anderen Platz 4 Batzen und auf dem letzten
Platz 2 Batzen." Es waren auch Logen monatlich,
wöchentlich oder täglich zu „verlehnen." Ein Logen-
platz kostete 1 fl., eine ganze Loge 4 und 8 fl., je mit
5 und 9 Plätzen, und „ist allerzeit bey jeder Loge ein
Bedienter frey. a Die Preise der Franzosen waren auf
iö JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
dem „Theatro in der ersten Loge und Orchester zwey
Gulden, auf dem Amphi-Theatro vier Kopfstück, in der
zweyten Loge einen Gulden auf dem Parterre und
Paradiess 30 Kr. a Der Anfang war von Deutschen und
Franzosen im Sommer auf 5 Uhr, das Ende auf 8 Uhr
angesetzt. Im Herbste und im Winter begann man um
6 Uhr. An diese Vorstellungen schlössen sich dann um
11 Uhr „die lustigten Zusammenkünften" in den Theater-
räumen. Im Carneval wurden sowohl von den Deutschen
wie von den Franzosen „Masken Vorstellungen a gegeben,
zu denen das Publikum auf den ersten Plätzen nur in
Verkleidungen zugelassen wurde. Auch gab es, wie in
Wien und Paris, förmliche Theater-Redouten.
Nach dieser flüchtigen Skizze der Frankfurter Bühnen-
verhältnisse zur Zeit der Wahl- und Krönungsfeierlich-
keiten Carl VII. ging die deutsche Komödie unter
Wallerotty ganz dieselben Wege wie die Wiener unter
Borosini und Selliers. Auch war ihr Verhältniss zu dem
französischen Schauspiel ein ganz und gar analoges.
Da mit dem Beginne des Jahres 1741 bereits viele
Fremde und hohe Herrschaften in Frankfurt eingetroffen
waren, sah der Magistrat von seinem früher gefassten
Beschlüsse : die Komödie erst mit der eigentlichen Wahl-
zeit beginnen zu lassen wieder ab und Wallerotty konnte
schon am 4. April, als am Osterdienstage, zum ersten
Male seinen Schauplatz eröffnen. Es hat sich eine
fast vollständige Reihe von Theaterzetteln dieser Impresa
erhalten. Doch macht es der Mangel an einer nament-
lichen Aufführung der Darsteller auch hier unmöglich,
die Laufbahn der Mitglieder Schritt für Schritt zu ver-
folgen.
Aus angeborner Galanterie scheint das Wiener
Trifolium seiner Colombine, Frau Nuth, den Vortritt
gelassen zu haben. Jeden Abend wurde dem Publikum
von ihr mit einer oder einigen „guten italienischen Arien
aufgewartet." Auch „agirte in „II Traditore disestesso"
unsere Sängerin die Haupt-Person", ja sogar in der
Frankfurt 1741J42. „Judenhochzeit." Heirath 1743 21
„aus dem Frantzösischen in das Teutsche übersetzten
Capital - Tragödie, betitult: Le Cit, oder: Der Streit
zwischen Ehre und Liebe, dargestellt zwischen Roderich
und Chimenen" heisst es: „N. B. Die Chimene agiret
unsere Sängerin und wird sich in einigen Arien besonders
signalisiren." Natürlich erschien „unsere Sängerin" je-
doch zumeist in den Haupt-Aktionen ihres Mannes und
führte ihn so als den „Haupt-Compositeur a des Walle-
rotty'schen Repertoires ein. In den ersten sechzehn
Vorstellungen wurden nicht weniger als sechs Maschinen-
Komödien von der Faktur des Franz Anton Nuth ge-
geben.
Am 25. April brachte Wallerotty „eine allhier erst
componirte mit neuen Arien sowohl als verschiedenen
Auszierungen des Theatri decorirte auserlesene intrigante
und extra ordinair lustige Piece Comique, betitult: Die
verliebte Zauberin, oder: Das Collegium verliebter
Studenten a , deren Ankündigung er mit folgendem Aver-
tissement begleitete :
„Heute werden zwey Hanss-Würste das Theatrum betretten und
beyde mit Lustbarkeiten also aufwarten, dass ein jeder sich be-
mühen wird, wie er dem andern den Rang könne streitig machen.
Ein zahlreiches Auditorium richte sich heute nur zum Lachen,
dann dazu wird es gewiss Gelegenheit haben, dieses versichert der
Compositeur der heutigen Action Franz Anton Nuth."
Sehr wahrscheinlich, dass dieser Abend dazu be-
stimmt war, Joseph Kurz dem Frankfurter Publikum zum
ersten Male vorzuführen, und dass er einer von den
„zwey Hanss- Würsten u gewesen „von denen ein jeder
sich selbst bemühte wie er den andern — wohl den
den Prinzipal Wallerotty selber — den Rang streitig
machen könne." Diese Wahrscheinlichkeit wird dadurch
noch vergrössert, dass die angeblich „allhier erst compo-
nirte extra ordinair lustige Piece Comique bereits einige
Jahre früher in Wien vor dem kaiserlichen Hofe, während
der Fastnachtszeit, zum Oblecamentum von denen höchsten
und allerhöchsten Herrschaften aufgeführt worden" war,
also zum Repertoire des Wiener Bernardon gehörte.
'» ■>
JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ
Nachweisbar betrat Joseph Kurz die Frankfurter
Bühne am folgenden Tage in „Hans- Wurst, der dumme
Knecht, oder: Bernardon, der einfältige Schlosser- Jung
und Pantalon, der betrogene Schwieger- Vater. " Es war
dies eine der vielen Varianten des damals so beliebten
Thema's: Pantalon, ein störriger alter Herr, wird durch
seine listige Tochter und deren treue Verbündete ein
energisches Kammermädchen, oder durch einen von
ihm zurückgewiesenen Liebhaber seiner Tochter und
dessen verschmitzten Diener hinter das Licht geführt und
zur Einwilligung in die von ihnen ersehnte Heirath ge-
zwungen. Der Ruf des Wiener Bernardon scheint seinem
ersten Auftreten in Frankfurt kaum vorangeeilt gewesen
zu sein, sonst würde die Ankündigung der „Verliebten
Zauberin" den „zweyten Hanss- Wurst" gewuss nicht
anonym gelassen haben. Joseph Kurz brauchte aber
auch hier, wie seinerzeit in Wien nur zu kommen und
sich zu zeigen, um zu gefallen. Die Rolle des „Dummen
Schlosser- Jung" war wohl nur eine episodische, doch war
der Erfolg, den Kurz damit errang, ein so grosser, dass
er Wallerotty zwang schon in den nächsten Tagen der
Ankündigung des „L'oggetto odiato, oder die verhasste
Braut" die Anmerkung beizufügen : „N. B. Auf gnädiges,
hohes und vielfältiges Begehren wird sich heute der
dumme Schlosser-Jung wiederum präsentiren." Es folgten
im Laufe der Impresa noch „Bernardon, ein Tischler"
und „Bernardon, der verrückte Kapellmeister", wohl sämmt-
lich von Joseph Kurz herrührend, und alle diese Solo-
scenen wurden vielfach zur Wiederholung begehrt und
populär.
„Hans- Wurst, der dumme Knecht" war der Vor-
läufer von „Die verkehrte Welt", deren Inhalt nach dem
„Avertissement" folgender gewesen:
„Diese Regiersucht ist eine Stöhrerin des Friedens, eine Feindin
der Ruhe, ein Gifft der Monarchen, eine Pest der Unterthanen und
eine Schwester der Vaerrätherei, welche schon viel und grosses Un-
heil in der Welt verursachet hat, ihre Wirkung hat auch unter
Frankfurt 1741J42. „Judenhochzeit" Heirath 1743. 23
andern Castilien schon vor vielen Jahren mit Schaden erfahren
müssen. Es führte nemlich ein gewisser Hertzog, welchen wir
Alvaro nennen, mit einem seiner benachbarten Fürsten einen blutigen
Krieg, seine Gemahlin aber fände sich zu selbigen Zeiten gesegneten
Leibes. Und also Alvaro in eigener Person wieder die Feinde
zöge, seine Gemahlin aber in der Residentz nicht a lzu sicher
glaubte, vertraute er selbige einem seiner getreuesten Bedienten,
welcher sich auf einem Land-Guth aufhielte und eilte also ver-
gnügt dem Feinde entgegen. Die Hertzogin lebte in Gesellschaft
der Antonia (also nennte sich die Ehefrau dieses Vertrauten) ganz
vergnügt, sie wurden auch beide fast zu gleicher Zeit mit einem
jungen Erben erfreuet. Allein die Hertzogin musste das Leben
ihres kaum zur Welt gebohrenen Printzen mit dem ihrigen be-
zahlen. Alle zwey Knaben wurden nun von Antonia getränket,
aus Regiersucht aber angetrieben, gäbe sie ihren Sohn für den
rechtmässigen Printzen aus, welchen Per licentiam comicam Bernardon
vorstellet. Zu was für Gelächter, Intriguen und Narrheiten dieses
den Anlass gibt, wird man in der Aktion mit mehrerem Gusto
sehen."
Mit diesem in jenen Tagen nicht minder oft variirten
dramatischen Motive war eine der „Haupt-Fatiquen" des
Bernardon in Scene gegangen. Er zeigte sich in derselben
in folgenden „Charakteuren" : als „ein einfältiger Bauern-
sohn, als ein durch Missverstand erklärter Prinz, endlich
als ein von einem Philosopho gequälter, von einem Sprach-
meister exercirter, von einem Fechtmeister strapizirter, und
von einem Danzmeister und Bereither fast zum Narren ge-
machter Scholar." Auch erschien Bernardon hier nicht
mehr nur als eine episodische von dem eigentlichen Stücke
ganz losgelöste Figur, sondern vielmehr als ein mit dem-
selben verschmolzener dramatischer Charakter, wie dies
wohl auch sonst noch der Fall war, ohne dass es aber
aus dem vorliegenden Repertoire Wallerotty's weiter
nachgewiesen werden kann.
Am 15. August wurde statt einer Nach-Comödie
„eine neue Operette - Comique aufgeführet unter dem
Titul: Die lustige Juden-Hochzeit, wobey alle gewöhn-
liche Copulations-Ceremonien zum Vorschein kommen.
Diese Operette wird mit einem neuen Juden-Ballet ge-
endiget. B Verfasser dieser anonymen Operette-Comique
24 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
war der Wiener Bernardon und deren sehr einfacher
Inhalt nach einem späteren Drucke folgender:
Rachel liebt den Daniel. Ihr Vater Koschmagimpert
jagt ihn aber aus dem Hause, und führt ihr den Raby-
Bernardon als künftigen Gatten zu, der sie singend mit
der holden Frage begrüsst :
Rachel, Rachel,. sag was ist es,
Dass ich so betartelt bin?
Rachel stellt sich zuerst auf einen Wink ihres Vaters
schamhaft, wirft aber schliesslich dem unerwünschten
Anbeter verschiedene wenig schmeichelhafte Thiernamen
an den Kopf, so dass der arme „Raby" folgende
Lamentation im Tone damaliger Kinderlieder anstimmt :
O weh' ich armer Narr
Krieg aus Verzweiflung
Die Kolica a a a a
Das Blut erstarrt wie Eis und Schnee
c e e e e,
Das Fieber steigt bis in die Knie
i i i i i,
Der Hals wird sperr wie Haberstroh
ooooo,
Du bringst mich um, du Hexe Du
a e i o u.
Vater Koschmagimpert tröstet ihn indess und verspricht
ihm nochmals die Rachel zur Frau.
Das Gegenspiel führt den Zuschauer auf die Strasse,
wo nach einer Verzweiflungsarie Rachels, der schlaue
Vater Daniels, Jakob, alsbald seinen Plarr^enthüllt :
Jakob hat schon ausgedacht,
Wie er eure Hochzeit macht.
Ein fremder Jud will seinen Schatz
Heut zu der Hochzeit fahren
Ihr beide nehmet seinen Platz
Und lasst eueh kopuliren.
Der Rabbi kommt. Sie höhnen ihn und gehen in's Haus.
Der „Raby schreit ihnen zornig nach:"
Verblinden, verstummen,
Verlahmen, verkrummen,
Frankfurt 1741 42. „Judenhochzeit." Heirath 1743. -'5
Gebora, verderben,
Verkränken und sterben,
Hals brechen, Gnick ab
Die Stiegen hinab
Ersticken, Blut speyen.
Die Därme brecht aus
Die Lunge, die Leber *
Das Peischel heraus.
Dies Fluchen ruft Koschmagimpert herbei, der den Richter
zu holen verspricht, während der Rabbi das Haus be-
wachen soll. Nun wird der verliebte „Raby" ganz im
Stile der unverfälschten Bernardoniade von dem Liebes-
paare, das in verschiedenen Verkleidungen auftritt, mehr-
fach recht handgreiflich gehänselt.
Rachel erscheint zuerst als Bänkelsängerin, dann als
Tyrolerin. In dieser Rolle singt sie:
Bin i nit a gesteiftes Madel
Kurze Füss und dicke Wadel,
So schön, so rund als wie a Radel
Fett als wie a Schweine Pradel!
Darauf kommt sie als Kastanienbraterin. Schliesslich aber
gipfelt ihre Kunst in einem französischen Lied, in dem sie,
als „Petit maiire" höchstselbst sich als schöne Rachel ver-
herrlicht. „Rachel macht dem Raby affectirte Complimente,
welcher sie aber nicht verstehen will. Rachel winkt einem
Bedienten, der ein Frauenzimmerkleid bringt. Sie will es
dem Raby anziehen und zeigt ihm, dass er tanzen soll.
Da aber Raby nicht will, zieht Rachel den Degen, wo-
rauf sich dieser aus Furcht vor ihr und dem. Bedienten
ankleiden lässt. Rachel tanzt mit dem Raby einen
Menuet : ' hernach deutsch. Raby fällt auf die Erde.
Rachel geht ab. Raby lamentirt. David, der ihn be-
ständig ausgelacht, hilft ihm auf und zieht ihm die
Frauenzimmerkleider aus."
Der Rabbi wird von Jakob in die Synagoge gerufen,
wo es ein Brautpaar zu trauen gibt. Dem Koschma-
gimpert, der mit Wache kommt, um Jakobs schönen
Sohn zu arretiren, versichert Jakob, dass ef selbst ihn
26 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
schon eingesperrt und ihm alle Liebe verwehrt habe.
Der „Raby" freut sich auf die „Schicksei und Schnicksel",
die er mit Rachel bekommen wird, und Koschmagimpert
singt zur Erholung eine Variation über das Thema:
Arme Väter! eure Kinder
Machenreuch sehr viel Verdruss.
Die folgende Scene „stellet die Judenschule vor, vvo-
rinnen das Laubhüttenfest gehalten wird. Alles ist mit
grünen Bogen geziert, in welchen goldne Leuchter hangen.
Im Prospect sieht man einen grossen Marmortisch, hinter
welchem eine grosse Kanzel, worauf der Raby steht.
Unter diesen Bogen sind viele Juden, welche die Juden-
schule machen; Raby schreit dabei öfters allein : Schoulem !"
Endlich ruft er die Brautleute :
Höret zu!
Brautleut kommet nur herein,
Ihr sollet kopuliret seyn.
„Zwey alte Juden, zwey Jüdinnen und zehen Kinder gehen
unter Gesang eines Chores ab. Sie kommen gleich
wieder zurück. Die zehen Kinder tragen weise Fackeln
voraus: hierauf kömmt die Rachel mit einem weisen
Tuche verdeckt, Daniel mit einem andern Kleide und
Barte unter einem Himmel, welcher von Juden getragen
wird." Der Chor singt abwechselnd mit dem Rabbi,
der zuerst vor dem Ehestande warnt:
Höret zu!
Ehestand ist Wehestand,
Das ist der Welt bekannt.
Salomon, der Weise, spricht:
Viele Weiber taugen nicht,
Denn sie sind von Flandern
Von dem ein zum andern.
dann zum Bräutigam:
Höre zu !
Das grösste Uebel auf der Erden,
Das ist ein Weib, bedenke dich!
Hör' mein Wort, verstehst du mich?
Sag! willst du doch ihr Mmn noch werden
Sag ja !
Frankfurt 174142. „Judenhochzeit." Heirath 1743 1'7
dann zur Braut :
Höre zu!
Der grösste Limmel auf der Erden
Ist mancher Mann, verstehst du mich?
Hör* mein Wort, bedenke dich !
Sag! willst du seine Frau noch werden?
Sag ja!
Nachdem der Chor für Beide mit : Ja, geantwortet, singt
der Rabbi:
Ihr macht euch die Sach' nicht schwer,
Nun so geh es drüber her!
Feuer und Stroh, das macht viel Flammen,
Wasch mir den Pelz und mach mich nicht nass
Mandel und Weibel gehöret zusammen
Merk meine Worte! verstehst du auch das?
Nach diesem wahren Triumph des Widerspruches in
jeder Beziehung, dessen Logik nur von dem Reime
diktirt scheint, „folgt ein Tanz von allen Juden, während
dem vollzieht der Raby die Kopulation:"
So stark wie die Löwen, so stark wie der Stein,
Sollt ihr zwey verbandelt, verknüpfet itzt seyn
Je grösser der Schelm, je grösser das Gluck:
Schreit Juden! und wünschet dem Brautpaar viel Glück!
„Eine Jüdin bringt einen neuen Topf, stellt ihn vor den
Bräutigam, welcher mit beyden Füssen darauf springt.
Drey andere Jüdinnen nehmen die Stücke in ihre Vor-
tücher und gehen wieder auf ihre Stelle." Der Rabbi
singt:
Höret zu!
So viel Stückel, so viel Grimmel,
So viel Scherbel, so viel Trümmel,
So viel Kinder, wie die Wanzen
Sollen baldigst um euch tanzen.
„Ein Jude kömmt mit einer Flasche Wein und einem
Glass zum Daniel, schenkt ihm ein; und nachdem Daniel
ausgetrunken, wirft er das Glass nach dem Stern," Der
Rabbi singt:
Höret zu!
Er hat den Stern getroffen,
Das Beste kann er hoffen.
28 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
„Alle springen herum. Die Kinder tanzen und Rachel
allein."
Nun erst stürzt Vater Koschmagimpert herein und
schreit :
Juden ! seyd ihr alle blind ?
Seht ihr nicht? das ist mein Kind.
Das Brautpaar retirirt hinter den Tisch vor der Kanzel,
der Rabbi hinter ihnen her. Was nun? Der Dichter ist
um eine überraschende Lösung nach bewährten Mustern
nicht verlegen. Jakob, der Schlaue, erscheint mit einem
Zauberstabe, verwandelt den Tisch in eine „Hühnersteige,
in welcher Koschmagimpert und der Raby eingesperrt
sind a . Sie müssen schliesslich die Heirath zugeben, und
„Alle sind vergnügt ausser Raby", und das Ganze
„wird mit einem neuen Judenballet geendet".
Die Operette-Comique, in welcher der junge Bernardon
den alten „Raby" und wohl FrauNuth die „Rachel" gaben,
fand eine freundliche Aufnahme ; sie konnte bereits wenige
Tage darauf wiederholt werden. Dieser Erfolg ist je-
doch um so bemerkenswerther, als die Frankfurter Juden
jener Tage zwar auf das Schicksal der Bühnen dieser
Stadt nicht ohne Einfluss, aber keineswegs deren Pro-
tektoren waren. Die Erinnerung an den grossen Brand
im Jahre 1721 nährte in ihnen noch immer eine gewisse
Scheu vor der Errichtung dieser so feuergefährlichen
Schaubuden, in denen sie noch überdies mehr als ein
Mal zum Stichblatte der nicht allzufeinen lustigen Person
geworden waren.
Noch brachte diese Impresa Wallerotty's am 30. De-
zember 1741 „Arlequin, der lustige Baron Zwickel und
Hanss- Wurst, der interessirte Richter, mit Bernardon, dem
verliebten Schneider unter dem Nahmen Fingerhut", und
am 27. April 1742 „Der Schau-Platz der jetzig verkehrten
und affectirten Welt, oder: Der neue Baron Zwickel",
zwei „intrigante, durchaus lustige und satyrische Pieces-
Comiques", in denen der Baron Zwickel seine Rolle spielte,
und in denen Bernardon unter dem Namen Fingerhut
Frankfurt 174142. „ Judenhochzeit. " Heirath 1743. 29
besonders betont wurde. Da die Figur des Wiener Ber-
nardon für Frankfurt erst wieder neu creirt werden
musste, so erklärt sich dadurch auch, wieso Joseph Kurz
in den Frankfurter Theaterzetteln so verhältnissmässig
selten als Wiener Bernardon und zumeist als Hanswurst
erscheint.
Ob aber Bernardon oder ob Hanswurst, ob Wien
oder ob Frankfurt, das Glück blieb dem Joseph Kurz
unter allen Umständen treu. Die Ansicht seines jetzigen
Prinzipats : „durch Tollheit und kecklichem Witz gouver-
nirt man das Publikum" war bei ihm, längst vorgeahnt,
vollständig in Fleisch und Blut übergegangen. Dabei
wusste aber Bernardon, nach Aussage seiner Zeitgenossen,
die „oft greulichten Witze so feinlich und galant herfür-
zubringen, dass selbsten ein empfindsames Frauenzimmer
ihm darob nicht gram sein konnte". Und dies galt nicht
nur von dem gemeinen Haufen, da „in Sunderiichkeit
die hohen und allerhöchsten Herrschaften, die nach denen
vielen seriösen Feierlichkeiten sich in Wallerottv's Theater
erholeten, mit einem ganz charmantem Gusto Monsieur
Bernardons Leistungen bewunderten".
Trotzdem die Gesellschaft des Wallerotty in Monsieur
Lebrun und Monsieur Mecour, dem späteren Gatten der
berühmten Soubrette, zwei sehr tüchtige „Tanzmeister"
hatte, so debutirte doch auch ;,Monsieur" Kurz mit von
ihm „neueomponirten Balletten", die stets wiederholt
werden mussten.
Mit dem Mai des Jahres 1742 endete vorläufig auch
die Wirksamkeit Wallerotty's in Frankfurt. Seine wieder-
holten Bitten die „Hütte" vorerst noch stehen lassen zu
dürfen, blieben von dem Rath der Stadt stets un-
berücksichtigt ; ja endlich wurde er geradezu gezwungen,
den luftigen Bau abzubrechen. Da verlor er alles Ver-
trauen in seine fernere Frankfurter Zukunft, blieb nicht,
wie er anfangs beabsichtigt hatte, den Sommer über in
der Stadt und kehrte selbst zur Herbstmesse nicht in
dieselbe zurück.
30 JOHANN JOSEPH FELIX VON KÜRZ.
Mit dem Wallerotty zugleich dürfte 1742 wohl auch
Joseph Kurz den Staub von den Füssen geschüttelt haben ;
doch verdunkeln sich seine Lebenswege von diesem Momente
an wieder für einige Zeit. Die „lustigten Zusammen-
künfte" in der grossen neuerbauten Hütte auf der Bocken-
heimer Gasse und die durch den Kurfürsten von Köln,
Clemens August, „einen prachtliebenden Herrn und über-
aus grossen Liebhaber von Bauen, Jagen und Frauen a
sowie durch den Fürsten Thurn und Taxis nach dem
Muster der Franzosen auch in dem deutschen Theater
angeregten „Masken Vorstellungen" und „Maskenbälle"
hatten zu einer früher ganz ungewöhnlichen Intimität
zwischen der „Noblesse" und den Schauspielern geführt,
die hierbei die Honneurs des Hauses machten. So manche
über die Coulissen, so manche über die Dauer der Saison
hinausreichende Episode aus der Chronique scandaleuse
von Frankfurt verdankte diesen Abenden ihren Ur-
sprung.
Joseph Kurz mag bei dieser Gelegenheit in der Ge-
sellschaft keine geringere Rolle gespielt haben, als bei
andern auf der Bühne. Er, der den „Petit-Maitre" stets
unter seine Lieblingspartien zählte, wird von dieser
Neigung gewiss auch etwas auf das Leben übertragen
haben. Von einnehmendem und elegantem Wesen, als
anmuthiger Tänzer und gewandter Fechter in jeder Art
des Sports zu Hause, dabei mehrerer Sprachen mächtig,
spielte er den Stutzer im Salon gewiss nicht weniger
glücklich, als er ihn auf dem Theater parodirte. Was
Wunder, dass sich auch in dieser Richtung eine
Wolke von Gerüchten und Anekdoten auf ihn niederliess,
die es eben nicht leicht macht, seinen Lebensweg allent-
halben zu verfolgen. Schreibt doch August Gottlieb
Meissner 1 ), der bekannte Aesthetiker und Novellist, noch
im Beginn der neunziger Jahre im Tone des gewissen*
haften Biographen:
l ) A. G. Meissner geb. 1753, gest. 1807. M. sämmtliche Werke,
Wien 1813—1814. Fürst, A, G. Meissner, Stuttgart 1894.
Frankfurt 1741I42. „Judenhochzeit.* Heirath 1743. 31
„In seiner Jugend war Kurz einigemale eine ge-
raume Frist hindurch vom Theater entfernt ; unter andern
bekleidete er einst am Hofe des Marggrafen von Bayreuth
die Stelle eines sogenannten Maitre des Plaisirs und stand
beym Fürsten gar sehr in Gnaden. Es fiel gerade da-
mals die Kaiserwahl Karl VII. zu Frankfurt ein. Kurz
hielt sich während derselben, ich weiss nicht ob mit oder
ohne seinen Marggrafen, allda auf, kam in die Bekannt-
schaft von mehreren fürstlichen Personen, und ward unter
andern auch dem Fürsten D-n vorgestellt. Dieser Herr
liebte alles, was zu den Vergnügungen des Lebens ge-
hörte ; einige muntere Einfälle von Kurzen gefielen ihm ;
er Hess ihn nun fast täglich zu seiner Tafel laden und an allen
den kleinen Lustparthien, die man in diesem Hause häufiger,
als irgendwo feyerte, muste Kurz Antheil nehmen".
An dieses Stück Dichtung und Wahrheit reiht nun
der meist so viel gelesene Meissner ein paar sogenannte
Anekdoten aus dem Leben des Joseph Kurz, in welchen
er seiner blühenden Einbildungskraft vollauf die Zügel
schiessen Hess und die jenes erotischen Hintergrundes
nicht entbehren, den die Schüler Wielands liebten, der
aber nie von irgend jemandem ernst genommen wurde.
Viel wahrscheinlicher als die Version über die Stellung
des Kurz als „Maitre des Plaisirs" am Bayreuthischen Hofe,
für welche die zahlreichen Memoiren jener Tage auch
nicht die mindeste Bürgschaft leisten, klingt die Annahme,
dass Kurz nach Ablauf der Impresa Wallerotty's sich
von Frankfurt nach Dresden begeben habe, um seinem
daselbst mit sehr reduzirten Mitteln wirkenden Vater zu
Hülfe zu eilen. Dass Papa Felix, wenn die eigenen
Kräfte nicht ausreichen wollten, sich gerne seines viel-
genannten Sohnes erinnerte, um denselben als Succurs
für die eigene Truppe heranzuziehen oder wenigstens als
Reklame für eine Impresa in Aussicht zu stellen, ist be-
kannt und selbst später noch oft versucht worden. Auch
ist es gewiss, dass Joseph Kurz, der Sohn, der noch ein
Jahr vorher als „Raby" vor dem Ehestand warnte:
$2 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
Ehestand ist Wehestand,
Das ist der Welt bekannt!
nichtsdestoweniger im Sommer 1743 zu Dresden Franziska
Toskani „eine arme ganz mittellose Kammermagd in
Sachsen geeheliget" hat, deren Mittellosigkeit sogar die
damals so allgemein üblichen Ehepakten überflüssig machte.
Da nun einmal die einzige Mitgift von Franziska
Toskani in einem reizenden Gesichtchen, einer nicht all-
zugrossen aber desto lieblicheren Stimme und einem ziem-
lich gewecktem Geiste bestand, so musste alles dieses
zum wenigsten, so gut es ging, verwerthet werden. Die
gemeinsamen Flitterwochen wurden der jungen Frau un-
merklich zu einer fröhlichen Lehrzeit und von ihrem er-
fahrenen Gatten liebevoll geführt, betrat sie schon im
Sommer 1/44, ein Jahr nach ihrer Trauung, an seiner
Seite im Wiener Stadt-Theater die heissen Bretter, welche
die Welt — damals allerdings eine recht närrische Welt —
bedeuteten.
IV.
Kurz' zweiter Aufenthalt in Wien 4744.
Bernardon der 30jährige ABC -Schütz.
|ls Joseph Kürz im Sommer 1744 mit seiner
jungen Frau an dem Wiener Stadt-Theater ein-
traf, fand er hier alles noch so ziemlich in der-
selben Verfassung, in der er es vor nun drei Jahren ver-
lassen hatte.
Einer der beiden „Impressarii", Franz Borosini, war
zurückgetreten, und das Privilegium befand sich jetzt
ausschliesslich in den Händen Joseph Karl Selliers. Dieser
war ausserdem „Entrepreneur der k. Oper" und hatte,
bald nach der Abreise des Kurz nach Frankfurt die Er-
laubniss erhalten, das der Burg zunächst gelegene Ballhaus
Zweiter Wiener Aufenthalt. Bernardon ABC-Schütz. 33
in ein Theater für Oper sowie für französische und
italienische Komödie einzurichten.
Die Physiognomie des Wiener Stadt-Theaters wurde
dadurch nicht im mindesten verändert. 1 Hier herrschte,
nach wie vor die Stegreifkomödie unter der Leitung
von F. W. Weiskern und unter der Mitwirkung des
Prehauser sowie des Franz Nuth und seiner Frau. Noch
hatte dieses treffliche Ensemble eben vor dem neuerlichen
Eintreffen des Joseph Kurz in Johann Wilhelm Mayberg
aus Sachsen und dessen Frau Rosine, einer gewandten
Colombine," eine nicht zu unterschätzende Verstärkung
erhalten, während die extemporirte Posse in Mayberg,
dem bühnenkundigen Uebersetzer und Bearbeiter zahl-
reicher französischer und italienischer Originalien, eine
neue Stütze bekam.
Tag und Stück, an und in dem Joseph Kurz jetzt
zum erstenmal das Wiener Stadt-Theater wieder betrat
und Frau Franziska Kurz hier zum ersten Male als
Angiola oder Rosalba erschien, sind nicht mehr bekannt.
Bald jedoch, nachdem Frau Franziska auf der Wiener
Bühne den ersten Versuch gemacht hatte, debütirte sie
im Leben als Mutter. Sie beschenkte ihren Gatten in
der ersten Hälfte des Februar 1745 mit einer Tochter,
die am 14. d. Mts. bei St. Stephan in der Taufe die
Namen: AnnaEleonora Theresia Franziska erhielt. Und
es ist bezeichnend für den Charakter des Kurz, dass er
bei dieser Taufe keine Geringere zur Zeugin bat, als die
„Titl. Frau Eleonora Herzogin von Quastalla gebohrne
Herzogin von Hollenstein a , die denn auch die Pathen-
schaft annahm, und sich als Pathin durch Jungfrau Anna
Maria Jairillin, wohl ihre Kammerjungfer, vertreten Hess.
Auch bei dem Sohne, den ihm Frau Franziska gegen
Ende Mai 1746 geboren, und der am 31. d. Mts. eben-
falls bei St. Stephan getauft, die Namen: Bartholomäus
Chrystophorus Josephus erhielt, hatte Kurz einen „Titl.
Freyherrn Bartholomäus von Tinti, Nieder-Oesterreichi-
schen Regierungsrath" als Taufpathen gebeten. Dieser
3
34 JOHANN JOSEPH FELIX VON KUfcZ.
Hess sich durch „Crystophorus Hager, Virtuosen von der
Oper a , vertreten 1 ).
Das Repertoire des Wiener Stadt-Theaters aus diesen
Tagen ist so gut wie verschollen. Die Haupt- und Staats-
aktionen von Stranitzky und Elensohn, die Compositionen
des alten Sqhuch und Nuth, sowie die Produktionen und
Übersetzungen eines Weiskern, Kurz und Mayberg dürf-
ten, wie bei Wallerotty und Consorten, so auch hier den
Stamm gebildet haben. Das Majestitium, die Landes-
trauer um Kaiser Karl VI., hatte die deutsche Komödie
aus der Gunst des Hofes und des Publikums keineswegs
verdrängt — im Gegentheile.
Maria Theresia, zwar in den idealeren Traditionen
der Italiener und der Franzosen aufgewachsen, neigte
zu allen Zeiten mehr deren Schöpfungen zu, und wenn
auch ihr die Bernardoniaden sich zum Gattungsbegriffe ge-
stalteten, wie aller Welt, so wurden sie ihr zum Gattungs-
begriffe nicht des Lustigen, sondern des Trivialen und
Rüden. „Moi, je la trouve un peu ä la Bernardon" pflegte
sie noch nach Jahren von einer allzu derben Komödie
zu sagen. Sie besuchte das deutsche Theater einzig und
allein ihrem Gatten zu Liebe.
Dieser jedoch, obwohl ein halber Franzose und des
Deutschen nie ganz mächtig, war ein so grosser Freund
der deutschen Posse, dass der preussische Gesandte Graf
Podewils von ihm sagen konnte: „Er Hebt alle Lustbar-
keiten ohne für irgend eine Passion an den Tag zu legen ;
am meisten scheint ihn die Jagd und das Theater zu
amüsiren. In letzterem fehlt er nie, obgleich es ab-
scheulich ist ; er hat aber, die Geduld in einer deutschen
Komödie vom Anfange bis zu Ende auszuharren, welche
Leute beleidiget, die gar nicht delicat sind a . Ja selbst
an jenen Abenden, an welchen Maria Theresia die Oper
oder die Vorstellungen der Italiener und der Franzosen
besuchte, wobei sie stets an der Seite ihres Gemahles die
l ) Kirchenbuch von St. Stefan. Siehe Anhang.
Zweiter Wiener Aufenthalt. Bernardon ABC-Schütz. 35
Loge betrat, suchte dieser sich im ersten geeigneten Mo-
mente frei zu machen und in das Theater an dem Kärntner-
thor zu flüchten, wo er sicher sein konnte, seinen Bruder
Karl und seine Schwester Charlotte bereits zu treffen.
Auch konnte Maria Theresia dem von der Jagd Heim-
kehrenden keine freundlichere Überraschung bereiten, als
wenn sie ihm das Stadt-Theater zum Rendezvous für das
Wiedersehen bestimmte. Es war als schiene ihm jeder
Abend ein verlorener, an dem er .diese Räume nicht be-
treten hatte.
Ein anderer von dem Grafen Podewils betonter Zug
in dem Charakter des Kaisers hat diesen in einer viel
colportirten Anekdote mit Joseph Kurz in Beziehung ge-
bracht, „Familiär", so sagt Podewils, „ist der Kaiser, selbst
öffentlich, mit denen, die er kennt, so weit, dass man es
missbraucht, und es an dem schuldigen Respekt fehlen
lässt a . Eines Abends wurde in der deutschen Komödie
die beliebte Posse : „Arlequin, der lustige Baron Zwickel
und Hans- Wurst, der interessirte Richter mit Bernardon,
dem verliebten Schneider unter dem Nahmen Fingerhut, von
Franz Schuch" gegeben. Joseph Kürz hatte diesmal den
„verliebten Fingerhut", der sich für den lustigen Baron
Zwickel ausgiebt, mit einem selbst für ihn ungewöhnlichen
Erfolg gegeben. Am folgenden Mittage begegnete der
Kaiser auf seiner gewöhnten Promenade den Joseph Kurz
und sagte, für dessen ehrfurchtsvollen Gruss, wie immer
leutselig dankend, zu seinem Gesellschafts-Kavaliere : „Ah!
siehe da, unser Baron Zwickel!" „Danke, Majestät, für
die gnädige Standeserhöhung" erwiderte mit nie ver-
sagender Schlagfertigkeit der keineswegs schüchterne
Komiker und nannte sich von diesem Augenblicke an —
Baron. So die Anekdote.
Dieselbe würde glaubwürdiger erscheinen, wenn von
dem Kaiser Joseph und seinem Kammerdiener nicht eine
ganz ähnliche Version circulirte. Im Augenblicke, wo
mit dem Tode Kaiser Karl VI. an dem österreichischen
Hofe die ehemalige strenge spanische Etiquette immer
/
36 JOtfANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
mehr und mehr schwand, und cordialere Umgangsformen
an deren Stelle traten, lagen derartige Traditionen eben
in der Luft. Dass Joseph Kurz von Haus aus berechtigt
war, sich Joseph von Kurz zu nennen, ist gewiss. Er hat
dies, wenn auch nicht zu allen Zeiten, so doch später
selbst vor den Gerichten gethan, ohne deshalb von den-
selben angefochten zu werden. Baron Kurz nannte er
sich aber erst, und dann ebenfalls unangefochten von den
Gerichten, am Ende seiner Laufbahn, nachdem ihm das
polnische Baronat verliehen worden war.
Es ist eine Eigenthümlichkeit im guten oder im
schlimmen Sinne populär gewordener Charaktere, dass
sich um sie alsbald ein Nimbus des Legendenhaften ver-
breitet. So auch bei Joseph Kurz. Kaum dürfte man
darüber erstaunen, wenn in ihm, dem durch so ungewöhn-
liche Erfolge Berauschten, der Jugendmuth in Übermuth
umgeschlagen wäre. Auch hätte es kaum Wunder nehmen
dürfen, wenn er, der unter der Maske des Bernardon in
der Stegreifkomödie Jedermann bittere Wahrheiten sagen
durfte, auch einmal die selbst ihm gezogene Grenze
überschritten, und gegen die Person der Kaiserin ein so
verwegenes Extempore gewagt hätte. Maria Theresia,
wie die diesbezügliche Tradition emphatisch lautet, that
darauf den Schwur, das Theater, in dem Bernardon sein
Unwesen trieb, nie wieder zu betreten. Selbst die Inter-
vention des Kaisers blieb in dieser Hinsicht erfolglos.
Doch findet sich dieses Extempore nirgends wiederge-
geben, auch meldet das „Wienerische Diarium" den Be-
such der „Teutschen Comödie" durch die Kaiserin zu
allen Zeiten, so wenig sie auch, wie bereits gesagt, an
der Bernardoniade Geschmack fand. Und so erscheint
denn auch diese Anekdote von Joseph Kurz eben so
unverbürgt, wie die von dem arrogirten Baronate.
In diese Zeit fiel auch die Entstehung der Posse:
„Bernardon, der 30jährige Abc-Schütz, oder: Hanns-
wurst, der reiche Bauer und Pantalon, der arme Edel-
mann*. Das Stück ist nicht aus der ersten Periode des
Zweiter Wiener Aufenthalt. Bcrnardon ABC-Schütz. 37
Joseph Kurz (1737 — 1741), obwohl der „Pantalon" zu
dieser Annahme verleiten könnte, da es sonst gewiss
gleich der „Judenhochzeit" in das Repertoire Wallerottys
aufgenommen worden wäre. Die Entstehung des Stückes
fällt vielmehr in die Zeit zwischen 1745 und 1752, also nicht
vor 1745, da dem Leopold-Huber, der doch erst in diesem
Jahre engagirt wurde, eine Rolle zugetheilt ist. Nach 1752
kann das Stück nicht geschrieben worden sein, weil seine
erste Auffuhrung sonst sicher in dem „Repertoire des
Theätres de la ville de Vienne" erwähnt wäre. Die
k. k. Hof bibliothek zu Wien besitzt zwar, unter 13193, 3,
ein mit der Jahreszahl 1754 bezeichnetes Manuscript dieser
Posse, doch ist dies ohne Zweifel nur eine jüngere
Abschrift. Diese Handschrift liegt auch der folgenden
Inhaltsangabe zu Grunde. •
Der Salzburger Bauer Hanswurst ist durch einen
Fund sehr reich geworden und hat sich alsbald mit seinem
Sohne Bernardon und mit seiner Tochter Angela nach
Wien davongemacht, wo sie sich für adelig ausgeben.
Bernardon soll nun nachträglich eine standesgemässe Er-
ziehung erhalten, . er soll — obgleich schon dreissig Jahre
alt — lesen und schreiben lernen. So tritt denn zu Be-
ginne des Stückes der alte Knabe unter der Fuchtel
seines Lehrers Odoardo auf:
Od.: Fang der junge Herr an; wie heisst der erste Buchstabe?
Bern. : (Geschehen vielLazy, stellet sich sehr ungeschickt bis auf die lezt):
Od.: Weil doch der junge Herr sein lection ziemlich hat können, so
ist hier sein Frühstückskipfel. (So lang der Bua sein Kipfel isst) :
Ich hab in meinem Leben keinen ungeschickteren Buben gesehen.
Weilen aber morgen der Geburtstag vom gnädigen Herrn Papa
ist, so wollen wir unsern Spruch aufsagen, an welchen wir schon
ein halbes Jahr lernen.
Bern.: Mit dem ewigen Lernen! Hat einer nicht einmahl Zeit zum
essen. (Wan nur ä mahl mein Hoffmeister crepiret!)
Od.: Nun, was ist das für ein Stehen! Wo seyn d'Händ, wo seyn
d'Füss? Kipfel weg! (Lazy) Sag der junge Herr auf.
Bern. : Was ? Hab ich schon aufgesagt.
Od.: Den Spruch aber nicht.
Bern.: Ich weiss ja nicht, wie er anfangt!
38 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
Od.: Ungeschickter E— delmann mit langen Ohren! Kann dann was
tölpelhafteres gefunden werden?
Bern.: Er ist selbst ein Tölpel! Was branch ich da dies Schmeis
lernen ! Mit einem Wort, ich will nichts mehr lernen, noch schreiben,
noch lesen. Mein Papa ist ohnedem reich genug.
Od. : Es ist aber der Wille und Befehl von dem gnädigen Papa, dass
der junge Herr lerne schreiben und lesen.
Bern.: Es ist erlogen; mein Papa kann selbst nichts, also brauch ich
auch nichts zu können.
Od.: Da hat der junge Herr Unrecht. Vielleicht haben ihro Gnaden
Papa niemahls Gelegenheit darzu gehabt. Es gibt auch öfters
arme Eltern, welche aus Mangel der Einkünfte nicht vermögend
seyn, denen Kindern etwas lernen zu lassen. Also brauchts nicht
viel spreizen und nur fort gelernt.
Bern.: Lerne er mein Vattern ehender schreiben und lesen; er ist ja
älter als ich; ich hab auch kein Glück zum lernen; es gehet mir
nichts von statten.
Od. : O, es wird sich schon geben, man muss nicht gleich verzweiflen.
Spatte Früchte seynd von besten und dauerhaftesten. Es ist ja
nicht viel, wir seynd gleich fertig. Allons, mir nachgesagt (list)
Freude, Freude, ohne Zahl — Freude, Freude, überall — Heil und
Glück in stätter Ruhe — Langes Leben auch dazu.
Bern.: Feuer, Feuer überall.
Od.: Narrn, Narrn ohne Zahl.
Bern.: Narn, Narn überall.
Od.: Der Bub wird mich noch Gift und Gall speyen machen. (Zu
Bernardon:) Heit ist er g'schickt genug, (list:) Heil und Glück in
stätter Ruhe.
Bern.: Heu und Strick und stehl in Ruhe.
Od. : Auf Sankt Marx gehört der Bua.
Bern.: Der Narr gehört auch dazua.
Od.: Ey, du Rozlöffel, du Bürschl; ich will dich kriegen; wart nur.
(lauft ums Bazenferl.) Halt aus, nu, nur geschwind.
Bern.: (Ich glaub, mein Hofmeister wird ein Narr.) Allerliebster,
gestrenger Herr Hofmeister, ich wills mein Lebtag nicht mehr thun.
Ich bitt sie gar schön, ich will gut thun.
Od. : Da Hilfts nicht, nur ausgehalten, ich will ihm schon lernen.
Bern. : Au wehe, meine Hand ist hin ! Wart du Schinder. (Wirft ihm
die Bücher an Kopf, verjagt ihn.) Schlagt er doch zu, als wie auf
ein Ochsen! Wer plunder möcht was lernen ä so.
In der folgenden Scene gibt der reiche Papa Hans-
Wurst dem Herrn vonPantalon, einem armen Edelmann
aus Venedig, vor der „pantalonischen Familie", die „eine
der grössten und ältesten in Venedig" ist, seine gnädige
Zweiter Wiener Aufenthalt. Bernardon ABC-Schütz. 39
Geneigtheit zu erkennen, seinen Sohn Bernardon mit
dessen Tochter Rosaura zu verheirathen. Rosaura zeigt
sich gehorsam und ertheilt mit vielen Thränen ihrem bis-
herigen Liebhaber Flavio den Abschied, worauf Flavio
seine Schmerzen seinem Diener Leopoldl klagt. Als
Leopoldl hört, dass das Fräulein dem Flavio „ihr schönes
Herz gegeben a meint er:
„Ich bitt' sie gar schön, thun sie's aus dem Sack heraus, ich
hätte schon längst gern ein verliebtes Frauenzimmerherz ge-
sehen ..." „Das wird eine schöne Heurath seyn (mit dem
Bernardon). Der Kerl wird glauben, er kriegt ein ganzes Weibs-
bild. Der wird schauen, wann er kein Herz bey ihr findt."
Es kommt der Herr von Hans -Wurst mit einem
Notarius und bestellt ihn zu 6 Uhr in sein Haus, um dort
den Heirathscontrakt zu machen. Flavio, der ihr Ge-
spräch belauscht hat, schickt Leopoldl hinter dem Nota-
rius her, um diesen in Hans-Wursts Namen wieder ab-
zubestellen. Flavio selbst will als „Sollicitator" des
Notars sich einführen; da Hans- Wurst nicht lesen kann,
Pantalon aber „Alters halber blöde Augen hat a , so hofft
er im Heirathscontrakt seinen Namen an die Stelle dessen
von Bernardon einschmuggeln zu können.
Inzwischen spinnt der Abc-Schütz Bernardon seiner-
seits eine Liebschaft mit der pfiffigen „Haubenhefter in u
Colombine an.
Bern.: Der verteuxjete Hofmeister! Hat(eryzu schlagen, als wenn ich
ein Stockfisch wäre. Hol der Plunder das verdambte Lernen. Ich
weiss als ein anderes Abc-Täfcrl, in diesem will ich gern buch-
stabieren lehrnc. Dort in demselben Haus wohnet sie; ich habe
schon ausgekundschaftet, dass sie Colombina heisst und eine Hau-
benhefterin ist. Ich weiss aber jetzt nicht recht, mit was fllr einer
Gelegenheit ich zu ihr in's Haus kommen kann. Ich war schon
willens bey ihr eine Haube heften zu lassen, allein ich habe gehört,
dass hier die Mannsbilder keine Hauben tragen. Kein Rocklor
oder Hosen wird sie nicht heften können, so weiss ich mir keine
Ausrede mit ihr zu sprechen. Sie kennt mich zwar schon, denn ä
mahl/Jiab ich mit anderen Buben auf der Gassen g'rauftf da hab
ich g'sehen, dass sie auf mich geschmunzt hat ; ich hab mir gleich
einbüdi, dass es aus lauter Lieb gegen mich g'schicht. iy anders
mahl bin ich vor ihrer Hütten g'sessen, so hat sie mich hineing'ruft
40 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
und hat mir ein Zuckerl geben. Doch poz fickerment, dort sihc
ich, dass sie just aus ihrem Haus gehet, vielleicht hat sie g'schmeckt,
dass ich da bin. Das ist braf, jetzt hab ich die schönste Gelegen-
heit mit ihr zu reden. Doch will ich ehender (a) bissei auf d'Seiten
gehen. Ich will zuhören, was sie thut, saget, oder wo sie hingehet.
Colombine kommt und klagt über die schwere Pro-
fession einer Haubenhefterin, da die Damen so ver-
schiedene Anforderungen an ihre Hauben stellen. Ber-
nardon macht zweimal einen Ansatz, sie anzureden, doch
„laufft er gleich wieder davon a . Endlich sagt er:
Ich hab schon lang mit der Jungfer wollen bekannt werden.
Colomb. : Mich wird's freuen, dass ich etwas von ihm werd zu sehen
bekommen.
Bern.: Ich weiss nicht, wie ich anfangen soll! „Freuden, Freuden
tiberall. Narn Narn überall.
Colomb. : Ich kann nicht begreifen, was er haben will. Der Arme
hat halt einen Spruch auswendig gelernt, den er mir jetzt aufsagen will.
Bern.: Es gehet doch nicht recht. — Hat d'Jungfer viel Arbeit ? (lacht)
Colomb.: So, so; wie's halt gehet bey einem schweren Handwerk.
Jetzt merke ich erst, dass er Bekanntschaft mit mir suchet.
Bern. : Wann d'Jungfer ä mahl ausfahren will, ich fahre schon mit ihr,
mein Papa hat zwey Pferdt zu Haus.
Colomb. : Ich bedankh mich vor den guten Willen.
Bern.: Ja, es geschieht nicht ohne Ursach, denn ich hab d'Jungfer
recht gern.
Colomb. : Ich bin erfreit, dass ich mit einem solchen reichen Einfalt
bekannt werde, vielleicht kann ich ihn über den Tölpel werfen.
Bern.: Mir wärs lieb, wenn ich öfters zu der Jungfer gehen dürft,
ich würd mich schon dann und wann aus dem Hause stehlen und
heimlich ohne wissen meines flegelhaften Hoffmeisters zu ihnen hin-
schleichen.
Zu dieser verschämten Liebeserklärung kommt der
Hofmeister Odoardo.
Od. : So so feines junges Herrl, so, statt des Studirens will er sich
auf's caressiren verlegen.
Bern. : (stosst ihn fort.) Auf der Gassen hab ich nichts zu lernen. Du
Schinder du! He Jungfer Haubenhefterin.
Colomb.: (wieder heraus, lauft aber wieder fort, wenn der Odoardo
kommt.)
Od.: Wart Bürschl, ich will dich curanzen.
Bern. : Was will curanzen ? Do hab ich nichts zu lernen. Marschier
(stosst wieder) Jungfer Haubenhefterin. Der hofmeisterische Hof-
meister . . .
Zweiter Wiener Aufenthalt. Bernardon ABC-Schütz. 41
Colomb. : Ist denn dieser Alte der gnädige Herr Papa?
Bern.: Ey kein Gedanken. Er ist nur so mein Praeceptor, bey dem
ich lernen soll.
Colomb. : In welcher Schul seynd sie dann schon bey ihm ? Und was
lehren sie Alles bey ihm?
Bern.: Jetzt bin ich schon im abc-Täferl. In zwey Jahren komm
ich ins Namenbüchl, aber bey diesem lern ich nichts mehr, denn
er ist mir zu grob, er schlagt erschröcklich zu, ich hab erst vor-
gestern ein Batzenferl (?) bekommen (wie er den Odoardo mit dem
Batzenferl sieht, lauft er).
Od. : D' Jungfer soll sich schämen, einen jungen Buben zu verführen
suchen, du lebendiger Spennadelbrief halt aus, gleich, ich will dir
ein Batzen geben, du hast es verdient.
Colomb.: Du Strähbizenverwahrer , du Dintenschmirer, was unter-
stehest dich ! Die Kinderschuh hab ich schon lang abgetreten,
wenn ich hätt wollen, hätte ich schon lang können Mama seyn.
Od.: Was will sich dann d' Jungfer lang mit diesen jungen Rozlöffel
aufhalten, der ihnen alles Geld anbringen würde und der recht ein
dummes Vieh ist. Wenn sie so viel Vernunft als Schönheit be-
sitzen, mein Engerl, werden sie allzeit einen vernünftigen Gelehrten
und betagten Mann vorziehen. Schmuz a bisserl mein Schaz.
Bern.: (Mit einem grossen Pozenferl) Wart Pttrschl, ich will dich
lehren (prügelt ihn fort).
Colomb. : (lacht). Jetzt weiss ich nicht, wer unter diesen Zweyen der
Preceptor ist. Einer hat den Andern weggeprügelt, doch ich weiss
und glaub, dass Einer so ein grosser Narr als der Andere ist.
Nun erscheint auch Papa Hans -Wurst auf dem
Schauplatze.
H. W. : Ich weiss nicht, wo der Teixelsbub hinlauft. Ich hab noch
ihn noch seinen Hofmeister antreffen können. He Bernardon !
Bernardon !
Bern.: Was schaffen ihr Gnaden Papa?
H. W. : Ich hab dir eine gute Zeitung zu sagen.
Bern.: Darf ich vielleicht ausreiten, Hoto Rössl machen?
H. W. : Du kindischer Bienk. Der Bua soll schon heurathen und ist noch
so kindisch. Weisst was, weilen du schon so hoch aufgeschossen
bist und auch schon verliebt bist, will ich dich verheurathen.
Bern. : (macht einen Sprung). O ja Papa ! Au wehe ! Das freuet mich !
H. W. : Weisst du, wer deine Braut ist?
Bern.: Freylich, ich hab sie erst gesehen. Ach du lieber, ach du
guter Papa! ich bin sterblich in sie verliebt.
H. W.: Warumb hast dann nicht schon längst dein Maul aufgemacht?
Bern.: Ich hab mi nit traut, ich hab glaubt, der Papa möcht bös
werden.
42 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
H. W. : Ich hätt dir gern dazu geholfen.
Bern. : (tanzt, küsst die Hand.) Ich wird mich schon befleissen, mein
adelichen Stammbaum mit vielen Zweigen zu vermehren. Doch
ich bitt den Papa bald zu machen mit der Heurath.
H. W. : Sorge dich nicht. Ich hab schon alle Anstalten dazu gemacht,
heut Abends wird das Versprechen, und in etlichen Tagen d'Hochzeit.
Bern.: Wärs denn nicht besser heut d'Hochzeit, hernach in etlichen
Tagen das Versprechen halten ? Sonst versäumt man gar viel Zeit. .
