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Full text of "Kleinere Schriften"

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PRESENTED  TO 

THE    LIBRARY 

BY 
PROFESSOR  MILTON  A.  BUCHANAN 

OF  THE 

DEPARTMENT  OF  ITALIAN  AND  SPANISH 

1906-1946 


^ERE  SCHRIFTEN  VON  REINHOLD  KÖHLER 


ERSTER  BAND 


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KLEIXEEE  SCHEIFTEN 


ZUR 


tCHENl^ORSCHUlNG 


VON 


REINHOLD  KÖHLER 


HERAUÖGKGEßEN 

VON 

JOHANNES    BOLTE 


WEIMAR 

VERLAG   VON   EMIL   FELBER 

1898 


KLEINERE  S^HRIETEN 


YOX 


EEIMOLD  KÖHLEß 


ERSTER  BAND 

ZUR  MÄRCHENFORSCHUNG 


563855. 

n  .  s.   53 

WEIMAR 

YP]RLAG   VON    EMIL    FELBER 

1898 


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KLEINEEE  SCHRIFTEN 

ZUR 

MÄRCHENFORSCHUNG 


VON 


REINHOLD  KÖHLER 


HERAUSGEGEBEN 

VON 

JOHANNES   BOLTE 


WEIMAR 

VEELAO  VON   EMIL   FELBER 

1898 


Alle  Rechte  vorbehalten. 


Dnick  von  Emil  Felber  in  Weimar. 


Vorwort. 


Da  es  Reinhold  Köhler,  dem  rastlosen  Weimarischen 
Forscher,  nicht  beschieden  gewesen  ist,  selber  seine  in  Zeit- 
schriften verstreuten  Aufsätze  und  Artikel  zur  l.itteratur- 
geschichte  und  Volkskunde  zusammenzufassen,  ward  nach 
seinem  am  15.  August  1892  erfolgten  Tode  von  vielen  Seiten 
der  ^^'unsch  nach  einer  Sammlung  dieser  oft  schwer  erreich- 
baren Arbeiten  laut.  Doch  sind  infolge  mancher  äusseren 
Schwierigkeiten  sechs  Jahre  ins  Land  gegangen,  ehe  der  vor- 
liegende erste  Band  ans  Licht  treten  konnte. 

Er  vereinigt  alle  irgendwie  bedeutenden  Beiträge  Köhlers 
zur  Märchenforschuug  mit  Ausnahme  der  Anmerkungen  zu 
den  Sammlungen  von  Kreutzwald  (1869),  Gonzenbach  (1870; 
Nachträge  1896  in  AVeinholds  Zeitschrift  für  Volkskunde), 
Blade  (1874),  zu  Gerings  Islendzk  Aeventyri  (1883),  zu  den 
Luis  der  Marie  de  France  (1885),  sowie  der  1894  von  Erich 
Schmidt  und  mir  aus  der  Handschrift  herausgegebenen  Auf- 
sätze über  Märchen  und  Volkslieder  ^).  Dass  auch  viele  Be- 
sprechungen von  Märchensammlungen  aufgenommen  wurden, 
rechtfertigt  sich  durcli  die  darin  enthaltene  Fülle  positiver 
Belehrung.  Ohne  unfruchtbare  Polemik,  die  er  auch  an 
andern  missbilligt  (S.  880),  hebt  Köhler  das  Neue  und  Wert- 
volle  hervor,    um   es  mit   Bekanntem    in   nähere   Verbindung 


*)  Berlin,  Weidmannsche  Buchhandlung.  Enthält:  Ueber  die  euro- 
päischen Volksmärchen;  Eingemauerte  Menschen;  Sankt  Petrus  der 
Hiramelspförtner;  Die  Ballade  von  der  sprechenden  Harfe;  Von  Glück 
und  Unglück;  Das  Hemd  des  Glücklichen;  dazu  Schriftenverzeichnis 
und  Xachruf. 


YI  Vorwort. 

ZU  setzen.  Weder  liier  noch  anderwärts  stellt  er  eine  allein 
seligmacliende  mythologische  Theorie  auf:  wo  er  einmal  \on 
der  durch  Angelo  de  Gubernatis  vertretenen  Zurückführung 
sämtlicher  Märchen  auf  vediselie  Sonnenmythen  reden  muss 
(S.  349),  geschieht  es  in  einem  bei  ihm  seltenen  Tone  leiser 
Ironie.  Nie  ist  er  rasch  mit  einem  Urteile  über  die  Herkunft 
und  iMitwicklung  eines  Stoffes  bei  der  Hand,  sondern  den 
Boden  behutsam  prüfend  geht  er  Schritt  für  Schritt  voi'wärts. 
indem  er  mit  seiner  ausgebreiteten  Belesenheit  und  Sprachen- 
kenntnis die  verwandten  Erzählungen  aus  der  AVeltlitteratur 
zusammenträgt  und  deren  Motive  bis  auf  einzelne  Reimverse 
und  bildliche  Ausdrücke  sorgsam  zergliedert  und  einander 
gegenüberstellt.  Von  seiner  Gewissenhaftigkeit  zeugt,  dass 
er  sich  selbst  leichtsinnig  schilt,  als  ihm  einmal  ein  kaum 
zu  vermeidendes  Missverständnis  begegnet  (S.  3(3!)).  So  ist 
er  in  geduldiger  Sammelarbeit,  die  seine  rechte  Freude  war, 
zu  gesicherten  Ergebnissen  fortgeschritten  und  hat,  wo  er  sich 
willig  beschränkte,  andern  Forsciiern  treft'lich  vorgearbeitet. 
V<iu  seiner  reinen,  bescheidenen,  liel)enswerten  l^ersTudichkeit 
bat  uns  vor  vier  Jahren  Erich  S<'liinidt  ein  treues  Kild  ent- 
worfen. 

Geordnet  sind  die  Aufsätze  dieses  Randes  jui<'h  ihrer 
inneren  Verwandtschaft  in  sieben  Gruppen:  Allgemeines 
(Nr.  1—10),  französische  (11—15).  keltische  (KI—LS),  ita- 
lienische (19 — 24),  griechische,  albanesisclie  und  walachische 
(25 — 28),  slavische  und  litauische  (29^34)  und  oi'ientalische 
(35 — 40)  Märchen.  Der  nicht  zu  vermeidende  üebelstand, 
dass  dasselbe  Erzählungsthenia  an  verschiedeneu  Stellen  be- 
sprochen wird,  ist  durch  eingeschaltete  Verweise  und  ein 
Sachregister,  soweit  möglich,  ausgeglichen.  Die  handschrift- 
lichen Nachträge  Köhlers,  die  sich  in  seinen  Handexemplaren 
oder  auf  besonderen  Zetteln  vorfanden,  habe  ich  in  eckigen 
Klammern  dem  Texte  eingefügt,  ohne  davon  meine  eigenen 
Zusätze,  die  nur  hier  und  da  (Nr.  15,  Ki  f,  35)  grösseren 
Umfang  erreichen,  zu  scheiden,  (ianz  ungedruckt  waren  bisher 
die  leider  unvollendeten  Anmerkungen  zu  Blades  Contes 
[)opulaires  de  la  Gascogne  (Nr.   15). 


Vorwort.  VII 

Zwei  weitere  Baude  .sollen  die  Arbeiten  über  Volkspoesie, 
über  mittelalterliche  Sagen  und  Legendeu  und  über  einzelne 
Dichter  des  16.  und  18,  Jahrhunderts  bringen.  Was  sonst 
ans  dem  Nachlasse  verwertbar  erschien,  ist  zumeist  schon  in 
Zeitschriften^)  niedergelegt  worden  und  soll  auch  der  neuen 
IJearbeitung  des  Anmerkungsbaiules  der  Grimmschen  Märchen 
zu  gute  kommen. 

Herzlichen  Dank  sage  ich  zum  Schlüsse  Erich  Schmidt, 
der  zur  Herausgabe  seinen  fördernden  Beirat  geliehen  hat, 
und  den  innig  verehrten  Schwestern  Elise  und  Mathilde  Köhler, 
ohne  deren  bereite  Opferwilligkeit  es  nicht  möglich  gewesen 
wäre,  ihrem  Brnder  dies  Denkmal  zu  errichten. 

Berlin  im  Sei)tember  1<S9<S. 

Johannes  Bolte. 


\)  J.  Bolte:  Stoffgeschichtliches  zu  Hans  Sachs  (Euphorien  8,  351 
bis  362).  Lenaus  Gedicht  'Anna  (ebd.  4,  323  —  333).  Halms  Gedicht 
Die  Brautnacht  (ebd.  5,  534-536).  Die  Wochentage  in  der  Poesie 
(Archiv  f.  neuere  Sprachen  98,  83—96.  281—300;  99,  9—24;  lUO,  149— 
ir)4).  Hiobs  Weib  (ebd.  99,  418—422).  Zu  den  von  L.  Gonzenbach  ge- 
sammelten sicilianischen  Märchen  (Zs.  d.  Y.  für  Volkskunde  6,  58 — 78. 
161—175).  Setz  deinen  Fuss  auf  meinen  (ebd.  6,  204—208).  Schäfer- 
gruss  (ebd.  7,  97  —  100.  210).  Die  drei  Alten  (ebd.  7,  205  —  207).  — 
Dazu  E.  Schmidt:  Schnell  wie  der  Gedanke  (Euphorion  1,  47—51). 
Nochmals  Singularartikel  vor  Pluraldativen  (Paul-Braune,  Beiträge  20, 
560—563). 


Inhalt. 


Seite 
Vorwort V 

1.  Sage,  Fabel  und  Legende    (Zs.  f.  d.  Mythologie  3) 1 

2.  Einige  Anmerkungen    zu   F.  Panzers    Bayerischen   Sagen    und 

Bräuchen  (Zs.  f.  d.  Mythol.  3) 3 

3.  Die  dankbaren  Toten  und  der  gute  Gerhard  (Grermania  3)  .     .  5 

4.  Zu  dem  Märchen  von  dem  dankbaren  Toten  (Orient  u.  Occident  3)  21 

5.  Zum  Guten  Gerhard   (Germania  12) 32 

6.  Nachtrag  zu  ,Doctor  Allwissend'  (Orient  u.  Occident  3)  .     .     .  3y 

7.  Zu  dem  Märchen  von  der  Lebenszeit  (Jalirb.  f.  Littgesch.  1)     .  42 

8.  Litteratur  der  A^olksmärchen:    Baring-Gould,   Blade,   Toeppen, 

Peter,  Schneller,  Strackerjan,  Leibing,  Asbjörnsen  og  Moe, 
Möller  (Göttingische  gel.  Anz.   1868) 45 

9.  Ein  anscheinend   deutsches  Märchen    von    der  Xachtigall    und 

der  Blindschleiche  und  sein  französisches  Original  (Zs.  d.  V. 

für  Volkskunde   1) 72 

10.  Tom-Tit-Tot  (Folk-Lore  2) 7(; 

11.  Zu  Rabelais  (Jahrb.  f.  roman.  Litt.  3) 77 

12.  Volksmärchen  aus  Frankreich:    Moncaut,    Beauvois,   Du  Meril, 

Champfleury  (Jahrb.  f.  roman.  Litt.  5) 79 

13.  A'olksmärchen  aus  der  Landschaft  Forez  in  Frankreich  (Jahrb. 

f.  roman.  Litt.  9) IO.t 

14.  Zu  Carnoy,  Contes  populaires  recueillies  ä  AVarloy-Baillon  ou 

a  Mailly  (Zs.  f.  roman.  Philologie  3) 108 

15.  Anmerkungen    zu    Blade,    Contes    populaires    de    la   Gascogne 

(bisher  ungedruckt) 114 

16.  Anmerkungen  zu  Luzel,    Contes  bretons:    Koadalan;    Les    trois 

freres,  ou  le  chat,  le  coq  et  Techelle ;  Les  trois  tilles  du 
boulanger,  ou  Teau  qui  danse,  la  ])omme  qui  chante  et 
Toiseau  de  verite;  Le  pape  Innocent,  et  histoire   de  Cliristic; 


X  Inhalt. 

Seite 
Fauch  Scouai'iiec ;    Le   paiii    ehange    en    une    tete    de    mort 
(Melusine   1.     Verh.  d.  Berliner  Anthropol.  Ges.  1886)      .     .     138 

17.  Ueber    Campbeils    Sammlung     gälischer    Märchen     (Orient    u. 

Occident  2) 155 

18.  Anmerkungen    zu    Lang,  Scotch  Tales:    Rashin  Coatie;    Nicht, 

Nought,  Nothing  (Revue  celtique  3) 270 

19.  Anmerkungen  zu  Widter  und  Wolf,  Volksmärchen  aus  Venetien 

(Jahrb.  f.  roman.  Litt.  7) 281 

20.  Italienische  Volksmärchen:    H.  Grimm,    Teza,    De  Gubernatis, 

Chieco  (Jahrb.  f.  roman.  Litt.  8) 325 

21.  Ueber  A.  de  Gubernatis,  Novelline  di  Santo  Stefano  (Gütt.  gel. 

Anz.   1870) 344 

22.  Das  Rätselmärchen  von  dem  ermordeten  Geliebten    (Rivista  di 

letteratura  popolare  1 ) 350 

23.  Ueber  Finamore,   Tradizioni  popolari  abruzzesi  (Litteraturblatt 

1882) 360 

24.  Riscontri    alla   tiaba    rovignese  El  poüliso  e  1  padücio    (Giam- 

battista  Basile   1) 364 

25.  Ueber  Neohellenika  Analekta   1    (Gott.  gel.  Anz.  1871)     .     .     .     365 

26.  Ueber    B.   Schmidt,    Griechische    Märchen,    Sagen    und    Volks- 

lieder (Jenaer  Littzeitg.   1878) 378 

27.  Anmerkungen    zu    G.  Meyer,    Albanische  Märchen    (Archiv  für 

Littgesch.  12) ■ 385 

28.  Ungarische  und  walachische  Märchen  (Zs.  f.  d.  Mythol.  2)    .     .     398 

29.  Ueber  Chodzko,  Contes  des  paysans  et  des  patres  slaves  (Gott. 

gel.  Anz.   1866) 400 

30.  Anmerkungen  zu  Jagic,  Aus  dem  südslavischen  Märchenschatz 

(Archiv  f.  slav.  Philologie   1.  2.   5) 407 

31.  Ne  frapper  qu'un  seul   coup   (Melusine   5) 4C9 

32.  Der  undankbare  Sohn   und    die  Kröte    (Archiv  für  slav.  Philo- 

logie 3) 473 

33.  Vergleichende  Bemerkungen  zu  dem   litauischen   Märchen  von 

dem  listigen  Menschen  und  dem  dummen  Teufel    (Mitt.  der 
litauischen  litt.  Gesellschaft   1) 477 

34.  Eine  litauische  Sage    und    das    deutsche   Volksbuch   von   Fortu- 

natus  (ebd.  2) 479 

.'55.  Nasr-eddins  Schwanke  (Orient  u.  Occident  1  ) 481 

36.  Ueber  Jülg,  Mongolische  Märchen    (Gott.  gel.  Anz.   18()8)     .     .  509 

37.  Ueber  Steere,  Sw^ahili  Tales  (ebd.  1870) 514 

38.  Ueber  Steele,    An  Eastern    Love- Story,    Kusa    Jatakaya    (ebd. 

1872) 520 


Iiil\alr.  -y^i 

Seite 

39.  Aiiiiierkungen    zu    Srliiet'ner,    Awarisclie    Texte     (Menioires  dv 

rAeiulemie   de  St.   Petersboiirg   187:5) 5S7 

40.  Ueber  (n-ünbauni,  Jüdisch-deutsebe  Clirestomatbie  ( Aiizeit,'er  f. 

deutsi'lies  Altertum  9) 57(; 

Xaebträge 584 

Verzeiebnis  der  liäutiger  angefiibrten  Märebeiisainiiduugen    .     .     .  589 

Sachregister 599 


Bemerkte  Druckfehler. 


Lies  S.  51,  23  Blade  1886  —  B5,  j«   Patranuelo  —  81,  m   am  Rande  3 

—  111,21  Nr.  110  —  155,17  des  16.  —  161,1,  Pitre  —  173,3  Volsunga- 
sage  —  173,6  Berntsen  —  189,4  Gremahlin  —  220,25  alte  Oisean  — 
256,13  S.  87  statt  88  —  353,  ,5  am  Rande  216  —  359,  361  und  479 
richtige  Seitenzahlen  —  364  vorletzte  Zeile:  Cosqiiin  —   382,5  deutsche 

—  403,12  Westfälische  —  407,  Z.  4  von  unten:  Vojinovic  —  444,  Z.  8 
von  unten:  Ancona  —  505,  n  heisst  es  in  —  517,23  sich  an  —  563, 10 
Jugend. 


1  Sage,  Fabel  und  Legende. 

(Zeitschrift  für  deutsche   Mythologie  3,  298—300.      1855.) 

Jaeoi)  Grimm  teilt  in  Haupts  Zeitschrift  4.  502  f.  |=  Klei- 
nere Schriften  7,  155]  eine  schwedische  Yolkssage  mit,  wie 
ein  Mann,  der  auf  seiner  Wiese  mäht,  einer  vorüberflieheuden 
Riesin  verspricht  gegen  ihre  Verfolger  zu  schweigen,  dies 
dann  auch  thut,  aber  mit  dem  Wetzstein  die  Richtung,  in 
der  die  Riesin  geHohen,  andeutet  und  dafür  am  folgenden 
Tag  von  ihr  durch  einen  Steinwurf  getötet  wird.  In  dieser 
und  einer  ähnlichen,  ebenfalls  mitgeteilten  schwedischen  Sage 
tindet  Grimm  mit  |  Recht  in  lebendiger  Volksül)erlieferung  299 
die  dem  Mittelalter  schon  geläufige,  unter  die  phädrischen  ge- 
stellte Fabel  , Lupus,  pastor  et  venator-  (Appendix  fab.  a  M. 
Gudio  ex  ms.  Divionensi  descriptarum  no.  23)  [Romulus  4.  'A  ed. 
Oesterley].  welche  auch  von  Marie  de  France  und  von  zwei 
mittelhochdeutschen  Dichtern  (Reinhart  Fuchs  S.  82s  und 
348)  behandelt  ist.  Wenn  Grimm  aber  bemerkt:  .Aesoj)  hat 
die  Fabel  nicht',  so  irrt  er,  da  sie  sicli  allerdings  als  die 
Fabel  ,voui  Fuchs  und  vom  Holzhauer*  bei  ihm  (Ed.  stereot. 
no.  KT)  [=^  no.  35  ed.  Halm]  findet.  Auch  Babrius  (no.  50) 
hat  sie  behandelt,  was  (irimni  freilich  damals  noch  nicht 
wissen  konnte.  In  beiden  Fassungen  tritt  kein  Wolf  und 
kein  Hirte,  sondern  ein  Fuchs  und  ein  Holzhauer  auf.  und 
sie  unterscheiden  sich  ausserdem  besonders  noch  dadurcli  von 
der  lateinischen  Fassung,  dass  der  Holzhauer  den  Fuchs  nicht 
durch  AVinken  mit  dem  Auge,  sondern  durch  Deuten  mit  der 
Hand  zu  verraten  sucht  (tTj  de  yetoi  .  .  .  vjiedeiy.vvev,  Aesop 
To)  dk  day.TvÄcp  vevmv  idetxi'VF).  Dadurch  nähern  sie  sich  der 
schwedischen  Sage,  an  welcher  Grimm  gerade  den  —  wie  er 

R-  Kühler,    Kl.    Schriften.    I.  1 


2  Zur  Märchenforschung. 

meint  —  fast  wesentlichen  Zug  des  Augenwinkens  vermisst. 
Die  Verwünschung  hat  nur  Babrius,  bei  dem  der  Fuchs  zum 
Holzhauer  sagt:  I'qqmoo  toi'vvv,  xai  tov  "Ogxov  ov  (peu^ij. 
[Waldis,Esopus  3,44.  H.Sachs,  Fabeln  no.2"2.  Strackerjan  2,95. 
Krohn,  Mann  und  Fuchs  1891,  S.  61.  Jahn,  Volkssagen  no.  560.] 

Ich  habe  nun  auch  gefunden,  dass  die  der  schwedischen 
Sage  und  den  alten  Fabeln  zu  Grunde  liegenden  Züge  uns 
zum  Teil  auch  in  einer  Legende  begegnen.  In  der  Legende 
von  der  heiligen  Barbara,  welche  sich  unter  den  der  Legenden- 
sammlung des  Jacobus  a  Voragine  angehängten  findet,  lesen 
wir  (ed.  Grässe  p.  900): 

,Tunc  repletus  furore  pater  tulit  spatham  suam,  ut  eani 
(nämlich  seine  Tochter  Barbara,  welche  eben  Beweise  ihres 
christlichen  Glaubens  gegeben  hat)  occideret,  ipsa  autem  orabat 
ad  dominum  et  abscissa  est  petra  et  suscepit  eam  intus  et 
eiecit  eam  super  montem,  in  quo  duo  pastores  erant  pas- 
centes  oves  suas,  et  illi  consideraverunt,  (juod  beata  Barbara  a 
facie  patris  extra  petram  fugeret.  Pater  autem  eins  (piaeritando 
discurrens  venit  ad  praedictos  pastores  inquirendo,  utrum 
vidissent  Barbaram  filiam  suam.  Unus  autem  eorum  consi- 
300  derans  iram  patris  iuravit  se  ne- 1  scire,  alter  vero  digito  eam 
prodidit.  Beata  autem  Barbara  proditori  suo  maledixit,  et 
subito  ipse  versus  est  in  statuam  raarmoream  et  oves  eins 
in  locustas  mutatae  sunt.     Hoc  apocryphum  est.' 

Dasselbe  erzählt  das  niederrheinische  Gedicht  ,Sent  Bar- 
baren passie'.  welches  Oscar  Schade  in  seinen  , Geistlichen 
Gedichten  des  14.  und  15.  Jahrh.  vom  Niederrhein'  S.  52 
herausgegeben  hat.  Nur  hat  der  Dichter  die  Verwandlung 
des  Hirten  zu  erwähnen  vergessen,  wohl  aber  erzählt  er  die 
Verwandlung  der  Schafe  und  versichert  (V.  151)  gelesen  zu 
haben,  dass  sie  noch  heute  da  seien.  Vgl.  auch  Schade 
a.  a.  0.  S.  39.  [In  einem  neugriechischen -Volksliede  verbirgt 
der  heil,  (ieorg  ein  von  einem  Türken  verfolgtes  Mädchen 
in  der  Kirche,  verrät  sie  aber  darauf  in  derselben  Weise; 
Liebrecht.  Zur  Volkskunde   1879  S.  212.] 

Wir  h;iben  also  in  der  Legende  wie  in  der  schwedischen 
Sage  die  Strafe  des  Verräters,  und  wie  der  in  Stein  verwan- 


2.   Einige  Anmerkungen  zu  F.  Pnnzers  Bayr.  Sagen  u.  Bräuchen.         ;} 

(leite  Hirt  ein  bleibendes  Denkmal  der  Uuthat  ist,  so  dient 
als  solches  in  der  schwedischen  Sage  eine  Tanne,  bei  welcher 
jener  Vorfall  sich  ereignet  nud  die  seitdem  fahl  und  ver- 
dorrt stand. 


2.  Einige  Anmerkungen  zu  Friedrieh  Panzers 
Bayerischen  Sagen  und  Bräuchen. 

(Zeitschrift    für    deutsclie    Mythologie    3,   408  —  410.      1855.) 

Bd.  2,  IS.     Das  ans  der  Oberpfalz  mitgeteilte  j  Märchen  409 
von  Christus,  Petrus  und  dem  Schmiede  stimmt  mit  geringer 
Abweichung  zu  dem  Gedichte  von  Hans  Folz,  welches  Zarncke 
in  Haupts  Zeitschrift   <s,  537  herausgegeben   hat.     [Unten  zu 
Widter  uml  Wolf  no.  5.] 

2,  114.  Was  hier  aus  Tirol  vom  Lauterfresser  er- 
zählt wird,  dass  er  auf  dem  Kichtplatz  seiner  Mutter,  die  ihn 
bat,  ihr  ein  süsses  Wort  zu  sprechen,  antwortete:  ,Der  Honig 
ist  süss!'  dassell)e  wird  vom  sterbenden  Kulenspiegel  erziddt 
(ülenspiegel  hsg.  von  I^ap})enberg  !)0.  Historie). 

2,  171.  In  Königstein  —  so  l)erichtet  Panzer  —  erzahlt 
man,  dass  von  allen  Vögeln  nur  die  Krälien  über  den  Tod 
Christi  nicht  betrübt  waren;  deshalb  müssen  sie  im  August 
Durst  leiden,  die  Schnäbel  aufreissen,  können  aber  nicht 
trinken.  Aus  Buttstädt  (im  (irosslierzogtum  Sachsen-Weimar) 
hat  mir  ein  älterer  Freund  als  eine  in  seiner  Jugend  ver- 
breitete Volksansicht  erzählt,  dass  die  l»aben  im  Rracliiuonat 
ihre  Schnäbel  immer  vor  Durst  aufsperren,  aber  nicht  trinken 
kfinnen  —  zur  Strafe  für  den  Ungehorsam  jenes  Kaben,  den 
Noah  ausschickte  und  der  nicht  zurückkehrte.  Bei  den 
Griechen  war  in  ähnlicher  Weise  der  Durst  eine  von  Apollon 
den  Raben  deshalb  verhängte  Strafe,  weil  einer  um  AV asser 
ausgeschickt  auf  einer  AViese  zu  lange  verweilt  hatte.  A'gl. 
Aelian  Hist.  anim.  1,  47   nud  Prantls  scliöneu  Aufsatz   ,Finige 

1* 


4  Zur  Märchenforschung'. 

Reste  des  Tierepos  bei  den  Sammelschriftstellern  und  Natur- 
historikern des  spätem  Altertums'  im  Philologus  7,  70.^) 

2,  191.  Das  unter  no.  328  erzälilte  Märchen  von  den 
verzauberten  Fischen  ist  ein  unwesentlich  veränderter 
Auszug  aus  dem  Märchen  der  1001  Nacht  ,vom  jungen  König 
der  schwarzen  Inseln'  [Breslauer  Übersetzung  1,  1(S3]  und 
wird  wohl  erst  in  neuerer  Zeit  ins  Volk  gedrungen  sein, 
wenn  es  überhaupt  wirklich  im  Volk  verbreitet  ist. 

2,  217.  Die  in  dem  Spruche  (no.  o95)  vorkommende 
Formel  ,So  viel  KTtrutla,  so  viel  Hörnthr  erinnert  mich  an 
einen  thüringischen  Spruch,  den  ich  bei  der  Gelegenheit  mit- 
teile. In  Tambach  (südöstlich  vom  Inselsberg)  wird  der  neue 
410  Besitzer  oder  Pächter  bei  der  ersten  Ernte  von  |  den  Schnittern 
mit  einem  Kranze  aus  verschiedenen  Getreidearten,  namentlich 
Hafer,  und  aus  Wintergrün  und  Nachtviolen  ,angebundeu% 
unter  Hersagung  des  folgenden  Spruches: 

Ich  binde  dich  an  mit  Ehren  (Ähren?), 

Ich  hoffe,  du  wirst  mirs  nicht  verwehren. 

Ich  binde  dich  an  mit  Hafer  und  nicht  mit  Korn. 

Du  sollst  mich  tränken  mit  Bier  und  nicht  mit  Born, 

Und  war  es  Wein, 

So  sollt  es  mir  desto  lieber  sein. 

Ich  wünsche  dir  einen  Boden  voll  Kürner, 

Einen  Stall  voll  Hörner 

Und  dazu  ein  paar  neue  Schuh. 

Gott  gebe  dir  Glück  und  Segen  dazu! 

2,  28.S  no.  439.  Die  Sage  vom  Löwenbrünnlein  ist  die 
Geschichte  von  Pyramus  und  Thisbe,  die  schon  im  Mittel- 
alter bei  uns  populär  war  (vgl.  das  mittelhochdeutsche  Ge- 
dicht von  Pyramus  und  Thisbe  in  Haupts  Zs.  6,  504  und 
Wackernagels  Litteraturgesch.  §  6i)^  64)  [Hart,  Progr.  Passau 
1,S89.  1891]  und  ins  Volkslied  (ühland  1,  190,  Wunderhorn 
1,  299)  [Erk-Böhme,   Liederhort   1,  307  no.  87]  überging. 


')    Hiernach    berichtigt    sich    meine    |in    dem    Aufsatze    über    den 
Kukuk]  S.  222,  Z.  1   aufgestellte  Vermutung.     W.  Mannhardt. 


3.    Die  dankbaren  Toten  und   der  gute  Gerhard.  5 

3.  Die  dankbaren  Toten  und  der  gute  Gerhard,  i»^ 

(Germania  3,  199—209.     1858.) 

Karl  Simrock  hat  in  seinem  anziehenden  nnd  anregenden 
Buche  ,der  gute  Gerhard  und  die  dankbaren  Tüten'  (Bonn 
1856)  Märchen  zusammengestellt,  in  denen  erzählt  wird,  wie 
ein  junger  Mann,  meist  ein  Kaufmann,  den  Leichnam  eines 
Menschen,  der  als  Schuldner  gestorben  war,  von  allerhand 
Schimpf,  der  ihm  angethan  wird,  loskauft  und  bestattet,  und 
wie  er  dann  von  dem  dankbaren  (ieiste  des  Toten  unterstützt 
nach  mancher  Fährlichkeit  zu  hohem  Glücke  gelangt,  meist 
durch  die  Vermälilung  mit  einer  von  ihm  —  dem  Kauf- 
manne —  aus  der  (iefangenschaft  losgekauften  Königstochter, 
welche  Vermählung  aber  nur  durch  die  Hilfe  des  Geistes 
ermöglicht  wird.  Ich  füge  den  von  Simrock  beigebrachten 
Märchen  noch  einige  hinzu,  die  teils  von  ihm  bei  Abfassung 
seines  Buches  übersehen,  teils  aber  auch  erst  nachher  bekannt 
gemacht  worden  sind. 

Ich  verweise  zunächst  auf  ein  ungarisches  Märchen 
(Ungarische  Volksmärchen.  Nach  der  aus  Georg  Gaals  Nach- 
lass  herausgegebenen  Urschrift  übersetzt  von  G.  Stier.  Pest 
(^1857)  S.  153  ff.)  Ein  Kaufmannssohn  aus  Amsterdam  — so 
wird  erzählt  —  kauft  in  der  Türkei  den  Leichnam  eines 
Mannes  los,  der  viele  Schulden  gemacht,  dabei  hart  und  hoch- 
mütig gewesen  ist  und  nun  von  Jedermann  vor  der  Tempel- 
thür  geschlagen  und  bespieen  wird.  Nach  Amsterdam  zurück- 
gekehrt und  von  seinem  Vater  von  neuem  reich  mit  Golde 
versehen,  geht  er  nach  England,  wo  er  eine  gefangene  Königs- 
tochter aus  Frankreich  mit  zwei  Zofen  loskauft  und  sie  nach 
Amsterdam  bringt.  Auf  den  Rat  der  Prinzess  geht  er  nach 
Paris,  um  dem  König  die  Rettung  seiner  Tochter  anzuzeigen, 
der  ihm  einen  General  und  Soldaten  mitgiebt,  um  die  Tochter 
feierlich  nach  Paris  zu  bringen,  wo  sie  dem  Kaufmanue  ver- 
mählt werden  soll.  Unterwegs  zur  See,  als  sie  von  Amsterdam 
abgefahren  sind,  verliebt  sich  der  General  in  die  Prinzess 
und    iässt    den   Kaufmannssohn    auf  einer  wüsten   Insel,    wo 


a  Zur  Märchenforscluing. 

mau  ausgestiegen  war.  zurück,  wälireud  die  Prinzessin  schlief. 
In  Paris  nimmt  mau  au,  er  sei  ins  Meer  gefallen,  und  als 
nach  einiger  Zeit  der  General  um  die  Hand  der  Prinzessin 
anhält,  sagt  der  König  sie  ihm  zu,  gewährt  ihr  aber  noch 
ein  dahr,  einen  Monat  und  einen  Tag  Frist.  ^)  Die  Prinzessin 
richtet  am  Stadtthor  eine  Schenke  ein  und  giebt  Befehl  jedem, 
der  etwas  in  des  Kaufmannsso hus  Namen  fordere,  dies  zu 
gebeu.  Dem  Kaufmanne  war  inzwischen  auf  jeuer  Insel  ein 
alter  Mann  erschienen,  der  sich  ihm  als  Geist  jenes  in  der 
Türkei  losgekauften  Toten  zu  erkennen  gab,  ihn  in  einem 
Kahn  ans  Festland  brachte,  über  jene  Schenke  in  Paris  unter- 
richtete und  ihn  daliiu  gehen  hiess.  In  Paris  trifft  der  Kauf- 
mann einen  beurlaubteu  alten  Soldateu,  dem  er  zu  Gelde  zu 
200  helfen  verspricht.  Er  j  zieht  des  Soldaten  Kleider  au,  geht 
in  jene  Schenke  und  bittet  in  des  Kaufmannssohnes  Namen 
um  Essen  und  Geld,  das  er  infolge  jenes  Befehls  der  Prin- 
zessin erhält  und  dem  Soldaten  bringt.  Er  thut  dies  mehr- 
mals, zuletzt  bittet  er  auch  um  Wein  in  dem  Becher,  aus 
dem  die  Prinzessin,  wenn  sie  in  die  Schenke  kommt,  zu 
trinken  pflegt.  Er  trinkt  ihn  halb  aus,  wirft  seinen  Ring 
luuein  und  heisst  die  Wirtsleute  der  Prinzessin  sagen,  er 
Hesse  sie  im  Namen  des  Kaufmauussohnes  bitten  den  Wein 
auszutrinken.  Die  Prinzessin,  die  täglich  die  Schenke  besucht, 
erkennt  so  den  Ring  ihres  Verlobten.  Der  König,  ihr  Vater, 
muss  rasch  alle  abgedankten  Soldateu  wieder  zusammenrufen 
und  erfährt  nun  von  jenem  alten  Soldaten,  dass  er  seine 
Kleider  einem  fremden  Jünglinge  gel)orgt  habe  u.  s.  w.,  der 
in  dem  und  dem  AVirtshause  wohne.    Die  Königstochter  selbst 


')  [Über  diese  märchenliafte  Zeitbestimmung  vgl.  Köhler  in 
Sarnellis  Posilecheata  ed.  Imbriani  1885  p.  168.  —  1  Tag,  1  Woch, 
1  Monat  und  1  Jahr:  Meisterlied  vom  Grafen  von  Safoi  V.  27-1  (Goedeke- 
Tittmann,  Liederbuch  a.  d.  16.  Jh.  1867  S.  338).  1  Jahr  und  3  Tage: 
Finamore,  Archivio  3,  540;  Pitre,  Nov.  \)0]).  tose.  p.  213  no.  41.  1  Jahr 
und  1  Tag:  Carnoy  p.  284;  Sebillot,  C(mtes  3,  43.  76.  78.  80.  —  7  Jahre 
und  1  Tag:  Maspons  y  Labros  2,  97;  Azevedo,  Komanceiro  p.  241.  243. 
7  Jahre,  7  Monate,  7  Tage.  7  Stunden:  Gonzenbach  1,  171  no.  11; 
Pitre  2,  248. 76 ;  Oiamb.  Basile  3, 94b ;  Alemannia  24, 1 57.  —  9  Monate,  9  Tage, 
9  Stunden,  9  Minuten:  Ungar.  Revue  1889,209  (türkisch);  La  Tradition  4,  :38.] 


3.    Die  dankbaren  Toten  und  der  ^ute  Gerhard.  7 

will  ihn  dort  abholen,  wie  sie  aber  ins  Zimmer  tritt,  haut 
jeuer  mit  dem  Schwert  nach  ihr  und  ruft:  ,\Venn  du  nicht 
auf  der  Stelle  hinausgehst,  haue  ich  dich  tot'/  Sie  antwortet: 
,Thue  dies  nur,  du  hast  mich  ja  auch  einst  vom  Tode  errettet.' 
Da  küsst  er  sie  u]id  erklärt,  dass  er  nur  ihi"e  Liebe  habe 
prüfen  wollen.  Dann  wird  Hochzeit  gehalten,  jener  (ieneral 
aber  hingerichtet. 