Endlich tritt Odoardo zu den Beiden.
Od.: Gnädiger Herr, nehmen sie mir nicht Übel, ich kann mit dem
jungen Herrn nicht mehr auskommen. Er will nichts lernen, son-
dern verlegt sich schon auf das caressiren.
Bern. : Rede er nur jetzt, sag er Alles, was er weiss. Der Papa will
mir Selbsten mein Schatzerl zur Frau geben.
Od. : Was so ein gemeines Mensch wollen ihr Gnaden ihnen anhenken ?
H. W.: Was, was? Gemeines Mensch ? Die Frl. Rosaura ist ein feines
und vornehmes venetianisches Stinglglas.
Od.: Ja freylich ein Stinglglas! Sie ist ja eine ordinari wienerische
Haarscheiben und heisst Colombina.
H. W.: Wie? Colombina? Die kenn ich nicht. Die Fl. Rosaura
muss er heurathen.
Bern : Ich hab glaubt die Colombina. Und ich soll die ganze Rossau
heurathen? Die mag ich nicht, die Colombina ist mir lieber.
H. W.: Was redest Bua von der Colombina? (Zu Odoardo.) Wer ist
sie dann?
Od.: O das ist eine Haubenhefterin, ein gar schlechtes Mensch.
H. W.: Was? Du Knopf willst eine Haubenhefterin heurathen (nimmbt
ihn beym Kopf).
Es beginnt der zweite Aufzug. Hans- Wurst erklärt :
Bernardon müsse unbedingt noch heut den Heirathscon-
trakt unterschreiben. Odoardo versichert, das gehe nicht,
er habe nicht einmal buchstabiren gelernt. „Was ist
denn das Buchstabiren ?" fragt Hanswurst, und als Odoardo
beginnt, „b — a, ba, b — e, be" meint Hanswurst, „der Bub
hat recht, das ist nicht möglich, dass man dieses lernt:
Was braucht er sich den Kopf brechen ? Der Geld hat,
braucht nichts zu können. Der Knab soll mir auch
nicht lesen lernen, ich will haben, dass er nur schreiben
kann, nicht nach dem lesen".
Bern.: Papa, der Präceptor ist auch in Colombina verliebt.
Od.: Was? Was plauderst Spitzbub?
Zweiter Wiener Aufenthalt. Bernardon ABC-Schütz. 43
H. W. : Denk er, mit wem er redet! Setze er aufs wenigste Adelicher
Spitzbub! Js zwey Canaillen seydts alle Beyde in die Colombinam
verliebt? Jetzt weiss ich nicht soll ich den Hofmeister oder den
Discipl hauen?
Die Scene endet damit, dass der Hofmeister unter
vielen Schimpfen aus dem Haus gejagt wird, während
Bernardon die Erlaubniss erhält, spazieren zu gehen,
seinen „gelehrten Kopf auslüftern a . Dieser sucht natür-
lich die Colombine auf, und Beide führen folgenden Dialog :
Colomb.: Ich hab mich bey der Nachbarschaft erkundiget wer dieser
dalkete junge Mensch seyn, so habe ich vernommen, es seyn des
reichen Hanns wui st sein Sohn. Ich will suchen dieses Brätl zu
erwischen.
Bern. : (Sobald er siehts, will sie umbarmen.) Ach ! Meine Jungfer
Haubenhefterin ! Triff ich sie an-? Mein Papa hat mir erlaubt
auszugehen, jetzt können wir mit einander reden.
Colomb. : Aber der Herr Hofmeister möcht dazu kommen.
Bern.: Nichts da, er ist weggepeitscht worden, aber ich crepire, wenn
sie mich nicht heurathen.
Colomb.: (Schamhaft.) Ich wäre schon damit zufrieden, allein ich
glaube, dass es der gnädige Herr Papa niemahls werde zulassen,
dass der junge Herr ein armes gemeines Mädel heurathe, weilen
sie reich und von Adel seyn.
Bern.: Sie schicken sich aecurat und auf ein Haar in uns er n Adel.
Colomb.: Was, seyn sie nicht von Adel?
Bern. : Kein Gedanken ! Wie wir in diesen Adelstand gekommen seyn,
will ich gleich erzehlen. Mein Koni war ein Bauer, mein Gross-
vatter war ein Bauer und mein Vatter war auch ein Bauer, nicht /
weit von Salzburg, zu Knittelfeld hats Ort g'heissen, da haben wir <
so ein kleines Häusel g'habt, da hat mein Vatter ein' Geis gehabt,
3 Sau und auch zwey Ochsen. Jetzt von diesen Ochsen hat einer
Falbel, der andere Bläsel g'heissen. Mit diesen zwey Ochsen bin
ich gleichsam auferzogen worden. Herentwegen haben wir einander
so lieb g'habt, als ob wir Brüder gewesen wären. Wir haben ein-
ander auch allzeit schön gethan. Einmal sagt mir mein Vatter:
„Bub morgen spann ein, wir wollen morgen ackern". So, sag ich
„Meinethalben, ich will schon früh genug aufstehen."
Colomb.: Das ist ä lange Histori.
Bern.: Hörens nur, 's ist ä curiose Histori! Wie ich in der Frühe
in Stall gehe und sag Bläsel, Falbel, Stehens auf, wir müssen heut
arbeiten, entsetzliches Spectakel, ich darf nicht dran denken, gehn
mir die Augen noch Über, der Falbel wollt nicht aufstehen. Ich
sag ihm : „Mein lieber Ochs, stehe auf." Er wollt nicht, denn er
44 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
war krank. Ich hab ihm gleich zugesprochen. Mein Gott, man
muss leben und leben lassen. Lauf gleich zu meinem Vatter. Er
sagt mir gleich: „Ja, was ist zu thun?" So sag ich darauf:
»Vatter, ich will mich einspannen lassen." Der Vatter sagt: „Meinet-
halben, ich bin wohl zufrieden." Wie mir zwey Ochsen mit ein-
ander hinausgefahren und schon ein paarmahl auf- und abspaziert
seyn mit dem Pflug, der Ochs und ich, so hab ich nicht mehr
können. So sagt mein Vater, ich soll nur noch ä paar mahl auf
und ab gehen. Ich hab gezogen, wie ä Ochs, damit dem Bläsel
nicht zu hart geschehe, denn man muss doch auch ein mitleident-
liches Herz haben und man weiss nicht, was einem noch geschehen
kann. Endlich die zwey Ochsen kunnten nicht mehr weiter, den
wir seynd an ein Stein angefahren, da haben wir d'Stein wegwelzt :
jetzt kommts Beste, da hat mir g'sehen eine grosse eisernen Truhen.
Colomb. : Voll Geld vielleicht ?
Bern. : Es waren über 600,000 Millionen Thaler drin. Ich hab gleich
gemerket, dass diese Truhen schwer seyn wurde, denn ich bin all-
zeit, ohne mich viel zu rühmen ein kirniger Bua gewesen. So hat
mein Vatter gesagt, wir sollens nur nach und nach nach Haus
tragen. Das haben wir auch gethan, aus Furcht aber der Richter
möcht uns den Schatz wegnehmen ; so hat sich mein Vatter hieher
geflüchtet, Hat sich hier vor einen Edelmann ausgeben, wovor ihn
auch die ganze Welt haltet. Allein ich bitt sie, nur niemand von
diesem Geheimbnus was zu sagen.
Colomb.: Ey, bewahre der Himmel, ich bin ganz verschwiegen.
Bern.: Jetzt sag mir d'Jungfer aufrichtig, mag sie mich?
Colomb.: Ich wäre gar nicht zuwider, doch der Papa.
Bern.: Nichts Papa! Ich will schon machen, dass er nichts davon
wird wissen. Da ist meine Hand darauf! Sobald als sie meine
Frau seyn wird, alsdann lasse ich sie in der Stadt in einem I4gläsigen
Wagen herumschleppen. Das Kleid muss hinten einen langen
Schweiff haben, den soll ihr ein Zwergl nachtragen, vor ihnen
müssen Heiducken auf der Seiten laufen und hinten Laqueyen gehen,
also wird's hinten und vorn eine gnädige Frau seyn.
Colomb.: Sie seynd gar zu gnädig vor mich. Ist (das) aber ihr Ernst?
Bern.: Das will ich wohl hoffen, denn ich hab mein Lebtag nicht
glogen.
Colomb.: So reich ich ihnen meine Hand ganz willig.
Bern.: Und ich küsse sie.
Da fährt unvermuthet Papa Hans- Wurst zwischen sie :
H. W. : Und ich schlag dich, du Spaziersteck erl, du Porcellan-Männel !
Bist da zu Haus! (laufen Beyde davon.) O is Lumpeng'sindl, hab
ich euch erwischt! Wart's is Canaillen, ich will euch schon
kriegen !
Zweiter Wiener Aufenthalt. Bernardon ABC-Schlitz. 45
Während Bernardon derart um Colombine wirbt, klagt
seine Schwester Angola in affektirten Redewendungen,
dass sie in ihrem jetzigen adeligen Stande sehr einge-
engt sei und nicht mehr ihren Liebhaber Horatio zu
sehen bekomme. Bernardon, der sehr verstimmt und
betrübt daherkommt, soll jenem einen Brief bringen, sie
verspricht dafür dem „lieben Brüder! a beizustehen zur
Erlangung seiner Haubenhefterin. Bernardon übernimmt
die Liebesbotschatt : „das Mensch erbarmt mir recht,
denn ich weiss, was ich bey der Liebe leiden muss. Und
ich bin noch obendrauf ein Mannsbild; die Weibsbilder
werden ärger von Cupido carwatscht."
Er bringt dem Horatio den Brief unter obligatem
„Lazy" — so will er durchaus die Antwort, ehe er noch
das Schreiben abgegeben hat. Schliesslich bittet er
den „Herrn Schwager* ihm selber zu helfen, damit aus
seiner Verlobung mit Rosaura nichts werde, was dieser
auch zusagt.
Papa Hans- Wurst hat sich inzwischen entschlossen,
seine „hohe Person so weit zu erniedrigen*, dass er ein-
mal selbst mit der Haubenhefterin, in die sein Sohn ver-
narrt ist, redet. Er fährt sie zuerst sehr grob an, aber
die schlaue Katze weiss ihn mit Schmeicheleien und
Thränen so zu fassen, dass er sich selbst schleunigst in
sie verliebt:
H. W. : Nu, nu, mein Herz, ich bitte sie um Verzeihung, dass ich ihre
Haubenhefterische Ehre so stark angegriffen habe (küsst d' Hand) . . .
Ich hab's gut gemeint, dann mein Sohn muss die Rosaura heu-
rathcn, der Vatter wird ihnen hoffentlich besser gefallen (als der
Sohn), der ein verschwenderischer Bursch ist und ein Esel in Folio.
Geh' mein Schazerl, b'sinne dich nicht so lang, lass den Buben
fahren.
Aber schon steht Bernardon im Hintergrunde.
Bern.: Bravo Papa, der Vatter und der Hofmeister sind ä rechtes Paar
Pürschel zusammen. Die Schelmen verbietens und caressiren doch
dabey das Mensch vors Vatterland.
H. W. : Bua scherr dich fort ! Du musst die Rosaura heurathen.
Bern. : Ich thus expresse nicht : Da wollens mir d'Rossau anhenken,
damit er die Colombina heurathen kann.
46 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
H. W. : Die Rosaura muss deine Braut seyn, sonst tritt ich dich mit
4 Füssen.
(Beyde zanken, Colombina schreyt und lauft davon.)
Bern.: Was brauchtsVili, ich thus nicht, ich mags nicht, ich will kein
Sau heurathen.
Der Lärm lockt den Pantalon herbei, der sich in's
Mittel legen will.
Pant. : Was ist das vor ein Geschrey ! Fried ! Still ! Warum zankens
dann miteinander?
Bern : Da mein Papa ist verliebt in —
H. W.: (Halt ihm's Maul) Willst's Maul halten, Bua (Stosst ihn in's
Haus) der verdambte Kerl!
Bern.: (wieder heraus) Er will haben, ich soll eine Sau —
H. W. : (jagt ihn wieder hinein.) Wart du Fickerments-Bursch, er macht
mir mehrers Verdruss.
Bern.: Ja, es ist nicht änderst, ich thu's nicht.
H. W. : Du Galgenschlenkl. (Tragt ihn in's Haus.)
Pant.: Was Teuxel, was muss das seyn? Ich will nachlauffen, ich
muss sie auseinander bringen, sie möchten sich verbeissen.
Bern. : (verfolgt, lauft.) Expresse sag ich's.
H. W.: (schreit.) Hund, ich bring dich um.
Pant.: (Halt den Hannswurst zurück.) So möchte ich doch wissen,
warumb wollen sie ihren Sohn umbringen?
H. W.: Ich, ich, — ich schäme mich es zu sagen, und wenn es die
Canaille nicht lassen wird, so brügle ich ihn zu todt. Dann es ist
ein Sach, wo die Ehre einer ganzen Familie daran liegt.
Pant.: Ich bitt ihr 1 Gnaden, als ein zukünftiger Blutsfreund, ver-
schmerzen sie diese grosse Sach. Sagens dann, was ist die Ursach ?
H. W.: Ich will's ihnen wohl sagen, doch das muss bey ihnen ewiglich
verborgen bleiben! O Schimpf! O Schand!
Pant.: Ich bitt, ihr Gnaden, halten sie sich nicht lang auf.
H. W.: (schaut sich um und um.) Bernardon hat heut Nacht ins Bett
gemacht !
Pant.: Das ist zwar ein grosser Familienfehler, es ist aber dennoch
kein solches Verbrechen, welches mit dem Tod sollt bestraft werden.
Er ist ja auch noch jung. Er kann sichs abgewöhnen. Er soll sich
nur zufrieden geben, es wird schon eine Person zu finden seyn, die
ihn bey der Nacht fleissig aufwecken wird, aufs Scherbl zu gehen.
H. W.: Ich war recht froh, wann ich den Buben einmahl aus 'm Haus
hätt. Doch es ist schon über 6 Uhr, wo bleibt dann der Notary
wegen den Kontract?
Anstatt des „Notary* kommt als dessen angeblicher
Sollicitator Fabio mit Leopoldl als einem Schreiber, der
Zweiter Wiener Aufenthalt. Bernardon ABC-Schütz. 47
immer nur die Worte „Ita domine" von sich hören lässt.
Die Unterschreibung eines Heirathscontractes der Rosaura
mit Fabio statt Bernardon gelingt bestens. Jedoch unver-
muthet erscheint Horatio, der seinerseits im Interesse
Bernardons die Verlobung durch den kecken Einspruch
stört, Pantalon habe ihm schon seine Tochter gerichtlich
versprochen. Pantalons Betheuerung, dass er den Horatio
gar nicht kenne, nützt ihm nichts. Hanswurst ist über
dessen „Betrügerei" empört, und damit endet der zweite
Akt.
Im dritten Aufzuge verständigen sich Horatio und
Flavio über die beiderseitig von ihnen in der Verlobungs-
scene gespielten Rollen, worauf Bernardon seine Schwester
Angola dem Horatio zuführt: „Vermög meiner brüder-
lichen Authorität gibe ich euch zusammen und nur der
Todt soll dieses Band auseinander reissen können."
Wieder kommt Papa Hanswurst dazu und gibt ihm eine
Ohrfeige.
Bern.: Was ist das vor ein Flegl? (sieht sich um, lauft davon, und
alle Andern mit stummen Co'mplimenten gehen ab.)
Aus Horatios Verlöbniss mit Angola und aus den
Versicherungen des wirklichen Notars merkten Hans-
wurst und Pantalon, dass sie zuvor von Horatio und
einem falschen Notar gefoppt wurden und beschliessen
sogleich mit Bernardon und Rosaura aufs Land zu fahren
und im nächsten Orte beider Hochzeit meuchlings zu
vollziehen. Aber Bernardon hat wieder gehorcht und
trifft Gegenanstalten.
Bern.: Die zwey Alten will ich vor betrügen. Herentwegen will ich
mich und die Andern glücklich machen. Zum ersten muss ich auf
mich gedenken. Ha Jungfer Haubenhefterin . . . Ich bin nur
kommen zu fragen» ob sie mich oder den Vattern zu heurathen
gesinnt seyn?
Colomb. : Mit ihnen will ich leben und sterben.
Bern.: Wohl! So bleiben sie halt mein Schaz, mein Herzl! Jetzt
gehen sie wieder nach Haus, ich hab nur wollen schauen, wie sie
es mit mir meinen. Heut sollen sie noch mein Hauskreuz seyn.
Wartens nur bey der Thür, dass, wenn ich ruf, sie gleich da seyn.
48 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
Nach dieser Instruktion in eigener Liebesangelegen-
heit unterrichtet Bernardon den Horatio von dem Plane
der beiden Alten.
Bern.: Wie mir die Bataille mit den zwey Alten g'habt haben, habe
ich gleich denkt: Hola! die werden auf eine Schelmerey denken,
dann ich bin allezeit ein gewixtes Bürschel gewesen. Bin ich
hinaus g'schlichen. Ich hab g'hört, dass sie jetzt gleich die Lehn-
wägen b'stellen wollen. Hernach sollen wir aufs Land fahren, da
soll ich die Rosaura heurathen. Haben d'HausthÜren fest verriglt,
es hat aber nichts zu bedeuten, wir sollen alle glücklich werden.
Zu unserer Haus thür hab ich auch den Schlüssel. (Sperrt auf, ruft:)
Angola, Angola! Gehe herunter!
Ang. : (macht allerseits Complimentc, sonderbahr ihren Horatio).
Bern. : Seynd sie noch Willens meine Schwester zu heurathen ?
Hör. :.Ja, ich kann es ihnen mit einem Eidschwur versichern.
Bern.: So geben sie einander die Hand. Versprechen sie einander die
ewige Treu?
Hör. und Ang.: Ja! Wir wollen beysammen bleiben.
Bern.: Sie zwey (nämlich Flavio und Leopoldl) müssen Zeugen ab-
geben. Ist die Sache nun richtig?
Hör.: Nun fehlt nichts Mehreres zu meiner Glückseligkeit.
Bern.: So gehe der Herr Schwager zu der Braut.
Hör.: Mit tausend Freuden vollziehe ich diesen angenehmen Befehl.
Bern.: So betretten der Herr Schwager die Thürschwelle der Glück-
seligkeit und marschier er ins Haus hinein mit ihr. Ich will die
Thür verrigln, damit Niemand hinein komme. (Sperrt zu.) Jetzt ist
das Lumpeng'sindl beysammen; jetzt ist Zeit an den andern Galgen
der Liebe zu denken! Fräulein Rosaura!
In ähnlicher Weise wie Angola mit Horatio verbindet
Bernardon nun Rosaura mit Flavio und sperrt wie Jene
im Hause des Hanswurst so Diese im Hause des Pan-
talon zusammen. Schliesslich denkt er an sich selbst
und fordert den übrig gebliebenen Leopoldl auf, ihm nun
ebenfalls einen Zeugen abzugeben. Dabei stellt sich her-
aus, dass die Colombine auch Leopoldl's Schatz ist. Darauf
macht Bernardon einen Vorschlag zur Güte : „ Weisst du
was, Leopoldl, erst geh ich als gnädiger Herr vor. Mein
Versprechen muss ehnder geschehen. Hernach will ich
bey dir Zeuge seyn a . Leopoldl ist's zuerst zufrieden,
doch als Colombine ihn als Zeugen sieht, erschrickt sie,
Zweiter Wiener Aufenthalt. Bernardon ABC-Scnütz. 4$
und Leopoldl sagt: „das ist meine Amantin, mit der
ich schon zwey Jahr lang versprochen bin".
Bern.: Geh, mache mir keinen Verdruss! Ich habe deinem Herrn
meine Liebste, die Rosaura, abgetreten, also hoffe ich auch du
wirst so raisonnabel seyn.
Leop. : Wo denken ihr Gnaden hin! Sie ist ja nur eine Hauben-
hefterin !
Bf rn. : Wir Cavalier seyn nicht so heiklich, wir nehmen mit was
Schlecht auch verlieb.
Colorab.: Mein lieber Leopoldl, der Ducaten gilt mehr als ein Kreuzer.
Er hat mich so lang aufgezogen, bis mir dieses Glück vorgefallen,
also sage ich ihm aufrichtig, dass ich seiner nicht mehr verlange.
Er wird bald anderstwo was finden, was vor ein Laqueyen gut
genug seyn wird.
Bern. : Sterblicher Mensch, stehe ab von ihr sonst wird meine adeliche
Hand auf deinem gemeinen G'friss einen blauen Fleck schreiben.
Leop.: Erlauben sie mir aufs wenigste, dass ich auch mitheurathen
darf, oder mich einen Schwägern nennen zu dörfen.
Bern. : Nein, nein, keine Schwagerschaft, ich kanns nit leiden !
Leop. : Oder nur auf's wenigste ein Kostgeher bey ihm zu seyn.
Bern.: Nu, nu, wanns nur nicht zu oft geschieht. Gehen wir lieber
in's Haus, es möcht mein Vater kommen.
Hanswurst kommt denn auch mit Pantalon ver-
gnügt daher spaziert und ruft den Bernardon. An dessen
Stelle treten Angola mit Horatio aus dem Hause, und
bekennen, dass sie, Dank dem Bernardon „so gut als
Eheleut seynd." Hanswurst will den Horatio schlagen,
wird aber von Pantalon besänftigt:
Pant. : Ihr Gnaden haben ohne dies die Fräulein Tochter Angola ver-
heurathen wollen. Ich weiss, dass der Horatio eines braven Kauf-
manns Sohn ist. Geben ihr Gnaden den Willen drein. Es ist ge-
nug, wan der junge Herr meine Tochter bekommt.
H. W. : Meinethalben, behalt's einander is Lumpeng'sindl.
Pant.: Jetzt will ich meine Tochter rufen. Rosaura, Rosaura!
Rosaura kommt nun ebenfalls mit ihrem Schatz
Flavio aus dem andern Hause und Hanswurst sagt in-
folge dessen höhnisch zu Pantalon : „Sie haben ohne
diesem die Fräulein Tochter Rosaura verheurathen wollen;
der Herr Flavio ist eines brafen Kaufmanns Sohn". Aber
Pantalon will von Flavio nichts hören, bis ihm dieser
seinen von Pantalon selbst unterschriebenen Heiraths-
$o JOHANN JOSEPH FELIX VON KÜRZ.
contract mit Rosaura vorweist. Worauf Hanswurst:
„Das hat mein damischer Bub wieder angestellet, aber
sobald als er mir wird unters g'sicht kommen, so will
ich ihn so zerprügln, dass er ein halbes Jahr nit soll
sitzen können."
Vorsichtiger Weise kommt aus dem dritten Hause
zuerst die Colombine allein hervor, um dem Papa Hans-
wurst schüchtern zu bekennen: „Tch bin mit dem Ber-
nardon, ihrem jungen Herrn, schon so viel wie verheu-
rathet". Auf sein Schimpfen aber schlägt sie sofort einen
andern Ton an.
Colomb. : Du p'fürneister Bauernschroll, du salzburgischer Heinz!
H. W. : Was, das Mensch unterstehet sich meine Noblesse zu touchiren?
Colomb.: Was, was, Noblesse? Ich weiss schon, dass du von hoher
Geburt ein Bauer ....
Da Hanswurst hört, dass sie die Geschichte seines
Adels kennt, giebt er klein bei und Colombine ruft den
Bernardon heraus.
Bern.: (ganz forchtsamb -wegen seinem Vatter.)
Colomb.: Fürchten sie sich nicht, der gnädige Herr Papa hat schon
Alles verziehen. .
Bern.: (ganz forchtsamb gehet zu seinem Vatter, will d'Händ küssen.)
H. W.: Gehe zurück! Wart nur, du sauberer Bursch, ich wird dich
heut noch so streichen, dass du an deine Heurath gedenken sollst.
(Fragt den Leopoldl.) Und wer ist er?
Leop. : Ä mahl war ich der Ita domine, jetzt bin ich ein Zeug der
Bernardonischen Heurath und sein angeheuratheter Schwager.
Bern.: Papa, das letzte ist nicht wahr! Gelt Colombinerl, du magst
kein Schwager haben.
Colomb. : Wann mein Schatz ein Schwager schaft leidt, so ist mir auch
recht.
Pant. : Ihr Gnaden wollen den Herrn Sohn einem so schlechten Mädi
geben ?
H. W, : Sie ist eine verwunschene Prinzessin und mithin ein Prinzessin
schickt sich am besten vor den Adel des Bernardons.
Bern. : Das sieht man, dass auch die Schönheit unter denen gemeinen
Leuthen zu finden und dieselbe auch adeliche Gemüther bezwingen
kann.
H. W. : Der Bub hat es so weit gebracht, dass ich es ohnmöglich
mehr ändern kann. Wünsche demnach allerseits Glücke. Ich allein,
als ein reicher Mann, will Allen die Hochzeit aushalten.
Zweiter Wiener Aufenthalt, fcernardon AÖC-Schütz. gl
Hiemit endet die Posse zu allgemeiner Zufriedenheit.
In einer andern Handschrift derselben Bibliothek
unter 12/06 — 12709 „Teutsche Arien, welche auf dem
kayserlich-Privilegirt- Wienerischen Theater in unterschied-
lich producirten Comödien, deren Titel hier jedesmahl
beygerücket gesungen worden", finden sich auch jene
Arien, die bei den verschiedenen Darstellungen der
„Comödie, genannt: Colombina, die glücklich gewordene
Hauben-Hefterin, oder Bernardon, der dreyssigjährige
ABC-Schütz" eingelegt wurden, die aber in dem erst
angezogenen Manuscripte fehlen.
Von den fünf „Nummern* ist die erste wohl direkt
für die Posse componirt. Bernardon singt nämlich:
Ich will mich nimmer schern
Mit dem Teufels Lern,
Du verdammter Kerl
Mit dein Patzen-Feri
Schau jetzt lerne du
Und lass mich mit Ruh
Mit dem einmahl eins, mit dem zweymahl zwey
Mit dem dreymahl drey, Kerl lass mich frey.
Schau das lerne du
Und lass mich mit Ruh.
Die zweite, ein Lebewohl Rosauras an ihren Horatio,
mag wohl auch in anderen Lustspielen unter verwandten
Umständen ihre Dienste geleistet haben. Sie lautet:
Ach nun bin ich gantz verlassen
Weil ich dich verlassen soll;
Wer kann meinen Schmertzen fassen?
Liebster Schatz, ach lebe wohl !
Angst und ungemeines Leyden
Halten meine Seel bestrickt
Weil ich das seh von mir scheiden
Das mir Geist und Seel erquickt;
Doch nimm von mir o mein Leben
Weil ich sonst nichts geben kann
Dieses Herz sey dir gegeben
Nimms zum letzten Abschied an.
Folgt ein „Duetto" zwischen Colombinen und
Bernardon und ein „Terzetto" zwischen Bernardon,
$2 Joöann Joseph feld£ votf tfuR2.
Hans- Wurst und Colombinen, deren Inhalt aus den soeben
skizzirten Conturen der Posse leicht zu errathen ist.
Die Besetzung des Stückes in den ersten Aufführungen
dürfte in den hervorragenden Rollen folgende gewesen
sein : Hanswurst-Prehauser, Bernardon-Kurz, Rosaura-
Madame Kurz, Odoardo - Weiskern, Leopoldl - Huber,
Colombina-Madame Mayberg.
Nach einem Theaterzettel vom 30. Juni 1766 gab
die Kurzische Truppe an diesem Tage in Nürnberg, „ein
Lustspiel in drey Aufzügen, genannt: Bernardon, der
dreysigjährige A. B. C.-Schüler. Oder : Der reiche Bauer
und der arme Edelmann. Mit Fiametta einer arglistigen
und zuletzt glücklich gewordenen Haubenhefterin". In
einem: „An die Leser" heisst es daselbst:
„Dieses Lustspiel ist von unserem Impresario auf seinen eigenen
Charakter verfertigt, es ist ebenso voll der lustigsten Auftritte des
reincsten Schertzes als der besten Lehrsätze ; es zeiget wie viel an
einer guten Erziehung gelegen, es stellet den verwerflichen Stolz
eines unvermuthet reich gewordenen Bauern abgeschmackt und lächer-
lich vor. Es bildet die Tugend in der Armuth nachahmlich und
ist durchaus ergötzlich.
Ob der Verfasser dieses Avertissements, der Steg-
reifkomödiant J. B. Grünberg, bereits bewusst jenen Unter-
schied zwischen Posse und Lustspiel macht, nach dem
die Posse nur das einfach Lächerliche, das Lustspiel
aber das Lächerliche in Verbindung mit dem Lehrhaften
und mit dem Bessernden zur Anschauung bringen will,
mag dahin gestellt bleiben. Gewiss ist, dass die Signatur
der Bernardoniade stets war: „auf den Charakter ihres
Helden verfertiget" zu sein, und dass der Charakter des
Bernardon, den Gervinus 1 ) als „ein Mittelding zwischen
Schelmerei und Tölpelei" definirt, in keinem Stücke von
Joseph Kurz so voll zum Ausdrucke kam, wie in „der
30jährige A. B. C.-Schütz a . Was die „reinesten Schertze"
anbelangt, so mag die alte Posse in den zwei Decennien
ihrer Laufbahn sich allerdings einer verfeinerten Ge-
*) G. G. Gervinus, Geschichte der deutschen Dichtung. Leipzig 1853.
Zweiter Wiener Aufenthalt. Bernardon ABC-Schülz. 53
schmacksrichtung aecomodirt haben. Sie wird aber gewiss
auch dann noch ebenso massgebend für den Charakter
des damaligen „Lustspieles" gewesen sein, wie sie es bei
ihrem ersten Erscheinen tür ihre Zeit war.
Der Schauspieler und Regisseur F. A. Witz erinnerte
sich, den „30jährigen A. B. C.-Schütz a noch während
seines Engagements für Kinderrollen, im Jahre 1811, auf
der Augsburger Bühne gesehen zu haben.
Während der nächsten Jahre beherrschte nun Ber-
nardon fast ausschliesslich die deutsche Bühne in Wien
und Sonnenfels 2 ) beklagt bitter diesen Unfug: „Eine
ganze sehr geraume Zeit war nun nichts auf der Bühne
als Bernardons Unglücksfälle, Bernardon der 30jährige
ABC-Schütz, Bernardons Versprechen, Heirath, mit einem
Worte Bernardons Leben und Tod, wo manchmal sich
die besten Dichter in den erbärmlichsten Parodien mussten
verhunzen lassen, war der ewige Inhalt der Theatervor-
stellungen — und die Schaubühne war immer zum Er-
drücken voll. — Den Vortheil der Schauspieler in Er-
wägung gezogen, waren die Bernardonischen Komödien
nach den Grundsätzen Übermachtester Oekonomie ver-
fertigt. Denn Fliegen, die Arien, eine Maulschelle wurden
dem Schauspieler unter dem Namen: ,NebengefähV
besonders bezahlt. Es war also natürlich, däss ein Schau-
spieler sich und den Seinigen viel zu singen, viel zu
fliegen gab und seine Stücke auf Maulschellen arbeitete,
wovon er sich gewiss die meisten zuschrieb*.
Die Vorliebe der Schauspieler für die Bernardoniaden
hatte also einen sehr triftigen Grund. Sie brauchten sich
nicht mit dem Lernen der Rollen zu plagen und Hessen
sich ihre „Fatiguen" in klingender Münze bezahlen.
a ) J. v. Sonnenfels, Briefe über die deutsche Schaubühne. Wien 1768.
i
54 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
V.
Bernardon's Kampf gegen das regel-
mässige Schauspiel 1747. „Der neue
krumme Teufel". Censur 1751.
lie Geschichte der Wiener Bühne nimmt an, dass
bis zum Jahre 1747 auf derselben ein regelmässiges
Stück nicht gegeben worden sei. Doch schon
nach den Osterferien dieses Jahres verfiel Andreas Weidner,
ehemals Mitglied der Truppe von Eckenberg, dem „starken
Manne" und als solcher „Compositor* so manchen Scenari-
ums, vielleicht eben deshalb, weil ihm das Genre der Steg-
reifkomödie keine Lorbeeren brachte auf die Idee, das
regelmässige Drama zu eultiviren. Er schlug zu einem
ersten Versuche „Vitichal und Dankwart, die Alleman-
ischen Brüder" vor, ein Trauerspiel von Benjamin Ephraim
Krüger aus Danzig, einem Schüler des Johann Christoph
Gottsched und einem Günstling von dessen Frau Luise
Adelgunde Victoria. Natürlich legten die Protectoren
der Stegreifkomödie dem Unternehmen alle möglichen
Hindernisse in den Weg. Und von da an datirte eigent-
lich jener Kampf zwischen der improvisirten Komödie
und dem regelmässigen Drama, der durch Jahre mit
wechselndem Erfolge dauerte, endlich aber mit dem voll-
ständigen Siege des letzteren endete.
Vorläufig jedoch hatten wieder einmal kleine Ur-
sachen grosse Wirkungen. Dem Weiskern erkrankte
und starb ein Kind ; dem Kurz hingegen eröffnete sich die
Aussicht auf einen baldigen neuen Familiensegen. So ward
die stärkste Opposition gegen das regelmässige Schauspiel
momentan durch häusliche Angelegenheiten lahm gelegt,
und „die Allemanischen Brüder" konnten, allerdings in
der ungünstigsten Jahreszeit, im Sommer, in Scene gehen.
Das Stück, welches Kästner und Milius nicht ganz mit
Kampf gegen das regelm. Schausp. 1747. Ccnsur 1751. 55
Unrecht als eine Anempfindung von Corneille's „Cid a ,
Voltaire's „Alzire", Bärmann's „Timoleon" und Weise's
Komödien charakterisirten, war in gereimten Versen ge-
schrieben und dadurch für die in dieser Gattung ganz
ungeübten Schauspieler um so schwieriger darzustellen.
Nichtsdestoweniger gefiel es „und wurde oft mit gutem
Erfolg der Einnahme gegeben. u
Bald nach der Aufführung der „ Allemanischen Brüder",
am 29. August 1747, ward dem Joseph Kurz bei St.
Stephan eine zweite Tochter „Susanna Franziska Antonia*
getauft. Deren Pathe war: Eleonora Herzogin von
Quastalla geborene Herzogin von Hollenstein, vertreten
durch Anna Maria Jairillin und Susanna Schenkinger.
Abgesehen davon, dass Kurz bei dieser Gelegenheit das
erste Mal den von seinem Vater abgelegten Adel wieder
aufnahm und sich im Tauf buche als „Joseph von Kurz,
Acteur," einzeichnete, ward durch diese zweite Tochter
jene Trias: Lenorl, Sepperl und Tonerl, voll, für die er
bald nachher seine Kinderpantomimen und Kinder-
komödien schrieb. Am 13. October d. J. aber fungirte
Kurz selber als Pathe seines Neffen Joseph, dem Sohne
seines Bruders Anton und dessen Frau, beide „k. k. Hoff-
Theater-Actore".
Die gute Aufnahme der „Allemanischen Brüder" er-
muthigte die damals allerdings noch nicht sehr zahl-
reichen Anhänger des regelmässigen Dramas weitere
Schritte in derselben Richtung zu thun. Sie drangen
vor Allem in Selliers, das Personale des Wiener Stadt-
Theaters durch neue Mitglieder zu verstärken, welche
für diese Mission geschult werden sollten. Selliers ging
auf das Ansinnen ein. Der gute Ruf, den die Neuber'sche
Gesellschaft sich errungen und die bedrängte finanzielle
Lage, in der sie sich momentan befandf legten ihm den
Gedanken nahe, die ersten Mitglieder derselben : Heinrich
Gottfried Koch und dessen Frau, Carl Gottlob Heydrich
sowie Christiane Friederike Lorenz mit der Contracts-
Klausel: „zu studirten Stücken* nach Wien zu berufen.
56 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
Als die erste Nachricht hiervon in die Kreise des
Wiener Stadt-Theaters drang, entflammte sie auf's neue
den ganzen Antagonismus der Stegreif komödianten gegen
das regelmässige Drama, entfesselte sie aufs neue deren
lebhaftes Intriguenspiel. Vor Allen stellten sich Weiskern,
Prehauser, Kurz, Mayberg und Huber durch diese Be-
rufung in ihrer Künstlerehre gekränkt, als seien sie selbst
längst mit jener Mission betraut, die nun den Neuberufenen
übertragen wurde. Eine zufällige Sperrung der Bühne,
wegen Renovirung, besänftigte keineswegs ihren Unmuth,
sondern bot ihnen vielmehr Gelegenheit, diese ihre Be-
hauptung scheinbar durch die That zu beweisen. Sie
vertheilten unter sich die Rollen von „Alzire, oder: Die
Amerikaner. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen. Aus dem
Französischen des Herrn von Voltaire, übersetzt von
Luise Adelgunde Victoria Gottsched" und eröffneten
damit am 11. Mai 1748 das Theater wieder.
Der Kaiser und sein Bruder, der Herzog Karl von
Lothringen, hatten sich, wie das Wienerische Diarium
meldet, „im Gefolge einiger Herren Ca valiers in das er-
neuerte Stadt - Comödie-Haus bey dem Kärntner-Thor
verfüget, daselbst einer Teutschen Tragödie in Versen
beygewohnet und seynd sodann nacher Schönbrunn zurück-
gekehret." Am folgenden Tage, einem Sonntage, aber
„haben Ihre Majestät die Kaiserin im Gefolge einiger
Dames und Cavalieren gleichfalls der obbesagten Teutschen
Tragödie beygewohnet." Die Bezeichnung der „Alzire"
als einer „Teutschen Tragödie" darf dem Wienerischen
Diarium gegenüber nicht wundernehmen, da dieses die
nähere Charakterisirung der verschiedenen Gattungen des
Dramas nur von der Sprache hernahm, in der sie ge-
sprochen wurden. So meldet es auch: Die Majestäten
hätten einer „französischen Comödie beygewohnet", wenn
ein Lustspiel Goldonis von den Franzosen aufgeführt wurde.
Dem Kaiser dürfte die Aufführung der „Alzire" ge-
nügt haben, sonst wäre die Kaiserin, die sich dem Ver-
suche am ersten Abende vorsichtig fern gehalten hatte,
Kampf gegen das rcgelm. Schausp. 1747. Censur 1751. 57
nicht am zweiten mit ihren Damen im Theater erschienen.
Ein nahezu gleichzeitiger Bericht meldet allerdings wenig
Günstiges über die Darstellung. Er sagt:
„Die Nuthin, eine Frau von sechsundvierzig Jahren mit einem
schwerfälligen Körper, machte die Alzirc, ihre beyden Vertrauten,
Schröterin und Müllerin, waren ebenfalls jede über vierzig Jahre
alt, Huber den Zamor. Schröter den Alvar und Mayberg den Montez.
Man liess nach Gefallen aus, das Lernen zu ersparen, mit einem
Worte, das Stück wurde mit Willen verpfuscht."
Weiskern, Prehauser und Kurz, sonst gewöhnt, Tag
für Tag vor dem Publikum zu erscheinen, hatten ihrer
Ueberzeugung diesmal das Opfer gebracht, der Dar-
stellung demonstrativ fern zu bleiben.
Indessen waren die geladenen Gäste aus Leipzig in
Wien eingetroffen. H. G. Koch, als Charakterdarsteller,
C. G. Heyderich, als Heldenspieler und Ch. F. Lorenz,
als Sentimentale, theilten sich in die Rollen des „Graf
Essex" von Thomas Corneille, den sie, in der Ueber-
setzung des Peter Stüven, für ihr erstes Debüt mitgebracht
hatten. Koch gab den Essex, Heyderich den Salisbury
und die Lorenz die Irton, diese Ahnfrau einer langen
Reihe von Lady's Rutland. „Frau Kochin dagegen
musste wenigstens Weiskern's Wuth empfinden und in
diesem Stücke als eine stumme Person auftreten." „Graf
Essex" wurde am 15. Juni 1748 zum erstenmal gegeben.
Stück und Darsteller gefielen und der Essex musste im
Laufe der Saison noch fünfzehnmal wiederholt werden, —
damals ein theatralisches Ereigniss, aber auch zugleich
vorläufig wieder Glück und Ende des regelmässigen
Drama im Wiener Stadt-Theater.
„Weisskern wusste ,nach einer Chronik dieser BUhnt' alle von Koch
vorgeschlagenen Stücke zu hintertreiben, er verweigerte ihm die
Rolle des Geitzigen von Moliere zu spielen, ingleichen Crispins
Leichenbegängniss sogar zu extemporiren, es wurde also nur noch
Oedip aufgeführt und Zayre, wo Koch im Lusignan einen ausser-
ordentlichen Beyfall fand. Koch dankte nun ab, und ging mit seiner
Frau 1749 wieder fort. . • So nahm das studirte Theater seinen
Anfang, welches von Weisskern bis an sein Ende verfolgt wurde.
Das Theater wurde nun, wie vorher, mit Burlesken besäet. Mayberg
58 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
unterstand sich sogar gleich nach Koch's Abreise die regelmässigen
Stücke lächerlich zu machen. Durch seine Vermittlung wurden
„Essex" und „der Ruhmredige" extemporisirt und mit Hanswurst's
und Bernardon's Lustbarkeiten aufgeführet. Weisskern richtete
eine Menge elender Opern zu, und brachte sie unter dem Namen
regelmässiger Stücke ebenso elend auf die Bahne. Man sähe also
freylich lieber eine Burleske als eine solche regelmässige Missgeburt.
Auf diese Art ging der Funken des guten Theaters gleich im Ent-
stehen wieder verlohren. Das einzige gute Stück, so in der Zeit
aufgeführt wurde, war Iphigenie "
Schon durch fast vier Decennien erfüllte Le Sage
infolge seiner Bearbeitung des Romanes: „El Diablo cojitelo"
von Don Luiz Velez de Guevara die gebildete Welt mit
seinem Rufe. Insbesondere seitdem Dancourt fast zu
gleicher Zeit (1707) sein Lustspiel „Le Diable boiteux,
deux Comtdies en Prose, la premüre en un Acte, la seconde
en deux, avec des Divertissements, musique de Grandvale, le
pbre" , auf die Bühne gebracht, hallten die Lesezirkel und
die Parterre der Theater von dem Namen „Asmodeus"
wieder. Gleich seinem französischen Collegen konnte
auch Joseph Kurz der Versuchung nicht widerstehen
den phantastischen Stoff in seiner Weise dramatisch zu
verwerthen. Es entstand „Der krumme Teufel".
C. F. Pohl, 1 ) der gewissenhafte Biograph Joseph
Haydn's, giebt den vollständigen Titel eines ihm vorge-
legenen Textbuches so an :
„Der neue krumme Teufel. Eine Opera comique von zwey Auf-
zügen; nebst einer Kinder-Pantomime, betitult: Arlequin, der neue
Abgott Ram in America .Alles componiret von Joseph Kurz*. Die
Pantomime folgt nach dem ersten Act. Ausserdem ist noch im
zweiten Aufzuge ein Intermezzo eingeschoben. Zum Schlüsse heisst
es: „N. B. Die Musique sowohl von der Opera comique als auch
der Pantomime ist componiret von Herrn Joseph Heyden."
Agirende Personen in der Comedie:
Arnoldus, ein unglückseliger Doctor Medicinae.
Angiola, dessen Schwester.
Argante, eine Base desselben.
Fiametta, ein angenommenes Zuchtmädel i des
Catherl, ein Stubenmädel \ Arnoldus.
l ) C. F. Pohl, Joseph Haydn. Leipzig 1875 u. 1882.
Kampf gegen das regelnv Schausp. 1747. Ccnsur 1751. 59
Bernardon i zwey Bediente
Leopold el ) des Arnoldus.
Casparus, Gemahl der Angiola.
Gerhard, Gemahl der Argante.
Asmodcus, der neue krumme Teufel.
Zwey Notare.
und legt dasselbe folgender Stofferzählung zu Grunde :
Im ersten Aufzuge sitzt der Doctor Arnoldus in
seinem Zimmer am Schreibtische und mustert Recepte;
dabei klagt er, däss all sein Wissen in der Medizin ihm
nichts helfe, da er verliebt sei und sich daher selber als
einen armen Patienten betrachten müsse:
Recipe Helleborum,
China antimonium,
Oleum popoleum,
Raphanum Arsenicum
Cornu cervi succinatum
Crocum martis camphoralum
Album graecum sublimatum
Hoc solvetur
et addetur
Cartaplasma Cannulae
Miscc fiant pillulae.
Hast du denn kein Recipe,
Armer Doktor, für dein Weh !
Andre kannst du schon kuriren.
Aber du musst selbst krepiren«
Dem eintretenden Bernardon befiehlt er, Fiametta,
das im Hause auferzogene Mädchen, herbeizuholen. Nach
mancherlei Einwendungen, dass sie krank, sei, erscheint
sie endlich doch:
Da komm ich armes Kind,
Zu meiner Folterbank;
Ist das nicht eine Sund?
Ich bin so herzlich krank,
Und hab doch keine Ruh;
Ach! komm o Tod!
In meiner Noth,
Und schliess die Augen zu.
Ich sag dir tausend Dank,
Denn ich bin gar zu krank.
6o JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
Der Doctor kommt ihr zärtlich entgegen und will
ihr den Puls fühlen; sie widersetzt sich und klagt, dass
sie unglücklich sei. Von seiner Kur will sie schon gar
nichts wissen; er sei „ein Seelenliferant", ein „Mensch
durch den nur die Tischlerzunft und der Todtengräber
reich würden/ Der Doctor sucht sie zu beschwichtigen
und meint, sie werde bald von ihm Besseres erfahren.
Lebe wohl du kleiner Dieb !
Hab mich nur ein wenig lieb;
Ist die Lieb gleich itzo klein,
Bald, bald wird sie grösser seyn.
Er geht ab, und Bernardon eröffnet der arglosen
Fiametta, dass ihre Hochzeit mit Arnoldus bevorstehe.
Es erfolgt Ohnmacht und Wiedererwachen. Wer wird
helfen?! „Das wird der Teufel" ergänzt der im Hinter-
grunde erschienene Asmodeus.
Die Scene verwandelt sich und stellt einen mit
Statuen gezierten Garten vor. Arnoldus, seine Verwandt-
schaft und zwei Notare erscheinen. Der Doctor zeigt
ihnen an, dass er gesonnen sei zu heirathen. Schon fünfzig
Jahre lebe er im Junggesellenstande und habe es nun
satt; die Liebe sei bei ihm nicht blind, denn Fiametta
wäre ein schönes Kind. Die Verwandten rathen ab.
Nun kommt Fiametta selbst; der Doctor nennt sie seine
Braut und sie ihn dagegen ein altes „Haringsfass" eher
will sie sterben als sich mit ihm verehlichen. Sie stellt
sich verrückt:
Mein Verstand ist ausgegangen,
Ach ich such ihn dort und da!
Wer denselben hat gefangen,
Geb ihn mir, ich bitt ihn ja!
Schaut ihr. Herren!
Dort! dort! den Bären,
Da, da kömmt er, da, da geht er,
Ach er ist schon wirklich nah!
Ach er ist schon wirklich da!
O ihr Diener Monsieur Bär,
Vot Serviteur.
Stille! jetzt ist er mein,
Stillei ich steck ihn ein.
Kampf gegen das rcgelm. Schausp. IV47. Zensur 1751. 61
(Sie macht, als wenn sie den Bären finge und in Sack stecke).
O! das sind recht schöne Possen;
Gelt! ihr glaubt ich bin geschossen;
Und ihr seyd die Narren da,
Daralla, la, la, daral, 1a, la.
und verlässt singend und tanzend die Bühne.
Der Doctor glaubt Bernardon in Fiametta verliebt,
und klagt ihn an, ihm das Herz derselben »wegge-
schnappt* zuhaben; er soll sich trollen. Bernardon geht
schimpfend ab:
Alter stille deine Wuth
Du wirst mit Erstaunen sehen,
Was noch heute wird geschehen
Hier! hier hast du Fleisch und Blut:
Spreng die Adern, reiss die Flachsen,
Quetsch die Beine, brich die Haxen,
Nichtes nimmt mir meinen Muth.
Wann du alles Fleisch gefressen,
Musst du auch nicht das vergessen
Was dem Maul nicht schmecken thut.
Hier! hier hast du Fleisch und Blut.
Indem eilt Katherl, das Stubenmädel, herbei, und
jammert, dass sich Fiametta erstochen habe und rings
um sie allerlei Unthiere hausen. Nun kommt auch Leopoldel
mit der Nachricht, dass sich Bernardon erschossen habe
und fürchterliche Geister ihn umgeben. Es erfolgt
Donner und Blitz. Alle „fahren durcheinander" und singen :
Ach! wir sind alle hin,
Der Teufel, der ist los,
Ich weiss nicht wo ich bin,
Die Angst ist gar zu gross.
Die Statuen verwandeln sich auf einen Wink des
Asmodeus in Pferde und mit ihnen fliegen Fiametta und
Bernardon, die eben als Geister auftauchten, im Reise-
anzuge in die Luft:
Adieu! Herr Arnoldus. Nun weichet die Noth
Wir reisen vergnüget, und sind nicht mehr todt.
Alle Anwesenden sind bestürzt. Asmodeus aber
packt den Arnoldus und versinkt mit ihm in die Erde.
62
JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
In der nun folgenden Pantomime zeigt Asmodeus
dem Arnoldus das erste Spiegelbild weiblicher Untreue.
Personen der Pantomime:
Arlequin. Diener des Alba, ein afrikanischer Prinz.
Celio, ein Schiffscapitain. Mufti, ein« Götzenpfaff.
Merline, eine Insulanerin. Viele Amerikaner.
Ronzi, ein Zauberer. Viele holländische Seefahrer
Die Bühne stellt eine wüste Insel vor. Im Hinter-
grunde breitet sich das Meer aus, dessen vom Sturme
aufgeregte Wellen sich allmählich beruhigen. Arlequin,
der mit seinem Herrn Schiffbruch gelitten, kommt von
weitem geschwommen, tritt ans Land und trifft hier
Merline, die mit ihrer Mutter an diese Insel verschlagen
wurde.
Merline: Mein Alter war von wenig Tagen,
Da Wetter, Hagel, Sturm und Wind,
Die Mutter und mich armes Kind
In diese Insul hat verschlagen.
Die Mutter starb vor kurzer Zeit,
Und liesse mich in diesem Leid
Ganz trostlos hier zurücke.
Das Reh, das du allhier gesehen,
Pflegt mir mit Milich beyzustehen,
Das liebe Thier ist noch mein Glücke.
Die Wilden wohnen gar nicht weit:
Allein ich wäre so gescheid,
Und hatte nie vergessen,
Mich hinter Busch und Hecken,
Ganz sorgsam zu verstecken
Sonst war Merline längst gefressen.
Arlequin: Ich heisse Arlequin
Und diente als Lakey
Recht ehrlich und getreu.
Jetzt weisst du, wer ich bin.
Mein Herr war ein Schiffs-Kapitain,
Und dieser ist recht wunderschön
Im Wasser hier ersoffen.
Warum ? das Schiff bekam ein Loch,
Ich aber bin recht glucklich noch
Aus der Gefahr entloffen.
Die Annäherung der beiden Gestrandeten folgt rasch,
sie schwören einander Treue und geben sich die Hände.
Kampf gegen das rcgelm. Schausp. 1747- Censur 1751. 63
Verwandlung der Scene in einen Tempel, in dem
ein Zauberer in Gestalt des neuen Abgottes Ram thront,
der dem Arlequin zu' seinem Glücke verhelfen will. Er
bekleidet ihn mit den Abzeichen des Abgottes. Der
Gouverneur und die Wilden kommen unter den Klängen
eines kriegerischen Marsches und bringen ihre Opfer-
gaben. Sie gewahren wohl ihren Irrthum, doch weiss
ihnen Arlequin zu imponiren und sie tragen ihn als ihren
König und Herrn frohlockend davon.
Unterdessen tritt der Schiffscapitain Celio auf, der
sich gleichfalls gerettet hat. Merline kommt ganz eil-
fertig und in der Meinung, es sei Arlequin, umarmt sie
den Celio. Merline schämt sich ihres Irrthums. Dem
Celio gefällt Merline; sie verlieben sich in einander.
Nachdem sie sich die Hände gegeben, singen sie :
7
** Fiametta: Du hast gefunden
P l Geliebter! das Herz zu verwunden.
*AXAs*.\£ Hier ist das treue Leben,
Das geb ich für dich hin.
Capitata: ' Ich fühl o Glücke!
Götter welch ein Geschicke!
Nehme die treue Seele
Da ich dein Eigen bin.
ä 2. Götter wer kann ergründen
Der Liebe grosse Macht
Der gleichen schönen Liebe
Der gleichen süsse Triebe
Wer hätte das gedacht.
Inmitten dieser Betheuerungen kommen die Wilden,
nehmen die Beiden gefangen, und führen' sie Arlequin
zu, der noch immer als Abgott Ram thront. Der Gou-
verneur erscheint und giebt Arlequin zu verstehen, dass
es bei ihnen Sitte sei, fremde Menschen aufzufressen.
Arlequin stimmt ihm zu, gebietet aber den Wilden, ihn
vorerst mit den Beiden allein zu lassen. Obwohl durch
Merlinens Untreue verletzt, überlässt er sie doch nach
schwerem Seelenkampfe seinem Herrn. Doch die Wilden
haben den Vorgang belauscht, brechen hervor und führen
alle Drei ab.
64 jOHANtf JOSEPH FELIX VON KURZ.
Die Scene verwandelt sich abermals und stellt den
Ort vor, wo die Wilden ihre Opfer zu schlachten pflegen.
Alles ist bereit. In ihrer Angst wendet sich Merline
flehend an den vornehmsten Wilden, der sie zu retten
verspricht :
Entschliesse dich, willst du mir Herz
Und Hand itzt geben?