Dies  ungarische  Märchen  —  das  übrigens,  wie  Stier  a.  a.  0. 
S.  VllI  erwähnt,  Ipolyi  (in  seiner  magyarischen  Mythologie?) 
aus  der  Reihe  der  eigentlichen  ungarischen  Märchen  streichen 
zu  müssen  glaubt  —  ist  den  deutschen  Märchen  bei  Simrock 
besonders  Nr.  1,  2,  H,  4,  5,  (!  und  8,  bei  manchen  Ab- 
weichungen im  einzelnen,  im  ganzen  ausserordentlich  ähnlich. 
Dass  der  Leichnam  des  Schuldners  gerade  Sonntags  vor  der 
Kirclitliüre  bespuckt  und  geschlagen  wird,  ist  wie  in  Nr.  10. 
Dass  der  Kaufmannssohn  auf  einer  Insel  gelassen  wird,  stimmt 
mit  Nr.  "2,  5  und  S.  Die  Erkennung  durch  den  Ring  be- 
gegnet in  Nr.  2  und  S.  Der  alte  Soldat,  in  dessen  Kleider 
sich  der  Kaufmannssohn  ohne  Not  steckt,  ist  nicht  recht 
passend  in  das  Märclien  gekommen  und  scheint  fast  eine  Ent- 
stellung des  Geistes  selbst,  der  seinen  Schützling  allerdings 
auch  noch  in  Paris  unterstützen  konnte.  Auch  die  Liebes- 
probe am  Schluss  des  Märchens  ist  wunderlich:  ist  sie  viel- 
leicht entstellt  aus  der  Probe,  die  der  Geist  in  numchem  der 
]\[ärchen  mit  seinem  Schützling  vornimmt,  indem  er  von  ihm 
als  Preis  für  seine  Hilfe  die  Hälfte  der  (ielieltten  oder  des 
erstgeborenen  Kindes  (Simrock  S.  142)  verlangt? 

Nach  dem  ungarischen  wenden  wir  uns  zu  einem  })ol- 
nischen  Märchen  (K.  W.  Woycickis  Polnische  Volkssagen 
und  Märchen.  Aus  dem  Polnischen  vonFriedr.  Heim-.  Lewestam. 
Berlin  1S89,  S.  130  ff.),  das  wir  im  Auszug  mitteilen.  Ein 
Schüler  stiess  auf  dem  Wege  in  die  Stadt  vor  dem  Thore 
auf  einen  unbekannten  Leichnam,  der  von  den  Vorüber- 
gehenden getreten  und  bespieen  wurde,  und  gab  sein  weniges 
(leld  her,  um  der  Leiche  ein  christliches  Begräbnis  zu  schaffen. 
Dann  betete  er  auf  dem  frischen  Grabe  und  zog  weiter.  In 
einem  Eichwald  schlief  er  unter  einem  Baume  ein,  beim  Er- 


g  Zur  Märchenforsicluing. 

wachen  fand  er  seine  Taschen  voll  (iold.  Dann  kam  er  an 
201  einen  1  Fluss,  wo  er  übersetzen  mnsste.  Die  Fährleute,  die 
sein  Gold  bemerkten,  beraubten  ihn  und  warfen  ihn  in  der 
Mitte  des  Flusses  ins  AVasser.  Er  klammerte  sich  an  ein 
Brett,  das  ihm  entgegenschwamm,  und  kam  so  ans  Ufer. 
Das  Brett  war  aber  der  Geist  jenes  Leichiuims.  Er  gab  sich 
dem  Schüler  zu  erkennen,  dankte  ihm  und  lehrte  ihn,  wie 
man  sich  in  eine  Krähe  verwandelt.  Zugleich  schickte  er  ihn 
zu  seinem  Bruder,  der  ihn  lehrte,  wie  man  zu  einem  Hasen 
oder  Reh  wird.  Mit  dieser  Zauberkraft  ausgestattet  wanderte 
der  Schüler  weiter  und  ward  endlich  .läger  bei  einem  König. 
Des  Königs  Tochter  wohnte  auf  einer  unzugänglichen  Insel, 
und  in  ihrem  Schlosse  war  ein  Schwert,  mit  dem  man  die 
grössten  Heere  schlagen  konnte.  Da  dem  König  Krieg  drohte, 
so  machte  er  bekannt,  wer  der  Prinzessin  Schwert  herbei- 
schaft'e,  der  solle  ihr  Gemahl  und  später  König  werden.  Der 
däger  unternahm  das  Wagstück  und  Hess  sich  einen  Brief  an 
die  Prinzess  geben.  Mit  Hilfe  seiner  Verwandlungen  kam  er 
auf  die  Insel  und  zu  der  Prinzessin,  deren  Liebe  er  gleich 
gewann.  Kv  mnsste  vor  ihren  Augen  die  Tiergestalten  noch 
einmal  annehmen  und  sie  schnitt  ihm  allemal  ein  Stückchen 
Fell  oder  einige  Federn  ab.  Dann  gab  sie  ihm  das  Schwert 
und  einen  Brief  und  er  kehrte  zurück.  Es  war  aber  ein 
anderer  Jäger  dem  Schüler  ein  Stück  Wegs  gefolgt  und  hatte 
gesehen,  wie  er  sich  in  einen  Hasen  verwandelte.  Als  er 
nun  jetzt  in  Hasengestalt  wieder  in  die  Nähe  der  Stadt  zu- 
rückkam, erschoss  ihn  der  verräterische  Jäger  und  nahm  ihm 
Schwert  und  Brief  ab.  Nachdem  der  König  mit  dem  Schwert 
gesiegt  hatte,  wurde  die  Hochzeit  der  Prinzessin  mit  dem 
falschen  Jäger  gehalten;  aber  die  Prinzess  war  traurig,  denn 
sie  sah,  dass  es  nicht  der  rechte  war,  wagte  aber  dem  Körnig 
nichts  zu  sagen.  Inzwischen  hatte  der  Schüler  lange  in  seinem 
Hasenfelle  tot  in  jenem  Walde  gelegen.  Da  erwacht  er 
plötzlich,  und  der  Geist  des  Leichnams  steht  vor  ihm,  erzählt 
ihm.  wie  er  vom  Jäger  getötet  worden,  und  sagt  , Morgen  ist 
der  Hochzeitstag  der  Prinzess,  drum  eile  schnell  ins  Schloss-. 
Der  Schüler   that   dies    und    kam    in   den  Hochzeitssaal.     Die 


3.    Die   daiikl)a;-eii  Toten   und  der  gute  Gerliiird.  <) 

I'riuze.ss  erkannte  ihn  gleich,  er  erzählte  dann  die  \'(trii;inge, 
nnd  znni  Beweise  der  Wahrheit  nahm  er  die  Tiergetstalten 
an,  woltei  dann  allemal  die  v(in  der  l*rinzess  abgeschnittenen 
Streifen  oder  ansgerupften  Federn  an  die  hetrefi'ende  Stelle 
passten  und  sogleich  anwuchsen.  So  erhielt  der  Schüler  die 
Hand  der  Prinzessin,  der  «läger  aber  wurde  hingerichtet. 

Vergleicht  man  das  polnische  Märchen  mit  den  andern, 
so  sieht  man,  dass  es  mehrfach  verändert,  zum  Teil  entstellt 
und  verwildert  ist.  Gleich  im  Anfang  ist  die  Angabe  ver- 
gessen worden,  dass  der  Leichnam  der  eines  verstorbenen 
Schuldners  war.  Aus  dem  in  den  meisten  Märchen  vor- 
kommenden reichen  Kanfmanne  ist  ein  armer  Schüler,  der 
in  die  Welt  zieht,  geworden.  So  ist  in  dem  hierher  ge- 
hörenden bretonischen  Märchen  (Simrock  Nr.  11,  S.  94)  Mao 
auch  nur  ein  armer  wandernder  Jüngling.  Merkwürdig  ist 
eine  weitere  Übereinstimmung  des  sonst  sehr  abweichenden 
bretonischen  |  Märchens,  nämlich  die,  dass,  wie  im  polnischen  202 
Märchen  der  Schüler  nach  seiner  guten  That  in  einem  Walde 
unter  einer  Eiche  einschläft  und  bei  seinem  Erwachen  den 
ersten  Dank  des  Toten  empfängt,  indem  seine  Taschen  mit 
(iold  gefüllt  sind,  so  auch  im  bretonischen  der  gute  Mao, 
kurz  nachdem  er  die  Leiche  bestattet  hat,  unter  einer  Eiche 
einschläft  und  im  Schlaf  die  Erscheinung  des  dankbaren  (leistes 
hat.  Das  Loskaufen  der  gefangenen  Königstochter  hat  das 
polnische  Märchen  nicht  mehr,  vielleicht  aber  einst  gehabt. 
In  der  jetzigen  Fassung  wird  der  Schüler  von  dem  Schifte 
aus  ins  Meer  geworfen,  nicht  weil  man  ihm  die  Braut,  son- 
dern das  (ield  rauben  will.  Dass  der  Held  ins  Meer  geworfen 
oder  auf  einer  Insel  ausgesetzt  wird,  kommt  in  den  meisten 
unserer  Märchen  vor,  und  auch  dass  bei  ersterem  der  Held 
durch  den  Geist  vom  Ertrinken  gerettet  wird,  findet  sich  in 
einigen.  So  in  Nr.  1,  wo  der  (ieist  in  Gestalt  eines  Schwarzen 
erscheint,  in  Nr.  3  und  8  in  Gestalt  eines  Vogels,  in  Xr.  (i 
und  7,  wo  der  Geist  keine  andere  Gestalt  annimmt.  Lin  dem 
(ieist  Gelegenheit  zu  geben  dem  Schüler  auch  weiter  tlankbar 
zu  sein,  wurde,  da  die  Geschichte  von  der  losgekauften 
Königstochter    und    ihrer    erschwerten    Verbindung    mit   dem 


IQ  Zur  Märchenforschung. 

Helden  aufgegeben  war,  ein  anderes  ursprünglich  selbständiges 
3Iärchen  herbeigezogen,  das  Märchen  von  dem  wunderbaren 
Schwerte  im  Schlosse  der  Königstochter,  von  den  Tierverwand- 
lungen und  von  dem  verräterischen  Jäger.  Dieses  Märchen 
stimmt  im  wesentlichen  sehr  genau  überein  mit  einem 
litauischen,  welches  man  in  A.  Schleichers  , Litauischen 
Märchen,  Sprichworten,  Rätseln  und  Liedern"  (Weimar  1857) 
S.  100  ff.  nachlesen  kann,  und  noch  genauer  mit  einem 
ungarischen  in  den  , Ungarischen  Sagen  und  Märchen. 
Aus  der  Erdelyischen  Sammlung  übersetzt  von  G.  Stier' 
(Berlin  1.S50),  S.  110  ff.,  zum  Teil  auch  mit  einem  neuerdings 
im  Ausland  1858,  S.  117  mitgeteilten  rumänischen  aus 
Siebenbürgen. 

Wir  verlassen  nun  (his  polnische  Märchen  und  wenden 
uns  nach  Asien  zu  einem  armenischen,  welches  A.  von 
Haxthausen  in  seinem  Buche  Transkaukasia  (Leipzig  1856) 
I,  S.  338  f.  mitteilt.^)  Da  das  Märchen  kurz  ist  und  das  Buch 
von  Haxthausen  nicht  in  vieler  Händen  sein  wird,  so  lasse 
ich  es,  ganz  wie  er  es  erzälilt,  folgen:  Einst  reitet  ein  wohl- 
habender Mann  durch  einen  Wald;  da  findet  er  einige  Männer, 
welche  einen  bereits  verstorbenen  Mann  noch  nachträglich 
an  einem  Baum  aufgehangen  haben  und  den  Leichnam  ent- 
setzlich schlagen.  Als  er  sie  fragt,  was  sie  zu  einer  solchen 
Entweihung  des  Toten  triebe,  antworten  sie,  er  sei  ihnen 
Geld  schuldig  geblieben  und  habe  sie  nicht  bezahlt.  Da  be- 
zahlt er  ihnen  die  Schuld  und  begräbt  den  Toten.  Jahre 
vergehen,  er  wird  allmälilich  arm.  In  seiner  V^aterstadt  aber 
wohnt  ein  reicher  Mann,  der  eine  einzige  Tochter  liat,  der 
203  er  I  gern  einen  Mann  geben  mochte.  Allein  schon  fünf  Männer 
waren  in  der  Hochzeitsnacht  gestorben,  und  keiner  wagt  mehr 
um  sie  zu  freien  und  ihr  zu  nahen.  Nun  wirft  der  Vater 
sein  Auge  auf  diesen  arm  gewordenen  Mann  und  bietet  ihm 
die  Tochter  an.  Der  ist  aber  zweifelhaft,  ob  er  sein  Leben 
wagen   soll,    und    liittet   um   Bedenkzeit.      Nun   kommt   eines 


')  S.  ;U8  tt".  gifbt  Haxthiiusen   eine  ganze  Reihe   armenischer  Sagen 
und  Mäichci),  die  der  l"'orselier  auf  diesen  Gebieten  nicht  übersehen  darf. 


3.   Die  dankbaren  Toten  und  der  gute  Gerhard.  H 

Tages  ein  Manu  zu  ihm  und  bietet  sich  ihm  als  Diener  an. 
,Wie  sollt'  ich  dich  in  Dienst  nehmen,  da  ich  ja  so  arm  bin, 
dass  icli  mich  kaum  selbst  ernähren  kann?-  „Ich  verlange 
von  dir  keinen  Lohn,  keine  Kost,  sondern  nur  die  Hälfte  von 
deinem  künftigen  Hab  und  Gut!''  Sie  werden  darum  einig. 
Nun  rät  ihm  der  Diener  zu  jener  ihm  angebotenen  Heirat. 
In  der  Hochzeitsnacht  stellt  sich  der  Diener  mit  einem  S<-hwerte 
ins  Brautgemach.  ,Was  willst  du?"  „Du  weisst,  nach  unserem 
I'bereinkommen  gehört  mir  die  Hälfte  von  all  deinem  Hab 
und  Gut,  ich  will  das  Weib  jetzt  nicht,  aber  ich  will  hier 
frei  stehen  bleiben."  —  Als  nun  die  Neuvermählten  ent- 
schlafen, kriecht  eine  Schlange  aus  dem  Munde  der  Braut 
hervor,  um  den  Bräutigam  zu  Tode  zu  stechen,  allein  der 
Diener  Imut  ihr  den  Kopf  ab  und  zieht  sie  heraus.  Nach 
einiger  Zeit  verlangt  der  Diener  die  Teilung  alles  Hab  und 
Guts,  es  wird  geteilt,  nun  fordert  er  auch  die  Hälfte  des 
Weibes.  „Sie  soll,  den  Kopf  nach  unten,  aufgehangen  werden, 
ich  werde  sie  mitten  durchspalten!''  Da  gleitet  ihr  die  zweite 
Schlange  zum  31unde  heraus.  Nun  aber  spricht  der  Diener: 
„Es  war  die  letzte,  von  nun  an  kannst  du  ohne  Gefahr  und 
glücklich  mit  deinem  Weibe  leben!  Ich  aber  fordere  von 
dir  nichts,  ich  bin  der  Geist  des  Mannes,  dessen  Leichnam 
du  einst  von  der  Scliande  und  Qual  des  Schiagens  errettet 
und  fromm  begraben  hast!"  und  verschwindet.  — 

Hier  haben  wir  die  bekannten  Hauptzüge:  Bestattung 
des  misshandelten  Leichnams  eines  Schuldners,  Dankbarkeit 
des  Geistes  durch  Ermöglicliung  einer  erschwerten  Heirat  des 
Wohlthäters,  wol»ei  der  Geist  —  jedoch  nur  zum  Scheine  — 
die  Hälfte  seines  künftigen  Hab  und  Gutes  als  Lohn  verlangt. 
Ganz  eigentümlich  dem  armenischen  Märchen  aber  ist  die 
Jungfrau,  deren  Freier  alle  in  der  Hochzeitsnacht  starben, 
bis  auf  den  Helden  des  Märchens,  der  durch  Hilfe  des  Geistes 
endlich  in  den  glücklichen  Besitz  derselben  kommt.  Jeder- 
mann wird  hierbei  sich  gleich  an  Tobias  und  Sara  erinnern, 
die  durch  den  Dämon  Asmodi  sieben  Freiern  verderblich  ge- 
wese-u  war.  Simrock  hat  S.  181  f.  iu  treffender  Weise  auf 
einen   miiolichen  Zusammenhang    der   Geschichte    des  Tobias 


12  Zur  Märchenforsfluing. 

mit  imserm  Märchenkreise  aufmerksam  gemacht.  Diese  Ver- 
mutung dürfte  durch  das  armenische  Märchen  noch  bestärkt 
werden. 

Dies  waren  Märchen  des  Ostens,  aus  dem  Volksmunde 
ganz  neuerdings  gesammelt,  die  nachzutragen  waren.  Wir 
haben  aber  nun  auch  noch  die  Aufmerksamkeit  auf  eine  vor 
mehr  als  hundert  Jahren  im  Westen,  in  Frankreich  nämlich, 
von  einer  bekannten  Roman-  und  Novellenschriftstellerin  er- 
zählte Geschichte  zu  lenken.  Es  ist  dies  die  ,Histoire  de 
204,lean  de  Calais'.  |  wie  sie  die  fruchtbare  Schriftstellerin 
Madame  de  (iomez  (geborene  Madeleine  Angelique  Poisson, 
an  einen  spanischen  Edelmann  verheiratet,  j  1771,  (SO  Jahr 
alt)  in  ihrer  zuerst  1728  erschienenen  und  vielfach  aufgelegten, 
auch  ins  Deutsche  übersetzten  Novellensammlung  ,les  journees 
amüsantes'  erzählt  hat. ^)  Der  Inhalt  der  Geschichte  ist  fol- 
gender: Jean  ist  der  Sohn  eines  reichen  Kaufmanns  zu  Calais 
und  hat  sich  durch  Vertilgung  von  Korsaren  so  verdient  um 
die  Stadt  gemaclit,  dass  man  zu  seinem  Namen  den  der  Stadt 
fügte.  Auf  einer  Seefahrt  kam  er  zu  der  unbekannten  blühenden 
Insel  Orimanie,  in  deren  Hauptstadt  Palmanie  er  auf  einem 
grossen  Platze  einen  Leichnam  sah,  den  Hunde  zerfleischten. 
P>  erfuhr,  dass  dies  die  gesetzliche  Strafe  der  Schuldner  sei, 
die  ohne  ihre  Schulden  bezahlt  zu  haben  stürben,  dass  es 
aber  jedem,  der  Lust  dazu  habe,  frei  stehe,  die  Leichen  durch 
Bezahlung  der  Schulden  loszukaufen.  Der  edle  Jean  that 
dies  und  liess  die  Leiche  bestatten.  Bevor  er  Palmanie  ver- 
liess,  bemerkte  er  auf  einem  vor  Anker  liegenden  Korsaren- 
schiffe  zwei  Sklavinnen,  die  er  loskauft  und  auf  sein  Schilf 
mitnimmt,  um  ihnen  dann  die  Freiheit  zu  geben.     Unterwegs 

')  Mir  liegt  die  ,7.  t'dition,  revue  et  corrigee',  Amsterdam  1758  vor, 
wo  unsere  Geschichte  sicli  Tom.  II,  p.  145 — 182  findet.  Einen  Auszug 
der  Geschichte  giebt  aucli  die  Bibliotheque  universelle  des  Romans, 
Decembre  177f),  j).  134  tf.,  wo  auch  p.  85  ff.  Nachrichten  über  Madame 
de  Gomez  und  ihre  Weri\e.  —  [Diese  Novelle  ist  auch  in  portugiesischer 
liearbeitung  erschienen:  ,Historia  de  Joao  de  Calais.  Lisboa  Na  Imp. 
de  Nun.  Est  Anno  1824.'  28  S.  4»  (auch  schon  1789,  1807  und  1814 
in  andern  portugiesischen  Volksbüchern  angezeigt).  Die  Namen  Por- 
t\igal   und  Lissabon  sind  fortgelassen;   Dom  Juan  heis>t  Florimundo.] 


3.    Die   dankbaren  Tuten   un(l   der  gute   Gerhanl.  ]]] 

gewinnt  er  die  Liebe  der  einen,  namens  Constanze,  und  ver- 
mählt sieli  mit  ihr,  ohne  jedoeh  von  ihr  Aufklfiriing  über 
ihre  und  ihrer  Freundin  Isabelle  Herkunft  zu  bekommen. 
In  Calais  wird  er  von  seinem  Vater,  der  die  Heirat  mit  einer 
armen,  unbekannten  Fremden  missbilligt,  selilecht  empfangen 
und  aus  dem  Hause  verbannt.  Nacli  einem  -lalire  aber  ist 
der  Vater  insoweit  milder  gestimmt,  dass  er  für  -lean  ein 
neues  Schiff  ausrüstet,  damit  er  jene  entdeckte  Insel  des 
Handels  wegen  wieder  besuche.  Als  Constanze,  die  inzwischen 
eines  Sohnes  genesen  ist,  die  bevorstehende  Reise  Jeans  er- 
fährt, bittet  sie  ihn,  ihr,  ihres  Söhnchens  und  ihrer  Freundin 
Bild  auf  sein  Schiff  malen  zu  lassen,  um  sie  nicht  zu  ver- 
gessen, und  zuerst  l)ei  Lissabon  vor  dem  Königssehlosse  zu 
landen.  Jean  lässt  die  Bilder  malen  und  landet  vor  Lissabon. 
So  gewahrt  der  König  von  Portugal  die  Bilder  und  erkennt 
darin  seine  Tochter  und  ihre  Freundin,  die  von  Korsaren  ge- 
raul)t  worden  waren.  Nachdem  er  von  Jean  weitere  Auf- 
klärung erhalten  hat,  erkennt  er  die  Ehe  an  und  schickt  den 
glücklichen  -lean  mit  einem  Geschwader  nach  Calais,  um  die 
Prinzessin  abzuholen.  Das  Geschwader  wird  von  Dom  Juan 
kommandiert,  einem  Prinzen  des  königlichen  Hauses,  der 
früher  um  ConstanzfU  geworben  hatte  und  nun  ergrimmt  ist. 
dass  sie  ihm  entrissen.  Als  die  Flutte  auf  der  Rückfahrt  ist, 
nimmt  Dom  -iuan  die  Gelegenheit  wahr,  bei  einem  heftigen 
Sturme  Jean  unbemerkt  ins  Meer  zu  stürzen.  Voll  Ver- 
zweiflung kommt  die  Prinzessin  ohne  Gemahl  bei  ihrem  Vater 
an.  Dom  Juan  macht  sich  allmählich  bei  König  und  Volk 
immer  beliebter  und  fordert  endlich  die  Hand  der  Prinzessin, 
die  nach  vergeblichem  AViderstreben  |  vom  König  und  den  205 
Ständen  gezwungen  wird,  in  die  Vermählung  mit  Dom  Juan 
zu  willigen. .  Inzwischen  —  zw^ei  Jahre  sind  vergangen  — 
war  Jean  de  Calais  nicht,  wie  man  glaubte,  im  Meer  um- 
gekommen, sondern  hatte  sich  an  herumschwimmende  Schifts- 
trümmer  geklammert  und  war  auf  eine  einsame  Insel  ver- 
schlagen worden,  wo  er  die  zwei  Jahre  zubrachte.  Am  Tage 
vor  der  lieschlossenen  Vermählung  Dom  Juans  mit  Constanzen 
erschien   dem   einsamen  Jean  pbitzlich  ein  Unbekannter,    der 


14  Zur  Märc)ienfi)r»chung. 

iliin  (las  Bevorstehende  meldet  und  ihm  zugleich  Hilfe  und 
Rettung  verheisst,  wenn  .lean  verspreche,  ihm  später  die 
Hälfte  von  dem,  was  er  am  liebsten  habe,  zu  geben.  Jean 
verspricht  alles  und  schläft  bald  darauf  plötzlich  ein.  Als  er 
erwacht,  findet  er  sich  in  einem  Hofe  des  Lissaboner  Königs- 
schlosses. Er  begiel)t  sich  in  die  Schlossküche  und  wird  dort 
aus  Mitleiden  zum  Holztragen  verwendet.  Zufällig  kommt 
Constanzens  Freundin  in  die  Küclie,  und  trotz  dem  langen 
Barte,  dem  verwilderten  Aussehen  und  den  zerrissenen  Klei- 
dern erkennt  sie  den  Gemahl  Constanzens  an  seinem  (Jesicht 
und  besonders  au  einem  Ringe  an  seinem  Finger.  Zu  seiner 
(iattin  gebracht  wird  er  auch  von  ihr  und  dann  vom  König 
erkannt,  welcher  letztere  den  Verräter  Dom  Juan  alsbald  hin- 
richten lässt.  Jean  de  Calais  wird  dann  zum  Erben  der 
Krone  erklärt  und  ein  grosses  Fest  veranstaltet.  Als  dann 
der  Hof  und  die  Grossen  des  Reiches  in  einem  Saale  ver- 
sammelt sind,  erscheint  plötzlich  ein  Unbekannter.  Es  ist 
derselbe,  der  Jean  schon  auf  der  einsamen  Insel  erschienen 
war.  Er  erinnert  Jean  an  sein  Versprechen,  und  Jean  erklärt, 
er  solle  nur  fordern  und  alles  erhalten.  ,Wohlan!  ich  will 
die  Hälfte  deines  Söhnleins!'  Vergeblich  bietet  der  König 
dem  Unbekannten  alles  Mögliche  an,  vergeblich  weint  Jeans 
Gemahlin.  vergel)lich  fleht  der  Hof.  Jean  bleibt  eine  Zeitlang 
stumm,  da  IUI  aber  erklärt  er,  er  werde  unter  jeder  Bedingung 
sein  Wort  halten.  Er  reicht  das  Kiiul  dar,  und  der  Fremde 
schickt  sich  an,  es  mit  seinem  Schwert  auseinander  zu  hauen, 
plötzlich  aber  giebt  er  es  dem  Vater  zurück  und  sagt:  ,Je  te 
rend  ton  tils,  revois  aujourdhui  le  prix  de  ta  vertu  et  de  ta 
generosite:  c'est  moi  dont  le  corps  etoit  dechire  par  les  chiens 
lorscjue  tu  entras  daus  la  ville  de  Palmanie;  cest  moi  dont 
tu  payas  les  dettes,  et  c'est  ä  moi  ä  (jui  tu  as  donne  la  se- 
pulture;  je  ne  fai  point  ((uitte  depuis  attentif  ä  ton  sort,  et 
connoissant  ton  äme,  cest  moi  qui  conduisis  le  corsaire  (|ui 
enlevoit  la  princesse  pres  de  ton  vaisseau,  ou  tu  Tachetas 
Sans  la  connoitre  ni  Favoir  vüe,  et  dans  le  seul  dessein  de 
lui  rendre  la  liberte;  apprends  par  ces  exemples  combien  le 
Ciel  cherit  les  hommes  vertueux:   j"ai  voulu  t'eprouver,  tu  ne 


3.  Die  diinkbaren  Toten   und  der  gute  (ierJiard.  15 

t"es  poiut  demeiiti,  joiiis  en  paix  de  ton  hoiiheur.  sois  toujours 
8age,  inviolable  et  modere,  le  Ciel  iie  t'ahaiuloiiiiera  jamais, 
tu  seras  veritablement  Prince,  parce  (jue  tu  devras  ce  titre 
ä  ta  vertu  plutot  qu'aux  loix  dune  naissance  qui  ne  depend 
poiut  de  uous,  et  dont  on  tire  peu  declat  quand  la  sagesse 
ne  rarconipagne  pas.'  Mit  diesen  AVorten  verschwin(iet  der 
(Jeist,  dem  Jean  ein  prächtiges  Mausoleum  hauen  lässt.  | 

Dies  ist  der  Auszug  der  von  Madame  de  Gomez  leidlich  206 
schlicht  und  einfach  erzahlten  Geschichte.  Vergleicht  man 
die  von  ^^imrock  und  soeben  von  mir  beigebrachten  Märchen 
damit,  so  wird  man  zugeben,  dass  in  dieser  französischen 
Fassung  des  Märchens  vom  Kaufmanussohne  nnd  vom  dank- 
baren Toten  die  echten  Elemente  vollständig,  wie  kaum  in 
einer  andern  Fassung,  erhalten  sind  und  keine  fremden  Ele- 
mente aus  andern  Märchen  Eingang  bekommen  haben.  Nur 
das  hätte  ausdrücklich  erwähnt  werden  müssen,  dass  Jeans 
Rettung  auf  die  wüste  Insel  auch  ein  Werk  des  dankbaren 
Geistes  ist;  in  der  gleich  zu  erwähnenden  späteren  Bearbei- 
tung ist  dies  angedeutet.  Woher  hatte  nun  Madame  de  Gomez 
dieses  Märchen?  Sie  giebt  uns  darüber  beim  Beginne  des- 
selben folgende  Auskunft:  ,Ce  que  je  m'engage  ä  vous  conter 
(nämlich  die  Histoire  de  Jean  de  Calais)  est  tire  dun  livre 
(jui  a  pour  titre:  Histoire  fabulense  de  la  Maison  des  Rois 
de  Portugal.  Je  ne  changerai  rien,  et  ne  nie  pi([uerai  point 
de  vous  lembellir.'  Es  wäre  nun  von  grossem  Interesse, 
diese  Quelle  der  Frau  von  Gomez  aufzuspüren,  leider  ist  es 
mir  aber  bis  jetzt  noch  nicht  gelungen.  [Liebrecht,  Ger- 
mania 5,  5()  verweist  auf  Vasconcellos  Tliaten  und  Schicksale 
der  Könige  von  Portugal.] 

Es  gibt  nun  noch  eine  neuere  anonyme  französische  Be- 
arbeitung der  , Histoire  de  Jean  de  Calais',  mit  dem  Zusätze 
auf  dem  Titel  ,sur  de  nouveaux  memoires',  die  einen  Teil  der 
sog.  Bibliotheque  bleue  bildet  und  mir  in  folgenden  Drucken  . 
vorliegt:  A  Paris,  cliez  Lacombe,  libraire,  rue  Christine  1770.8. 
A  Paris,  chez  Costard,  rue  Saint- Jean  de  Beauvais,  le  pre- 
miere  porte  cochere  au  dessus  du  College.  1776.  8.  A  Liege, 
chez   F.  J.  Desoer,    imprimeur-libraire,    sur   le    Pont   a  Isle, 


Iß  Zur  Märehonfurschung. 

17.S7.  S.  Der  anonyme  Bearbeiter  lässt  den  Unbekaiuiteii. 
der  dein  -lean  de  Calais  auf  der  Insel  erscheint  und  ihn 
sc-hlafend  nach  Lissabon  bringt,  nicht  die  Hälfte  des  Teuersten 
fordern.  Er  lässt  ihn  sagen,  er  sei  ein  (iesandter  des  Himmels, 
um  dem  dean  die  Macht  der  Vorsehung  zu  zeigen.  Er  lässt 
ihn  dem  -Jean,  ehe  er  plötzlich  einschläft,  Vorträge  halten: 
,les  propos  les  plus  sublimes  sur  la  vertu,  sur  la  prosperite 
des  mechans,  sur  les  infortunes  des  bons.  sur  Tordre  murale 
et  physi(iue  de  l'univers,  ou  le  tiiomphe  du  mal  ne  pouvoit 
etre  ({ue  momentane,  parce  ipie  Tordre  etant  une  emanation 
de  TEtre  incree,  il  etoit  necessaire  ((ue  tont  rentrat  dans 
l'ordre,  quelque  renversement  (juil  eüt  eprouve,  comme  Fhuile 
melee  avec  d'autres  liquides,  gagne  toujours  le  dessus,  avec 
quelque  violence  qu'on  les  ait  agites  et  confondus  ensemble.' 
Bei  dem  Feste  der  Wiedervereinigung  Jeans  und  Constanzeus 
und  der  Erneimung  deans  zum  Thronfolger  erscheint  der  Geist 
nur,  um  folgende  Erklärung  zu  geben:  ,Jean  de  Calais,  tu 
n'etois  pas  ne  pour  le  trone,  mais  il  n'est  point  d'etat  sur 
la  terre  oü  la  vertu  ne  puisse  elever  Ihomme.  Ta  sagesse 
a  merite  les  se(;ours  dont  le  ciel  t'a  comble  par  mon  miui- 
stere.  de  suis  l'Ange  tutelaire  des  Rois:  c'est  moi  qui  t'ai 
soutenu  sur  les  Hots,  ou  le  traitre  D.  Juan  te  precipita;  c'est 
üioi  qui  tai  conduit  dans  lisle  deserte.  ou  pendant  deux  ans 
ta  vertu  ne  s'est  point  dementie;  c'est  moi  (|ui  pendant  ce 
207  tems  ai  protege  Constance  contre  ]  les  infames  desseins  de 
D.  Juan;  je  t'ai  ramene  de  cette  isle  aupres  de  ton  epouse; 
c'est  moi  »pii  avois  conduit  le  corsaire  (|ui  l'enleva  aupres  de 
ton  vaissean,  oü  tu  l'achetas  dans  le  seul  dessein  de  lui  rendre 
la  liberte;  c'est  moi  euHn,  ä  (jui  tu  dois  son  aniour;  mais  tu 
ne  dois  nia  protection  qu";i  ta  vertu.  C'est  de  la  part  du 
Dien  de  tonte  sagesse,  que  je  viens  te  rendre  ce  temoignage: 
poursnis  et  compte  sur  ses  secours.'  —  Somit  ist  also  in  dieser 
modernen  Bearbeitung  der  Hanptzng  der  alten  Sage,  die  Dank- 
barkeit des  Toten,  ausgemerzt  worden,  aus  dem  dankbaren 
überall  hilfreichen  Geiste  des  losgekauften  Schuldners  ist  ein 
Engel  geworden,  der  nicht  aus  persönlicher  Dankbarkeit, 
sondern    aus    Beruf    den    tugendhaften   Jean   unterstützt    und 


3.    Die  dankbaren  Toten  und  der  gute  Gerhard.  17 

rettet.  Sonst  stimmt  diese  Bearbeitung  im  Gange  und  Ver- 
laufe der  Fabel  mit  der  Novelle  der  Gomez,  aber  alles  ist 
mit  grosser  Breite  erzählt,  gleichgültige  Nebensachen  werden 
weit  ausgesponnen,  sentimentale  und  pathetische  Schilderungen 
und  lange  Reden  und  Gespräche  gesucht.  So  wird  gleich 
im  Beginne  der  Erzählung  die  Insel  Orimanie,  hier  nur  ,rile 
heureuse'  genannt,  iiire  (ieschichte  —  sie  ist  von  einigen 
wenigen  dahin  verschlagenen  Seeleuten  bevölkert  worden  — 
und  ideelle  monarchische  Verfassung  ausführlich  besprochen. 
Gelegentlich  erfahren  wir  auch,  dass  Jean  de  Calais  aus  dem 
berühmten  Geschleclite  der  Doria  in  Genua  stammte.  Ob  der 
Verfasser  ausser  der  Novelle  der  Gomez  noch  andre  Quellen 
benutzt  hat,  muss  ich  dahingestellt  sein  lassen:  möglich  ist 
es,  aber  durchaus  nicht  notwendig. 

Auch  unter  den  noch  in  neuester  Zeit  in  Frankreich  ver- 
breiteten Volksromanen  findet  sich  die  .Histoire  de  Jean  de 
Calais'.  Ch.  Nisard  erwähnt  in  seiner  .Histoire  des  livres 
populaires  ou  de  la  litterature  du  colportage',  Paris  1854, 
T.  11,  p.  450  ^)  zwei  neuere  Ausgaben,  die  eine  Epinal,  chez 
Pellerin,  o.  J.,  35  S.  12.,  die  andere  Paris,  ä  la  librairie  popu- 
laire  des  villes  et  des  campagnes,  1S49,  3G  S.  12.  Eine 
dritte  liegt  mir  vor:  Sur  des  nouveaux  memoires.  Paris, 
B.  Benault  et  Cie..  lS5l').  oG  S.  12.  Von  der  ersteren  giebt 
Nisard  einen  Auszug,  indem  er  bemerkt,  dass  die  Pariser 
länger  und  in  affektiertem  Stile  geschrieben  sei.  Hiernach 
und  in  meiner  Ausgabe  ist  (bis  AVesentliche  des  Märchens 
noch  mehr  verwischt.  Dass  Jean  einen  Toten  loskauft,  kommt 
gar  nicht  vor,  nur  durch  das  Loskaufen  der  beiden  Mädchen 
zeigt  er  seinen  Edelmut.  Dass  der  Geist  sich  die  Hälfte 
seines  Liebsten  sich  ausbedingt,  fehlt  ebenfalls,  und  bei  dem 
Feste  erscheint  er  nur,  um  Jean  zu  sagen:  Recounais  celui 
(pii  t"a  tire  de  lile  deserte  et  conduit  dans  ce  palais?    c'est 


')  Nisards  Buch  ist  sehr  interessant  und  lehrreich,  wenn  ihm  auch 
grössere  Genauigkeit  und  eine  ausgebreitetere  Gelehrsamkeit  zu  wünschen 
gewesen  wäre.  Ein  Beispiel  von  Ungenauigkeit  haben  wir  hier  p.  450, 
wo  der  Verfasser  mit  grosser  Sicherheit  behauptet,  die  Histoire  de  Jean 
de  Calais  von  Madame  de  Gomez   stehe  in  ihien  Cent  nouvelles  nouvelles. 

R.Köhler,  Kl.  Schriften.    I.  2 


\^  Zur  Märchenfür^cluiiig. 

moi  qiii  (3()n(luisis  le  corsaire  qiii  enlevit  la  priiicesse.  pres 
de  ton  vaisseau,  oü  tu  laclietas  saus  la  eoimaitre  ni  lavoir 
vue,  et  (laus  le  seul  dessein  de  liii  rendre  la  liberte.  Apprends, 
208  par  ces  experieiices,  combien  le  ciel  cherit  |  les  liommes  ver- 
tueux;  j Ollis  en  paix  etc.  etc.,  wörtlich  wie  bei  der  (iomez. 
In  meiner  Ausgabe  spricht  der  Geist  wie  S.  "206.  [Vgl.  Blade 
2.  ()7.  Folk-lore  Record  3,  48.  Webster  p.  14()  ,Juan  Dekos'; 
151  ,duau  de  Kalais\  Bihl.  de  las  trad.  pop.  espailolas  8,  194 
,Juan  de  Calais-.] 

Indem  wir  in  den  letzten  Gestaltungen  der  Geschichte 
von  Jean  de  Calais  den  dankbaren  Toten  vermissten,  werden 
wir  an  die  Dichtung  vom  Guten  Gerhard  erinnert,  deren  Zu- 
sammenhang mit  den  Märchen  vom  dankbaren  Toten  Simrock  so 
wahrscheinlich  gemacht  hat,  obwohl  auch  in  ihr  die  Loskaufimg 
des  Toten  fehlt  und  die  Erzählung  dadurch  wesentlich  um- 
gestaltet, ja  fast  bis  zur  Unkenntlichkeit  entstellt  worden  ist. 

Rudolf  von  Ems  giebt  an,  dass  er  die  Erzählung  über- 
setzt habe;  aus  welcher  S})rache,  wissen  wdr  nicht;  Haupt  meint 
gewiss  mit  Recht,  man  werde  am  natürlichsten  wohl  annehmen 
müssen,  aus  dem  Lateinischen.  Ebensowenig  wie  eine  frühere 
Darstelluug  der  Geschichte  vom  Guten  Gerhard  bekannt  ist, 
ebensowenig  Iiat  bisher  jenumd  eine  spätere  Dichtung  ähn- 
lichen Inhaltes  iiacligewiesen.  und  doch,  glaube  ich,  hat  es 
solclie  gegeben,  und  man  wird  sie  finden.  Den  Hauptinhalt 
der  Geschichte  des  Guten  (ierhard  können  wir  kurz  dahin 
bestimmen,  dass  ein  Kaufmann  eine  Königstochter  aus  der 
Sklaverei  loskauft  und,  obwohl  er  sie  seinem  Sohne  zur  Gatthi 
zugedacht,  doch  ihrem  frülieren  Bräutigame,  als  dieser  er- 
scheint, grossmütig  überlässt.  Dass  nun  eine  Geschichte  ähn- 
lichen Inhalts  in  französischer  Sprache  im  17.  Jahrhunderte 
bekannt  gewesen  ist,  schliesse  i(;h  aus  einer  dramatischen 
Darstellung,  die  im  Jahre  KiOO  von  den  Schülern  des  Gym- 
nasiums in  Weimar  aufgefiihrt  wurde.  Das  Stück  selbst  ist 
nicht  erhalten,  wohl  aber  die  Einladungss(;hrift  des  Rektor 
Grossgebauer  ^)  dazu,    welclie  den  kurzen  Inhalt   desselben 

')  Mehr  über  Grostigebauer  und  seine  draniatisehen  Akhis  findet 
man     in     der    interessanten,    dem    Weimarischen    Grymnasialprog-ramm, 


3.    Die  (liinkbaren   Toten   und  der  gute  Gerharil.  ]  i) 

nebst  (lern  l'prsoiieuver/eicliiii.s  giebt.  Dieses  Programin  führt 
den  Titel  ,Der  wuiiderlicli  beglückte  Maufredo,  als  der 
Durchlauchtigste  Fürst  und  Herr,  Herr  Wilhelm  Ernst,   Herzog 

zu  Sachsen  etc den    li).  Oktober  1G90  zum  iM)'^"  mahl 

.•meinen  frohen  Geburts-Tag erlebete,  zur  Bezeugung  der 

daraus  geschöi)fteu  Freude  in  ein  geringes  Lustspiel  verfasset 
und  nebst  herzinniglichem  Wunsch  zu  (iott,  dass  der  durch- 
lauchtigste Regierende  Landes -Vater  biss  in  das  späte  Alter- 
thum  dieses  verliehene  (!eburts-Licht  in  vollem  Segen,  guter 
Gesundheit  und  allem  Hoch-Fürstl.  Selbst-Verguügen  ferner 
sehen  möge,  Durch  die  in  dem  gepriesenen  Weimar  studierende 

Schul -Jugend   unterthänigst   vorgestellet,    worzu   Alle 

invitiret  werden  von  Philipp  Grossgebauern,  Rect.  Yimar.- 
Weimar,  Fol.  Nach  der  Inhaltsangal)e.  die  ich  etwas  abkürze, 
war  die  dem  Stück  zu  gründe  liegende  Geschichte  folgende: 
Der  edle  Römer  Maufredo  liebt  Sophrouisken,  die  Tochter 
eine^s  afrikanischen  Fürsten  Cassander,  an  dessen  Hofe  er 
weilt.  Da  aber  der  Vater  die  Tochter  dem  Fürsten  von  Kairo, 
Jessied  Califfa,  be-[  stimmt  hat,  fliehen  die  Liebenden.  Unter-  209 
wegs  werden  sie  von  Räubern  überfallen  und  gefangen. 
Sophroniska  wird  mit  ihrer  Dieuerin  an  einen  französischen 
Kiiufmann  Floridan  verkaufe  und  nach  Frankreich  gebracht, 
Manfred  aber  wird  mit  seinem  Diener  an  den  Capitschi  Aga 
nach  Philadelphia  verhandelt.  .Alanfred  flieht,  wird  aber  von 
neuem  von  Seeräubern  gefangen  und  nach  Ephesus  gebracht. 
D(U't  kauft  ihn  dean  pier,  jenes  Kaufmanns  Sohn.  Sophro- 
niska hatte  inzwischen  dem  alten  Kaufmanne  so  gefallen,  dass 
er  sie  an  Kindesstatt  annahm  und  seinem  Sohn  zu  verehe- 
lichen dachte,  weshalb  er  ihn  nach  Hause  zurückrief.  ,Jean' 
l)ier  eilte  mit  seinem  erkauften  Sklaven  wider  gen  Frank- 
reich. Aber  siehe,  da  dean  pier  mit  seinem  Diener,  dem 
Manfredo,  zu  den  Seinigeu  gelangte,  erblicket  die  Sophroniska 
ihren  Manfredum.  wiewidd  in  knechtischer  Gestalt:  und  sinket 


Ostern    1858,   voranstellenden   Abhandlung    Heilands    ,Über   die    dranir.- 

tischen   Aufführungen    im  Gymnasium    zu  Weimar'.     Der  Verf.   erwähnt 

auch    den   Manfredo,    jedoch    ohne    an    die  Ähnlichkeit    mit    dem    guten 

(irerhard  zu  erinnern. 

9  * 


20  Zur  Märcheuforticluing. 

durch  jählinge  Veränderung  und  Bewegung  des  Gemüts  fast 
ohnmächtig  zur  Erde  nieder,  wird  aber  von  Manfredo  von 
dem  Fall  erhalten.  Der  Kaufmann  und  alle  Umstehenden 
solches  sehend  verwundern  sich  über  die  Begebenheit  sehr, 
und  nachdem  er  von  beider  Zustand  benachrichtigt  worden, 
macht  er  sie  nicht  allein  beiderseits  frei,  sondern  verspricht 
ihnen  auch  eine  Hochzeit  auszurichten.'  Dies  ist  die  Geschichte, 
deren  Ähnlichkeit  mit  der  vom  Guten  Gerhard  nicht  zu  ver- 
kennen ist.  Vielleicht  kann  ein  Leser  der  Germania  die  Quelle, 
aus  der  Grossgebauer  schöpfte,  uns  nachweisen. 

Schliesslich  erwähne  ich  noch,  dass  Freudenberg  in  einer 
Anzeige  des  Simrockschen  Buches  in  den  Jahrbüchern  des 
Vereins  von  Altertunisfreunden  im  Rheinlande  XXV,  S.  172 
mit  Recht  an  eine  Stelle  in  Ciceros  Schrift  de  divinatione 
(I,  27)  erinnert.  ,Quid?  illa  duo  somnia,  quse  creberrime 
commemorantur  a  Stoicis,  quis  tandem  potest  contemnere? 
unum  de  Simonide:  qni  cum  ignotum  quendam  proiectum 
mortuum  vidisset  eumque  humavisset  haberetque  in  animo 
navem  conscendere,  moneri  visus  est,  ue  id  faceret,  ab  eo 
quem  sepultura  affecerat;  si  navigasset,  eum  naufragio  esse 
periturum:  itaque  Simonidem  redisse,  perisse  ceteros,  qui  tum 
navigassent.'  Dass  im  klassischen  Altertum  die  Bestattung 
der  Toten  für  heilige  PHicht  galt,  ist  bekannt  genug  (vgl. 
C.  F.  Hermann,  Lehrbuch  der  griechischen  Privataltertümer 
§  40,  5),  und  Simrock  bemerkt  selbst  in  der  Vorrede  (S.  X), 
dass  die  von  ihm  behandelte  Sage  ,den  besten  Kommentar 
bilde  zu  den  bekannten  Horazischen  Zeilen:  At  tu,  nauta, 
vagse  ne  parce  malignus  areuie  etc.'  Die  Erzählung  bei  Cicero 
ist  aber  dadurch  ganz  besonders  interessant,  dass  nach  ihr 
der  Geist  des  bestatteten  Toten  —  wie  in  unseren  Sagen  — 
seine  Dankbarkeit  durch  Rettung  seines  Wohlthäters  aus 
drohender  Gefahr  bethätigt.  [Valerius  Maximus  1,  7,  3.  Pe- 
trarca, Rerum  memorandarum  lib.  4  p.  865  ed.  Bern.  I(i04. 
A.  d'Ancona,  Studj   ISSO  p.  858.  504.] 


4.   Zu  tlt'm  Märchen  von  dem  dankbaren  Toten.  21 

4.  Zu  dem  Märehen  von  dem  dankbaren 

Toten. 

(Orient  und  Occident  3,  93—103.     1864.) 

A.  Schiefner,  der  bereits  im  ersten  Heft  des  zweiten 
Jahrgangs  dieser  Zeitschr.  S.  174  ff.  aus  Afanasjews  Samm- 
lung  ein  russisches  Märchen  vom  dankbaren  Toten  in  deutscher 
i'bersetzung  bekannt  gemacht  hat,  welches  ich  bei  meinen 
Erörterungen  über  diesen  Märchenkreis  oben  S.  8"24 — 329  [zu 
Campbell  no.  32]  nocli  nicht  benutzen  konnte,  liat  seitdem 
die  Güte  gehabt  mir  noch  ein  andres  russisches  Märchen 
aus  diesem  Kreise  mitzuteilen.  Es  findet  sieb  im  3.  Heft  der 
von  rhudjakow  herausgegebenen  grossrussischen  Märchen 
S.  165 — 1()<S,  ist  von  dem  Sammler  im  Rjäsanschen  Gou- 
vernement aufgezeichnet  und  kiutet  nach  Schiefners  Über- 
setzung also: 

„Es  waren  einmal  zwei  Brüder,  von  denen  einer  starb 
und  einen  Sohn,  namens  Hans,  hinterliess.  Hans  wuchs  lieran, 
sein  Oheim  aber  kümmerte  sich  nicht  um  ihn.  Da  kamen 
eines  Tages  Angeliörige  zum  Hans  und  fragten  ihn,  weshalb 
er  so  müssig  dasitze  und  nicht  lieber  Handel  triebe?  —  „Ich 
liabe  gar  nichts  .  .  .  ."  —  „„Bitte  deinen  Oheim,  dass  er  dir 
deine  Erbschaft  auszalile.""  Das  that  er  denn  auch.  Der 
Oheim  dachte  hin  und  her  und  gab  ihm  endlich  800  Rubel. 
„Da  hast  du  300  Rubel!  Mach  damit  was  du  willst."  —  Hans 
dankt  dem  Oheim  und  zieht  in  die  Welt  hinaus. 

Er  w^ar  nun  zwei  Wochen  gewandert,  da  kam  er  in  ein 
anderes  Gouvernement.  Dort  sieht  er  die  Eeute  laufen  und 
eilt  ihnen  nach.  Man  hat  einen  Ungläubigen  gefangen  und 
zieht  ihm  die  Adern  aus.  „Hört,  verkauft  mir  ihn",  spricht 
er.  —  „„Recht  gern.""  —  „Was  verlangt  ihr?"  —  „„Drei- 
hundert Rubel.""  I  Er  gab  ihnen  sein  ganzes  Geld,  nahm  den  94 
Ungläubigen,  führte  ihn  zum  Priester  und  Hess  ihn  taufen. 
Der  arme  Mensch  leidet  aber  sehr  an  seinen  Wunden.  Hans 
bittet  den  Priester  am   andern  Morgen   eine  Messe   zu  lesen. 


2'2  Zur  Mäi-chcntbr?ichuiig. 

Das  geschah,  der  Ungläubige  empfing  das  Abendmahl  und 
starb  den  dritten  Tag.  Es  war  al)er  kein  Geld  da,  um  ihn 
zu  beerdigen.  Als  die  Kaufleute  und  das  Volk  dies  hurten, 
brachten  sie  viel  Geld  zusammen.  Man  bestattete  den  Toten 
mit  allen  P^hren,  und  es  blieb  noch  viel  (teld  übrig.  Hans 
aber  ging  davon  und  nahm  keinen  einzigen  Kopeken. 

Als  er  weiter  wandert,  sieht  er  mit  einem  Male  einen 
Engel,  der  vom  Himmel  herab  kommt  und  sich  ihm  nähert. 
„Guter  Mann,  wohin  gehst  du?"  —  „„Ich  will  mich  irgendwo 
als  Arbeiter  verdingen"",  antwortete  Hans.  —  „Lass  uns  zu- 
sammengehen!" —  „„(int.""  —  So  wanderten  sie  des  Weges 
weiter.  „Willst  du,  guter  Mann,  mich  zum  Oheim  haben? 
Was  wir  erwerben,  wollen  wir  in  die  Hälfte  teilen.  Halte 
mich  in  Ehren,  was  ich  dir  befehle,  das  thu!"  —  „„Gut"", 
sagte  Haus. 

Da  kamen  sie  in  ein  anderes  Land,  zu  einem  König. 
Dieser  König  hatte  eine  Tochter.  „Nun,  Neffe,  geh  auf  den 
Markt,  verdinge  dich  als  Arbeiter!  Bist  du  angenommen,  so 
komm  und  melde  es  mir,  dass  icli  mit  dir  gehe."  —  Hans 
ging  auch  und  musste  lange  stehen:  es  fand  sich  niemaud, 
der  ihn  angenommen  hätte.  Da  kommt  der  König  gefahren. 
„Bist  dn  ein  Russe?"  —  „„-Ja,  aus  dem  und  dem  (iouverne- 
ment.""  —  „Willst  du  mein  Schwiegersohn  werden?  Du  ge- 
fällst mir.  Unlängst  ist  mir  ein  Schwiegersohn  gestorben."  — 
„„Ich  weiss  nicht"",  sagte  Hans,  „„ich  habe  einen  Oheim, 
diesen  werde  ich  fragen.""  Er  ging  zum  Oheim  und  meldete 
ihm  die  Sache.  Der  Oheim  giebt  ihm  die  Erlaubnis,  die 
Leute  aber  schelten  ihn:  „Was  schickst  du  deinen  Neffen  in 
den  Tod?  Die  Königstochter  hat  schon  sechs  Männer  gehabt 
und  alle  erwürgt.  Der  König  hat  sich  nun  gerade  einen 
Russen  ausgesucht."  —  „„Was  ist  da  zu  machen!  Es  ist  der 
Wille  Gottes."" 

Der  Neffe  geht  zum  König.  Dieser  kommt  sogleich  zum 
Vorschein.  „Nun,  wie  bleibt  es?"  —  „„Der  Oheim  hat  mir 
seinen  Segen  gegeben.""  —  „(iut",  sagt  der  König,  „gut!" 
Sofort  holt  er  die  Tochter,  „(iefällt  dir  der  Bräutigam?"  — 
^,„Ja.""  —  „Nun  so  segne  euch  Gott!"     Der  Neffe   holt   den 


4.    Zu   (leiii   3Iärolioii   von   dem  {huikhaicu   Toten.  28 

Oheim  herbei.  E.s  |  liudet  die  Ti-auiiiig  statt  und  ein  pmcht-  !t5 
voller  Hochzeitschmaus.  Es  war  Zeit  zur  Ruhe  zu  gehen. 
Das  junge  Paar  legte  sich  ins  Schlafgemach.  Hans  legt  sich 
nieder.  „Ach",  sagt  er,  „wir  haben  den  Oheim  nicht  ge- 
rufen." —  Der  Oheim  kommt.  „Es  ist  gut",  sagte  er,  „dass 
ihr  mich  nicht  vergessen  habet.  Schlafet  nur  in  guter  Kühe! 
Ich  werde  micli  an  der  Schwelle  niederlegen."  Sie  schliefen 
ein.  In  der  Nacht  kommt  ein  Drache  geflogen.  Der  Oheim 
sprang  auf.  grifl"  nach  dem  Säbel  und  schlug  ihm  das  Haupt 
ab.  Das  junge  Paar  aber  lag  in  tiefen  Schlaf  versunken  da. 
Der  Oheim  wusch  das  Blut  ab.  schatl'te  den  Kopf  des  Drachen 
fort  und  warf  alles  ins  Meer. 

Am  andern  Morgen  lässt  der  König  sich  iiach  dem  Be- 
finden erkundigen.  „Sie  sind  aufgestanden",  meldet  man,  „und 
sind  guter  Dinge."  Nun  ging  das  Schmausen  und  das  Jubeln 
beim  Könige  los.  Man  lebte  so  zwei  Monate.  Da  si)richt 
Haus  zum  Könige:  „Väterchen,  erlaube  mir  in  meine  Heimat 
zu  reisen;  ich  werde  nicht  lange  fortbleiben."  —  „Gut",  sagte 
der  König.  Man  ging  Pferde  auszusuchen.  Der  Oheim  legt 
seine  Hand  auf  ein  Pferd:  „Dieses  nimm!"  —  So  wählte  man 
sieben  Pferde  aus:  vier  spannte  man  vor  die  Kutsche,  ehi 
Dreigespann  gal)  man  dem  Oheim.    Dann  gings  auf  die  Reise. 

Sie  kamen  in  einen  Wald  und  verloren  den  Weg.  In 
der  p]ntfernung  sehen  sie  Licht.  Sie  fahren  auf  das  Licht 
los  und  kommen  an  ein  grosses  Hans.  Im  Zimmer  geht  nur 
ein  alter  Mann  herum.  „Wer  wolnit  hier?"  —  „„Jäger."" 
Sie  kehren  ein  und  legen  sich  zur  Ruhe.  Als  sie  eingeschlafen 
sind,  kommen  plötzlich  Räuber  angefahren:  sie  fragen  den 
Alten:  „Sind  viele  angekommen?"  —  „„Nur  drei!""  —  „Gott 
sei  Dank!  Die  Kutsche,  die  Pferde,  alles  wird  uns  zu  Teil." 
Sie  assen  und  tranken  sich  satt  und  gingen  sechs  Mann  hoch, 
um  die  Reisenden  umzubringen:  der  Oheim  aber  liegt  an  der 
Schwelle.  Schnell  erhob  er  sich  und  sowie  der  erste  heran- 
kam, schlug  er  ihm  den  Kopf  ab,  dann  dem  zweiten,  dritten, 
vierten,  fünften.  Die  andern  erschraken  und  liefen  davon. 
Der  Oheim  aber  räumt  die  Leichname  auf  und  wäscht  das 
Blut    ab.      Hans    und    seine   Gattin    schlafen    in    guter   Ruh. 


24  2i"*  Märchenforsehung. 

Als  sie  am  Morgen  aufgestanden  waren,  fragten  sie  nach  den 
Wirtslenten.  „Sie  sind  Jäger,  sie  sind  schon  in  aller  Frühe 
vom  Hanse  gefahren."  Man  trank  darauf  Thee  und  ging 
9ß  dann  in  die  Vorratskammern,  wo  es  |  (lold  in  Menge  gab. 
Man  füllte  es  in  Säcke  und  belud  damit  das  Dreigespann,  in 
welchem  der  Olieini  fuhr. 

Als  man  weiter  fuhr,  kamen  sie  zu  der  Stelle,  wo  der 
Oheim  dem  Hans  jüngst  erschienen  war.  Man  fütterte  die 
Pferde.  Da  sprach  der  Oheim:  „Nuu  Neffe,  wir  hatten  es 
ja  abgemacht,  dass  wir  alles  in  die  Hälfte  teilen  sollten. 
Jetzt  müssen  wir  uns  trennen;  lass  uns  nun  auch  die  Frau 
teilen!''  Der  Oheim  nahm  sie,  sägte  sie  in  zwei  Hälften;  aus 
ihrem  Innern  aber  kamen  junge  Drachen  geflogen.  Der  Neffe 
fiel  ohne  Besinnung  hin.  Der  Oheim  aber  reinigte  und  wusch 
die  Eingeweide  der  Frau  und  besprengte  sie  mit  Wasser, 
worauf  sie  wieder  lebendig  dastand.  „Nun  Neffe",  sprach 
der  Oheim,  „ich  habe  Wohlgefallen  an  dir,  weil  du  mir  ge- 
horsam gewesen  bist.  Ich  habe  dich  auf  allen  Wegen  und 
Stegen  beschützt."  Dann  nahmen  sie  Abschied  von  einander. 
Hans  aber  gelaugte  zu  seinem  leiblichen  Oheim,  dem  er  alles 
Gold  und  Silber  gab.  In  einem  Monat  baute  er  ihm  ein 
Schloss  auf  und  kehrte  dann  in  sein  Reicli  zurück." 

Man  sieht,  dies  russische  Märchen  steht  dem  armenischen 
(s.  oben  S.  8"2S)  weit  näher  als  das  vielfach  entstellte  andre 
russische  Märchen  von  Sila  Zarewitsch  und  Iwaschka  und  das 
ebenfalls  entstellte  und  unvollständige  Märchen  aus  Afanas- 
jews  Sammlung. 

Zu  meinem  oben  erwähnten  Aufsatz  über  das  Märchen 
vom  dankbaren  Toten  trage  ich  bei  dieser  Gelegenheit  noch 
folgendes  nach.  Eine  Variante  des  Märchens,  welches  Simrock 
(s.  oben  S.  32()  f.)  am  Fuss  des  Tombergs  gefunden  hat,  ist 
neuerdings  von  A.  Ey  in  seinem  sehr  schätzbaren  Harz- 
märchenbiich  oder  Sagen  und  Märchen  aus  dem  Oberharze, 
Stade  iSd'J,  S.  ()4  ff.  bekannt  gemacht  worden.  Hier  ist  der 
Held  kein  Königssohn,  sondern  ein  Bauernsoim,  der  mit  sei- 
nem geringen  Erbe  die  Schulden  des  unbegrabenen  Toten 
bezahlt  und  ihn  bestattet.    Die  Gegenstände,  welche  die  Prin- 


4.   Zu  iloni  Miiichen  von   dein   (laukbarL'ii  Toten.  -^5 

ze.ssiu  iliin  zu  raten  aufzieht,  sind:  ilires  Vaters  weisses  Tferd, 
sein  iSchlaclitsclnvert  und  das  Haupt  des  bösen  (leistes.  Der 
dankbare  Tote  überreicht  ihm  Flügel,  Rute  und  Sehwert,  ohne 
dass  über  die  vorherige  Erwerbung  dieser  Dinge  etwas  erzählt 
ist.  In  der  Hochzeitsnacht  muss  der  Bräutigam  die  l^rant 
dreimal  in  eine  Wanne  voll  Wasser  untertauchen,  wodurch 
sie  zuerst  ein  Rabe,  \  dann  eine  Taube  und  zuletzt  wieder  '.»7 
eine  Jungfrau  und  ganz  entzaubert  wird.  Dieses  unter- 
tauchen u.  s.  w.  kommt  im  Simrockschen  Märchen  nicht  vor. 
wohl  aber  ganz  ähnlich  in  dem  dänischen  Andersens. 
s.  oben  S.  3"27   [unten  zu  Campbell  no.  32]. 

In  einem  zweiten  Märchen  bei  Ey  S.  113  bezahlt  ein 
wandernder  Schneidergesell  die  Bestattung  eines  Verschul- 
deten. Der  dankbare  Geist  schliesst  sich  ihm  in  Gestalt  eines 
Handwerksburschen  als  Reisekamerad  an.  Sie  begegnen 
melireren  Menschen  mit  wunderbaren  Eigenschaften,  und  mit 
deren  Hilfe  und  mit  dem  ziemlich  unnützem  Beirat  des  (ieistes 
erringt  der  S(;hnei(ler  die  Hand  einer  Prinzessin.  Wir  haben 
hier  eine  der  vielen  Varianten  der  Märchen  ,von  den  Sechsen, 
die  durch  die  Welt  kommen'  (Grimm  Nr.  71)  und  ,von  den 
sechs  Dienern'  ((Irimm  Nr.  134,  vgl.  Renfeys  oben  S.  'iB!) 
von  mir  citierten  Aufsatz),  in  welches  der  dankbare  Tote  un- 
geschickt genug  verwebt  ist.  In  Simrocks  Buch  und  in  meinem 
Aufsatz  in  der  Germania  [oben  S.  5]  finden  sich  noch  ein  paar 
Märchen,  in  denen  ebenfalls  das  Märchen  vom  dankbaren 
Toten  mit  andern  eigentlich  selbständigen  verbunden  ist. 

Oben  S.  329  habe  ich  ganz  kurz  auf  eine  Entstellung 
unseres  Märchens  aus  Böhmen  verwiesen.  Für  diejenigen, 
denen  Waldaus  böhmisches  Märchenbuch  nicht  zur  Hand  ist, 
will  ich  doch  hier  das  biihmische  ^lärchen  etwas  ausführlicher 
besprechen.  Ein  Kaufmannssolin  Bolimir,  von  seinem  Vater 
auf  Handelsreisen  ausgeschickt,  gerät  in  die  Gefangenschaft 
eines  Seeräubers,  dessen  (iunst  er  sich  aber  durch  sein  Flöten- 
spiel dergestalt  erwirbt,  dass  er  nicht  nur  selbst  frei  wird, 
sondern  auch  die  Freiheit  eines  seit  lange  gefangenen  (Preises, 
von  dem  er  jene  Flöte  erhalten,  und  einer  Königstochter  er- 
wirkt.    Mit  beiden  segelt  Bolimir  davon.     Unterwegs  kommen 


26  Zur  Märchenforsclmng. 

sie  zu  einer  einsamen  Insel,  wo  sie  aussteigen  und  der  Greis 
Bolimir  bittet,  eine  Grube  zu  graben.  Nachdem  der  Greis 
Bolimir  noch  empfohlen  hat,  in  Not  seiner  zu  gedenken,  be- 
steht er  darauf,  von  ihm  erschlagen  und  liier  begraben  zu 
werden.  Bolimir  erfüllt  mit  Widerstreben  des  Greises  Wunsch 
und  fährt  dann  mit  der  Prinzessin  in  seine  Vaterstadt.  Nach 
einiger  Zeit  geht  er  wieder  zur  See,  und  die  Prinzessin  giebt 
ihm  eine  von  ihr  gestickte  Fahne,  die  er  vor  ihrer  Vaterstadt 
aufziehen  soll.  Er  thut  dies  und  wird  von  dem  K<inig,  der 
die  Fahne  seiner  Tochter  er- 1  kennt  und  alles  von  ihm  erfährt, 
mit  einem  königlichen  Schiffe  zurückgeschickt,  um  die  Tochter 
ihm  zuzuführen.  Aber  auf  der  Rückfahrt  st(isst  der  ihm  bei- 
gegebene Kämmerer  ihn  ins  Meer  und  zwingt  die  Prinzessin 
durch  Drohungen,  ihm  ihre  Hand  und  Schweigen  zu  ver- 
sprechen. Nachdem  der  Kämmerer  dann  auch  den  König 
beredet  hat,  ihm  seine  Tochter  zu  verheiraten,  soll  die  Hoch- 
zeit stattfinden,  aber  die  Prinzessin  will  vorher  erst  eine 
wundersclnine  Kirche  gebaut  haben.  Inzwischen  war  Bolimir 
von  jenem  Greise,  an  den  er  sofort  gedacht  hatte,  aus  dem 
Meer  auf  die  einsame  Insel  getragen  wordeu  uud  hatte  von 
ihm  einen  wunderkräftigen  Ring  erhalten,  durch  den  er  ver- 
schiedene (iestalten  annehmeu  konnte.  Als  Adler  fliegt  er 
nun  in  die  Stadt  der  Prinzessin,  wo  er  sich  in  einen  alten 
Mann  verwandelt  und  mit  Hilfe  des  Ringes  den  Bau  der 
Kirche  beschleunigt.  Als  diese  fertig  ist,  verlangt  aber  die 
Prinzessin  vom  Kämmerer  erst  noch,  dass  sie  mit  Bildern 
bemalt  werde.  Bolimir  giebt  sich  für  einen  Maler  aus  und 
malt  die  Bilder,  darunter  auch  Bilder,  die  seiue  und  der 
Prinzessin  Schicksale  darstellen.  Zum  l.ohn  verlangt  er  vom 
König  nur,  dass  er  beim  Hochzeitsmahl  neben  der  Prinzessin 
sitzen  dürfe.  Da  erzählt  er  dann  seine  Geschichte,  nimmt 
seine  wahre  (iestalt  an  und  zeigt  noch  zum  Überfluss  die 
Hälften  eines  Ringes  und  eines  Schleiers,  die  ihm  die  Königs- 
tochter früher  geschenkt.  Er  wird  nun  ihr  Gemahl,  der 
Kämmerer  aber  von  vier  Ochsen  zerrissen. 

Eine   arge   Entstellung   haben   wir  in    dieser  böhmischen 
Form   zunächst    darin,    (hiss    aus    dem    für    seine    Bestattung 


4.    Zu  (loiii  Märc-lien   von   dem  (laukbareii  Toten.  27 

(laiikbareii  Toten  ein  (ireis  geworden  i^t,  den  der  Held  des 
Märchens  —  ebenso  wie  die  Königstochter  —  ans  der  Ge- 
fangenschaft erhist  und  der  dann  —  kaum  befreit  —  sich  von 
seinem  Refreier  töten  und  begraben  lässt  und  hierauf  als 
Geist  ihm  beisteht,  nicht  zum  Dank  für  seine  Bestattung, 
sondern  für  die  Befreiung  aus  der  Gefangenschaft.  Eine 
Entstellung  ist  es  ferner,  dass  der  ausbedungene  Lohn  für 
die  Hilfe,  nämlich  die  Hälfte  des  Weibes  oder  Kindes,  felilt. 
Endlich  ist  es  offenbar  au(di  Entstellung,  wenn  die  Prinzessin 
ganz  im  allgemeinen  verlangt,  die  Kirche  solle  ausgemalt 
werden,  worauf  dann  Bolimir  dies  tliut  und  dabei  unter 
andern  seine  Schicksale  malt  u.  s.  w.  Viel  besser  ist  liier 
das  deutsche  Märchen  in  Wolfs  deutschen  Hausmiirchen 
S.  248  (bei  Simrock  der  gute  Gerhard  S.  Ki),  wo  die  [  Prin-  ••9 
zessin  den  Verräter,  der  ihren  (iemald  ins  AVasser  geworfen 
hat,  erst  dann  heiraten  will,  wenn  er  ihre  Zimmer  nach 
ihren  (iedanken  ausmalen  lasse.  Sie  hat  (Uibei  ihre  und 
ihres  Gatten  Schicksale  im  Sinn,  die  natürli('h  nur  ihr  (iatte 
selber  malen  kann.  Sie  schiebt  also  die  verhasste  Hochzeit 
durch  diese  l)edingung  hinaus  bis  zur  Aid<unft  ihres  rechten 
Gemahls.  Ähuli(-h,  aber  minder  gut  ist  dies  Malen  des 
Lebenslaufes  auch  in  dem  schwäbischen  Märchen  vom  dank- 
baren Toten,  Meier  Nr.  42  =  Simrock  S.  r)4,  angebracht.  Dass 
die  Prinzessin  ihrem  Retter  eine  Fahne  mitgiebt,  die  ihre 
Eltern  kennen,  kommt  in  mehreren  der  hierher  gehörigen 
Märchen  vor.  AVie  im  br)limisclien  Märchen  beim  Hochzeits- 
mahl  jeder  etwas  erzählen  muss  und  dann  Bolimir  sein  Ge- 
schick erzählt,  so  auch  in  zwei  deutschen  bei  Simrock  S.  ,14 
und  74.  Wie  der  Verräter  hier  von  vier  0(disen  zerrissen 
wird,  so  auch  in  einem  deutschen  Märchen,  Simrock  S.  ()2, 
in  einem  andern,  Simrock  S.  04,  von  vier  Pferden. 

Ein  dänisches  Märchen  bei  Grundtvig,  Garale  danske 
Minder  i  Folkemnnde.  Kjöbenhavn  1S54,  S.  77  erzählt:  Ein 
junger  Bursch  zieht  hinaus  in  die  Welt  mit  drei  Mark  im 
Vernnigen.  Vor  einer  Kirche  findet  er  die  f^eiche  eines  armen 
Mannes,  die  der  Pfarrer  niclit  begraben  will,  weil  niemand 
da    ist,    der    die    drei    Mark    Begräbnisgebühren    zahlt.      Der 


28  ^iii"  Märchenforschung. 

Jüngling  bezahlt  sie  und  wandert  weiter.  Unterwegs  scliliesst 
sich  ihm  ein  Jüngling  als  Gefährte  an.  Als  sie  in  eine  grosse 
Stadt  kommen,  kauft  letzterer  eine  Prinzentracht  und  eine 
Livree.  Der  arme  Jüngling  muss  sich  für  einen  Prinzen  aus- 
geben, der  andere  aber  stellt  sich  als  seinen  Läufer  an.  Der 
falsche  Prinz  gewinnt  die  Liebe  der  Prinzessin  und  verlobt 
sich  mit  ihr.  Eines  Tages  verlangt  aber  der  alte  König  die 
Besitzungen  des  Prinzen  zu  sehen,  und  sie  fahren  deshalb 
hinaus  über  die  Grenzen  des  Königreichs.  Der  Läufer  läuft 
voraus  und  besticht  Bettler  und  Hirten,  dass  sie  dem  alten 
K(>uig,  wenn  er  sie  fragt,  wem  das  Land  gehöre,  sagen 
müssen,  es  gehöre  dem  Prinzen.  So  getäuscht  giebt  der 
König  dem  Prinzen  seine  Tochter  zur  Frau.  Nach  der  Hoch- 
zeit kommt  der  Läufer  zum  Prinzen  und  sagt  zu  ihm:  ,Nun 
muss  ich  dich  verlassen:  du  hast  mir  geholfen,  deshall)  habe 
ich  dir  wieder  geholfen.'  —  Hier  verläuft  also  das  Märchen 
100  in  das  bekannte  vom  gestiefelten  Kater,  über  |  dessen 
nordische  Varianten  Asbjörnsen  und  Moe  Nr.  'iS  nebst  An- 
merkungen zu  vergleichen  sind,     [unten  zu  Jagic  Nr.  1'2.] 