So sterben die allein
Du aber bleibst am Leben.
Worauf Merline
Ich glaub, ich denk das Leben
Das soll man nicht verderben.
Und das soll ich hergeben?
Das geht mir gar nicht ein.
Ihr beyde könnt schon sterben
Und dieser ist jetzt mein.
In diesem kritischen Momente vernimmt man Trom-
melwirbel und Trompetengeschmetter. Die Scene ver-
wandelt sich ein letztes Mal, und man erblickt eine
holländische Kriegsflotte. Es kommt zum Kampfe, die
Wilden unterliegen und die Opfer sind gerettet. Merline
hat als Ungetreue wohl einen schweren Stand, doch
wird ihr verziehen. Unter Jubelgeschrei besteigen Alle
die Schiffe und der Chor besingt die Freuden nach
bösen Stunden.
Der nun beginnende zw r eite Aufzug des „Asmodeus"
spielt in der Stadt. Arnoldus und Asmodeus treten auf.
Arnoldus sieht finster drein, er begreift nicht, w T as Asmo-
deus mit ihm vorhat. Dieser tröstet ihn; er solle nicht
nach altem Brauche glauben, dass der Teufel immer nur
des Menschen Feind sei; im Gegentheile, er meine es
gut mit ihm und habe dies schon dadurch bewiesen, dass
er ihm in der Pantomime ein lehrreiches Beispiel im Bilde
vorgehalten habe. Nun solle er noch den armen Bernar-
don sehen, der schon zwei Jahre im elenden Ehezustande
schmachte. Auf des Teufels Wink erscheinen sofort
Bernardon und Leopoldel. Ersterer klagt, dass seine
Frau verschwunden sei, und Leopoldel zeigt ihm das
kämpf gegen aas regelm. Schausp. 1747. Censur 1751. 6$
Haus, wo er sie finden werde. Sie klopfen an. Fiametta
tritt nun auf „indem sie in einer Scene viererley Charac-
teurs das ist : einen bolognesischen Doctor, einen neapo-
litanischen Policinello, den Pantalon und den Arlequin
vorstellet und zu einem jeden Character im Anfang
tanzet, und nach einer jeden Masquera ihrer Landesart
singet". Erst als Leopoldel ihr die Maske vom Gesichte
reisst, erkennt Bernardon seine Frau. Er will sie erstechen,
doch sie entflieht.
Bernardon: Dem Himmel sey's geklagt;
Das ist ja ein verdammter Streich.
Ach liebe Männer spiegelt euch!
Ich hab genug gesagt;
Bleibt ledig, nehmt doch keine Frau,
Und hütet euch vor dem Wau, Wau,
Der euch beständig plagt.
Vielleicht, dass hier auch mancher lacht,
Dem seine Frau ein gleiches macht
Ich hab genug gesagt.
Asmodeus und Arnoldus treten wieder vor, und Letzterer
versichert, er sei bereits geheilt.
Um ihm aber die Heirathsgedanken völlig zu be-
nehmen, führen Bernardon, Angiola und Fiametta ein
durchaus in italienischer Sprache und gleich dem „Asmo-
deus" in Versen abgefasstes Intermezzo auf:
„II Vecchio ingannato — Der betrogene Alte.*
Attori. Personen.
Pancrazio, Giuseppe Kurz. Bettina, Thersina Kurz. Pandora, Catta-
rina Mayerin.
Pandora, die Mutter, eröffnet Bettinen, der Tochter,
dass sie für sie einen Bräutigam gefunden habe; er sei
zwar alt, doch habe er Geld ; sie solle zugreifen, denn
die Schönheit verblühe gleich einer Blume. Zudem werde
ihr sein Reichthum schon auch junge Liebhaber erwerben.
„Dann nehme ich ihn" ruft die Tochter entschlossen und
die Mutter freut sich, in ihr diejenigen Eigenschaften
wieder zu finden, die sie selbst in ihrer Jugend zierten.
Allein gelassen, geht die Tochter mit sich zu Rathe:
Erfahrung macht klug; es seien ihr schon viele
66 JOHANN jOSEPrf FELIX VON KÜk2.
entschlüpft, dieser endlich solle an der Angel zappeln. Im
Gespräche mit der Mutter steigen Pancrazio, dem Alten,
denn doch einige Zweifel auf; er fürchtet wirklich, dass
er zu alt sei. Doch die Mutter kämpft alle Bedenken
nieder, indem sie die Tochter als engelrein hinstellt, die
kaum wisse, was Brautschaft und Heirath, ja nicht ein-
mal was Liebe sei. Sie (die Mutter) habe ihr dies erst
im Bilde des Cupido erklären müssen, den sie (die
Tochter) als mit Bogen und Pfeil bewaffnet, für einen
Soldaten hielt. „Welche Unschuld ! welche Taube !" ruft
der Alte zwischen jeder neuen Eröffnung — glücklich,
dass er derjenige sei, der sie zuerst in die Liebe ein-
weihen werde. Die Tochter kommt und findet ihren
Zukünftigen „älter als einen Raben". „Der um so eher
sterben wird", ergänzt die Mutter tröstend. Den Alten
packt das Fieber vor Liebe. Die Tochter zweifelt nicht,
ihn zu curiren und ihn je eher je lieber in's Jenseits zu
befördern. „Welch schöner Moment, welche beglückte
Liebe" ruft verzückt der Alte. „Eine saubere Ehe wird
dies werden" denkt halblaut die Mutter. Und Alle:
„Genuss und Freude wird jederzeit sich mehren".
Das Intermezzo wirkt so lebhaft auf Arnoldus, dass
er fortan von keiner Braut, und sei sie auch die schönste,
mehr etwas wissen will. Dem Bernardon aber, der ihn
dauert, da er das leiden muss, was ihm bevorstand, will
er zwölftausend Gulden vermachen. Nun treten alle
Personen, auch die der Pantomime auf. Bernardon dankt
dem Doctor für die grosse Summe Geldes, die ihm ge-
stattet, nun glücklich zu leben. Fiametta küsst Arnoldus
die Hände ; die Verwandtschaft findet seinen Entschluss,
ledig zu bleiben, vortrefflich, da sie dadurch mehr Erb-
schaft zu erwarten hat. Alle aber fragen den Arnoldus :
ob sie ihre Rolle gut gespielt haben. Dieser ist mehr
und mehr erstaunt und glaubt, dass er am Ende gar
gefoppt worden sei, worauf Asmodeus ihm erwidert:
„Das Eine ist wahr und das Andere nicht erlogen".
Dem Teufel kostet es nur wenig Mühe, um den Arnoldus
Kampf gegen das regelm. Scnausp. i747. Censur l^^l. 61
zu bestimmen, das zu bleiben, was er war und einzuge-
stehen, dass er mit seiner Liebe ein rechter Narr ge-
wesen, worin ihm Alle im Chore beistimmen, denn : Nur
„Gleich und gleich gehört zusammen" und
Wahre Liebe sucht alle Gänge
Alle Vortheil, alle List,
Bis der Gegner in die Länge
Endlich doch betrogen ist.
Wie schon in der Dramatisirung des trefflichen
Sittenschilderers Dancourt von dem epochemachenden
Romane des Le Sage nur wenig mehr übrig blieb, als
der Name des concilianten Asmodeus, so auch in der
„ Opera Comique" des Joseph Kurz. Hier wie dort blieb
nur die Anregung. Typisch für die Bernardoniade ist
aber in „Der krumme Teufel" das Spielen mit dem Wahn-
sinne, mit dem Leben und dem Tode. Die Verfasser
dieser wunderlichen dramatischen Abart und ihr Publikum
vergessen eben keinen Augenblick, dass die Bühne doch
nur eine Welt des Scheines beherberge, eine Welt, an
deren Realität im Ernste Niemand glaubt. Und in dieser
Beziehung, in dieser schrankenlosen Willkür, in diesem
an das Märchenhafte streifenden Losgelöstsein von allen
Gesetzen der Wirklichkeit, in dieser Ungebundenheit an
Zeit und Raum, an Sein und Nichtsein haben die
Bernardoniade und die mit ihr gleichzeitige Maschinen-
komödie eine, wenn auch sehr entfernte Verwandtschaft
mit so manchen Schöpfungen der späteren Romantiker.
Sie gehen denselben voraus, wie dessen Karikatur dem
Gedanken. Eine an organische Entwickelung, an einheit-
liche Stimmung gewöhnte Zeit bringt alledem nur schwer
einiges Verständniss entgegen.
In der Geschichte von der Entstehung der Musik
des Joseph Haydn zu »Der krumme Teufel" bietet
C. F. Pohl ein ansprechendes Genrebild aus dem Leben
Alt- Wiens :
„An einem für Ständchen wettergttnstigen Abend (es dürfte im
Herbste 1751 gewesen sein)", so erzählt C. F. Pohl, „finden wir Haydn
68 JOHANN JOSEPH FELIX VON KUR2.
mit einigen Kameraden vor dem Hause des Gold- und Perlenstickers
Anton Türkes ,Gassatim gehend' wie Haydn jene nächtlichen musi-
kalischen Excursionen nannte, bei denen irgend einer beliebten Per-
sönlichkeit auf Bestellung Anderer oder auch aus eigenem Antriebe
gehuldigt wurde. Die Musik, die sie aufführten und die von Haydn
componirt war, galt dem in demselben Hause wohnenden, damals
sehr beliebten Komiker des Stadttheaters, Joseph Kurz, oder richtiger
gesagt, seiner hübschen Frau Franziska. Das Haus stand schräg
gegenüber dem alten Stadttheater dicht beim Widmer »oder alten
Carntner* Thor und war an die ehemalige Stadtmauer angebaut.
Haydn' s Musik . erregte die Aufmerksamkeit des stets aufgeweckten
Komikers ; er verliess das Haus und erkundigte sich nach dem Com •
ponisten der eben aufgeführten Musik. Haydn stellte sich ihm vor
und musste sogleich dem etwas überraschten Komiker in dessen
Wohnung folgen, wo ihm derselbe das Anerbieten stellte, für sein
eben fertig gewordenes Theaterstück die Musik zu schreiben. Kurz
suchte auch gleich seinen Mann zu prüfen, er liess ihn sich an's
Ciavier setzen und einige leicht angedeutete Scenen aus dem Steg-
reife mit Melodieen begleiten. Namentlich lag ihm die musikalische
Schilderung eines Sturmes auf dem Meere (am Beginne der Kinder-
Pantomime : Arlequin, der neue Abgott Ram in America) am Herzen.
Da er aber die Verzagtheit Haydn's gewahrte, dessen Kenntnisse
von Wässern sich bis dahin nur auf die Leitha und das Wienflüsschen
erstreckten, die doch unmöglich zur Vorstellung des gewünschten
Bildes anregen konnten, so suchte er Haydn's Phantasie nachhelfend,
das Ringen eines Ertrinkenden figürlich auszumalen. Unschlüssig,
wie er ein Ding ausdrücken solle, das er im Leben nie gesehen,
schüttelte Haydn noch immer den Kopf, während Kurz, der ganzen
Leibeslänge nach Über einige Sessel ausgestreckt, die Bewegungen
eines Schwimmenden nachahmte. Er wurde bereits ungeduldig und
rief dem jungen Musiker fast ärgerlich zu: ,Aber sehn's denn nit,
wie i schwimm?!' Unwillkürlich geriethen Haydn,' s Finger endlich
in der Angst in die vom Komiker gewünschte Taktbewegung. Kurz
sprang auf, umarmte seinen Schützling und übergab ihm das Manu-
script seiner neuesten komischen Oper, die den Titel führte: »Der
neue krumme Teufel."
Für diese Arbeit erhielt Haydn nach Einigen 25,
nach Anderen, was auch wahrscheinlicher klingt 2 Dukaten.
Als ein Hauptreiz derselben erscheint auf mehreren Zetteln
„eine musique, welche mit einer Mühle aecompagniret"
besonders erwähnt. Doch scheint die Musik von Haydn
leider schon früh verloren gegangen und eine andere an
deren Stelle getreten zu sein.
Kampf gegen das regelm. Schausp. 1747. Censur 1751. 69
Die Oper dürfte im Fasching des Jahres 1751 zum
erstenmal gegeben worden sein. Das „Repertoire des
Theatres de la ville de Vienne", das die sämmtlichen von
Ostern 1752 bis zum Schlüsse des Theaterjahres 1756
am Stadttheater aufgeführten Novitäten enthält, erwähnt
des „Neuen krummen Teufel" nicht. Dagegen erscheint
er in der „Hauptrechnung über den Theatral-Empfang-
und Ausgab vom 10. März 1753 bis 28. Februar 1754 a am:
29. Mai 1753 mit einer Tageseinnahme von 243 fl. 43 Xr.
Die „Deutsche Schaubühne" enthält im 25. Band
folgendes Libretto:
„Asmodeus, der krumme Teufel. Eine Opera comique von drey
* Autzügen. (Vignette.) Wien gedruckt bey Johann Thomas Edlen
von Trattnern, Kaiserl. Königl. Hofbuchdruckern und Buchhändlern
1770". Mit Seite 32 „endigt sich der erste Aufzug" und es folgt
mit neuem Titel und neuer Paginirung : „Zweyter Aufzug. Asmodeus
zeiget durch Bernafdon und Fiametta dem Doctor Arnold us, um ihm
seine heftige Liebe gegen Fiametta zu benehmen, dieses pantomi-
mische Singspiel, genannt: die Insul der Wilden, oder die wankel-
müthige Insulanerinn mit Arlequin dem durch einen Zauberer zum
Abgott Ram gemachten König von der Insul Tschaleley. (Vignette.)
Wien gedruckt bey Johann Thomas Edlen von Trattnern k. k. Hof-
buchdruckern und Buchhändlern. 1770". Dieser zweite Aufzug um-
fasst 18 Seiten. Dann beginnt der „Dritte Aufzug", der mit Seite 33
anfangend, an Seite 32 des Asmodeus sich anschliesst und mit Seite 44
das Ganze endigt.
Wie man sieht, ist in diesem Libretto die Form des
damals üblichen theatralischen Intermezzo's auch auf das
Buch übertragen. Seltsamerweise wird in den Personen-
Verzeichnissen beiderLibrettiAsmodeus der „neue" krumme
Teufel genannt, was zu der irrigen Annahme verleitete
von dem Bestehen einer zweiten Opera comique unter
dem Titel : „Der neue krumme Teufel". Das von C. F.
Pohl citirte Textbuch stammt entschieden aus den Jahren
nach 1758. Beweis dessen die Kinder-Pantomime, deren
Hauptrollen dem Kurz'schen Kleeblatt : Lenorl, Sepperl,
und Tonerl anvertraut waren. Diese Kinder wurden
aber erst nach dem Tod ihrer Mutter (1754) durch den
Vater zur Pantomime verwandt. Beweis ferner die
72 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
Karl VI., eine Art von Dramaturgen. Dieser, dem die
deutsche Sprache, so wenig wie dem Lopresti selber,
ganz geläufig war, führte nichts destoweniger das erste
regelmässige originale Lustspiel in das Repertoire der
„Teutschen Comödie" ein. Es war dies Gellerts „Das
Loos in der Lotterie". Bald darauf hielt Goldoni, der
typische Repräsentant der Uebergangsperiode von der
Commedia dell'arte zum „studirten Stück" seinen Einzug.
Endlich suchte Lopresti, während er so das regel-
mässige Schauspiel stärkte, die Stegreifkomödie durch
eine „Theatral-Censur" unmöglich zu machen. Natürlich
musste jedoch den Scenarien gegenüber, in denen die
Rede den Schauspielern freigestellt blieb, jede Präventiv-
Censur illusorisch erscheinen. Man verfiel demzufolge
auf die Einsetzung einer Commission, an deren Spitze
der Censor Regierungsrath Baron von Reichmann stand,
und deren Aufgabe es war: die Aufführung der Steg-
reifkomödie zu überwachen und über jene Schauspieler,
die das Recht des Extemporirens durch „Unanständig-
keit" oder „widersinnige Ausdrücke" missbraucht hatten,
im ersten Falle einen „empfindlichen Verweis", im zweiten
Falle einen „vierzehntägigen Arrest", im dritten Falle
aber — „lebenslängliche Festungshaft" zu verhängen.
Noch drei Jahre später fiel Joseph Kurz dieser
Theatral-Fehme zum Opfer. Man gab „Die durch Un-
glück glückliche Asterie. Tragicomödie in drey Hand-
lungen nach einer Erzählung der Madame Gomez von
Johann Georg Heubel". Bernardon, der in dieser seinen
Unglücksfällen gewidmeten Posse in die heidnische
Prinzessin Asteria zum sterben verliebt ist, wendet sich
in seiner Noth an einen der vielen Teufel, mit denen
die Bernardoniade stets gesegnet zu sein pflegte und
beschwört diesen: „Lieber Teufel, ich bitte dich um
Gotteswillen, hilf mir die Prinzessin Asteria zum christ-
lichen Glauben bekehren, damit ich sie heyrathen kann",
was ihm unweigerlich einen jener „ empfindlichen Ver-
weise" zuzog.
Verbot d. BernardoDiade 1752. Abgang v. Wien 1753- 73
Doch Hess der Drakonismus dieser „Theatral-Satz-
ungen" dieselben nur sehr selten activ werden. Und so
kam es, dass während Lopresti bei seinem ersten Auf-
treten ganz der Mann dazu schien, den nun seit einem
Lustrum entbrannten Kampf zwischen der Stegreifkomödie
und dem regelmässigen Schauspiele zu Gunsten des
letzteren zu Ende zu führen, die alte tolle Wirthschaft
bald wieder in voller Blüthe stand und Weiskern,
Prehauser, Mayberg, Kurz und Huber mit ihren Pro-
dukten die „Teutsche Comoedie" wieder vollkommen
beherrschten, bis auch die „Unternehmung* Lopresti den
Weg aller „Unternehmungen" ging, den Weg des finan-
ziellen Marasmus.
VI.
Verbot der Bernardoniade 1752. „Zamor".
„Hochzeit auf dem Scheiterhaufen 44 .
„Der verheirathete Teufel". Kurz' Ab-
gang Ton Wien 1753.
|as Jahr 1752 war für das Wiener Bühnenleben
ein sehr bedeutsames. Schon sein Carneval
bereitete der Impresa Lopresti das allerdings
längst geahnte Ende. Die Kaiserin hob die dermaligen
Privilegien auf und entschädigte deren Besitzer reichlich.
Ostern, der Beginn der eigentlichen Saison, sah die
„Teutsche Comödie" im Stadttheater beim Kärntnerthor
der Gemeinde Wien übergeben, das Theater nächst der
Burg aber den Franzosen reservirt. Haupt-Director und
Ober- Aufseher über alle in Wien aufgeführten „Spektakul"
ward Franz Graf Esterhazy und ihm Jakob Graf Durazzo,
vordem Genuesischer Gesandter am Wiener Hofe und
später .bekannt durch seine Correspondenz mit dem Schau-
spieler und Dichter G. S. Favart, als „Cavaliere pro
74 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
assistente" beigegeben. Beide führten den Titel „Thea-
tral-Directions-Commisarius a . Der Hof bewilligte eine an-
sehnliche Summe als Subvention der Theater und als
Schadloshaltung für deren allfällige Verluste.
Unter den „Theatral - Directions - Commisariis" stand
für die „Teutsche Comödie a , von der Gemeinde bestellt,
als „Theatral-Directions-Substitut* Johann Leopold Edler
von Ghelen, Seiner Majestät Stadt- und Landrichter der
Haupt- und Residenzstadt Wien, aus der alten angesehenen
Patrizierfamilie derer von Ghelen, ein literarisch gebil-
deter Mann. Neben ihm wirkte als Theatral-Secretair
und Censor, Philipp Jakob Lambacher, Präsidial-Secretair
und Bibliothekar der Gemeinde, als „gelehrte Feder 8
bekannt durch seine Geschichte des Interregnum. Endlich
war da noch Johann Georg Heubel, ein Kassen-Controlleur
oder wie man diese damals nannte „Gegenhändler",
nebenbei eine Art von Dramaturg sowie Verfasser und
Uebersetzer vieler sehr fragwürdiger Stücke.
Ausser durch diese Neuorganisation des Theatral-
Status wurde aber das Jahr 1752 noch durch eine neue
Censurvorschrift bemerkenswerth, die streng und conse-
quent durchgeführt, der Wiener Bühne bald einen wesent-
lich veränderten Charakter geben musste. Sei es, dass
das im verflossenen Jahre erlassene Censuredikt und die
auf dessen Execution zielende Kommission sich an und
für sich unfruchtbar erwiesen, sei es, dass der Gegensatz
zwischen dem regelmässigen Drama und der Stegreif-
komödie in letzter Zeit sich wieder mehr zugespitzt
hatte, genug an dem: die Kaiserin erliess, wohl auf
Anregung des bereits genannten Baron von Reichmann,
ein neues Mandat, das, weil direkt gegen Joseph Kurz
gerichtet, hier seinem Wortlaute nach eine Stelle finden
• mag. Das Mandat war vom 17. Februar und ging dahin:
„dass keine anderen Vorstellungen, als welche entweder aus dem
französischen, wälischen oder spanischen Theatris herfliessen, oder
in deutscher Sprache wol ausgearbeitet befunden werden, auf dem
hiesigen Theater zu produciren gestattet seien, folglich alle Compo-
sitionen von dem sogenannten Bernardon, wie alle dergleichen mehr
Verbot d Kernardoniade 1752. Abgang v. Wien 1753. 75
zum Ärgcrniss des Publici als zur Einpflanzung einer guten Moral
gereichenden albernen Erfindungen durchgehends und für alle Zeiten
verboten seien; es wäre denn, dass von dem Komiker Weiskern eine
oder die andere wol ausgearbeitete Piece zum Vorschein käme, welche
jedoch eher genau durchgegangen werden soll; überhaupt soll jede
equivoque und der Ehrbarkeit zuwiderlaufende, unfläthige Redensart
unfehlbar vermieden und den Komödianten sich deren zif gebrauchen,
bey schwerster Bestrafung nachdrucksam verbohten werden".
Seltsamerweise werden in diesem Mandate die Ber-
nardoniaden als Originale behandelt, die sie doch zuge-
standenermassen nur in den allerwenigsten Fällen waren.
Noch mehr muss es aber überraschen: in einem Athem
hiemit den, nach dem einstimmigen Zeugnisse seiner
Zeitgenossen enragirtesten Anhänger der Stegreifkomödie,
F. W. Weiskern dem Joseph Kurz als eine Art von Ver-
trauensmann gegenübergestellt zu sehen. Wie dem aber
auch sei, wurde dieses neue Censuredikt streng und con-
sequent durchgeführt; so war, wie gesagt, was vor längerer
Zeit bereits gedroht hatte, nun wirklich eingetroffen und
das Ende der Bernardoniade gekommen. Eine dunkle
Ahnung hiervon überkam sicher auch den Träger derselben.
Eine vage Idee, seiner Vaterstadt ein zweites Mal, dies-
mal aber freiwillig den Rücken zu kehren, und in der
Fremde jedoch nicht als einfacher „Comicus" sondern
als „ Impresario" sein Glück zu versuchen, stieg in Joseph
Kurz gewiss schon nach dem Erscheinen jenes Mandates
auf. Doch wartete er im Vertrauen auf die höchste
Protection, deren er sich sicher wusste, vorläufig noch
ab;
Der Status der Wiener „Teutschen Comödie" jener
Tage war nach den Kassenbüchern folgender : Friedrich
Wilhelm Weiskern als Regisseur und Odoardo ; Gottfried
Prehauser als Hanswurst; Andreas Schröter als Bramar-
bas; Joseph Kurz als Bernardon; Friedrich Wilhelm
Elenzon, der Schwager des Kurz, und Johann Leinhaas
als Pantalone ; Johann Wilhelm Mayberg als Unterregisseur
und für „gemischte Rollen* ; Karl Gottlieb Heydrich als
Heldenspieler; Joseph Karl Huber als Leopoldl; Joseph
Ifi JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
Müller als Scapin ; Franz Albert de Fraine und Zügel für
untergeordnete Rollen.
Viel schwächer waren die Frauen. Unter ihnen
ragte einzig und allein Christiane Friederike Lorenz, von
den Wienern „die schöne Lorenzin 8 genannt, als Heldin
und Sentimentale hervor. Sie war eigentlich „nur für
studirte Rollen" engagirt. Seit dem im vergangenen
Jahre erfolgten Tode der Nuth wurde jedoch die
„ Lorenzin a durch Prehauser als Colombine in die Steg-
reifkomödie eingeführt. Ein echtes und rechtes Theater-
kind war sie auch als solche sehr bald sattelfest. Ausser-
dem waren noch Franziska Kurz, die Frau, und Monika
Elenzon, die Schwester des Bernardon, Erstere als senti-
mentale Liedersängerin, Letztere für komische Rollen
engagirt. Neben ihnen spielten Anna Schröter, Katha-
rina Mayer, Josepha de Fraine und Therese Verschelin
kleinere Partieen.
Mit dieser in ihren einzelnen Mitgliedern ganz treff-
lichen, nur so gut wie gar nicht geleiteten Gesellschaft
eröffnete die Stadt Wien gleich nach den Ostern, am
5. April, die neue Impresa. Man gab an diesem Abende,
wie es scheint zum erstenmale „Der Schmähsüchtige"
von Destouches in einer Bearbeitung von F. W. Weis-
kern. Das Wiener Diarium berichtet über diese Vor-
stellung nur:
„Abends haben seine Majestät der Kayser im Gefolge einiger
Cavaliere sich in das privilegirte Stadt-Theatrum begeben und alda
der neu eingerichteten Teutschen Comoedie mit allerhöchsten Beyfall
abgewartet."
Dieser solennen Eröffnung folgte trotz Censuredikt,
Commission und Mandaten — wahren Wiener Verboten
— in Kurzem eine zweite Novität, die das „ Repertoire
des Theätres de la ville de Vienne a so bezeichnet:
„LEpouse haie et aimit en mime tems, ambigu Cotnique du
Sr. Kurt% dit Bernardon, orni dt Machines et entremeli de
Chansons". In einem Nürnberger Theaterzettel von 1766
führt das Stück den deutschen Titel: «Die in einer
Verbot d. iScrnardoniadc 1752. Abgang v. Wien 1753« 77
Person zugleich geliebte und gehaste Braut, oder:
Bernardon der rasende Zamor a mit der „Nachricht. In
diesem vortreflichen Schauspiele werden von Bernardon
und Fiameta unterschiedliche Arien gesungen, besonders
werden die rasenden Scenen des Bernardon dieses Stück
um so viel angenehmer machen. a Die Aufführung dieser
Novität dürfte im Wiener Stadttheater zuerst am 9. April
stattgefunden haben, an welchem Abende der Kaiser,
dieser nachsichtsvolle ProtectorBernardons, wie das Wiener
Diarium meldet „einer neuen Teutschen Comödie zu
zuschauen beliebet."
Ein Buch oder auch nur ein „Avertissement" dieses
von der Posse zum Schauspiele avancirten Produktes
der Kurz'schen Muse scheint sich nicht erhalten zu haben.
Es erübrigen von demselben einzig und allein die von
Zamor, Cupido, Morgiana und Perizada gesungenen
Arien, von denen später Bernardon die des Zamor und
Fiameta die der Perizade übernahmen.
Es singt vor Allen der „ rasende a Zamor die charakteri-
stischen Verse:
Zerfetzet, zerhauet, zertrümmert, zerstucket,
Vertilget, verheeret, verderbet die Brut,
Was mich sucht zu drucken, das werde erdrucket,
Ich werde mich rächen durch Morden und Blut.
Ihm folgt Cupido:
Ich bin der Steig in Sack
Beym Sauffen und beym Fressen
Lass ich mich nicht vergessen,
Ich schnupfe auch Taback.
Beym Sauffen und beim Fressen
Lass ich mich nicht vergessen
Ich schnupfe auch Taback
Ich bin der Steig in Sack.
Jetzt steig ich schon hinein
Da find ich einen Braten
Gespicket mit Ducaten
Der wird wol meine seyn.
Jetzt steig ich schon hinein
Da find ich einen Braten
1
78 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ:
' ?
Gespicket mit Ducaten
Der wird wol meine seyn.
Die Sache ist vollbracht
Du Narr du bist betrogen
Und bey der Nas gezogen
Adieu zu guter Nacht.
Die Sache ist vollbracht
Du Narr du bist betrogen,
Und bey der Nas gezogen
Adieu zu guter Nacht.
Die steten Anspielungen auf seine Schwäche für
gutes Essen und Trinken lassen wohl kaum einen Zweifel
übrig, dass dieser Cupido kein anderer war als — Hans-
wurst, dessen Devise ja bekanntlich lautete:
Beym Sauffen und beym Fressen
Lass ich mich nicht vergessen.
Die letzten Strophen seiner Arie machen es jedoch
mehr als wahrscheinlich, dass „die in einer Person ge-
liebte und gehaste Braut a zu jenen mythologischen An-
empfindungen zählt, deren sich in den dramatischen Pro-
duktionen von Joseph Kurz noch mehrere finden werden,
und dass Hanswurst- Cupido auch diesmal, wie so oft,
durch den unerforschlichen Rathschluss der Götter zum
Intriganten in jenem Drama ausersehen worden sei, das
sich zwischen Zamor und Morgiana abspielen sollte. Nach
den noch folgenden Arien und Terzetten des Zamor,
der Morgiana und der Perizade scheint es aber fast als
wäre „Die in einer Person zugleich geliebte und gehaste
Braut" ein Seitenstück zu „Sakuntala" gewesen, in dem
der Zamor-Duschmanta etwas zu spät von dem durch
die Götter über ihn verhängten Fluch befreit ward, und
in dem Morgiana-Sakuntala sich bereits früher selbst den
Tod gegeben hatte. Doch braucht der Schluss des
rasenden Zamor deshalb noch immer kein allzu erschüttern-
der gewesen zu sein, da, so naiv sich auch die Bernar-
doniade in die tiefste Tragik stürzte, sie auch ebenso
naiv wieder in das Gegentheil überging.
Am 24. April hatte eine Aufführung der „Banise"
von F. M. Grimm die der „Teutschen Comödie" so
Verbot d. fccrnardoniade 1752. Abgang v. Wien 1753- 79
selten gewordene Ehre, von „Beeden Majestäten abge-
wartet zu werden".
Eine andere Novität, mit welcher Joseph Kurz, bald
nach „Der rasende Zamor" debutirte, führt das „ Reper-
toire des Theätres de la ville de Vienne" so an: „Bernar-
don sur le Bücher, ambigu Comique du Sr. Kurt%, orni de
Machines, et entremile de Chansons". Der deutsche Titel
dieser Maschinenkomödie lautete, nach einem Pressburger
Theaterzettel vom Jahre 1764 und nach einem Nürn-
berger Theaterzattel von 1766 „Bernardons Hochzeit auf
dem Scheiterhauffen, oder: Ein ehrlicher Mann soll sein
Wort halten". Nach einem spätem Druck auch: „Der
ohne Holz verbrannte Zauberer Bernardon". (Lustspiel
in drey Aufzügen. Wien, Trattner, 1771.) Der Inhalt
dieser Maschinenkomödie ist beiläufig folgender:
Rosette von Heidenstern soll statt ihres Geliebten
Martenvell den Herrn von Bernardon heirathen, dem ihr
Vater ihre Hand versprochen hat.
„Mein Vater fordert blinden Gehorsam; und ich, der diese
Tugend tief ins Herz gegraben ist, muss seinen Befehlen endlich
nachgeben".
Ihr antwortet Fräulein Therese in ihrer zweifachen
Eigenschaft: als Schwester Martenvells und Braut des
Bruders der Rosette:
„Die schwesterliche Liebe wird die Verachtung gegen meinen
Bruder mit gleicher Verachtung bezahlen. Unter keiner Bedingung
werde ich die Hand ihres Bruders annehmen, als wenn sie den
meinigen heirathen".
Lisette, die Kammerjungfer stimmt ein: wenn das
Fräulein den Bernardon heirathet, müsse sie gewiss auch
seinen „Kerl" den Heinrich heirathen, anstatt ihres ge-
liebten Johann.
Grosser Jammer der drei Liebespaare und allge-
meiner Fussfall vor Rosette, dann vor deren Vater,
welcher hinzukommt und sich richtig erweichen lässt:
„Allein wie werden wir des Bernardon los werden? Zu allem
Glücke ist er ein alter dummer affektirter Kerl, man wird ihn also
leicht für einen Narren halten können".
\
ÖO JOIUÜN JOSEPH FELIX VON Kükt
Inzwischen kommt Bernardon „als ein Windmacher"
mit seinem Kammerdiener Heinrich, der ein Bündel
Perücken trägt, auf der Strasse zu Heidensterns Haus ge-
tanzt. Er singt:
du charmante Stadt!
Die mein Vergnügen hat,
Die mir mein geliebtes Leben
Hat gebohren, hat gegeben
O du charmante Stadt,
Die mein Vergnügen hat;
Diese werd ich mit Entzücken
Hertzen, schertzen, küssen, trücken
Weil sie mein Vergnügen hat,
O du charmante Stadt.
und macht dann öffentlichst Toilette zur Brautschau.
Heinrich muss ihm den Spiegel halten:
„Aber Heinrich, das ist eine Nase! eine majestätische Nase ! das
nenn ich eine Nase! und ein Maul und eine Taille und ein paar
Füsse! meiner Seele! zwey Füsse! Aber zum Henker! die Perücke
steht mir nicht recht! eine andere her!
So viel Perocken
Und keine steht mir zu Gesicht
Die hat zu grosse Locken".
Während er diese äff ectirte Perücken- Arie singt, probirt
er den ganzen Vorrath durch; schliesslich setzt er eine
Schlafhaube auf:
„Allons, Heinrich, klopfen!"
In der Thür erscheint der Vater des Martenvell,
der sonderbarer Weise Dornheim heisst.
Bernardon: „Das wird wol der alte Heidenstern seyn! (Zum
Dornheim mit vielen Verbeugungen) Glückseliger Erzeuger! der du
dich rühmen kannst, die schönste Pflanze der Welt hei vorgebracht
zu haben. Siehe in mir jene wohlriechende Aloe, welche den Augen-
blick zu blühen anfangen wird, sobald ich als ein beglückter Gärtner
dieser schönen Göttinn Flora die Hand als Bräutigam werde reichen
dürfen«.
Die ganze Gesellschaft erscheint der Reihe nach.
Jedem einzelnen macht Bernardon, unter steten Ver-
wechslungen, und jedesmal eine neue Perücke aufsetzend,
ähnliche blumenreiche Komplimente. Jeder erwidert
Verbot d. Bernardoniade 175^. Abgang v. Wien 1753. 8l
dieselben mit dem Ausdrucke des Entzückens, Herrn
Bernardon begrüssen zu können, geht aber gleich darauf
mit der gleichen Redensart : „Bleiben sie nur da stehen"
kühl von dannen. Endlich führt der Brautvater Heiden-
stern den Bernardon und seinen Sancho Pansa, Heinrich,
der sich selbst den „Waffenträger des grossen irrenden
Ritters Don Quixotes" nennt, in's Haus und stellt ihnen
Martenvell und Johann, in Weiberkleidern und verschleiert,
als Rosette und Lisette vor. Die Entschleierung dieser
mannhaften Bräute führt zu grosser Enttäuschung und
heftigem Protest Bernardons sowie schmerzhafter Ab-
kühlung desselben mittels Prügel :
„Johann (weinl) O Affront, o Schimpf! o Schande! welche mir
unschuldigen Kinde wiederfahrt: aber Fräulein Rosette, wollen sie
das so leiden ? (beede ziehen Keulen unter den (Weiber) Röcken
hervor und prügeln Bernardon und Heinrich herum, endlich hinein:
die Übrigen gehen unter vielen Gelächter nach.)"
Aber die Rache naht. Ein Herr Seltenheim tritt
auf und erzählt dem eben hinausgeprügelten Bernardon
folgende Schauergeschichte :
„Meine Frau war Kindsweib bey der Rosette und hat sie erzogen.
Eine kurze Zeit nachher bin ich als Instruktor in's Haus gekommen,
und da hab ich mich in mein itziges Weib verliebt. Auf das Ver-
sprechen des schelmischen Heidensterns von 2000 fl Heirathsgut habe
ich sie leider geheirathet, aber der alte Dieb hat mir noch bis diese
Stunde keinen Kreuzer gegeben. Itzt kömmt erst das Erschreck-
liche. . . Heut Nacht, bedenken sie, wachte ich gegen Mitternacht
auf, hörte in der Stille eine Stimme, welche ich sogleich für jene
meines Weibes erkannte, stund auf, sah durch das Schlüsselloch in
der Küche ein Licht brennen ; Bedenken sie, ich, der ich von Jugend
auf neugierig war, machte die Thür so sachte als möglich war auf
und sah wie meine saubere Frau Gemahlin sich mit dieser Salbe den
ganzen Leib beschmierte ; bedenken sie, hernach lass sie aus diesem
Buch ein Kapitel, versteckte alsdann ihre Sachen in das Ofenloch,
murmelte etliche Worte zwischen den Zähnen daher und fuhr wie
der Blitz durch den Rauchfang hinaus. Bedenken sie, wie ich er-
schrocken bin ! starr stund ich wie eine Bildsäule ! Doch fasste ich
gleich wieder Muth, nahm die Salbe und das Buch aus dem Ofenloch
hervor, wobey ich auch diese eingewickelten Kräuter fand. Itzt hören
sie, was hier geschrieben steht ! (er liesst) Wer sich mit dieser Salbe
schmiert, kann durcli die Luft fahren, Wer diese Kräuter bey sich
6
&2 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
trägt, kann sich unsichtbar machen. In diesem Buch hab ich Sachen
gefunden, die zum erstaunen sind, als zum Beyspiel : wie man Leute
kann krumm und lahm, weinen, lachen, tanzen, singen und dergleichen
machen, auch wie man den Leuten allerhand Blendwerk vor die
Augen machen, und wie man sie in allerhand Gestalten verwandeln kann.
Mit Hülfe des Zauberbuches soll nun Bernardon die
Rosette erringen, wozu dieser, nachdem er die wirkliche
Rosette gesehen hat, mit etwas gemischten Gefühlen sich
bereit erklärt. Als die ganze Familie der Liebesleute
friedlich beim Kaffee sitzt und die bevorstehende drei-
fache Hochzeit bespricht, erscheint plötzlich Bernar-
don in Gestalt eines Wachtmeisters mit Soldaten und
„nimmt auf Befehl des gestrengen Herrn Bernardon" die
Rosette in Arrest. Die eigentliche Maschinenkomödie
beginnt. Während die verschiedenen Angehörigen des
Mädchens nach der ersten Verblüffung zum Richter und
zu den Rathsherren laufen, erscheint Rosette vor ihnen
in wechselndem Blendwerk, bald in vergittertem Kerker
in Ketten und weinend, dann vergnügt mit Bernardon
Arm in Arm aus dem Fenster singend. Schliesslich wartet
sie gar im Bierhause, etwas angeheitert, mit ein paar
Liedern auf.
Bernardon singt als Kellner
Wer a guts Homer Bier
Trinken will, komm zu mir
Leutl kehrt's bey mir ein
Bey mir ist's gut zu seyn.
Dieses löscht euch den Durst
Und ich geb enk a Wurst
Buben geht's tummelts enk
Menscher geht's tantz's a wenk.
Rosette betrunken.
Ihr Diener Herr Vetter seyd's alle schon da?
Das ist a guts Bierl recht köstlich a ja
Drey Määssel seynd drunten so g'schwind wie der Blitz
A Seitel auf einmahl trink Schwabs i in Witz.
Gehts Kosts nur, gehts trinkts nur Es schmeckt ja recht gut,
Es stärcket die Glieder und frischt auch das Blut.
Wann Ihr es thut trinken, so hat man kein Ruh,
Es schleicht so geschmiert nunter, man hat nie net gnu
Verbot d. ßernardoniade 1752. Abgang v. Wien 1753. 83
Während der Musik zu dieser echt altwienerischen
Verherrlichung des damals so beliebten „Horner Bieres"
fängt Bernardon an zu tanzen. „Jeder nimmt sein Frauen-
zimmer und tanzt durch Zauberey dem Bernardon nach".
Im zweiten Aufzuge befindet sich alle Welt auf
einem Landgute Heidensterns. Auch Rosette ist wieder
dabei und weiss nicht, wie ihr geschehen. In Heiden-
sterns Gestalt, der eben vorausgegangen, Quartier zu
machen, tritt ihnen Bernardon entgegen und erzählt,
Heidenstern, sei gar nicht der Vater seiner Kinder,
sondern ein verruchter Zauberer, wodurch dann dem
wirklichen Heidenstern ein sehr übler Empfang bereitet
wird. Dasselbe Spiel wiederholt Bernardon in Gestalt
des Johann bei dessen Liebsten, der Lisette:
„Mein Lisettchen, wenn du mich heirathest, so bist du in 2 oder
3 Tagen eine Wittwe. Nun erfahre alles. Vor acht Jahren kam ich
aus Ostindien hier an. In China diente ich einem reichen Haar-
beutelmacher, diesem ging ich davon, und stahl ihm über 6000 fl.
Haarbeutel; mit diesen kam ich hieher nach Europa, und verhandelte
sie denen Kaufleuten. Du wirst dich noch zu erinnern wissen, dass
man vor Zeiten lauter kleine Haarbeutel getragen, diese waren eben
die nämlichen, die ich aus China mitbrachte, denn die Chinesen
tragen sie alle sehr klein, und als sie nun aufgehört, siehst du, so
trägt man grosse. Ich habe geglaubt hier sicher zu seyn, aber o
Unglück! vor drey Tagen liefen von dem chinesischen Haarbeutel-
macher Steckbriefe wegen mir ein .... das ist noch nicht genug,
wissen sie, dass ich in China schon drey Weiber und 48 Kinder
gehabt habe?"
Er empfiehlt ihr den Heinrich, Bernardons Diener,
der viel braver sei und in ihrem Zorn erklärt Lisette
auch wirklich alsbald dem Heinrich, dass sie ihn „aus
Desperation" heirathen wolle. Während dieser noch
zögert, sich „auf solche Art" heirathen zu lassen, kommt
der rechte Johann. Bei Lisettens Vorwürfen wegen der
„48 Kinder" macht er allerlei „lächerliche Stellungen"
und rennt schliesslich wüthend hinter Lisetten und Hein-
rich her.
In neuen Verkleidungen treibt Bernardon seinen Spuk
in Heidensterns Schlosse selbst. Er legt sich in ein Bett
04 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
und stöhnt. Den Liebesleuten, die einzeln nachsehen
kommen, erscheint er bald rechts als Rosette, bald links
als deren Bruder und erzählt jedem, der schlimme
Zauberer Heidenstern habe ihn tödtlich verwundet. Da
sie von rechts und von links gleichzeitig kommen, springt
er als Satyr hervor. Dann spielt er in demselben Zauber-
bette den sterbenden Heidenstern. Als dieser persön-
lich erscheint und zugreift, um den bösen Spuk zu
entlarven, springt „Bernardon wieder als Satyr verkleidet
aus dem Bette, macht einen grossen Lärm und alle
laufen unter Schrecken und Schreyen ab".
Im dritten Aufzuge zeigt Heidenstern seine Freude,
dass er die Seinigen endlich von den verleumderischen
Tücken der Zauberei überzeugt habe, hinter der gewiss
der Bernardon stecke, und führt Alle in ein Wirthshaus zu
fröhlichem Gelage. In Gestalt des Wirths erscheint'wieder
Bernardon und jammert, seine Frau, die Anscherl, die
bei der Rosette Stubenmädel gewesen, sei ihm gerade
gestorben. Er nöthigt Rosette herein, sich die schöne
Leiche anzusehen. Inzwischen treibt er mit den Andern
Allotria, führt ihnen ein Kinderballet von Kellnern und
Kellnerinnen vor, und als diese Possen zu Ende sind,
verlangt er von ihnen, dass sie nun weinen sollen. Im
Nu verwandelt er eine Weinkanne „in einen grossen
Baldachin, Rosette sitzt unter demselben und hat einen
Dolch in der Brust", dazu sagt er, plötzlich einen seriösen
Ton anschlagend zu Heidenstern :
„Wisse, dass ich Bernardon bin, dem du deine Tochter ver-
sprochen hast, und eben darum, weil du dein Wort nicht erfüllet
und mich so betrügerischer Weise hintergangen hast, so habe ich
mich mit Vergnügen an dir und an deinem ganzen Hause durch
diesen blutigen Ausgang gerochen".
Den blutigen Ausgang braucht man jedoch, wie
gesagt, bei der Maschinenkomödie nicht zu befürchten.
Herr Seltenheim, durch Heidenstern gerufen, erscheint
und entpuppt sich als eine Art Oberzauberer. Er sagt
dem Heidenstern: nur weil er sein Wort gebrochen,
Verbot d. Bcmardoniade 1752. Abgang v. Wien 1753. 85
dem Bernardon, wie einst ihm selber „wegen der be-
wussten 2000 fl." habe er alle diese Verwirrungen ange-
stiftet. Aber mit der Ermordung der Rosette sei
Bernardon doch zu weit gegangen und solle dafür „auf
einem Scheiterhaufen lebendig verbrannt werden". So
wird denn Bernardon verbrannt — wirklich verbrannt,
mit aller Umständlichkeit, wie man arme Sünder justificirt.
Auch bekennt er seine Übelthaten. Als er dann kläglichst
im Feuer verschwunden ist, sind alle Umstehenden sehr
gerührt. Heidenstern beklagt, dass er ihn durch seinen
Wortbruch bezüglich der Rosette so weit gebracht habe,
und sogar der Liebhaber der Rosette versteigt sich zu
dem seltsam stilisirten Wunsche:
„Wie gerne wollte ich die Liebe des Bernardon durch die Hand
der Rosette befriedigt sehen, wenn sie mein Wunsch wieder zum
Leben zurückhelfen könnte".
Daraufhin klopft Seltenheim „mit dem Stabe auf
die Erde, sogleich verwandelt sich der Scheiterhaufen
in einen illuminirten Garten, in welchem Bernardon mit
Rosette sitzt. Bernardon führt Rosette hervor, küsst
Heidenstern die Hand" und überrascht allseitig durch
die höflichen Worte:
„Herr von Heidenstern, kein anderes Mittel war für mich übrig,
sie zu ihrem Versprechen zu bringen und mir meine geliebte Rosette
zu gestatten".
Herr von Heidenstern versichert ihn vergnügt, dass
er sie „von nun an, ohne Hinderniss ewig lieben könne"
und schliesst das Ganze mit der Moral:
„Wer hätte geglaubt, dass aus einem nicht gehaltenem Ver-
sprechen, oder daraus, wenn ein ehrlicher Mann sein Wort nicht
hält, solche Unglücksfälle entstehen könnten".
Der Erfolg dieses als Bernardoniade wie als Wiener
Localposse gleich typischen Stückes war ein sehr glück-
licher. Beweis dessen der wahrheitsgetreue Nürnberger
Theaterzettel von 1766 „diese Comödie hatte vor etlichen
Jahren in Wien, Pressburg, Prag und München das
Glück vielen Beyfall zu erhalten". Beweis dessen aber
auch die wenigen meist nur äusserlichen Modifikationen,
i
86 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
deren das Lustspiel bedurfte, um den gerade damals so
lebhaften Wandlungen des Geschmacks siegreich zu
widerstehen. So waren an die Stelle der alten, an die
Stegreif komödie erinnernden Namen Rosalba, Pandolpho
und Celio, die der Rosette, des Heidenstern und Ge-
nossen getreten. Ein Zauberer des alten Personen-Re-
gisters hatte sich in den Herrn Seltenheim verwandelt.
Während aber der Nürnberger Theaterzettel durch die
Ankündigung „Madame Theresina von Kurz wird mit
einer neuen italienischen Arie einen Beschluss machen"
dem ganzen ein mehr versöhnendes Ende bereitet, lässt
der spätere Wiener Druck über die Schluss-Empfindung
Rosettens ganz im Dunkeln.
Den 22. Februar 1752 wurde Monsieur S. Hebert,
bisher Theaterdirektor zu Haag in Holland, von dem
Grafen Durazzo aufgefordert, für Wien eine Truppe
französischer Schauspieler zusammen zu stellen. Trotz
der Entfernung ihres momentanen Aufenthaltes waren
die Mitglieder dieser Gesellschaft in kürzester Zeit in
der Residenz versammelt, ein Repertoire entworfen,
die Rollen vertheilt, die Proben gehalten und die Vor-
stellungen den 14. Mai in dem Theater nächst der Burg
mit „Comte Essex" von Th. Corneille und „L'Oracle"
von Saint Foix eröffnet. Das Repertoire der Truppe
bestand theils aus Tragödien, theils aus Komödien und
endlich aus jenen „Pieces fran^oises-italiennes", die ob-
wohl in französischer Sprache gegeben, doch zumeist
italienischen Ursprunges waren und mit Gesängen und
Tänzen „gezieret", gewissermassen ein Seitenstück zu
den deutschen „Maschinenkomödien a bildeten. Unter
diesen „Pieces francoises-italiennes" war auch „Belphegor,
Comedie-Ballet par Monsieur Le Grand. En trois actes a .
Der Inhalt dieses trefflichen Zeitbildes von M. A.
Legrand, dem bekannten französischen Schauspieler und
Lustspieldichter, wie es in Wien dargestellt und bei
J. P. van Ghelen 1752, als Libretto, gedruckt wurde,
ist dieser:
Verbot d. Bernardoniade 1752. Abgang v. Wien 1753. 87
Der Landmann Trivelin liebt Colette. Diese aber
will heute den Jacquet heirathen, während sie den Trivelin
damit tröstet:
„Eine Zigeunerin hat mir prophezeit: mein Mann werde sterben,
und diesem Unglücke wollte ich dich nicht aussetzen. Dich heirathe
ich dann in zweiter Ehe".
Trivelin mit dieser Vorsichtsmassregel jedoch keines-
wegs einverstanden ruft:
„Ich 'glaube, ich wollte mich gerne dem Teufel verschreiben, um
diese Heirath zu hindern".
Da taucht auch schon der Teufel Belphegor, in der
Gestalt des schutzflehenden Rodric, neben ihm auf. Wenn
Trivelin ihn vor seinen Verfolgern verberge, wolle er
ihm die Colette zur Frau geben.
„Fürchte dich nicht", so sagt er, „ich bin kein bösartiger Dämon;
ich heisse Belphegor. Vor zehn Jahren hat mich Pluto aus der Hölle
zur Erde geschickt, um durch mich selbst zu erfahren, ob alle Ehe-
männer« die sich über ihre Frauen beklagen, recht haben".
Unter dem Namen Rodric ist Belphegor mit einer
gewissen wegen ihrer Tugenden berühmten Madame
Honesta als Gattin so übel gefahren, dass er selbst wegen
seiner Leiden als Ehemann berühmt wurde. Sogar zu
Trivelin ist dieser jammervolle Ruhm gedrungen. Trivelin
rettet den Rodric-Belphegor vor den von einem hartherzigen
Gläubiger ausgesandten Verfolgern und zum Dank dafür
schickt Belphegor, der zwar seine Schulden nicht «zahlen
kann, aber über die Elemente gebietet, alsbald ein ge-
waltiges Unwetter über die Hochzeitsgäste, das so lange
dauert, bis Colette unter allerlei pikanten Gesängen den
Trivelin anstatt des Jacquet freit. Dies alles infolge
jener naiven Logik der Comedie-Ballets, nach welcher
die Bewohner des Geisterreiches aller Welt zu helfen
vermögen, nur nicht — sich selber.
Der zweite Akt spielt in der Hölle, wo Pluto die
Rückkehr Belphegors erwartet, um dann gegen die Frauen,
mit welchen ihre Männer unzufrieden sind, ein besonderes
Höllendekret zu erlassen. Statt des Belphegor erscheint
dessen menschlicher Diener, Arlequin, der durch einen
88 JOHANN JOSEPH FELIX VON KÜRZ.
ganz besonderen Witz den Höllenwächter überlistet hat.
Da er nämlich von der „verliebten Complexion a des
Cerberus gehört, nahm er seine kleine Hündin „verliebt
wie eine Katze* mit und schickte sie vor sich her.
Während nun Cerberus durch seine Galanterie gegen die
Kleine gefesselt ward, schlüpfte er selber rasch in den
Orkus, was alles Arlequin, nach Anweisung des Buches,
mimisch darzustellen hatte. Stärkeres bot, um gerecht
zu sein, wohl auch die Bernardoniade nicht. Arlequin
berichtet nun über Belphegors zehnjährige Ehe und er-
bittet für seinen Herrn die Erlaubniss, am letzten Tage
seiner unglücklichen Erdenlautbahn sich unsichtbar machen
zu dürfen. Proserpina intervenirt zu Gunsten der be-
drohten Ehefrauen, findet indessen selber Wohlgefallen
an Arlequin und unterhält diesen für seine Scherze mit
einem grossen satirischen Schattenspiele, einem von ver-
schiedenartigen Schatten der Unterwelt aufgeführten
Zwischenspiele, — eine treffende Illustration ihres soeben
für die Frauen gehaltenen Plaidoyers.