Nach  einem  zweiten  dänischen  Märchen  bei  Grundtvig 
S.  105  begegnet  ein  ausgedienter,  verabschiedeter  Soldat  drei 
Männern  mit  Schaufel,  Hacke  und  Spaten,  die  einen  be- 
grabenen Mann  wieder  ausgraben  wollen,  der  ihnen  drei  Mark 
schuldet.  Der  Soldat  bezahlt  ilinen  das  (ield.  und  so  wird 
des  Toten  Ruhe  nicht  gestört.  Als  er  weiter  wandert,  schliesst 
sich  ihm  ein  bleicher  Fremder  als  (iefährte  an.  Er  verschaft"t 
dem  Soldaten  ein  Bleisidiiff  und  fährt  mit  ihm  in  ein  Land, 
dessen  Prinzessin  nur  den  heiraten  soll,  der  im  Bleischiff  ge- 
fahren kommt.  Ausserdem  verschafft  er  ihm  durch  List  das 
Schloss  eines  Riesen  (Trolls)  und  verabschiedet  sich  dann, 
nachdem  er  sich  als  Geist  jenes  Toten,  dessen  Ruhe  der  Soldat 
nicht  st("tren  Hess,  zu  erkennen  gegeben.  —  Die  Art,  wie  der 
Troll  in  diesem  Märchen  durcdi  List  getötet  wird,  auf  die  in 
der  Kürze  ni(*ht  näher  eingegangen  werden  kann  [Bolte, 
Tharäus.  Sehr.  d.  X.  f.  d.  Gesch.  Berlins  33,  44],  kommt  fast 
ebenso  in  den  nordischen  Varianten  des  Märchens  vom  ge- 
stiefelten  Kater   vor.   s.    Hvlten-Gavallius.    übers,   von   Ober- 


4.    Zu  (lein   Märohfii  von  dem  (laiikbaiL'H  Toten.  21) 

leitiier  .S.  232,  A.sbjöniseu-Moe  Nr.  2S.  so  da.ss  ul.so  beide 
(iänische  Märchen  in  das  Katermärchen,  aber  in  verschiedene 
Teile  desselben,  auslanfen. 

Endlich  kann  ich  jetzt  anch  über  den  Inhalt  der  S.  324 
erwähnten  spanischen  Komödie  .El  mejor  amigo  el  mnerto-, 
die  ich  seitdem  zn  lesen  (iele<;enheit  gefnnden  habe,  Nach- 
richt geben.  Die  mir  vorliegende  Ansgabe  in  Quart  ^)  hat 
kein  besonderes  Titelblatt.  Der  Titel  lautet:  .Comedia  famosa.  «^"idULMIlr** '»J', <, 
Num.  45.  El  mejor  amigo  el  mnerto.  De  tres  ingeniös.  La 
primera  jornada  de  Luys  de  Belmonte.  La  segunda  de  Don 
Francisco  de  Roxas.  fia  tercera  de  Don  Pedro  de  Calderon.- 
Anf  dem  letzten  Blatt  ist  Drucker  und  Druckort  (Alonso  del 
Riega  in  Valladolid),  aber  keine  Jahrzalil  angegeben.  Der 
Inhalt  ist  der  folgende:  Don  Juan  de  Castro.  Prinz  von 
Galizien,  Senuor  von  Sarria  und  Lemus.  leidet  au  der  eng- 
lischen Küste  Schiffbruch  und  rettet  nur  einige  Juwelen  und 
Kleider.  An  der  Küste  findet  er  die  Leiche  des  Schiffspatrons 
Lidoro,  deren  Begräbnis  ein  (ilänbiger  nicht  gestatten  will, 
bis  er  die  Schuld  |  bezahlt.  Hierauf  begiebt  er  sich  nach  loi 
London,  wo  der  Fürst  Roberto  von  Irland  um  die  Königin 
Clarinda  von  England  wirbt,  die  ihn  alier  nicht  mag.  weshalb 
Unruhen  entstehen.  Don  Juan  wird  dabei  unschuldigerweise, 
als  habe  er  gegen  Clarinda  das  Schwert  gezogen,  ins  (ie- 
fänguis  geworfen,  ans  welchem  ihn  aber  Lidoro.  ohne  von 
ihm  erkannt  zu  werden,  befreit.  Hierauf  lässt  Don  elnan  in 
London  anschlagen,  dass  er  allein  die  schöne  Clarinda  ver- 
diene nnd  diesen  Anspruch  gegen  alle  verteidigen  wolle. 
Von  Lidoro  unterstützt  besiegt  er  zuletzt  auch  Roberto  nnd 
wird  Clarindas  Gemahl  und  König  von  F^ngland.  [Nach 
Schäff'er,  Gesch.  des  spanischen  Natioualdramas  1.  141  (1890) 
benutzte  Lope  de  Vega  hier  den  Ritterromau  .Oliveros  de 
Castilla  y  Artus  de  Algarbe\] 


')    Von    der    grosjiherzoglichen    Bibliothek    aus    der    Auktion    der 
Bibliothek  C.  F.  Bellernianns  erstanden. 


;-}()  Zur  MiirclKMifoiscIiiiiig. 

N  a  (Hl  t  r  a  g". 
In  jüngster  Zeit  ist  tum  endlich  noch  ein  isländisches 
Märchen  dnrch  Jini  'Arnas(n\  (Islenzkar  Thj(tds(igur  og  jetintyri, 
Ijcipzig  1<S()4,  II.  47o — 47!))  bekannt  geworden:  Thorstein  way 
ein  reicher  Kiinigssohn,  der  von  dngend  anf  in  verschwen- 
derischer AVeise  freigebig  war.  so  dass  er.  als  er  nai-li  dem 
Tod  seines  Vaters  König  geworden  war.  bald  sein  Vermögen 
erschöpfte  nnd  endlich  sein  kleines  Reich  verkaufte.  Mit  dem 
Erlös  zog  er  in  die  Welt  hinaus.  Unterwegs  sah  er  einmal, 
wie  ein  Bauer  mit  seiner  ganzen  Familie  in  grösster  Wut 
auf  einen  lliig(d  losschlug.  Auf  sein  Befragen  erfuhr  er,  dass 
unter  dem  Hügel  ein  .Mann  begraben  liege,  der  dem  Bauer 
200  Reichsthaler  schuldig  sei.  weshalb  der  Bauer  täglich  auf 
das  Grab  schlage,  um  die  Ruhe  des  toten  Schuldners  zu 
stören.  Thorstein  bezahlt  sofort  die  Schuld.  Hierauf  zieht 
er  weiter  und  gelangt  in  eine  Burg  am  Meer,  wo  sieben 
Riesen  hausen,  deren  Diener  er  wird.  Kr  darf  überall  in  der 
Borg  hingehen,  nur  den  Schlüssel  zu  einer  Stube  behält  der 
Oberste  der  Riesen  immer  bei  sich.  Nach  vierjährigem 
Aufenthalt  gelingt  es  dem  Königssohn,  sich  durch  List  einen 
Abdruck  des  Schlüssels  zu  verschaffen  nnd  danach  einen 
gleichen  zu  schmieden,  mit  dem  er  heimlich  die  Stube  eröffnet. 
Kr  findet  darin  eine  Königstochter,  die  der  oberste  Riese  ent- 
101'  fidirt  hat  und.  weil  sie  ihn  nicht  heiraten  |  will,  an  den  Haaren 

aufgehangen    und    bei    schmälster  Kost   in    dunkler  Stube  ge- 

•  .  .  . 

fangen    hält.      Thorstein    besucht    die    Jungfrau    nun    täglich 

während  der  .\b Wesenheit  der  Riesen,  bindet  sie  so  lange 
los  und  giel)t  ihr  reichliche  Speise.  Als  sein  fünftes  Dieust- 
jahr  um  ist.  erklärt  er  den  Riesen,  nur  unter  der  Bedingung 
noch  ein  Jahr  dienen  zu  wollen,  wenn  er  das  zum  Lohn  er- 
halte, was  in  der  verschlossenen  Stube  sei.  So  erhält  er  am 
Schluss  des  sechsten  Jahres  die  Prinzessin  zum  Lohn  und 
zieht  mit  ihr  fort.  Die  Riesen  setzen  ihm  aber  nach,  erst 
drei,  dann  je  zwei:  Thorstein  jedoch  erschlägt  sie  und  kehrt 
in  die  Burg  zurück.  Dort  gedenkt  er  mit  der  Prinzessin 
noch  einige  Zeit  zu  bleiben  uml  zu  warten,  ob  nicht  vielleicht 


4.    Zu   (U'in   ^läiclu'u   von   dem  duiikbiiren  Toten.  ;^j 

ein  Seilitt"  käme,  das  sie  und  die  Schätze  der  Riesen  mit- 
iiähnie.  Wirklich  landet  auch  bald  ein  Schiff,  dessen  Haupt- 
mann Raudr  ^)  vom  Vater  der  Prinzessin  ausgesandt  war, 
seine  Tochter  zu  suchen,  mit  dem  Versprechen,  sie.  wenn  er 
sie  heimbrächte,  zur  Frau  zu  erhalten.  Die  Prinzessin  und 
Thorstein  werden  aufgenommen:  letzteren  aber  lässt  Kaudr 
auf  der  hohen  See  in  einem  Boote  aussetzen,  und  die  Schiffs- 
mannschaft —  wahrscheinlich  eigentlich  auch  die  Prinzessin, 
obwohl  in  der  vorliegenden  Fassung  nicht  —  muss  schwören, 
ihn  nicht  zu  verraten.  Thorstein  treibt  nun  eine  Zeitlang 
hilflos  herum,  bis  er  plt'itzlich  eine  Stimme  hört:  .Fürchte 
dich  nicht,  ich  werde  dir  helfen!'  Das  Boot  treibt  nun  dem 
Lande  der  Prinzessin  zu  und  landet  da.  Der  aber,  der  das 
Boot  an  das  Land  brachte,  war  jener  Tote,  dessen  Schuld 
Thörstein  einst  bezahlt  hatte.-)  Er  sagte  Thorstein,  was  er 
nun  thun  solle,  und  trennte  sich  dann  von  ihm.  Thorstein 
trat  als  Pferdeknecht  in  die  Dienste  des  Königs  und  ward 
von  der  Königtochter  bald  nach  ihrer  Rückkehr  erkannt. 
Als  diese  mit  Raudr,  der  sich  für  ihren  Befreier  ausgegeben 
hatte.  Hochzeit  halten  sollte,  verlangte  sie.  dass  beim  Hoch- 
zeitsmahle  der  Pferdeknecht  seine  Lebeusgeschichte  erzählen 
sollte.  So  kam  Raudrs  Verrat  heraus,  und  Thörstein  heiratet 
die  Königstochter.^) 

Die  Einfügung  der  Rieseugeschichte  ist  echt  isländisch.  103 
denn  von  Riesen  und  andern  Unholden  und  den  vielfach  mit 
diesen  sich  berührenden  litilegumenn  (s.  ^lanrer.  Isländische 
Volkssagen  S.  2 Li  und  240  ff'.)  wird  gern  in  den  isländischen 
Märchen  und  Sagen  erzählt.  Vor  der  Ausführlichkeit,  mit 
welcher  der  Aufenthalt  bei  den  Riesen  n.  s.  w.  erzählt  wird, 
tritt    die    eigentliche    Geschichte    von    dem   dankbaren  Toten 


')  d.  li.  Rot.  Ritter  Rot  heisst  der  treulose  böse  Rival  öfter  in 
deu  norwegischen  Märchen.    [Grundtvig-Leo,  Dan.  Volksmärchen  1,  202.] 

-)  In  welcher  Gestalt  der  Geist  plötzlich  dem  Thorstein,  nachdem 
das  Boot  gelandet,  erscheint,  ist  nicht  gesagt. 

')  Der  vorstehende  Auszug  ist  nach  einer  wörtlichen  Übersetzung 
gemacht,  die  ich  der  Freundschaft  des  Professors  Theodor  Möbius  in 
Leipzig  verdanke.     [Poestion,  Island.  Märchen,  S.  274.] 


;^2  Zur  Märchent'urscluuig. 

sehr  zurück,  we.slialh  es  nicht  zu  verwundern  ist,  dass  auch 
hier  die  .versprocliene  Hälfte'  fehlt.  Eigentümlich  dem 
isländischen  Märchen  ist  es,  dass  nicht  der  Leichnam  des 
Schuldners,  sondern  sein  Grah  vom  (iläubiger  geschlagen 
wird. 


5.  Zum  Guten  Gerhard. 

(GLTiuania   12,   55— (iO.     ISfiT.) 

Als  ich  uidängst  das  mir  bisher  unbekannt  gebliebene, 
aber  sehr  lesenswerte  Buch  ,Fellnieiers  Abende.  Märchen  und 
Geschichten  aus  grauer  Vorzeit.  Von  A.  M.  Tendlan.'  (Frank- 
furt a.  M,  185())  durchlas,  fand  ich  darin  S.  llOfil'.  zu  meiner 
Überraschung  folgende  Geschichte: 

„Der  fromme  Metzger  oder  der  Genosse  im  Paradies. 

Ein  sehr  frommer  und  gelehrter  Mann  betete  einst  zu 
Gott,  er  möchte  ihm  zu  wissen  thuu,  wer  einst  sein  Genosse 
im  Paradiese  sein  werde.  Da  ward  ihm  in  einem  nächtlichen 
Traume  die  Antwort:  ,Der  und  der  Metzger  wird  dein  Genosse 
sein.'  —  Als  den  andern  Morgen  der  fromme  Mann  erwachte, 
kränkte  es  ihn  sehr,  dass  er  einen  so  gemeinen,  ungelehrten 
Menschen  zum  Genossen  haben  sollte,  und  er  fastete  den 
ganzen  Tag  uud  betete  abermals  vor  Gott.  Uml  in  derselben 
Nacht  ward  ihm  abermals  die  Antwort:  ,Du  hast  es  bereits 
vernommen,  dass  der  Metzger  dein  Genosse  im  künftigen 
Leben  sein  werde.'  —  Als  der  Mann  das  hörte,  schrak  er 
anf,  seufzte  und  weinte  sehr.  Da  hörte  er  eine  Stimme  vom 
HimmeL  , Wahrlich!  wärst  du  nicht  ein  so  frommer  und  ge- 
rechter Mann,  du  hättest  den  Tod  verdient.  Was  verdriesst 
es  dich,  dass  der  Metzger  dein  Genosse  sein  soll?  Kennst 
du  ihn?  Weisst  du,  was  er  gethan?  Ob  er  vielleicht  gute 
Werke  vollbracht,  die  idcht  jeder  Mensch  zu  vollbringen  ver- 
mag? Wahrlich!  sein  Stand  und  Ansehen  ist  gross  im 
Jenseits.' 


f).    /um    (iur<'ii    (rt'hrlund.  '-};-} 

Den  Morgen  daninf  in  aller  Frühe  stand  der  fromme 
Mann  anf  nnd  ging  in  die  Hnde  des  ihm  genannten  Metzgers. 
Der  Metzger  erhob  sich  voll  Ehrfnrcht  vor  dem  ungesehenen, 
gelehrten  Manne.  Dieser  aber  begrüsste  ihn,  bat  ihn,  sich 
niederzusetzen,  und  da  die  Bude  noch  leer  von  Käufern  war, 
setzte  er  si(;h  zu  ihm  und  sprach:  ,Mein  b^reund!  ich  habe 
eine  Ritte  an  dich.  Sage  mir.  was  dein  Leben  un<l  Treiben  j 
ist,  und  besonders,  was  du  (iutes  schaffst  auf  Erden!'  —  Da  56 
antwortete  der  Metzger:  ,Mein  Herr  und  Meister!  Du  siehst, 
was  mein  (leschäft  ist.  Meinen  Verdienst  aber  teile  ich  in 
zwei  Hälften;  die  eine  gehört  den  Armen  und  den  Notleidenden, 
von  der  andern  leben  ich  und  die   Leute  meines  Hauses." 

,  Es  giebt  viele  Leute*  sagte  der  fromme  und  gelehrte 
Mann,  ,die  noch  gn'issere  Wohlthätigkeit  üben.  Sage  mir,  ob 
du  je  etwas  vollbracht  hast,  was  nicht  jeder  Mensch  zu  voll- 
bringen im  Stande  ist !' 

Der  Metzger  schwieg  lange  Zeit,  endlich  sagte  er:  ,Mein 
Jlerr  und  Meister!  i(di  erinnere  mich  heute  einer  That,  die 
ich  vor  lauger  Zeit  gethan." 

,Was  ist  es?"  fragte  der  Weise:  , erzähle  mir's.  da  es 
noch  frühe  und  stille  ist." 

,Es  sind  schon  viele  Jahre',  ei'zidiltc^  d^^v  Metzger,  .da, 
stand  ich  eines  Tages  mit  meinei'  Arbeit  bt^schäftigt.  Da  zog 
eine  Schar  fromdi'ii  Volkes  voriibei",  die  viele  (iefangeue  mit 
sich  führte.  Lnter  den  (lefangenen  wai' auch  ein  junges  Mäd- 
chen, das  bitterlich  weinte.  Ich  trat  zu  dem  Mädchen  hin, 
es  mochte  etwa  zwr)lf  -lalire  alt  sein,  und  s[)racli:  M(Mne 
Tochter,  warum  weinst  und  jammerst  du  so?  —  .Aclr  seufzte 
das  Mädchen  und  konnte  kaum  vor  Thränen  und  S('hluchzen 
sprechen,  , meine  guten  Eltern  zogen  mich  auf  in  der  Ver- 
ehi'ung  des  einzigen  (Jottes.  uml  es  ist  mir  l>ange,  dass  diese 
Heiden,  welche  unsern  (h't  überfallen,  meine  Eltern  getötet 
uml  )nich  mit  (lewalt  hinweggeführt  habe]i.  mich  zwingen 
nnichten.  (iott  zu  verleugnen  und,  gleicdi  ihnen,  (iötzen  zu 
dienen.  Ach,  ich  hoffte,  es  sollte  auf  unserem  Wege  ein 
guter  frommer  Mann  kommen  und  mich  aus  ihrer  Hand  er- 
lösen.'     -  Die   Worte  des  Kindes  rührten  mich   sehr,     fcli   er- 

R.  Kohler,    Kl.  S,-hriften.     I.  S 


3^  Zur  Märchenforscliung^. 

barmte  mich  desselben  iiiul  sprach  zu  ihm:  Sei  ruhig,  mein 
Kind!  und  vertraue  mir,  ich  werde  dich  auslösen.  —  Ich  ging 
nun  zu  dem  Herrn  des  Zuges  und  kaufte  ihm  das  Mädchen 
um  einen  hohen  Preis  ab,  der  fast  über  mein  Vermögen  ging, 
brachte  dasselbe  in  mein  Haus,  kleidete  es  und  speiste  es 
und  hielt  es  wie  mein  eignes  Kind,  bis  es  herangewachsen  war.' 

,Nun  hatte  ich  einen  einzigen  Sohn',  fuhr  der  Metzger 
fort,  ,  einen  Jüngling  von  21  Jahren.  Eines  Tages  nahm  ich 
denselben  allein  und  sprach  zu  ihm  mit  herzlichen  Aborten : 
Mein  Sohn!  nimm  meinen  Rat  an  und  erfülle  mir  einen 
Wunsch,  den  ich  schon  lange  hege,  dass  es  dir  wohl  ergehe 
diesseits  und  jenseits.'- 

,Was  ist  es,  mein  Vater?'  antwortete  er,  ,sage  mir  dein 
Verlangen:  ich  werde  weder  rechts  noch  links  davon  ab- 
weichen.' 

,lch  wünschte,  mein  Sohn,  sagte  ich.  du  m/ichtest  das 
57  brave  |  Mädchen,  das  ich  erkauft  und  bisher  erzogen  habe, 
und  das  ich  wie  mein  eignes  Kind  liebe,  als  Weib  heimführen : 
ich  werde  für  euch  Sorge  tragen  und  euch  reichlich  aus- 
statten. -  ,lch  bin  mir  da',  entgegnete  mein  guter  Sohn, 
.um  deinen  Willen  zu  vollziehen.' 

.Ich  freute  micli  ausserordentlich,  dass  mein  Wunsch  auf 
keinen  Widerspruch  stiess.  besorgte  sogleich  alles  Nötige,  be- 
schenkte Braut  und  Bräutigam  mit  prächtigen  Kleidern  und 
allerlei  Schmucksachen,  stattete  sie  in  meiner  Herzensfreude, 
wie  ich  versprochen,  reichlich  aus,  und  schon  auf  den  nächsten 
Tag  bereitete  ich  das  Hochzeitsmahl  und  lud  alle  Bewohner 
der  Stadt  dazu  ein.  Ich  hatte  niemand  übergangen,  arm  wie 
reich,  und  selbst  die  Bettler,  die  ich  getroffen,  hatte  ich  ein- 
geladen, und  ich  setzte  diese  nun  absichtlich  zerstreut  unter 
die  Einwohner  der  Stadt,  dass  sie  sich  nicht  zu  schämen 
hätten.  Speise  und  (ietränke  waren  in  Eülle  da,  alles  ass 
und  trank  und  war  fröhlichen  Mutes:  nur  an  einem  Tische 
schien  es  den  Leuten  nicht  zu  schmecken.  Ich  trat  hin  und 
sprach:  Meine  Lieben,  warum  seid  ihr  nicht  mit  den  andern 
fr()hlich?  Habt  ihr  an  den  S})eisen  oder  Getränken  irgend 
etwas  zu  tadeln  gefunden?  —  , Behüte  Oott!'  antwortete  man 


5.    Zum  Guten  Gerhard.  ;-J5 

mir.  ,\vir  haben  nie  ein  icöstlicheres  Mahl  gesehen;  aber  bleu 
der  arme  junge  Mann,  den  du  zu  uns  gesetzt  liast,  weint  und 
seufzt  und  stöhnt,  seitdem  er  da  sitzet,  so  dass  Niemand  von 
uns  am  Tische  vor  seinem  Seufzen  und  Weinen  zu  essen  l^ust 
hat  •-  —  Ich  nahm  den  jungen  Mann  bei  der  Hand  und  führte 
ihn  hinaus  und  sprach  zu  ihm  mit  freundlichen  Worten:  Mein 
Freund!  Warum  thust  du  mir  das?  Warum  störst  du  mir 
meine  P'reude  und  betrübst  das  Hochzeitsmahl  meines  Sohnes? 
Drückt  dich  irgend  eine  Schuld,  bedarfst  du  des  Geldes,  ich 
will  dir  gern  vorstrecken,  so  viel  du  bedarfst.  —  ,Ach', 
sagte  er.  ,mich  drückt  keine  Schuld,  und  ich  bedarf  keines 
Darlehens.  Ich  weine  um  des  Mädchens  willen,  das  du  mit 
deinem  Sohne  jetzt  vermählen  willst.  Dasselbe  ist  mit  mir 
in  einer  Stadt  geboren:  seine  Eltern,  die  mit  meinen  Eltern 
befreundet  waren,  hatten  das  Mädchen  mir  schon  frühe  zu- 
gesagt und  mit  mir  verlobt.  Seitdem  dasselbe  gefangen  und 
weggeführt  worden,  zog  ich  ihm  umsonst  nach,  um  es  auf- 
zusuchen, bis  ich  es  heute  als  die  Braut  deines  Sohnes  hier 
gefunden!  Ach,  noch  befindet  sich  der  Verlöbnis-Pakt  in 
meiner  Hand'.  —  Bei  diesen  Worten  zog  er  den  Pakt  hervor 
und  zeigte  ihn  mir.  —  Ich  nahm  denselben,  las  ihn  durch, 
und  als  ich  ihn  in  Richtigkeit  fand,  sagte  ich  zu  dem  jungen 
Manne:  Kannst  du  mir  ein  Zeichen  geben,  dass  das  Mädchen 
dasselbe  ist?  —  .Wohl*,  sagte  der  arme  junge  Mann.  .Ich 
habe  das  Mädchen  einmal  in  seiner  Poltern  Haus  gesehen,  da 
habe  I  ich  ein  Muttermal  an  seinem  linken  Oberarm  be- 
merkt.' —  Von  der  Wahrheit  seiner  Worte  überzeugt,  sprach 
ich  nun  zu  ihm:  Beruhige  dich,  du  sollst  befriedigt  werden.  — 
Hierauf  nahm  ich  meinen  Sohn  allein  und  sprach  zu  ihm: 
Mein  Sohn !  Du  warst  sogleich  bereit,  meinem  Herzenswunsch 
nachzukommen;  ich  habe  nun  eine  andere  Bitte  an  dich  und 
hoffe,  dass  du  nicht  weniger  bereit  bist,  sie  mir  zu  erfüllen. 
—  ,Was  ist  es,  mein  Vater?"  sagte  mein  Sohn,  .ich  werde 
nimmer  deinem  Worte  ungehorsam  sein.-  —  Mein  Sohn, 
sagte  ich,  deine  Braut  ist  bereits  seit  ihrer  Kindheit  mit 
einem  andern  verlobt,  ich  habe  den  Verlöbnis-Pakt  gesehen, 
und  du  niusst  als  rechtschaffener  und  frommer  Mann  Verzicht 

8* 


3(')  Zur  ^[äri-li(iiif"or;;cluuii;'. 

auf  sie  leisten.  Der  junge  Mann,  mit  welchem  sie  verlobt 
ist,  ist  hier,  aber  in  dürftigen  umständen.  Ich  wünschte  nun, 
dass  du  demselben  nicht  nur  seine  Braut  zurückgiebst.  son- 
dern auch  alle  Kleidung  und  alle  Kostbarkeiten,  die  ich  für 
.deine  Ausstattung  bestimmt  hatte,  überlassest.  Thue  so,  mein 
Sohn!  bat  ich,  und  (iott  wird  dir's  sicher  vergelten,  und  auch 
ich  will  das  Meine  thuu.  dir  deinen  Verlust  nniglichst  zu  er- 
setzen. —  .Thue',  sagte  mein  guter  Sohn,  .thue,  mein  Vater, 
was  du  für  gut  hältst :  icli   werde    dir  stets  in  allem  folgen.' 

.Ich  ging  nun  und  holte  den  armen  jungen  Mann  herein 
und  führte  ihn  zu  dem  Mädchen,  das  sich  nun  auch  bald 
seiner  wieder  erinnerte.  Ich  teilte  den  (iästen  die  Sache 
mit  und  liess  die  Trauung  zwischen  beiden  auf  der  Stelle 
vollziehen.  Die  Hochzeitsfeier,  nur  auf  kurze  Zeit  unter- 
brochen, ging  fröhlich  von  statten,  und  nachdem  die  Neu- 
vermählten noch  einige  Monate  verguügt  bei  mir  verbracht 
hatten,  zogen  sie.  reich  von  mir  beschenkt,  wieder  nach  ihrer 
Heimat  und  ihrer  Vaterstadt.  —  Von  Zeit  zu  Zeit  eihalte 
ich  Nachricht  von  ihrem  Wohlergehen.  Das  ist,-  schloss  der 
fromme  Metzger  seine  Erzählung,  ,die  besondere  That  meines 
Lebens,  deren  ich  mich  heute  auf  deine  Anfrage,  mein  Herr 
und  Meister,  wieder  so  lebhaft  erinnere.'  --  Da  reichte  der 
gelehrte  und  fromme  Mann  dem  rechtschaffenen  Metzger  die 
Ilaiul  und  sagte:  .Wahrlich,  du  l)ist  ein  Mann  (iottes!  und 
wohl  mir.-  setzte  er  leise  hinzn.  .dass  ich  einen  solchen  Ge- 
nossen im   Paradiese  haben  soll.' 

Soweit  die  jüdische  Erzählung,  welche  gewiss  jeden,  der 
den  guten  (lerliard  gelesen  hat.  sofort  an  dies  (iedicht  er- 
innert hal)en  wird.  Zwar  betet  dort  der  Kaiser  ()tto  nicht, 
dass  <i()tt  ihm  seinen  Genossen  im  Paradies  offenbaren 
möge,  sondern  er  will  nur  wissen,  was  er  zum  Lohn  habensolle 
für  das.  was  er  um  <Jottes  willen  gethan.  worauf  ihm  eiue 
himmlische  Stimme  verkündet,  er  habe  sich  |  durch  sein  eitles 
Selbstrühmen  um  seinen  himmlischen  Lohn  gebracht,  und  ihm 
den  guten  Gerhard  in  Köln  als  Muster  vorhält,  der  nie  Fürsten- 
namen getragen  habe,  dessen  Name  jedoch  durch  sein  Al- 
mosen im  Buch  der  Lebendigen  verzeichnet  stehe.    Der  weitere 


5.    Zum  Griitcii   Gerlianl.  ^37 

Verlauf  aber  ist  in  beiden  Dichtungen  im  Weseiitlicben  der- 
selbe: der  Kaiser  sucht  den  guten  (lerhard  auf,  wie  der 
fromme  und  gelehrte  Jude  den  Metzger,  und  was  Gerhard 
von  sicli  erzählt,  stimmt,  von  Ausschmückungen  und  Er- 
weiterungen abgesehen,  mit  der  Erzählung  des  Metzgers 
überein:  auch  der  gute  (ierhard  hatte  eine  -lungfrau  aus  lieid- 
nischer  Gefangenschaft  losgekauft  und  stand  eben  im  Begriff', 
sie  seinem  Sohn  zu  vermählen,  als  während  des  Eestes  der 
frühere,  verloren  geglaubte  Bräutigam  im  Bettlergewand  er- 
schien und  sich  dem  guten  (lerhard  auf  dessen  Aufforderung 
zu  erkennen  gab.  worauf  dieser  sofort  seinen  Sohn  zur  Ver- 
zichtleistung auf  die  Jungfrau  bewog  und  ihre  Hochzeit  mit 
dem  älteren   Bräutigam  feierte. 

Da  in  .Eellmeiers  Al)enden  •  die  Quellen  der  einzelnen 
Erzählungen  leider  nicht  angegeben  sind,  so  wandte  ich  mich 
deshalb  brieflich  an  Herrn  Tendlau  in  Frankfurt  a.  M.,  und 
derselbe  hatte  die  (iüte,  mir  alsbald  zu  antworten,  dass  die 
Erzählung  von  dem  frommen  Metzger  von  ihm  aus  einer 
Sammlung  rabbinischer  Geschichten  übersetzt  sei.  welche  deir 
Titel  diibbur  jaj)heli  mehajeschuah.  d.  h.  Opus  perpulchruni 
de  Salute  vel  salvatione  ^),  führt  und  von  einem  Rabbi  Nissim 
herrühren  soll,  nach  einigen  (Zunz.  (iottesdienstliche  Vorträge 
der  -luden  S.  \:V2)  von  Nissim  ben  Jacob  um  lOHO.  nach 
andern  (Jost,  Geschichte  des  -ludentums  1.  2.  402.  Stein- 
schneider. Catalogus  librorum  hebraeorum  in  Bibliotheca  Bod- 
leiana  S.  ()0(S.  Nr.  o.STö,  und  S.  ■iOGii.  Nr.  (iUTT)  vftn  Nissim 
ben  Ascher  ben  Meschulhun  im   \n.  dahrhundert. 

Mit  der  (reSchichte  vom  frommen  Metzger,  wie  sie  in 
der  Nissimschen  Sammlung  erzählt  ist.  stimmt  nur  in  Bezug 
auf  den  Eingang,  nicht,  wie  man  nach  Zunz  a.  a.  O.  S.  144 
annehmen  könnte,  durchaus  di(^  Erzählung  von  .losua  ben 
Illeni  und  dem  Metzger  Nannas.  welche  sich  in  einer  älteren 


')  So  gicbt  sflum  de  Rossi  De  ty])og-ra]>hia  hebraeo-ferrariensi,  ed.  II, 
Erlangae  1781,  S.  -47,  den  hebräischen  Titel  richtig  wieder,  während 
nach  Grässe  Literärgeschichte  II,  1,  Mb  nacli  Bartolocciiis  Bibliotheca 
rabbinica  lY,  413  und  Wolf  Bibliotheca  liebraica  I,  91."i  die  falsche 
Übersetzung  ,Conipositio  pulchrior  salute'  hat. 


3^  Zur  Märcheniorsclumg. 

t>ammlimg  von  (leschichteii  zu  den  Zehngeboteu  (Stein- 
schneider a.  a.  0.  8.  588,  Nr.  3752)  und  daraus  in  dem 
jüdisch-deutschen  Maase-Buch  und  in  .lechiel  Heilprins  Seder 
ha-Dorot  findet.  Auch  liier  wird,  wie  mir  Herr  Tendlau  mit- 
60  teilt,  dem  |  Rabbi  der  Metzger  als  sein  (lenosse  im  Paradies 
angezeigt,  und  der  Rabbi  sucht  den  Metzger  deshalb  auf, 
aber  die  Erzählung  des  Metzgers  hat  niclits  mit  der  Erzählung 
bei  Nissim  gemein:  das  Verdienst  des  Metzgers  Nannas  be- 
steht nur  in  der  grossen  Verehrung,  die  er  seinen  alten  Eltern 
zollt. 

Da  die  meisten  der  Erzählungen  in  Nissims  Sammlung 
sich,  wie  Zunz  a.  a.  0.  S.  132  bemerkt,  in  altern  rabbi- 
nischen  Werken  wiederfinden,  so  wird  auch  für  die  Erzählung 
von  dem  Metzger  und  dem  losgekauften  Mädchen  eine  —  frei- 
lich noch  nicht  nachgewiesene  —  ältere  jüdische  Quelle  an- 
zunehmen sein,  auf  welche  wohl  auch  die  Dichtung  vom 
guten  (ierhard  zurückzuführen  ist. 

Was  den  Wunsch  betrifft,  zu  wissen,  wer  der  (ienosse 
im  Paradies  sein  werde,  so  bemerkt  Tendlau  S.  110  in  der 
Anmerkung,  dieser  Wunsch  ,  finde  sich  häufig  in  morgen- 
ländischen Erzählungen'.  Er  findet  sich  auch  in  einer  Er- 
zählung des  ,Conde  Lucanor',  cp.  4,  welche  bereits  Simrock 
(Der  gute  (ierhard  und  die  dankbaren  Toten  S.  35)  mit  der 
, einrahmenden  Erzählung'  im  guten  (Jerhard   verglichen  hat. 

[Benfey,  Germ.  12,  310  weist  zwei  verwandte  indische 
Darstellungen  vom  frommen  Jäger  (Dharniavyädha)  im  Maha- 
bharata  und  in  der  Tukasaptati  nach.  Vgl.  G.  Levi,  Cristiani 
ed  Ebrei  nel  medio  evo  p.  3<S8.  Gaster,  Germania  25,  274. 
50.S  über  Rabbi  Nissim.  Köhler  weiter  unten  zu  Blade  2,  67, 
zu  Campbell  no.  32  und  zu  Jagic  no.  48.  —  Zu  den  188(S  von 
M.  Hippe  im  Archiv  für  neuere  Spr.  81,  141  aufgezählten 
Märchen  vom  dankbaren  Toten  kommen  noch  hinzu:  Blade 
2,  46.  Luzel,  Contes  1,  405.  416.  2,  179.  212.  Cerquand 
no.  101  (helfender  Fuchs).  Bernoni,  Tradiz.  p.  Si).  Crane 
p.  131.  350.  Archivio  3,  232.  373.  551  (^helfender  Fuchs), 
('aballero  p.  55  , Bella-Flor'.  De  Nino  no.  62  (sehr  eigen- 
tümlich).    Bibl.   de  las  trad.  pop.  esp.   1,   1S7.     Kristensen   1, 


5.    Zum  Guten  Gerhard.  39 

110.  38  (verbiiiideii  mit  Rätselmärchen),  81)  (ähnlich  dem  ge- 
stiefelten Kater),  40.  Berntsen,  Folke-  aeventyr  1,  no.  9.  2, 
no.  5.  Moe,  Indberetniiig  p.  18.  Madsen  p.  22.  Bondesou, 
Sv.  F.  no.  33.  Wigström  1,  2G1  no.  3.  Qvigstad-Sandberg 
no.  15.  Yeckenstedt,  Wend.  Sagen  8.  145.  Krauss,  Sreca 
S.  22  (Mitt.  d.  anthropolog.  Gesellseh.   Ul.     189G.)] -f  ^^^^-^••''^^^J^^ 


6.  Nachtrag  zu  ,Doetor  Allwissend' 

(1,  S.  374— 3S2  0. 