Der dritte Akt spielt auf einem Ballfeste des reichen
Turcaret, der als Gläubiger Belphegors diesen so hart-
herzig verfolgt hat. Arlequin bringt, auf einem Ungeheuer
daherreitend, seinem Herrn den höllischen Permiss zur
Unsichtbarkeit, worauf Belphegor in Turcarets Körper
fährt und ihn zu fortwährendem Singen nöthigt. In der
Art der Bauchredner giebt der höllische Gast durch den
Mund des Turcaret kund, dass er diesen Körper nur ver-
lassen werde, wenn Madame Turcaret an Trivelin 100.000
Thaler zahle. Trivelin giebt Proben seiner Wunderkraft,
und, nachdem Madame Turcaret sich zur Zahlung bequemt
hat, zaubert er den Teufel aus Turcarets Körper in den
eines Polizeisergeanten. Da er aber für diese Verletzung
der Obrigkeit eingesperrt werden soll, bemüht er sich
den Teufel aus dem Sergeanten wieder herauszubringen,
jedoch vergeblich. Belphegor glaubt seiner Dankbarkeit
gegen Trivelin genug gethan zu haben, und kündigt
ihm den Gehorsam, indem er von dem Sergeanten nicht
Verbot d. Bemardoniade 175-. Abgang v. Wien 1753. 89
weichen will. Da schreit Trivelin endlich in seiner Todes-
angst :
„Her Belphe'gor, Eure Frau kommt Euch zu suchen".
Das wirkt. Erschreckt fährt Belphegor zur Hölle.
Der Beifall, den diese „Piece francoise-italienne" fand,
war es nicht allein, was Kurz bewog, sie in seiner Weise
zu bearbeiten. Ein Nürnberger Theaterzettel von 1766
meldet in dieser Beziehung:
„Dieses Lustspiel ist von unserem Bernardon aus der französischen
Comödie „Le diable marie" *) genannt, auf Anleitung einer gelehrten
Feder und nach dem deutschen Geschmack in das Lächerliche ein-
gctheilet worden ; weilen nach dem Originale ein und andere Scene
im Deutschen nicht gar angenehm ausgefallen, so hat er sich be-
mühet, diese Stellen zu verdecken und statt derselben das Lächerliche
zu erwählen".
Der Titel dieser Bearbeitung, die verloren gegangen
zu sein scheint, war nach derselben Quelle: „Le diable
marie", oder: Pelphegor, der verheyrathete Teufel mit
Bernardon, dem Ambassadeur in das unterirdische Reich".
Auch bringt eben jener Nürnberger Theaterzettel fol-
gendes Argument:
„Der französische Autor fingiret, dass Pelphegor als ein unter-
irdischer Geist, auf Befehl der Göttin Proserpina, auf die Oberwelt
hätte kommen müssen, sich allda zu verheyrathen, um zu erfahren,
ob das Gerüchte, dass so viele schlimme Frauen in der Welt wären,
wahr seye. Dieses ist der Stoff zu diesem Lustspiele, und da der
Impresarius sich bemühet, die Rollen nach eines jeden Charakter
einzuteilen, so wird Madame Theresina die Personage der Rosalba
agiren. Auch werden einige Arien und Veränderungen zum Vorschein
kommen; ingleichen nebst andern Verwandlungen eine ganze Hölle
sich zeigen".
Demnach dürfte die Bearbeitung des Kurz dem
Originale des Le Grand sich so ziemlich anbequemt
haben, nur mit Erweiterung der Rolle des Arlequin, den
nun Bernardon selbst in seiner „tumpen" Manier spielte,
und jener der Colette, welche später (1766) unter dem
Namen Rosalba Madame „Theresina Kurz" übernahm.
J ) Im Original steht überall „marie" statt marie.
QO JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
i
Das französische Schauspiel drängte die „Teutsche
Comödie" alsbald empfindlich in den Hintergrund.
\J F. W. Weiskern entfaltete ihm gegenüber eine wahrhaft
aufreibende Thätigkeit. Er brachte in Einem Jahre
(1752 — 1753) nicht weniger als siebenunddreissig Novi-
täten und unter diesen — sehr gegen seinen Geschmack —
eine erfreuliche Menge regelmässiger Stücke ; darunter
wieder drei deutsche originale Trauerspiele, nämlich
neben der bereits erwähnten „Banise" von Grimm,
die „Octavia" von Cammerer und die „Araxane" von
Baron von Trenck. Ausserdem gab er Übersetzungen
von P. Metastasio, A. Zeno, und C. Goldoni, sowie von
de Boissy, Bergerac, Destouches, Madame de Graffigny
und Marivaux — alles vergebens. Die Besuche des
Kaisers und der Kaiserin in dem Stadttheater wurden,
dem Wiener Diarium nach, immer seltener und hörten
endlich ganz auf. Dem Beispiele des Hofes folgte die
ganze Noblesse. Alle Welt strömte in das Theater nächst
der Burg, später nach den kaiserlichen Lustschlössern
Schönbrunn und Laxenburg, wohin die Franzosen eben-
falls befohlen wurden.
Da wollte die Leitung der „Teutschen Comödie"
etwas langsam, aber dennoch zu der Überzeugung ge-
kommen sein, dass die regelmässigen Stücke mehr ein-
trügen als die Burleske und die Maschinenkomödie. Dies
und die bekannte Abneigung der Kaiserin gegen die .
Bernardoniade legte der Direktion den Gedanken nahe,
den bereits einmal von Selliers gemachten Versuch zu
wiederholen, dem einheimischen regelmässigen Drama
von Aussen neue Kräfte zuzuführen. Hatte sie damals
nur die ersten Mitglieder der Neuber'schen Truppe be-
rufen, so verfiel sie diesmal auf die Idee: die berühmte
Prinzipalin selber zu einem Gastspiele zu laden, das im
nächsten Jahre absolvirt werden sollte.
Als Joseph Kurz von diesem neuen Attentate auf
seine Domäne, die Stegreifkomödie, hörte, löste er sein bis-
heriges Engagement mit dem Ende der Saison 1752 — 1753
Kurz in Prag 1753; wieder in Wien 1754. Gelsen Insul. gl
und verliess Wien ein zweites Mal. Mit ihm gingen
seine Frau Franziska, sein Schwager Friedrich Wilhelm
Elenzon und seine Schwester Monika Elenzon vom Wiener
Stadttheater ab.
VII.
Kurz in Prag 1753. Die Neuber in Wien.
Kurz wieder in Wien 1754:, „Gelsen Insul".
[ohin Joseph Kurz und seine Umgebung am
22. April 1753 von Wien aus unmittelbar sich
gewendet, ist schwer zu sagen. Die Version:
sie hätten sich vorerst der damals in Dresden agirenden
Gesellschaft des Heinrich Gottfried Koch angeschlossen,
klingt sehr unwahrscheinlich. Einerseits dürfte der Steg-
reifkomödiant Kurz auf seiner Flucht vor der Neuber
sich kaum dem Apostel des regelmässigen Dramas, Koch,
in die Arme geworfen haben. Andererseits aber war
die Stellung der beiden Männer, die sie während ihres
kurzen Zusammenwirkens am Wiener Stadttheater zu
einander eingenommen hatten, keineswegs eine solche,
die erwarten Hess, Kurz würde von Koch allzufreundlich
empfangen werden. Auch *" trug sich jener bei seinem
dermaligen zweiten Abschiede von Wien sicher schon
mit dem weitgediehenen Plane zu einer eigenen Impresa.
Die Realisirung dieses Planes vorzubereiten, schien jedoch
kaum ein Land und ein Ort geeigneter als Böhmen,
hauptsächlich aber Prag, das Kurz von seinen Lehrjahren
und von seinen Wanderzügen in der Truppe des alten
„Felix* her so wohl kannte; dort unterhielt er noch so
manche Verbindung die ihm bei seinem gegenwärtigen
Vorhaben trefflich zu statten kam. Bezeichnend für
diesen seinen Entschluss und die Anbahnung von dessen
Ausführung war es, dass Joseph Kurz sich schon bei der
Taufe seines letzten Sohnes am 3. Februar 1753, zu dessen
92 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ
Pathen er den Fürsten Franz Udalricus Kynsky gebeten
hatte, und der nach diesem die Namen : Franz Udalrich
Heinrich Blasius erhielt, im Taufbuch als „K. K. Acteur
und Pragerischer Theater - Impresario a eintragen Hess.
Dass Kurz sich in diesem Jahre wirklich nach Böhmen
gewandt, ist gewiss. Es bleibt nur die Frage offen:
ob er es direkt, oder, wie Einige wollen, über Dresden
gethan habe, um dort unter den Missvergnügten der
Koch'schen Gesellschaft für seine Truppe zu werben.
Das „goldne Prag a erwfes sich zu allen Zeiten als
eine sehr kunstsinnige Stadt. Vor allen aber liebte es
das Theater. Selbst die endlosen Wirren des deutschen
Krieges konnten seinen der dramatischen Muse so freund-
lichen Sinn nicht beirren. Im Gegentheile, es schien als
ginge die so friedliche Kunst unter der Bluttaufe dieser
wild bewegten Tage für die Metropole Böhmens nur
mit erneuerter Anziehungskraft und in reicherer Blüthe
hervor. Lange Zeit hatte mehr als eine Gemeinde, mehr
als ein Bürgerhaus den wandernden Truppen für ihre
etwas bunten Vorstellungen ein, wenn auch bescheidenes,
Asyl geboten, während die grossen Festräume auf dem
Hradschin und das schöne Theater des Grafen Spork
der anspruchsvolleren Oper zum glänzenden Schauplatze
dienten.
Das Bedürfniss einer stabilen Bühne machte sich
unterdessen immer fühlbarer. Da beschloss endlich im
Jahre 1737 — also fast dreissig Jahre nach dem Ent-
stehen des Wiener Stadttheaters beim Kärntnerthor —
der Magistrat der Altstadt Prag „auf oftmaliges Insis-
tiren und en faveur der allhiesigen Noblesse und des
ganzen publici civitatis" die Sache selbst in die Hand
zu nehmen und auf Gemeindekosten ein neues stabiles
Theater in den sogenannten „Kotzen" neben dem
St. Gallikloster, ehemals einer Art Bazar, zu erbauen.
Der Bauaufwand betrug die selbst für jene Tage nicht
allzu bedeutende Summe von 15.000 Gulden. Die Bühne
war hauptsächlich für Opernaufführungen bestimmt und
Kurz in Prag 1753; wieder in Wien 1754« Gelsen Insul. 93
wurde lange mit Vorliebe „ Opera-Haus u genannt;
doch erhielten allmälig auch Schauspieler besserer Art
die Erlaubniss darin zu spielen. Die im Kotzentheater
agirende Truppe galt immer als die Haupt-Truppe von
Prag, und die Altstadt machte alle möglichen Anstreng-
ungen diesem ihrem Theater ein ausschliessliches Privile-
gium zu erwerben. Aber auch ohne dies Privilegium
wusste das Kotzentheater den ersten Rang unter den
Prager theatralischen Schauplätzen, wie dem „Manhardt-
schen Haus a und dem „Goldnen Stern u zu bewahren.
Da seine Direktion stets im Pachtverhältnisse zu der
Altstädter Stadtgemeinde stand, musste die Bühne auch
fortgesetzt einen gewissen besseren künstlerischen Charakter
zeigen. Sie war der besonderen Rücksicht der Staats-
behörde um so sicherer, als sie thatsächlich lange die
einzige stabile Bühne in Prag blieb.
Dieses Theater hatte Giovanni Battista Locatelli,
ein welscher Impresario, schon in der Wintersaison von
1748 vorerst für seine r italienischen musikalischen Opern"
gemiethet. Doch noch vor Ende der „Stagione" suchte
er bei dem „Gubernium" darum an: dass ihm sein Privile-
gium auch auf die „Teutsche Comödie a ausgedehnt und
für Prag zum ausschliesslichen erklärt werden möge.
Beides wurde ihm von der Regierung zugestanden. Nun
suchte er sich durch ein befriedigendes Einvernehmen mit
der Altstädter Stadtgemeinde des Kotzentheaters unter
günstigen Bedingungen auch weiterhin zu versichern.
Ein hierauf zielender Vertrag enthält unter anderen
folgende Bedingungen.
„ . . . Dannenhero Eingang Erwehnt löbl. Würthschafts- Admini-
stration elociret Ihme Locatelli sothanes gegen den Alten Gericht
Situirte gemeind Operahauss, umb womit derselbe alldorten sein
productiones Vorzeigen Könne sambt den darin befflndl. logen,
Parterren und Caftelaaden, und wird demnach Selbter vom 6. April
Künftigen I750ten Jahrs, Er mag mittelst dieser Ziel Viel oder wenig
oder auch gar Keine operen produciren, Sechshundert gülden in
viertljähr. ratis, dann wochentl. 30 kr. Pflastergeld beedes immer-
hin antieipato dem Hr. Jos. Wentzl Kluss, allhiesig Sechsherrn- und
94 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
Brücken- Amtmann gegen genugsamber quiltung zu zahlen haben;
infall aber intermedie einige comedianten nacher Prag Kommeten
und in diesem theatro spielen wolten, so solle dieser Comedianten-
Principal sich sowohl mit Ihme Locatelli zu verabfinden als auch
der löbl. Wttrthsch. Administration sich hievor anzumelden gehalten
seyn".
„2do Verbleibet gleichwie vorhin und anbey allezeit gewöhnl.
die Magistratualloge frey, dergestalten, dass Hr. Conducent für jede
production so Viel deren gespielt werden, fünf Franco Billieter für
die Altstädter Herren Raths Glieder und respective Administra-
tors abzugeben haben und mit denen selben Entweder in sothane
Loge oder aber in das orguester ohne Einigen leggeld zu gehen
freystehen wirdt, welche franco billieter auch wenn Ein Subelocator
sich hervor thuen solte, zu verstehen seyn".
Weder das „Gubernium" noch die Altstädter Gemeinde
hatte ihr dem Locatelli gegenüber bewiesenes Entgegen-
kommen zu bereuen. Locatelli bot der „hohen Noblesse"
von Prag Opern und Oratorien, die durch die Berühmt-
heit ihrer Compositeure, durch die brillanten Leistungen
der in ihnen beschäftigten Sänger und Sängerinnen, sowie
durch ihre glänzende Ausstattung an die damals so sehr
bewunderten Abende des Dresdner Hoftheaters erinnerten.
Hin und wieder tauchten an dem finanziellen Horizonte
Locatellis allerdings leichte Wolken auf. Doch da die-
selben zumeist nur dem Bestreben des Impresario, seinem
Publikum das Beste zu bieten, ihr Entstehen verdankten,
so zerstreuten sie sich meist rasch wieder. Der Contrakt
Locatellis, kaum abgelaufen, wurde wieder erneuert. So
auch am 6. April 1753, wo er um 3 Jahre, bis zum
6. April 1756, verlängert wurde.
Auf dieser Contrakts - Verlängerung ruhte eine
jener kleinen finanziellen Wolken in Form eines Zins-
rückstandes. Die Verflüchtigung derselben durch einen
neuen Abzahlungsmodus an eine Art Sequester lässt
ganz plötzlich als Subelocator des Locatelli den Prinzipal
Joseph Kurz erscheinen, „dem an denen Tagen wo keine
opern gespiehlet werden, die teutsche Comedien zu produ-
ciren gestattet worden sey a . Seit wann ihm dieses ge-
stattet worden sei, ist nirgends klar gesagt. Doch findet
Kurz in Prag 1753; wieder in Wien 1754 Gelsen Insul. 95
sich die zwischen Locatelli und Joseph Kurz getroffene
Vereinbarung im Anhange an einen wahrscheinlich in
den Tagen der Wiener Censuredikte abgeschlossenen,
jedoch verloren gegangenen Haupt- Contrakt durch fol-
gende Urkunde erläutert:
„Ich Endesunterschriebener Urkunde und bekenne hiemit und in
Kraft gegenwärtigen Obligo allerorthen insonderheit aber da wo
Vonnöthen: Demnach innhalt Einer in Hocher Gegenwarth und auf
Vermittlung Sr. Exe. des Hoch- und Wohlgeb. Hrn. Hrn. Frantz
Joseph Grafen Von Pachta Entzwischen mir Impresario deren Teut-
schen Comedien Eines und den Hrn. Joh. Baptist Locatelli allhiesigen
theatral Impresario und Conductore des Prager Altstädter Kotzen
Theatri änderten Theils unterm 7. laufenden Monats und Jahrs ge-
troffenen und zu Papier gebrachten Verabredung und Appunctation
et ejus g 5ti gleichbcmelten Hr. Locatelli oder denen Von Ihme
Bestellten nach meiner zurückkunft aus dem Koliner Campament für
jeden Tag oder abend dass auf sothanen Theatro eine Comedie auf-
führen werde, zwey Species-Ducaten zu zahlen gehalten bin, und nun
Locatelli dieses meiner Seiths für jede Piece Ihnen zu entrichten habende
quantum Einer löbl. Wurth-Administration in deconto des de praeterito
schuldig Verbliebenen Zinsses assigniret und endiret hat. Dass ver-
obligire und Verpflichte mich Hiemit rementionirte Zwey Species-
Ducaten Von jeder producirenden Comedi sogleich gegen hinlängl.
Quittung dem Hr. Thomas Matzura als diesfällig zu handen der löbl.
Altst. Gemeinde bestelten Eincassirer bahr und richtig ohne einiger
, Widerrede immerhin punctual abzuführen. Denen zu Urkunde ist
meine Endesgestelte Fertigung
So geschehen Prag den 17. July 1753.
Joseph Kurtz
Impresario von der Teutschen Comoedie."
Franz Joseph Graf von Pachta war Präses der Kais.
Königl. Ober-Direktion über sämmtliche Spektakel im
Königreiche Böhmen.
Es war am Ende Juli als die in diesem Königreiche
einquartirten Regimenter sich in Bewegung setzten um,
wie alljährlich, das bei Kolin ausgesteckte Lager zu
beziehen. Diese Truppen-Koncentrirungen boten stets
ein ausserordentlich farbenreiches Bild militärischen Lebens.
Nicht selten vereinigten sie in ihrem Rahmen das Hof-
lager mit dem Heerlager. Eine erlesene Schaar fremder
Gäste bildete ihre Staffage. Das Hauptquartier befand sich
96 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
auch diesmal, wie so oft, in dem dem Karl Grafen von
Battyan gehörigen Schlosse Neuhof. Hier, wo zwei Jahre
vorher von der Locatellischen Truppe vor Maria Theresia
und Franz I. „Zenobia a gegeben worden war, hatte
Joseph Kurz, wohl auf Anregung seines Gönners, des
Grafen Pachta, und mit Bewilligung des Feldzeugmeisters
und in Böhmen commandirenden Generales Ulisses Maxi-
milian Grafen von Brown eine kleine Bühne für geladene
Besucher errichtet und eine für die Dauer der Koncentrirung
berechnete „Impresa entrirt". Repertoire und Personale
dieser Impresa haben sich nicht erhalten. Mit Ende
August verliessen die bei Kolin concentrirt gewesenen
Regimenter das Lager und bezogen wieder ihre Stand-
quartiere.
Mit ihnen verliess auch Joseph Kurz Neuhof, um
„an denen Tagen, wo keine opern gespiehlet werden,
im Kotzen-Theater die teutsche Comedien zu produ-
ciren a . Als Se. königliche Hoheit der Herzog Karl von
Lothringen, der Bruder des Kaisers und General-Gou-
verneur der österreichischen Niederlande, Prag passirte,
„haben sich derselbe am 20. September 1753 in das in
der Königl. Alfstadt an die sogenannten Kotzen ange-
baute Comödien-Haus verfüget um alda einer aufgeführten
Teutschen Comödie beygewohnt". Eine weitere Nach-
richt über diese Impresa des Joseph Kurz findet sich
nicht.
Indessen war in Wien der Versuch mit der Caroline
Neuber gemacht worden und — misslungen. Die in
Deutschland so sehr gefeierte Künstlerin war als „Ver-
treterin der gereinigten Bühne" nur in regelmässigen,
ernsten Stücken aufgetreten. Sie debütirte am Samstag
den 5. Mai 1753 in „Sancio und Sinilde a , einem,
nach der bekannten Oper von Ulrich von König, durch
H. G. Koch ^n Verse gebrachten Trauerspiele. Im
Gegenzatze zu dem übrigen Deutschland, scheinen
die Erwartungen, die man in Wiener theatralischen Kreisen
an die Erscheinung der Neuber knüpfte, keine allzuhohen
Kurz in Prag 1753; wieder in Wien 1754- Gelsen Insul. g^
gewesen zu sein. Der erste Abend erzielte nur einen
Tageskassen-Rapport von 280 Gulden. Aber auch diese
so massigen Erwartungen wurden nicht erfüllt. Die Ein-
nahme sank schon bei dem vierten Debüt, obwohl „Sancio
und Sinilde" für Wien eine Novität war, auf 111 Gulden,
also weit unter die Durchschnittseinnahmen jener Tage.
Es folgten noch Racine's „Iphigenia" in der Übersetzung
von Gottsched, Corneille's „Cinna a in der Übersetzung
von Führer und andere Stücke, ohne dass sich das Inter-
esse an den Darstellungen der Neuber merklich steigerte.
Dies scheint begreiflich, denn die nun sechsundfünfzig-
jährige Frau spielte Rollen, worin sie vor zwei Dezennien
mit Beifall aufgetreten war, die sie aber seitdem in Folge
anstrengender Directionsgeschäfte nicht mehr gegeben
hatte.
Diesem äusserlichen Misserfolge entspricht auch der
Bericht, den Herr von Scheybe, der bekannte Gelehrte
und Dichter einer „Theresiade", in einem Briefe an
J. Ch. Gottsched, diesem, über das Gastpiel der Neuber
erstattete :
„Die Frau Neuberin ist", so schreibt von Scheybe, „von Frankfurt
berufen worden 1 ) und als sie auftrat, so nahm man zwar eine ver-
nünftige Actrice wahr,' allein ihre Stimme war so schwach, dass man
sie fast nicht verstund. Ein andermahl schreye ßle und polterte über
die massen, dass sich die Stimme überschlug. Dann will sie sich
im Aufputz nicht nach Wien richten. Sie kam als Königin, nescio
qualis, wie eine neapolitanische aufgeputzte Princessin zum Vorschein.
Ihr Kopf sah dem Kamme eines Schlittenpferdes gleich".
Einen Lichtblick in dem Gastspiele der Neuber bot
der Samstag am 18. Oktober 1753, an dem sie auch als
Dichterin vor dem Publikum erschien. Mari gab „Das
Schäferfest, oder: Die Herbstfreude" ein Lustspiel in
fünf Akten und in Versen, eine von sententiöser Moral
triefende Idylle. Der Andrang der Zuschauer war ein
*) Die Neuberin war damals nicht dauernd in Frankfurt thätig,
sie gab auf der Durchreise nach Wien nur ein paar Gastrollen bei der
Schuchischen Gesellschaft.
9 Ö jOliAtflSf JOSEPH FELIX VON KÜkZ.
sehr lebhafter, der Tageskassen-Rapport wies eine Ein-
nahme von 442 Gulden aus, eine der höchstmöglichen
Tageseinnahmen von damals. Allerdings war der 18. Ok-
tober der Theresientag, an dem es zum Kultus des loyalen
Alt- Wieners gehörte, das Theater zu besuchen. Dort
wurde der Kaiserin meist eine Ovation gebracht, an der
alle Welt sich betheiligen wollte, wie denn auch das
Schäferspiel in einer huldigenden Allegorie endete. Doch
erhielten sich auch bei den Wiederholungen desselben
am 19. und 27. Oktober die Tageseinnahmen über dem
Niveau des Gewöhnlichen. Noch trat die Künstlerin im
November unter peinlicher Theilnahmlosigkeit des Publi-
kums ein letztes Mal als Iphigenia auf und verlangte
dann verstimmt ihren Abschied, der ihr auch bewilligt
wurde. Sie*ging am 15. Februar 1754 von Wien ab.
Das theatralische Intermezzo des Neuber'schen Gast-
spieles scheint dem Joseph Kurz neues Vertrauen in die
Zukunft der Bernardoniade auf der Wiener Bühne ein-
geflösst zu haben. Er traf schon im Juni 1754 abermals
in seiner Vaterstadt ein. Mit ihm finden sich auch seine
Frau Franziska, sein Schwager F. W. Elenzon und seine
Schwester Monika Elenzon wieder in den Kassenbüchern.
Die in denselben begegnende Bemerkung: »Die Elenzon
erhielten als Reisegeld von Prag bis Wien 24fl. a regt die
Vermuthung an, dass die erste selbständige Impresa für
Kurz und Genossen keine allzu glänzenden Resultate
gehabt habe.
Noch im Sommer 1754 debütirte Joseph Kurz mit
einer neuen Posse, die das Repertoire des Theätres de
la ville de Vienne als „LIsle des Moucherons, farce allem,
ornie de Machines, entremilie de Chansons et suivie du Maitre
d'Ecole, Pantomime du Sr. Kurt%, repris. par des Enfans"
bezeichnet. Ein Nürnberger Theaterzettel vom Jahre
1766 bringt den deutschen Titel: »Die Gelsen-Insul,
oder : die Spazen-Zauberey und Bernardon der verrückte
Regens Chori a . Es haben sich von dieser »grossen
Maschinen Flug und Verwandlungs-Comödie" nur die
Kurz in Prag 1753; wieder in Wien 1754« Gelsen Insul. <#
„Nachricht" und die Arien erhalten. Die Erstere mag
hier ganz, von den Letzteren mögen nur die meist
charakteristischen eine Stelle finden :
Nachricht.
Das Theater stellet einen Wald vor, im Prospect siehet man ein
fliessendes Wasser, aus welchem ein Felsen hervorraget: Bernardon
wird von Odoardo condemniret, auf diesen Felsen gebracht zu werden,
um allda wegen vorgehender Kupplerey elendig Hunger und Durst
zu sterben. Bernardon so sich von der ganzen Welt verlassen siehet,
beklaget in einer Arie seinen bevorstehenden Tod:
Arie:
Die Braut zu vergessen,
Von Fliegen gefressen
So elend verderben
Und Hunger zu sterben
Das ist ja a Graus.
Ich kann nicht verwehren
Das Stechen (Tscha) und Scheren (Tschi)
Der Wepsen (Tscha) und Mucken (Tschi)
Der Gelsen (Tscha) und Fliegen (Tschi)
Hier hilft auch kein Tücken
Ich kann keine kriegen
Es ist mit mir aus.
Unter dieser Zeit erhebet sich der Felsen mit dem Bernardon.
Es kommt eine Zauberin, welche zu Bernardons Hülfe ihme einen
metamorphosirten "Spazen giebet, durch welche Kraft er sich nicht
allein von dem Felsen befreuen, sondern auch an seinen Feinden sich
rächen könne. Bernardon probiret die Kraft des Spazens, der Felsen
verschwindet und Bernardon fliehet auf einer Schwanen davon. Fiametta
beklaget in einer Arie den Verlust ihres Bernardons:
% Arie :
Mich nimmt ein banger Schmertz um's ganze Hertzerl ein,
Wo wird mein lieber Schatz mein Bernardonerl seyn?
Ach soll ich dich mein Kind, mein Leben nicht mehr sehn
So war es ebenfalls mit mir zugleich geschehn.
Ja kommst du mir nicht mehr zurück,
So leb ich keinen Augenblick,
Ich muss mit dir verderben,
Ich muss mit dir gleich sterben. <
Bernardon erscheint als französischer Petit-Maitre und singet eine
französische Arie :
100 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
Arie:
Suivons l'amour, c'est Lui qui nous mene,
II faut sentire, son aimable ardeur,
Un peu d'amour, nous fait moins de peine,
Que l'embaras de garder Notre honeur.
L'autre jour j'entendis Fiamene
Qui disait du profond de son Coeur;
Qu'un peu d'amour, Lui ferait moins de peine
Que l'embaras, de garder Son honeur.
Nach der Zeit erkennt Fiametta ihren todvermeinten Bernardon,
dieser entdecket seine Zauberkraft und ermuntert Fiametta zu gleicher
Rache.
Odoardo, Pandolpho und Anselmo wollen sich mit einer Jagd er-
lustigen. Fiametta kommt unter Schreien und verbirgt sich zwischen
einen Felsen. Es zeiget sich eine grünbelaubte Jagd h litte, in welcher
Bernardon als verstellter Baron von Erdzeisel, mit seinen Forstmeistern
und andern Jagern zu sehen ist. Bernardon lobet unter einer Jagd-
Arie die Vergnügungen der Jagd.
Nach der Zeit wird Fiametta von den Jägern unter der Gestalt
eines Grassermädels, welche Gras gestohlen, unter einer Arie vor
Bernardon gebracht.
Arie.
Ach Ihr Gnaden unverholen,
Excellenzen, schöner Herr!
Hab* a Pinkerl Gras gestohlen,
Thu's mein Leb-Tag nimmermehr,
Will's ja gerne wiedergeben,
Schenkt mir nur mein junges Leben,
Pfänd's mich nicht und la^t mich gehn,
Ey ich bitt euch ja recht schön.
Hier folget eine lustige Scene, wo die drey Alten übec einen
Hirschen das Waidmesser bekommen, und der erste Actus wird auf
eine lächerliche Art geschlossen.
Im zweyten Actus singt Bernardon als Nachtwächter eine lustige
Arie.
Arie :
Hertzliebes Schatzerl, ich» muss dir's halt sagen
Mein Herzerl thut mir entsetzlich rinn schlagen
Kan's nimmer bergen, ich hab ja ka Ruh,
Schatzerl, ich bitt dich, geh' schau a mal zu.
Wann ich bey dir. bin, so seynd unser zwey
Wann ich von dir bin, so bleib ich dir treu,
Leg ich mich schlafen, da bin ich allein
Ha, magst dann nicht a mal bey mir a seyn?
/'
Kurz in Prag 1753; wieder in Wien 1754- Gelsen Insul. 101
Nam dich zur Wachterin mit Freuden gleich an
Du wärst mein Weiberl und ich war dein Mann,
Schenk dir a Gwandel und schenk dir a Haus,
Geh! sey mein Wachtrin und schrey mit mir aus.
Aus eins ist zwey worn, aus zwey aber drey
In 5. 6. Jährl ist's Tuzend darbey.
Bernardon zeiget sich als Regens-Chori dem Odoardo, welchen
er in seine Schule bringet. Hier folget eine extralustige Pantomime
von des Bernardons Schulkindern unter Singen und Tanzen. Fiametta
mischet sich gleichfalls als ein Schulkind unter einer Arie in diese
Pantomime.
Duo:
Fiam: Hier steh ich arme Katz
Und wart auf meinen Schatz
Sie rafft zu dir.
Ach komme doch zu mir
Mein Schatzerl liebe mich
Dein Kätzlein wart auf dich
Sie schreit Miau
Ach nihm sie doch zur Frau.
Ber: Ich schleiche schon daher
Mein Schatz auf dein Begehr
Du schöner Schatz
Du allerliebste Katz
Mein Katzerl bleibe mein
Lass mich dein Liebster seyn.
Fiam: Ach ja Miau
Ber: So bist du meine Frau.
Und ein Chor, wobey Odoardo von denen Kindern fortgeprügelt
wird, machet den Schluss des zweyten Actus.
Im dritten Actus curiret Bernardon als Medicus, die sich krank
stellenden zwey Fräulein des Odoardo. Endlich werden die drey
Alten auf lächerliche Art eingesperret, in so lange bis sie in die
Heyrath derer Fräulein mit ihren Liebhabern und des Bernardons
mit Fiametta willigen. ,
Die harmlose „ Gelsen Insul a hatte einen ungewöhn-
lichen Erfolg und musste in derselben Saison mehr als
zwanzigmal gegeben werden. In ihrer endlichen Lösung
der Intrigue lehnt sie sich ziemlich unbefangen an „die
lustige Judenhochzeit a an, indem hier wie dort die der
allgemeinen Verheirathung widerstrebenden Elemente
durch Vermittlung eines unwiderstehlichen Zaubers in
1
102 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
eine Hühnersteige gebannt werden, bis sie ihre Einwilligung
geben. Das Stück bildet ein Beispiel von dem, was
Kurz und seine Verehrer ein treffliches Lustspiel nannten
und war in den Hauptpartien, dem Bernardon, der Fiametta
und dem Odoardo mit Kurz, der Elenzon und dem Weiskern
besetzt. In dem Kinderchore und in der Pantomime fand
sich die Familie des Joseph Kurz durch die neunjährige
Eleonora, den achtjährigen Joseph und die siebenjährige
Antonia vertreten. Ohne Zweifel waren die drei Kinder
schon in der Zeit der Koliner und Prager Impresa zur
Verstärkung der Gesellschaft herangezogen worden. Eleo-
nora, vor Allen gewandt und anmuthig, erscheint schon
in den Kassenbüchern des Wiener Stadttheaters von
selbem Jahre mit dem für jene Tage nicht unbedeutenden
Gehalte von 12 Gulden monatlich als Tänzerin engagirt.
Die kleinere Antonia distinguirte sich als Colombine der
Kindervorstellungen durch Charakterdarstellungen und
Liedervorträge.
Im Herbste des Jahres 1754 brachte das Wiener
Stadttheater nach dem Repertoire des Theätres de la
ville de Vienne noch: „Bernardon ressusciti, Ambigu Comique,
du Sr. Kurt^, orni dt Machines, enlremlli de chansons et
accompagni de deux Pantomimes, repris. par des Enfans", oder
nach dem Libretto:' „Neue Arien, welche in der Komödie
gesungen werden, betitult: „Der aufs neue begeisterte
und belebte Bernardon, nebst zweyen pantomimischen
Kinder-Balletten".
Gleich wie in der „Gelsen-Insul a scheint Bernardon
auch hier der Protektor einer von Odoardo verbotenen
Liebe zwischen dessen Tochter Dorinde und dem Leander
gewesen zu sein. Nach den Arien, die sich allein er-
halten haben, beginnt das „ Ambigu u mit einem „Duetto a
zwischen Bernardon und Rosalba. „Bernardon, welcher
von Odoardo erschossen worden, liget tod auf dem
Theatro, Rosalba, seine Amantin, beweinet ihren er-
blichenen Bräutigam, und fangt auf folgende Art an zu
singen :"
Kurz in Prag 1753; wieder in Wien 1754- Gelsen Insul. 103
Ros. : Könnt ich mich geliebter Schatten!
Auch im Grab mit dir vergatten,
So wollt ich mit tausend Freuden
Alle Art des Todes leiden
Wäre nur dein Geist bey mir.
Bernardon kommt unter Donner und Blitz als Geist
aus der Erde und singt:
Bern.: Sieh die nie erhörten Sachen
Und was wahre Lieb kann machen
Ich komme auch als Geist zu dir
Rosal. gantz fröhlich: Bist du da? O mein Verlangen.
Bern, fröhlich: Ja mein Schatz! Lass dich umfangen,
traurig: Stad bald hat ich mich vergessen,
Dass der Xodt mich hat gefressen.
Rosal.: Ich weiss nicht was sterben heisst.
Bern, seufzet: Aber ich, ich bin ein Geist.
Rosal.: Das macht nichts, bleib nur bey mir.
Bern, traurig: Nein als Geist ist's mir verbotten,
Ich muss in das Reich der Todten,
Bleibt ein Geist zu lange aus
Kommt er gleich in das. Zucht-Haus.
Lebe wohl ich muss von hier.
Rosal. weint: Tod was hast du mir genommen.
Bern, ängstig: Lass mich ich möcht Schlag bekommen.
Ros.: Liebster Geist! Ach bleib bey mir.
Bern.: Lebe wohl ich scheid von dir."
Es folgt eine Anrufung Jupiters durch Leander, in
der dieser, wie es scheint, Jupitern beschwört, den Ber-
nardon „aufs neue zu begeistern und zu beleben".
Leander: O grosser Jupiter!
Die Sach ist angefangen
Ach stille mein Verlangen
Schick deine Hülfe her
Du kannst ja alle Sachen
Gantz leicht und glücklich machen
Erfülle mein Begehr
O grosser Jupiter.
Diese Anrufung war nicht unfruchtbar geblieben,
denn alsbald erscheint Bernardon in seiner gewöhnlichen
Gestalt und singt folgendes, in den „Neuen Arien" irr-
thümlich dem Chorus zugetheilte Lied:
104
JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ
Arie.
Ha! ha! ha! ha! ha! ha!
Jetzt bin ich wieder da
Gantz gehorsamer Diener
Ein gantz neuer Wiener
Der ist wieder da
Ha! ha! ha! ha! ha! ha!
Das hat mich verdrossen,
Wie man mich erschossen.
Das war mein Treu schlecht
Jetzt hat man mir's Leben
Aufs Neu wieder geben.
Und das ist auch recht
Drum bin ich wieder da
Ha! ha! ha! ha! ha! ha!
Mit der Wiederbelebung des Bernardon und dem
nun folgenden Ä Duetto a beginnt das Reich der
Verkleidungsscenen und der Intermezzi von Neuem.
Das „Duetto wird gesungen von Rosalba als einer ver-
stellten Strassburgerin und Bernardon, als ihrer alten
Mutter«.
Bern.: Meine Tochter! willst du Heuraten?
Rosal. : Ja Mama! ich will einen Mann.
Mama! wanns nur mocht gerathen.
Bern.: Liebstes Kind! das kommt auf dich an,
Sag mir nur, wie wilst ihn dann haben?
Rosal.: Ach Mama! just so muss er seyn:
Reich und niedlich
Appetitlich,
Wie ein Engel
Ohne Mängel
Niemahls mürrisch
Niemahls burrisch.
Bern.: Zu viel Tochter! willst du haben.
Rosal.: Sonst Mama! wird er nimmer mein.
Bern.: Tochter! den ich dir hab gewiesen.
Rosal.: Ja Mama! der muss es wohl sein.
Er ist auch schön
Und wohl gewachssen
Und Hochgebohren
Und auch aus Sachsen
Auch niemahls feindlich
Sonst allzeit freundlich.
Kurz in Prag 1753; wieder in Wien 1754» Gelsen Insul. 105
Bern.: Bravo! Tochter der seyn dein.
Rosal. : Ja, Mama, Der muss es seyn.
Noch folgt ein Lied Bernardons in der elegisch-
grämlichen Weise des Ferdinand Raimund:
O du arme Welt
So bist du jetzt bestellt
Auf Vortl und auf Lügen
Den Nächsten zu betrügen
Sein Glück zu beneiden
Die Ehr abzuschneiden
Bald singen
Bald springen
Bald sauffen, bald rantzen
Bald spielen, bald tantzen,
Bald Steyrisch
Bald Schwäbisch
Hanakisch
Slawakisch
Bald walzen umatum
Hesa rum rum
O du arme Welt!
Wie bist du jetzt bestellt.
und eines als „tummer Jackerl a :
O Jeges potz tausend wie bin ich voll Freud
Ich bin gantz dakemma, ich bin nit mehr g'scheit
Gelt ja mey liebs Lieberl
Die Isabella
Die hat dich recht lieberl
Von Herzen ey ja
Sie hat mir heut geben
Riebisel, Ziweben
Viel Pfersche
Und Kersche
Kries-Knedl
Pastetel
Schokolati und Thee
Au Milli he he
Und nachher a schönes Ne Ne
Zuletzt hat mey Schatzerl
Auf a gute Nacht
Mir geben a Schmatzerl
Und das hat recht kracht.
106 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
Die erste Arie singt Bernardon in dem Charakter
„als Bruder des Democritus" in der zweiten erscheint
anstatt der Rosalba die Isabella, welche in diesem Stücke,
sich mit jener in die ersten Partien theilt, als „ Amantin a
des Bernardon, ohne aber zum Verständniss des Ganzen
wesentlich beizutragen. Auch eine Nummer, in der
Rosalba als „ Hanswurst a sich betrunken stellt, und wahr-
scheinlich als Diener des Monsieur Octavio, demselben
treuloser Weise seine Geliebte abwendig macht:
Mein Herr der kriegt an Flederwisch
Damit ist er bezahlt
Die Isabella, die ist weck
Monsieur Octavio
Jetzt heisst es halt, schleck Bartel schleck
Herr Ochs in Folio
Dann das so liebe Mädl
Die ist jetzt meine Braut
Der Diener frist das Brätl
Dem Herrn bleibt das Kraut.
hellt die Fabel geradeso wenig auf wie ein „Duetto"
zwischen Isabella, „so vor Rache rasend wird" und
dem Hanswurst. Ein „Duetto" das an den rasenden
Zamor erinnert, nur dass hier die Rolle des Bernardon
einer Heldin übertragen erscheint.
Dass es sich auch in dieser Posse um eine groteske
Liebesprobe handelt, darauf deutet die letzte Scene der-
selben ziemlich klar und deutlich hin:
„Nachdeme sich Bernardon tod gestellet und also auf der Erden
lieget, folget das Quartetto von Rosalba, Bernardon, Dorinte und
Leander".
Rosal. traurig: Zweymahl hab ich dich verloren,
Allerliebster Bernardon !
Jetzt hab ich mir den erkohren,
Der mich trägt als Braut davon.
Bernardon steht auf.
Bern.: Halt, Madame! ich bin nicht tode,
O wie standhaft bist du doch!
Das ist wohl die schönste Mode.
Rosal. erschrocken: Bernardon! wie? lebst du noch?
Kurz in Prag 1753; wieder in Wien 1754- Gelsen Insul. 107
Bern, zornig
Rosal. :
Bern.:
Rosal. :
Bern. :
Dorin.:
Lean. zu Bern.:
Bern.:
Dorin. zu Bern :
Bern. :
Dorin. :
Lean. :
Dorin. :
Rosal. :
alle vier:
Bern, und Lean.:
Rosal. und Dorin.:
Rosal. und Lean.:
Bern.:
alle vier:
Ey ich hab nur wollen sehen,
Wie es mit der Treu wird stehen,
Aber jetzt seh ich klar
Der ei'm Weib traut ist ein Narr.
Zu Rosalba.
Madame! die Untreu war zu bald.
Ich meyn, du wärest tod.
Allein ich wäre noch nicht kalt.
Mich bracht dazu die Noth
Gedult! jetzt ist es schon vorbey
Und dieser ist nun mein
Das ist a Bärnhäuterey,
Wann'» aber muss so seyn,
So blicke mich statt deinen Mann,
Du kleines Fischberl du!
Als deinen Herrn und Vattern an.
Zu Dorinte.
Was sagen sie dazu?
Ich hab dir mein Wort gegeben,
Wann es noch möglich war,
Dass ich mit dir vergnügt wolt leben,
Gieb Hand und Hertz nur her.
Herr Vatter ich bin jetzt sein Sohn
Er bleib aus meinem Haus.
Das war a Resolution
Da wird wohl nichts daraus.
Warum?
Aus Lieb zu meinem Kind.
Monsieur! das lass er bleiben;
Die Kinder-Lieb ist oft gar blind.
Ich will den Ausspruch schreiben:
Ein jedes bleib für sich.
Mein Bernardon ist mein.
Und dieser ist für mich.
Vivat, so muss es seyn
So hat der Streit ein End.
Mein Weiberl ! mein Engel !
Mein Mannerl! mein Schatz!
Mein Vater!
Mein Kind!
So leben wir content
Nur dass auch die Uns zugeschaut
Mit Uns vergnüget sind.
1
108 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
In dem „Avertissement" zu dieser Komödie werden
besonders die Pantomimen betont, „die nur desswegen
müssen bewundert werden, weilen die allzugrosse Jugend
der Kinder die Ausdrückungen der Affecten zu jeder-
mann Vergnügen vollkommen einen geneigten Beyfall
finden werden". Hiebei lfegt Joseph Kurz das naive Be-
kenntniss ab: „Die Mühe, die ich dabey hatte, denen
Kindern, die natürlichen Actionen und Tänze einzu-
prägen, ist leicht zu erachten, und da ich von Natur
etwas ungeduldig bin, so kann man sich leicht vorstellen,
dass es zu Zeiten mit denen Kindern empfindliche. Ver-
drüsslichkeiten müsse abgesetzt haben". Diese „empfind-
lichen Verdrüsslichkeiten" mögen aber um so vielseitiger
gewesen sein, als es die Kinder des Kurz nicht allein
waren, die in diesen Pantomimen beschäftigt wurden.
vra.
Tod der Frau Franziska Kurz 1755.
„Prinzessin Pumphia". Vermählung mit
Theresina Morelli 1758. „Beschützte
Unschuld". Abgang von Wien 1760.
I
it dem nächsten Jahre ging Joseph Kurz traurigen
Tagen entgegen. Seine Frau Franziska, die
nun mit dem nicht leicht zu behandelnden Manne
seit zwölf Jahren Leid und Freud redlich getheilt und
ihm in dieser Zeit nicht weniger als acht Kinder geschenkt
hatte, konnte sich von der Geburt ihres letzten Sohnes
nicht wieder erholen. Sie verfiel in eine langwierige und
schwere Krankheit und starb, erst siebenundzwanzig Jahre
alt, am 15. Juni 1755.
Das Repertoire des Theätres de la ville de Vienne
nennt sie: „fort regreitü du Public par sa figure, sa belle
voix et son talent". Nichtsdestoweniger war Franziska
„Prinzessin Pumphia" 1756. Abgang von Wien 17ÖO. 109
Kurz keine brillante, keine temperamentvolle Actrice.
Sie spielte zuerst neben der „Schönen Lorenzin ", dann
neben der Rosa Meyberg, dann neben ih*er Schwägerin,
der Colombine Maria Monika Elenzon, die Elenoren, die
Rosauren und die Rosetten. Sie war das, was der
Sprachgebrauch von heute eine Sentimentale nennt. Vor
Allem gelang ihr der Vortrag kleiner lyrischer Arietten,
die sie mit vieler Wärme und Innigkeit zu singen wusste.
Die Anziehungskraft der armen jungen. Frau auf- das
grosse Publikum scheint jedoch keine allzu lebhafte ge-
wesen zu sein. Zum wenigsten schlug die Direktion bei
dem Entwürfe eines neuen Kontraktes für Joseph Kurz
vom 18. Juli 1755, die frühere Mitwirkung der nun
Dahingeschiedenen nicht höher als auf 4 Gulden 20 Kreuzer
wöchentlich an. Auch wird wohl berichtet, wie wegen
einer plötzlichen Absage der Nuth oder der „Schönen
Lorenzin" ein Theil des Publikums an der Kasse sein
„Legegeld" zurückgefordert habe, aber nicht, dass dies
je wegen Franziska Kurz der Fall gewesen wäre. Zur
Trägerin eines Stückes ward sie nie.
Die Trauerzeit verwandte Joseph Kurz, dessen Sache
müssiges Hinbrüten seiner Natur nach nun einmal nicht
war, theils zur Vervollkommnung seiner Kinderkomödie,
theils zur Composition neuer Stücke. So begrüsste er
nach dem Repertoire des Theätres de la ville de Vienne,
das Publikum alsbald „zu einer Zeitverkürzung" mit der
seinen drei Kindern angepassten nach Ch. F. Geliert
eingerichteten Zauber-Operette „LOracle. Opöra Allem,
par Mr. Geliert de Leipsic, imit. du Frang. de Mr. de Saint-
Foix, repris. par les Enfans du Sr. Kurt% et pricedi, Des
trois Lnquais, farce Allem, du dit Sr. Kurt£ u . Nach einem
1755 in Wien mit Ghelischer Schrift erschienenem Drucke
führt die Zauber-Operette den Titel „Der sich wieder
seinen Willen taub und stumm stellende Liebhaber, ein
Lust-Spiel von zwey Aufzügen, in Teutschen Versen mit
vierzehn Arien, welches von den Bernardon'schen Kindern
vorgestellet und in Teutscher Sprach hier noch niemals
"X
110 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ
aufgeführet worden ist a . Eine Theatral-Chronik späterer
Tage berichtet: dass auch „Gellerts Orakel mit Bernar-
donischen Witze gespikt" gegeben worden sei. Dem
widerspricht der Ghelische Druck. Dieser ist eine ein-
fache Wiedergabe des Gellert'schen Singspiels. Der
Bernard onische Witz müsste denn dem Extempore
überlassen geblieben sein, was in der Kinderkomödie doch
sonst nicht üblich war. Das Vorspiel „Les trois Laquais"
von Joseph Kurz scheint verloren gegangen zu sein.
Bald nachher, im Carneval des Jahres 1756, debü-
tirte Joseph Kurz, nach der eben citirten Quelle, mit
„Pumphia Princesse des Persans, Tragödie burlesque en Vers,
milie de chansons et suivie de la Synagogue, Pantomime du
Sr. Kur% repris. par des Enfans". Ein nicht datirter aber,
wie es scheint, fast gleichzeitiger Abdruck des Stückes
führt den Titel:
„Eine neue Tragoedie, Betitult: Bernardon, Die getreue Prinzessin
Pumphia, Und Hanns- Wurst Der tyrannische Tartar-Kulikan, Eine
Parodie in lächerlichen Versen. Nebst einer Kinder-Pantomime, Be-
titult: Arleckin der glücklich gewordene Bräutigam. Componirt von
Joseph Kurz, Comicus Bernardon". Folgen die „Actores : Pumphia,
eine Prinzessin aus Persien. Herr Joseph Kurz. Kulikan, Befehls-
haber der Tartarey. Herr Gotfried Prehauser. Cyrus, König von
Persien. Herr Friderieh Wilhelm Weiskern. Faustibus, der Phumphiä
heimlicher Gemahl. Herr Joseph Carl Huber. Sigelvax, des Cyrus
Gross-vezier. Her Carl Gottlob Heydrich. Mortong, des Kulicans
Gross-vezier. Herr Wilhelm Meyberg. Miketey, der Pumphia Sohn.
Soffocles, des Kulicans Welt-weiser. Pinxi, ein Hauptmann des
Kullicans. Viele Persische und Tartarische Soldaten. 6. Götzen-pfaffen,
und viele weisse Knaben, welche in dem Tempel erscheinen".
Dass „La Synagogue" und „Arleckin, der glücklich
gewordene Bräutigam" von der „ Prinzessin Pumphia"
ganz unabhängige, an die Stelle von Nachspielen tretende
Kinder-Pantomimen waren, braucht wohl nicht erst be-
sonders erwähnt zu werden.
Die „Prinzessin Pumphia" wurde zu wiederholten
Malen gedruckt, *) und auch in neuerer Zeit reproducirt.
*) K. Goedecke (Grundriss IL 554) citirt folgende Ausgabe : „Eine
neue Tragödie betitelt: Bernardon, die getreue Prinzessin Pumphia und
„Prinzessin Pumphia" 1756. Abgang von Wien 1760. 111 #
So in den „Curiosa et Jocosa antiquaria ac nova VII.
Stuttgart, J. Scheible. 1856". 12 ? und in den „Wiener
Neudrucke 2. Wien, Carl Konegen. 1883«. 8?. Dadurch
erscheint es wohl überflüssig hier den Inhalt der „Tragödie"
noch einmal wiederzugeben oder das ihr vorausgesandte
„Avertissement" seinem Wortlaute nach zu wiederholen.
Die „Tragödie", Zugestandenermassen ein Tendenz-
stück, verdankt ihre Entstehung mehrfachen Motiven.
Das allgemeinere derselben war wohl: der alte Kampf
zwischen der Stegreifkomödie und dem regelmässigen
Drama. Wie beiläufig zwei Decennien vorher der Däne
L. Holberg durch seinen „Ulysses von Ithaca" die
Haupt- und Staatsaction und deren Darstellung parodirte,
so parodirte Joseph Kurz nun durch seine „Prinzessinn
Pumphia" die Erstlinge des regelmässigen Drama und
deren Darstellung.
Ausserliche Umstände mögen zur Wahl des Stoffes
und zu der Form, die er angenommen, nicht wenig bei-
, getragen haben. Der Passus des „Avertissement" : „Ich
kann nicht läugnen, dass ich den Teig davon schon vor
etlichen Monaten zu machen angefangen" Jässt die Ver-
muthung zu, dass schon der (1751) erfolgte Tod der
beliebten Colombine, Frau Nuth, an deren Stelle erst
später die „Schöne Lorenzin a und die Elenzon treten
sollten, Joseph Kurz auf die Idee brachte: für die ihrer
besten weiblichen Kraft beraubte Bühne eine nur von
Männern darzustellende Posse zu schreiben.
Auch die so oft aufgeworfene Frage: ob durch die
„Prinzessin Pumphia" ein bestimmtes Stück und welches
Ilannswurst der tyrannische Tartar-Kulikan. Nebst einer Kinder-Panto •
mime, betitelt : Kolekin, der glücklich gewordene Bräutigam componirt
von Joseph Kurz. Comicus Bernardon".
Ein Abdruck, der sich in „Deutsche Schaubühne" Band 76 findet,
führt den Titel: „Eine neue Tragödie, betitult: Bernardon Die getreue
Prinzessinn Pumphia und Hannswurst der tyrannische Tartar-Kulikan,
eine Parodie in lächerlichen Versen componirt von Joseph von Kurz,
Comicus Bernardon. Neu aufgelegt und zu finden im Kraussischen Buch-
laden 1767. 8°\
112 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
parodirt werden soll, erscheint durch das „Avertissement"
hinlänglich klar und deutlich beantwortet. „Ich nenne"
sagt Joseph Kurz, „dieses kleine Werk eine Critique oder
Parodie über die sonst von vielen Teutschen Trouppen
sehr übel vorgestellten Tragoedien". Ob unter den „vielen
Teutschen Trouppen-' nicht auch die der „Wienerischen
Teutschen Comödie am Kärnthner Thore" verstanden
werden sollte, insoweit sie sich in dem regelmässigen
Schauspiele versuchte, mag, trotz aller auf andere Ge-
sellschaften ablenkender Anspielungen dahin gestellt
bleiben. Man erinnere sich in dieser Beziehung nur an
den in diesen Blättern wiedergegebenen Bericht eines
Zeitgenossen über die Darstellung der „Alzire" und halte
dem die Worte gegenüber : „Dann ich habe das Vergnügen
unter einer Gesellschaft auserlesener Acteurs zu seyn,
welche meistens ihre Rollen ausnehmend gut vorstellen"
— „meistens", das will sagen in der Stegreifkomödie.