(Orient  und  Occident  3,   184f.  18ti4.) 

Ich  erlanbe  mir  auf  eine  Fassung  des  Märchens  vom 
Dr.  Allwissend  aufmerksam  zu  machen.  Sie  steht  in  den  Er- 
zählungen des  Herrn  dOuville  [C'ontes  1()43  p.  300  =  p. 
139  ed.  Ristelhuber  1876  ,D"un  devin  feint"].  Die  mir  vor- 
liegende Ausgabe  führt  den  Titel:  Lelite  des  contes  du  Sieur 
dOuville  T.  1  et  2.  A  la  Haye  1703.  In  dieser  elite  steht 
unsre  Erzählung  2,  210.  P^in  armer  Bauer,  Namens  (Jrillet, 
fasste  den  Entschluss,  wenigstens  drei  Mahlzeiten  vor  seinem 
Tode  sich  zu  verschaffen,  oii  il  n'eut  rien  a  desirer,  apres 
quoy  il  ne  se  soucioit  point  de  mourir.  Er  beschloss  also 
herumzuziehen  und  sich  für  einen  Wahrsager  (devin)  auszu- 
geben, der  alles  herausbekomme;  sollte  dann  ein  Vornehmer 
seine  Hilfe  in  Anspruch  nehmen,  so  wollte  er  sagen,  dass  er 
vorher  drei  Tage  lang  auf  das  beste  essen  und  trinken  müsse. 
Gesagt,  gethan.  Er  zieht  aus  und  kommt  in  ein  Land,  wo 
eine  Dame  einen  Diamanten  verloren  hat,  den  drei  Lakaien 
ihr  gestohlen.  Sie  lässt  den  Bauer  rufen  und  befiehlt  auf 
seine  Erklärung,    ihn   drei  Tage    laug    im  Hause    zu   speisen. 


')  [Hier  hatte  Benfey  zu  Somadeva  6  (Brockhaus,  Berichte  d. 
Bachs.  Ges.  d.  Wiss.  1860,  131)  folgende  Parallelen  nachgewiesen: 
Ssiddi-kür  no.  4;  Schleicher,  Lit.  M.  p.  115;  Grimm  no.  98;  Bebel, 
Facetiae  2,  112  ed.  1561  p.  58b;  Schertz  mit  der  Warheyt  1563  Bl.  57b; 
Zs.  f.  d.  Mvthol.   1,  36;  Morlini  no.  29  =  Straparola  13,  6]. 


40  Zur  Märclieiitor^cliung. 

Als  er  am  Abend  des  ersten  Tags  sieh  niederlegen  will,  sagt 
er:  Ah!  Dien  merci,  xoilii  deja  nn!  und  meint  damit  die  eine 
Mahlzeit.  Aber  einer  der  schuldigen  Lakaien,  der  ihm  auf- 
wartet, bezieht  dies  auf  sieh.  So  geht  dies  die  folgenden 
Tage  fort,  und  die  erschrockenen  Diebe  gestehen  ihm  den 
Diebstalil  und  bringen  den  Diamanten.  Grillet  lässt  ihn  von 
einem  Hahn  verschlucken  und  erklärt  dann  der  Dame,  der 
Diamant  sei  ihr  entfallen  und  einer  ihrer  Hähne  habe  ihn 
verschlungen;  man  solle  ihn  schlachten.  Dies  geschieht,  und 
man  findet  den  Stein.  Inzwisclien  kommt  der  Gemahl  der 
185  Dame,  |  der  verreist  war,  zurück,  vermutet  einen  Betrüger 
und  beschliesst  den  Bauer  zu  prüfen.  Er  thut  ein  eben  ge- 
fangenes Heimchen  (grillet  ^)  zwischen  zwei  Schüsseln,  fordert 
den  Bauer  vor  und  bedroht  ihn  mit  Prügeln  und  Ohral»- 
scimeiden,  wenn  er  nicht  rate,  was  in  den  Sdiüsseln  sei. 
Der  arme  Teufel,  der  seine  Schelmerei  entdeckt  glaubt,  blickt 
gen  Himmel  und  sagt:  Helas  pauvre  Grillet!  te  voila  pris. 
Der  Herr,  der  diese  Worte  auf  das  versteckte  Heimchen  be- 
zog, da  er  seinen  Namen  nicht  kannte,  glaubte  nun  an  seine 
AVahrsagerkuust  und  belohnte  ilin. 

Die  Erzählung  stimmt  mit  Bebel  im  ersten  Teile  und  i)n 
zweiten  mit  Somadeva  und  dem  deutschen  Märchen. 

Das  S.  oS-2.  Z.  20  nach  andern  l)eigel)rachte  (Utat  aus 
Woycickis  Polnischen  Yolkssageu  ist  irrig.  Ich  besitze  das 
Büchlein  selbst  und  wüsste  niclit,  dass  ein  ähnliches  Märchen 
darin  vorkäme. 

[Germania  IS,  158  wies  Köhler  nach,  dass  d'Guvilles  Er- 
zählung in  ,  Les  recreations  frau(;oises,  ou  recueil  de  contes 
a  rire,  Paris  l(i5<S  "2,  210  [=  Lyon  1662  2,  lo7]  und  Utopie 
1681  2,  156  abgedruckt^)  und  in  der  lachenden  Schule  von 
G.  ('.  Pvuckard  1725  S.  239  no.  149  =  1786  S.  239  =  Ger- 
mania   17,    327    übersetzt   ist.  —  In   der  Zeitschr.   f.    roman. 


')  Die  Ei-ziUihing'  begiunt:  Ou  it])])elle  grillet  un  ])etit  aniiual  noiraut, 
iait  enviroii  eomme  une  petita  cigale,  qiii  erie  la  imit  dans  les  elieininees. 
Es  wird  unser  ,  Heimchen'  sein. 

"')  |Ebeusu  z.  B.  in  Le  faeetieux  et  agreable  Chasse-cUagrin  1679 
]).  240  und  Roquelaure,  Roger  Bontems  eu  belle  liumeur  1757  2,  15.] 


<).    Zu   Doctor  Allwissend.  41 

Philologie  5.  IT'J  trug  er  zu  (Josquin  no.  (iO  ,  l^e  sorcier' 
uacli:  Vernalekeu,  KHM.  uo.  55,  II.  Deiilin,  Contes  duii 
l)uveur  p.  166.  Caballero,  Cueutos  p.  140.  Kennedy  p.  116 
(In  diesen  Märchen  kommt  nicht  allein  die  Entdeckung  der 
Dielte  vor.  sondern  auch  die  Lösung  der  iVnfgabe  zu  raten, 
was  in  der  verdeckten  Schüssel  oder  (nach  dem  spanischen 
Märchen)  in  der  gesc-hlossenen  Hand  sich  befinde).  Ferner: 
Schertz  mit  der  AVarlieyt  1550  S.  53.  Hörl  von  Wättersdorf, 
Bacchusia  1677  S.  :V4'2.  ;-)4!).  Aurbaclier,  Volksbü(;hlein  1, 
147  ,r)ie  guten  Tage'.  Tcndlau.  Sprichwörter  und  Redens- 
arten der  jüdisch-deutschen  Vorzeit  1860  S.  365  no.  lOli). 
Pröhle.  Feldgarben  1<S59  S.  37-2  (als  Episode).  Strackerjan 
2.  34S.  Hansen,  Zeitschr.  der  Ges.  f.  schlesw. -holst.  Gesch. 
7,  21V)  (in  diesen  Märchen  und  Erzählungen  kommt  nur  die 
Entdecknng  der  Diebe  vor,  nicht  aber  die  Frage  wegen  der 
verdeckten  Schüssel).  —  Handschriftlich  hat  er  nachgetragen: 
Passano.  Novelle  ital.  in  versi  p.  !)9.  Libri,  Catal.  1847  no. 
1424.  Yemeniz  no.  15()3.  Busk,  Folk-lore  of  Rome  p.  392. 
Braga  no.  72  (I)i-.  (Irillo).  Coelho,  Contos  nac.  no.  17.  Leite 
de  Vasconcellos  [>.  135.  A.  Cauwet,  Contes  du  foyer  1861 
p.  I(i2.  Müllenhoff  S.  464.  Sv.  landsmälen  1884,  C,  S.  87 
Kristensen  2,  no.  33  (Ach  arme  Ratte!)  und  no.  21  (Schmied 
als  Pfarrer).  Berntsen  1,  lu).  5  (Hans  1^-aest:  vermischt  mit 
dem  Thema  vom  Bauer  als  Priester,  wie  in  Pröhles  Feld- 
garben), (jloldschmidt  S.  165  no.  19.  Polivka.  Archiv  für 
slav.  Phil.  19,  246  (Kulda  4  no.  6).  256  (no.  100.  141). 
263  (no.  17S).  Revue  de  linguistique  15,  332  (tamulisch). 
North  Indian  Notes  und  (^»ueries  5,  159  no.  427.  Lidzbarski 
S.  65.  Fortier  p.  116.  IX.  Hartmann,  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  6, 
270f.  (entfernt  verwandt).  Oesterley  zu  Kirchhof  1,  130. 
Liebrecht,  (iermania  30.  352  zu  Kryptadia  2,  79  no.  23. 
Teirlink.  <'ontes  tlamands  p.  63.  Vermast,  Vertelsels  nit 
West-Vlaanderen  p.  <S2.  Recueil  von  allerhand  Collectaneis  7, 
141  (1719.  Nach  einer  1705  im  Haag  gespielten  Klucht  vom 
Bauer  Krebs.)! 


42  Zur  Märclienfors(;huiig. 


7.  Zu  dem  Märehen  von  der  Lebenszeit. 

(Grimm  KHM  Nr.  176.) 
(Gosches  Jahrbucli  für  Litteraturgesiihichte   1,  196—198.     1865.) 

Wilhelm  Grimm  hat  in  Haupts  Zeitschrift  für  das  deut- 
sche Altertum  l'J,  '2'2H  \=r-  Kleinere  Schriften  4,  395;  vergl. 
4,  3(59]  nachgewiesen,  dass  das  hessische  Märchen  von  der 
Lebenszeit  sich  mit  geringen  Abweichungen  unter  den  Fabeln 
eines  wenig  bekannten  französischen  Dichters  Delaunay  (geb. 
1695,  t  1751)  findet  und  dass  die  franzüsiche  Fabel  von  Hagedorn 
deutsch  und  von  einem  Juden  Ren  Seeb  hebräisch  übersetzt 
worden  ist.  .Aber  woher  %  fragt  (irimm,  Jiat  der  Fran- 
zose den  Stoff  erhalten?  Vielleicht  findet  sich  noch  eine 
Quelle;  bis  dahin  muss  ich  auf  eine  mündliche  Ueberlieferimg 
zurückgehen,  woher  sie  auch  mag  gekommen  sein.' 

P^iuem  glücklichen  Zufall  verdanke  ich  es,  dass  ich  die 
Fabel  schon  im  KJ.  Jahrhundert  bei  einem  Spanier,  der  in 
lateinischer  Sprache  dichtete,  nachweisen  kann,  nämlich  bei 
Jayme  Juan  Falco  aus  Valencia,  geb.  15"J2,  j  zu  Madrid 
1 594.  Er  war  seiner  Zeit  ein  angesehener  Dichter,  Philosoph 
lind  Mathematiker,  nach  Vicente  Ximenos  Urteil  (Escritores 
del  regno  de  Valencia,  Valencia  1747  1,  193)  ein  anderer 
Homer,  ein  neuer  Plato,  ein  zweiter  Euclides,  und  von  seinen 
Opera  poetica  sind  noch  nach  seinem  Tode  mehrere  Ausgaben 
erschienen.  Bei  zufälligem  Blättern  in  deu  Werken  des  einst 
berühmten  S[)auischen  Schriftstellers  Baltazar  (Lorenzo) 
(Iracian  (geb.  IGOl,  f  1058)  fand  ich  in  seiner  Agudeza 
y  Arte  de  lugenio,  Discorso  56,  die  vier  ersten  Verse  des 
Falcoschen  Gedichtes  und  eine  prosaische  Bearbeitung  der- 
197  selben  von  Mateo  Aleraan.  Nach  langem  ver-|geblichen  Nach- 
fragen auf  deutschen  Bibliotheken  erfuhr  ich  endlich  von 
einem  Freuiule  iu  Paris,  dass  die  kaiserliche  Bibliothek 
Falcos  Opera  poetica  besitze,  und  derselbe  Freund,  Herr 
Emile  Delerot,    hatte    die  (!üte    das  von  Gracian   citierte  Ge- 


7.    Zu   dem   .Märchen    von   der  J.ebenszeit.  4H 

(licht   darin   zu    suclieii   und    mir   abzuschreiben  M.     Ks  lautet 
folgendermasseu: 

De  partlhus  vitae. 

Ad  Petrum  Rorgiam  Montesianie  niilitiie  niagistruni. 

Satyrii   V. 

Borgia,  vive  modo,  melior  dum  labitui'  letas, 

Postea  non  nostra  est,  si  verum  hsec  fabula  narrat. 

Juppiter  erbe  novo  terras  lustravit,  ut  uni- 

Cuique  daret  leges  animanti  et  tempora  vit?e. 

Ergo  vocans  asinum:   „Te  nasci  fecimus",  inquit, 

„Ne  fatum  ignores,  ut  dolia,  ligna,  farinas 

Accipias  facili  tergo  atque  in  tecta  reportes. 

Tot  vives  anuos  (|uot  sunt  in  meuse  dies".     „„Tot? 

Tam  graviter?     Placeat  viginti  tollere.""     „Tollo." 

Deinde  canem  aggressus  sie  inquit:   „Tu  vigil  esto 

Tectorum  custos  hortos  pecudesque  tuere 

Non  tibi,  lustra  manent  te  Septem  et  semis."     „„Ad  hoc  me 

Tot  lustris  oneras?     Deme  illinc  (|uin(|ue.""      „Libenter". 

Simiam  item  accersens:   „Tu",  dixit,   „vivito  nulli 

Apta  ministerio.  fer  si^mpiM-  grandia  collo 

Vincula.   inmc  pueris.  nunc  gesticulare  puellis. 

Nee  moriare  prius  quam  impleris  Olympiades  sex." 

„„Sex  tarn  ridicule?     Satis  est  pars  tertia."-'     „Sit  sat." 

Denique  compellans  hominem  rex  ille  deorum 

Sic  ait:    „Kn  terras,  en  a^cpiora,  (piid(|uid  ubicpie  est 

Omne  tuum  est,  tu  larga  niaiiu  tibi  gaudia  carpe. 


')  Die  Aust;abe  der  k.  Bibliutliek  hat  den  Titel:  Operuni  poeticorum 
Jacobi  Faleonis  Yalentini,  Montesinte  militife  equitis  ejusdemque  ordinis 
pra'fecti  luco  ae  nomine  Philippi  II  Regis  His.,  poetse  et  geometrse 
clarissimi,  libri  V,  ab  Emaniiele  8ousa  Contingo  Lusitano  amici  famse 
studioso  eolleeti  in  volumenque  redacti  atque  ejusdem  cura  et  impensa 
typis  mandati.  Mantuse  Carpentanovum  apud  Petrum  Madrigalen)  Anno 
MDC.  18«.  Daselbst  steht  unser  Credicht  fol.  60.  —  Auf  vielen  deut- 
schen Bibliotheken  hab-  ich  Faloo's  opera  puetica,  wie  schon  bemerkt, 
vergeblich  gesucht  und  auch  eine  öffentliche  Anfrage  im  Serapeum  1863 
p.  272  hatte  kein  Resultat.     \FAu   Exemplar  in  Petersburg.] 


44  Zur  Märchenforschung. 

Dum  licet,  seteruus  non  es.  tantuiiimodo  cernes  | 
198  Triginta  autumnos:  hie  vitae  terminus  esto." 

„„0  pater,    hoc  ne  sequum  est?     Post  tot   data  miinera  vitae 

Hanc  vitam  tantae  plenam  dulcedinis  arctas? 

Quod  caiiis  atque  asiniis,  ([uod  tempus  simia  uon  vult. 

Da  mihi.""'     „Do  facilis,  sed  tali  lege,  dies  iit 

Illoriim  viveiis,  illorum  lata  sequaris.'' 

Hinc  homo  ter  denos  cum  nondum  venit  ad  anuos,' 

Cantat,  amat,  donat,  semper  gaudere  paratum 

Pectus  habet,  sequitur  pompas,  convivia,  ludos. 

Morborum  igiiarus,  curarum  funditus  expers 

Nimirum  vivit  sua  tempora.     Cum  tameu  itur 

Ulterius  paulum  at({ue  asiui  jam  vivitur  :evuui. 

Nil  oneris  fugimus,  uihil  evitamus  acerbi, 

Ut  res  hie  illicque  partas  censusque  novos  ad 

Tecta  reportemus,  memores  natum  atque  uepotum. 

Quinquaginta  annos  cum  vita  attiugit  et  ultra 

Progreditur,  canis  est  jetas,  atque  ejus  avavum 

Veuimus  ad  morem,  jam  iiou  augeinus  ut  ante, 

Sed  servamus  opes  et  uobis  parta  uegamus. 

Extremum   vitae  est  quod  simia  spoute  reli(|uit. 

Et  misero  trausscriptum  homiui  est.     Hiuc  ora  mamisque 

Sulcatus  rugis  aevoque  ligatus  et  anuis, 

Non  facti  est  dictive  capax,  non  aptus  ad  ulluni 

Vel  belli  vel  pacis  opus,  tantummodo  parvis 

Neptibus  indulget,  gaudet  mulcere  nepotes. 

Illorum  irridet  nugas  videtur  et  illis. 

Bei  aller  sonstigen  Uebereinstimmung  weicht  Falco  von 
Delaunay  in  den  Zahlenangaben  ab  und  steht  bier  dem  bes- 
sischen  Märchen  insofern  näher,  als  auch  bei  ibm  die  I^ebeus- 
zeit  der  Menschen  und  der  Tiere  vom  Schöpfer  auf  30  Jahre 
bestimmt  war.  Somit  ist  Falco  wohl  kaum  als  Delaunay 's 
Quelle  anzusehen.  Ob  Falco's  übrige  Gedichte  Anlass  zu 
Vermutungen  geben  können,  woher  er  den  Stoff  habe,  kann 
ich  leider  nicht  anoeben. 


8.     I^ittcrarur   der    Volksiiiäi'clii'ii :    Bin-iiii;-Ciiiul(l.  45 

[Landsberger,  Fabeln  des  Sophos  S.  LVIll.  Zacher,  Zs. 
f.  dtsch.  Phil.  •-';').  401  f.  Jahn,  Schwanke  und  Schnurren 
S.  42.  De  Nino  4.  'A.  E.  V.,  Der  Menschen  Lebensjahre, 
eine  alte  Legende:  Das  neue  Blatt  LS,sO,  586  1'.  (Mensch, 
Esel,  Hund.  Affe).  E.  Redenhall.  Der  Mensch  und  seine 
Jahre:  Allgem.  deutsche  Criminalzeitung  9.  12  (LS(S5).  Dort- 
zeitung (Hildbnrghausen)   1<S82,  Nr.   2:57.  S.   1243.] 


8.   Litteratur  der  Volksmärehen. 

(Ciöttingisohe   gelehrte  Anzeigen   1868,   1361  —  139H). 

1.  Xotes  on  the  Folk  Lore  of  the  Xorthern  Counties  oi"  England 
and  fhe  Borders.  By  William  Hcnderson.  AVitli  an  Appendix  on 
Houseliold-Htories  by  S.  Ba  r  in  g-Go  uld,  M.  A.  Author  of  „Iceland, 
its  Seenes  and  Sagas",  „Post-medieval  Preacliers"  etc.  London:  Long- 
mans,  Green,  and  Co.  1866.     XXVII  und  344  Seiten  in  Oktav. 

2.  Contes  et  Proverbes  populaires  recueillis  en  Armagnac  par  M. 
Jean-Fran§ois  Blade.  Paris,  librairie  A.  Franck  1867.  IX  nnd  92 
Seiten  in  Oktav. 

3.  Aberglauben  aus  Masuren  mit  einem  Anhange,  enthaltend: 
Masurische  Sagen  und  ^Märchen.  Mitgeteilt  von  Dr.  M.  Toeppen, 
Direktor  des  Gymnasiums  zu  Hohenstein  in  Ostpr.  Zweite  durch  zahl- 
reiche Zusätze  und  durcli  den  Anhang  erweiterte  Auflage.  Danzig. 
Verlag  von  Th.  Bertling.     1867.     168  Seiten  in  Oktav. 

4.  Volkstümliches    aus   Oesterreichisch-Schlesien.     Gesammelt    und 
herausgegeben  von  Anton  |  Peter,  k.  k.  Gymnasinl-Professor  in  Troppau.   1362 
II.     Sagen    und  Märehen,    Bräuche    und  Volksaberglauben.     Mit  Unter- 
stützung    der    k.    Akademie     der    Wissenschaften     in    Wien    gedruckt. 
Troppau,  1867.    Im  Selbstverlage  des  Herausgebers.    XVI  und  288  Seiten 

in  Oktav. 

5.  Märchen  und  Sagen  aus  Wälschtirol.  Ein  Beitrag  zur  deutschen 
Sagenkuude.  Gesammelt  von  Christian  Schneller,  k.  k.  Gymnasial- 
Professor.  Innsbruck,  Verlag  der  Wagner'schen  Universitäts-Buchhand- 
lung.     1867.     VII  und  2.Ö8  Seiten  in  Oktav. 

6.  Aberglaube  \uu.  Sagen  aus  dem  Herzogtum  Oldenburg.  Heraus- 
gegeben von  L.  Strackerjan.  Erster  und  zweiter  Band.  Oldenbiirg, 
1867.  Druck  und  Verlag  von  Gerhard  Stalling.  VIII  und  422,  und  VI 
und  36()  Seiten   in   Oktav. 


4()  Zur  Märclieiifor.sfhuni;'. 

7.  Sagen  und  Märchen  des  Bergisehen  Landes  g-esammelt  von 
Dr.  Franz  Leibin  t;-,  ordentliclvem  Lehrer  an  der  Realschule  L  Ord- 
nung zu  Elberfeld.  Elberfeld  1868.  Druck  und  Verlag  von  8am.  Lucas. 
VIII  und   128  Seiten   in   Oktav. 

8.  Norske  Folke-Eventyr  t'ortalte  at'  V.  Chr.  Asbjörnsen  og 
Jörgen  Moe,  Tredie  Udgave.  Christiania.  1  Commission  hos  Jac. 
Dybwad.   1866.     XYl  und  312  Seiten  in  Oktav. 

9.  Folkesagn  og  andre  mundtlige  Minder  fra  Burnholm,  samlede 
af  J.  P.  Möller.  Kjöbenhavn,  Boghandler  F.  H.  Eibes  Forlag.  1861, 
60  Seiten   in  Oktav. 

1.  Die  kleine  Sammlung  englischer  Volksmärchen  —  fast 
sämtiich  aus  Üevonshire  und  Yorkshire,  —  welche  Herr 
Baring-Gould  dem  wertvollen  Hendersonscheu  Buch  beigefügt 
hat,  ist  um  so  freudiger  zu  begrüssen,  als  seit  J.  0.  Halliwells 
1363  Populär  rhymes  and  nursery  |  tales,  London  1849,  wenigstens 
meines  Wissens  keine  w^eitere  Sammlung  von  Märchen  aus 
dem  eigentlichen  England  erschienen  ist.  Da  Felix  Liebrecht 
in  den  Heidelberger  Jahrbüchern  1HG8,  Nr.  (j  das  Henderson- 
sche  Werk  und  insbesondere  auch  die  einzelnen  Märchen  ein- 
gehend besprochen  hat,  so  will  ich  hier  nur  einige  Ergänzungen 
zu  seinen  Bemerkungen  mitteilen. 

Nr.  2.  The  riddle.  Zwei  Rätselmärchen  von  zum. 
Tod  Verurteilten,  die  sich  durch  Aufgeben  von  Rätseln  frei- 
machen. Dieselbe  Einkleidung  von  Rätseln  findet  man  in 
Simrocks  Rätselbuch  Nr.  4()H  -()(').  Das  erste  englische  ist 
sehr  ähnlich  dem  deutschen  vom  Hund  Ho  bei  Müllenhoff 
S.  504  (daraus  bei  Simrock  Nr.  460),  wozu  nun  eine  Variante 
bei  Strackerjan  H,  S9  gekommen  ist,  vom  Hund  Lilla  bei 
Prölile  M.  für  die  Jugend  Nr.  48  und  vom  Hund  Jisop  bei 
Peter  1,  12G,  zugleich  aber  auch,  freilich  mit  andrer  Lösung, 
der  Nr.  4(56  bei  Simrock.  [Weiter  unten :  Das  Rätselmärchen 
von  dem  ermordeten  Geliebten;  auch  Wossidlo,  Mecklenburg. 
Volksüberlieferungen  1,  191  Nr.  962.]  Zu  dem  zweiten  eng- 
lischen Rätsel  vgl.  Simrock  Nr.  460  und  die  von  mir  im 
Weimarischen  »lahrbuch  5,  34:^  zusammengestellten. 

Nr.  4.  Sir  Francis  Drake  and  the  devils.  Andre 
Sagen  von  Sir  Fr.  Drake  s.  bei  Rob.  Hunt,  Populär  romances 
of  the  west  of  England,  London,   1865,  I,  260. 


8.    Litteratiir  der   Vdlksiiiärchoii :  Barin<;-(Toiil(l.  47 

Nr.  7.  The  ass,  tlie  table  and  the  stick.  Das  Ix'- 
kaunte  Märchen  von  Goldesel,  Tischchendeckedich  und  Knüppd- 
ausdemsack  (hei  Grimm  Nr.  3()).  Der  Herausgeber  giebt 
S.  ol4  davon  eine  mythologische  Erklärung  zum  Besten,  die 
wir  dem  Leser  dieser  Blätter  nicht  vorenthalten  wollen:  der 
Guidesei  ist  die  befruchtende  Regenwolke,  das  Tischchen  die 
fruchtbare  Erde  und  der  Knüppel  der  Donnerkeil,  irrig  sagt 
Liebrecht  a.  a.  O.  S.  1)1,  das  altaische  Märchen  „der  Kauf- 
mann'-' bei  Radloft"  1,  8  ge-höre  hierher.  Es  hat  ihn  dazu  i364 
ein  Druckfehler  in  Schiefners  Einleitung  S.  XI II  verleitet,  wo 
zu  dem  erwähnten  altaischen  M.  auf(irimm  Nr.  •)(!  verwiesen 
wird;  es  muss  aber  Nr.  (53  heisseu. 

Nr.  S.  The  parrot.  Derselbe  Schwank  findet  sich  mit 
geringen  Abweichungen  bei  Strackerjan  "2,  105  und  bei  Pröhle. 
Märchen  für  die  Jugend  Nr.  53.  [Chevalier  de  la  Tour 
Landry  eh.    Ki.J 

Nr.  11.  The  prophecy,  hat  auch  Aehnlichkeil:  mit  der 
russischen  Sage  von  Oleg  (Puschkins  poetische  Werke,  über- 
setzt von  Bodenstedt  1,  31).  [Grimm,  Mythol.  !)01.  3.  284. 
Simrock.  Mythol.  197.  Haupt,  Sageid)uch  der  Lausitz  1,  Nr.  14S. 
Haltrich,  Zur  Tiersage  S.  73.  Rückert,  Schauferi,  in  Wendts 
Musenalmanach  1830,  S.  45:  Boxberger,  Rückert-Studien  S.  22().] 

Nr.  14.  The  golden  arm,  entspricht  den  deutschen 
Märchen  vom  goldnen  Bein  bei  Müllenhofl"  Nr.  2(1.  Colshorn 
Nr.  6  und  Strackerjan  1.  155.  Vgl.  auch  Halliwell  a.  a.  (>. 
S.  25.  Hunt  a.  a.  0.  2,  2(;s  und  Grimm  KllM  3.  2(i7. 
Nr.   1.     [Unten  zu  Blade   iSSi;  2.  324. | 

Schliesslich  sei  noch  erwähnt,  dass  nicht  im  Anhang, 
sondern  im  Hauptwerk  selbst  S.  221  eine  hübsche  Variante 
des  M.  von  den  drei  Spinnerinnen  (Grimm  Nr.  14)  mit- 
geteilt ist.  In  einer  Anmerkung  dazu  giebt  Herr  Bariug- 
Gould  einige  bis  auf  einen  aus  den  (irimmschen  Anmerkungen 
entlehnte  Nachweise  die  durch  ein  paar  Druckfehler  entstellt 
sind  und  wobei  er  aus  dem  Grimmschen  Citat  „Pescheck  in 
ßüschings  wöchentl.  Nachrichten  1,  355"  das  unsinnige 
„Pescheck  Nachrichten  1,  355''  macht.  Als  Ergänzung  zu 
diesen  Nachweisen  sei  noch   bemerkt,   dass  sich  das  Märchen 


4.,S  Zur  MärcliLMifursi'hunm'. 

auch  in  Schottland  (Chambers  ropuhir  rhyme.s  of  Sc(»thin(l, 
:3.  ed.,  Ediub.  1S47,  S.  -i-if)),  in  Dünemark  (Grundtvig  2, 
165),  in  Spanien  (Caballero  Caentos  y  poesias  [)opnlare8 
andaluces,  Leipzig  ISGl,  S.  (lö),  in  Frankreich  (du  Meril 
Etudes  S.  478).  in  Wälschtirol  (Schneller  Nr.  ."),"))  und  in 
Böhmen  (Waldau  S.  2 7<s)  findet.  jKnoopNr.  2.  Sebillot,  Litt, 
orale  p.  73  (entstellt).  De  (iubernatis  no.  2.  De  Nino  \:^. 
Busk  p.  875.  Tusean  fairy  tales  no.  5.  Yisentini  no.  22. 
Sehluss.  Consiglieri-Pedroso  no.  li>.  Braga  no.  7.  B.  Schmidt 
no.  1.  Krauss  1.  no.  5S.  Schleicher.  Litau.  M.  S.  12.  Kennedy 
p.  ()8.|  1 
136.5  2.   Wenden  wir  uns  nun  zu  den  Märchen  auf?  Armagnac. 

Schon  vor  einer  Reihe  von  -Iah reu  hat  Cenac  Moucaut  eine 
Sammlung  gascognischer  Volksmärchen  herausgegeben,  über 
die  man  meinen  Aufsatz  im  -lahrb.  für  roman.  und  engl. 
TJteratur  5,  1  vergleiche.  Ich  sagte  dort  (S.  (i)  über  die 
Art.  wie  Cenac  Moucaut  die  Märchen  erzählt:  ,.Kr  erzählt 
ansprechend  und  bringt  zuweilen  geschickt  echt  volksmässige 
Wendungen  an,  doch  hätte  er  noch  einfacher  und  kürzer  er- 
zählen können  und  manchen  Aufputz,  der  den  gebildeten  Er- 
zähler verrät,  weglassen  müssen."  Herrn  Blade.  der  sich 
durch  seine  kritische  „Dissertation  sur  les  chauts  historifpies 
des  Basfjues"  (Paris  ISIUI)  bereits  als  einen  gewisseiduifteii. 
tüchtigen  Forscher  l)ewährt  hat.  sind  solche  Vorwürfe  (hiich- 
aus  nicht  zu  machen.  Er  hat  die  Aufgabe  eines  .Märcheu- 
sammlers  sehr  richtig  begrilfen  uiul  sich  deshalb,  wi(^  er 
S.  VII  ausdrücklich  erklärt,  gegenüber  seinen  Erzählern  oder 
Erzähleriinieu  ihre   Namen  und   Wohiou-te  sind    vor  jedem 

Stü<'k  angegeben  —  mit  der  Holle  eines  einfachen  Steno- 
graphen begnügt.  Deshalb  hat  er  auch  die  Märchen  nicht 
in  der  französischen  Schriftsprache  wiedergegeben,  sondern 
in  der  Mundart  (patois  dAuch)  gelassen.  Vier  Märchen  der 
Sammlung  finden  sich  schon  bei  Cenac  Moncaut,  und  die 
Vergleichung  derselben  ist  sehr  lehrreich;  sie  bestätigt,  dass 
Cemu;  Moncaut  allerdings  auch  aus  dem  Volksmund  geschöpft, 
aber  durcdi  sein  Streben  zu  versclninern  und  durch  sein 
Haschen  mich  esprit  die  ursprüngliche  Naivetät  und  Wahrheit 


8.     Litteratiir   der    Volksniärclien :    Blndt'.  4<) 

der  Miuclieii  in  der  Tliat,  wie  Herr  Blade  ihm  vorwirft,  ver- 
dorben hat.  Herr  Bl.  gieht  uaeh  den  „contes"'  noch  „reeits" 
und  „superstitious''.  Die  !  „eontes"  sind  mehr  oder  weniger  \-mu> 
wunderbare  Erzählungen,  deren  Unwahrheit  wieder  dem  Er- 
zähler noch  dem  Hörer  zweifelhaft  ist.  S(d('he  Erzählungen 
werden  meist  mit  den  Worten  begonnen:  „Jou  sabi  un  counte-', 
und  geschlossen:  „E  tric  tric  Moun  connte  es  finit,  E  tric 
trac  Moun  counte  es  acabat''.  Die  „recits"  haben  nichts 
Wunderbares,  es  sind  wahre  oder  wahrscheinliche  Anekdoten, 
und  sie  werden  nie  mit  jenen  Eormeln  begonnen  oder  ge- 
schlossen. Von  den  „superstitions"  endlich  ist  das  Wuiuler- 
bare  unzertreinilich,  aber  sie  unterscheiden  sich  dadurch  v(»n 
den  „contes-'.  dass  sie  von  Erzählern  und  Hörern  meist  als 
wahr  angenommen,  geglaubt  werden.  Die  „contes"  ent- 
sprechen also  uuseru  „Märchen"  im  engern  Sinn,  die  „recits" 
teilweis  unsern  „Schwiinken",  die  „superstitions"  unsern 
„Sagen",  soweit  wir  liierunter  auch  Erzählungen,  denen  Aber- 
glauben zu  (irunde  liegt,  verstehen.  Auf  Vergleichuug  der 
von  ihm  gesammelten  Stücke  mit  denen  anderer  französischer 
und  fremder  Märcliensammlungen  hat  sich  Herr  Blade  so  gut 
wie  gar  nicht  eingelassen.  Die  einzelnen  ..cdutes"  sind  nun 
die  folgeuden: 

1.  La  flaauto  (In  Hüte)  [-  Blade  Contes  de  la  (iascogne 
18S(;  •_>.  1(H)].  Vgl.  (irimm  Nr.  28,  Curtze  Xr.  11.  Haltrich 
S.  'i'i.').  Müllenhoff  Nr.  4!).  Milä  y  Eontanais  Observaciones 
sobre  la  poesia  populär  S.  IT.s  (=:  F.  Wolf  Proben  portug. 
und  catalan.  Volksromanzen  S.  3!>),  E.  Caballero  Lägrimas, 
Madrid  LSoS.  S.  41  (Cueuto  de  la  Hör  del  lilila).  Haupts  Z. 
3,  85  (=  Colshorn  Nr.  71),  Toppen  S.  IHS),  Schneller  Nr.  51 
[Cosquin  no.  2(5.  Heidelb.  Jahrb.  1S()S,  HO!).  Köhler,  Auf- 
sätze 1S94  S.  1)0.  Ploix,  Revue  des  trad.  pop.  .s,  12!)|. 
P  s  Märchen  aus  Armagnac  hat  insbesondere  das  Eigentüm- 
liche, dass  nicht  ein  Hirt,  sondern  der  siebenjährige  Sohn 
des  Mörders  den  Knochen  Kndet  und  sich  daraus  eine  Flöte 
macht.  Herr  Bl.  sagt,  das  Märchen  sei  in  ganz  |  Frankrei<;h  iisei 
verbreitet. 