Kein Zweifel, Joseph Kurz hat, wie damals alle Welt,
„die Asiatische Banise" gekannt, und die „Banise" von
M. Grimm war eine der ersten (1752) auf die Wiener
Bühne gebrachten studirten Tragödien. Dadurch erklären
sich aber auch ganz natürlich die mit grösserem oder
geringerem Rechte behaupteten Anklänge der „Prinzessin
Pumphia" «an diesen Roman und an dieses Drama. Sie
werden dem Joseph Kurz in derselben Weise vorgeschwebt
haben, wie dem Dänen Holberg „Ulysse et Circe" und
„Arlequin Proteus" aus dem „Theätre italien" des Gherardi
vorschwebten, als er seinen „Ulysses von Ithaca" schuf.
Wenn aber A. Öhlenschläger von Holberg behauptet:
er habe, während er doch nur ein oder das andere Stück
und dessen Darstellung parodiren wollte, sich zu „wahrem
Welthumor und komischer Begeisterung" aufgeschwungen,
so lässt sich dies nicht minder von Joseph Kurz in seiner
„Prinzessinn Pumphia" und vor Allem in deren so oft
citirten Schlussscene sagen.
Mehr lokaler Natur sind die Anspielungen des „Aver-
tissement" auf die „alte Megera" und den „falschen
„Prinzessin Pumphia" 1756. Abgang von Wien 1760. 113
Freund Momus". Sie zielen unstreitig auf Philipp Hafner,
den „Teutschen Moliere", wie ihn seine Zeitgenossen in
ihrer Uberschwänglichkeit nannten, der anfangs mitBernar-
don an Einem Strange ziehen zu wollen schien, dann
aber (1755) mit dem Erscheinen seiner „Megera" 1 ) und
später mit seinem „Furchtsamen", allerdings sehr vor-
sichtig zu dessen Gegnern übertrat. Die „Bluts-freundschaft
des beständig tadelnden Momus" aber „welches in der
Welt meistentheils Menschen seynd, welche man unter die
Tag-diebe zehlet und keine andere Verrichtung haben
als anderer Leute ihre Schriften zu critisiren", sind wohl
Niemand Anderer als die Herren von Scheyb, Wächtler,
Quandt, Engelschall und Heyden, die vorerst theoretischen
Anhänger des regelmässigen Drama, während „der vor-
trefliche Mund-koch des grossen Jupiters" kein Anderer
ist als Gottfried Prehauser.
Noch im Frühlinge des Jahres 1755 erschien unter
den Tänzerinnen des Wiener Balletts eine junge Italienerin
aus Toskana von ganz besonderer Begabung. Sie stammte
aus der in der Theaterwelt allenthalben bekannten Familie
Morelli und hiess Theresina. Ihre reizende Erscheinung,
ihr leichter und anmuthiger Tanz, der nichtsdestoweniger
der Kraft nicht entbehrte, wurde durch eine sprechende
Mimik sehr glücklich belebt. Ihr für eine Italienerin
ungewöhnlich rasch erworbenes Deutsch gewann durch
den fremden Accent für die Wiener einen ganz eigenen
Zauber. Ihre Stimme war wohlklingend und für das
Singspiel mehr als ausreichend. Durch ihre unnachahm-
liche Grazie und ihre stete Munterkeit im heiteren Dia-
loge entzückte sie aber alle Welt ganz und gar.
Eine Elevin von so reichen Anlagen musste natur-
gemäss sehr bald den sicheren Blick des Joseph Kurz
auf sich ziehen. Rasch erkannte er, dass das Ballett denn
*) Megära, die fürchterliche Hexe, oder das bezauberte Schloss
der Herren von Einhorn, Wien. 1764. Philipp Hafner geb. 1731, gest.
1764 ürWien.
8
1
114 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
doch für die volle Entfaltung von Theresina's so viel-
seitigen Talenten ein zu enger Rahmen sei. Mit jenem
Ernste und mit jener Ausdauer, die Kurz in Allem charakteri-
sirte, was er unternahm, führte er seine neue Schülerin zum
Schauspiele über. Er hielt sie in erster Linie dazu an,
ihr Deutsch in der Richtung des Wiener Dialekts zu
cultiviren. Er betonte ihr gegenüber vor Allem die
Wichtigkeit eines leicht verständlichen und scharf poin-
tirten dramatischen Vortrags im Gesänge. Dann erst
weihte er sie in die Mysterien der extemporirten Komödie
ein, in der sie sehr bald überraschende Fortschritte machte.
Der leicht zu errathende Erfolg eines dreijährigen der-
artigen Privatissimum findet seinen Ausdruck in einer
Notiz des „Wienerischen Diariums" vom Jahre 1 758, wo
es heisst:
„Am 15. April wurde im Beisein des Hofes eine neue Maschinen-
Comödie von der Composition des Joseph Kurz, genannt „die glück-
liche Verbindung Bernardons" auf dem k. k. p. Stadttheater aufge-
führet, in welcher sich Theresia Morelli, nunmehr verehlichte Kurz,
sowohl im Singen und Agiren mit allgemeinem Beifall zum aller-
erstenmal produciret, wie nicht weniger durch ihre deutsehe Sprache
(ungeachtet sie eine geborne Italienerin ist) besonders hervorgethan
und vor andern distinguirt hat tt .
Von „die glückliche Verbindung Bernardons" haben
sich nur sehr karge Fragmente des „Avertissement" er-
halten. In diesen sagt Joseph Kurz:
„Madame Theresia Kurzin wird sowohl ihr Prob- als auch Meister-
stück, ja alle diejenigen Charactere machen, welche eine vollkommene
Actrice nur immer vorzustellen fähig ist. Und da sie eine geborne
Italienerin, folglich der Teutschen Sprache gar nicht wohl kündig,
so wird ihre Action um so viel mehr verwunderlich seyn. Nachdem
mich die Götter mit derselben erfreuet, so soll auch das mir so gnädig
geneigte Publikum an meiner Vergnügung theil nehmen".
In der beigegebenen Pantomime übergiebt Kurz
persönlich seine drei Kinder der Rosalba (seiner Frau)
und legt ihr an's Herz, „dass bey ihr nie das Sprich-
wort von der Stiefmutter wahr werden möge". Die über
diese intime Angelegenheit Bernardons gebrachte ^Notiz
des bezüglich der „Teutschen Comödie" sonst so wortarmen
„Prinzessin Pümphia" 1756. Abgang von Wien 1760. ilf>
Wienerischen Diariums ist ein untrüglicher Werthmesser
für die ungemeine Popularität, deren Joseph Kurz damals
[ sich erfreute.
Der „glücklichen Verbindung Bernardons" folgte als-
bald die dieser in Form und Inhalt gewiss nahe verwandte :
„Neue Comoedie Welche mit vielen Arien und Maschinen
gezieret ist ; Betitult : die von Minerva Beschützte Unschuld
Oder die Vereinigung derer Liebesgötter. NB. NB. die
Madame Theresia Kurzin wird sich abermahlen in der
Personage der Göttin Venus, sowohl im Agiren als Singen
distinguiren. Und die Lustbarkeiten des Hanns-wurst und
Bernardons seynd mit der Comödie vollkommen verknüpfet.
Alles componirt von Joseph Kurz*. 1 )
Diese handlungsreiche Maschinenkomödie beginnt so-
gleich mit einer Niederfahrt der Göttin Minerva, die
auf Erden in Liebesangelegenheiten Ordnung schaffen
will: „Fort mit der unerlaubten Reitzung! fort mit der
lasterhaften Liebe ! künftig soll in dem Herzen der Ver-
liebten ein ganz anderes Feuer brennen". Der tugend-
hafte Amor, den man auf einem Rosenbette schlafen
sieht, soliden Verliebten wieder eine zärtliche und ge-
treue Liebe einflössen. Sie weckt ihn mit Scheltworten,
damit er dem lasterhaften Cupido, der mit seinen ver-
gifteten Pfeilen in der Ober- und Unterwelt so viel Un-
heil anstelle, entgegentrete. Amors Furcht vor dem in
der Welt triumphirenden Cupido beschwichtigt sie mit
dem Versprechen, dass Jupiter und sie selbst ihn vor
dessen Nachstellungen schützen wollen.
Ernelinde, eine Jungfrau, die hier „unter denen Ge-
büschen in einer unschuldigen Gefangenschaft schmachten
muss" hat Minerven das empfindlichste Mitleiden erregt,
und diese hat daher den Prinzen Arcos veranlasst, zu
Ernelinde zu kommen. Amor soll nun weiter helfen.
Schon naht der seinem Vater Ormechus entflohene Prinz.
Er ist in grosser Angst, denn des Königs Vertrauter
*) Deutsche Schaubühne. Bd. 78. 1758.
116 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
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Romar ist ihm auf den Fersen. Er offenbart dem Romar
sein Herzensgeheimniss, dass er hier im Walde, die ihm
von der Göttin im Traume gezeigte Braut Ernelinde
finden solle. Doch wehe, der schlimme Romar ist selbst
in Ernelinde verliebt und will den Prinzen mit Gewalt
fortschleppen. Da tritt Minerva in die Erscheinung und
Romar „läuft ab". Minerva zeigt dem Prinzen „den
grausamen Arrest, in welchen ein tyrannischer Vater
wegen einer falschen Prophezeiung seine unschuldige
Tochter von ihrer Wiege an, bis auf diese Stunde ver-
sperrte". Mit Hülfe der Göttin zersprengt Arcos das
Gefängniss und Ernelinde geht aus demselben hervor:
„Ieh weiss nicht wer ich bin, alles dieses, was ich sehe, werden
wohl jene Dinge seyn, von welchen mir das Weib, die mich erzogen,
jj so viele Wunder erzehlet hat, das grosse Dach ober mir wird wohl
der Himmel seyn, und jenes runde, hell glänzende Feuer, das wird
die Sonne seyn . . . Ich weiss nicht, soll ich in diesem Paradis ver-
bleiben, oder soll ich wieder in meinen Aufenthalt zurückkehren". .
. . Amor zeigt ihr den Arcos: „Ach da ist er! Ja der ist es! O dich
kenne ich schon! . . . Du bist Arcos, der Thessalische Prinz. Minerva
ist mir mit dir im Schlaf erschienen, sie hat mich von dir in allen
unterrichtet und meine Träume waren beständig mit dir beschäftiget,
Amor: Sage mir gefällt dir dieser Prinz?
Ernelinde: Ach ja! er gefällt mir, aber du gefällst mir noch besser.
Amor: Das macht, weil ich eine Gottheit bin.
Ernelinde: So ist dieser keine Gottheit?"
Unter diesen und ähnlichen anmuthigen Miranda-
Gesprächen verlassen die Drei zusammen den Schauplatz,
auf welchen nun Romar mit Ernelindens Kerkermeister
Alloro zurückkehrt, um die Jungfrau ihrem Vater, dem
Tyrannen Dimone von Kreta, zurückzubringen, der „aus
gewissen Absichten seine noch niemahls gesehene Tochter"
zu sehen wünscht. Sie finden das Gefängniss erbrochen.
Alloro will sich aus Furcht vor dem „Wüttrich" Dimone
an einem Baume erhenken, da verwandelt sich derselbe
in eine Sternenwolke, aus welcher Venus und Cupido
ihm zu Hülfe kommen. Venus, die sich durch Erne-
lindens Entführung selbst auf das heftigste beleidigt
findet, befiehlt dem Alloro seine Tochter Ardelia bei
»Prinzessin Pumphia" 1756. Abgang- von Wien 1760 117
Dimone für dessen Tochter Ernelinde auszugeben. Die
Liebesgöttin ist sehr wüthend und will erst den Cupido mit
einem Bändchen schlagen, aber das „arme Kind" ver-
theidigt sich mit Erfolg, und so kocht sie an dem
„Höllenfeuer in ihrer Brust die grausamste Rache". Ihr
Zorn macht ' sich schliesslich in einer — italienischen
Rache-Arie Luft.
Die folgende Scene spielt bei dem Tyrannen Dimone,
der seine Tochter dem Tode geweiht hat, weil, nach
einer alten Prophezeiung, der Tag ihrer Vermählung
auch der Tag seines Todes sein würde. Als Alloro ihm
die Ardelia als Tochter zuführt, übergiebt er sie dem
Götzenpriester Rolim zur Opferung. Ardelias Liebster
Emiro verräth die Unterschiebung und Alloro und dessen
Tochter werden in den Kerker abgeführt. Dimone aber
lässt verkünden : er wolle „sein halbes Fürstenthum" Kreta
mit demjenigen „theilen", der ihm seine Tochter Ernelinde
oder den Prinzen Arcos, der ein Sohn seines ihm feind-
lichen Bruders Ormechus von Thessalien ist, lebendig
oder todt bringen werde. Hanswurst reizt das „halbe
Fürsten thum", und er selbst macht sich zum Ormechus auf.
In ähnlicher Weise verspricht der sanftere Fürst Ormechus
dem Finder des Liebespaares einen Theil seiner Schatz-
kammer und veranlasst dadurch den Bernardon zum
Dimone zu wandern. Cupido und Venus treiben sodann
in verschiedenen lächerlichen Verkleidungen mit Hans-
wurst und Bernardon allerlei Possen, die namentlich der
Frau Venus, Direktorin „Theresia Kurzin", Gelegenheit
geben, sich von ihrer angenehmsten Seite zu zeigen,
nämlich deutsche und italienische Arien und ein langes
italienisches Duett mit Bernardon zu singen, das den
ersten Akt beschliesst.
Im zweiten Aufzuge fährt Venus fort ihre Scherze
zu treiben. Sie veranlasst den Hanswurst sich als Prinzen
zu verkleiden, um leichter die Prinzessin, und den Ber-
nardon sich als Prinzessin zu verkleiden, um leichter
den Prinzen zu fangen. Jedem von beiden heftet sie
118 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
aber einen Zauberschleier an die Achsel, durch dessen
Wirkung sie nun von Allen für Arcos und Ernelinde
gehalten werden. Daraus ergeben sich die tragikomischsten
Verwirrungen. Zuerst suchen Hanswurst und Bernardon
unerkannterweise sich gegenseitig mit Liebesbetheuer-
ungen zu überlisten. Aber in der schönsteh Umarmung
werden sie von den Häschern der beiden Tyrannen ge-
fangen und zwar wechselweise Prinz-Bernardon von den
Leuten des „Wüttrich" Dimone, Prinzessin - Hanswurst
von den Leuten des sanfteren Ormechus. Dimone ver-
urtheilt den vermeintlichen Prinzen, ungeachtet seiner
Versicherung, dass er ja der Hanswurst sei, zum Tode.
Ormechus dagegen entschliesst sich, mit der Prinzessin
an das Hoflager seines schlimmen Bruders Dimone zu
gehen, um diesen vielleicht mit einer Heirath zu versöhnen
oder wenigstens seinen Prinzen auszuwechseln. Da kommt
er aber übel an. Dimone wünscht ja nichts sehnlicher,
als seine Prinzessin Tochter todt zu sehen, und Bernardon
und Hanswurst werden trotz aller herzbrechenden Be-
theuerungen ihrer Narrenhaftigkeit den beiderseitigen
„Götzenpfaffen" übergeben, die sie mit Dolch und Strick
„a tempo* in's Jenseits spediren wollen. Da, im letzten
Momente, erscheint Amor als Retter des „närrischen
Blutes:" Zwei Raubvögel entführen die Zauberschleier,
und alle Welt erkennt nun die beiden Narren. In-
zwischen haben Arcos und Ernelinde, die ächten, unter
Minervas Schutz im Walde ihr Nest gebaut und sind
sehr glücklich, nur hegt Ernelinde den Wunsch, ihren
Vater einmal zu sehen und zu versöhnen. Unter Amors
Geleite wandert sie zu Dimone, den ihre rührende Liebe
jedoch nur sehr flüchtig erweichen kann. Er will sie
mit eigener Hand erdolchen, als Minerva ihm in den
Arm fällt und ihm den Rath giebt, lieber sich selbst zu
ermorden, worauf er „voll Schröcken rasend abgeht".
Minerva hat inzwischen den einsamen Arcos getröstet,
dabei hat der böse Cupido sich an sie herangeschlichen
und sie mit seinem Pfeile gekitzelt, so dass sie schon
„Prinzessin Pumphia" 1756. Abgang von Wien 1760. 119
v bedenkliche Neigungen in sich erwachen fühlt. Glück-
licherweise bemerkt sie aber noch rechtzeitig den losen
Götterbuben, fängt ihn beim Arme und „nihmt ein Band
heraus, um ihn zu schlagen*.
Cupido : Ich bitte dich, thu mir nichts, ich habe nur meinen Spass
mit dir haben wollen.
Minerva : (Sie schlägt ihn.) Und ich will auch meinen Spass mit dir
haben, da kleiner Wechselbalek, das nihm indessen von
mir, alsdann soU mir erst Jupiter das Recht verschaffen,
ich will dir deine Gottlosigkeiten einstellen, jetzt gehe
Pankert und lasse dich in Ewigkeit nicht mehr vor meinen
Augen sehen. (Sie last ihn aus.)
Cupido : (Hat unter der Zeit, da ihn Minerva geschlagen, geschrien.)
Ich bitte um Gnade, ich wil's nicht mehr thuen, ach nur
das mahl Pardon . . . (Alsdann wenn er loss ist, sagt er
zornig) warte nur Frau Minerva ! jetzt will ich es meiner
Mutter sagen gehen . . . meine Mutter ist so gut eine
Göttin als wie du".
Venus ist denn auch wirklich sehr empört über die
Schläge, die ihr Söhnlein bekommen:
„Da schlage Blitz und Donner darein . . . was hat sie andere
Kinder zu schlagen, da sie selbst nicht so glücklich ist, eines zu
haben".
Um sich an Minerva zu rächen, veranlasst sie den
ihr gewogenen Mercurius, jene wegzuberufen, angeblich
zu Jupiter. Indessen sollen Ernelinde und Arcos gefangen
und ausgeliefert werden. Diese Aufgabe giebt wieder
Gelegenheit, dass Venus und Bernardon nebst Cupido
und drei Amoretten im Zigeunerkostume mit verschie-
denen Zigeuner-Arien- und Tänzen aufwartend, sich um
das Liebespaar bemühen. Minerva fährt dazwischen.
Venus mit ihrer Schaar verduftet auf fünf Drachenwagen.
Bernardon wird von vier Satyren tüchtig geprügelt.
Zum Schlüsse fühlt sich Minerva verpflichtet der
Venus zu zeigen, dass sie die Unschuld auch unter den
Tyrannen beschützen kann :
„Fort Arcos! du sollst zu deinem Feind Dimone, und du Erne-
linde zu dem Ormechus gehen".
Und so erscheint denn Dimone, den Jedermann längst
von eigener Hand gefallen glaubt, im dritten Aufzuge
120 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
wieder sorgenschwer auf dem Throne sitzend. Alloro
macht ein Mordattentat auf ihn, um dem Prinzen Arcos
Gelegenheit zu geben, dem Tyrannen das Leben zu
retten. Doch der Tyrann fühlt keine Dankbarkeit, er
heuchelt sie nur. Er giebt vor, in die Vermählung der
Liebenden zu willigen, beauftragt aber insgeheim den
Götzenpfaffen Rolim, „dem Arcos den Kopf abzureissen".
Inzwischen hat auch Ernelinde ihrem erhofften Schwieger-
vater Ormechus das Leben gerettet. Dieser eilt mit
ihr zum Dimone, um die Hochzeit zu vollziehen. Im
Hochzeitssaale findet Ernelinde statt des Bräutigams nur
sein Haupt. Rasend stürzt sie fort. Rolim hinter ihr
her. Und als Ormechus nun mit festlichem Gefolge
eintritt, findet er zwei Schüsseln mit den Häuptern der
Liebenden. Er klagt um sie und verwundet den Dimone
tödtlich. Dieser tragische Schluss ist jedoch, wie so
mancher andere in der Bernardoniade, nicht ernst gemeint.
Minerva tritt mit Amor und Cupido auf; alsbald erscheinen
dann auch Ernelinde und Arcos, beide auf einem hohen
Throne lebendig sitzend. Minerva aber giebt dem Cupido
folgenden Kommentar:
„Siehest du schlimmer Sohn einer lasterhaften Mutter, was durch
euch für Unheyl wäre gestiftet worden, dein Fall war von allen
Göttern beschlossen, allein Jupiter hat sich deiner noch erbarmet,
doch mit diesem ausdrücklichen Befehl, du sollst dich mit deinem
Bruder vereinigen, Amor soll dich lehren denen Menschen eine tugend-
hafte Liebe einzuflössen, du aber sollst den Amor aufmuntern, dass
er in Erwartung einer tugendhaften Liebe nicht so schläfrig seye,
geschiehet solches, so wird man künftig in der Welt von nichts
anders, als von einer zärtlichen tugendhaften und getreuen Liebe
reden hören".
Gegen diese Lösung protestirt jedoch Frau Venus
feierlich, ja sie rebellirt selbst gegen Jupiter. Da erscheint
Mercur mit vier Satyren und legt sie in Ketten. Ihr
hilft kein Schelten auf den undankbaren Jupiter, der so
oft um sie gebuhlt, noch der Wunsch sterblich zu sein,
um „zerbärsten" zu können. Doch darf sie zum Schlüsse
noch mit einer kleinen italienischen Aria aufwarten.
„Prinzessin Pumphia" 1756. Abgang von Wien 1760 in
In diese Zeit der Verlobung des Kurz mit Theresina
Morelli fallen noch einige beliebte Bernardoniaden, welche
im Druck erschienen sind und mit deren Titelangabe
wir uns daher begnügen. Auf: „Die liederliche Haus-
haltung versoffener Köche und verlöffelter Stubenmenscher"
kommen wir ohnedies noch ausführlicher zurück.
Neue Arien, Welche in der Operetta, in der Pantomime und in
der Comoedia gesungen werden. Die Comoedie wird Beütult: Bernar-
don der Einsiedler, Und dessen unglückselige Bemühung seine Braut
bey der Göttin Diana zusehen. Die Operetta wird betitult: Ormachus,
Ein Tyrannischer Nebenbuhler seines Sohnes Cosroe. Die Pantomime,
Welche von denen Bernardonischen Kindern vorgestellet wird, ist
betitult: Bernardons Traum In der Wüsteney. Und werden also
in allen sowohl in der Comoedie, Operetta, als Pantomime 22 Arien
gesungen. Das ganze Werk ist componirt von Joseph Kurtz, Comicus
Bcrnardon. Wien, gedruckt in der Erz-bischöflichen Hof- und Uni-
vcrsitätsbuch-Druckerey, mit von Ghelischen Schriften 1757 8 °.
(Wiener Stadtbibliothek.)
Neue Comoedie genannt: Die Macht der Elementen, Oder: Die
versoffene Familie des Hrn. Baron von Kühnstoks. NB. NB. Diese
Comoedie ist eine Continuation auf das zerstörte Versprechen und
Bcrnardon der Einsiedler: In welcher zwey Pantomimen und eine
Kinder Operetta zum Vorschein kommen. Der erste Actus stellet
den Prologus in einer Pantomime von der Comoedie vor, betitult:
Der zum Leben gebrachte Stein. Die Operetta von den Kindern,
so zum Schluss des anderen Actus kommet, ist betitult: Die das
Glück hat führt den Bräutigam nach Hause. Urfd die Pantomime
so im dritten Actus mit einem hier noch niemahls gesehenen Finale
sich zeigen wird, ist benamset: Die liederliche Haushaltung ver-
soffen er Köche, und verlöffelter Stubenmenscher. In der Operetta
und in denen Pantomimen werden 17 Arien gesungen. Das ganze
Werk ist componirt von Joseph Kurtz. Gedruckt mit von Ghelischen
Schriften, im neuen Michaeler Haus. 1757/58? (K. K. Hofbibliothek
in Wien.) >
Mit dem im Jahre 1760 erfolgten dritten Abgange
des Joseph Kurz von Wien erreichte dessen , längstes
ununterbrochenes Engagement an dem k. k. privilegirten
Stadttheater sein Ende. So sehr getheilt auch die An-
sichten der Zeitgenossen über Joseph Kurz, den Schau-
spieler und Dichter, lauten mochten, darin stimmten sie
doch alle überein: der Mensch Joseph Kurz war keine
122 JOHANN JOSEPH FELIX VON KHRZ.
gemeine, keine gewöhnliche Erscheinung. Im Gegentheil, er
suchte seinen nicht unberechtigten Adelsaspirationen durch
ein möglichst honettes, ja äüsserlich glänzendes Auftreten
immer eine wirksame Folie zu geben. Überall bewohnte
er das anständigste Viertel der Stadt, richtete er sich
mehr als nur behaglich ein, umgab er sich weit mehr,
als es damals selbst in Patrizierkreisen üblich war, mit
einer zahlreichen, nicht selten livrirten Dienerschaft und
hielt für alle Jene offene Tafel, deren Gast er jemals
gewesen. Nichts lag ihm ferner, als die Gastfreundschaft
Anderer durch eine improvisirte Vorstellung ä la camera
zu quittiren. Gleich seinem Pathen Stranitzky und seinem
Kollegen Prehauser hatte er solchen Ansinnen gegenüber
stets nur die eine Antwort: „Wer mich spielen sehen
will, der komme in's Theater*.
Die Einnahmen der deutschen Komödianten am Wiener
Stadttheater standen gegen die der französischen Acteurs
sehr zurück, von jenen der italienischen Operettisten
oder der Tänzer und Tänzerinnen aller Nationen gar
nicht zu reden. Nach den „Theatral-Cassa-Rechnungen"
jener Tage bezog Joseph Kurz bei seinem am 15. Februar
1754 beginnenden Engagement mit seiner Ehegattin Fran-
ziska wöchentlich 44 fl. 20 Xr., somit auf das Theatral-
Jahr vom 1. 'März 1754 bis 15. Februar 1755 2216 fl.
40 Xr. und sammt Nachtrag vom 15. bis 28. Februar
2305 fl. 20 Xr. Doch repräsentirte dieser Betrag nicht
die volle Einnahme des Künstlerpaares. Es kamen zu
demselben vielmehr noch die Honorare für die Einreichung
eigener und .die Bearbeitung fremder Stücke, Honorare,
die allerdings bescheiden genug waren und zwischen 12
und 30 Gulden schwankten. Es musste es eben die
Menge machen. Und in der That zählten drei Novi-
täten und mehrere Bearbeitungen einer Faktur in der
Saison keineswegs zu den Seltenheiten. Auch kam hinzu
ifoch ein verhältnissmässiger Antheil an jenen „ Accidentien
der deutschen Comödianten", die in der Geschichte der
Wiener Bühne eine so wenig ehrenvolle Rolle spielen.
„Prinzessin Pumphia" 1756. Abgang von Wien 17ÖO. 123
Es sind dies alle » Accidentieh" die dem Schauspieler für jede
Arie, für jedes Fliegen durch die Luft, für jeden erhaltenen
Schlag — auch dem Darsteller des Grafen Essex für
den seinen — für jeden erhaltenen Fusstritt besonders
ausgezahlt wurden, und von denen die vorurtheilvollsten
Gegner der Stegreifkomödie behaupteten, dass sie das
Feuer der Extemporisten so lebhaft erhielten und den
Widerstand derselben gegen das regelmässige Schauspiel
so erfolgreich nährten. Leider fehlt in den betreffenden
„Theatral-Cassa-Rechnungen" die „Specification* dieser
„Accidentien*. Doch betrug im Jahre vor dem Engage-
ment des Joseph Kurz der Antheil des Odoardo-Weis-
kern an denselben 160 fl. 50 Xr., der des Hanswurst-
Prehauser 125 fl. 16 Xr., der des Leqpoldel-Huber 352 fl.
32 Xr und der der Colombine Mayberg 169 fl. 40 Xr.
Nach dem am 15. Juli 1755 erfolgten Hinscheiden
der Frau Franziska Kurz wurde mit ihrem Gatten am
18. Juli desselben Jahres ein neuer Kontrakt geschlossen,
dem zufolge er wöchentlich 40 fl. bezog und ihm ein
„Faschings-Regale" zugestanden wurde.
Nach einem neuen ihhi am 17. April 1756 bewilligten
und bis zum 27. Juni 1760 stets wieder erneuerten Ver-
trage erhielt Joseph Kurz — sowie Prehauser — in den
Fasten wöchentlich 25 fl., zur „Agir-Zeit" wöchentlich
40 fl. und ein „Faschings-Regal" von 100 fl. Neben
diesen Bezügen erhob die Familie Kurz seit dem 15. April
1758, dem Tage des ersten Auftretens der Theresia
Morelli als Frau Theresia Kurz, auch deren früheren
Gehalt als Tänzerin im Betrage von 1567 fl. 30 Xr. und
als am 30. Juni 1759 an die Stelle von Eleonora Kurz,
die sich, wie es scheint, damals von der Bühne zurück-
zog und später in einem Kloster zu Venedig ihr Leben
beschloss, ihre jüngere Schwester Antonia trat, deren
Gehalt von 12 fl. monatlich.
Eine richtige Schätzung der finanziellen Lage vdh
Joseph Kurz war zu allen Zeiten nicht ganz leicht zu
gewinnen. Pflügte er doch fast nie nur mit einem Kalbe.
124 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
War er doch zumeist Schauspieler und Pächter oder
Unterpächter und Impresario zugleich. Da wird denn
so manches Mal der Impresario dem Darsteller haben
unter die Arme greifen müssen, während ein anderes
Mal, was die Impresa im Grossen verschlang durch die
Wocheneinnahmen des Schauspielers nach und nach
wieder gedeckt werden musste. Doch lebte man damals
noch in jener goldenen Zeit, in der Frau Eva König an
ihren Freund Lessing schreiben durfte: „Allerdings können
Sie in Wien mit 2000 Rthlr. besser leben als irgend an
einem Orte. Kein Reichshofrath hat mehr denn vier-
tausend Gulden und hält dafür Equipage mit zwei Bedienten u .
IX.
Kurz Theaterimternchmer in Prag
1760164. „Bernardon der Schatzgräber".
Am Reichstag in Prcssburg 1764. „Die
Guvernante". „Das europäische Wäscher-
mädel". „Die Weiber u. Buben Bataille".
ie schon angedeutet theilte die Kaiserin Maria
Theresia durchaus nicht die Vorliebe ihres Ge-
mahls für die „Bernardoniaden". Sie wünschte
vielmehr dringend, den elenden Possen auf der deutschen
Bühne ein Ende zu machen und Hess zu diesem Zweck
durch den Grafen Durazzo im Jahre 1760 die Schauspieler
Stephanie den Alteren, Kirchhof mit Frau, und Jacquet
mit Frau als Vertreter der regelmässigen Komoedie nach
Wien berufen. Gegen Kurz scheint überdies eine per-
sönliche Abneigung wegen einer unehrbietigen Äusserung
bestanden zu haben. So entschloss sich denn Kurz schweren
Herzens sein geliebtes Wien zu verlassen und mit seiner
Truppe nach Prag zu übersiedeln.
In Prag 1760/64. Am Reichstag in Pressburg 1764. 125
Über die wechselvollen Schicksale des Kurz in Prag
berichtet ausführlich Oscar Teuber in seiner Geschichte
des Prager Theaters. 1 ) Am 30. August 1760 erstand
Kurz „die nach dem rechtsflüchtigen Locatelli hinter-
bliebenen Comische Kleider" sowie das „Scenarium" und
am 15. September übernahm er das der Stadtgemeinde
gehörige Kotzentheater für die Aufführung seiner
„Comoedien, Opern, Pantomimen, andere Schauspiele und
Comische Vorstellungen" auf die Dauer von drei Jahren
gegen einen Jahreszins von 700 Gulden. 2 ) Anfangs
erzielte er hier grosse Erfolge und ein Theaterzettel mit
der Ankündigung von „Bernardon der Schatzgräber"
gibt uns ungefähr einen Begriff von der Art seiner
„Comischen Vorstellungen".
Mit gnädigster Bewilligung wird die anwesende Gesellschaft
Deutscher Comoedianten unter der Direction des Wienerischen Ber-
nardons heute Samstag den 2ten Augusti mit unterschied liehen
Carracteurs Verkleidungen, ein hier niemahlen aufgeführtes recht
ungemein lächerliches Lustspiel vorstellen, genannt: Bernardon der
Schatzgräber und Hannss-Wurst das vermeinte Gespenst die zwey
ungcheuchelten aufrichtigen Blut Freunden. Vorbericht. Diese sehr
artige Vorstellung hat in Wien durch offtmahliges Wiederhollen sich
vollkommenen Werth erworben, man schmeichelet sich auch mit diesem
galanten Stück auf hiesiger Schaubühne alle Ehre einzulegen. Nach
der ersten Abtheilung dieser angenehmen Zeit-Vertreibung ist zu
noch grösseren Vergnügen ein neues Terzetto eingemischet. Genannt:
Der Ivohlbrenner. Zum Beschluss aber, des angerühmten Lustspiel
wird von unserer jungerl Tantz-Gesellschaft aufgeführet: Das Masquen
Ballet. Preise derer Plätze. Die Loge ersten Ranges l Ducaten.
In zweylen Rang I. Loge 2 fl. 30 Kr. In dem ersten Parterre, die
Person 5 1 Kreuzer. In dem andern Parterre, die Person 24 Kreuzer.
Auf dem letzten Platz, die Person 10 Kreuzer. Die Billets sind bey
dem Logen-Meister, in dem Caffec-Hajuse neben dem Graf Galasch-
ischen Hauss zu bekommen. Bey dem Eingang des Parterre ist zu
bekommen Caffee, Thee, Chocoladi, Rosoli, Wein, Lemonadi, Con-
fecturen, wie auch frisches Obst. Der Schauplatz ist in der Kotzen,
der Anfang NB. puncto 6 Uhr.
*) Oscar Teuber. Geschichte des Prager Theaters. Prag 1883.
2 ) Siehe Anhang.
126 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
Bald aber erstand ihm ein gefährlicher Gegner in
Gaetano Molinari, der im April 1762 dem Stadtrathe
für die Überlassung des Kotzentheaters eine höhere Pacht-
summe bot. Es kam zu einem Wettbewerb und schliess-
lich erhielt Kurz, dem doch das Vorrecht gebührte, das
Theater auf weitere drei Jahre bis zum 15. September
1766 gegen den anticipato erlegten Zins von 2600 Gulden.
Molinari aber blieb trotzdem in Prag und plante sogar
ein neues Theater im Vinzenz Graf Waldstein'schen Haus,
wogegen sich die Stadtgemeinde zu Gunsten ihres Pächters
durch eine Eingabe an die Kaiserin zu schützen suchte.
Die Angelegenheit wurde indessen gütlich geschlichtet,
indem Kurz den Molinari als Untermiether für italienische
Opern annahm, während er sich die „teutschen Spectakeln"
ausdrücklich vorbehielt.
Dieser Friede dauerte nicht lange. Kurz rechnete
wohl darauf, das Publikum würde der italienischen Oper
bald überdrüssig werden, und dann um so lieber zu seinen
deutschen Schwänken zurückkehren. Von diesen Voraus-
setzungen erfüllte sich aber zu seinem Schaden nur die
erstere. Molinari konnte allerdings mit der Oper allein
nicht aufkommen und wollte daher von der lästigen
Bedingung: „Keine landesüblichen und das Publikum
Civitatense ergötzende teutsche Schauspiele" aufzuführen
befreit werden. Dagegen wehrte sich Kurz mit Berufung
auf seinen Vertrag, was zu neuen Zwistigkeiten führte,
wobei Kurz trotz seines guten Rechtes unterlag, offenbar
weil schon damals die Stimmung in den maassgebenden
Kreisen ihm nicht gewogen war. Aber auch die Erlaub-
niss zur Aufführung deutscher Komoedien konnte Molinari
nicht mehr retten. Die Staatsverwaltung sequestrirte das
Theater, wobei Kurz abermals geschädigt wurde; er
beklagte sich deshalb in Wien bei der Kaiserin.
Zu all diesem geschäftlichen Missgeschick kam noch
das schwerer wiegende Sinken seines künstlerischen An-
sehens. Die früher so beliebten „Bernardoniaden" ver-
loren die Zugkraft und Kurz sah sich gezwungen, das
In Prag 1760/64. Am Reichstag in Pressburg 1764. 127
Theater in Prag zu verpachten. Zu seinem weiteren
Unglück meldete sich um diese Zeit, am 13. Januar 1764,
ein Käufer für das Kotzentheater in der Person des
Brünner Kaufmanns Joseph Bustelli. Ein solcher Kauf
widersprach allerdings dem klaren Wortlaut seines Ver- -
trags, überdiess hatte Kurz schon den dreijährigen Pacht-
zins „anticipato" erlegt. Trotzdem wollte sich die Ge-
meinde ein so vortheilhaftes Geschäft nicht entgehen
lassen und knüpfte mit Kurz Unterhandlungen an. Kurz
stellte hohe Forderungen und begann einen Process, ver-
muthlich in der Hoffnung auf Unterstützung einflussreicher
Freunde in Prag oder in Wien. Doch darin täuschte
er sich, denn der Oberstburggraf von Böhmen erhielt
am 17. Februar 1764 folgenden Wink aus Wien:
Ihro kais. kgl. Maj. sei zu vernehmen gekommen, dass der soge-
nannte Bernardon oder Joseph Kurtz das Prager Theatrum abermals
in Enteprise zu nehmen des Vorhabens sein. Wie nun allerhöchst
dieselbe nicht gerne gesehen, dass mit diesem Menschen von neuein
angebunden werde, Als habe ich nicht ermangeln sollen Ew. Exe.
Von dieser allerh. Willensmeynung zur behörigen Maassnehmung
Nachricht zu geben. (G. A. B. No 11/17).
Damit war sein Schicksal entschieden. Am 31. März
1764 kam der Kauf mit Bustelli zu Stande. Kurz sah
sich bei Seite geschoben, und offenbar, ohne von dem
geheimen Einfluss der Kaiserin etwas zu ahnen, richtete
er am 10. April eine Immediat-Eingabe nach Wien, ihn
in seiner „Prager Theatral Impresa" zu schützen. Nach
einer von der obersten Hof-Justiz-Stelle angeordneten
Untersuchung sandte das böhmische Landes-Gubernium
eine eingehende Darstellung der Verhältnisse an die
Kaiserin, die in dem Antrage gipfelte: dieselbe möge
Kurz bei seinen wiederholt erfrechten, unstatthaften,
unnützen Gesuchen kein Gehör schenken und ihm mit
beharrlichem Stillschweigen antworten.
Dabei blieb es auch und die so glänzend begonnene
Thätigkeit des Kurz in Prag fand einen traurigen Ab-
schluss. Die grosse Gesellschaft, die Kurz in 'Prag um
sich versammelt hatte und in der alle dramatischen Fächer
L>8 JOHANN JOSEPH FFXIX VON KURZ.
vertreten waren, zerfiel vor seiner Abreise in drei Gruppen.
Die eine blieb unter Herrn von Brunian vorläufig in Brunn,
bis sie sich für Prag hinlänglich erstarkt fühlte, wo sie
dann anfangs für Rechnung des Herrn von Bustelli spielte.
Eine zweite gruppirte sich um Koberwein, den Schwager
des Kurz, und ging nach München, wo sie sich mit der
des Wallerotti vereinigte. Die dritte und wohl kleinste,
eine einfache Operetten-Gesellschaft, zog mit Kurz nach
Venedig, wo sie eine rasche vollständige Niederlage er-
litt. Wahrscheinlich wusste Kurz nicht, wie viel der Wille
der Kaiserin zu seinem Misserfolg in Prag beigetragen
hatte, vielleicht hoffte er durch mächtige Gönner sich
bei Hof wieder in Gunst zu setzen. Wie dem auch sei,
nach allem Missgeschick in Prag Hess er sich die günstige
Gelegenheit nicht entgehen während des Reichstags in
Pressburg dort seine Bühne aufzuschlagen.
Der ungarische Landtag des Jahres 1764 zählte zu
den glänzendsten. Selten sah die alte Krönungsstadt
Pressburg bewegtere Tage. Schon lange vor Eröffnung
der Verhandlungen versammelten sich hier die hohen
Kirchenfürsten, die Grossen des Reiches, die Vertreter
des Landes und viele erlauchte Gäste mit Gefolge und
Dienerschaft. Im Burgfrieden des alten Schlosses aber
wurden bereits Vorbereitungen zum festlichen Empfang
des Wiener Hofes getroffen. Am 3. Juli erschienen:
die Kaiserin-Königin Maria Theresia, der deutsche Kaiser
Franz I., der römische König Joseph IL, der Erzherzog
Leopold, sowie die Erzherzoginnen Maria Anna und
Maria Christina an der Grenze des Landes, um daselbst
von den Magnaten, den Ständen und den Bürgern der
Stadt feierlich eingeholt zu werden.
Mit dem feierlichen Einzug der Kaiserin begann
eine Reihe der glänzendsten Feste. Täglich brachten
bewimpelte Boote auf der Donau oder vierspännige Wagen
von Hainburg neue Gäste. Einer der ersten dieser Gäste
war der Herzog Albrecht von Sachsen-Teschen, der
künftige Gouverneur von Ungarn, der Pressburg zunächst
tn Prag 1760/64. Am Reichstag 111 ^ressburg 1764. i2Q
nur flüchtig berührte, um dann an der Seite seines künftigen
Schwagers des Erzherzog Leopold die Bergstädte und
das Innere von Ungarn kennen zu lernen. Ihm folgten
die „ jungen Herrschaften" Maria Elisabeth und Maria
Anna, die in dem nahen Hollitsch, wo der Kaiser mit
den beiden älteren Prinzessinnen zur Jagd sich aufhielt, eine
wahre Idylle verlebten. Hier führten der Prinz Albert und
die Erzherzogin Maria Christina den in Wien angesponnenen
Roman glücklich zu Ende. Zuletzt erschienen die Erz-
herzoge Ferdinand und Maximilian mit ihren Kürassiren,
welchen die Kaiserin selbst die Parade abnehmen sollte.
Unter den vom Hof und von der Stadt veranstal-
teten Festen spielte das Theater eine wichtige Rolle.
Schon am zweiten Abend nach ihrer Ankunft empfing
Maria Theresia die Damen des Landes im königlichen
Schlosse und „geruthen sodann einem lustigen italienischen
Singspiel, welches mit einem grossen Ballet sich endigte,
in dem neu gebauten und auf die gegenwärtige Gelegenheit
schön gezierten Stadt - Comoedienhaus beyzuwohnen".
Dieses „Stadt-Comoedienhaus a eine Ecke der Michaeler-
gasse in das Schustergassel und vordem das „grüne Stübel*
genannt, war unter König Ferdinand I. und dessen Nach-
folgern noch historischer Boden. Hier wurden politische
und religiöse Disputationen und selbst Landtage gehalten.
Seit dem König Ferdinand IV. diente es mehr heiteren
Zwecken. Bürger feierten daselbst mit Bewilligung des
Magistrats ihre Hochzeiten, Bälle wurden gegeben und
Komoedien aufgeführt. Daher führte das „grüne Stübel"
die biblischen Kundschafter mit einer riesigen Weintraube
als Wahrzeichen und als Aufschrift die Verse :
Das Lob hab ich behalten lang
Behalt es auch, wie im Anfang,
Darum die gerne trinken Wein
Die fügen sich zu mir herein.
Wohl her in das grüne Stiibelein
Darinnen ist gut fröhlich seyn.
Das „Trinkstüblein" von ehedem hatte sich in das
„Stadt- Comoedienhaus" von heute verwandelt, eine in
i3o JOriAÜrt JOSfePH frELIX VOU KÜkt.
den Tagen der theatralischen Wandertruppen ziemlich
geläufige Metamorphose. Die Bühne im „grünen Stübel"
war nur klein. Das Ballet und auch die Maschinen-
komoedie fühlten sich auf derselben sehr beengt. Doch
Hessen es die ungarische Aristokratie und die Pressburger
Bürger an Opferwilligkeit nicht fehlen, um die in ihrer
Stadt einmal beliebten Impresarii auf die Dauer zu fesseln.
Auch förderte die seit drei Jahren eingeführte nächt-
liche Beleuchtung der Strassen den Besuch des Theaters.
Es ist ungewiss, ob das erwähnte „ lustige italienische
Singspiel", das der Hof seinen Gästen gab, von Kurz
aufgeführt oder von italienischen Buffoni gespielt wurde.
Denn der älteste Theaterzettel der Kurz'schen Impresa
datirt einige Tage später und lautet:
Heute Donnerstag den 12. Julii 1764. Wird in dem allhiesigen
Theater zum aller Erstenmal die deutsche Comoedie, unter der
Direction des sogenannten Wienerischen Bernardons aufgeflihret:
Genannt: Bernardon Der Beängstigte Impressarius Oder Die fehl-
geschlagene Probe, und Statt den dritten Act folget das von Bernar-
don in Prag componirte deutsche Singspiel, welches hauptsächlich
auf ihn, und seine Frau eingerichtet ist. Es führet den Namen
Bernardon die Guvernante. x ) In den Logen sowohl als Galerien
und ersten Parterre bezahlt jede Person 1 fl. 25 Kr. Im zweyten
Parterre jede Person 34 Kr. NB. Der Anfang ist praecise um 7 Uhr.
Die wenig glückliche Fassung dieser Theateranzeige
lässt es allerdings zweifelhaft, ob an jenem 12. Juli 1764
die Impresa des Kurz in Pressburg überhaupt ihren An-
fang genommen, oder ob an demselben nur „zum aller
Erstenmal die deutsche Comoedie, Genannt: Bernardon,
Der Beängstigte Impressarius" gegeben wurde. Doch
spricht die Wahl eben dieses Stückes für das Erstere,
da »Der Beängstigte Impressarius" sowie „Le Mercure
galant" gerne zur Eröffnung neuer Impresen gewählt
wurden, weil sie dem Unternehmer Gelegenheit gaben, ihr
ganzes Personal dem Publicum vorzustellen. Ein zweiter
Theaterzettel, schliesst sich der Zeit nach an diesen an :
l ) Später in Frankfurt aufgeführt unter dem Titel: „Die versoffene
Guvernante" Siehe Abschnitt XI und Anhang.
In Prag 1V60I64. Am Reichstag in Presstmrg 1764. ißi
Heute Montags den 16. Julii 1764. Wird in dem allhiesigen
Theater zum Zweytenmal unter der Direction des sogenannten Wiener-
ischen Bernardons die deutsche Comoedie, welche von ihm selbsten
verfertiget, und mit Maschinen, Arien, und Verkleidungen vermischet
ist, aufgefuhret werden, genannt: Bernardons Hochzeit auf dem
Seheiterhaufen, Oder: Ein ehrlicher Mann soll sein Wort halten.
Diese Comoedie hat vor etwelchen Jahren das Glück gehabt in Wien
vielen Beyfall zu erhalten ; man wünschet demnach hier in Pressburg
ein gleiches günstiges Schicksal. Unsere Sorge wird seyn, dieses
Lustspiel so gut, als es der enge Raum des Theaters und die Kürze
der Zeit zulassen, nach Möglichkeit vorzustellen; wollen auch indessen
an einer gnädigen Approbation nicht zweifeln.
Bekanntlich wurde dieses Stück in Wien im Jahre
1752 zum erstenmal aufgeführt. Von der Pressburger
Impresa des Kurz erhielten sich noch folgende Zettel:
Heute Sonntags den 19« August 1764. Wird in dem allhiesigen
Theater unter der Direction des sogenannten Wienerischen Bernardons
die 25te Comoedie, ein abermals von ihm componirtes Lustspiel auf-
gefuhret werden, Genannt : Das europäische Wäschermädel mit
Bernardon, dem hoffärtigen Bauernrichters-Sohn und lebendig be-
grabenen Bräutigam. Oder: Der getreue Jakerl und die Beständige
Klumperl Sonst genannt: Die verliebte Probe des Mehmets Bassa
von Algier, und endiget sich in dem Pallast des dasigen Bassa. Die
Comoedie wird in kostbaren türkischen Tracht vorgestellet ; und die
Person der Klumperl agiret Madame Theresina. Auch werden Arien
gesungen werden. N. B. Unter der Comoedie werden zwey kleine
Ballete abwechseln. Preiss derer Plätze. In denen Logen sowohl
als Gallerien und ersten Parterre bezahlt jede Person l fl. 8 Kr.
Im zweyten und mittern Parterre 34. Im dritten und letzten Parterre 17.
N. B. Es wird heut und ins künftige um 7 Uhr angefangen werden.
Heute, Donnerstags den 25. October 1764. Wird in dem allhiesigen
Theater unter der Direction des sogenannten Wienerischen Bernar-
dons die 76te Comoedie aufgefuhret und zwar das vormalige Lust-
spiel, von der Composition unseres Bernardons auf hohes und gnädiges
Begehren wiederholet. Genannt : Die erschröckliche, entsetzliche und
mit vielen Blut vergossene Weiber und Buben Bataille des Bernardons
oder Hanns- Wursts : Oder Die schmerzliche Tragoedie in einer Ge-
sellschaft verliebter Narren. Avertissement : In diesem ausserordent-
lichen lächerlichen Lustspiel stellet Bernardon einen Freybeuter
einer unsichtbaren Kavallerie, und Hanns-Wurst einen Capitain ver-
zweifelter Weiber vor. Unter dieser Bourlesque werden einige
Arien vorkommen; auch wird Madame Theresina in der Person der
Fiamene sich als ein flüchtiger Deserteur zeigen. Der Beschluss
132 JOHANN jOSEPk FELIX VOfr KUR2.
dieses Lustspieles ist in gebundener Redensart, und wird ein lächer-
liches Ende die Schaubühne verschliessen Der Anfang ist
praecise um 6 Uhr.
Diese Burleske war wohl eine der tollsten in dem an
derartigen tollen „Lustspielen" so überreichen Repertoire
des Wienerischen Bernardon. Es ist dies dieselbe Bur-
leske, deren der treffliche Johann Heinrich Friedrich
Müller, einer der wärmsten Vorkämpfer der regelmässigen
Komoedie, mit Schmerz und Beschämung gedenkt. Musste
er doch selbst „als Flavio auf einem Fassreif, an welchem
ein kaschirter Pferdekopf und eine gemahlte Schabracke
befestiget war, bübisch auf dem Theater herumgallopiren",
und musste doch die brave Weidner, die erste Heroine
der deutschen Bühne, „als seine herabgewürdigte Lieb-
haberin Isabella darin spielen". Dennoch wurde das
„Lustspiel" auf „hohes und gnädiges Begehren" in Press-
burg wiederholt, wie es seiner Zeit in Wien auf „hohes
und gnädiges Begehren" mehr als einmal gegeben werden
musste. Das tonangebende Publikum des Kurz war eben
hier wie dort dasselbe. Es charakterisirt dessen Ge-
schmack, dass der Wienerische Bernardon, der hierfür
stets eine scharfe Witterung bewiess, in Pressburg nicht
einmal einen Versuch mit dem regelmässigen Schauspiel
machte. Selbst nicht das äusserliche Motiv, die Be-
schränktheit des Raumes, welche die für die Maschinen-
Komoedie nothwendige Entfaltung an Pomp und Deco-
rationen erschwerte, bewog ihn hier zur Aufnahme des
einfachen regelmässigen Dramas. Möglich dass auch der
Mangel an geeigneten Kräften hieran seinen Antheil
hatte. Jedenfalls erholte sich Kurz in Pressburg von
der in Venedig erlittenen Schlappe. Seine Unternehmung
erfreute sich hier des Beifalls und der Unterstützung
der hohen Kreise, so dass er die Vorstellungen mit
grossem Erfolg bis Ende Oktober ausdehnen konnte, wie
folgender Zettel bezeugt:
Heute Montags den 2g, October 1764. Wird in dem hiesigen
Theater unter der Direction des sogenannten Wienerischen Bernardon
zum aller erstenmal auf sein Angeben ein vermischtes Lustspiel in
In Prag 1760/64 Am Reichstag in Pressburg 1764. 133
zweyerley Sprachen aufgeführet. Genannt: Der neue krumme Teufel,
oder Der durch Hilfe dss Geistes Asmodeus vom Heurathen abge-
schröckte Medicus Arnoldus, Mit Fiametta Einer listig verstellten
Kranken, und Bcrnardon Dem durch Zaubcrcy glücklich gemachten
Laquey. Unter dieser deutschen Operakomik wird abwechslen ein
italienisches Intermezzo Genannt: Le Auventure di Lcsbina, Welches
in drei Stimmen bestehet, und von Virtuosen gesungen, die noch
niemalen die Ehre hatten, in Pressburg sich auf der Schaubühne zu
zeigen. Avertissement. Diese deutsche Operakomik, welche in ge-
bundener Redensart und in zweyen Aufzügen bestehet verfertigte
vor etlichen Jahren unser Bernardon in Wien mit vielem Beyfall.
Sie ist hauptsächlich auf die Pcrsonage der Fiametta und auf den
Karakter des Bernardons gerichtet. Die Schönheit der Musik wurde
eben zu jener Zeit von dem Herrn Joseph Heyden, berühmten
Kapellmeistern Seiner Hochfttrstl. Durchlaucht Herrn Herrn Niklas
Eszterhazy, Komponirt, welche dieses Singspiel um so viel angenehmer
machet. Madame Theresina stellet die Fiametta vor, und wird in
ihren Arien und Verkleidungen, da sie in einer Scene den Dottore,
den Porginella, den Pantalon und den Arlechino sowohl im Singen
als Tanzen agiret nach Möglichkeit sich bestreben, gnädige Appro-
bation zu erhalten. Nach dem ersten Akt folget der erste Theil
von dem italienischen Intermezzo; alsdann der zweyte Akt von dem
deutschen Lustspiel ; dann machet den völligen Beschluss der andere
Theil des italienischen Intermezzo. Der Impressarius schmeichelt
sich Ehre einzulegen, nachdem sein ganzes Bestreben dahin gehet,
die hohe und gnädige Noblesse, als welche ihn so grossmüthig unter-
stützet durch die Winterszeit auf das gehorsamste zu bedienen.