2.  Eon  loup  mal  au  |=  Blade  ISSH  ;},  14it|.  ein  Märchen, 

R.  Köh  1  er,  Kl.  Schriften.     I.  4 


50  Zur  Märclienforsclmng. 

ZU  (lern  icli  aus  ueueriiVolksinärchensammlungeii  keine  Parallele 
weiss,  (iastou  Paris  verweist  in  seiner  Anzeige  des  Blade- 
schen  Buches  in  der  Revue  critique  LSiiT,  >ir.  17  auf  einige 
mittelalterliche  Fal)eln,  wd  Aehnliches,  wenn  au(^h  nicht  das- 
selbe vom  Wolf  erzählt  wird. 

Nr.  H.  Lou  dines  [=  Blade  1<S8(;  3,  2G0j,  ein  Kindei'- 
märchen,  zu  dem   ich  kein  Seitenstück  nachweisen  kann. 

Nr.  4.  Lo  loui)  penjat  (le  loup  pendu)  [=  Blade  1S<S(; 
H,  152J,  bei  Cenac  Mon(^aut  S.  •2]'4:  le  lion  pendu.  Vgl. 
dazu  meine  Anmerkungen  im  -lahrbuch  .'>,  17  und  Kurz  zu 
B.  Waldis  IV,  i)U,  denen  man  noch  hinzufüge  Grundtvig  "J, 
124,  Helvicus  Jüdische  Historien,  (liessen,  1617,  II,  11')  (aus 
dem  Maasebuch  Cap.  144),  Bleek  Reynard  the  fox  in  South- 
Africa  S.  11  und  13.  Vgl.  auch  die  Sage  von  Theophrast 
und  dem  Oeist  bei  Peter  '2.  2^  |(ionzenbach  no.  (il);  Zeit- 
schrift d.   V.  f.   Volksk.  (i,   UJGj. 

Nr.  :>.  LKstienne  Ihabile  [Blade  ISSG  :3,  36|,  bei 
Cenac  Moncaut  S.  1S4:  le  coffret  de  la  princesse.  Vgl.  dazu 
meine  Anmerkungen  im  Jahrbuch  ä,  13.  Grimm  KHM  3, 
2(i7.  Nr.  2.  Schneller  \r.  Hl. 

Nr.  (').  doan  lou  pigre  |=  Blade  .iSSd  H,  5],  bei  Cenac 
Mducaut  S.  *.)():  Jeau-le-faineant.  Vgl.  dazu  Jahrb.  5,  5. 
Der  Schluss  iWf^  Märchens  ist  bei  Cenac  Moncaut  besser  und 
mit  den  Parallelen  übereinstimmender  als  bei  Blade. 

Nr.  7.  Lou  bouatge  dou  Joanot  (le  voyage  de  J.) 
1=  Blade  issi;  ;!.  1H7|,  bei  Ceiiac  Moncaut  S.  101:  Ambroise 
le  sot.  Vgl.  dazu  Jahrbuch  5,  9,  wo  noch  Colshorn  Nr.  li*, 
Grundtvig    1.    IIH  und    v.   Hahn   Nr.   111    nachzutragen    sind. 

Nr.  S.  LiMi  Joaii  Ic  pec  (Timbecile)  [=  Blade  ISSii 
;i,  12H],  eine  Aueina iiderieihung  verschiedener  Narrheiten. 
Joau  setzt  sich  auf  Kier  und  will  sie  ausbrüten;  dieselbe 
Narrheit  kömmt  in  Xailuus  (ieschichte  in  1001  Tag  5,  lli), 
in  Pentameroiie  1,  4,  im  italienischen  Volksbuch  von  Fiertol- 
i:!6s  dino,  |  in  Freys  (iartengesellschaft  |no.  1  ed.  Bolte]  (bei  (irimm 
KHM.  H,  ()1)  nnd  bei  Zingerle  1,  255  vor.  Joau  wirft 
Lämmeraugeu  anf  die  Mädclieu :  vgl.  dazu  meine  Nachweise 
im    Jahrb.    5,    1!).      Die   beiden    Ziige    finden    sich    auch    bei 


S.    J^itteratiir   der    N'iilksitiiirclieii :    üUnlt".  ,")  ] 

Moiliiii»  Nr.  4!).  In'hel  facctin'  I.  -21,  Wcgekörter  A  S.  Kiivliliof 
Wc^iiduuiiuit  1.  sl,  Pauli  \:üi),  12(;,  H.  Sarlis  I.  ;i,  4H0;  -2. 
4.  ')lh:  8,  H.  :]\.  Abraliain  a.  S.  Clara  Bescheid-Essen  S.  (;s, 
Tales  ot"  tlie  inad  lueii  (»f  <  lutliaiii  lö.  Wenn  -loaii  die  Ocliscii 
für  das.  was  recht  ist.  viM'kautVn  soll,  so  h")idet  sich  dies  auch 
Ih'i  Ceuac  M(»ncaiit  S.  1  TM.  In  Hezuy  auf  -loans  Verkauf  der 
Leinwand  an  eine  Hildsäidc  \;;l.  dahrh.  5.  20,  (iiuiultvig  2. 
2<'().  Schneller  Xr.  .J7.  iMnllich  der  Schluss  des  Mär(diens: 
Joan  haut  einen  Ast,  auf  dem  er  sitzt,  ab  und  läuft  dann 
<lein,  der  ihm  vorausgesagt  hat,  dass  er  herabfallen  werde, 
nach  und  lässt  sieh  V(ni  ihm  die  Zeit  seines  Todes  („nu 
troisieme  pet  de  tonäne")  vorhersagen,  welche  Prophezeiung 
sich  auch  erfüllt.  Dazu  bemerkt  (Jaston  Paris  a.  a.  0.  S.  2H4, 
er  habe  dies  in  keiner  Sammlung  gefunden,  aber  es  sei  in 
Nordfrankreieh  populär  und  auf  Bilderbogen  von  Epinal  und 
Nancy,  „qui  sont  une  source  jusquici  negligee  ])our  l'etude 
(li's  contes  ]Mi|)ulaires-'  dargestellt.  Er  hat  übersehen,  dass 
(hisselbe  mit  geringen  Abweichungen,  wie  ich  im  ()ri(Mit  und 
(tccident  1,  4;U  [zu  Nasr-eddin  no.  4!>|  nachgewiesen  habe, 
in  Indien,  in dei"  Tüi'kci.  in  Litauen  und.  wie  ich  jetzt  noch 
hinzufüge,  in   Siebcnbüi-gen   (Ilaltricli   S.   81 H)  erzählt   wird. 

Dies  sind  die  „contes-'  der  Sammlung.  Es  folgen  10 
kurze  „recits-'.  Darunter  siml  zwei  alte,  viel  verbreitete 
Schwanke,  nämlich  Nr.  S.  ,,Le  diable  au  cimenteri^' 
1=  Blade  T.S<so  8,  88i)|.  wozu  man  Oesterleys  Nachweise  zu 
Nr.  IS  der  C  merry  !  tales  und  (irundtvig  1,  116  [Bolte  zu  Maero-  i.seö 
pcdius,  Rebelles  1897  S.  VlllJ,  und  Nr.  10  „La  bisito  dou 
b(turdile"  (la  visite  du  metaier),  wozu  man  Petrus  Alfonsi 
l)isci[)limi  elericalis  cap.  XXX  mit  S(dimidts  Anmerkung  ver- 
glei(die  [Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  7,  99-1  Vitry  Nr.  205].  —  Die 
übrigen  r>chwänke  weiss  ich  sonst  nicht  nachzuweisen. 

Die  dritte  Abteilung  „su  perstitions "  enthält  in  Nr.  1 
bis  10  Sagen  und  Aberglauben,  Nr.  11  und  12  aber  hätten 
besser  zu  den  „contes"  gerechnet  werden  sollen.  Nr.  11. 
..La  dameyseleto"  (la  jjetite  demoiselle)  [Blade  1SS()  2, 
12()j,  ist,  wie  Gaston  Paris  a.  a.  0.  S.  2(i5  mit  Recht  sagt, 
„une  Variante   fort   curieuse,   remarquable    [)ar    sa   naivete  et 

4* 


^2  '^iir  Märchenforsoluing. 

sa  piete,  mais  extremeinent  alteree,  de  riiistoire  si  i-epaiulae 
de  la  Manekine".     [Zs.  d.   V.  f.  Volksk.  G,  69  Nr.  -24.] 

Nr.  12.  „Loiis  tres  mayuatges-'  (les  trois  garvous) 
1=  Blade  1H86  2,  16()],  hat  eine  gewisse  Aeliiiliehkeit  mit 
dem  serbischen  Märchen  bei  Wuk  Nr.  17.  Wie  nämlich  im 
serbischen  zwei  Brüder  das  Gebot  ihres  Schwagers  nicht  be- 
achten und  bei  einer  gewissen  Brücke  umkehren,  der  dritte 
aber  über  die  Brücke  bis  zu  einer  wundervollen  Wiese  (Para- 
dies) reitet  und  unterwegs  allerhand  ihm  auffallendes  sieht, 
was  ihm  dann  sein  Schwager  erklärt  (es  sind  Strafen  und 
Belohnungen  iu  jener  Welt),  so  kehren  im  gascognischeu 
Märchen  zwei  Brüder,  welche  der  „  bon  Dien "  beauftragt 
hat,  seiner  Mutter  einen  Brief  zu  überbringen,  als  sie  ans 
Meer  kommen,  um,  der  dritte  aber  durchschreitet  es  und 
sieht  dann  auf  dem  Wege  zum  Schloss  der  heiligen  Jungfrau 
raehreres  Auffallende,  was  ihm  diese  erklärt.  Im  serbischen 
Märchen  sieht  der  jüngste  Hruder  unter  anden'm  zwei  Eber, 
die  miteinander  raufen:  das  sind  seine  Brüder.  Im  gascog- 
nischeu sind  zwei  Steine,  die  sich  schlagen,  die  beiden  lirüder. 
Was  sonst  der  jüngste  Bruder  sieht,  ist  in  beiden  Märchen 
1370  verschieden.  In  einem  Punkte  stimmt  hier  |  das  gascognisclie 
Märchen  mit  Märchen  ganz  entfernter  Völker,  worin  eben- 
falls Fahrten  ins  Jenseits  erzählt  werden,  merkwürdig  überein. 
Das  magere  und  das  fette  Vieh  nämlich,  welches  der  jüngste 
Bruder  unterwegs  sieht  und  dessen  Bedeutung  ihm  dann  er- 
klärt wird,  finden  wir  auch  in  dem  dänischen  Märchen  von 
dem  Weg  zum  Himmelreich  (Grundtvig  1,  7),  in  dem  litauischen 
vom  Fischer,  der  in  den  Himmel  ging  (Schleicher  S.  72), 
und  iu  der  tatarischen  Sage  von  Komdei  Mirgän  und  seiner 
Schwester  Kubaiko,  die  in  die  Unterwelt  geht  (Castren 
ethnolog.  Vorlesungen  S.  244  und  251,  Schiefner,  Helden- 
sagen der  Minussinschen  Tataren  S.  407  und  419).  Ich 
werde  ein  andermal  Gelegenheit  finden,  auf  die  merkwürdige 
Uebereinstimmung  genauer  einzugehen  [(iouzenbach  Nr.  SS. 
Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  (;,  173]. 

Ich    l)emerke    nur    noch,    dass    nach    der   lum    folgenden 
Sammlung    „Proverbes"    (S.  ÜH — So)    ein    wenig    mehr   als 


8.    Litteratur  der   Ydlksmärchoii :  Tüp])eii.  53 

vier  Spalten  einnehmendes  „Glossaire  des  termes  les  plus 
difticiles  eraployes  dans  ce  recueil "  den  Schluss  maelit, 
welches  viele  schwierige  AVorte  leider  unerklärt  lässt,  während 
es  unnötigerweise  manche  leichte,  vom  französischen  wenig 
abweichende  erklärt.  Ich  habe,  um  die  Texte  zu  verstehen, 
mit  Nutzen  Cenac  Moncauts  Dictidunaire  gascon-francais,  dialecte 
(hl  departemeiit  du  Gers,  Paris  l-SHS,  gebraucht;  doch  hat  mich 
auch  dies  mehrfach  im  Stich  gelassen.  —  Am  Schluss  des 
Vorworts  stellt  Herr  Blade  eine  Fortsetzung  dieser  Märchen- 
uud  Sprichwörtersammlung  in  Aussicht,  und  ich  höre  soeben 
aus  Paris,  dass  dieselbe  bald  erscheinen  wird.  Alle  Freunde 
der  Volkspoesie  werden  dieser  Fortsetzung  sowie  den  eben- 
falls im  Vorwort  nngekündigten  „Poesies  populaires  recueillies 
en  Ar-magnac"  gleich  mir  mit  Verlangen  entgegen  sehen.  1371 
Möchte  Herr  Bl.  dem  von  G.  Paris  a.  a.  0.  S.  "iG'i  mit  vollem 
Recht  ausgesprochenen  AVunsch  in  dieser  Fortsetzung  nach- 
gekommen sein,  nämlich  in  Fällen,  wo  ihm  ein  ^Märchen  von 
den  verschiedenen  Erzählern  mit  Varianten  in  den  Thatsachen 
erzählt  worden  ist.  auch  diese  Varianten  kurz  anzugeben 

;i  Auch  der  masurischen  Märchen  sind  leider  nur  wenige. 
Herr  Toppen  hat  sie  nicht  selbst  aus  dem  Volksmund  auf- 
gezeichnet, sondern  er  hat  sich,  wie  er  S.  o  sagt,  darauf  be- 
schränken müssen,  solche  Märchen,  welche  andere  für  ihn  zu 
erlauschen  und  ihm  dann  deutsch  mitzuteilen  die  Güte  hatten, 
zu  veröffentlichen.  Mehrere  der  ihm  so  mitgeteilten  hat  er 
als  „offenbare  Nachbildungen  bekannter  deutscher,  besonders 
(irimmscher  Märchen,  zum  Teil  verflacht,  zum  Teil  nur 
summariscli  reproduziert-',  leider  zurückgelegt.  Wir  bedauern 
dies:  denn  wenn  auch  jene  Märchen  wirklich  nur  verflacht 
und  sunmarisch  reproduzierte  „Nachl)ildungen"  deutscher 
<  »riginale  wären,  so  wäre  ihre  Mitteilung  immerhin  für  die 
vergleichende  Märchenforschung  lehrreich  gewesen.  Jeden- 
falls hätte  Herr  T.  wenigstens  angeben  sollen,  von  welchen 
deutschen  Märchen  ihm  derartige  masurische  „Nachbildungen-' 
bekannt  geworden  sind.  Auf  Vergleichung  verwandter  Märchen 
mit  den  von  ilim  mitgeteilten  hat  sich  Herr  T.  nur  inso- 
weit eingelassen,  als  er  bei  mehreren  in  kui'zen  Anmerkungen 


54  '^'^"'  iliu'tlient'urschung. 

auf  (Ti-iminsehe   hinweist.     Die  iiiitgeteilteii   Märclieu  sind  die 
folgenden : 

Titelituri  (S.  18<S),  eine  interessante  Variante  zu  (irinun 
Nr.  55  und  den  zahlreichen  Seitenstücken.  von  denen  ieh 
1372  hier  nur  auf  das  slova-jkische  von  „Kinkach  Martinko"  hei 
rhodzkü  Contes  slaves  S.  841    hinweisen  will. 

Der  goldene  Apfel  (S.  loi)).  Vgl.  dazu  die  ohen  zu 
Blade  Nr.  1  zusammengestellten  Märchen.  Wie  im  siehen- 
bürgischen  Märchen  und  in  den  spanischen  (Mihi,  (laballero) 
wächst  auch  im  masurischen  ein  Schilfrohr  —  bei  Müllenhnlf 
Nr.  4J),  Anni.  ist  es  ein  Hitllumlerbaum  [bei  Woycicki  S.  105 
eine  Weide]  —  auf  der  Stelle,  wo  der  Ermordete  begraben 
ist,  und  hieraus  —  nicht  ans  einem  Knochen  des  Ermordeten, 
wie  in  den  übrigen  Märchen  —  wird  die  wunderbare  Finte 
gemacht.  Eigentümlich  dem  masurischen  Märchen  ist  es, 
dass  der  Hirt  die  Flöte  verbrennt  und  auf  der  Stelle  ein 
Apfelbaum  wächst  mit  einem  goldenen  Apfel,  der  denselben 
Vers  wie  die  Flöte  singt  und  aus  dem  endlich  der  gemordete 
jüngste  Bruder  wieder,  ersteht.  So  erwächst  in  einem  pol- 
nischen M.  bei  Chodzko  S.  8(19  aus  dem  Blut  des  ermordeten 
Helden  ein  A})fe]banm,  und  einer  der  Aepfel  verwandelt  sich 
nachher  wieder  in  den  Helden.  Der  Eingang  des  masurischen 
Märchens  ist  dem  Anfang  von  (irinim   Nr.   57  ähnlich. 

Die  drei  goldenen  Tauben  (S.  140).  Vgl.  Molbech 
ndvalgte  eventyr  Nr.  4*.)  „de  nedtraadte  ager"  [Cavallius  Nr.  s, 
Schreck  Nr.  5|,  (Irimm  Nr.  lOo,  Veriuileken  Nr.  50,  Haltrich 
Nr.  5,  Waldau  S.  555,  Schott  Nr.  U).  v.  Hahn  Nr.  15.  Grimm 
Nr.  1)"2,  worauf  '[\  verweist,  gehört  nur  insofern  her,  als  auch 
in  ihm  der  Streit  der  Erben  um  die  Wunschdinge  vorkommt. 
\'gl.   unten  zu  Schneller  Nr.   18. 

Die  Kose  (S.  14-2).  Herr  T.  verweist  auf  ririmm  Nr.  SS, 
wozu  es  bekanntlich  viele  Seitenstücke  giebt.  in  vielen 
dieser  Märchen  l)ittet  die  Tochter  den  verreisenden  \'ater  ihr 
eine  Rose  mitzubringen,  nnd  zwar  wie  im  masurischen  ohne 
eine  Hesonderheit  bei  (Irimm  8.  152  und  Zingerle  2.  891, 
1378  dagegen    I    anderwärts    eine    singende    (Zingerle    1.    Nr.  80), 


8.    Littoratiir  der  YoIkhiiiäiTluMi :  'rüppen.  55 

eine    goldene    (Jiy    S.  1)1),    eine    dornenlose  (Wodana  S.  (Il), 
drei  anf  einem  Stiel  (Meier  Nr.  57). 

Schwester  nnd  Braut  (S.  14')),  ein  Märchen,  das  ich 
sonst  nicht  nachzuweisen  vermag:  nur  die  darin  erzählten 
Verwandlungen  im  Haus  der  Hexe  und  auf  der  Flucht  kommen 
vielfach   in  andern  Märchen  vor. 

Das  wunderbare  Pfeifchen  (S.  1-1:7).  Vgl.  <irimm 
Nr.  110  mit  den  Anmerkungen,  -lahrh.  für  ronian.  nnd  engl. 
Litteratnr  5,  9;  7,  2(><S ;  Schneller  Nr.  Kl.  Insbesondere 
stimmt  das  masurische  Märchen  mit  dem  venezianischen 
(Jahrb.  7,  '2(53)  insofern  überein.  als  in  beiden  der  Besitzer 
der  Wunderpfeife  oder  Wundergeige  vorlier  beim  Teufel  in 
der  Hölle  gedient  hat  [Zur  ersten  Hälfte  vgl.  Brugnuin 
Nr.  40]. 

Der  Kitt  in  das  vierte  Stockwerk  (S.  14S ).  Vgl. 
besonders  das  finnische  Märchen  „Das  Mädchen  im  vierten 
Stock  der  Hofburg-'  in  Ermans  Archiv  für  die  wissenschaft- 
liche Kunde  Russlands  18,  4SH  und  Zingerle  '2.  395 
[Ralston  p.  •2'){):  Krentzwald  Nr.  lo.  Schiefner.  Aw-ar.  T.  Nr.  4]; 
zum  Teil  sind  ähnlich  Clrimm  Nr.  IHli.  welches  T.  vergleicht, 
und  noch  viele  andere. 

Die  Prophezeiung  der  Eerche  (S.  150).  Vgl.  das 
teleutische  Märchen  bei  Radlolf  1,  20(S  und  das  mordwinische 
bei  Ahkiuist  Versuch  einer  mokscha-mordw.  Gramm.  S.  97. 
Näher  noch  müssen  nach  Schiefner  bei  Radioff  S.  XII  rus- 
sische Märchen  dem  masurischen  stehen.  Diesen  Märchen 
liegt  eine  Erzählung  der  sieben  weisen  Meister  zu  (irunde, 
vgl.  D'Anconas  Ausgabe  des  Libro  dei  sette  Savj  S.   121. 

Der  Vogel  Cäsarius  (S.  155).  Vgl.  Gi-imm  Nr.  97, 
Meier  Nr.  5.  Vernaleken  Nr.  53,  Wolf  Hausm.  S.  54,  Pröhle 
Kinder-  und  Volksmärchen  Nr.  29,  Schleicher  S.  20,  Etlar 
Eventyr  og  Folkesagn  fra  Jylland  S.  1,  Hylten-Cavallius  und 
Stephens  S.  191  und  das  ungarische  Märchen  aus  Mere-  nyis  i374 
Sammlung  bei  E.  Teza  1  tre  capelli  dOro  del  nonno  Satutto. 
Bologna  DSGU.  S.  21  [Awarische  Texte  Nr.  10].  Alle  diese 
Märchen  stimmen,  bei  manchen  Abweichungen  in  Einzelheiten, 
in  der  Grundlage  überein   uml  auch  in  dem  besonderen  Zug, 


5()  Zur  Märchenforschung. 

dass  die  Prinzessin  die  zu  ihr  führende  Strasse  oder  Brücke 
mit  Gold  oder  Scharlach  belegen  lässt  und  der  Vater  ihres 
Kindes  daran  erkannt  wird,  dass  er  unbedenklich  über  die 
kostbaren  Decken  reitet  [Simrock  S.  222,  Knoop  Nr.  15, 
Veckenstedt  S.  79.  cS4.  224,  Brugman  S.  5;'54,  Soge-Bundel 
p.  47,  Berntsen  1,  Nr.  1.  Deulin,  C.  du  roi  Cambr.  p.  172.] 
Ob  dieser  Zug  schon  in  der  denselben  (irundstoft'  behandelnden 
nordischen  Saga  af  Artus  fagra  und  in  dem  jüngeren  dänischen 
Volksbuch  vom  Küuig  Eduard  von  Engelland  und  seinem 
Sohn  Arthur  (Nyerup  Almindelig  morskabsläsning  S.-  227) 
vorkommt,  weiss  ich  nicht.  Das  nie  alle  werdende  Brot  des 
masurischen  Märchens  findet  sich  auch  [bei  Grimm  Nr.  97, 
Knoop  Nr.  13,  Veckenstedt  p.  223]  im  litauis(;lien  und  bei 
Campbell  Nr.  9. 

Die  Frosch  Prinzessin  (S.  15<S).  Vgl.  Zingerle  2,  17 
und  34S,  Peter  2,  177,  Grimm  Nr.  (53,  Ey  S.  100,  AVoycicki 
S.  101,  das  russische  Märchen  im  neunten  Band  des  Sammel- 
werks „Die  Wissenschaften  im  19.  Jahrhundert"  S.  107,  das 
ünnische  bei  Beauvois  Contes  populaires  S.  1<S0,  das  altaische 
bei  Kadloft"  1,  8,  v.  Hahn  Nr.  67,  Hylten-Cavallius  S.  300, 
Asbjörnsen  Nr.  25,  AVuk  Nr.  11. 

Zu  den  letzten  Märchen:  Herr  und  Diener  (S.  1(52), 
Rätselmärchen  (S.  164),  belohnte  Mildthätigkeit  (S.  1(;5),  der 
gute  Hirte  (S.  166)  kann  ich  keine  Parallelen  nachweisen. 
Es  sei  noch  erwähnt,  dass  Herr  T.  S.  153  in  einer  Anmerkung 
anführt,  dass  Grimm  Nr.  29  mit  geringen  Abweichungen  auch 
in  Masurien  erzählt  wird. 

4.  Reicher  als  die  bisher  besprochenen  drei  Sammlungen 
ist  die  Märchensammluug,  welche  Herr  A.  Peter  in  seinem  alle 
137.^  Arten  der  Volks- Überlieferung  Oesterreiehisch- Schlesiens 
umfassenden,  höchst  verdienstvollen  Werke  (2,  139 — 20<S)  mit- 
geteilt hat.  Es  sind  23  Stücke,  und  der  Herausgeber  hätte 
laut  Vorrede  S,  IV  diese  Anzahl  noch  vermehren  können, 
wenn  er  „mehrere  von  jenen  Märchen  hätte  wiedergeben 
wollen,  die  aus  anderen  deutschen  Landen  bereits  veröffentlicht 
sind  und  [dort]  durch  eigentümliche  bedeutsame  Züge  mehr 
das  (lepräge  der  Lrsprünglichkeit  an  sicli  tragen".     Ich  hätte 


K.     Litteratur  der   Volksmärchen  :   Feter.  57 

nur  gewüusclit.  dass  Herr  P.  angegeben  hätte,  was  für 
Märehen  das  sind.  In  der  Vorrede  zum  ersten  Bande,  S.  VI 
verspricht  Herr  P.  einen  dritten  Rand,  der  ,,für  litterarisch- 
historische,  sachliche  und  sprachliche  Erläuterungen  des  in 
den  beiden  ersten  Bänden  gebotenen  Materials  bestimmt"  ist. 
Hier  werden  wir  also  wohl  vergleichende  Nachweise  des 
auderweiten  Vorkommens  derselben  oder  verwandter  Märchen 
zu  ei'warteii  haben,  und  um  daher  dem  Verf.  in  dieser  Be- 
ziehung nicht  vorzugreifen,  will  ich  im  folgenden  bei  Auf- 
zählung der  einzelnen  Märchen  mich  nur  anf  ganz  kurze 
Verweisungen,  meist,  wo  Grimmsche  Märchen  entsprechen, 
mir  auf  diese  beschränken. 

Der  Seh  äf  erj  unge  und  die  Riesen  (S.  l'M)).  Vgl. 
Meier  Nh\  1  j-ii).  Schönwerth  '2,  775],  Ziugerle  •_>,  91.  96. 
■''>'2(\   Wenzig  Nr.   1. 

Die  dankbaren  Tiere  (S.  145).  eine  teilweise  ent- 
stellte Version  des  Märchens  von  den  dankbaren  Tieren,  mit 
deren  Hilfe  der  Held  die  in  verschiedenen  ineinander  ein- 
geschachtelten Ciegenständen  verborgene  Seele  oder  Lebens- 
kraft eines  Ungetüms  (Riese.  Drache)  verni(ditet.  Vgl.  meine 
Nachweise  im  Orient  und  Occident  2,  101  [zu  Campbell  Nr.  1] 
und  A.  AVesselofsky  Pe  tradizioni  popolari  nei  poemi  (PAntonio 
Pucci  p.  11  (Abdruck  aus  dem  Ateiieo  italiano  ISGii, 
]:>.  April). 

Der  Kon  ig  und  seine  |  drei  Sohne  (S.  151)  ist  nnr  1376 
abgekürzt,  aber  sonst  wenig  verändert  das  Märchen  von 
Achmed  und  Pari  Ranu  in  1001  Nacht  [Breslaner  Uebers. 
9.  125|  und  wohl  erst  in  neuerer  Zeit,  wie  nocli  andere  Er- 
zählungen jener  Sammlung,  darans  ins  A'olk  gedrungen.  Vgl. 
unten  zu  Schneller  Nr.   14. 

Die  Ungeheuern  Nasen  (S.  15S).  Vgl.  (Jrimni 
Nr.  12-i.  —  Das  Pfefferkuchenhaus  (S.  164).  Vgl. 
(Irimm  Nr.  15  in  Verbindung  mit  Nr.  56,  wie  in  der  Variante 
zu  Nr.  56  im  dritten  Bande.  —  Tones  nnd  Hans  (S.  1(57). 
Vgl.  Grimm  Nr.  24.  —  Die  drei  Raben  (S.  1()9).  Vgl. 
(irimm  Nr.  25.  —  Die  Leute  im  Bunzeltopfe  (S.  178). 
Vgl.  Grimm   Nr.   19.  —  Die    erlöste  Schlange    (S.   174). 


5(S  Zur  Märchenforscliung. 

lü  Beziisi  auf  das  Reinigen  des  Stalles  vgl.  meine  Bemerkung 
im  Or.  und  Occid.  2,  111.  —  Die  entzauberte  Kröte 
(S.   177).      Vgl.  oben  zu  Toppen  ,,Die  Frosehprinzessin". 

Der  treue  Hansel  (S.  ISO).  Vgl.  v.  Hahn  Nr.  (J, 
Gaal-Stier  Nr.  S,  Wolf  Hausra.  S.  '2(5!)  (das  treue  Füllcheu), 
bes.  von  S.  27(1  an,  und  zum  Teil  die  von  mir  im  Jahrb.  für 
roman.    und  engl.   Litt.  S.    2')()   zusammengestellten  Märchen. 

Hasenjaekel  (S.  iSö).  Zum  Teil  vgl.  die  von  mir  im 
dahrbuch  für  roman.  und  engl.  Litt.  <S,  25(S,  Anm.  2  zu- 
sammengestellten Märchen,  zum  Teil  das  vom  Hasenhirten 
(Wolf  Hausm.  S.  134.  Kuhn  westf.  Sagen  2,  226,  Birlinger  1, 
34(),  Vulpius  Ammenmärchen  1,  1)3,  Vernaleken  Nr.  40,  Etlar 
S.   124,  Wenzig  S.  59). 

Hans  und  der  Teufel  (S.  1!)()),  eines  der  zahlreichen 
Märchen  von  der  Üeberlistung  des  Teufels  oder  eines  Riesen 
durch  einen  Menschen.  IJesonders  vgl.  Haltrich  Nr.  27,  das 
Märchen  aus  der  Bukowina  in  Wolfs  Zeitschr.  1,  1S2  und 
das  mährisch-walachische  bei  Wenzig  S.  104  [Mitteil,  der 
litau.  litt.  (ies.  2,  (S3],  wo  in  ganz  ähnlicher  Weise  der  Teufel 
1377  mit  einem  Hasen  Wettlaufen  und  mit  einem  Bären  ringen  |  muss. 
Im  siebenbürg.  Märchen  kommt  auch  der  Nagelschmied  im 
Mond  vor. 

Der  Teufel  als  Dienstgeber  (S.  li)2).  Vgl.  Pröhle 
Km.  Nr.  1!>  uud  Kuhn  2,  25(1.  —  Der  Teufel  als  Müller- 
geselle (S.  11)3).  —  Warum  die  Krähen  Paach  schreien 
(S.  11)6).  —  Die  heiligen  drei  Könige  (S.  197).  Merk- 
würdige Variante  zu  „dem  Mädchen  ohne  Hände",  (irimm 
Nr.  31.  —  Der  klingende  Baum,  der  redende  Vogel  und 
das  goldene  Wasser  (S.  199).  Vgl.  zu  Schneller  Nr.  2(5.  — 
Das  Vöglein  auf  dem  Baume  (S.  203).  Vgl.  (Irimm 
Nr.  47.  —  Der  Wolf  mit  der  goldenen  Kette  (S.  204). 
Vgl.  das  Miircheii  aus  dem  Paderlxirnischen  bei  (Irimm  3, 
41.  —  Die  Haustiere  und  die  Räuber  (S.  205).  Vgl. 
(Iriiiim  Nr.  80  und  27.  —  Scherz-  und  Lügenmärchen 
(S.  207).  -  Das  Würstel  und  das  Mäiisel  (S.  2().S).  Vgl. 
(irimm   Ni".  '2'k 

Noch  ist  zu  erwähnen,  dass  den  Märchen  einige  ,, Legenden 


8.     Littoi'iitur  der    Vulksiuärclicn :   Scliiicllcr.  f)<J 

voll  Cliristus  und  SLl'etrus"  (S.  VV2 — IHll)  voraiisgelieii, 
näiiilicli:  die  (Jeti-eideiilii-eii  (vgl.  Scliöiiwertli  1,  4()<S)  |(ii-iiiiiii 
Nr.  1^)4 1,  die  Kiitstelumg  der  Schwämme,  die  Entstehung  der 
Fliegen  (vgl.  Riisswiirm,  Sagen  aus  Hapsal  Nr.  197,  A),  Aus- 
gleich (vgl.  Sch(iii\verth  H.  •21)4  und  Hans  Sachsens  Schwank 
von  Sankt  I*eter  mit  dem  faulen  Bauenikncclit  im  fünften  Teil 
des  ersten  liuches  seiner  Werke)  [Bolte  zu  Val.  Sclmmann  Xr.  4H 
nnd  Frey  S.  -I^')].  die  fatale  Verheissiing  (vgl.  SchönAvertli  ;-), 
295  nnd  Beiifey  Pantschat.  1,  497)  und  Wie  Judas  heim  letzten 
Ahendmahle  das  Herz  dei^  Lammes  ass  (vgl.  (Irimms  Anm. 
zu  Nr.  Sl,  ScIiöiiNveith  o.  HO'i,  Strackerjan  "2,  HOL  Wenzig 
S.  SS  und  die  v(ni  Fr.  Rückert  im  l  rtext  und  in  Lehersetzung 
in  der  Zeitschrift  der  deutschen  morgenländischen  (lesellschaft 
14,  2S()  heransgegehene  persische  Frziililuni;  des  Scheikh 
Ferideddin  Attar.)  |('.  Beyer,  Neue  ^litteil.  üher  F.  Rückert 
1.  o()4.      Unten  zu  De  (inhernatis  Nr.  81. | 

ö.  Weit  reicher  ikk-Ii  als  die  Beterschc  Sammlung  ist  die  1878 
Samnilung  von  Märchen  aus  \)'äl  seht  irol .  mit  welcher  uns 
Herr  Christ.  Schneller,  jetzt  in  Iniishruck.  vorher  12  -lahre 
lang  (iymnasiallehi'er  in  Roveredo.  hesclienkt  hat.  Sic  e-iit- 
liält  iiher  (iO  Märchen.  Wir  erfahren  aus  dem  \'or\voi-t.  dass 
auch  in  Wlilschtirol  Märchen  vorzugsweise  von  den  Frauen  — 
nnd  zwar  in  den  S|)innstuheii  —  erzählt  werden,  und  es  soll 
Weiher  gehen,  denen  man  die  MTiglichkeit  zuschreiht,  einen 
Monat  lang  Aheiid  für  Aliend  iminei'  neue  Märchen  erzählen 
zu  können.  \'oii  (dnem  l'a[)ageienmärclien  Inirte  der  Heraus- 
geher. dass  es  im  ^liinde  des  Erzählers  die  siehen  Ahende 
einer  Woche  ausfülle.  Schade,  dass  wir  üher  dieses  Märchen 
nichts  näheres  erfahn-n.  Es  ist  (diiie  Zweifel  eine  Art  Tiiti- 
nameli.  wie  auch  E.  Teza  ( Ea  tradizione  dei  sette  savj  nelle 
novelline  inagiare  p.  52)  ein  toscanisches  Märchen  mitgeteilt 
hat,  welches  ein  Pa})agei  der  Fran  seines  verreisten  Herrn 
erzählt,  um  sie  von  einem  gefährlichen  Ansgang  ahznhalten. 
Die  von  llerin  Schneller  mitgeteilten  Märchen  sind  gut  erzählt. 
p]s  ist.  versichert  er  im  Vorwort,  sein  Bestrehen  gewesen, 
der  iM-zälilung  eine  gedrungene.  je<le  ^Veitscllweil^gkeit  iwul 
uiinr)tiü,e  Ausschmückiiiiu,   vermeidende   Form  zu    gehen,    ohne 


(;()  Zur  Märohenforseliung. 

jedoch  irgend  einen  wesentlichen  Cliarakterzug  zu  ül)ei\springen. 
AVir  bedauern,  o])Wüld  wir  innere  und  äussere  Abhaltungs- 
gründe uns  denken  können,  dass  Hr.  Sehn,  die  Märchen  nicht 
wälsch  wiedergegeben,  sondern  ins  Deutsche  i\bersetzt  hat. 
Nur  die  üeberschriften  giebt  er  auch  wälsch  und  in  den  An- 
merkungen (S.  ISl — 196)  einzelne  Ausdrücke  und  die  in  den 
Märchen  vorkommenden  Reimverse.  Am  Schlüsse  der  An- 
1379  merkungen  ]  rülimt  er  ausdrücklich  die  Leichtigkeit  und 
Mannigfaltigkeit  des  Ausdrucks,  die  AVärme  und  die  herzvolle 
Naivetät.  welche  der  wälsche  Volksdialekt  in  den  Märchen 
entfaltet.  —  Bei  vielen  Alärchen  sind  unmittelbar  nach  der 
Leberschrift  in  Parenthese  ('itate  aus  anderen  Märchensamm- 
liingen  beigefügt;  es  werden  jedoch  nnr  Grimm,  Zingerle, 
Bechstein,  Meier  und  der  Pentamerone  citiert,  und  auch  diese 
sind  nicht  genügend  ausgebentet.  Ich  will  nun  im  folgenden 
in  dieser  Rücksicht  einige  L^rgänzungen  liefern. 

Nr.  ].  Der  Herrgott  vom  Bäuchlein.  Vgl.  (Irimm 
Kimlerlegenden  Nr.  9.  —  Nr.  '2.  St.  Johannes  und  der 
Teufel.  Vgl.  Grimm  1.S9.  —  Nr.  4.  Die  Mutter  des 
heiligen  Petrus.  AVie  hier  St.  Petrus  seine  Mutter  an  einem 
Salatblatt  in  den  Himmel  zu  ziehen  versucht,  so  versucht  er 
in  einem  altdeutschen  Gedicht  in  Mones  Anzeiger  1(SH(), 
S.  192  einen  Holzhacker  an  dessen  Holzschlägel  in  den 
Himmel  zu  ziehen.  [Köhler.  Aufsätze  1894.  S.  50.]  —  Nr.  8. 
Die  zwei  Schwestern.  Damit  stimmt  fast  ganz  überein 
der  erste  Teil  des  piemontesischen  Märchens  von  „Marion  de 
bosch",  welches  AI.  Wesselofsky  in  der  inhaltreichen  Ein- 
leitung zu  der  ,,Novella  della  tiglia  del  Re  di  Dada"  (Pisa 
LsdC)),  S.  XXIX  mitteilt.  [De  (lubernatis  Nr.  1.]  Vgl.  auch 
Grimm  Nr.  24.  —  No.  9,  die  zwei  Reiter,  nud  Nr.  11,  der 
Filinde,  anch  Nr.  10,  die  kranke  Prinzessin,  bieten  Nach- 
träge zu  den  von  mir  im  Jahrbuch  für  roman.  und  engl. 
Litteratur  7,  (i  [Widter-Wolf  Nr.  1|  verglichenen  Märchen. 
Nr.  L-5,  die  Heirat  mit  der  Hexe,  gehört  in  den  Kreis  der 
von  mir  im  Jahrbuch  für  roman.  und  engl.  Litteratur  7, 
147  [zu  AVidter-Wolf  Nr.  10]  besprochenen,  sowie  der  oben 
mit  Töppens  Märchen  „die  drei  goldenen  Tauben''  verglichenen 


8.     Littoratur   ilor    Ydlksinärclicii  :   Sclnicllcr.  (ij 

Märchen.  Der  Held  sucht  die  ihm  entrückte  (iattiii  und 
findet  sie  mit  Hilfe  der  Wunschdinge,  die  er  den  streiten-jden  i:!so 
Erben  genommen.  In  Bezug  auf  die  Schuhe  mit  eisernen 
Sohlen  vgl.  meine  Bemerkung  im  dahrhuch  7,  2'),')  [Widter- 
Wolf  Xr.  1"2|.  —  Nr.  14.  die  drei  Liebhaber,  ebenso  wie 
Hahn  Nr.  47.  Waldau  S.  77.  Erdelyi-Stier  Nr.  i),  die  zu  einem 
selbständigen  Märchen  gewordene  Einleitung  des  oben  zu 
Peters  Märchen  ,,der  König  und  seine  drei  Söhne"  erwähnten 
Märchens  der  1001  Nacht  vom  Prinzen  Achmed  und  der 
Fee  Pari  P)anu.  Während  aber  im  wälschen  Märchen  die 
Entscheidung  über  die  drei  Liebhaber  dem  Hörer  überlassen 
wird,  wird  im  böhmischen  nnd  ungarischen  das  Mädchen 
dem  Besitzer  des  Apfels  zuerkannt,  und  im  griechischen 
nimmt  es  der  Vater  der  Liebhaber  für  sich.  —  Nr.  Kl.  Das 
Pfeifchen.  Vgl.  oben  zu  dem  masurischen  Märchen  ,,das 
wunderbare  Pfeifchen".  —  Nr.  17.  Der  Stöpselwirt.  Vgl. 
ausser  Zingerle  1.  Nr.  .'>  meine  Nachweise  im  dahrbuch  ').  4 
mu\  7.  1-2S  [Widter-Wolf  7|.  —  Nr.  IS.  ])ie  drei  Pome- 
ranzen. Vgl.  das  von  A.  de  (iubernatis  mitgeteilte  pie- 
montesische  Märchen  bei  A.  AVesselofsky  Le  tradizioni  popo- 
lari  nei  poemi  d'Antonio  Pucci  S.  11.  —  Nr.  ü).  Die  Liebe 
der  drei  Pomeranzen.  Herr  Sehn,  vergleicht  Zingerle  1, 
Nr.  11  und  Pentamerone  V,  *.).  Das  Märchen  findet  sich  aber 
auch  aus  l'ieniont  in  Verbindung  mit  dem  oben  erwähnten 
bei  Wesselofsky  a.  a.  0.,  aus  Catalonien  bei  Mihi  y  Fontanals 
Observacioues  S.  170  (=  ¥.  AVolf  Proben  S.  40),  walachisch 
bei  Schott  Nr.  25  und  im  Ausland  185(),  S.  500,  aus  Ungarn 
bei  Erdelyi-Stier  Nr.  13,  aus  (Jriechenland  in  Wolfs  Z.  4. 
820.  bei  V.  Hahn  Nr.  49  und  Simrock  S.  8(;5.  —  Nr.  20.  Der 
Prinz  mit  den  goldnen  Haaren.  Vgl.  ausser  Zingerle  1. 
Nr.  o2  das  von  mir  im  dahrbuch  S,  253  mitgeteilte  ita- 
lienische Märchen  und  die  von  mir  damit  zusammengestellten. 
In  der  |  Anni.  zu  Nr.  20  teilte  Herr  S.  nachträglich  noch  ein  i38r 
hübsches  Märchen  mit,  welches  eine  Variante  zu  Pentame- 
rone H,  1  und  (Irimm  Nr.  12  ist.  —  Nr.  21.  Der  gold- 
haarige Prinz.  Vgl.  Pentamerone  H,  2.  [Hahn  Nr.  7,  Ber- 
noni  Nr.  17,    Asbj.  Nr.  84.]  —  Nr.  22.    Das  Mädchen  mit 


{]•>  Zur    Märcliciit'orscliuiin'. 

den  goldiieii  Haaren.  Ausser  l*eiitanier.  IV.  7  vgl.  «Iriniin 
Nr.  IH.")  und  die  dazu  in  den  Anmerkungen  angeführten 
Märchen  und  ausserdem  imch  Chodzku  S.  Hl.")  und 
(irundtvig  o.  IV2.  Der  Zug  des  wälschtiroler  .Märchens, 
dass  auf  das  wunderhare  Mädchen  kein  Sonnenstrahl  fallen 
darf,  fimlet  sich  auch  in  dem  entsprechenden  Märchen  „die 
goldene  Knte"'  hei  (ierle  \'<dksniärchen  der  Böhraen  '2.  82.') 
(vgl.  (irimm  H.  ;Uo).  —  Nr.  ■_'4.  Aschenbrödel  (la 
zendrarola).  Der  Herausgeber  verweist  auf  (irimms  und 
Beclisteins  Aschenbrödel  uml  auf  Zingerle  1.  Nr.  1().  Er 
hätte  aber  auch  auf  ( irimms  Allerleirauh  und  die  verwandten 
Märchen  verweisen  müssen.  AVenn  Aschenbrödel  im  wälsch- 
tiroler Märchen  auf  die  Frage,  woher  sie  sei.  einmal  sagt, 
vom  Aschenschaufelhiel»  (dalla  Palettada),  weil  der  Graf  sie 
mit  der  Aschenschaufel  geschlagen  hatte,  und  dann  vom 
Feuerzangenschlag  (dalla  Mojettada).  so  kommt  ähnliches  in 
mehreren  der  verwandten  Märchen  vor  ((ampbell  Nr.  14; 
Königreich  vom  zerbrochenen  \)'aschbecken  und  vom  zer 
iiroclieiKMi  LiMicliter:  Asbjörnsen  Nr.  IM:  Waschland,  Hand- 
tnchhiiid.  Kannnlaiid  :  Woycicki  S.  1  lU  :  aus  der  aufgehobenen 
Peitsche  und  aus  dein  giddnen  Piiig:  Vernaleken  Nr.  '.VA. 
Besenwurf.  Bürstenwurf.  Kammwurf).  |  De  (iubernatis  Nr.  8. 
Busk  i>.  S7.  Hahn  Nr.  14. |  —  Nr.  21;.  Die  drei  Schön- 
heiten der  Welt  (das  redende  Vöglein,  das  tanzende  AVässer- 
lein.  das  musizierende  Bäumlein).  Der  Herausgel»er  verweist 
auf  Zingerle  2.  112  und  157.  Noch  näher  stehen  das 
Märchen  von  den  beiden  neidischen  Schwestern  in  der  1001  v 
1382  Nacht  |lo.  ;l|.  Straparola  IV.  :\.  Hahn  Nr.  (li).  Pröhle  Km. 
Nr.  H.  Ferner  vgl.  mau  Vernaleken  Nr.  ;!4.  Peter  2,  199, 
.1.  AV.  W(df  S.  KiS.  <  irimm  Nr.  9(1.  auch  von  (iaal  S.  890  und 
Puschkins  poetische  AVerke  übersetzt  von  Bodenstedt  1.  47. 
[CurtzeNr.  15.  Hahn  Nr.  112.]  —  Nr.  27.  Die  drei  Tauben. 
Vgl.  Prrdile  Km.  Nr.  s  und  die  M.,  die  ich  im  Orient  und 
Occid.  2.  107  [zu  Campbell  2] 'zusammengestellt  habe  und 
die  sich  noch  vermehren  lassen.  —  Nr.  29.  Der  Frosch. 
Vgl.  auch  Grimm  Nr.  lOS  und  Anmerk.  Nr.  81.  —  Die 
Frau    d^'s   Teufels.     An    die   Stelle  des  Uorco  in  dem  ent- 


8.     Littcratur   der    Volksniiirclicii :    Sclinclli'i'.  (;."> 

spreclieiideu  Märchen  des  Peutaiueroue  ist  liier  der  Teufel  ^^  i^j^-^^^-^r^ 
getreten,  der  seiner  Frau  eine  Thür  des  Hauses  (die  Tliür 
der  Hölle)  zn  öil'neu  verbietet,  ganz  wie  in  Nr.  o'i  (der  Teufel 
und  seine  Weiber)  nnd  in  dem  diesen  entspreclienden  vene- 
zianischen Märchen  im  Jahrbuch  7.  14S.  Eigentümlich  ist 
der  Anfang  von  Nr.  '.VI.  der  aucii  in  Nr.  oO  begegnet,  nämlich 
dass  ein  Mädchen  von  einem  Kettich  oder  Sellerie,  den  sie 
heransziehen  will,  unter  die  Krde  hinabgezogen  wird  |lm- 
briani,  Nov.  mil.  Nr.  ;)|.  —  Nr.  oH.  Zwei  für  einen.  Eine 
minder  gute  italienische  Version  dieses  Märchens  siehe  im  Jahr- 
buch f.  vom.  und  engl.  Litt.  7,  89'2  [Gonzenbach  Nr.  7"J,  Zs. 
(1.  V.  f.  Volksk.d,  l(i7l:  deutsche  bei  Clrimm  Nr.  101,  MüUeh- 
hoff  Nr.  .')'.)-J,  Stracker  Jan  "i,  H"iH.  —  Nr.  3(S.  Die  Königin 
von  den  goldenen  Bergen,  ist  teilweise  der  vorhergehenden 
Nr.  'M.  der  Schuster,  ähnlich,  noch  mehr  aber  dem  gaelischen 
bei  Campbell  Nr.  44  und  dem  ungarischen  bei  v.  (iaal-Stier 
Nr.  <i.  Vgl.  Or.  und  Occ.  2.  (IS-J.  Eigentümlich  dem  wälscli- 
tiroler  Märchen  ist.  dass  eine  Taube  den  Helden  übers  Meer 
trägt,  die  er  unterwegs  mit  dem  Mark  vieler  getöteter 
Vögel  füttert  und  der  er.  als  jenes  endlich  ausgeht,  seine 
beiden  Arme  hinhalten  muss,  damit  sie  das  Mark  daraus 
sauge.  In  vielen  Märchen  kommt  vor,  dass  der  Held  in 
;  hnlicher  Situation  sich  selbst  Fleisch  ausschneidet  und  dem  i:^.83 
ihn  trügenden  Vogel  oder  Drachen  zu  fressen  giebt.  —  Nr.  o!». 
Der  Sohn  der  Eselin,  mit  '.^  Variationen  in  den  Anmerk. 
Der  llerausg.  verweist  auf  Zingerle  "2.  403.  Vgl.  ausserdem 
die  italienischen  Märchen  im  Jahrbuch  7.  "iO  und  S.  241 
mit  meinen  Nachweisen  dazu.  —  Nr.  44.  der  King,  ent- 
spricht einem  Märchen  des  Siddhi-kür  (bei  Jülg  S.  G(^),  über 
welches  Benfey  Pantschat.  1.  213.  der  auch  an  Pentamerone 
IV,  1  erinnert,  spricht.  Man  vgl.  |Asb)örnsen  Nr.  ()3.  Luzel. 
Bihanic:  3.  rapport  p.  151,  Kadloff'  1.  320 :  3.  395]  auch 
das  ungarische  bei  (iaal-Stier  Nr.  13.  das  märkische  in  Wolfs 
Zeitschr.  1,  33S,  das  griechische  bei  v.  Hahn  Nr.  !)  und  be- 
sonders das  von  Knust  aufgezeichnete  italienische  im  Jahrb. 
7,  390,  mit  welchem  wiederum  ein  Märchen  der  Akwapim 
in  Petermanns  Mitteilungen  1S56,  S.  470  teilweise  merkwürdig 


(J4  Zur  Märohpiitnrschuii;;'. 

Übereinstimmt.  —  Nr.  45.  Die  Empfindlichste.  Vgl.  die 
zehnte  Erzählung  des  Baital-Pachisi  im  Ausland  iSliT,  S.  151, 
die  Erzählung  in  der  Reise  der  Sohne  (liatters  bei  (Irimm  '4^ 
•28s  [ed.  Fischer  nnd  Holte  1(S9(),  S.  '217 1  und  besonders  die 
von  H.  Oesterley  im  Ausland  ISliT,  S.  158  angeführte  Erzäh- 
lung ans  der  Elite  des  contes  du  Sieur  dOuville  (ä  la  Haye 
1708  -2,  152).  —  Nr.  4(i.  Witzige  Antworten.  Der 
Herausg.,  der  sonst  Zingerle  üeissig  citiert.  hat  doch  über- 
sehen, dass  dies  Märchen  sich  bei  Zingerle  2,  42  findet. 
Vgl.  auch  Jahrb.  5.  5  und  S.  —  Nr.  47.  Die  Hruthenne. 
Vgl.  Grimm  Nr.  1<)4  mit  den  Anmerk.  und  Benfey  Pant- 
schat.  1,  501.  |Waldis  IV,  SO,  Kirchhof,  Wendunmut  1,  171.] 
—  Nr.  4S.  Das  Käslaibchen.  Vgl.  v.  (iaal  S.  27()  „die 
geizige  Bäuerin".  —  Nr.  49.  Die  drei  Rätsel.  Dies  ist 
mit  geringfügigen  Aenderungen  das  Märchen  von  Kalaf  nnd 
Turandokt  in  der  persischen  Sammlung  „100]  Tag",  die  be- 
kanntlich Petis  la  Croix  1710  in  französischer  Bearbeitung 
1384  heraus-|gab.  Auch  die  Rätsel  seilest  sind  dieselben,  nur  die 
Auflösung  des  Rätsels  von  der  Mutter  und  ihren  Kindern  ist 
verschieden;  im  persischen:  das  Meer^und  die  Ströme,  im 
tiroler:  die  Erde  und  die  Menschen.  Bekanntlich  hat  (lozzi 
in  seiner  Turandot  das  persische  Märchen  dramatisiert. 
Dass  aber  das  vvälschtiroler  Märchen  nicht  etwa  ans  (iozzis 
Tragikomödie  geflossen  ist,  beweist  der  Umstand,  dass  (Jozzi 
das  Rätsel  von  der  Mutter  gar  nicht  hat.  —  Nr.  51.  Die 
Greifenfeder.  Vgl.  zu  Blade  Nr.  1  und  Toppen  S.  189.  — 
Nr.  58  und  54.  Der  starke  Hans.  Der  Zug.  dass  Hans  beim 
Wettwerfen  die  Leute  jenseits  des  Meeres  durch  Schreien  warnen 
will,  kommt  auch  in  dem  von  mir  im  Jahrb.  S,  24S  mit- 
geteilten italienischen  Märchen  vor.  —  Nr.  55.  Tarandando. 
Der  Herausgeber  musste  jedenfalls  auch  auf  Grimm  Nr.  14 
hinweisen.  Vgl.  auch  oben  zu  Henderson  S.  221.  Wie  im 
tiroler  Märchen  die  faule  Tochter  7  T(ipfe  Mus  aufisst  und 
die  scheltende  Mutter  dem  vorübergehenden  Herren  sagt,  sie 
habe  7  Spulen  Garn  gesponnen,  so  isst  auch  bei  Henderson 
die  Tochter  7  Puddings  und  die  Mutter  ruft:  My  daugRler  's 
spun    se'uen.    seuen,    se'uen,    my    daughter    "s    eateu   se'uen, 


8.    l.irtcratiii'  der   VulUsiniirclicn :  Schiioller.  (55 

.seueii,  seilen.  Wenn  im  tiroler  Märchen  die  Tochter  aus 
Missverstaiul  einen  Hund,  der  Ehrlich  heisst.  kocht,  so  er- 
innert dies  au  die  47.  Historie  von  Kulenspiegel,  wie  er  einen 
Hund,  der  Hopf  liiess,  für  Hopfen  siedet,  und  au  das  Märchen 
bei  Haltrich  Nr.  (13,  wo  Haus  den  Hund  Petersilie  kocht.  — 
Mr.  5G.  Die  närrischen  AVeiber.  Vgl.  auch  das  apulisehe 
Märchen  im  Jahrbuch  <s,  "ilJi  und  meine  Bemerkung-  dazu 
S.  •2(u.  —  Nr.  57.  Turlulu.  Was  den  Verkauf  der  Lein- 
wand au  die  Bildsäule  betrit^'t.  so  vgl.  oben  zu  Blade  Nr.  8.  [ 
AVie  Turlulu  den  (|ua-(|ua-qua-schreienden  Fröschen  die  (Jeld-  i38r> 
stücke  ins  Wasser  wirft,  damit  sie  sich  selbst  überzeugen 
sollen,  (lass  es  mehr  als  vier  (quattro)  seien,  so  auch  Bertoldiuo 
in  dem  bekannten  italienischen  Volksbuch.  Vgl.  auch  Grimm 
Nr.  7.  —  Nr.  5(S.  Wie  einer  fünf  mal  ist  umgebracht 
worden.  Vgl.  die  von  von  der  Hagen  (Jesamtabeuteuer 
Bd.  3,  S.  LHI  bis  LVIH,  besprocheneu  altfranzösischen  Ge- 
dichte, die  Geschichte  des  kleineu  Buckligen  in  1001  Nacht, 
die  erste  Novelle  des  Massuccio  und  die  dritte  des  Patrn  auelo 
des  TiüKineda,  das  altdeutsche  Gedicht  in  v.  Kellers  Erzählungen 
S.  111,  die  siebenbürgischen  Märchen  bei  Haltrich  Nr.  (Jl  und 
im  Ausland  LS.)!!,  S.  71(),  dass  schon  oben  bei  Nr.  4S,  wozu 
es  teilweis  gehört,  citierte  ungarische  bei  v.  Gaal  S.  27(i  und 
den  oldenburger  .Schwank  bei  Strackerjan  2,  174.  Zum  Ein- 
gang des  wälschtiroler  Märchens  vgl.  das  altdeutsche  Gedicht 
vom  wahrsagenden  Baum  in  von  der  Hagens  Gesamtaben- 
teuer Nr.  "29.  —  Nr.  (!0.  Lustige  (ieschichtchen.  Zehn 
Geschichtclien,  fast  säuitlich  in  die  Klasse  der  Ortsneckereien. 
Schildbürgerstreiche  und  dgl.  gehörend  [zu  Nr.  H  vgl.  Pröhle. 
Feldgarben  S.  ;^()'j.  Finamore  Nr.  '2^)\.  Es  sei  nur  noch  er- 
wähnt, dass  der  übrige  kleinere  Teil  des  Schnellerschen  Buchs 
(S.  199 — ■25(5)  Sagen,  Sitten,  Gebräuche  und  Glauben,  Reim- 
sprüche und  Rätsel,  beide  letzteren  im  Original  und  in  Ueber- 
setzung  enthält,  und  dass  Herr  Sehn,  im  Vorwort  S.  VII  einer 
von  ihm  gleichfalls  seit  längerer  Zeit  angelegten  Sammlung 
wälscher  Volkslieder  gedenkt,  „deren  Veröii'entlichung  günstige 
Umstände    vielleicht  auch    noch    eruKiglichen    werden."      AVir 

R.  Kühler,  Kl.  Schriften   I.  5 


()(j  Zur  ^litrt'lienforschuiii;'. 

wünsclieu  und  hoffen,  dass  diese  Veröffentlichung  recht  bald 
erfolgen  möge.     | 

I38(i  <).  Der  Titel  „Aberglaube  und  Sagen  aus  dem  Herzitg- 

tum  Oldenburg"  giel)t  den  Inhalt  des  Strackerjanschen 
Werkes  nicht  erschö})t'end  an:  denn  dasselbe  enthält  in  der 
That  nicht  bloss  Aberglauben  und  Sagen,  sondern  auch  sehr 
viel  Sitten  und  Bräuche,  mehrere  Lieder  und  Sprüche,  die 
bei  gewissen  Anlässen  gebräuchlich  sind,  zahlreiche,  leider 
nicht  zusammengestellte,  sondern  durch  das  ganze  Buch  zer- 
streute Rätsel  und  SprichwTirter  und  endlich,  weshalb  wir  es 
hier  zu  besprechen  haben,  Märchen  und  Schwanke.  Einige 
der  Märchen  und  Schwanke  finden  sich  liie  und  da  unter  dem 
Aberglauben  und  den  Sagen  zerstreut,  die  Mehrzahl  aber 
findet  sich  beisammen  und  bildet  das  fünfte  und  letzte  Buch 
des  ganzen  Werkes  (Band  "i,  S.  2S1  bis  'M^ii).  Sie  sind  gut 
wiedererzählt,  einige  sogar  ganz  vortrefflich  und  reich  an 
echt  volkstümlichen  Hedensarten  und  Wendungen. 

Die  Keilie  der  Märchen  und  Schwanke  eröffnen  Kräh- 
winkeleien  (§  (ilo,  a — u),  vornehmlich  der  Hauwieker,  der 
Dcholter  und  der  Holtweder.  Die  meisten  derselben  werden 
auch  von  zahlrei<'hen  anderen  Orten  in  und  ausser  Deutsch- 
land erzählt,  was  nachzuweisen  hier  jedoch  zu  weitläufig  wäre. 
Einige  der  hier  lokalisierten  Schwanke  werden  sonst  meist 
ohne  Anknüpfung  an  einen  bestimmten  Ort  erzählt,  so  ist 
i>  ()!.')  k  (^ine  Variante  des  weitverbreiteten  Märchens,  dessen 
älteste  Gestalt  bis  jetzt  für  uns  in  dem  lateinischen  Unibos 
vorliegt,  vgl.  meine  Nachweise  im  Orient  und  Occident  2, 
48().  —  i^  ()!'),  n  findet  sich  dänisch  bei  Grundtvig  2,  209 
[unten  zu  De  Gubernatis  Nr.  27].  —  Zu  §  615,  o  vgl.  Grimm 
Nr.  5U,  besonders  die  Variante  aus  der  Diemelgegend.  In- 
bezug  auf  den  Schluss  (eine   Kuh  wird  auf  ein  Dach  gezogen 

1H87  oder  gehoben,  um  das  (iras  d<n*t  zu  fressen)  vgl.  Camp-|bell  2, 
377  und  ;^S(*),  das  Laienbuch  Cap.  32  und  den  Schluss  von 
Schneller  Nr.  .")(!.  —  Zu  i?  (ilä,  p  vgl.  meine  Nachweise  im 
Jahibnch  S,  2()7,  feruer  Schneller  Nr.  5()  und  Halliwell 
l)()|)ular  rhymes  and  nursery  tales  S.  31  (wo  die  Frau  das 
Gfld  für  GiMtd  Fortune  aufheben  soll). 


M.    Litt(M-atiii'  der    VolksniärclK-n  :  Sti';ick(M-jiui.  (57 

Auf  die  Kriiliwinkeleieii  folgen  mehrere  Lügeiimarclien: 
i>  (U(),  die  beiden  Reisenden,  (ilT,  Hagelxiken-Evan- 
gelium  (vgl.  (Irinim  Nr.  loS),  (üs,  die  Reise  in  den  Mond 
(vgl.  dazu  meine  Bemerkungen  im  Jahrb.  7,  277).  (Ili), 
der  Traum.  —  §  (i'iO.  a,  b.  Bruder  Lustig,  /u  a  vgl. 
oben  meine  Bemerkung  zu  der  Legende  bei  IVter  2,  IHli; 
zu  b  vgl.  (irimm  Nr.  S-J  und  die  Märchen  im  Jahrb.  5,  4 
und  7.  liM  mit  meinen  Bemerkungen.  —  (J'il.  der  (Ilas- 
berg, gelnirt  zu  denselben  Märchen,  wie  oben  das  masurische 
vom  Ritt  ins  vierte  Stockwerk.  Vgl.  n.  a.  auch  Meier  Nr.  1 
und  Sommer  Nr.  4.  —  ()"22.  Die  Lebensblume.  P^igen- 
tümliches  Märchen  mit,  Kiementen  aus  dem  Märchen  von  den 
gleichen  Brüdern  ((Jrimm  Nr.  60  und  <S5,  Gr.  und  Occ.  2, 
1 1 S)  und  aus  dem  von  Blaubart  und  verwandten  (vgl.  meine 
Nachweise  im  Jahrb.  7,  151).  —  (i2o.  Der  dankbare 
Tote.  Eine  unvollständige  nnd  nichts  besonderes  enthal- 
tende Version  des  bekannten  Märchens.  —  ('i24.  (Joldhahn, 
Tischchen  deck  dich  und  Knüppel  aus  dem  Sack.  Vgl. 
das  jütländische  Märchen  bei  Etlar  S.  150  und  das  mährisch- 
walachische  bei  Wenzig  S.  104.  In  allen  dreien  giebt  ein 
geiziger  Reicher  einem  Armen  ein  Stück  Fleisch  und  heisst 
ihn  damit  zum  Teufel  gehen.  Der  Arme  thut  es  und  erhält 
für  das  Fleisch  von  dem  Teufel  einen  Hahn,  der  Dukaten 
von  sich  giebt.  In  dem  mährischen  Märclien  kehrt  der  Be- 
schenkte mit  seinem  Hahn  alsbald  nach  Hanse  zurück;  der  j 
Reiche  will  nun  ebenfalls  sein  (llück  versu(dien,  wird  aber  i388 
vom  Teufel  in  der  Hrdle  behalten.  Das  oldeubnrger  und 
das  jütländische  Märchen  sind  erweitert  worden  durch  Heran- 
ziehen des  Märchens  vom  Knüppel  aus  dem  Sack  oder  von 
der  Tasche,  aus  der  Soldaten  hervorkommen  (vgl.  Anm.  zu 
(irimm  Nr.  '-U')  und  54).  |Sv.  Landsm.  5.  1,  (53,  Benitsen  2, 
Nr.  S,  Grönborg  S.  S*).|  Ohne  diese  Erweiterung,  aber  sonst 
eigentümlich  verändert,  findet  sich  das  Märchen  von  dem 
Armen,  dem  der  Reiche  ein  Stück  Fleisch  schenkt  und  ihn 
damit  zur  Hrdle  schickt,  bei  Asbjörnsen  Nr.  51  und  Grundt- 
vig  1,  110  [Brugman  Nr.  40,  Arnason-Povvell  p.  12].  — 
(»25.     Die  drei  Raben.      Vgl.  (irimni  Nr.  !>.  25  und  49  mit 


ßg  Zur  ^rärclienfoi>chuiig. 

den  Alimerk.,  Yerualekeii  Nr.  4  und  5,  Wenzig  S.  lli. 
Peter  2,  169  [Kristensen  1,  Nr.  27,  Janiisen  Nr.  5,  Madseii 
p.  Gl].  —  62(j,  Rott  sin  Vetter.  S.  oben  zu  Schneller 
Nr.  33.  —  ()27.  Besser  dreist  als  verzagt.  Aehnliclie 
Sagen  und  Märchen  sind  nachgewiesen  von  W.  Menzel  (3din 
S.  255:  besonders  vgl.  die  349.  Sage  bei  J.  W.  Wolf.  — 
628.  Hans  Bär.  In  diesem  Märchen  sind  verschiedene 
Märchen  nicht  allzu  geschickt  verschmolzen,  nämlich  das 
Märchen  vom  jungen  Riesen  (Grimm  Nr.  90),  vom  Zauberer 
und  seinem  Lehrling  ((irimm  Nr.  GS),  vom  Hasenhiiter  (siehe 
oben  zu  Peters  Hasenjackel)  und  vom  Juden  im  Dorn  (Grimm 
Nr.  110).  —  629.  Däumling.  —  630.  Die  drei  Hunde. 
Vgl.  die  von  mir  im  Jahrbuch  7,  132  besprochenen  Märchen. 
—  631.  Wasserpeter  und  Wasserheinrich  =  Grimm 
Nr.  60,  aber  mit  absonderlichem,  wohl  ziemlich  neuem  Ein- 
gang. —  632.  Vom  Königssohii,  der  fliegen  konnte. 
Vgl.  das  russische  M.  bei  Dietrich  Nr.  11  [Miklosich  Nr.  s, 
Zingerle  2,  35].  —  633.  Die  Zauberflöte.  Vgl.  Pen- 
tamer.  1,  3,  Grundtvig  2,  30S,  v.  Hahn  Nr.  s.  Dietrich  Nr.  13. 
Ghodzko  S.  331,  Wolfs  Zeitschrift  2,  3S,  Kuhn,  märkische 
Sagen  und  Märchen  S.  270.  Mülleuhoft"  Nr.  14.  —  634.  Doktor 
1389  Allwissend.  Vgl.  (Jrimin  Nr.  9S,  |  Orient  und  Occid.  1, 
374;  3,  1<S4  |=  oben  39].  wozu  ich  noch  Nachträge,  die  ein  ge- 
naueres Eingehen  erfordern,  bei  anderer  (ielegenheit  zu  geben 
gedenke.  —  635.  Von  dem  Jüngling,  der  nicht  bange 
war.  Vgl.  Grimm  Nr.  4,  wo  man  zu  den  Anmerkungen  Ey 
S.  74.  Schönwerth  3,  147  und  Schneller  \r.  52  nachtrage.  — 
636).  De  Pastor  un  sin  Kost  er.  Vgl.  Meier  Nr.  ()6. 
Aehnlichkeit  hat  auch  Campbell  Nr.  15.  —  637.  Anholen 
winnt.  —  638.  Harm  in  der  Hülle  und  im  Himmel. 
Einem  Trunkenbold  wird  weissgemacht,  er  sei  in  der  Hölle 
und  im  Himmel  gewesen.  [Polivka,  Arcli.  f.  slav.  Phil.  19, 
242  Nr.  10].  Auf  ähnliche  Weise  wird  bei  Bebel  251,  Ban- 
dello  2,  Nr.  17  und  Kirchhof  1,  37S  eine  trunksüchtige  Frau 
zu  kurieren  gesucht.  Vgl.  auch  Boccaccio  Decam.  4,  8  und 
dazu  Fr.  W.  V.  Schmidts  Beiträge  S.  24.  —  639.  De 
Mann    und  dat  Kalf.     Vgl.   Bebel   facet.  2.  142.    Ambraser 


8.    Litterahir  der   Volksinärcheii :  Strackerjan.  69 

Liederbuch  Nr.  l-V.)  |(i()edeke,  Liederbuch  S.  3(1,  Keller,  Fast- 
uachtspiele  Nr.  123,  (last.  Convival.  serm.  1,  124,  Chrza- 
iiowski,  Sitzungsbericht  der  Krakauer  Akad.  philol.  Kl.  1(S94, 
304.  N.  preuss.  Provbl.  12,  175  (1S51),  Reinhart,  Bassle- 
dang  1S77,  S.  14  nach  Alsatia  1^7;"),  2()r)J  und  den  ersten 
Teil  des  wetterauischen  Märchens  vom  Fuhrmann  in  Wolfs 
Zeitschrift  3,  3(5  [==  Firmenich  3,  55<S].  —  G40.  Die  drei 
beredte  n  T  ö  c  h t  e  r.  Vgl,  M üllenhoft"  Nr.  9  (De  dre  Süstern). 
[B(dte,  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  3,  r)S;  7,  320,  Zs.  f.  vgl.  Littgesch.  7, 
4:)1,  Blätter  f.  pomni.  Volksk.  1,  isl,  Arne  p.  23.]  —  (;41. 
Nord-inn.  Ein  Schiftermärchen,  zu  dem  ich  keine  Parallele 
weiss.  Ausser  diesen  Märchen  enthält  Strackerjans  Buch, 
wie  schon  bemerkt,  auch  noch  andere,  die  hier  und  da  zer- 
streut stehen.  Auf  einige  derselben  habe  ich  schon  ge- 
legentlich bei  einzelnen  Märchen  der  vorher  besprochenen 
Sammlungen  hingewiesen,  auf  die  folgenden  will  ich  aber 
hier  uocli  besonders  hinweisen.  —  §  257,  p.  Märchen  vom 
Knaben,  der  in  der  Hülle  dient  und  das  Feuer  schüren 
muss  und  in  die  kochenden  Töpfe  nicht  sehen  darf.  Vgl. 
meine  Nachweise  im  elahrbuche  7,  2()<s.  —  i<  257,  q.  Märchen 
V(tm  We tt  kam  pf  im  Essen  und  Laufen.  Vgl.  Jahrbuchs,  7; 
7.  1()  und  Ziugerle  2,  111.  —  i^  257,  s.  Märchen  von 
einem  l^rdmännchen  und  |  einem  Knaben.  Enstellung  1390^ 
der  äsopischen  Fabel  vom  ärdgionoc:  xm  Zärvoog,  die  sich 
unentstellt  auch  bei  Ziugerle  2,  102  findet.  —  356,  a.  M. 
von  Bohne  und  Maus.  —  374.  a.  M.  von  der  Feindschaft  der 
Hunde  und  Katzen  und  Clause.  Vgl.  den  Schwank  des  Hans 
Sachs  (Buch  2,  Teil  4)  ,, Warum  die  Hunde  den  Katzen  und 
Mäusen  so  feind  sind"  und  das  mährisch-walachische  Märchen 
bei  Wenzig  S.  44  [Bolte,  Zs.  f.  vgl.  Littgesch.  7,  451:  11,66]. 
Zu  dem  Anfang  unseres  Märchens  vgl.  das  Märchen  bei 
Kuhn  Westf.  Sagen  2,  237,  welches  übrigens  der  Fabel 
des  Phädrus  4,  17  ganz  ähnlich  ist.  Siehe  auch  Wolfs 
Zeitschr.  1.  224  und  225.  —  375,  c.  M.  von  Salomons  Katze. 
Der  bekannte  Schwank  aus  „Salomon  und  Morolf".  —  376,  a. 
Märchen  von  Mäuschen  und  Mettwurst.  —  3(S0,  a.  Märchen 
von  den  Hasen  und   Fröschen,    b.   V(im  Hasen  und  vom 


70  Zur  Märchenfurschuno-. 

Fuchs,  der  sieh  vom  Haseii  anführen  lässt  und  dem  sein 
Schwanz  im  AVasser  fest  friert.  Vgl.  Birlingers  Kinder- 
büchleiu  S.  54.  Sonst  vom  Wolf  oder  Bär  als  Angeführtem 
und  vom  Fuchs  als  Anführendem  erzählt,  siehe  Orient  und 
Occid.  2,  'M)l  [zu  Campbell  Nr.  17,  Cosquin  Nr.  54,  Wucke  2,  DH, 
Krohn,  Journ.  de  la  soc.  tinno-ougr.  (>,  25J,  Grundtvig  2,  llS, 
Russwurm,  Sagen  aus  Hapsal  Nr.  1()9.  Bei  den  Osseten 
führt  ein  Fuchs  die  anderen  Füchse  so  an,  Bulletin  de 
lAcademie  de  St.  Petersbourg  8  (1<S(;5),  42.  —  8Sl,  b) 
Märchen  vom  Fuchs  und  vom  Bauer.  Vgl.  dazu  meinen 
Aufsatz  in  Wolfs  Zeitschr.  H.  2!)S  |=^  oben  S.  1].  —  oS!),  a) 
Märchen  von  der  Holztaube  und  der  Fister.  —  8',)5,  b) 
Märchen  von  der  Kister  und  Christus  am  Kreuz.  — 
400,  a)  Märchen  vom  Nettelkönig  (Zaunkönig)  und  der 
Eule.  Es  ist  das  bekannte  Märchen  von  der  Königswahl  der 
Vögel,  siehe  Wolfs  Zeitschr.  1,  2,  Pfeiffers  (iermania  <i,  SO, 
Orient  und  Occident  2,  :)02.  Das  oldenburger  Märchen  und 
1391  das  märkische  |  bei  Wüste,  Volksüberlieferungen  S.  39  sind 
etymologische  Märchen,  indem  in  beiden,  aber  auf  ver- 
schiedene Weise,  der  Ursprung  des  Namens  Nettelkönig  er- 
klärt wird. 