Auch ist das Orchester durch die Gnade der hohen Noblesse zu
denen zukünftigen Singspielen in einen vollkommeneren Stand gesetzt
worden. Der Anfang jetzt und ins Künftige ist gegen halber 7 Uhr.
Der Wunsch die hohe und gnädige Noblesse in
Pressburg auch durch die Winterszeit zu bedienen, ging
nicht in Erfüllung. Denn Kurz wanderte mit seiner Truppe
die Donau hinauf nach Baiern und spielte im Winter in
München.
l}4 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
X.
Kurz in München 1765 und in Nürnberg
1766. Repertoire der „Impresa Kurz 44
in Nürnberg.
och vor Beendigung seiner Unternehmung in
Pressburg erhielt Joseph Kurz einen Ruf nach
Baiern. Der Kurfürst Max Joseph, ein grosser
Freund des Theaters, hatte es sich gleich nach seinem
Regierungsantritt angelegen sein lassen, seiner Residenz
München eine stehende Bühne zu schenken. Länger als
ein Decennium baute er mit vieler Vorliebe an dem
jetzigen kleineren Residenztheater und übergab dann
dessen weitere Führung seinem Intendanten, dem Grafen
Seeau. Dieser wählte zu seinem Vertrauensmanne Joseph
Kurz, wozu er wohl vor allem durch dessen so erfolg-
reiche Prager Impresa bewogen wurde. Der „Wiener-
ische Bernardon" sollte vorerst eine Gesellschaft der
besten Schauspieler Deutschlands an den Hof laden,
ein passendes Repertoire regelmässiger Stücke entwerfen,
deren Rollen vertheilen, deren Studium leiten und deren
Aufführung überwachen. Doch sollte er mit dem finan-
ziellen „Risico tf nichts zu thun haben. Dieses wollte der
Hof tragen.
Stets gewohnt alle seine Unternehmungen im grossen
Stil anzulegen, wandte sich Kurz an die ersten Bühnen-
grössen Deutschlands. Er berief einen Ekhof, einen
Stephanie, eine Mecour, einen Brandes und dessen Frau.
Doch nur mit halbem Erfolg. Konrad Ekhof hatte zwar
eben seine Verbindung mit Koch gelöst, war aber anstatt
zu Kurz nach München, zu Ackermann nach Hannover
gegangen. Christian Gottlob Stephanie erfreute sich in
den drei Jahren, seitdem er im Clerval die Wiener Bühne
betreten hatte, als erster Liebhaber und in fein komischen
München 1765. Nürnberg 1766. Nürnberger Repertoire. 135
Characteren einer solchen Beliebtheit, dass er sich nicht
entschliessen konnte, die Wiege seines jungen Ruhmes
so rasch zu verlassen. Andere lehnten ab, entweder
weil sie den Zuständen am Münchner Hofe, von dem
notorisch war: sein Wille sei gut, seine Finanzen aber
schwach, nicht das nöthige Vertrauen entgegenbrachten,
oder weil sie den „ Wienerischen Bernardon* nach seinen
Antecedenzien nicht für berufen hielten, ein Repertoire
von regelmässigen Stücken zur Geltung zu bringen. Der
Kurfürst, durch diese Zwischenfälle verstimmt, Hess es
zwar auch jetzt noch an artigem Entgegenkommen gegen
die erschienenen Künstler nicht fehlen, gab aber seinen
ursprünglichen Plan, ein eigentliches Hoftheater zu halten,
auf. In Folge dessen musste Joseph Kurz die Impresa
auf eigene Gefahr führen.
Dieser aber gab sich nicht so leicht gefangen. An
die Stelle des Stephanie engagirte er Johann Baptist
Bergobzoomer, einen jungen Wiener, der vor kaum einem
Jahre unter Weiskern's Anleitung die Bühne nicht ohne
Glück betreten hatte, und nun infolge des plötzlichen
Ablebens Kaiser Franz I. und der aus diesem Anlasse
erfolgten Sperrung des k. k. privilegirten Stadttheaters
frei geworden war. Bis zu Bergobzoomers Eintreffen
bestand die Gesellschaft aus Joseph Kurz und seiner
Gattin, aus Johann Christian Brandes und seiner Gattin,
aus der Madame Mecour und einigen untergeordneten
Mitgliedern. Durch den nothwendig gewordenen Ersatz
Stephanie's erlitt das Programm von Kurz, nur die
regelmässige Comödie zu cultiviren, gleich anfangs einen
harten Stoss. Man musste mit einer Bourlesque beginnen.
Doch folgten derselben ziemlich rasch: „Graf Essex"
von Corneille in der beliebten Übersetzung von Stüve,
dann die „Alzire" von Voltaire, endlich „Olynt und
Sophronia" von Cronegk. Es waren dies beiläufig die-
selben Stücke durch deren Aufführung Weiskern und
Kurz bereits vor fünfzehn Jahren, die durch Selliers von
Leipzig nach Wien berufenen Darsteller des regelmässigen
t
136 JOHANN JOSEPH FELIX VON KQRZ.
Schauspiels: Heydrich, Koch und Lorenz zu schlagen
versuchten. Man weiss mit wie wenig Erfolg.
Und diesmal ging es nicht besser. Die Leistungen
des Impresario und seiner Frau im ernsten Fache er-
regten stets eine nicht beabsichtigte Heiterkeit. Brandes
wurde als erster Liebhaber und Held vom Publikum so
wenig günstig aufgenommen, dass Kurz sich schon nach
dessen ersten drei Debüts bewogen fand, die Gage des-
selben von zwanzig Gulden wöchentlich auf vierzehn
herabzusetzen. Allein selbst diese bot er ihm wohl nur mit
Rücksicht auf dessen Gattin Charlotte. Letztere wurde
in ihr angemessenen Rollen, gleich der Madame Mecour,
allemal gerne gesehen. Auch spielte der nun einge-
troffene Bergobzoomer die Partien des Brandes mit grösstem
Beifall. Aber das reichte nicht hin, um ein Repertoire
regelmässiger Stücke entsprechend zur Geltung zu bringen.
Dazu kam noch, dass die Wände im Hause des Brandes
Ohren hatten, dass ein indiscreter Nachbar und College,
die etwas scharfen Urtheile der Frau Charlotte über die
tragischen Leistungen von Herrn und Madame Kurz
dem Impresario und dessen Frau hinterbrachte.
Kurz, gutmüthig wie er war, würde, auch abgesehen
von seiner momentanen bedrängten Lage, diesen collegialen
Zwischenträgereten kaum eine weitere Folge gegeben
haben, und dies um so weniger, als sich Brandes zu
einer Entschuldigung bereit finden Hess. Anders Madame
Theresina. Sie, von reizbarerer Natur, konnte die humor-
volle Parodirung, die ihr „vermischtes" Deutsch durch
Frau Charlotte erfahren hatte, nicht so leicht verwinden.
Das alte Einvernehmen zwischen den beiden Künstlerinnen
war für immer dahin; ein glückliches Zusammenwirken
derselben nicht mehr zu erwarten. Brandes empfand
dies vor allen ganz richtig. Nicht ohne einige Über-
windung wandte er sich abermals an seinen ehemaligen
Director Schuch, von dem er erst unlängst nicht allzu
freundlich geschieden war, und bat um Erneuerung seines
alten Contractes. Schuch bewilligte dieselbe ohne Anstand,
München 1765. Nürnberg 1766. Nürnberger Repertoire. 137
und Herr und Madame Brandes verliessen München und
gingen nach Berlin. Vor ihrem Abgange gab Kurz
noch ein neues Trauerspiel von Brandes: „Miss Fanny",
oder: „Der Schiffbruch". Das Stück wurde mit grossem
Beifalle aufgenommen.
Nichtsdestoweniger war dieses Trauerspiel so ziem-
lich das letzte regelmässige Stück, das diese Impresa
bot. Mit dem Ausscheiden des Künstlerpaares Brandes
ging dieselbe rasch einem wenig rühmlichen Ende ent-
gegen. Die Gesellschaft musste fast durchgehends durch
baierische Provinzialschauspieler ergänzt werden, und die
Bernardoniade machte sich breiter denn je. Um aber
dem Bernardon die „Fatiguen" ein wenig zu erleichtern,
tauchte neben ihm sehr rasch noch der Hanswurst wieder
auf. So wurde die neue Münchner Bühne nur zu bald
ein Ebenbild der Wiener Bühne in ihrer bedenklichsten
Zeit.
Von der so viel versprechenden Münchner Impresa
scheint dem Kurz nicht mehr geblieben zu sein als
der Titel: „Directeur der Churfürstlich Bayerischen Hof-
Comödianten" dazu die Gewogenheit seines Herrn, des
„guten Max a . Darauf gestützt und durch seinen alten
Gönner, den kaiserlichen Gesandten Baron von Wiedmann,
ermuntert, wandte er bei anbrechender todter Saison,
während welcher der churfürstliche Hof in Nymphen-
burg zu residiren pflegte, seinen Blick nach Nürnberg,
wo er den Sommer zubringen wollte.
So erschien denn schon am 7« Mai 1766 Joseph
Hellmann, ein Acteur der Kurz'schen Truppe, vor dem
Magistrat dieser Stadt mit einem Gesuch seines „Direc-
teurs", in welchem derselbe sich „erkühnet" bei den
„Hochwolgebohrnen Herrlichkeiten und Gnaden", den
Vätern der Stadt,
„ unter thänig vorzutragen und zu bitten ihme die gnädige Erlaub-
nuss zu ertheilen, auf 2 Monat lang in dem alhiesigen Opern Hauss,
welches wir auf unsere Kosten im Falle einig bedürfender Aus-
besserungen herzurichten uns unterthänigst erbieten, seine theatral-
ischen Schauspiele alhier produciren zu dörfen. Der Directeur
138 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
verspricht eine Anzahl von 36 Personen der besten Acteurs, Sänger,
Sängerinnen und Tänzer, alhier noch nie gesehene decorationes und
Kleider-Pracht vorzuzeigen und alle aufführenden Trauer und Lust-
spiele nach dem neuesten gousto vorzustellen, worunter mit Teutsch
gesungenen Operetten von den bekanntesten Cantatricinnen die Ab-
wechslung gemacht und selbe mit Pantomimischen Balle ts vollkommen
dargebracht werden sollen".
Der Tenor dieses Gesuchs zeigt, dass hier, wie
seinerzeit in München, die Stegreifkomödie nur mehr
unter der Flagge des regelmässigen Drama geführt zu
werden vermochte. Allerdings sollte auch hier, wie seiner-
zeit in München, das regelmässige Drama nicht mehr
als die Deckung für die Bernardoniaden und die Operette
sein.
„Wir dürfen anbey", so fährt jenes „Memoriale" fort, „ohne
Scheue und Ruhmredigkeit getrost unterthänig anmerken, dass diese
Gesellschaft nicht etwann mit andern im Lande herumvagirenden
» derley Banden zu compariren seyn möchte, welche nach vorher-
gehenden Exempeln sich alhier eingefunden, um nur Lebensunterhalt
zu suchen, und am Ende mit Hinterlassung vieler Schulden zu Schaden
des Publici wieder abgereiset sind".
Nach dieser antieipirten Rettung seiner Gesellschaft
weist der „Directeur" schliesslich auf ein von dem Chur-
fürsten zu seinen Gunsten an den churbayerischen Minister
Freiherrn von Schückerhauzenstein gerichtetes Rescript,
in welchem es heisst:
„Als befehlen Wir dir anmit gnädigst, dass du der Stadt Nürn-
berg davon die insinuation machen und den besagten Impressario
in seiner Absicht dergestalten an Händen gehen sollest, dass ihme
nicht nur sein Theatre zu produciren vergünstiget, sondern auch
mit selbigem wegen der daselbst zu bestreitenden sonst üblichen
Unkosten ein billiges und leichteres Auskommen getrofen werden
mögte".
Nürnberg besass damals zwei Schauspielhäuser : das
alte „ Fechthaus" und das neue „ Opernhaus". Das alte
Fechthaus war ein grosser viereckiger, schon im Jahre
1628 auf der Insel der Stadt, die Schutt genannt, eröff-
neter Hofraum mit steinernem Erdgeschoss, worauf sich
die Plätze der Zuschauer in drei übereinanderstehenden
Reihen erhoben. Das Ganze erinnerte an die primitiven
München 1765. Nürnberg 1766 Nürnberger Repertoire. 139
Schauplätze, worauf im Mittelalter die Genossenschaften
der Bürger ihre „Fastnachtsspiele" zum besten gaben. Von
Decorationen war da natürlich keine Rede und bei dem
herrschenden Mangel an einer schützenden Decke und
an einer künstlichen Beleuchtung konnte auch nur bei
milder Witterung und am hellen Tage gespielt werden.
Alles in Allem glich das alte „Fechthaus* mehr einer
Arena für Ringer, Akrobaten und Thierhetzer als einem
Tempel der Musen und ihrer Priester. Auch wiesen
die über den Portalen angebrachten Fresken, Fechter-
scenen und Ringkämpfe darstellend, viel mehr auf jene
als auf diese hin. Das neue „Opernhaus" war bis zum
Jahre 1668 ein alter „Zeugstadel" und zwar auf der-
selben Stelle, worauf noch heute das Theater steht.
Durch eine Art von Bedachung zum mindesten noth-
dürftig gegen Wind und Wetter geschützt, war das neue
Opernhaus, wenn auch nur schwach, so doch beleuchtet
und Hess die Illusion der Decorationen zu. Aber seine
Bühnenräume waren eng und nieder und das Haus fasste
nur wenige Zuschauer.
Von den Vorgängern des Kurz in Nürnberg werden
erwähnt: 1668 Johann Veitheim, 1685 Georg Schfeurer,
1695 die Hochfürstlich Sächsisch-Merseburgischen Hof-
Comödianten, 1696 eine namenlose Truppe, 1697 die
Churfürstlich Sächsischen Hof-Comödianten, 1698 eine
namenlose Truppe, 1699 und 1701 die Hochfürstlich
Brandenburg-Bayreuthischen Hof-Comödianten, 1706 die
Hochfürstlich Würtembergischen Hof-Comödianten, 1715
die Neuber'sche Bande, 1723 und 1731 die Königlich
Polnische und Churfürstlich Sächsische Bande, 1748 die
Churbayerische Bande unter Johann Schulz und eine
von verschiedenen königlichen und fürstlichen Höfen
privilegirte Bande unter Franz Schulz, 1749 Franz Schuch,
1750 Anton Jakob Brenner, 1751 Franz Schuch, 1752
Italiener und die Churbayerischen Hof-Comödianten, 1753
Johann Schulz, 1754 die Hochfürstlich Anspachischen
Hof-Comödianten unter J. G. Ussler. 1755 die Chur-
1
MO JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
bayerischen Hofacteure unter Franz Gervaldi vonWallerodi,
1756 die Churbayerischen deutschen Comödianten unter
Johann Schulz, 1757 die Hochfürstlich Anspachischen *
Hof-Comödianten unter J. G. Ussler, 1759 Ölper^ 1760 t
und 1761 Franz Anton Nuth, 1762 Italiener, 1763 Arnold -
Heinrich Porsch. Man sieht Nürnberg war zu allen
Zeiten eine schaulustige Stadt. Die Italiener waren ent-
weder Pantomimiker oder Operettensänger. Die ver-
schiedenen Truppen spielten theils im alten Fechthause
theils im neuen Opernhause. Ihre Abgabe an die Stadt
betrug meist ein Drittheil der Netto-Einnahme, doch
wurde nicht selten eine Aversal-Summe vereinbart 1 ).
Am 1. Juni traf Kurz selbst in Nürnberg ein, mit
ihm seine Frau und seine ganze Gesellschaft. Er fand
die Erlaubniss, seine Schauspiele in dem Opernhause
produciren zu dürfen, bereits vor. Am folgenden Tage
hatte die Besichtigung dieses Gebäudes statt. Nach
dieser erklärte jedoch Kurz die Bühne für die Darstellung
seiner Comödien als viel zu klein.
„Als hat man", so lautet ein hierauf bezüglicher Bau-Amts-
Bericht vom 3. d. Mts. „mit demselben das Fcchthauss in Augen-
schein genommen, darinnen er das linke Eck in demselben sich aus-
ersehen, dahin ein von Brettern zusammengefügtes und bedachtes
Comödien Hauss aufgerichtet dessen Länge in etlichen 90 Schuen,
die vordere Breite in etlichen 50 Schuen, bestehen, das ganze Hauss
bedacht, ein ganz neues Thcatre hineingesezt, auf beeden Seiten mit
Gallcrien und Par Terre mit Bänken versehen werden solle.
Da man obgedachten von Kurz aber, die Vorstellung gethan, wie
ein solch ganz neu zu errichtendes Comödien Hauss sowol vieles
Bau Holz und Bretter als Zeit und Arbeit erfordert und dessen
Kosten wenigstens auf 400 fl. sich belaufen würden, man also dafür
hielte, ob nicht wegen unterbleibenden vielen Kosten und Arbeit
das Opern Hauss dennoch ihme convenabler wäre; Als lies sich
derselbe diese Vorstellung gleichwol gefallen, weswegen mit dem-
selben das Opern Hauss nochmals beaugenscheiniget wurde, daselbst
er weiter nichts gebetten, als das Theatre etwas höher und breiter
machen zu lassen, welches ihme auch zugesichert worden und dass
alsbalden der Anfang damit gemachet werden solle.
*) F. E. Hysel, Das Theater in Nürnberg von 1612— 1863. Nürn-
berg 1863.
München 1765. Nürnberg 1766. Nürnberger Repertoire. I4I
Allein nach Verfliessung etlicher Stunden erschien gedachter Hof
ComÖdiant abermalen in dem Bau Amt und brachte vor wie er mit
seiner Frauen diese Sache in weitere Überlegung genommen, aber
für nicht thunlich befunden, seine Comödien in dem Opern Hauss
wegen des einmal alzuengen Plazes vorzustellen; es ginge demnach
sein nochmaliges Ansuchen dahin, das vorbemeldte grosse Comödien
Hauss in dem Fechthauss ihme aufrichten zu lassen, inzwischen aber
und bis zu dessen Errichtung einige Comödien in dem Opern Hauss
aufgeführet werden sollen".
Durch dieses schwankende und widerspruchvolle Be-
nehmen gereizt, vereinigten sich am 5. d. Mts. das Bau-
amt und das Kriegs- eigentlich Steuer-Amt von Nürn-
berg in dem „Rechts-Verlass" :
„da der Churfürstlich Bayerische Hof Comoediant Joseph von
Kurz Meldung gethan, dass ihme zur Praesentirung seiner Comödien,
das Theatrum im Opern Hauss weit zu klein wäre und ihm darauf
das Fechthauss gezeigt wurde, worinnen nach seiner Äusserung ein
ganz neues Theatre mit Gallerien hinein gesezet werden solte, so
ist ihm das Begehren zu benehmen, und die Wahl zu lassen, ob er
das Opern- oder Fechthauss zu Aufführung derselben, ohne was
neues zu bauen gebrauchen wolle, zumalen auch mit beeden Pläzen
schon andere Comödianten zufrieden gewesen sind".
Da trat in der elften Stunde der vielvermögende
Protector des Kurz, Baron Wiedmann Excellenz, für
seinen Günstling persönlich ein. Den 6. d. Mts. Nach-
mittags in Nürnberg eingetroffen, entsandte er noch am
Abend desselben Tages seinen Legations-Secretair von
Herzog zu dem Kriegs-Obersten G. Baron Haller von
Hallerstein „älterer Geschlechter Mit-Rechtsfreund a , um
demselben und durch ihn dem Stadtrathe von Nürn-
berg in Angelegenheiten des Kurz eine willfährige Er-
schliessung um so mehr zu empfehlen
„als solches 1.) zu Seiner Churfürstlich en Durchlaucht in Bayern
gnädigsten Gefallen gereichen würde; 2.) der Imprcssarius von
Kurz hier nichts zu lucriren gedächte, sondern ihm ganz gleichgültig
seyn würde, wann er gleich 5 bis 6 | m fl. ex propriis zusezen sollte,
wie er denn 3.) erst kürzlich aus einer gleichen Phantasie in Vene-
dig bey Aufführung deutscher Schauspiele 20 bis 24 | iq fl. ohne
den mindesten seinen Nuzen versplittert haben soll, 4.) er seine aus aus-
erlesenen 47 Acteurs bestehende Compagnie und Gesellschaft nicht
auseinander gehen lassen könnte, sondern sie dennoch unterhalten
l4i JOHANN JOSEPH tfELttf VON KÜR2.
müsste; 5*) der Plaz dazu ganz convenable sey, wie solches die zu-
gegen gewesenen Officiales im Löblichen Bau Amt der Wahrheit
gemäss zu attestiren unermangeln würden; 6.) er das Theatrum zwar
unter Direction des Löblichen Bau Amts, jedoch leediglich auf seine
Speesen aufführen zu lassen gedächte, nicht minder 7 ) die zu Ab-
wendung der Feuers Gefahr benöthigte Anstalten ebenfalls auf seine
Kosten erogiren wolte; mithin 8.) die ganze Sache hiesigen Publico
nicht den mindesten Aggravio, wol aber Nuzen und Ehre causiren
würde ..." auch „besagter Kurz ein Retributions Quantum von
lOO bis 200 fl. semel pro semper abzutragen sich facil finden lassen
solte".
Doch Hess es Baron Wiedmann bei dieser ihm von
Kurz selber soufflirten und deshalb für diesen so charakter-
istischen Motivirung seiner Intervention nicht bewenden.
Schon am nächsten Morgen verfügte er sich gefolgt von
seinem Legations-Secfetair von Herzog, dem Prinzipal
Kurz und dem „ Anschicker % dem Polier, in das Fecht-
haus. Hier betonte der „ Anschicker Ä noch einmal die
grossen Kosten des projectirten Theaterbaus und vor
allem, dass dieses Gebäude dann doch nicht so viele
Personen fassen werde wie das Opernhaus. Obwohl
aber Baron Wiedmann dem „Anschicker* hierin voll-
kommen beistimmte, verharrte Kurz doch auf seiner
Ansicht: „er wäre ohnedies ausser Stande gesetzet, seine
theatralischen Schauspiele vorstellig zu machen, und alle
seine Decorationen und Machinen ohnmöglich gebrauchen
zu können* worauf Baron Wiedmann neuerdings dem
hohen Rathe seine Intercession zu Gunsten des Kurz
in Aussicht stellte.
Hierdurch bewogen machte der Nürnberger Magis-
trat einen letzten Versuch der Vermittlung, indem er
dem Kurz vorschlug, sein Theater auf einem freien
offenen Platze, nemlich auf der Schutt, zu erbauen, da-
rüber mit einem einheimischen Zimmermeister zu accor-
diren, die Inspection darüber selbst zu führen und sich
dasselbe ganz nach eigenem Gefallen einzurichten. Auf
diesen 'Vorschlag erwiderte Kurz: wenn er das Haus
auf der Schutt aufführen wollte, er in noch grössere
Kosten versetzt würde, da in dem Fechthause man es
München 1^65. Nürnberg 1^766. Nürnberger kepertoire. 14$
an die Wände gleich anschliessen und also zwei Seiten
ersparen könnte, auf der Schutt aber vier Seiten »haben
müsste, welches noch weit mehr Holz und Kosten er-
forderte, auch wolle er sich mit den Nürnberger Zimmer-
leuten gar nicht einlassen, zumalen er ja ein Fremder
wäre und das Bauen nicht verstände, sie ihn also noch
tiefer in Unkosten versetzen könnten. Hieran knüpfte
Kurz nochmals die ganz gehorsamste Bitte, ihm in seinem
Petito doch einmal gnädig zu willfahren und dem Löb-
lichen Bauamte die Obsorge darüber zu übertragen; er
selber aber wolle alle Unkosten auf sich nehmen und
das Geld zum voraus erlegen. Nun erst am 7. Junii wurde
„vermöge eines Oberherrlichen Verlasses resolviret, dass dem
Churbayerischen Hof-Comödianten Joseph von Kurz in seinem Gesuch
ein Theatrum im Fechthauss auf eigene Kosten zu erbauen willfahret
werden solle, Ihme aber auch aufzugeben ist, vor Kosten und Schäden
zu stehen, und einen Vorschuss zur Herbeyschafung der Bau Materialien
zu leisten".
Nachdem so, Dank der Energie und Ausdauer des
Kurz und der nachdrücklichen Unterstützung seines Pro-
tectors, die Nürnberger Impresa ermöglicht war, verstand
sich die Gewährung einer zweiten Bitte des „Directeurs*
gewissermassen von selbst. Diese Bitte ging aber dahin :
„zu hohen Ehren des Kaiser Königlichen Herrn Ministers Excellenz
inzwischen und bis in dem Fechthauss die Hütte erbaut seyn wird,
in dem hiesigen Opern Hauss ohne das mindeste darin zu bauen
oder abzuändern, wöchentlich Montags und Mittwochs einige kleine
Spectacles vorstellen und künftigen Mittwoch den 11. hujus damit
anfangen zu dörfen".
Diese Bitte wurde, wie gesagt, gewissermassen selbst-
verständlich bewilligt, doch mit der Beschränkung, dass
Kurz künftige Woche wegen der Begehung des Augs-
burgischen Confessions-Festes der Spiele sich enthalten
solle. Auch wurde unter Anderm beschlossen: ihm bei
schicklicher Gelegenheit — nämlich nach Abreise Seiner
Excellenz — zu eröffnen, dass das im Fechthause er-
richtete hölzerne Gebäude gleich nach Endigung seiner
Schauspiele wiederum r abgethan a und zu andern Vor-
stellungen ,, nicht unbrauchbar a gemacht werde.
M4 Johann Joseph felix von Kürz.
Und so gruppirten sich denn am Montag den 9. Juni
1766 die schaulustigen Nürnberger an den verschiedenen
Ecken ihrer guten Stadt, um folgende:
Nachricht.
Es wird einem Geehrten Publico hiemit vorläufig gehorsamst und
ergebenst bekannt gemacht, dass mit höchster und gnädigster Ge-
nehmhaltung Ihro Churfttrstl. Durchl. in Bayern, nach erhaltener
gnädigen Erlaubniss einer allhiesigen Hochgebiethenden Obrigkeit,
die hier angekommene deutsche Schauspieler Gesellschaft, unter der
Impressa des Herrn Joseph von Kurz, in dieser Woche ihren Schau-
platz hier eröfnen, und in der Folge sich bestreben werden, hiesige
Hohe und Geneigte Liebhaber der Schaubühne mit regelmässigen
Trauer- und Lustspielen, ganz neuen Opern Comiquen, und panto-
mimischen Vorstellungen zu vergnügen. Es hat sich der Impressarius,
unter dessen weissen Anführung die Gesellschaft zu stehen die Ehre
hat, an Allerhöchsten und Höchsten Höfen, durch seinen besondern
Character eben so berühmt, als durch seinen Eiflfer und Bemühung
um die Schaubühne verdient gemacht, und sein einziges Augenmerk
ist noch jetzo dieses, mit den schwersten Kosten, die Ehre der
deutschen Schaubühne, welche sich eine Zeitlang theils aus Vorurtheil,
theils aus Abgang geschickter Schauspieler, und endlich hauptsäch-
lich aus Mangel eines hinlänglichen Fonds, aus ihrem eigenen Vater-
land ganz verdrungen gesehen, vollkommen wieder herzustellen, und
seinen eigenen auf der Schaubühne erworbenen Ruhm zu unterstützen.
Wir erinnern es an diesem Orte überflüssig, dass der vornehmste
Endzweck der gereinigten Schaubühne einzig die Schärfung des
Witzes, das Moral, und überhaupt die Verbesserung der Sitten seyn
soll, da uns bereits bekannt, dass der reine Geschmack in diesem
erleuchten Staat schon längstens allgemein geworden; doch versichern
wir zum voraus, dass nach der genauesten Erfüllung, auch der reinste
Scherz in ganz besondern hier niemalen gesehenen Caractern vor-
züglich ergötzen wird.
Wir sind von aller Selbstliebe und Tadelsucht entfernt, und
wollen der Geschicklichkeit derjenigen Schauspieler die sich vorher
hier Ruhm und Beyfall erworben, nicht zu nahe tretten; doch wird
man bey uns in allen einen sehr grossen Unterschied bemerken, die
dem unermüdeten Fleiss, der vollkommenen Einsicht, der Erfindungs-
kraft und dem grossen Aufwand unseres Impressarii ähnlich sind.
Das Trauerspiel wird eine ausserordentliche Pracht unterstützen;
das Lustspiel wird sich durch seine hier nie gesehene Original-
Charactere, und eine kluge Wahl unterscheiden; In denen Opern
Comiquen, pantomimischen Vorstellungen und Baletten, wird nebst
denen angenehmsten Stimmen, die vortreflichste Composition, von
I
München 1^65. Nürnberg 1766 Nürnberger kepertoire. I4S
denen berühmtesten Meistern, die prächtigsten Decorationen, Maschinen,
und die seltsamsten Verwandlungen, Aug und Ohr entzücken und die
Sinnen in Verwunderung setzen. Allen diesen wird die besondere
Geschicklichkeit der Madame Theresina de Kurz, ein besonderes
Gewicht geben, welche als gebohrne Italienerin, so vor acht Jahren
noch keines Worts von unserer Muttersprache mächtig, sich in der-
selben so vollkommen gemacht, dass sie in denen ersten Rollen im
Trauerspiel, in dem Lustspiel, im Singen und Pantomime gleiche
Bewunderung erwecken wird. Die Gesellschaft ist stolz auf ihre
Vorzüge, und auf die Ehre, welche Sie dem Schauplatz macht. Weil
aber hiezu ein grosser Platz erforderlich, so wird mit besonderer
gnädigen Erlaubnüss einer allhiesigen Hochgebiethenden Obrigkeit,
ein dazu bequemes Hauss auf Kosten des Impresarii in dem hiesigen
Fechthause errichtet, und man macht sich gefast weder Kosten noch
Fleiss zu sparen, diesem berühmten Staat etwas zu zeigen, welches
der Sehnsucht gleichförmig, mit der wir wünschen unsere äussersten
Kräfte zu seinem Vergnügen zu verwenden, und uns dessen Achtung
und Beyfall würdig zu machen.
Unterdessen aber bis dieser Bau zu Stande gebracht, wird man
mit einigen angenehmen Divertissements in dem allhiesigen Opern-
hause davon einen Vorgeschmack geben, und damit künftigen Mitt-
woch als den 11. Junii den Anfang machen, wovon die auszutheilenden
Zettel des mehreren belehren werden.
Sonsten hat man hier noch anfügen sollen, dass da die Mitglieder
dieser Gesellschaft, und alle von solcher abhängenden Personen, von
dem lmpressario alle Wochen pünktlich bezahlt werden, auch alle
die solchen etwas abreichen, eben so ordentlich sich der Bezahlung
zu versichern haben, im unzuverhoffenden widrigen Fall aber man
sich bey Zeiten, um allen Unordnungen und Misscredit vorzubeugen,
bei der Impressa zu melden hätte.
J. B. Grünberg,
im Namen der Impressa.
Die „ Impressa a selbst hatte ihr Hauptquartier zuerst
in den „drey Königen a , dann in der „ feisten Küche im
blauen Pfauen" aufgeschlagen. Der obigen „Nachricht"
folgte zwei Tage später die Ankündigung:
Mit gnädiger Bewilligung Einer Hochgebietenden Obrigkeit wird
die von München angekommene Gesellschaft deutscher Schauspieler
unter der Impresa des Herrn Joseph von Kurz heute Mittwoch den
11. Juny 1766 zum erstenmal ihren Schauplatz eröfnen und auf dem-
selben vorstellen, ein moralisches Schauspiel von drey Aufzügen,
betitult: Die Insul der gesunden Vernunft oder: Bernardon der
Insulaner und Fiametta die Insulanerin. An die Leser! Wir haben
IO
I46 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ\
in der herausgegebenen Nachricht bereits erwähnet, dass mit besonderer
gnädigen Erlaubniss einer allhiesigen Hochgebietenden Obrigkeit
zu unseren künftigen theatralischen Vorstellungen eine sowohl vor
unsere Hohe und Geneigte Gönner, als auch vor unsere grosse
Maschinen und Decorationen bequemes Comödienhauss, in dem all-
hiesigen Fechthause errichtet wird; heute aber, wird auf hohes und
gnädiges Begehren des Kayserl. Herrn Ministers Freyherrn von
Widmann Excellenz, mit obbemeldten Stück in dem Opernhause auf-
gewartet werden, welchem vielleicht Morgen noch ein anderes folgen
durfte, sodann aber die Schauspiele so lang wieder eingestellt bleiben
werden, bis wir solche in ihrer ganzen Vollkommenheit und mit dem
gehörigen Glanz auf dem neuen Schauplatz vorstellen können, woran
man mit allem Eiffer arbeitet, blos um die Ehre und den Ruhm zu
haben, diesem berühmten Staat etwas grosses von theatralischen
Vorstellungen zu zeigen. In dem heutigen Stück erscheint zum ersten-
mal ein Bauer und ein Bauern-Mädgen, welche durch ihren natürlichen
Mutterwitz, ohne Erziehung und ohne erlernte Gesetze, das Recht
der Natur und der Menschenliebe, mit ihrer gesunden Vernunft ganz
natürlich vorstellen. Das Thema ist eine Erfindung unseres Impresarii,
wozu ihm ein und andere Scenen aus dem französischen Theater
Anlass gegeben; Übrigens ist dieses Stück mit verschiedenen Arien
gezieret, welche von Bernardon und Fiametta gesungen werden.
Wegen Enge des Platzes wird ein kurzes Ballet nur von 6 Personen den
Beschluss machen. Der Schauplatz ist im allhiesigen Opernhause.
Der Anfang ist um 5 Uhr der kleinern. Auf der Loge zahlt die
Person 45 kr. Auf dem Parterre der erste Platz 30 kr. Der andere
20 kr. Auf der Gallerie 8 kr. Bei welchem Leggeld es der Impre-
sarius ohnerachtet des grossen Unterschiedes der Gesellschaft und
des grossen Aufwandes gleich andern aus Ergebenheit gegen unsere
anzuhoffenden Gönner bewenden last. Auf das Theater kann niemand,
weder mit noch ohne Geld gelassen werden.
Der Beginn des Schauspieles war vom 11. Juni bis
30. Juli auf 5, von da auf halb 6 Uhr „der kleineren"
festgesetzt. In Nürnberg unterschied man damals zwischen
der „grösseren" und der „kleineren" Uhr. Jene richtete
sich nach Aufgang der Sonne, zählte Eins eine Stunde
nach Aufgang und beginnt eine Stunde nach Sonnen-
untergang wieder mit Eins. So schlägt die Uhr in den
längsten Tagen 16 in den kürzesten 8 Stunden des Tags
und umgekehrt des Nachts. Die „kleinere Uhr" ist die
jetzt allgemein gebräuchliche. Die Komödie begann
demnach zuerst um 5, dann um halb 6 Uhr Nachmittags.
München 1765. Nürnberg 1^66. Nürnberger Repertoire. 14//
Es war nicht ganz richtig, wenn in dieser Anzeige
der „Insul der gesunden Vernunft 8 behauptet wurde:
„Das Thema ist eine Erfindung unseres Impresarii, wozu
ihm ein und andere Scenen aus dem französischen Theater
Anlass gegeben*. Die Sache verhält sich vielmehr so.
Wie A. R. Le Sage durch seinen „Diable boiteux" den
trefflichen Sittenschilderer F. C. Dancourt zu seinem
Drama gleichen Titels angeregt hatte, so regte J. Swift
durch seine „Travels of Gulliver" den witzigen P. C. de
Marivaux zu seiner „L'Isle de la Raison, ou: Les Petits
Hommes" an. Es ist bekannt, dass weder in der An-
empfindung des Dancourt, noch in der des Marivaux
von dem Originale mehr als das übrig blieb, was die
Franzosen einen „Soupcon" nennen. Und beiläufig in
demselben Verhältnisse steht auch Kurz zu seinen fran-
zösischen Vorbildern. Seine Bearbeitung ist auch in
diesem Falle sehr frei, aber das Thema ist nicht seine
Erfindung. Eine Inhaltsangabe dieses beliebten Stücks
mit Kurz' eigenen Worten bringt ein Zettel aus Danzig vom
Jahre 1771» welchen wir später (Abschnitt XII) mittheilen.
Diesem Stücke folgte:
Mit gnädiger Bewilligung Einer Hochgebietenden Obrigkeit wird
die von München angekommene Gesellschaft deutscher Schauspieler
unter der Impresa des Herrn Joseph von Kurz heute Donnerstag
den )2ten Juny 1766 zum zweytenmal ihren Schauplatz eröfnen und
auf demselben vorstellen, ein Lust-Spiel von drey Aufzügen, betitult:
Le M er euere Gallante Oder der in die Feder verwandelte Degen.
Mit Odoardo dem unwissenden Nebenbuhler seines Sohnes, und
Bernardon dem Cameleon, in sechserley Gestalt. Vorkommende
Charakteur des Bernardons: 1) Einen Petit-Maitre. der gerne ein
Edelmann seyn möchte. 2) Einen banquerotlirten Buchhändler. 3) Eine
galante Wittfrau. 4) Einen Schneidergesellen, der Herschaftsdienste
sucht. 5) Einen ungetreuen Mauteinnehmer. 6) Einen verdorbenen
Impresari und Capellmeister. An den Leser! Man hat dieses Lust-
spiel vorsetzlich ausgesucht, weilen uns die Enge des Platzes nicht
gestattet, einige Verwandlungen oder Maschinen anzubringen; In-
zwischen ist es von solcher Gattung, dass man sich wird einiger-
massen einen Begrif von unsern künftigen Vorstellungen machen
können. Die verschiedenen nach dem Leben geschilderten Charak-
teurs unsers Bernardons werden zeigen, wie wenig ähnlich ihm andere
l 4 8 JOHANN JOSEPH FELIX VON KUkZ.
in solchen Stellen sind, 1 ) und wie ungerecht man sieh solcher Per-
sonagen anmasset, wozu so viel Kunst und Geschicklichkeit erfordert
wird, um sie nach der Natur zu bilden; die Madame Theresina de Kurz
wird unterdessen ebenfalls Gelegenheit haben, sich in einigen Charak-
teren zu zeigen, und dabey eine italienische Arie singen, bey unserem
abermaligen Anfang in dem neuen Comödienhauss aber wird man etwas
vollkommeners zeigen können. Den Beschluss macht ein Ballet . . . u
Auch dieses Lustspiel lehnte sich an ein französi-
sches Original an : „Le Mercure Galant, ou : La Comedie
sans Titre" von Edme Boursault. F. L. W. Meyer, der
Biograph F. L. Schröders, nennt es „eine mehrentheils
aus dem Stegreif gespielte Nachahmung". Kurz spielte
die Rolle des berühmten Komikers Preville, der eben-
falls sechs verschiedene Charaktere darstellte und in
diesen Ludwig XIV. mit den Anspielungen auf alle mög-
lichen Pariser Tagesereignisse unterhielt. Kurz erschien
unter andern auch als galante Wittwe, „die sich bei dem
Herausgeber einer Zeitschrift nach Messneuigkeiten er-
kundiget und ihm dergleichen mittheilte". Er benützte
diese Scene gewöhnlich dazu, seine ganze Gesellschaft
dem Publikum in drastischen Extempores vorzuführen. 2 )
So ward ihm diese Komödie zu einer Art von Gelesren-
heitsstück, mit dem er, wie bereits bemerkt, gerne eine
neue Impresa eröffnete. Mit dem „Mercure Gallante"
schloss gewissermassen der Prolog des Nürnberger Unter-
nehmens, die Vorstellungen im neuen Opernhause. »Die-
jenigen im neuerbauten 4 Comödien-Hausse im Fechthauss"
wurden folgendermassen angekündigt:
Mit gnädiger Bewilligung Einer Hochgebietenden Obrigkeit wird
die von München angekommene Gesellschaft deutscher Schauspieler
1 ) Der Passus „wie wenig ähnlich ihm andere in solchen Stellen
sind" bezog sich offenbar auf Gantner, der, ebenfalls ein geborner
Wiener, den Bernardon täuschend nachahmte und mit seinen Bernar-
doniaden anfangs in den österreichischen Provinzen, dann in Nord-
deutschland, vor allen in Hamburg, grosse Erfolge errang, und viel
Geld verdiente, schliesslich aber als sehr verwendbarer Darsteller
zum regelmässigen Schauspiel überging.
*) F. L. W. Meyer, Friedrich Ludwig Schröder (I. B. 163.) Ham-
burg 1819.
München 1765. Nürnberg 1766. Nürnberger Repertoire. 149
tinter der Imprcsa des Herrn Joseph von Kurz heute Dienstag den
24 Juny 1766 zum erstenmal ihren neuen Schauplatz eröfnen und
auf demselben vorstellen ein christliches Trauerspiel in Versen und
fünf Aufzögen, des Freyherrn von Cronegk weyland Hochfürstlich
Anspachischen Kammer Junker, Hof und Regierungs-Rath, genannt:
Olint und Sophronia. Hiernächst wird auf einem auf das prächtigste
ausgeschmückten, und auf das herrlichste beleuchteten ganz neuen
Schauplatz ein musikalischer Epilogus erfolgen, betitult: die Dank-
barkeit des Iropresarii. An den Leser. Der Ruhm des Herrn Ver-
fassers des heute gewählten Trauer-Spiels, ist schon von solchem
Werth, dass er die Stelle des ganzen Vorberichts ersetzen kann,
sein einziger Nähme ist ihm schon eine Lobrede, ein jeder Verehrer
seiner grossen Verdienste, wird seinem Gedächtniss dieses Klaglied
widmen: Ewig Schade, dass er dem Staat, dass er der gelehrten Welt
zu früh entrissen worden; Und was hätten sich nur die schönen Wissen-
schaften von seinem Eifer vor dieselben versprechen dürfen? Dann
nie hat wohl ein tragischer Dichter in einem so engen Plan den ganzen
weiten Umfang aller menschlichen Leidenschaften auf cinmahl rege
machen, und denen erlaubten, über die sträflichen, so rührend und so
einnehmend den Sieg zueignen können, dass er sowohl hicrinn als auch
in der reinen Poesie allezeit unnachahmlich bleiben wird. Wir machen
damit den Anfang, da wir uns nun im Stande sehen, nach unseren
Absichten, und der hegenden ehrfurchtsvollesten Achtung vor die
hiesigen Kenner und Liebhaber einer reinen deutschen Schaubühne
etwas vollkommenes zu zeigen, es wird unsere Pflicht seyn, durch
eine befliessene Ausarbeitung der Charaktere dem Werth eines so
vollkommenen Stückes nichts zu entziehen, eine hier niemahlen ge-
sehene nur möglich theatralische Pracht wird sowohl dasselbe, als
auch den darauf folgenden musicalischen Epilogum unterstützen und
unsern Gönnern vergnügen, uns aber Ehre und Beyfall verschaffen.
Personen des Trauerspiels: Aladin, König zu Jerusalem. Argant,
ein egyptischer Feldherr. Ismenor, ein mahometanischer Priester.
Olint, ein heimlicher Christ. Evander, dessen Vater. Sophronia,
eine Christliche Jungfrau. Serena, ihre Freundin. Clorinde, eine per-
sische Prinzessin. Hernicie, ihre Vertraute. Mahomedanischc Priester.
Saracenische Wache. Persische Wache. Der Schauplatz ist in dem
neuerbauten Comödien-Hausse im Fechthauss. Der Anfang ist um
5 Uhr der kleinem. Die Einrichtung und das Leggeld der Plätze
ist folgend ermassen: Erste Gallerie 48 kr. Erstes Parterre 48 kr.
Zwcyte Galleric 30 kr. Zweytes Parterre 30 kr. Dritte Gallerie
18 kr. Auf dem letzten Platz 8 kr.*)
*) In gleicher Weise kündigte Kurz das Stück 1767 auch in
Frankfurt a. M. an.
ISO JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
Es spricht jedenfalls für den Geschmack der Nürn-
berger, dass Kurz es wagen durfte seine eigentliche Impresa
mit einem regelmässigen Drama, noch dazu mit einer
Tragödie und obendrein mit einer deutschen Tragödie
zu eröffnen. Es spricht aber noch mehr für diesen Ge-
schmack, dass das Wagniss von einem für beide Theile
so ehrenvollen Erfolge begleitet war. Nicht nur, dass
Kurz sich mit Recht berühmen konnte, das Trauerspiel
sei von seiner Schaubühne mit allgemeinem Beifall auf-
genommen worden, und „die Gewogenheit seiner Gönner
sei so weit gegangen, der ihm zum Glück gelungenen
charaktermässigen Ausarbeitung desselben, in öffentlichen
Zeitungen erwähnen zu lassen", sondern er konnte auch
in kurzer Zeit eine für jene Tage ganz respektable Reihe
regelmässiger Stücke zur Aufführung bringen. Da nach
damaliger Sitte der Theaterzettel wohl die Personen des
Stückes, nicht aber auch deren Darsteller angab, so tritt
in dieser Beziehung an die Stelle der Gewissheit die
Vermuthung. Doch dürfte der junge Bergopzoomer den
Olint, Kurz selber den Evander, Madame Theresina von
Kurz die Clorinde und Frau Mecour die Sophronia
gegeben haben. Allerdings eine etwas fragwürdige Be-
setzung.
Es haben sich, was anderswo nicht oft vorkommt,
zwei nahezu vollständige Suiten von Theaterzetteln aus
der Zeit der Kurz'schen Impresa in Nürnberg erhalten,
durch deren Combination es möglich wurde fast den
sämmtlichen vom 11. Juni bis 2. October 1766, so lange
währte die Impresa, gegebenen Vorstellungen zu folgen.
Diese Theaterzettel in ihrem ganzen Umfange wieder
zu geben, wie dies mit den Anzeigen der ersten drei
Abende geschah, würde zu weit führen. Doch mögen
deren Titelangaben und besonders charakteristische Be-
merkungen hier eine Stelle finden. Es wurde gegeben:
Mittwoch den 25. Juny ein regelmässiges Lustspiel in unge-
bundener Rede und fünf Aufzügen, genannt: Triumph der guten
Frauen über die Thorheit eines jungen und treubrüchigen
München 1765. Nürnberg 1766 Nürnberger Repertoire. 151
Ehemannes. Oder Bernardon die übel abgefertigte Hausshältcrin. *)
Und weil vielleicht gestern einige Gönner der gehorsamsten Zueig-
nung nicht haben beywohnen können so wird zum zweyton und
letztenmal der musikalische Epilogus: die Dankbarkeit des Im-
presarü auf einem auf das beste ausgeschmückten und auf das
herrlichste beleuchteten Schauplatz den Beschluss machen.
f^" Donnerstag den 26. Juny; ein Trauerspiel in ungebundener Rede
und drey Aufzügen, genannt: Bhynsolt nnd Saphira.*) An den
Leser. Wir wissen, dass dieses Trauerspiel allhier nicht ganz neu
allein, da alle die es je gesehen weder an seiner Güte, noch auch
an oinem merklichen Unterschied in der Vorstellung zweiflen werden,
so haben wir noch ein Ursache, die uns bewogen solches vor heute
zu bestimmen und dieses ist die beliebte Kürze, weil wir dadurch
Zeit gewinnen in den Comiquen etwas vorzügliches zu zeigen und
dieses besteht in einer ganz neuen Opera comique betitult: die
lustige Juden-Hochzeit, oder Bernardon der betrogene Babbiner.
Ebenfalls von unserem Impresario verfertiget. Weder Fleiss noch
Unkosten sind bei derselben gespart, verschiedene künstliche Maschinen,
und die schönsten Decorationen werden so das Aug, als das nach der
besten Musik gesetzte über eine Stunde daurende Singspiel Selbsten,
das Gehör auf die angenehmste Art ergötzen. Es ist darinnen nichts
Nachthoiliges wider die Judenschaft enthalten, nur ein und andere
Gebräuche hat der Herr Verfasser von ihnen beybehalten, das übrige
sind Erfindungen von ihm, welche belustigen, es ist durchaus gesungen,
und die meisten Arien sind jüdisch; die Trauung geschieht an einem
Ort, wo das Lauberhüttenfest gehalten wird, welches den schönsten
Anblick zeiget, und ist überhaupt die ganze Vorstellung prächtig.
Madame Theresina von Kurz, welche noch nicht Gelegenheit gehabt,
in dieser Gattung theatralischer Übungen hier ihre Stärke zu zeigen,
wird Bewunderung erwecken; nebst ihren vortrefflichen Arien, erscheint
sie darinnen als Eahel, als eine Liedersingerin, als eine Tyrolerin,
als eine alte Eastanienbraterin, als affectirter Petit-Maitre, und bey
einem jeden dieser Charaktere geschiehet eine besondere Verwandlung
zum Beschluss zeiget Sie sich als jüdische Braut im Tanzen.
Singende Personen in dieser Opera Comique.
Rabbi, verliebt in
Eahel, Tochter des Coschmagimbert.
Daniel, der Bräutigam der Rahel.
Jacob, Vater des Daniel, ein Zauberer.
David, ein jüdischer Bedienter.
») In dem damals allenthalben gegebenen Lastspiele, Der Triumph der
guten Frauen yon Johann Elias Sohlegel, spielte Madnrao von Kurz die Hilaria,
„unter dem Namen Philinto in Männerkleidern" und Frau Mecour die Juliana.
*) Von Christian Lebrecht Martini.
152 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
Bey der Trauung sclbsten erscheinen etliche zwanzig Juden und
Jüdinnen, welche mittanzen und mitsingen, das Stück aber schlicsst
sich mit einem Chor von allen diesen Juden und Jüdinnen. Man wird
nichts angenehmeres sehen können, um so vielmehr, da die Auszierung
in ihrer ganzen Vollkommenheit erscheinen wird.
NB. Wenn etwa bishero nicht alle Liebhaber der Schauspiele
wären mit denen Zetteln versehen worden, so belieben solche ohnziel-
setzlich Dero Namen und Wohnung bey dem Impresario in den drey
Königen anzeigen zu lassen, damit solche künftig können richtig be-
dient werden. Der Schauplatz, ist in dem neuerbauten Comödienhausse
im Fechthauss. Der Anfang ist um 5 Uhr der kleinern. Die Einrichtung
und das Leggeld der Plätze ist folgendermassen : Erste Gallcrie 48 Kr.
Erstes Parterre 48 Kr. Zweyte Gallerie 30 Kr. Zweytes Parterre
30 Kr. Dritte Gallerie 18 Kr. Auf dem letzten Platz 8 Kr. Auf
das Theater kann niemand, weder mit noch ohne Geld gelassen werden,
damit die Schauspieler nicht gehindert sind.
Montag den 30. Juny: ein hier noch niemal gesehenes Lustspiel
von drey Aufzügen, genannt: Bernardon der dreysigjährigc ABC
Schüler, Oder der reiche Bauer und der arme Edelmann Mit
Fiametta einer arglistigen and zuletzt glücklich gewordenen
Haubenhefterin. Dann folget abermal die Opera Comique betitult:
die lustige Juden-Hochzeit, oder Bernardon, der betrogene
Rabbiner.
Dienstag den 1. Julii: ein Schauspiel in ungebundener Rede und
drey Aufzügen, genannt: Bernardon und Bernardina die zwey
Gleichen in zweyerley Geschlechtern, Oder die geraubten und
zuletzt glücklich gewordenen Zwillinge. *) An den Leser. Es sind
„Zwei Gleiche" erschienen seit Plautus Menaeohmen häufig auf der Bühno
und waren eine dankbare Aufgabe für Schauspieler von gutem Nachahmungs-
talent. In Nürnberg selbst hatte Jacob Ayrer eine „Comedia von zweyen Brüdern
auss Syracusa" gedichtot und ein Nürnberger Komoedienyerzeichniss ans dem
Anfang des 18. Jahrhundert erwähnt: „Die zwey einander gleichsehento Brüder".
„Zwey verwechselte Brüder Carl und Julius". (Jahrbuch der deutschen Shake-
speare Gesellschaft. B. 19, 1884). Aber auch die angebliche Neuerung des Kurz
„Zwey Gleiche von zweyerlei Geschlecht" war stofflich nicht neu. Die Academia
degli Intronati in Siena gab 1531 : „Gli Ingannati", gleichsam die Urkomoedio
der Verwechslung von Bruder und Schwester, welche später Lope de Rueda
als „Comedia de enganos" (Sevilla 1576) herausgab und dnren Übersetzung von
M. Rapp Kurz wahrscheinlich kannte. Wenn Kurz also die Neuheit seiner
Komoedie betont, so kann seine Yersicherung nicht für den Stoff, aber vielleicht
für die schauspielerische Ausbeutung desselben gelten. * In den älteren Stücken
scheinen nemlioh die Rollen der gleichen Geschwister wie in „Was ihr wollt"
von jungen Liebhabern, oder von Liebhaber und Liebhaberin gespielt worden
zu sein, ohne Tendenz der Parodie des schauspielerischen Collegen. Wenn nun
Kurz ankündigt: seine Gattin Theresina wird als „Bernardina unter dem Nahmen
Bernardon" seinen schauspielerischen Charakter bewunderungswürdig nach-
ahmen, wie Bernardon seinerseits die weiblichen und künstlerischen Manieren
München 1765. Nürnberg 1766. Nürnberger Repertoire. 153
zwar schon öfters zwey Gleiche auf der Schaubühne erschienen, allein
von zweyerley Geschlecht wio in dem heutigen Stück noch nicraal;
unser Impresarius, welcher der Verfertiger desselben, hat es auf sich,
und auf die Stärke der Madame Theresina von Kurz gearbeitet,
welche als Bernardina unter dem Namen Bernardon den Charakter
desselben bewunderungswürdig nachahmen wird. Darauf folget, weil
die Decorationen noch stehen, zum dritten unjl letztenmal die Opera
Comigue, betitult: die lustige Juden-Hochzeit, oder Bernardon der
betrogene Rabbiner.
Mittwoch den 2. July: ein Schauspiel in Versen und drey Auf-
zügen, genannt: Deinetrius, *) aus dem Italienischen des Herrn Abb.
Metastasio gezogen. Es wird eine ganz neue kostbare Kleider-Tracht
erscheinen. Den völligen Beschluss wird heute zum allererstenmal
ein neues Singspiel machen, genannt: Bernardon, die versoffene
Gouvernante. Ein auf französischer Art eingerichtet Divertissement.
Welches in Singen und Tanzen bestehet und auf Angabe des Impre-
sarii in Prag der Schaubühne gewidmet worden. Madame Theresina
von Kurz, und unser Bernardon werden trachten sich in diesem Sing-
spiel besonders zu signalisiren.
Donnerstag den 3. July: ein hier noch niemals gesehenes Lust-
Spiel von drey Aufzügen, genannt: Die Liebe in unterschiedenen
Gestalten, Oder die Reise des Mercurii auf die obere Welt, nnd
die unter die ovidischen Götter versetzte Kanfmanns-Tochter An-
giola. Bernardon, welcher die Rollo des Mercurii spielet, erscheinet
in diesem vorzüglich lustigen Stück, in folgenden Charakteren: 1.) Als
ein Cavalier. 2.) Als Leander. 3.) Als Flavio. 4.) Als ein Gärtner-
Junge. 5.) Als Laquey. 6.) Als Odoardo. 7.) Als ein Gärtner selbst.
Und sowohl derselbe, als auch die Madame Theresina von Kurz, werden
einige Arien singen. Darauf folget zum Beschluss zum zweyten und
letztenmal das so sehr beliebte Singspiel, genannt: Bernardon die
versoffene Gouvernante. %
Montag den 7. July: eine grosse Maschinen-Flug und Verwand-
lungs-Comödie, betitult: Die Gelsen-Insnl oder die Spazen-Zauberey,
und Bernardon der verrückte Regens Chori. Nach diesem vor-
treflichen Lustspiele machet heute zum allererstenmal ein grosses
Ballet den Beschluss, in welchem sich auch ein berühmter Tänzer in
soiner Gattin in pikanter Weise karikirte, so dürfte das allerdings etwas Neues,
für Bernardon 1 !} Publikum höchst Ergötzliches gewesen sein. Übrigens gab auch
die Schulz'sche Truppe ein italienisches Stegreifspiel : „II marito geloso u mit
der Ankündigung : „Heute stellet Colombina den Hanns-Wurst und Hanns- Wurst
die Colombina vor*.
Kurz, der nooh immer mit Wien und seinen alten Wiener Freunden in
lebhaftem Verkehr stand, hatte von F. W. Weißkern dessen Dcmetrius von
P. Metastasio, der auch in Wien gegeben wurde, überkommen.
154 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
einem Pas de Deux zum allererstcnmal zeigen wird. Das Ballet führet
den Titul: La Double Inconstance; zu deutsch: Die doppelte Un-
beständigkeit. NB. Die Sccne zu dem Ballet stellet eine angenehme
Landschaft vor.
Mittwoch den 9. July: ein Trauerspiel in ungebundener Rede
und fünf Aufzügen, betitult: Der Freygeist. *) Den Beschluss macht
abermals das grosse fallet, genannt: La Donble Inconstance; zu
deutsch: Die doppelte Unbeständigkeit.
Donnerstag den 10. July: eine Opera comique in drey Auf-
zügen genannt: Der Prahler ohne Geld, oder der betrogene Be-
trüger. ■) Darauf folget das so sehr beliebte Trauerspiel, ebenfalls in
Versen und einem Aufzuge: Der Einsiedler.
Montag den 14. July: eine ganz neue hier niemahls gesehene
Opera comique oder musicalisches Singspiel von zwey Aufzügen,
genannt: Der Weiber-Feind. 3 ) An den Leser. Wir hatten zwar
vor beute ein Lustspiel bestimmt, aus bewegenden Ursachen aber ist
dieses überaus schöne, hier niemahls vorgestellte Singspiel gewählet
worden. Es ist abermahl ein Werk unseres Impresarii, dem der Bey-
fall nicht entgehen kann, indem es blos auf ihn und auf die Madame
Theresina von Kurz gemacht worden. Die vortrefliche Music dazu
hat ein berühmter Capellmeister verfertiget. Die besonders darinn
vorkommenden Auszierungen und Verwandlungen des Schauplatzes,
die lustigen Arien und der angenehme Innhalt des Stückes selbst,
sind Bürge vor eine allgemeine Zufriedenheit. Darauf folget ein Lust-
spiel in reinen deutschen Versen und zwey Aufzügen, genannt: Der
hellsehende Blinde aus dein Französischen des Herrn le Grand,
welches gleichsam als ein Zwischenspiel mit der Opera Comique
abwechselt. Den völligen Beschluss macht heute zum erstenmal ein
ganz neues grosses Ballet, genannt: Der Scherenschleiffer; Wo-
rinnen abermahl der erst neulich hier angekommene berühmte Tänzer
sich besonders hervorthun wird.
Mittwoch den 16. July: ein Trauerspiel in reinen deutschen
Versen und fünf Aufzügen, des Freyherrn von Cronegk, genannt:
Codrus. Den Beschluss macht heute abermal und zwar mit mehrerer
Vollkommenheit das grosse Ballet, genannt: Der Scherenschleiffer«
Von Joachim Wilhelm von Brave.
2) Der „Prahler ohne Geld" wird dorn F. A. Nuth zugeschrieben. Durch
„Der Eremit 11 wollte C. GK Pfeffel die den Rührstücken folgenden allzu lustigen
Nachspiele verdrängen. Doch meinte Lessing: er wolle vom Weinen doch noch
lieber zum Lachen als zum Gähnen übergehen. Die Nürnberger waren diesmal
nicht seiner Meinung. Sie aplaudirten dem „Einsiedler* 4 lebhaft.
3) Wohl nur eine Bearbeitung von: Bernardon, der verliebte Weiberfeind,
(Ein gesungenes Lustspiel. Worto von F. W. Weiskern. Musik von Faunor.)
worin Kurz bereits in Wien eine Glanzrollo hatte.
München 1765 Nürnberg 1766. Nürnberger Repertoire. 155
Worhmen abermahl der erst neulich hier angekommene berühmte
Tänzer sich besonders hervorthun wird.
Donnerstag den 17. July: Auf vielfältiges Verlangen wiederholt:
Das Singspiel: Der Weiber Feind von zwey Aufzügen, Nebst dem
Lust-Spiel der hellsehende Blinde aus dem Französischen des Herrn
le Grand ebenfalls von zwey Aufzügen, welches gleichsam als ein
Zwischenspiel mit der Opera Comique abwechselt. Zum Beschluss:
Der Scherenschleifer. *)
Montag den 21. July: ein Lust-Spiel von drey Aufzügen, mit
Verwandlungen, Maschinen und Verkleidungen, genannt: Die Zauber-
Trommel des Orpheus, oder Bernardon, der glückliche Besitzer
des Schlägels Appolinis. Vorkommende Personagen des Bernardons:
A , «j . Diese beyden Verwandlungen geschehen in einem
' Augenblicke, bey welcher letzterer Bernardon durch
A 1 s A p p 1 1 dne Pyramide spriDgt<
Als Taschenspieler, singt eine Arie, Als steurischer Bauer, singt eine
Arie. Als schwäbischer Schneckechändler, singt eine Arie. Als
Husar, singt eine Arie. Als Polak, singt eine Arie. Als Croatel
singt eine Arie. Als Schuster singt eine Arie. Als Astrologus
singt eine Arie. Letzlich wird Bernardon auf Befehl der Alten,
an einen Baum gebunden, um ihn zu erschiessen. Hier geschiehet
eine sehenswürdige Verwandlung. Und wie dieses Stück überhaupt
eine besondere Fatique unsers Bernardons ist, so versichern wir in
allen diesen vorkommenden Charakteren alle Kunst und Natur, und
von dem ganzen Stück alle Zufriedenheit. Den Beschluss macht heute
zum erstenmal ein neues grosses Ballet, genannt: Der geplagte
Schmidt.
Dienstag den 22. July: ein ganz neues Trauerspiel in ungebun-
dener Rede und drey Aufzügen, genannt: Miss Fanny oder der
Schifbruch. An den Leser. Dieses Trauerspiel ist noch ganz neu,
und vor etlichen Monaten erst aus der Feder des Verfassers, vor den
höchsten Hof von dieser Gesellschaft in München mit grossem Beyfall
zum allererstenmal vorgestellt worden. Herr Brandes ein sehr
geschickter Schauspieler, ehemaliges Mitglied dieser Gesellschaft, nun
aber bey der Schuchschen in Preussen, ist der Verfasser davon. Es ist
ein Original-Stück und hat nebst dem vortreflichen Moral, seine be-
sondere Schönheiten und in Ansehung des Rührenden, viele Vorzüge,
welche bey einer geschickten Vorstellung, Kennern nicht verborgen
bleiben können. Darauf folget ein Lustspiel in Versen und einem
Aufzuge, genannt: Das ausgerechnete Glück, oder der Herzog
Michel. 2 ) Den Beschluss macht heute zum zweytenmal das grosse
Ballet, genannt: Der geplagte Schmidt. N. B. Vor diese Woche
») Von Franz Öchuch.
3) Von Jobann Christian Krüger.
156 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
wird der Schauplatz wegen einfallenden Jacobi-Feyertage mehr nicht
als morgen eröfnet werden.
Mittwoch den 23. July: ein neues Schauspiel, welches mit vielen
Verkleidungen und wohl componirten Arien gezieret ist, genannt:
Fiametta Abandonata : Das ist die verlassene Fiametta, oder der
bezauberte Toupenkamm des Pluto, und der verhexte Fingerhut
der Proserpina. Mit Bcrnardon dem von Fiametta fast rasend
gemachten Besitzer des bezauberten Toupenkamms. Dieses heutige
Schauspiel ist hauptsächlich auf die Personage der Fiametta einge-
richtet, in welchem sie folgende Veränderungen vorstellet: 1.) Eine
von ihrem Amanten verlassene Braut, wo sie eine italienische Arie
singet. 2.) Einen Leichenbitter in der Trauer, wo sie eine deutsche
Arie singet. 3.) Einen vergnügten Bothen ihres Vaters; Alsdann
endiget sie den ersten Actum mit einer deutschen Arie über die Un-
treue des männlichen Geschlechtes. Im änderten Actu zeiget sie sich
4) als einen von seiner Frau betrogenen Spanier aus Katalonien, wo
sie eine italienische Arie singet und 5) zum Beschluss des änderten
Actus singet sie als Fiametta ein lustiges deutsches Duetto mit Ber-
nardon. Im dritten Actu zeiget sie sich G) als ein lustiger Vetter
des Bernardons, wo sie alsdann alle Verwirrungen nach eigenen Ver-
langen glücklich endet, und dieses Schauspiel 7) mit einer deutschen
Arie beschliesset. N. B. Die Personage der Fiametta, welche sehr
faticant ist, wird die Madame Theresina de Kurz machen. Darauf
folget auf vielfältiges Begehren das so sehr aplaudirte Trauerspiel
von einem Aufzugo genannt: Der Einsiedler. Den völligen Beschluss
macht das grosse Ballet: Der geplagte Schmidt«
Montag den 28. July: das aus dem Italienischen des Herrn Gol-
doni übersetzte Lust-Spiel unter dem Titel: Der Cavalier und die
Dame oder die zwey gleich edlen Seelen. 1 ) In drey Aufzügen.
N. B. Die Person der Donna Eleonora stellet die Madame Theresina
vor. Den Beschluss machet ein neues grosses Ballet: genannt: Die
falsche Werbung.
Mittwoch den 30. July : das Trauerspiel in Versen und fünf Auf-
zügen, genannt: Der Renegat« 2 ) Den Beschluss macht wieder das
neue grosse pantomimische Ballet: genannt: Die falsche Werbung«
Donnerstag den 31. July: ein Lust-Spiel von drey Aufzügen,
genannt: Bernardon der Plauderer. Ein Stück, welches mit dem
angenehmsten Scherz und durchdringender reinen Lustbarkeit, von
Anfang bis zum Ende angefüllt ist. Nach dem zweyten Aufzuge
folget ein neues Ballet pantomime, betitult: Die Tyrolische
Kirchweihe. Den gänzlichen Beschluss macht abermal das grosse
pantomimische Ballet: genannt: Die falsche Werbung«
») Nach Carlo Goldoni.
2; Nach Breithaupt von Stephanie dem Älteren.
München 1765. Nürnberg I766. Nürnberger kepcrtoire. 157
Montag den 4. August: ein Trauerspiel in ungebundener Rede
und fünf Aufzügen, genannt: Amalia. 1 ) Den Beschluss macht ein
grosses Ballet.
Dienstag den 5. August: ein Lust-Spiel von drey Aufzügen,
genannt: Die Braut mit der Kappe, oder die zugleich geliebte
und gehasste Braut, und die gnädige Yaterstraffe. 2 ) Wir können
von diesem Stücke mit Wahrheit versichern, dass es unter die besten
Lustspiele gehöre; es hat seinen vernünftigen regelmässigen Plan
die besten Verwicklungen, welche sich zuletzt angenehm entwicklen
und in Ansehung der reinen Lustbarkeit, viele Vorzüge vor anderen
gemeinen Lustspielen. Darauf folget auf gnädigstes Verlangen das
sehr beliebte musikalische Singspiel von zwey Aufzügen: Der Weiber-
feind. Den Beschluss macht ein grosses Ballet.
Donnerstag den 7. August: eine auf diese Art noch niemals
gesehene Tragödie, genannt: Bernardon, die getreue Prinzessin
Pumphia, und der tyrannische Tartar-Knlikau. N. B. In dieser
lächerlichen Tragödie agiren lauter männliche Acteurs, und wird mit
kostbaren Kleidern, nebst einigen Arien von unserm Bernardon ge-
zieret seyn. Darauf folget auf höchstes Begehren, die Opera Comique,
betitult : Die Instige Juden-Hochzeit, oder Bernardon der betrogene
Rabbiner.
Montag den 11. August: Le diable Marie, oder Pelphegor
der verheyrathete Teufel, mit Bernardon dem Ambassadeur in
das unterirdische Reich. Avertissement. Dieses Lustspiel ist
in Wien von unserm Bernardon, aus der französischen Comödie Le
Diablo Marie, genannt, auf Anleitung einer gelehrten Feder, und nach
dem deutschen Geschmack, in das Lächerliche eingetheilet worden;
weilen nach dem Original ein und andere Scenen im Deutschen nicht
gar angenehm ausgefallen, so hat er sich bemühet diese Stellen zu
verdecken, und statt derselben das Lächerliche zu erwählen. Der
französische Autor fingiret, dass Pelphegor als ein unterirdischer Geist,
auf Befehl der Göttin Proserpina, auf die Oberwelt hätte kommen
müssen, sich allda zu verheyrathen, um zu erfahren, ob das Gerüchte,
dass so viele schlimme Frauen in der Welt wären, wahr seye. Dieses
ist der Stoff zu diesem Lustspiel; und da der Impresarius sich be-
mühet, die Eollen nach eines jeden Charakter einzutheilen, so wird
Madame Theresina die Personage der Rosalba agiren. Auch werden
einige Arien und Veränderungen zum Vorschein kommen; ingleichen
nebst andern Verwandlungen eine ganz neue Hölle sich zeigen. Ein
Stück mit Arien und Maschinen, worunter die letztere vorzüglich
sehenswürdig. Den Beschluss macht ein Ballet.
») Von Johann Christian Lossius.
8) Von Kurz.
158 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
Dienstag den 12. August: eine der lächerlichsten Burlesquen,
genannt: Der falsche Verdacht, oder Bernardon der unschuldige
Missethäter. Darauf folget eine neue Opera Comique, genannt :
Der neue krumme Teufel, oder der durch Hülfe des Geistes As-
modi Tom Heurathen abgeschröckte Medicus Arnold mit Fiametta
einer listig yerstellten Kranken; Und Bernardon dem durch
Zauberei glücklich gemachten Laquais. Nachricht. Weil diese
Opera Comique etwas kurz, und nur von zweyen Aufzügen ist, so
wird obiges Lustspiel abwechseln, und zwar also, dass nach der zweyten
Abhandlung desselben, ein Aufzug von dem Singspiel, nach dem dritten
Theil des Lustspiels ein Ballet erfolgen, den völligen Beschluss aber,
der zweyte Aufzug von dem Singspiele machen wird.
Mittwoch den 13. August: ein Lust-Spiel von drey Aufzügen,
genannt: Pamela, oder: Die belohnte Tugend. Dem Italienischen
des Herrn Karl Goldoni nachgeahmet, von Friedrich Wilhelm Weiskern.
Den Beschluss macht ein Ballet.
Ohne Datum: aus hoher Ursache repetirt, die von unserem Ber-
nardon in Wien componirte Opera Comique betitult : Der krumme
Teufel, oder Fiameta in der Masquera. Nachdem aber diese Opera
Comique etwas kurz, und nur von zweyen Aufzügen ist, so wird ein
anderes Lustspiel von zweyen Aufzügen im Anfang und nach dem
ersten Actus abwechseln, genannt : Bernardon der weinende Amant,
Oder: Der sich bald in die Augen, bald in die Stirne, bald in
die Nase, bald in das Maul, bald in die Hand, bald in ein Grübel
im Kinn, bald in eine schöne Taille verliebende Romanzen-Narr,
und Anbeter der vor etlichen hundert Jahren Yierfürstin von
Jerusalem, Gemahlin des Herodes. Den völligen Beschluss macht
ein ganz neues Ballet; genannt: Der bezauberte Schäfer, oder: die
eifersüchtige Zauberin.
Dienstag den 19. August: eine zum allerersten mal sehenswürdige
Maschinen-Comödie, genannt: Bernardons Hochzeit auf dem Scheiter-
hauffen, oder Ein ehrlicher Mann soll sein Wort halten» Madame
Theresina von Kurz wird mit einer neuen italienischen Arie den
Beschluss machen. Avertissement. Diese Comödie hatte vor et-
lichen Jahren in Wien, Pressburg, Prag und München das Glück
vielen Beyfall zu erhalten. Man wünschet hier in Nürnberg ein
gleiches Schicksal. Das ganze Lustspiel ist mit Maschinen, Arien und
Verkleidungen gezieret, und wir wollen an einer gnädigen Approbation
nicht zweifeln. Verkleidungen des Bernardons: Als ein Petit-Maitre
singt eine Arie, als ein verliebter Courtisan, in einem bezauberten
Sommerhauss. N. B. Dieses Sommerhauss verwandelt sich zu unter-
schiednen malen in einen Arrest, allwo von Bernardon und Rosalba
ein Duetto gesungen wird, alsdann verschwindet das Sommerhauss;
Bernardon zeiget sich als Kellner mit Rosalba in einem Bierhauss,
München 1765. Nürnberg 1766. Nürnberger Repertoire. 159
r!
wo Rosalba als eine Betrunkene ihre Arie singet. Alsdann zeiget
sich Bernardon in der Gestalt des Pandolpho auf eine lächerliche Art :
als Rosalba, als Celio, und als Satir; Letzlich, als ein verstellter Wirth,
wo er wegen seiner Zauberey zum Feuer condemnirt und auf einem
Scheiterhauffen gebracht wird. Endlich verwandelt sich der Scheiter-
hauffen in eine angenehme Sommerlaube, und wird mit der Heyrath
des Bernardons und der Rosalba, mit einer Arie der Beschluss gemacht.
Den völligen Beschluss macht ein ganz neues Ballet, genannt: Der
bezauberte Schäfer, oder: Die eifersüchtige Zauberin.
Mittwoch den 20. August : ein hier noch niemals gesehenes regel-
mässiges Lust-Spiel von fünf Aufzügen, genannt: Das Herren-Recht,
oder die Klippe der Weisen, oder aber Die Tagend, oder der
Adel im Geblüte. 1 ) Nachricht. Herr Voltaire, als der Autor von
dieser schönen Verfassung, hat ein rechtes Meisterstück gezeiget; da
aber in seinem Original, ein und andere Scenen für das deutsche
Theater nicht gar zu wohl gangbar waren, so hat der Impresarius
dieselben nach der deutschen Schaubühne verändert und eingerichtet,
doch so, dass von der Hauptsache und von der Schönheit der serieusen
und moralischen Scenen, nicht das mindeste ist abgenommen worden;
auch zum Übern" uss dieses schöne Stück noch vollkommener zu machen,
mit C neuen Arien gezieret, welche von Bernardon, Fiameta und
Coletta gesungen werden. N. B. Überhaupt hat man wohlbedächtlich
wegen einer gewissen Ursache, bis auf den heutigen Tag dieses Lust-
spiel noch aufbehalten. Den Beschluss machet das so sehr beliebte
neue Ballet, genannt: Der bezauberte Schäfer, oder: Die eifer-
Uchtige Zauberin.
Donnerstag den 21. August: ein hier noch niemals gesehenes
Schauspiel, genannt: Die in einer Person zugleich geliebte und
gehaste Braut, oder Bernardon, der rasende Zamor. Nachricht.
In diesem vortreflichen Schauspiele werden von Bernardon und Fiameta
unterschiedliche Arien gesungen, besonders werden die rasenden Scenen
des Bernardons dieses Stück um so viel angenehmer machen. Nach
^Tein zweyten Actus folget das neue Ballet: genannt: Der bezauberte
Schäfer, oder die eifersüchtige Zauberin. Den völligen Beschluss
machet auf vielfältiges Verlangen das lustige Singspiel genannt : Ber-
nardon die versoffene Gouvernannte.
Ohne Datum: ein hier noch nie gesehenes Lust-Spiel genannt:
Bernardon, Knecht und Herr, und Fiameta, Dienerin und Fran,
oder Bernardon, der deutsche Michel ans Paris.*) An den Leser:
Nach : Le droit du Soigneur von Voltaire.
2) Nach Destouchcs. Ein Zettel der Sohnlz'ächcn oder sog. Baadnerischen
Gesellschaft bringt folgende Ankündigung: „Ein sehr wohl ausgearbeitetes,
dem französischen des Hrn. Destouehes nachgeahmtes Lustspiel betitult: Die
glückliche Verwechslung oder Hanns- Wurst der deutsche Michel aus Paris und
l6o JOHANN JOSEPH FKLIX VON KÜRZ.
Man hat für den heutigen Tag eine der besten Pourlesquen hervor-
gesuehet, um die hohen Gäste mit aller erdenklichen Lustbarkeit zu
ergötzen. Die ganze Abhandlung ist auf die Personagen des Bernar-
dons und der Fiameta eingerichtet, und obwohlen dieses Stück in drey
Aufzügen bestehet, so ist es doch so kurz, dass die so sehr approbirte
Opera Comique auf hohes Verlangen unter denen Actibus wegen
Länge der Zeit ganz leicht abwechseln kann. Wird also vorige Opera
Comique für heute zum aller letztenmal erscheinen, genannt: Der
krumme Teufel, Oder Fiameta in der Masquera. Den völligen
Beschluss macht das grosse neue Ballet genannt: Der bezauberte
Schäfer, oder die eifersüchtige Zauberin.
Mittwoch den 27. August: zum allererstenmal eine hier noch
niemals gesehene Bourlesqtre genannt: Der verliebte Amster-
damer Medicus Sassafras mit seiner schönen Patientin Sassa-
parilie« 1 ) Bernardon stellet vor einen Erz-Intriguanten in Vermitt-
lung einer doppelten Heyrath ; und Fiameta eine Gelegenheitsmacherin
und getreue Gefährtin ihres Bräutigams Bernardon. Nachricht : Dieses
Lustspiel bestehet in lauter lustigen Begebenheiten, wozu Bernardon
und Fiameta den meisten Anlass geben werden. N. B. Unter der
zweyten und dritten Abhandlung wird allezeit mit einem Ballet ab-
gewechselt werden. Den völligen Beschluss macht ein lustiges Nach-
spiel; genannt: Bernardon der arme Görgel. s ) N. B. Man hätte
gerne wie sonst gewöhnlich, heute mit einer Tragödie oder regel-
mässigen Stück abgewechselt, weilen aber aus hoher Ursache auf die
morgige Vorstellung so viele Neuigkeiten im Stand zu bringen sind,
so wird in der zukünftigen Woche das Publicum mit einem neuen
Stück ganz gewiss bedienet werden.
Donnerstag den 28. August: eine ganz neue hier noch niemals
gesehene Opera Comique von einem Aufzuge, genannt : Die Insul
Colombina das durch die Kleider ihrer Fräule hochmüthig gemachte Stubon-
mädel, mit Jackerl, dem eigennützigen Kuppler des vor Liebe im Hirn ver-
rückten Herrn von Spornstreichs". Denselben Stoff: Vertauschungen von Knecht
und Herr, Dienerin und Frau behandelt : Die betrogene Betrüger. Lustspiel
in 3 Aufzügen. Aus dem dänischen des Frhrn. von Holberg übersetzt von
J. VV. Weiskern. 1753. Nach dem Manuscript in der k. k. Hofbibliothek 13, 193
wirbt Bernardon, der Diener des Leander in den Kleidern seines Herrn um
dessen Braut Isabella, wahrend gleichzeitig Colombine die Magd der Isabella
in den Kleidern ihrer Gebieterin den Bernardon als vermeintlichen Leander zu
kapern sucht. Es kommt zur Heirath zwischen beiden betrogenen Betrügern.
Daraus entstehen Confliote zwischen den wirklichen Herrschaften Isabella und
Leander, die jedoch nach Enthüllung der Spitzbübereien in Wohlgefallen sieh
auflösen. Das ungeschickte Spreizen der Dienerschaft in den Herrenkleidern
gab geschickten Schauspielern oft dankbare Aufgaben.
1) Ton Carl Richter.
*) Nach Moliere's George Daudin. „den Beschluss machet eine aus Monsieur
Moliero gezogene Nach-Comoedie, betitult : George Daudeiu, oder : der arme
George". (E. Mentzel 1. o. pag. 461.)
München 1765. Nürnberg 1766. Nürnberger Repertoire. 16 i
der Wilden, oder: Die wankelmüthige Insulanerin mit Arleqnin
dein durch Zauberey zum Abgott Rani, gemachten König der Insul
Tschalalai. An den Leser. Schwerlich hat man jemals auf der
deutschen Schaubühne ein Stück von solchem Worthe als dieses Sing-
spiel gesehen. Es bestehet durchaus in abwechslenden künstlichen
Maschinen, Pantomime, denen besten Arien und Ballet, es würde
einem jeden Königlichen und Fürstlichen Opern-Theater Ehre machen,
und folglich kann man es von keiner andern als von dieser Trouppe
vermuthen, da der uneigennützige Charakter unseres Impresarii, die
Kosten so dergleichen Vorstellungen erfordern, vor das wenigste an-
sieht, womit er das Vergnügen und die Zufriedenheit höchster, hoher
und geneigter Zuschauer befördern kann. Hier sind sie so wenig als
Mühe und Fleiss gespart, in dieser Gattung von Divertissements, etwas
ganz vollkommenes zu zeigen. Der Beschluss dieses Stückes, dessen
Zeitpunct ohngefehr etwas über eine Stunde dauert, wird beweisen,
dass wir hier nicht zu viel versprochen haben. Hierauf folget ein
hier gleichfalls niemal gesehenes Lust-Spiel von zwey Aufzügen, ge-
nannt: Die drey verheyrathete Lehn-Laquais; Nebst einein grossen
Ballet.
Montag den 1. September: wiederholt ein Lust-Spiel des Herrn
Carolo Goldoni von drey Aufzügen betitult: Pamela, oder: Die be-
lohnte Tugend» Den Beschluss macht heute zum erstenmal ein neues
Ballet, genannt: Der verliebte Tanzmeister.
Mittwoch den 3. September: ein Lust-Spiel von drey Aufzügen
betitult: Die verehlichte Pamela aus dem Italienischen des berühmten
Herrn Doctor Carolo Goldoni. Darauf folget das Ballet, genannt: Der
verliebte Tanzmeister.
Donnerstag den 4. September: eine ganz neue Opera Comique
von einem Aufzuge, genannt: Die Insul der Wilden, oder die wankel-
mttthige Insulanerin. Mit Arleqnin dem durch Zauberey zum
Abgott Ram, gemachten König der Insul Tschalalai. Hierauf
folget ein hier niemal gesehenes Lust-Spiel des Herrn Lessing von
einem Aufzuge, genannt: Die Juden. Die Schriften des Herrn Lessing
sind ebenso beliebt als bekannt, deswegen es überflüssig von dem
Werthe dieses angenehmen Stückes, einen weitläuftigen Vorbericht zu
geben. Dieses einzige erinnern wir, dass, da es lauter Charaktere in
solchem sind, es auch mit den möglichsten Bedacht auf dieselbe ein-
getheilet worden, so, dass wir eine vollkommen regelmässige Aus-
arbeitung auch hierinnen versichern können. Diejenigen aber, welchen
die Schriften obbemeldeten Verfassers nicht bekannt, bitten wir bey
Erblickung des Tituls: die Juden, solche nicht mit der von uns bereits
etlichemal vorgestellten Juden-Hochzeit zu vermischen.
Montag den 8. September: eine mit der besten Musik, denen
schönsten Verzierungen und sehenswürdigsten Verwandlungen durchaus
11
\&> JOHANN JOSfePrt FELI^ VON KÜR2.
angefüllte Pantomime von zwey Aufzügen, betitult: Arlequin au
tombeau, oder: Das Grabmahl des Arlequins. Nach Endigung
des ersten Aufzuges folgt ein Ballet, und die ganze Pantomime
schliesst gleichfalls ein neues Ballet; Nebst diesem wird hier zum
erstenmal vorgestellt, eine ganz neue hier niemalen gesehene Opera
Comique von einem Aufzuge und fünf Stimmen, genannt: Fiametta,
der ans Liebe sich verstellende grosswüthige Spanier, Oder die
das Glück hat, führt den Bräutigam nach Hause; Als einen
Gegensatz des bekannten Sprichworts : Der das Glück hat, führt
die Braut nach Hause. An den Leser. Wir sind überzeugt, dass
sehr viele von unsern Gönnern, die pantomimischen Vorstellungen des
berühmten Nicolini als eines Meisters, in dieser Gattung theatralischer
Divertissements zu sehen, Gelegenheit gehabt. Wir hoffen bey unserer
zur abwechsslender Unterhaltung abzielenden Nachahmung auf ihre
Gerechtigkeit, und das unpartheyische Urtheil, dass wir weder Mühe
Fleiss noch Unkosten gesparet, demselben hierin gleich zu kommen;
und dieses um so gewisser, da die ganze Einrichtung derselben, von
unserm Maschinen-Meister unternommen, welcher von Jugend auf bey
demselben ein Mitarbeiter in dieser Kunst, in dem Charakter des
Pirots gewesen, l^nter andern wird die Verwandlung des ganzen
Schauplatzes, welcher vorher durchaus ein prächtiges Grabmahl vor-
stellet, sehenswürdig seyn. Was das Singspiel anbelangt, muss es in
Ansehung der vortreflichen Musik, der besten Arien, und denen
lustigsten Auftritten der Fiametta, und deren übrigen Spielenden alle,
andre von uns hier vorgestellte Operetten übertreffen, und jedermann
Vergnügen und uns Beyfall erwerben.
Mittwoch den 10. September, wie am 8. d. Mts. N. B. Und
weil die erste Vorstellung solcher mühsamen Werke gleichsam nur
als eine Probe anzusehen, so wird man sich bey der wiederholten
aller möglichen Vollkommenheit bestreben.
Donnerstag den 11. September: ein hier noch niemal gesehenes
Lust-Spiel von drey Aufzügen, betitult: II GentiP Home per Hazard,
oder: Bernardon, der Edelmann von Ungefehr, Oder: der
fürchterliche Corsar in Deutschland; Mit Fiametta einer in-
tressirten Amantin, eines einfältigen jungen Herrns. An den
Leser. Zu was vor Ausschweiffungen kan nicht eine thörichte Mutter-
liebe gelangen, welche in ihrer Raserey so weit steiget, dass sie in
dem heutigen Stück, ihren von Geburt aus einfältigen Sohn, vor ein
adeliches Kind, der Welt darstellet. Wie wenig aber last sich die
Natur verläugnen, der Bauer, welcher zum Pflug gebohren, wird
selten oder gar nicht, den Edelmann an Tugend und Verstand gleichen.
Diese heutige Verwechsslung ist ein klares Beyspiel davon, und man
kann dieses heutige extra sehenswürdige Lustspiel, billig eine Opera
Comique nennen, weil durch alle drey Aufzüge, mit Arien und Duetten
München 1765. fttirnberg 1766. Nürnberger kepertoire. l6j
von Bernardon and Fiametten abgewechselt werden. Die nichts lernen
wollende Jugend, kan sich heute einen Spiegel nehmen, von der
Wahrheit des bekannten Sprichworts: Was Hansel nicht lernt wenn
er jung ist, wird Hanss nicht lernen wenn er alt ist. Nach dem
ersten Aufzug folgt ein Ballet, und das ganze Stück schliesst eben-
falls ein grosses Ballet.
Montag den 15. September: ein Trauerspiel in reinen deutschen
Versen und fünf Aufzügen von Frau C. A. Gottschedin, betitult:
Alziere, oder: Die Amerikaner« An den Leser . . . Madame There-
sina von Kurz spielet die Rolle der Alziere, und die übrigen sind alle
nach denen Charakteren vertheilet . . . Den Beschluss macht heute
ganz gewiss, ein neues grosses holländisches Ballet, wobey eine
prächtige Beleuchtung anzumerken ist.
Mittwoch den 17. September: ein von dem Wiener Theater ent-
lehntes allhier noch niemalen aufgeführtes Lust-Spiel, genannt: Der
durch die Ausschweiffung des Argwohns und der Treue, um seine
Gestalt gebrachte« in einen Strickrock versetzte und von einer
auserordentlichen Masquerade verwirrte, ans Gutwilligkeit um
das Seinige betrogene« durch Übereilung seiner Braut beraubte«
von einer mißbrauchten Notariats-Kunst geängstigte« aus Liebe
in den Schuldenthurm gerathene« durch Misgnnst zur Hcyrath
gezwungene« mit fremden Streithändeln überhäufte« bey dem
Anfang seines Glücks geplünderte« und bey dem Ausgang einer
seltsamen Jungfern-Bataille von Liebkosung halb erstickte Frontin«
Ein doppelter Ehemann« mit und wider seinen Willen, verliebtes
Nachtgespenst bey hellem Tage« lächerliche Braut zu jedermanns
Yerdruss« und gefährlicher Ehrendieb ohne sein Yerschulden in
dessen lustigen Elend das Sprichwort wahr wird: Eilen thut
selten gut; Oder: Die durch kluge List ihr Liebesglück zu be-
fördern« bey entstehenden unverholen Misverstand sich Selbsten
in Gefahr der Ehre und des Lebens stürzende« jedoch auf selt-
same Art durch einen tapfern Offleier beschützte« und endlich
vollkommen vergnügte Isabella. Den Beschluss macht das neue
holländische Ballet.
Donnerstag den 18. September: auf hohes Verlangen ein Trauer-
spiel in deutschen Versen und fünf Aufzügen, genannt : Der Graf von
Essex« N. B. Madame Theresina von Kurz, wird sich in der Bolle
der Königin Elisabetha besonders zeigen. Den Beschluss macht ein
Ballet.
Montag den 22. September: eine nach Nicolinischer Art einge-
richtete Pantomime von zwey Aufzügen, genannt : Le Medecin du
Pai« Oder: Der betrogene Arzt. Nach Endigung desselben folgt
ein Lust-Spiel von einem Aufzuge, betitult : Der Geizige« Oder : Der
zum Dienst seines Herrn« und zu seinem eigenen Glücke lustige
164 JOHANN JOSEPH FELIX VON KUR2
Frontin« Worinnen nebst denen angenehmsten Verwickinngen, ver-
schiedene Verkleidungen abwechslen. Den völligen Beschluss macht
ein neues grosses Ballet von etlichen zwanzig Personen, genannt:
Die lustige Fast-Nacht.
Mittwoch den 24. September: noch einmal die mit vielen neuen
Veränderungen und Maschinen gezierte Pantomime genannt: Le
Medecin dn Pai, Oder: Der betrogene Arzt. Zugleich wird auch
zu einer angenehmen Abwechslung vorgestellet, ein mit angenehmen
Verwicklungen versehenes Lust-Spiel, genannt: Die seltsamen und
lustigen Begebenheiten der Verliebten bey Nachtzeit, Oder: Der
beglückte Jungfern-Fang. Den völligen Beschluss macht wieder das
neue grosse Ballet von etlichen zwanzig Personen, genannt: Die
lustige Fast-Nacht.
Donnerstag den 25. September: ein allhier noch niemalen vor-
gestelltes, nach dem heutigen Geschmack der hohen und geneigten
Gönner eingerichtetes Lust-Spiel, genannt : Der getreue Amant, Oder :
Die wunderbarliche, mühsame, und höchst beschwerliche, dennoch
aber zum grösten Ruhm glücklich ausgeschlagene Liebes-Probe.
Mit Frontin, Einem durch den Korb gefallenen Amanten der
Colombine, närrischen Poeten, ungeschickten und vexirten nächt-
lichen Musico, geschwornen Feind und Rivalen des Leopoldes, ver-
zagten Duellanten, und endlich ohnverhoft - beglückten Bräuti-
gam einer männlichen Braut. Den Beschluss macht das neue sehens-
würdige grosse Ballet.
Montag den 29. September: ein regelmässiges Lust-Spiel in un-
gebundener Bede und drey Aufzügen verfasset von Herrn Philipp
Hafner, genannt : Der Furchtsame, Oder die Eigenschaft der Liebe
in der Natur. Den gänzlichen Beschluss macht das grosse sehens-
würdige Ballet genannt: Der bezauberte Schäfer, Oder: Die
eifersüchtige Zauberin.
Mittwoch den 1 . October : zum vorletztenmal ein mit angenehmen
Verwicklungen durchaus abwechslendes, aus dem Italienischen über-
setztes Lust-Spiel, genannt: Die so seltsame, als lächerliche aus
einem Brief entstandene Verwirrung, Oder : Die um einen Schwieger-
sohn streitende Väter. Mit Front in einem übelabgefertigten
Wirthshauss-Gast, faulen Träger, gezwungenen Edelmann und
geplagten doppelten Bräutigam. Zu desto grösserer Vergnügung
unserer hohen und geneigten Gönner, werden heute aufgeführet, zwey
grosse sehenswürdige Ballets. Das erste zum Schluss des zweyten
Aufzuges genannt: Der Kohlenbrenner. Das zweyte zu Ende des
Lustspiels, genannt: La Guingette Flamand. N. B. Wir erwarten
heute ein zahlreiches hohes Auditorium, mit so viel grösserer Zuversicht,
weil nur noch morgen sich unser Schauplatz eröfnen wird, und ver-
sprechen gewisslich heute ein vollkommenes Vergnügen zu erwerben.
Frankfurt a. M., Mainz, Mannheim, Köln 1766/68. 165
Donnerstag den 2. October: NB. NB. NB. zum allerletztcnmai
Ein regelmässig und rührendes Lustspiel in ungeuumloncrKede und drey
Aufzügen, dem Herrn Abbt Chiari so glücklich nachgeahmt von Herrn
Ringgor, Österreichischen Kitter, genannt: Pamela als Mutter.
Zwischen dem zweyten und dritten Actus, wird das Ballet die falsche
Werbung genannt, abwechslen. Den völligen Beschluss macht das
grosse Ballet: Die lustige Fastnacht.
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XI.
Kurz in Frankfurt a. M., in Mainz, in
Mannheim, in Köln 1766|68. Ein „Wiener
Faustspiel" in Frankfurt a. M.
m 2. Oktober verkürkligte Kurz zum „NB. NB.
NB. allerletztcnmai" die Vorstellung der Pamela
in Nürnberg und am J. Oktober finden wir den
rührigen Impresario schon in Frankfurt a. M. in Unter-
handlung wegen eines Theaters. In den nächsten drei
Jahren 1766/69 theilte Kurz seine Thätigkeit zwischen
den Städten Frankfurt a. M., Mainz, Mannhein und Köln.
Von diesem^ zweiten Auftreten Bernardons in Frank-
furt a. M. gibt E. Mentzel 1 ) eine ebenso fesselnde wie
erschöpfende Darstellung, woraus hier das wichtigste er-
wähnt wird.
Kurz spielte in Frankfurt zur Herbstmesse 1766 und
1767 in seinem eigenen Theater auf dem Rossmarkt, und
zur Ostermesse 1768 im Bienenthal'schen Saal im Junghof.
Anfangs fand er hier wie überall grossen Zulauf, später
erlahmte das Interesse und er musste mit seiner Bühne
weiter wandern. Die Grundlage seines Repertoires bildeten
natürlich die bekannten Bernardoniaden. „Die Prinzessin
Pumphia«, „Der krumme Teufel«, „Der 30jährige ABC
*) E. Mentzel, Geschichte der Schauspielkunst in Frankfurt a. M.
Frankfurt a. M. 1882. Ein Beitrag zur Geschichte des „Wiener Ber-
nardon". Deutsche Zeitung, Wien 17. Jänner 1884.
166 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
Schüler*, »Die versoffene Guvernante" und andere boten
Monsieur und Madame Kurz Gelegenheit alle Künste
des in Wien verpönten Hanswurst und seiner Colombine
spielen zu lassen. Kurz wusste ganz gut wie sehr der
feinere Geschmack gegen diese Figuren des Stegreif-
spieles sich auflehnte und kam daher scheinbar dieser
neuen Richtung entgegen durch eine ausdrückliche Ver-
wahrung: er wolle den Hanswurst nicht der besseren
Erkenntniss zum Trotz wieder einschleichen lassen, nein ! —
„blos aus der Ursache erscheinet heut unser Crispin in dem Charakteur
des Hannswurst, weil es der doppelte Charakteur und die Verwick-
lung des Lustspiels verlanget, weil man die Zuseher durch die alte
Tracht auf die alten Zeiten zurück führen will; und weil Madame
von Kurtz eben den Charakteur des Hannswurst nach Verlangen des
Spiels vorstellen wird. Dieses ist die Ursache sonst keine — sonst
soll er wieder von unserem Theater verworffen werden, wie er von
allen reinen Schaubühnen verworffen ist.
Es ist zwar wahr, dass dieser Charakteur noch in Wien vor-
gestellt wird, allein nicht so, als wie bey denen flüchtigen Gesell-
schaften, die sich nur aus Zotten- und Possenreisen Ehre machen,
die es so weit gebracht haben, dass man auch nicht einmal den
Nahmen Hannswurst auf einer reinen Schaubühne will hören; sondern
es ist ein sehr geschickter Schauspieler, der den Charakteur bekleidet,
ein Schauspieler der es vor eine Schande hält, das Publicum mit
einem andern, als feiner Satier, oder reinen Schertz lachen zu machen,
ein Schauspieler, der nicht dumm plaudert, oder lachet, oder über-
triebene Quinten, Quarescn, oder verstellte Gesichter machet, nein!
— nein! es ist ein Mann; es ist ein Schauspieler, den jeder Cavalier,
jede Dame, jeder Bürger, jeder Fremde liebt, und hochschätzt".
Das war also eine Art modernisirter, verfeinerter
Hanswurst zur höheren Erbauung des gebildeten, kunst-
liebenden Publikums. Die Ankündigungen dieser Vor-
stellungen enthielten meist ein vollständiges Szenarium
und priesen gelegentlich in bombastischer Weise die
Leistungen hervorragender Schauspieler. Einen solchen
Zettel mit der Ankündigung von „Bernardon, der 30jährige
ABC Schüler" und „Bernardon, die versoffene Guver-
nante", welchen wir der freundlichen Mittheilung von
Frau E. Mentzel verdanken, bringen wir als Beilage in
seiner ursprünglichen Gestalt zum Abdruck. Die armseligen
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Fiankfurt a. M. t Mainz, Mannheim, Köln 1760[68. 167
Schwanke des 30jährigen ABC Schülers kennen wir bereits
und der Inhalt des „Singspiels" „Die versoffene Guvernante"
zeigt die geringen Ansprüche der damaligen Theater-
besucher.
Eine alte Guvernante hatte, wegen ihrer vermeinten Geschick-
lichkeit, das Glück eine Menge kleiner und grosser Jugend von
unterschiedenen Eltern unter ihre Aufsicht zu bekommen, damit
Selbige von ihr nicht nur in der französischen Sprache, sondern auch
in andern dem Frauenzimmer anständigen Hand-Arbeiten soltcn unter-
richtet werden. Unter diesen Kindern befindet sich auch Fiametta,
ihre eigene Tochter, welche ein heimliches Liebes-Verständnis mit
einem gewissen Flavio hatte; weil aber die alte Guvernante aus
Scheinheiligkeit dem Männlichen Geschlecht gar keinen Zutritt in
ihrem Ilauss erlaubte, so ereignet sich eine Gelegenheit bey einer
von ihr selbst angestellten Garten-Lust, dass Flavio, nebst andern
jungen Leuten, daselbst das Vergnügen haben, eines das andere in
der grössten Zufriedenheit zu sehen.
Das Stück selber beginnt der Amoroso Flavio, der
als Petit maitre mit einem Sackspiegel und „Buder-
Büferl" erscheint und über den drohenden Verlust seiner
Fiametta in einer Arie klagt. Gleichsam als Stretta fügt
er zu Crispin, seinem Diener gewendet, bei:
Und da steht der Bengel,
Der Esel, der Schiengel
Den Spiegel, du Limmel! (Er schaut in den Spiegel.)
O grausamer Himmel!
O Marter! O Schmerz!
Hier fehlet der Buder,
Geschwinde du Luder. (Crispin budert ihn.)
Fiametta verliehren,
Das macht mich crepiren
Der Schluss ist gemacht. (Er zeigt den Degen.)
Mein Schatz gute Nacht. (Er will' sich erstechen.)
Da öffnet sich das Fenster und Fiametta gibt dem
Flavio ein Rendez-vous im Garten, indem sie schliesst:
Verstell dich vernünftig, leb wohl! ich bin dein.
(Sic gehet vom Fenster und Flavio singt:)
O Quel bonheur! Nun weicht der Schmerz!
Weil la Fortune mein zärtlich Herz
Durch Fiamettens Blick entzücket. (Zum Crispin.)
Allein was glaubst, was denkest du?
i
168 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
Da steht der Ochs. So rede ... Nu!
Sprich! werd ich heut durch sie beglucket?
Da schweiget der Schliffel!
So rede du Büffel.
Die Liebe muss siegen,
Uns beyde vergnügen.
Jetzt lachet der Narr
Wir werden ein Paar.
(Beide gehen ab, das Theater verwandelt sich in einen angenehmen
Garten. Bernardon erscheint als Guvernante, Fiamctta und viele
Kinder, welche tanzen und sich belustigen. Fiamctta sendet ein
Mädchen aus, um zu sehen, ob Flavio noch nicht da sei, das Mädchen
deutet: Nein. Fiamctta ist ungeduldig, wenn sie die Guvernante
ansieht, strickt sie. Endlich singt die Guvernante:)
Gnug, ihr Kinder seyt ihr tumm?
Ihr springt, wie die Bock herum.
Ihr habt euch erhitzet,
Ihr schnaufet, ihr schwitzet.
Kommt setzet euch nieder,
Erholet euch wieder.
Ein jedes nehm jetzo die Arbeit zur Hand.
Folgt mir doch in allem, als der Guvernant.
(Die Kinder setzen sich, nehmen ihre Arbeit und murren.)
Allzeit knotzen, allzeit sitzen
Allzeit bei der Arbeit schwitzen.
(Während dem lauft die Guvernante von einem Kinde zum andern
und singt:)
Du mein Kind musst fleissig stricken
Du schön nähen, künstlich sticken,
Dieses soll dein Arbeit seyn.
Du musst kochen, Caffee machen
"^ Nicht viel reden, wenig lachen,
Halte Mund und Küchel rein.
Du musst fleissiger studiren
Und du flieh das Caressiren,
Folg nicht deinem Vater nach,
Denn aus solchen Tändeleyen
Folgen endlich Kindereien
Und aus diesen Weh und Ach!
Nicht ohne Humor ist ein Duett zwischen der Gouver-
nante und Fiametta, indem die Eine von der Hitze, die
Andere von der Liebe „tormentirt wird", und die Eine
sich nach einem Trünke, die Andere sich nach ihrem
Frankfurt a. M. t Mainz, Mannheim, Köln 1766/68. 169
Flavio sehnt. Endlich erscheint dieser als Branntwein-
händler mit mehreren Bouteillen in einem Korb, von denen
eine er vor die Gouvernante hinstellt, die anderen an
die Kinder vertheilt, und schliesslich Alle verleitet, seinen
Liqueur zu trinken, denn: „er zertheilt das dicke Blut,
macht Appetit zum Speisen, stärkt Brust und Herz, curiret
den Magenschmerz". Obwohl die Gouvernante die Kinder
ermahnt :
Ey nicht doch ihr Kinder,
Ihr scyd, wie die Rinder,
Ey schaut doch auf mich!
Fein ehrbar, fein niedlich,
Hübsch nüchter hübsch friedlich,
Und halt so wie ich.
erweist sie sich doch selbst am schwächsten. Sie fällt
nieder und die Kinder lachen sie aus.
Chorus. Fiametta. Hier liegt nun die saubere Frau
Kinder. Wie eine Sau.
Flavio. Holla Kutscher komm gefahren (Es kommen zwey
Kerle mit einem Karren.)
Mit dem Karren,
Ladt sie auf und führt sie fort
An den ihr bestimmten Ort !
Fiametta. Auf mein Schatz zum Hochzeitmachen,
Alle. Auf zum Scherzen, auf zum Lachen,
Dass wir können lustig seyn
Macht der edle Brandewein ! (Alle tanzen hinein,
die zwey Kerle führen die Guvernante auf dem
Schubkarren nach.)
Neben den eigentlichen Bernardoniaden gab Kurz
in Frankfurt die üblichen Maschinen-Komoedien, worunter
ein „Wiener Faustspiel" grosses Aufsehen erregte. ' Der
Titel dieses in mancher Hinsicht interessanten Stückes
lautet :
Eine zwar uralte, weltbekannte, auch zum oftern vorgestellte,
und auf verchiedene Art schon gesehene
Grosse Maschinen Comödie,
Welche aber von uns heute auf solche Art soll aufgeführet werden,
dass es solcher gestalten wol schwerlich von andern Gesellschaften
wird seyn gesehen worden; genannt:
170 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
In Doctrina Interitus
Oder ttas laslervollc Leben und erschröckliche Ende des
Weltberühmten und jedermänniglich bekannten
' ^ Erzzauberers Doctoris Joannis Fausti,
Professoris Thcologiae Wittenbergensis.
Nach dem Sinnspruch:
Multi die stygia sine fronte palude jocantur,
Scd vercor fiat, ne jocus istc focus.
Das ist :
Wir pflegen von der Höll nur ein Geschäft zu machen,
Bis sich in Weinen kehrt ihr boshaft freches Lachen.
Mit Crispin, einem cxcludirlen Studentcn-Famulo, von Geistern
übel vexirter Reisender, geplagten Cammeradcn des Mephistopheles,
unglücklichen Luftfahrer, lächerlichen Bcaahler seiner Schulden,
natürlichen Hexenmeister, und närrischen Nachtwächter.
Das Spiel enthält 15 Szenen und beginnt mit einer
gelehrten Dissertatio Fausts in seinem Musaeo, ob das
Studium Theologicum oder Nictromanticum zu erwählen sei.
Darauf folgen : die Con juration des Mephistopheles, lächer- .
liehe Possen des Crispin mit den Geistern, der Contract
mit der Hölle, Fausts Reise mit Mephistopheles durch
die Luft an den Hof von Parma, wo Faust Vorstellungen
aus der biblischen und Profan-Historie veranstaltet und
einem Hofrath des Fürsten Hörner auf den Kopf zaubert.
In der 10. Szene, welche den Haupteffect des Stückes
bildete, zeigt sich ein Freyhof oder Begräbnissort mit vielen
Grabschriften. Faust will die Gebeine seines verstorbenen.
Vaters aus der Erde graben und zu seiner Zauberei miss-
brauchen, wird aber von dessen erscheinendem Geiste zur
Busse ermahnt. Mephistopheles vereitelt diese Bekehrung
und zieht Faust unter einem Feuerwerk in den Höllenrachen.
Der Faust war schon 1608 von englischen Komoe-
dianten in Graz auf die Bühne gebracht worden und
bildete seitdem ein beliebtes Volks-Schauspiel in Österreich.
Stranitzky der berühmte Hanswurst führte ein solches
Faustspiel im Jahre 1715 auf dem Wiener Kärnthnerthor-
Theater auf. 1 ) Wie es aber dem Geschmack des Publikums
*) Johannes Meissner, „Wiener Faustspiele ". Deutsche Zeitung,
Wien. Dez. 1882.
Frankfurt a. M., Mainz, Mannheim, Köln 1766.68. 171
und dem Zweck der Darsteller entsprach, wurde in
diesem „Wiener Faustspiel" die lustige -Person im
Gegensatz zum gelehrten Faust mehr betont, «und über-
dies Faust im katholischen Wien zum Proressor der
Theologie in Wittenberg gemacht. Diese Bezeichnung
aber erregte im protestantischen Frankfurt i\n stoss » Das
Prediger-Ministerium schritt ein und zwang Kurz nach
zwei Aufführungen zu folgender Erklärung:
NB! NB! NB! In den zwei letzten Vorstellungen des Fausts ist
von uns irrig in den Zettuln diesem Namen das praedicat Professor
Theologiae beygesetzet worden, indeme die Sache an sich selbst Mos
als eine theatralische Fabel aus dem Alterthum anzusehen, und wird
solche aus gnädigstem Befehl hiermit widerruffen, und wir erklären
uns ganz willig dahin, das& es in keiner Absicht jemahls unsere
Meynung gewesen diese Würde anzutasten, noch dieses Gedicht für
eine Wahrheit zu verkauften, sondern dadurch blos zu zeigeö, wie
sehr der Geschmack der deutschen Bühne zu ihrer Ehre von den
vorigen Zeiten abgewichen.
Vermuthlich wurde später das beliebte Stück mit
Aenderung des aristössigen Titels wiederholt. Denn der
bekannte Schröder, der damals zur Truppe des Kurz
gehörte, erzählt in seiner Lebensbeschreibung, dass der
Schauspieler Grünberg „bei jeder neuen Vorstellung des
Doctor Faust neue Ansichten über Magie vortrug, die,
wie lange er auch sprechen mochte, den Zuschauern und
unter ihnen selbst Schrödern immer zu früh geendigt
schienen". Die theologische Facultät von Wittenberg aber
bedankte sich für diese Ehrenrettung in einem eigenen
Schreiben an das Prediger-Ministerium in Frankfurt. Ob
der junge Goethe, der im August 1768 nach schwerer
Krankheit von Leipzig nach Frankfurt kam, von diesen
Faustspielen Kenntniss hatte, lässt sich nicht mit Sicher-
heit nachweisen. Kurz verliess Frankfurt allerdings schon
im Frühjahr 1768, aber seine Frau führte das Theater
noch weiter zur Zeit der Herbst-Messe, und die Möglichkeit,
dass Goethe dort ein solches Faustspiel gesehen, scheint nicht
ausgeschlossen. Die Klage des Prediger-Ministeriums,
sowie die Ausführungen Grünbergs-Faust über Magie
112 JOHANN JOSEPH FELIX VON KÜRZ.
bildeten wahrscheinlich längere Zeit das Tagesgespräch
in den Theaterkreisen Frankfurts und mögen das Inter-
esse des jungen Dichters auf das Stück gelenkt haben.
Regelmässige Stücke brachte Kurz seltener zur
Aufführung. *) Durch einen günstigen Zufall erschien der
erwähnte Widerruf auf einem Zettel der Minna von
Barnhelm, welcher auf diese Weise in den Akten des
Prediger-Ministeriums aufbewahrt blieb und uns auch
über die Besetzung des Lustspiels Auskunft gibt. Waitz-
hoffer spielte den Teilheim, Mdslle. Rischarin (die spätere
Frau Sacco) die Minna, Grünberg den Bruchsaal, Mad.
v. Kurz die Franziska, Koppe den Just, Bergopzoomer
den Werner, Mayer den Gastwirth, Mad. Koppe die
Dame in Trauer, Pizl den Feldjäger. Die Rolle des
Riccaut de la Marliniere entfiel wahrscheinlich wegen
Unwohlsein Schröders. Wie diese Namen zeigen, ver-
sammelte Kurz in seiner Truppe die besten Kräfte der
deutschen Schaubühne seiner Zeit. Zu den Genannten
kamen noch die Eheleute Eitels, die Mitglieder des
Ballets und einige Figuranten.
Im Herbst 1767 feierte Kurz die Genesung der
Kaiserin Maria Theresia durch ein von ihm verfasstes
Vorspiel in Versen, worin er selbst die Hauptrolle spielte.
Maria Theresia Majestät
zur allerunterthänigsten Freudesbezeugung aufgeführet ein auf diese
ganz Europa entzückende höchst erfreuliche Begebenheit neu ver-
fertigtes Vorspiel in Versen genannt:
Das in dem Gefilde der Freude frohlockende Teutschland.
Personen desselben. Die Majestät. Die Freude. Der Schutzgeist
Oesterreichs. Die Schauspielkunst. Die Unschuld.
Bericht. Der Schauplatz stellet eine angenehme, auf das herr-
lichste belaubte Gegend vor, mitten in solcher zeigt sich ein aut das
allerschönste ausgezierter Altar der Vorsicht. Auf beyden Seiten in
erhabenen Pyramiden die kayserl. königlichen Erbländer, und des
Heil. Rom. Reichs mit ihren Insignien, Wappen und Inschriften.
*) Neuerdings aufgefundene Theaterzettel beweisen, dass Kurz in
Frankfurt a. M. auch eine Anzahl ernster Stücke zur Darstellung brachte.
Es waren meist dieselben, die er kurz vorher in Nürnberg aufführte.
Frankfurt a. M., Mainz, Mannheim, Köln i^66,'68. 173
Die Majestät und die Freude flehen zu der Vorsicht um die Wieder-
genesung ihro Majestät. Der Schutz-Geist Oesterreichs versichert
sie, dass die Vorsicht Allerhöchst-Dieselbe ihren Wünschen wiederum
gesehenket. Hierauf zeigt sich das auf das herrlichste geschmückte
Bildniss Ihro Majestät. Die Vorsicht lässt sich in einer prächtigen
Wolken Maschine auf Allerhöchst deroselben Haupt herab. Die
Fama erscheint mit einc> Inschrift ganz Europa diese höchsterfreu-
liche Begebenheit zu verkündigen. Die Schauspiel-Kunst, die Un-
schuld an der Hand führend, mischet sich in das Frohlocken der
übrigen, rufet die Tanzenden herbei an dieser allgemeinen Freude
Theil zu nehmen; hiemit folget von denenselben ein Tantz, und die
Schauspiel-Kunst schliesst mit einer auf die allerhöchste Feyer ver-
fertigte Aria, die allerunterthänigst gehorsamste Zueignung.
Diesem Vorspiel folgte der Essex von Corneille, mit
Kurz als Graf Essex. Doch gelang es Kurz nicht in
ernsten Rollen Beifall zu erringen, ebensowenig wie seiner
Frau Theresina.
Im Frühjahr 1768 machte Kurz schlechte Geschäfte
und konnte die Abgabe für das Theater nicht bezahlen.
Daher verweigerte ihm der Rath der freien Stadt Frank-
furt die Bewilligung für die Spiele zur Herbstmesse.
Kurz selbst ging nach Köm, Madame Kurz aber, die
hübsche Italienerin, die wohl einflussreiche Freunde unter
den gestrengen Rathsherren besass, erhielt die nachgesuchte
Spielerlaubniss und führte <^e Impresa auf der Herbstmesse
mit gutem Erfolg weiter, bis sie einem „ hohen" Rufe nach
München folgte. ~~ - *~
Übrigens dürfen wir uns nicht wundern, dass diesen
fahrenden Komödianten in den deutschen Reichsstädten
kein grosses Wohlwollen entgegengebracht wurde. Nicht
allein die häufig rohen, unanständigen Darstellungen,
auch das ganze lockere Leben der Schauspieler und der
Schauspielerinnen erregte begreifliches Ärgerniss in den
kirchlichgesinnten, ehrbaren Bürgerkreisen. Daher gab
es meist Schwierigkeiten, die Bewilligung zum Theater-
spielen beim Rath zu erlangen und diese musste für
jede Messe neu eingeholt werden. Die gesellschaftliche
Stellung der Schauspieler war eine untergeordnete, sie
waren auf den Verkehr mit den Collegen angewiesen
1
174 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
und nur selten fanden einige Mitglieder Eingang in
bürgerlichen Familien. Kurz machte auch darin eine
Ausnahme durch seine adelige Abkunft und durch seine
weltmännische Lebensführung, beide erwarben ihm die
Freundschaft verschiedener hoher Herren. |
Sein besonderer Gönner war der Churfürst Emmerich
. von Mainz, wo Kurz am 16. Januar 1767 das neue
Schauspielhaus auf der grossen Bleiche mit der „ Insel
der Vernunft" eröffnete. Das Theater im Hof des adeligen
Gesellschaftsgebäudes fasste 3000 Personen und durch
einige Zeit errang Kurz auch hier mit seinen Bernardo-
niaden grosse Erfolge. 1 )
Im November 1767 betrat Kurz die Bühne auf dem
Fruchtmarkt in Mannheim. Nach der Chronik des
Grossherzoglichen Hof- und National-Theaters 2 ) war er
der erste, der seine Vorstellungen über den ganzen
Fasching bis zum Aschermittwoch ausdehnen durfte.
Trotzdem gingen die Geschäfte hier keineswegs glänzend,
denn seine Einnahmen erreichten in den Jahren 1 767 — 69
für je vier Monate hur 32,627 Gulden, obwohl er das
„ Leggeld a für Logen und andere Plätze höher bestimmt
hatte als seine Nachfolger, die für die vier Wintermonate
durchschnittlich 12,000 Gulden erzielten. Die Stücke
waren dieselben wie in Frankfurt und in Mainz, und da
der Churfürst Karl Theodor das Theater gelegentlich
mit einem Besuch beehrte, nannte Kurz seine Truppe :
„ Deutsche Hofschauspielergesellschaft". Am 3. November
1768 feierte Kurz aus demuthsvoller Pflicht das' glor-
reiche Namensfest des Durchlauchtigsten Fürsten und
Herrn, Herrn Carl Theodor mit einem musikalischen
Vorspiele: »Die frohlockenden Schäfer", das der Genius
der Churpfalz mit den Versen schliesst:
*) Jacob Peth, Geschichte des Theaters und der Musik in Mainz.
Mainz 1879.
■) Anton Pichler, Chronik des Grossherzoglichen Hof- und National-
Theaters in Mannheim. Mannheim 1879*
Misserfolg in Wien 1769.71. Warschau Uli |8l. Tod in Wien 1783. 175
O lege grosser Gott auf Carel deinen Segen
Lass dich o Himmel doch durch unser Flehn bewegen,
Es ruf und sing mit mir das ganze Cor
Der Curfürst lebe lang in Carel Theodor!
Corus: Vivat Carl Theodor bis das die Welt
In ihr voriges Caos zerfällt!
Während dieser Jahre 1766 — 68 spielte Kurz vier-
mal in Köln und aus einer Eingabe 1 ) an den Rath der Stadt
dieser wohlhabenden lebenslustigen Stadt erfahren wir
einiges über die öconomische Gebahrung einer solchen
Wanderbühne, über den Missbrauch der „Freybillets a ,
sowie über die Thatsache, dass auch hier Kurz zum Schluss
nicht mehr auf seine Kosten kam. So entschloss er sich
denn vom Rhein wieder an die Donau in seine Heimath
zurück zu wandern.
XII.
Bcrnardons letztes Auftreten und Miss-
erfolg in Wien 1701)71. „Die Herrschafts-
knchel". Abgang nach Danzig 1771.
„Insul der gesunden Vernunft". Theater-
director in Warschau 177181. Letzte.
Jahre und Tod in Wien 1781 83.
ochmals versuchte Kurz sein Glück in Wien im
Jahre 1769. Die Kaiserin Maria Theresia mied
seit dem Tod ihres Gemahls das Theater, und
nach einem kurzen Aufschwung des regelrechten Schau-
spiels unter v.Bender ( 1 769) er öffnete der Italiener d' Af fligio
abermals den alten Stegreifpossen die Bühne. Diesen
Augenblick hielt Kurz für sein Unternehmen günstig. Er
folgte dem Ruf des d'Affligio, musste aber bald seinen
1 ) Siehe Anhang.
H6 JOlUNtf JOStit'lt FELIX VON KUR2.
Irrthum erkennen und sich überzeugen, wie sehr sich die
Verhältnisse in den letzten zehn Jahren geändert hatten.
Sein mächtigster Gönner am Hofe, der Kaiser Franz I.,
war 1J65 gestorben, und die "Bemühungen der Kaiserin,
„der Hauptstadt Deutschlands ein studirtes gesittetes
Theater zu geben u waren nicht ohne Erfolg geblieben.
War doch Minna von Barnhelm am 14. November 1764 mit
glänzendem Erfolg aufgeführt und der schon früher be-
gonnene Versuch, Lessing zur Leitung des Theaters
nach Wien zu ziehen, fortgesetzt worden.
Zu den eifrigsten Gegnern der Stegreifkomödie ge-
hörte v. Sonnenfels, der in Wort und Schrift für das
regelrechte deutsche Schauspiel eintrat. In Folge seiner
Eingabe an den Kaiser Josef II. : „Über die Notwendig-
keit das Extemporiren abzustellen" wurde das Extem-
poriren streng verboten. Dieses Verbot richtete sich
jetzt neuerdings gegen Kurz und nöthigte ihn seine
Stücke niederzuschreiben. Damit aber war den Bernar-
doniaden eigentlich der Boden entzogen. Kurz wusste
wohl, wie sehr ihm der Einfluss v. Sonnenfels' schadete
und suchte bei jeder Gelegenheit an seinem Widersacher
Rache zu nehmen. Als eines Tages das Bildniss
v. Sonnenfels' (von Schmutzer) in den Schauläden Wiens
erschien, Hess Kurz das Seinige in völlig gleicher Aus-
stattung (von Landerer) anfertigen und als Gegenstück
neben das des Ministers hängen. Sonnenfels ärgerte sich
über die Frechheit, Kurz hatte für einen Augenblick die
Lacher auf seiner Seite, aber für seine Sache nichts ge-
wonnen. 1 ) Auch die Stimmung unter den Schauspielern
war Kurz ungünstig. Die alten Stegreifspieler Leinhaass,
Weisskern und der beliebte Hanswurst Prehauser waren
todt. Die neuen Schauspieler aber weigerten sich in der
Stegreifkomödie aufzutreten; denn v. Bender hatte
*) Brünner Zeitung Intelligenz Blatt 1770. No. 16. Karl von Görner,
Der Hans Wurst-Streit in Wien und Joseph von Sonnenfels. Wien 1884.
Siehe Titelbild.
Misserfolg in Wien 17Ö9|71. Warschau 1771 |8l. Tod in Wien 1 783. 177
klugerweise in ihren Contrakten ausdrücklich bedungen,
dass sie nicht in extemporirten Stücken spielen mussten. 1 )
Kurz begegnete also Schwierigkeiten auf allen Seiten.
Was aber mehr in die Wagschale fiel als die
äusseren Hindernisse, war die völlige Wandlung des Ge-
schmacks. Unmöglich konnte das an's regelrechte Schau-
spiel gewöhnte Publikum an den wüsten Spässen des
Bernardon noch Gefallen finden. Als Antrittsvorstellung
gab Kurz „La serva padrona", später folgten die übrigen
bekannten Bernardoniaden, von welchen jetzt Kurz der
Censur halber einige drucken Hess. Zu diesen gehört
die früher sehr beliebte Posse : „Die Herrschaftskuchel*.
Eine kurze Inhaltsangabe möge zeigen, was Kurz dem
Wiener Publikum darin zu bieten wagte.
Ein Neues Pantomimisches Singspiel von einem Aufzuge, genannt :
Die Herrschaft skuchel auf dem Lande; Mit Bernardon dem dicken
Mundkoch Oder : Die versoffenen Köche, und die verliebten Stuben-
mädel. Wien, gedruckt bey Johann Thomas Edlen von Trattnern
k. k. Hof buchdruckern und Buchhändlern. 1770. Personen. Fiametta
das erste Stubenmädel. Catherl, das zweyte. Allegro, ein Laufer.
Presto, ein Postillion. Bernardon, der dicke Mundkoch. 10 Stuben-
mädel, so tanzen. 10 Köche, so auch tanzen. Das Singspiel fängt
in der Frühe an, und endiget sich gegen Mittag. Nachricht. Eine
vornehme Herrschaft will auf dem Lande eine grosse Tafel geben;
man hat dieser Ursache wegen in dem Walde, so an das Schloss
stosset, eine grosse hölzerne Küche errichtet, diese ist mit allen er-
denklichen Geräthschaften, so zu einer vollkommenen Küche erfor-
derlich, versehen; und diese Küche stellet heute unser Schauplatz
vor. Man siehet gleich beym Anfang viele Köche arbeiten l diese
*) „Das Possenspiel und Extemporiren hat v. Heufeld, in Mitwirkung
mancher noch lebender Mitglieder der Nationalschauspielergesellschaft,
glücklich vertrieben. In diesen ruhmwürdigen Bemühungen ist er von
dem B. Bender ehemaligen Unternehmer des Theaters, thätigst unter-
stützt, und von dem Staatsrathe Baron v. Gebier und Regimentsrathe
v. Sonnenfels am kaiserlichen Thron mit dem wärmsten Patriotismus
vertreten worden. Diesen Männern allen und dem zweckmässigen Be-
nehmen des dermaligen Censors Regimentsrathes v. Hägelin, welcher
den zweiten Versuch des Kurz'schen Possenspieles unter Afflisio glück-
lich vereitelte, hat Wien seine Nationalbühne zu verdanken". Kurz-
gefasste Nachrichten von den bekanntesten deutschen National bühnen
Überhaupt und von dem K. K. Nationaltheater zu Wien. Wien 1779.
12
1 1
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1 1
ii
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178 Johann joseph felix von kurz.
werden von denen Stubenmädeln als ihren Amantinen nach der Zeit
in der Küche besuchet. Fiametta, als das erste Stubenmädel, ist die
Geliebte eines Laufers, dieser aber ist ein Flattergeist, und liebet
ebenfalls das zweite Stubenmädel Catherl genannt, so die Liebste
des Postillions ist. Die Eifersucht der Fiametta und des Postillions,
wobey Bernardon als der dicke Mundkoch mitunterlaufet ist eigent-
lich der Stoff von dem heutigen Singspiele, worinnen Bernardon
durch seine Unvorsichtigkeit den Schluss machet; eben zu der Zeit,
da er* Krapfen backet, das Schmalz brennend wird, und dadurch
die ganze Küche in Brand stecket. Ich hoffe meinen Hohen, Gnädig
und geneigten Gönnern durch dieses zwar kurze, aber sehr unter-
haltliche Stück vieles Vergnügen zu verschaffen, und empfehle mich
zu fernem Gnaden.
Jos. v. K.
Bernardon.
In der älteren roheren Form hiess das Singspiel:
„die liederliche Haushaltung versoffener Köche und ver-
löffelter Stubenmenscher". Darin kommen zum Schluss
zwei Hunde auf die Bühne, „welche in der Küchel zu
stehlen anfangen. Ein Hund bekommt ein Stück Braten,
der andere Hund will ihm dasselbe abjagen, sie fangen
an mit einander zu rauffen, sogleich kommt ein grosser
Stall-Bock und stosset sie mit seinen Hörnern auseinander".
Dies Hundespiel auf der Bühne darf uns nicht wundern,
da in Wien bis zum Jahr 1796 Thierhetzen stattfanden
und diese noch unter d'Affligio zum Privilegium des
Theaters gehörten. Kurz opferte aber diesen Kämpf
der Hunde mit dem „Stallbock*, welcher in früherer
Zeit gewiss grossen Beifall gefunden, jetzt dem ver-
feinerten Geschmack.
Weder die „Herrschaftskuchel" noch „Die Weiber-
und Buben-Bateille" oder „Der unruhige Reichthum"
erzielten den gehofften Beifall. Anfangs hatte die Neu-
gierde sein Haus gefüllt, alles wollte den berühmten
„Vater Bernardon" sehen, bald aber Hessen ihn auch
seine früheren Freunde im Stich. „Das Schauspielhaus
wurde allmählig leer und Kurz erlebte den Verdruss '
seinen Ruhm an eben dem Orte, wo er vormals zum
höchsten gestiegen war, fallen und endlich ganz erlöschen
Misserfolg in Wien I796|7l. Warschau I77l|8l. f od in Wien 1783. H9
zu sehen. Er wurde zuletzt jedem zum Ekel und be-
schloss seine theatralische Laufbahn zu Ende Fasching
1771 mit einer elenden Operette: „Die Judenhochzeit",
die beinahe ausgepfiffen worden wäre". 1 ) Dies war Ber-
nardons Ende in »Wien.
Mad. Kurz erging es nicht viel besser. Im Herbst
1768 verliess sie Frankfurt einem „hohen" Ruf nach
München folgend und im Sommer 1769 vom 3. Juni bis
5. Oktober leitete sie das Theater in Augsburg. Nach
einem Misserfolg in Salzburg zog sie endlich auch nach
Wien (1770), um da im regelrechten Schauspiel aufzu-
treten. Aber der Reiz der Jugend war geschwunden,
und für ernste Rollen fehlte die Begabung. Am besten
gefiel sie hoch in „Arietten" und deshalb wurde sie bis
zum Jahre 1773 abwechselnd im Schauspiel und in der
Oper beschäftigt. Wie wir sahen, nahmen die beiden
Gatten die eheliche Gemeinschaft nicht zu streng, sie
blieben vereint, so lange es nützlich schien und trennten
sich, wenn es der Vortheil erheischte. Später spielte
Theresina nochmals im Theater ihres Gatten in Warschau,
kehrte aber nach Deutschland zurück, als Kurz die Bühne
für immer verliess.
Über die letzten Lebensjahre des Kurz besitzen wir
nur spärliche Nachrichten. Nach dem Misserfolg in
Wien vereinigte er sich mit der Wittwe Schuch 2 ) in
Breslau und ging mit ihr als „Mitdirector" und „Haupt-
acteur" nach Danzig 3 ), wo er am 28. October 1771 »Die
Insel der gesunden Vernunft" aufführte:
Mit Erlaubnis einer hohen Obrigkeit wird heute Mondtag den
28. October 1771 die, von Sr. Königl. Majestät in Preussen alier-
gnädigst general-privilegirte Schuchische Gesellschaft unter der Mit-
Direction des Herrn v. Kurtz aufführen: Ein ganz neues hier noch
niemals gesehenes Lustspiel in 3 Akten, Welches dureh künstliche
*) Theater-Almanach, Wien 1804.
*) Frau Karoline Schuch, Wittwe des Franz Schuch des Jüngeren
3 ) E. A. Hagen, Geschichte des Theaters in Preussen. Königs-
berg 1854.
/ *
läo jortANN josEPri Felix von kurz.
Vermischungen von lebhaften Versen und muntrer Prosa, wohlgesetzten
Gesängen und Tänzen, ein beliebtes comisches Ganzes vorstellet
betitult: Die Insel der gesunden Vernunft oder die doppelte Untreue,
verfertiget von dem, durch seine Serva Padrona allhie wohl belobten
Wiener Acteur Der Preisswürdigen Stadt Danzig dedicirt. Heute
erscheinen auf der hiesigen Schaubühne zwo Menschenbilder, die
von denen Personen, worunter sie gerathen, nichts als die Gestalt
und Stimme gemein haben. Man sieht sie vor wilde Leute an, be-
findet aber, dass Sie, wahre Philosophen der Natur, und ihre Insel,
die Insel der gesunden Vernunft, zu nennen. Aber wie possierlich
ist ihr erster Auftrit, und Bekanntschaft mit den Sitten unserer Welt !
Sie haben keine Kenntnis von Respect, Complimenten, Ceremonien,
und den Zierlichkeiten des menschlichen Umgangs. Sie staunen alles
an, und machen sich von dem, was Sie sehen, die abentheuerlichsten
und possierlichsten Auslegungen. Wenn man Ihnen die Gegenstände
erklärt, so erbittern sie sich Über die Ausschweifungen der Europäer,
richten und schelten in beissenden und stachlichten Ausdrücken, aber
auf eine Art, die auch einen Milzsüchtigen durch Lachen erschüttern
möchte. Möchten doch alle Critici, die denen Menschen verbiethen,
aus vollem Herzen zu lachen, heute gegenwärtig seyn, um zu sehen,
was ein lächerlicher und gemeiner Ausdruck würckt, wenn er von
der wahren Pantomime der Augen, der Gebchrden und Stellungen
begleitet wird, sie würden hören, dass ein bäuerischer Scherz, wenn
er der Natur gemäss vorgebracht wird auch den allerwitzigsten
Mann ins Gelächter ausbrechen last, eben deswegen, weil der Scherz
natürlich ist. Da unser Wilde sich bey einer ansehnlichen Hof-Staat
aufhält, so bekömt er auch Kenntnis von der grossen Welt, geisselt
mit seiner Zunge jedermann, und nach seinem Anspruch sind wir
nicht so weise, wie wir uns einbilden, doch vergiebt man ihm alles
weil er uns unaufhörlich zu lachen macht. Der Verfasser macht
hiebey bekannt, dass er die beyden französischen Comoedien, Arlekin
der Wilde, und, Die doppelte Unbeständigkeit, bey seinem Plan
genutzet, allein der französische Arlequin ist zu sinnreich und redt
die Sprache ö!es Hofes, unser Wilde aber ist wild in Sitten, trägt
sein Herz auf der Zunge, und spricht dreist und unerschrocken, von
den Thorheiten der Städte und Höfe. Mit einem Worte die wehr-
testen Zuschauer werden sich nicht allein heute in der Insel der
gesunden Vernunft, sondern auch in einer Insel von Ergötzlichkeiten
und Vergnügungen befinden.
Das Stück spielet auf dem Schlosse des Gouverneurs von der Colonie,
fängt sich frühe an und endigt gegen Abend. Der Verfasser stellet die
Haupt-Rolle vor, und hoffet durch Anwendung aller Kenntnisse, die er
vom wahren comischen besitzt, in der Achtung seiner hohen und ge-
neigten Gönner eine Stuffe Heute höher zu steigen. Joseph von Kurtz.
Misserfolg in Wien 1769J71. Warschau 1771|8l. Tod in Wien 1783. l8l
Das Einlage-Geld ist wie bey denen Sing-Spiclen gebräuchlich.
Der Schauplatz ist bekannt. Die Person zahlt in einer Loge
2 Gulden 12 Groschen, par Terre l Gulden 18 Groschen, auf dem
zweyten Platz 24 Groschen, und auf dem letzten Platz 12 Groschen.
Der Anfang ist mit dem Schlage 5 Uhr. N. B. Aufs Theater wird
Niemand gelassen.
Das Geschäft in Danzig entsprach aber nicht den
Erwartungen, denn schon am 9. Dezember trennen sich
die Compagnons. Die Wittwe Schuch ging nach Königsberg,
während Kurz im Januar 1772 die deutsche Komödie
in Warschau übernahm.
Am Ende des Jahres 1772 verbreitete sich in Wien
das Gerücht, Kurz sei bald nach seiner Ankunft in
Warschau gestorben. Dieses Gerücht drang selbst in
die höchsten Kreise und bewiess so welchen Antheil der
Hof noch immer, wenn auch ein wenig wider Willen,
an dem Manne nahm. Am 7. Januar 1773 schrieb die
Kaiserin Maria Theresia an ihren Sohn Ferdinand, der
seit einem Jahr als Gouverneur der Lombardei in Mailand
lebte: „Je vous envoie ce livret, 1 ) la comidit a iti extre-
mement goütie, moi je la irouve un peu ä la Bernardon.
Vous saure% quil est mort en Pologne".
Diese Nachricht beruhte nicht auf Wahrheit. Denn
Kurz führte bis zum Jahr 1781 das Theater in Warschau
unter der Intendanz des Fürsten Sulkowskv; Mad. Kurz
spielte dort ernste Rollen, Sacco war als Balletmeister
engagirt. Welcher Beliebtheit Kurz sich hier erfreute,
bezeugt seine Erhebung in den polnischen Freiherrnstand.
Aber auch an materiellem Erfolg kann es ihm nicht gefehlt
haben, denn nach seinem Abschied vom Theater wandte
*) Das „livret", welches die Kaiserin ihrem Sohn übersandte, war
das von : „Die bestrafte Neugierde" oder „Der Neujahrstag" einem
Original-Lustspiel in 5 Aufzügen von Gottlob Stephanie dem Jüngeren,
das am 2. Januar 1773 mit so grossem Beifall im^ Hofburgtheater auf-
geführt wurde, dass es in zehn Tagen fünfmal gegeben werden musste,
ein damals ganz ungewöhnliches Ereigniss. Obwohl „Die bestrafte Neu-
gierde" gerade kein klassisches Werk war, behandelt es tlie Kaiserin
doch sehr streng, wenn sie es mit den Durchschnitts-Komoedien Ber-
nardons in eine Linie stellt.
I
! I
! !
y 182 JOHANN JOSEPH FELIX VON KURZ.
sich der immer thätige unternehmungslustige Mann der
Industrie zu und errichtete eine Papiermühle. Da er
keine technischen Kenntnisse für diesen Beruf besass,
muss er sich wohl mit seinen beim Theater erworbenen
Ersparnissen an diesem Unternehmen betheiligt haben.
Seine Gattin blieb der Bühne treu, ging nach Deutsch-
land zurück und leitete zuerst ein Theater in Münster,
später in Ulm.
Am Abend seines Lebens zog wohl den allein-
stehenden Greis das Heimweh in die Vaterstadt zurück.
Wann Kurz nach Wien zurückkehrte, lässt sich nicht
genau bestimmen. Niemand nahm von dem ehemals so
gefeierten Bernardon Notiz und wahrscheinlich erfuhren
nur wenige seiner früheren Verehrer von seiner Anwesen-
heit. Nur sein Tod in Wien lässt sich unzweifehaft
nachweisen. Am 2. Februar 1783 brachte das Wiener
Diarium die kurze Todesanzeige : „H.Joseph Kurz, gewes.
Theater-Direct. zu Warschau, 69 Jahre alt, in der Kruger-
strasse 1026. a Und das Todtenbuch der Pfarre St.
Augustin enthält unter dem gleichen Datum folgenden
Eintrag : \
„Der Wohlgebohrne Herr Joseph Freyherr von
Kurz alt 69 Jahr. Ein Schauspieler und Directeur der
Schauspiele in verschiedenen Ländern. Omnibus Sacra-
mentis provisus. Beygesetzt im Pfarrdepositorio und
in der Nacht nach Matzleinsdorf geführt und auf dem
dortigen Gottesacker vor der Linie begraben. R. P:
Mariophilotus et Antonius Cooperatores. 1026 in der
Krugerstrasse a .
Mit Kurz starb der letzte Vertreter der Stegreif-
komödie in Deutschland. Das Stegreifspiel bildete von
jeher eine besondere Eigenthümlichkeit der leichtbe-
weglichen Südländer, und blühte daher während der
Renaissance im Gegensatz zum regelmässigen Schauspiel
(Commedia erudita) als Volksbelustigung (Commedia
delParte) vorzüglich in Italien, wo es als „Pulcinella" bis
auf den heutigen Tag fortbesteht. Evarista Gherardi,
Misserfolg in Wien 176971. Warschau 177l|81. Tod in Wien 1783. I83
der bedeutendste Stegreifspieler am Hof Ludwig XIV.,
stammte aus Toscana, Stranitzky verbrachte seineLehrjahre
in Italien, Prehauser spielte anfangs in einer italienischen
Truppe und Kurz setzte diese Schule fort. Die Ver-
treter der regelmässigen Bühne, die Schauspieler, die
eine Rolle Wort für Wort auswendig lernen, vergleicht
E. Gherardi 1 ) mit Schülern, die eine mühsam eingelernte
Aufgabe hersagen. Nur der Stegreifspieler, der mehr mit
der Phantasie als mit dem Gedächtniss spielt, ist nach
seiner Ansicht ein wahrer Künstler. Diese Gabe nun, zu
improvisiren, besassKurz in hohem Grade. Schlagfertigkeit
und Witz standen ihm zu Gebote, um das magere Szenarium
auszufüllen. Welt- und Menschenkenntniss befähigten ihn
ferner, durch Anspielungen auf bekannte Ereignisse und
Personen die Darstellung zu würzen und durch mehr oder
minder verhüllte Zoten den johlenden Beifall der Menge zu
gewinnen. Auch für Bernardon gelten Viola's Worte :
Der Bursch ist klug genug den Narrn zu spielen
Und das geschickt zu thun erfordert einigen Witz.
Die Launen derer, über die er scherzt,
Die Zeiten und Personen muss er kennen — — —
Dies ist ein Handwerk
So voll Arbeit als des Weisen Kunst.
Nicht nur Bauer und Bürger traf sein Spott, auch
gegen Adel und Hof sandte er gelegentlich spitze Worte
und, wie wir sahen, nicht immer mit der nöthigen
Vorsicht. Wie vor hundert Jahren fi. Gherardi durch
Madame de Maintenon, wurde Kurz durch die Kaiserin
Maria Theresia wegen seiner losen Zunge vom Hofe
verbannt. Einflussreiche Frauen standen in Frankreich
und in Deutschland auf Seite des regelrechten Schau-
spiels und blieben nicht ohne Einfluss auf die Verfeine-
rung der szenischen Darstellung.
Nachdem sein schauspielerischer Ruf feststand und
sein eigentliches Gebiet, die Stegreifposse, in Wien vor
y
*) Evarista Gherardi, Theatre italien. Paris 1695.
-1»
184 JOHANN JOSEI'U FELLX VON KURZ.
dem regelmässigen Schauspiel zurückweichen musste,
entfaltete Kurz eine ausserordentlich rege Thätigkeit als
Theaterunternehmer. Er wusste stets vorzügliche Kräfte um
sich zu versammeln und seine Bühne dort aufzuschlagen,
wo Erfolg winkte. Die von ihm geschaffenen Stücke aber,
die „Bernardoniaden", erfreuten sich durch Jahrzehnte
allgemeiner Beliebtheit in ganz Deutschland. Dieser Ge-
schmack erscheint uns heute kaum begreiflich, und wir
müssen, um einenMaasstab zu gewinnen, an unsere Zauber-
possen oder Operetten denken, welche auch den Schwer-
punkt auf Ausstattung, Musik und Tanz legen. Inwieweit
unter dem Unsinn der „ Bernardoniaden a nur für die Zeitge-
nossen verständliche politische, soziale oder literarische
Anspielungen sich verbargen, wie etwa in der „Prinzessin
Pumphia", mag dahin gestellt bleiben. Dies war gewiss
oft genug der Fall. Eine Hauptwirkung der „Bernardo-
niade a aber, der Gegensatz zwischen der eleganten zier-
lichen Colombine und dem derben plumpen Bernardon,
beruhte auf der persönlichen komischen Begabung der
Darsteller. Nicht ohne Grund betonen die Avertisse-
ments so häufig: diese Rollen sind auf die „Personage"
des Herrn Kurz oder der Signora Kurz gearbeitet.
Kurz nahm das für seine theatralischen Zwecke Dienliche
aus allen Sprachen. Eine „erschröckliche tf oder komische
Handlung, wirkungsvolle Szenen oder Figuren der ver-
schiedensten Herkunft wurden zu einem dramatischen
Potpourri zusammengeflickt wie die farbigen Streifen auf
der bunten Harlekins-Jacke. Der Mangel an Einheit störte
sein Publikum nicht. So blieb auch in dieser Spreu der
Bernardoniaden gelegentlich ein werthvolles Korn be-
wahrt, das später auf fruchtbaren Boden keimen und blühen
konnte. Wenige Jahre nach dem Tode des Kurz wurde
in Wien der geniale Raimund geboren, aus dessen Zauber-
possen, die heute noch so viele kindliche Gemüther er-
freuen, wohl manche Anklänge an das alte Stegreifspiel
heraustönen.
Anhang. 185
j Anhang.
-^
Zu IV. Seite 34.
Kinder des Johann Joseph Felix von Kurz
mit seiner Frau Franziska geb. Tuskani:
Anna Eleonqra Theresia getauft 14. Februar 1745, Taufpathe: Tit.
Frau Eleonora Herzogin von Q u a s t a 1 1 a gebohrne
Herzogin von Hollenstein (vertreten durch) Jung-
frau Anna Maria Jairillie und Susanna
Schenkingerin.
Bartholomäus Chrystophorus Josephus getauft 31. Mai 1746. Tauf-
pathe: Tit. Freyherr Bartholomäus von Tinti,
N. Ö. Regimentsrath (vertreten durch) Christo-
phorus de Hager, Virtuose von der Oper.
Susanna Franziska Antonia getauft 29. August 1747. Taufpathe:
Johanna Susanna Simonin königl. Pol-
nische Hoflieferantin (vertreten durch) Katharina
Schlakofsky, aus dem armen Haus und Barbara
Wathoferin.
Maria Anna Agnes ) getauft am 21. September 1748. Pathen: Maria
Carolina Maria Anna ( Anna Bissin und MariaAnna Pesalia.
Carolus Josephus getauft am 1<5. Dezember 1749. Pathe: Tobias
Josephus Edler von Gollhofer R. R. R. und
Maltheser 0. Donat, k. k. Ober Cammer Fourier.
*
Maria Anna Procopia getauft am 22. Mai 1751. Pathe: Graf Procopius
Adalbertus Czernin, böhm. Oberlandrichtsbei-
sitzer und Regimentsrath (vertreten durch) Fr.
Maria Anna Bober, Kammerdienerin.
Franz ^Walricus Heinrich Blasius getauft 3. Februar 1753. Pathe:
Hochftirst). Gnaden Franz Walricus Kynsky
suppl. Heinrich Schwarzenberg.
186 Anhang.
Zu IX. Seite 125.
1760, 12. September.
Kundt und wissentlich seye hiemit jedermänniglichen, dass lieunt
unten gesteltcn Jahr, und Tag mit gnädiger Approbation Einer Hoch
Löblichen K. Königlichen Ober-Direction in conformitate des untern
16 nächst abgerukten Monaths Augusti, und respective loten currentis
ergangenen Decretum entzwischen der Löblichen Würtbschafts Admini-
stration der Königlichen Alten Stadt Prag Eines, dann den Herrn
Joseph von Kurtz, Principalem der allhiesigen Teutschen Comoedianten-
banda änderten Theils nachfolgende Verabredung und respective Miett
und vermittungs Contract Beliebet und geschlossen worden
Kraft wessen:
Primo elociret eingangs erwehnt Löbliche Würthschafts-Administration
Ihme Herrn von Kurtz das in der Alt Städter Kotzen Befindliche
gemeind Opern oder Comoedie Hauss von 15ten laufenden Monaths
anfangend Bis wiederumben den löten September Künfftigen 1763
Jahrs mithin auf drey nacheinander gehende Jahre zu keinen anderen*
gebrauch, als dass derselbe auf dasigen Theatro seine Comoedien,
Opern, Pantomimen und andere Schau-spiehle, und Comische Vorstell-
ungen nach seinen eigenen willen und Nutzen frey und ohngehindert
an Allerhöchsten Orthen aus nicht verbottenen Tagen durch Ihm
selbsten oder durch einen andern von Ihm gesetzten Impressario
produciren könne, sambt denen darinnen Befindlichen Logen, Orguester,
Parterre und Caffe Laaden gegen einen Jährlichen ä Sieben Hunderth
Gulden pactirten und folgender gestalten in die richtigkeit zu setzen
kommenden zinss
dass nachdem
Secundo. 1 So wohl von dem Scenario, welches die Gemeinde Selbsten
hat machen Lassen, als auch von dem so der Rechts und zahlungs-
flüchtige Impressarius Johann Baptist Locatelli hinterlassen, und
Selbte Licitando pr. 446 fl. 30 Xr. erkauffet, hat, während der 1757
Jährig-Preusischen bombardirung einige Blätter durch die in das
Theatrum eingebrochnen Soldaten zerschlagen oder sonsten verlohren
gegangen und über dieses annoch einige gantze Scenen abgängig seyn,
diesen abgang nun zu ersetzen und alles in vollkomen Standt einzu-
richten nach Vorschlag des Herrn von Kurtz 3535 Gulden erforderlich
wären. Endtlichen aber hat derselbe Bey der in der Behausung und
anwesenheit des Königlichen Alt-Städter Herrn Stadt Haubtmanns
|: titulo pleno :| gehaltener Tractations Coramission diese gantze er-
fordernd per Pausch mit alleiniger darzuschüssung von Seithen der
*■ Secundo und Tertio bereits gedruckt bei Oscar Teuber 1. c. p. 235.
Anhang. 187
Commnnität 2300 fl. zu Bestreitten, und das Theatrum sambt den
Scenario in vollständigen Standt Längstens Bies ultimo December
hujus Anni Herzustellen sich erklähret, und verbunden dahingegen
zu dessen wieder Bezahlung Ihme allforderist der von dem Opern
Impressario Angelo Mingotti von löten September 1759 Bies deto
September heurigen Jahres vertagte und allbereyts Baär erliegende
Theatralzinss per 000 fl., wie nicht münder auch der Von Letzt Be-
molten dato annuatim a 700 fi. anticipato durch drey Jahr zu entrichten
kommende zinss für das Erste Jahr in totum - die übrige 2 Jahr
aber nur Jährlich ä 500 fl. in banden gelassen, folgbahr der gemeinde
durch gleich mentionirt 2 Letzte Conductions Jahr all Jährlich Bey
eintritt des 15. September 200 fl. und also conjunetim 400 fl. Bahr
ausgefolget und auf diese weiss und arth sothane 2300 fl. zahlbar
gemacht und respective ausgeglichen werden sollen
so Bald nun
Tertio diese Theatral Decoration und Augmentatum verfertiget und
in completen Standt hergestellet seyn wirdt soll all dasjenige was
neu angeschaffet in ein zweyfach genaues Invontarium mit Bewerung
was ein, und das andere in Specie gekostet hat, gebracht und nach
endigung gegenwärthigen Miettungs Contract hinwiederumben von
dem Herrn Conducenten in gutten Standt juxta inventarium zurtick-
gestellet, und hinterlassen werden
im Fall aber
Quarto während dieser drey Jährigen Conductionszeit alle Schauspiehle
ob maestitiam publicam auf einige Zeit von der allerhöchsten Hoff
Stelle verbotten werden solte, in eum casum soll Ihme Herrn Conducton
ebenso Lang als das tempus inhibitionis gedauret hat, nach den
15 September des künflftigen 1763 Jahrs zu Vollstreckung dieser drey
Jahren ohne einig weither er zinsszahlung auf den elocirten Theatro
seine Schau-spiehle zu produciren frey verbleiben
obzwahrenn
Quinto während dieser Pachtungszeit dem Herrn Conducenten vi §phi
l mi Conti actus auch einen anderen Impressarium zu setzen die macht
hat, da aber Selbter einem anderen Comoedien oder Opern Principali
sothanen Schau Platz gäntzlich Subelociren wolte, dieses nicht änderst
als mit vorläufiger anzeigung Einer Löblichen Würthschaifts Admini-
stration für sich gehen und geschehen soll
wo anbey
Sexto verbleibet wie vorhin allezeit gewöhnlich die Magistratual Loge
frey, dergestalten dass der Herr Entreprenneur auf alle produetiones
so viel deren gespiehlet werden Fünf Franco billieter in sothaner Loge
alleinig für die Alt Städter Herren Bathsglieder, und respective
Administrator es in die Hände des |: Titular :| Herrn Administration
Directoris ohne dass solche an jemand andern cediret werden können,
188 Anhang.
dann für den Herrn Cantzler wegen aufsetzung gegenwärtigen Mittungs-
Contract und anderen dem Herrn von Kurtz und mehr Bemeltes Opern
Hauss das Jahr hindurch vorfallenden Begebenheiten, und hirwegen
zu verfassen kommenden Sehrifften Ein derley Francobilliet abzugeben
haben, und demselben entweder in sothane Loge, oder aber in das
erste Parterre ohne einigen Leggeld zu" gehen freystehen wirdt,
welche 6 Franco billieter auch wann ein Sub Conductor sich hervor-
thuen solte zu verstehen seyn
Schlüsslich dann auch
Septimo dem Herrn Mietter obliegen wirdt all überkommendes in
gutten Standt zu erhalten, das intermedie eingehende proprijs Sumptibus
zu richten zu lassen, insonderheitlich damit durch das Feuer daselbst
kein schaden Beschehe, gutte obsicht zu tragen, das Comoedi Hauss
allzeit Sauber und zu nachts zeit verschlossen zu halten verbunden
seyn, immassen da [.» ausser göttlicher schückung durch einen Donner
Streich : | ein Feuer in wiederholten Comoedi Hauss entstehen und
andurch der gemeinde einige schaden verursachet werden möchte, Er
Herr Conducent darfür zu hafften gehalten seyn und falls in dessen
derselbe einige abänderung in dem Comoedi Haus machen lassen
wolto, dieses allezeit auf seine aigenen Unkosten und nach vorhero
Einer Löblichen Würthschaffts Administration Beschehener anzeige
und Hierauf erfolgter Bewilligung geschehen solle.
Denen allen zur urkundt ist gegenwärtiger in zwey gleich
Lauthende Eiemplaria verfaster Contract Beederseiths unterferttiget,
und jeden Theil ein Exemplar in Händen gelassen worden. So ge-
schehen Prag den 12. September 1760.
L. S. Johann Mathias Eser Cantzler
urbis. und gemein ältister.
T Joseph von Kurtz m / p .
J-i. ö. . r
Impresario derer Opern und
Comoedien.
Elocations Contract des Kotzen
(In Rubro,) Theatri, so sich mit 15' September
1763 endiget.
Zu XI.
a) Zu Seite 166. Beilage in Lichtdruck, nach dem Original verkleinert.
b) Zu Seite 175. Ugeb. A. 87. no 18.
Unterthänig gehorsambstes Memoriale
Joseph von Kurz Entrepreneur der Teutschen Schauspielergesell-
schafft die von löbl. Rechnerey Amt allzuhoch angesetzte
Messabgabe betreifend
Anhang. 189
Wohl- und Hoch Edelgebohrne
Gestrenge Pest und Hochgelahrte
Wohl fürsichtige Hoch- und Wohlweise
Insonders grossgtinstige Hochgeehrteste und
Hochgebiethende Herrn Bürgermeistern und Rath!
Es ist dieses die Vierte Messe, in welcher ich die gnädige
Erlaubnis erhalten, meine Schauspiele aufführen zu dürffen. In zweyen
derselben spielte ich in dem von mir neu erichteten Commoedien
Hauss, und bezahlte Vor den mir angewiesenen und hiesiger Stadt
zugehörigen Platz das bey anderen Schauspieler Vor jede Messe ge-
wöhnliche Quantum Von fünffzig Reichsthaler; die abgewichene Oster-
messe hingegen wäre ich, wie jezo auch zu meinem empfindlichsten
Schaden gezwungen mit dem zu meinen Decorationen allzu kleinen
Theater in dem Junghof mich zu behelfen, und man hatte mir damalen,
weilen ich keinen Stadtplatz occupiret Von löbl. Rechnerey Amt nur
zwanzig Gulden abgefordert. Vorjezo aber habe ich zu meiner Be-
kümmerniss und grössten Erstaunen die Nachricht erhalten, dass man
diese Summa auf Drey Hundert Gulden erhöhen wollen, ohne dass zu
selbiger Zeit, da ich die gnädige Erlaubniss Vor diese Messe erhalten
sothane neuerliche und für mich ohnbcstreitliche Einrichtung zu
Nehmung meiner dienlichen Maas-Regeln* mir bekannt worden.
Und ob zwar durch die selbst eigene erleuchtete Einsicht eines
Hoch Edlen Magistrats, dass die abgegebenen Frey Billets einem jeden
zeitlichen Entrepreneur sehr nachtheylig seyen, solche für das Künfftige
aufgehoben worden: so kann ich mir doch ohnmöglich Vorstollen,
dass sothane Aufhebung mit einem so grossen Preyss bezahlen solte;
Zumalen ich mich niemalen geweigeret gedachte Frey Billets an
jedes der löbl. Amter abzureichen, sondern nur den allzustarcken
Missbrauch derselben einzuschränken gesuchet habe; Nicht zu ge-
dcncken, dass wie auf einer seythe der allzu niedrige Gebrauch dieser
Billets Vorgewaltet, solche hingegen Von vielen Personen nicht ein-
mahl gebrauchet worden; folglich ich jeder Zeit dabey besser be-
standen bin, als dass solche mit einer so allzuhohen Summa auslösen
solle.
Der Profit, den ich bisshero Von der Commoedie gezogen, ist
sehr mittclmässig und eine so grosse Gesellschafft Schauspieler und
Tänzer zu unterhalten erfordert dermasigo Kosten, Von deren Ver-
gütung ich mir ausser der Messe allhier keine Hoffnung machen kan.
Ich muss ohne solchen ganze Jahre durch fortdaurenden Auf-
wand nur Vor eine Messe an den H"* Innhaber des Theater fttnff
Hundert Rthlr. Zinnss bezahlen und dieses betragt jede Commoedie
30 fl., das Orgester kostet alle Tage 18 fl. 30 kr., die Illumination
Täglich 12 fl., und diese drey Posten machen allein jeden Tag 60 fl.
30 kr. aus, ohne dass ich den Druck der Commoedien Zettel und aus
190 Anhang.
H,
Träger, die Besoldung derer Cassirern, der Billeten Einnehineren,
der Mahler, Tischler, Zimmer leuthe, Tagloh ner, Lichterbuzer und
Guardetrobber etc. in anschlag bringen Mag. Und da ich durch mein
Haussbuch beweisen kan, dass in Voriger Messe nur 40, 30 und
etliche 20 fl. zu gewissen Tagen gelöset ; so wird man hieraus sehen,
dass ein Entrepreneur, wenn er keine Schulden machen will, nicht
diejenigen Vortheile hat, die man sich Von Ihm Vorstellet, folgsam
die dermalig geforderte Abgabe ohnmöglich aufbringen kan.
Wie denn in eben dieser Betrachtung, und damit ein Entrepre-
neur bestehen könne, ich von der löbl. Beichs Stadt Colin das glück
gehabt zum Nuzen dasiger Bürgerschafft ein solches ohnbestimmtes
Privilegium und Plaz zu Erbauung eines Commoedien Hauss erhalten,
ohne die geringste Abgabe zu thuen alle Spetacul Vorstellen zu
können.
An Euer Wohl und Hochedelgeboren ergehet dahero bey Vor-
waltenden Umständen und da mir nicht möglich ist, alle andern aus-
gaben zu bestreiten, mein Unterthänig gehorsambstes bitten, Hoch-
dieselbe mir für diessmal die allzuhoch angesezte Forderung löbl.
Rechnerey Amts zu entlassen und das gewöhnliche von mir anzu-
nehmen gnädig geruhen möchten, der ich unter AnhoiFung huldreicher
Erhörung in tiefester Veneration beharre
Euer Wohl- und Hochedelgeboren gestreng und Herrlich-
keiten wie auch Hoch und Wohl fürsichtige Weissheiten
unterthäniger
Joseph von Kurtz.
Auf diese Eingabe erhielt Kurz folgenden Bescheid:
Lect. in Senat: d. 13. September 17G8. Solle man den
Entrepreneur von Kurz anweisen annoch in dieser Woche
sich bey löbl. Bechnerey Amt zu melden und seine Abgab
mit demselben zu reguliren.
Literatur. I9I
Literatur.
-3>**<r
Wiener Diarium* Gelebrte Nachrichten. Erscheint seit 1703.
Die deutsche Schaubühne zu Wien nach alten und neuen Mustern«
Wien 1749—1762.
Repertoire des Jheätres de la Tille de Tienne, depuis l'ann£e
1752 jusqu'ä l'annee 1757* Dans Piinprimerie de Jean
Leop. Rob. de Ghelen. Vienne en Autriche 1757.
Engelschall, Jos* Heinrich Yon. Zufällige Gedanken über die deutsche
Schaubühne in Wien. Wien 17G0.
Die Welt. Wochenschrift von Klemm und Herrl. Wien 1762—1763.
Der östreichische Patriot. Wochenschrift. Wien 1764—1766.
Der Mann ohne Torartheil. Wochenschrift. Wien 1765—1767.
Chr. H. Seil 111 id. Chronologie des deutschon Theaters. Leipzig 1775.
MUUer 9 J. H. F. Geschichte und Tagebuch der Wiener Schaubühne.
Wien 1776.
De Luca. Das gelehrte Ostreich. Wien 1778.
Kurz gefasste Nachrichten von den bekanntesten deutschen National-
bühnen überhaupt und yon dem K. K. Nationaltheater zu
Wien. Wien 1779.
Sonnenfels, Joseph Ton. Gesamm. Schriften. Wien 1783—1787.
Dies, A. Ch. Biographische Nachrichten von Jos. Haydn. Wien 1810.
Meissner, A. G. Sämmtliche Werke. Wien 1813—1814.
Graeffer, F. Kleine Wiener Memoiren. Wien 1845.
Realis, Curiositäten und Memorabilien-Lexikon von Wien. Wien 1846.
Seite 184 befindet sich ein Holzschnitt, mit der Dar-
stellung Bernardons in der Bolle eines Cölnischen Stadt-
soldaten. (Siehe Seite 14.)
Gervinus, G. G. Geschichte der deutschen Dichtung. Leipzig 1853.
Wurzbach yon Tannenberg, Constant. Biographisches Lexicon des
Kaiserthum Ostreich enthält die Lebensskizzen der denk-*
würdigsten Personen, welche seit 1750 im Kaiserstaate und
in seinen Kronländern gelebt haben. Wien 1857—1891.
Hysel, Franz Eduard. Das Theater in Nürnberg von 1612—1863.
Nürnberg 1863.
Pohl, C. F. Joseph Haydn. Leipzig 1875 u. 1882.
b!
jj:
i
I92 Literatur.
Richter, H. M« Geistesströmungen. Berlin 1876.
Wlasgak Dr. Eduard« Chronik des K. E. Hofburgtheaters zu dessen -
Säcularfeier im Februar 1876. Wien 1876.
Pawel Jaro. Die literarischen Reformen des XVIII. Jahrhunderts*.
Wien 1881.
Beden Esbeck y. Caroline Neuber. Leipzig 1881.
R. Genee« Lehr- und Wanderjahre des deutschen Schauspiels. 1882.
Mentzel, E. Geschichte des Theaters und der Schauspielkunst in
'Frankfurt a. M. Frankfurt a. M. 1882.
Teuber, Oscar« Geschichte des Prager Theaters. Prag 1883.
Görner. Karl von. Der Hans Wurst-Streit in Wien und Joseph von
Sonnenfels. Wien 1884.
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Goedecke, Karl. Grundriss zur Geschichte der deutschen Dichtung.
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Druck von R. Morgenstern, Frankfurt a. M.
:*WH^
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