7.  Herrn  Dr.  Leibings  Büchlein  sollte  füglich  nur  „Sagen 
des  Bergischen  Landes"  betitelt  sein,  denn  es  enthält  mit 
Ausnahme  des  Märchens  vom  starken  Hermel,  welches  dem 
Buche  von  Montauus  „Die  Vorzeit  der  Länder  -lülich.  Cleve, 
Berg"    1,  355  entlehnt  ist,  keine  eigentlichen  Märchen. 

S.  Die  neue  Ausgabe  der  bekannten  trefflichen  nor- 
wegischen Märchensammlung  von  P.  Chr.  Asbjörnsen  und 
fl.  Moe  unterscheidet  sich  von  der  vorhergehenden  zw^eiten 
(1<S52)  wesentlich  dadurch,  dass  die  Einleitung  und  die  An- 
merkungen weggelassen  sind.  Bekanntlich  enthalten  aber 
jene  Anmerkungen  nicht  nur  i'eiche  Hinweise  auf  ähnliche 
ausländische  Märchen,  sondern  auch  sehr  viele  norwegische 
\'arianten,  die  für  die  Märchenvergleichuiig  oft  ebenso  wichtig. 
j;i  wichtiger  als  die  llaupterzählung  sind.  Deshalb  bleibt  für 
den  Forscher  die  zweite  Ausgabe  nach  wit^  vor  unentbehrlich. 
Zu  den  5S  Märchen  der  zweiten  Ausgabe   sind   in  dei'  neuen 


8.    Litteratiir  der   Ve)ll<sniiuH'lu'ii  :   Ashjöniseii.  iröllcr.  7  1 

zwei  neue  hinzugekommen,  Nr.  59,  den  retfierdige  Finskilling, 
und  ()0,  Han  Fa'r  sjöl  i  Stua.  Das  erste  derselben,  das 
sch(ine  Märchen  vom  rechtschaffen  verdienten  Vierschilling- 
stück, findet  sich  ganz  ähnlich  auch  bei  den  Serben.  Wuk 
hat  es  (Nr.  7)  über8(;hriei>en:  „(ierecht  Erworbenes  kann 
nicht  verloren  gehen";  kürzer  und  dem  Norwegischen  ent- 
sprechend wäre  die  Ueberschrit't:  „der  rechtschaffen  verdiente 
Pfennig''  [Brngman  Nr.  29,  Ralston  p.  4^5,  Qvigstad-Sandberg 
Nr.  i;^.  Poestion,  Isl.  M.  Nr.  llj.  Wie  im  Eingang  I  des  1392 
norwegischen  Märchens,  welcher  anders  als  der  des  serbischen 
ist,  der  efunge  einem  grossen  Steine  im  freien  Feld,  seine 
Jacke  zum  Schutz  gegen  die  Kälte  schenkt,  so  schenkt  in 
einem  polnischen  bei  Chodzko  S.  852  ein  Knabe  einem  Baum- 
stumpf, der  ihm  ohne  Mütze  frieren  zu  müssen  scheint,  seine 
JMütze.  Inbezug  auf  den  Verkauf  der  Katze  in  dem  katzen- 
losen, von  Mäusen  geplagten  Lande  vgl.  auch  Grimm  Nr.  70. 
Waldau  S.  17()  und  Benfey  Pantschat.  1,  472  jCionzenbach 
Nr.  76;  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  6,  1(;9].  Das  letzte  Märchen 
ist  trefflich  erzählt,  aber  unbedeutend  im  Inhalt:  es  handelt 
von  einer  Wolfsgrube,  in  die  zu  einem  Fuchs,  einem  Wolf 
und  einem  Bären  zuletzt  auch  noch  eine  alte  Frau  hinein- 
fällt, welche  sich  mit  dem  Bären  gut  zu  stellen  sucht.  — 
Gedenken  wir  schliesslich  noch  der  höchst  erfreulichen  Mit- 
teilung des  Vorworts,  dass  eine  neue  Sammlung  norwegischer 
Märchen  bald  erscheinen  soll,  welche  sowohl  die  von  Herrn 
Asbjörnsen  gelegentlich  in  Kalendern  und  kleinen  Schriften 
bekannt  gemachten,  in  Deutschland  ai)er  meist  unbekannt  ge- 
bliebenen als  aucii  nicht  wenige  Idsher  noch  ungedruckte  ent- 
halten wird. 

9.  Das  interessante  Büchlein  des  Herrn  J.  P.  Möller,  der 
—  nelienbei  bemerkt  —  kein  Gelehrter,  sondern  ein  Uhr- 
macher ist,  enthält  ausser  den  Sagen  nnd  einigen  Reimen  und 
Sprichwörtern  leider  nur  ein  Märchen  (S.  56).  Es  ist  das 
Märchen  von  der  einfältigen  Frau,  die  für  irdene  Töpfe  das 
ganze  ersparte  Geld  ihres  Mannes  hingiebt  (vgl.  Jahrl»uch  8, 
2(j7  ;  Schneller  Nr.  5(5)  und  die  später  die  Hansthür  vom 
Baum  herab  auf  die   Räuber  fallen   lässt  (vgl.  Jahrb.    5.    20: 


72  ^u'"  Märe'lieiiforsclnmiu:. 

1893  8,  2t)7).  Der  Scbluss  des  |  Märchens,  dass  die  Frau  einem 
der  zurückkehrenden  Räuber  listiger  Weise  die  Zunge  aus- 
schneidet, kommt  ganz  ähnlich  in  dem  Märchen  von  Hans 
und  Jagerle  bei  Haltrich  Nr.  64  vor  [ebenso  Kamp,  D.  F. 
p.  140,  Bergh,  Nye  F.  E.  p.  40,  Soge-Bundel  p.  55,  Mijatovics 
p.  259,  De  Nino  Nr.  72,  Hahn  Nr.  H4,  Leite  de  Yasconcellos 
p.  294,  Fleury  p.  165,  Steel  and  Temple  p.  241].  —  [Auf 
S.  26  findet  sich  das  alte  Märchen  vom  Schrate  1  und 
Wasserbär,  dessen  weite  Verbreitung  aus  nachfolgender 
Zusammenstellung  erhellt:  Hagen,  Gesamtabenteuer  Nr.  65  = 
AVackernagel,  Zs.  f.  d.  Altert.  6,  174:  danach  Baumbach, 
Abenteuer  und  Schwanke  1M<S4  S.  79.  Martin,  Neue  Frag- 
mente des  Gedichts  van  den  vos  Keinaerde  18<S9  S.  6S. 
Müllenhoff  S.  257.  601,  Kuhn-Schwarz,  Nordd.  S.  Nr.  225,  2, 
Engelien-Lahn  1,  21  Nr.  11,  Panzer  2,  161,  Schönwerth  2,  1<S7, 
Seifart,  Hildesheim  2,  52,  Schleicher,  Volkstümliches  aus 
Sonneberg  S.  76,  Vernaleken,  Mythen  Oesterreichs  S.  180, 
1S2.  Pröhle,  Harzsagen  ^  1S86,  S.  110,  Haupt,  Sagenbuch 
der  Lausitz  1,  52,  Veckenstedt  S.  195,  Schulenburg,  Wend. 
Volkssagen  S.  122,  Volkstum  S.  59.  E.  Kühn,  Der  Spree- 
wald 1.S89,  S.  111,  Grundtvig  3,  2:^0,  Asl»j(.rnsen  u.  Moe 
Nr.  d(^;  Huldre-eventyr  p.  195,  Fay  1S44  p.  30,  Folk-lore 
Journal  1,  298,  vgl.  (Jrimm,  D.  ^lyth.  S.  447.  Simrock.  Beowulf 
S.    176.1 


9.   Ein  anscheinend  deutsches  Märchen  von 

der  Nachtigall  und  der  Blindschleiche  und 

sein  französisches  Original. 

(Zeitwclirift  des  Vereins  für  Volkskunde   1,  53 — 5*5.     1891.) 

In  Firmenichs  „(iermaniens  Völkerstimmen"  1.  283  steht 
ein  Märchen  „De  nachtigall  und  de  blinnerslange"  (Blind- 
schleiche) in  der  Mundart  von  Warendorf  im  preussischen 
Regierungsbezirk  Münster.  Dieses  Märchen  hat  —  ohne 
Quellenangabe  —  H.  F.  W.  Raabe  in  sein  „Allgemeines  platt- 


9.    Ein   ansclieiiitMid  deutsches  Märclieii    von   der  Naclitit;all.         78 

deutsches  Volksbuch'',  Wismar  und  I.udwigslust  l<s,j4.  S.  •J84, 
aufgenomraen,  aber  in  mecklenburg-schwerinsche  Mundart 
übersetzt  und  ,,Dei  Nachtigall  un  dei  Hartworm  orer  Blind- 
schlang"'  betitelt.  F.  H.  von  der  Hagen  hat  in  seiner  Be- 
sprechung von  Firmeuichs  AVerk  in  seiner  „(iermania"  S,  21  <s, 
die  ,,Warendorfer  Märe"  als  „sonderbar*'  hervorgehoben  und 
ihren  Inhalt  mitgeteilt,  und  K.  Schiller,  ,.Zum  Tier-  und 
Kriluterbuche  des  mecklenburgischen  Volkes"  1.  Heft,  Schwerin 
1S()1.  S.  2,  hat  mit  Verweisung  auf  von  der  Hagen  und  Raabe 
des  Märchens  gedacht.  Von  der  Hagen  und  Schiller  haben 
das  Märchen  jedenfalls  für  ein  deutsches  gehalten,  und  wohl 
die  meisten  Leser  der  genannten  Bücher  werden  dies  auch 
gethan  haben.  Das  Märchen  ist  aber  gar  kein  deutsches, 
sondern  ein  franzrisisches.  Es  findet  sich  nämlich  in  der 
ersten  Ausgabe  der  ,,Kinder-  und  Haus-Märchen-'  der  Brüder 
(irimra,  Berlin  INI 2.  S.  20  f..  als  Nr.  (!  ein  Märchen  „Von 
der  Nachtigall  und  der  Blindschleiche",  welches  nach  der  An- 
merkung dazu  aus  dem  Franzeisischen  übersetzt  ist.  Das 
Märchen  bei  Firmenich  aber  ist  nichts  anderes  als  eine  fast 
durchaus  |  wörtliche  Uebertragung  der  (irimmschen  Ueber-  54 
Setzung  in  die  AVarendorfer  Mundart. 

Da  die  erste  Ausgabe  der  Grimmschen  Märchen  sehr 
selten  ist.  und  auch  die  Memoires  de  l'Academie  celtique, 
aus  denen  das  Märchen  übersetzt  ist,  wenigstens  deutschen 
Lesern  nicht  leicht  zugänglich  sein  werden,  wird  es  gerecht- 
fert-ist  erscheinen,  wenn  ich  üebersetzung  und  Original  hier 
mitteile. 

Die  Grimmsche   üebersetzung  lautet: 

Von  der  Nachtigall  und  der  Blindschleiche. 

Ls  waren  einmal  eine  Nachtigall  und  eine  Blindschleiche, 
die  hatten  jede  nur  ein  Aug"  uml  lebten  zusammen  in  einem 
Haus  lange  Zeit  in  F'rieden  und  Einigkeit.  Eines  Tags  aber 
wurde  die  Nachtigall  auf  eine  Hochzeit  gebeten,  da  sprach 
sie  zur  Blindschleiche:  „ich  bin  da  auf  eine  Hochzeit  gebeten 
und  nnigte  nicht  gern  so  mit  einem  Aug"  hingehen,  sey  <loch 


74:  Zur  Märcheiit'urscluinuj. 

SO  gut  imd  leih  mir  tleins  dazu,  icli  bring  dirs  Morgen  wieder." 
Und  die  Blindschleiche  that  es  aus  (iefälligkeit. 

Aber  den  anderen  Tag,  wie  die  Nachtigall  nach  Haus 
gekommen  war.  gefiel  es  ihr  so  wohl,  dass  sie  zwei  Augen 
im  Kopf  trug  und  zu  beiden  Seiten  sehen  konnte,  dass  sie 
der  armen  Blindschleiche  ihr  geliehenes  Aug"  nicht  wieder- 
geben wollte.  Da  schwur  die  Blindschleiche,  sie  wollte  sich 
an  ihr,  an  ihren  Kindern  und  Kiudeskindern  rächen.  ,.(ieh 
nur.  sagte  die  Nachtigal,  und  such  einmal: 

ich   hau  mein  Xest  auf  jene   Linden, 
so  hoeh,  so  hoch,  so  hoch,  so  hoch, 
da  magst  dus  nimmer  wiederfinden!" 

Seit  der  Zeit  haben  alle  Nachtigallen  zwei  Augen  und 
alle  Blindschleichen  keine  Augen.  Aber  wo  die  Nachtigall 
hinkommt,  da  wohnt  unten  auch  im  Busch  eine  Blindschleiche, 
und  sie  trachtet  immer  hinaufzukriechen,  Löclier  in  die  Eier 
ihrer  Feindin  zu  bohren  oder  sie  auszusaufen. 

Im   „Anhang''   ist  dazu  S.  VII   bemerkt: 

Zur  Nachtigall  und  Blindschleiche.  Nr.  (>. 
aus  dem  Französischen  übersetzt.  Memoires  de  Tacademie 
celtique.  Tome  2.  •204.  205.  Vergl.  T.  4,  102.  Das  Märchen 
und  der  Glauben  findet  sich  unter  den  Solognots.  Die  fran- 
zösischen Reime  ahmen  den  Ton  der  Nachtigall  glücklicher 
nach  : 

je  ferai   mun   nid   >i  liaut,   si   liautl   si   l»as! 
(jue  tu   ne   le   rrouveras  pas  1 

Die  „Memoires  de  lAcademie  celtique.  ou  Recherches 
55  sur  les  anti<iuites  |  celti(|ues,  gauloises  et  francaises:  publies 
par  FAcademie  celtique'',  Tome  II.  Paris  isos,  pag.  204 — 21S, 
enthalten  ,,Traditions  et  usages  de  la  Sologne  ^),  par  M.  Le- 
gier, du  Loiret.  Fx-Legislateur.  et  Membre  de  lAcademie 
celtique".     Nr.  II  derselben  (S.  204  f.)  lautet: 

Le  rossignol  et  l'anvot.  suivant  la  croyance  des  Solog- 
nots,   navaient    (|u"un    oeil    chacun.     Depuis    tres-long   tems 


')  Die  Soh)g'ne   liegt  im   Departement   I.oir-Cher. 


9.     Kill  ansclicinoiul   doutsclieh  i\Iäi'i'hen   von   der  Ntu-litigiiU.       75 

ils  vivaieiit  (laus  ime  bonne  iutelligence:  mais  le  rossignol  fiit  im 
joiir  iiivite  de  la  uoee.  11  pria  lanvot  le  liii  preter  soii  oeil, 
afin  de  paraitre  a  la  noce  avec  deux  yeux.  I/anvot  le  liii  i)reta. 
Le  rossignol  de  retour,  refusa  de  reudre  ä  son  ami  l'oeil 
([u"il  lui  avait  prete.  Lauvot  Üäelie  jura  de  s'en  veuger  sur 
lui  ou  sur  sa  progeniture.  Mais  le  rossignol  ingrat  lui  re- 
pondit:  .le  ferai  mou  nid  si  haut,  si  haut,  si  haut,  si  bas, 
que  tu  ue  le  trouveras  pas:  et  voilä  pourcpioi  lanvot  ne 
voit  pas  C'lair.  Lopinion  des  Solognots  est  ((ue  non  loin  du 
nid  dun  rossignol.  souvent  sous  larbuste  ou  il  est.  on  peut 
chercher,  on  y  trouvera  certainement  un  anvot:  jai  cherche 
et  nai  rien  trouve. 

Wenn  die  Brüder  (irimni  auch  noch  auf  ,.T.  4,  lO'i"-' 
der  Memoires  de  TAcademie  eeltique  hinweisen,  so  bezieht 
sich  dies  auf  eine  Stelle  einer  Bd.  IV,  Paris  iSOi),  S.  i)8— 108, 
stehenden  „Notice  sur  les  traditions  et  les  croyances  de  la 
Sologne  et  du  Berri :  par  M.  Legier,  du  Loiret.  Suite"  ^). 
Hierin  lieisst  es  S.  100: 

La  fable  druidicjue  relative  a  lanvot  et  au  rossignol.  y 
[i.  e.  en  Berri]  est  accreditee  comnie  a  Sologne.  et  citee 
menie  comme  proverbe.  sans  (biute  parce  (juelle  tieut  ä  la 
fois  aux  allegories  du  <hHiidisine  et  ä  la  niorale.  Par  ce 
double  rapport.  nous  avons  cru.  M.  Johanneau  et  nioi.  (pielle 
meritait  detre  versitiee.  et  nous  lavons  niis  en  vers:  la  voici. 

Nun  folgt  (S.  100 — lO'i)  die  versificierte  P'abel.  welche 
also  schliesst: 

Aveugle   et   iiiallieureux  par   tro])   de   eomplaisaiice, 
Depiiis  ce  teiiis  i'Aiivdt  caehe  son  existence 
Sous  le  nid  de   Tiiigrat;  attend  dans  le  silenee 
L'inistant  de  se   venger  de   Foeil   qu'il   a   perdu, 
En  mangeant  Toeuf  que  le   traitre  a  ])oiidu. 

Unter  dem  Text  steht  zu  „lingrat"  die  Anmerkung:  (  ^) 
On  dit  (|u"il  se  trouve  toujours  un  Anvot  sous  le  nid  du 
Rossignol,  et  (juil  en  perce  et  mange  les  oeufs.    — 

Es  sei  noch  bemerkt,  dass  auch  in  neuerer  ZeiJI  in  ver-        t 


')  8.   9:H    und   \m    ist  Legier  gedruckt,    im   2.    Hand    ist  S.  204   und 
471   Legier  8.  4(i8  Legier  gedruckt. 


7(5  Zur  Märchenforschung. 

schiedenen  Gegenden  Frankreichs  Varianten  des  Märchens 
von  der  Nachtigall  und  der  Blindschleiche  gefunden  und  auf- 
gezeichnet worden  sind.  Man  sehe  Laisnel  de  la  Salle, 
Croyances  et  Legendes  du  Centre  de  la  France,  Paris  1875, 
2,  245  (Märchen  aus  Berry,  schon  früher  nach  Laisnels  Mit- 
56  teilung  in  |  des  Grafen  Jaubert  Glossaire  du  Centre  de  la 
France,  2.  ed.,  Paris  1.S64,  S.  31  b  gedruckt),  Fievue  des 
langues  romanes  IV,  Montpellier- Paris  1<S7)3,  S.  317  f. 
(Märchen  aus  der  Provence);  E.  Rolland,  Faune  populaire  de 
la  France,  11.  Paris  1S79,  S.  270  (Märchen  aus  Chätillon- 
sur-Loing  im  Departement  Loiret),  111,  Paris  1<S<S1,  S.  21 
(Märchen  aus  Cote-dor)  und  22  (Märchen  aus  dem  Kanton 
Escurolles  in  Bourbonnais),  Revue  des  traditions  populaires 
I.  Paris  188G,  S.  177  (Märchen  aus  Nivernais). 


10.  Tom-Tit-Tot. 

(Folk-Lore   2,  246.     London    1891.) 

To  the  Editor  of  Folk-Lore. 

Sir,  With  regard  to  the  note  of  Mr.  W.  F.  Kirby  ^)  in 
F(dk-Lore  (vol.  2,  p.  132),  I  would  point  out  the  following 
remark  of  E.  Taylor  to  his  translation  of  the  Grimms'  folk- 
tale,  "Rumpelstilzchen"  (which  \v(ird  he  changed  into  "Rum- 
pelstiltskin"):  "We  remember  to  liave  lieard  a  similar  story 
from  Ireland,  in  which  the  song  ran: 

Little   does  my   Lady   wot 
That  my  name   is  Trit-a-Trot". 

1  drew  attentiou  to  this  remark  of  Tavlors  so  lona:  aso 


')  [Dieser  hatte  als  Xarlitrai;'  zu  t'lodds  Artikel  über  das  3Iäroheu 
von  Riimj)elstilzclieu  (im  Folk-Lore  Journal  7,  138 — 143)  einige  Verse 
beigebracht,  in  denen  der  Name  des  schadenfrohen  Zwerges  Trit-a-trot 
lautet.) 


10.    Tom-Tit-Tot.   —    11.  Zu  Rabelais.  77 

as  ISTO,  in  my  notes  to  p.  Sl   of  (ionzeiibaclis  „Siciliauiselie 
Märchen-',    whirli    Mr.  E.  Clorhl  appears  to  liave  overlooked. 
Weimar,  Manh   14.  1S91. 

Reinhard   l!]   Kö liier. 


11.   Zu  Rabelais. 

(Jalirbufh  für   roniimisrlu'  Littoiatur  :!,  33<s — 839.      18til.) 

Den  Freunden  Kabelais"  ist  jener  ergötzliehe  Schwank 
wohl  bekannt,  wie  ein  Teufel  im  Laude  der  Papefigues  erst 
von  einem  Bauer  und  dann  von  dessen  Frau  angeführt  wird 
(La  vie  de  Gargantua  et  de  Pantagruel  livr,  4,  chap.  45 — 47), 
—  ein  Schwank,  den  bekanntlich  Lafontaine  in  seinem  „diable 
de  Papeüguiere"  zum  teil  mit  wörtlicher  Pienutzung  Rabelais" 
nacherzählt  hat. 

^lit  dem  ersten  Teile  des  Schwankes  stimmen  mehr  (Mlrr 
weniger  genau  deutsche,  dänische  und  elistnische  Märchen, 
die  in  dem  dritten  Bande  der  Kinder-  und  Hausmärchen  der 
Brüder  Grimm,  3.  Aufl.,  S.  25!)  f.  |zu  Nr.  1<S9J  verglichen  sind 
und  zu  denen  man  noch  die  Krzählung  von  Till  luilenspiegel 
und  den  Schöffen  zu  Dahnen  in  der  Eifel.  die  von  Schmitz 
in  den  Sitten  und  Sagen,  Liedern,  Sprichwörtern  und  Rätseln 
des  Eifler  Volkes  2,  14'2  f..  mitgeteilt  ist,  fügen  kann.  Der 
zweite  Teil  des  Schwankes  aber,  dass  nämlich  der  Teufel  mit 
dem  Bauer  sich  kratzen  will,  aber  durch  die  List  der  Bäuerin 
abgeschreckt  wird,  findet  sich  nur  in  dem  Märchen  bei  Müllen- 
hoff,  Sagen,  Märchen  und  Lieder  der  Herzogtümer  Schleswig. 
Holstein  und  Lauenburg  S.  '278,  und  zwar  in  anderer,  nicht 
in  obscöner  Weise  wie  bei  Rabelais.  Die  Bäuerin  zeigt 
nämlich  in  jenem  Märchen  dem  Teufel  einen  grossen  Riss  in 
ihrem  eichenen  Tische,  den  ihr  Mann  mit  dem  Nagel  seines 
kleinen  Fingers  gemacht  habe.  Auf  die  Frage  aber,  wo  er 
jetzt  sei,  sagt  sie,  dass  er  sich  beim  Schmiede  die  Nägel 
schärfen  lasse.     Ebenso   soll  bei  Rabelais  jener  freilich  ganz 


7^  Zur   Märcliciit'urst'hunm'. 

andere  Kiss  auch  vom  Bauer  mit  dem  kleinen  Finger  gemaclit 
339  sein,  [  und  die   Bäuerin   versichert   dem  '['eufel:    „Kncores  est 
il  alle  chez  le  mareschal.  soy  faire  aigiiiser  et  api)oincter  les 
griphes". 

Dass  aber  Rabelais  die  allerdings  nicht  so  anständige 
Art,  wie  seine  Bäuerin  den  Teufel  täuscht,  nicht  etwa  in 
seiner  mutwilligen  Laune  selbst  erfunden,  sondern  dass  er  sie 
—  wie  den  ganzen  Schwank  ülierhaupt  —  dem  Volksmunde 
oder  einer  bis  jetzt  nicht  bekannten  litterarischen  Quelle  ent- 
nommen hat,  geht  aus  einer  alteu  indischen  Erzählung  hervcu-, 
die  H.  Brockhaus  soeben  aus  dem  se(d]sten  Buche  der  Samm- 
lung des  Sonuideva  in  den  Berichten  über  die  Verhandlungen 
der  königl.  sächsischen  (lesellschaft  der  Wissenschaften  zu 
Leipzig  philologisch-historische  Klasse,  1<S60,  S.  120  f.  mit- 
geteilt hat  [Castriert  bei  Tawney,  Kathasaritsagara  1,  255]. 
Somadeva  erzählt  von  einem  armen  Brahmanen,  der  sich 
beim  Hiflzhaueii  am  Beine  verwundet  hat.  Die  Wunde  will 
nicht  heilen,  und  ein  Bekannter  rät  dem  Leideiulen,  sich 
einen  l'isätscha  (eine  Art  Dämojien)  zu  gewinnen,  der  ihm 
die  Wunde  heilen  werde.  Der  Brahmane  gewinnt  sich  den 
Pisätscha  und  wird  von  ihm  bald  geheilt.  Kaum  aber  ist 
dies  geschehen,  so  verlaugt  der  Dännm  ihm  eine  zweite  solche 
Wunde  zum  Heilen  binnen  sieben  Tagen  zu  verschaffen;  wo 
nicht,  so  droht  er  den  Brahmanen  umzubringen.  Der  Brah- 
mane ist  tief  betrül)t.  Als  aber  seine  Tochter,  die  bereits 
Witwe  ist,  den  (irund  seines  Kummers  erfährt,  sagt  sie: 
„Ich  will  den  Däir.on  schon  täuschen:  gehe  nur  zu  ihm  hin 
uml  sage  ihm.  er  solle  die  Wunde  deiner  Tochter  heilen'-'. 
Der  Bralnnane  thnt  dies  und  bringt  den  Dämon  zu  seiner 
Tochter,  die  ihn  bei  Seite  führt  und  ihm  das  zeigt,  was  die 
Bäuerin  bei  Rabelais  dem  Teufel  zeigt,  und  zu  ihm  sagt: 
„O  Lieber,  heile  mir  diese  Wunde!"  Der  dumme  Dämon 
wendet  alle  möglichen  Salben  an,  aber  der  Riss  will  nicht 
heilen.  Nach  mehreren  Tagen  verdriesslich,  dass  immer  noch 
keine  Heilung  erfolgt,  stellt  er  eine  genaue  Untersuchung  au 
und  findet  zu  seinem  Schrecken  unter  dem  einen  Riss  noch 
einen   zweiten.     Da    ruft  er  aus:    ,,Was?  die  eine  Wunde  ist 


12.    VolUhiniirclu'u   aus   Frankreich:  C.   ^hmcaiit.  71> 

noch  nicht  gelieilt.  und  schon  ist  eine  zweite  da!  mit  Recht 
sagt  das  Sprichwort:  je  unnützer,  desto  nielir".  Hierauf 
läuft  er  eilig  fort:  der  IJrahmane  aber  leht  vou  da  gesund 
und  in  Freuden. 

Die  Aehnlichkeit  heider  Krzidduugen  ist  so  gross,  dass 
wir.  auch  ohne  die  Mittelglieder  der  Tradition  bis  jetzt  weiter 
nachweisen  zu  können,  auch  hier  Indien  als  das  Geburtsland 
der  abendländischen  Erzählung  betrachten  dürfen.  [Bolte, 
Zs.  f.  vergl.  Littgesch.  7,  45(1  und  11,  70,  Zs.  d.  V.  f.  Volksk. 
8,  22  ^  Martin,  Observations  sur  le  roman  de  Renart  p.  98, 
Korrbl.  d.  Y.  f.  niederdtsch.  Sprachf.   U,  22.  35.  | 


12.   Volksmärchen  aus  Frankreich. 

(Jahrbiu'li  für  romanisflie  Litteratur  ö,   1 — 25.   1S6S.) 

In  Frankreich  war  bisher  für  die  Sammlung  der  noch  in 
den  Provinzen  im  Volksmuud  umlaufenden  Märchen  mit  Aus- 
nahme der  Bretagne,  wo  Emile  Souvestre  gesammelt  hat. 
wenig  oder  nichts  geschehen.  Um  so  erfreulicher  ist  es,  dass 
wir  jßtzt  auf  zwei  in  allerneuster  Zeit  erschienene  derartige 
Sammlungen  aufmerksam  machen  können.  Herr  Cenac 
Moncaut  hat  uns  mit  einer  Märchensammlung  aus  der  Gas- 
cogne,  seinem  Vaterlande,  beschenkt ')  und  Herr  E.  Beauvois 
hat  einer  verdienstlichen  Uebersetzung  norwegischer  und 
finnischer  Märchen  vier  Märchen  aus  seiner  Heimat,  der  Cöte 


')  Contes  populaires  de  la  Grascogne  par  Cenac  Moncaut.  Paris, 
E.  Dentu,  1861.  —  Acht  von  den  Märchen  hatte  Cenac  Moncaut  in 
seiner  Voyage  archeologique  et  historique  dans  les  anciens  comtes 
d'Astarac  et  de  Pardiac,  suivi  d'un  essai  sur  la  langue  et  la  litterature 
gasconne,  Paris,  Didron,  1856,  S.  191 — 249  schon  erzählt,  worin  auch 
S.  137 — 190  interessante  gascognische  Lieder  mitgeteilt  sind. 


^0  Zur  Märclienforsrhuii';'. 

(rOr  in  BurguiKl.  zur  Probe  und  um  zu  weiteren  Sammlungen 
in  Burgund  anzuregen,  beigegeben^). 

Der  gaseoguische  Sammler  sagt  uns  in  der  Vorrede  nur, 
dass  er  die  Märchen  auf  dem  I^and  in  Gascogne  gesammelt 
2  habe.  Näheres  über  die  Erzähler  erfahren  wir  !  leider  nicht. 
Er  teilt  die  zwanzig  Märchen  in  vier  (iruppen.  die  von  einer 
Grossmutter  beim  Kamin  den  Kindern,  von  einem  Wild- 
schützen den  rastenden  Feldarbeitern,  von  einer  jungea  Hirtin 
ihren  Gefährtinnen  und  von  einem  alten  Landmanne  dem 
Gesinde  beim  Lein-  und  Hanfklopfen  erzählt  werden.  Er 
erzählt  ansprechend  und  bringt  zuweilen  geschickt  echt  volks- 
mässige  Wendungen  an,  doch  hätte  er  noch  einfacher  und 
kürzer  erzählen  können  und  manchen  Aufputz,  der  den  ge- 
bildeten Erzähler  verrät,  weglassen  müssen.  Indem  ich  im 
folgenden  einen  möglichst  gedrängten  Auszug  der  Märchen 
und  Erzählungen  gebe,  füge  ich  zugleich  —  was  der  fran- 
zösische Herausgeber  durchaus  nicht  gethan  hat  —  eine  Ver- 
gleichung  verwandter  Märchen  bei. 

S.  5.  Kira  bien  (|ui  rira  le  dernier. 
Jean  du  Boucau  tritt't  vor  der  kleinen  Stadt  Andaye 
einen  Menschen,  der  wie  tot  daliegt  und  von  den  Vorüber- 
gehenden mit  F'usstritten  misshandelt  wird.  Er  bestellt  einen 
Sarg  und  will  den  Leichnam  bestatten.  Als  er  ihn  aber  in 
den  Sarg  legen  will,  erhebt  sich  der  Totgeglaubte  und  er- 
zählt ihm,  dass  er  ein  sehr  verschuldeter  Mann  sei,  der  sich 
tot  gestellt  habe,  um  seine  Gläubiger  zu  hintergehen  und, 
da  sie  ihn  ohne  Sarg  und  nicht  tief  eingescharrt  haben  würden, 
Nachts  zu  fliehen.  Jean  giebt  ihm  eine  grosse  Geldsumme, 
mit  der  Uartia  seine  Gläubiger  bezahlt.  Nach  mehreren 
Jahren  nimmt  Jean,  der  auf  Korsarenschifte  Jagd  macht,  ein 
Schilf  mit  vielen  christlichen  (Jefangenen,  darunter  zwei  Prin- 


*)  Contes  populaires  de  la  Jsurvege,  de  la  Fiulaiule  et  de  la  Bour- 
gogne,  suivis  de  poesies  norvegiennes  imitees  en  vers  avec  des  iiitro- 
duftions  par  E.  Beaiivois,  Secretaire  de  la  Societe  d'ethnographie  de 
Paris,  meinbre  de  la  Societe  de  litterature  ttnnoise  a  Helsingfors.  Paris, 
E.  Deutu,  1862. 


12.    Yolksniiu-flien   aus  Frankreicli :    Monvaut.  gj 

zessiimen:  Kapitän  (le>s  Räuberschiffes  ist  Unrtia.  Jean  führt 
ihn  ans  Land  nacli  An(hiye,  findet  dort  jenen  Sarg  noch,  den 
ein  Landbauer  als  Trog  benutzt,  steckt  L'artia  hinein  und 
wirft  ilin  so  ins  Meer. 

Hier  haben  wir  eine  der  ärgsten  Entstellungen  eines 
Märchenstoffes,  die  es  nur  geben  kann,  des  Märchens  nämlich 
von  dem  dankbaren  Toten,  über  welches  ich  im  Anschluss 
an  Simrocks  Ibich  „Der  gute  Gerhard  und  die  dankbaren 
Toten"  in  Pfeiffers  (Jermania  ;^,  1!)9  [oben  S.  5j.  wo  ich  besonders 
auf  das  französische  Märchen  von  |  -lean  von  Calais  aufmerksam  >j 
gemacht  habe,  und  neuerdings  in  meiner  Anzeige  von  Camp- 
bells  gälischen  Märchen  (populär  tales  of  the  West  Highlauds) 
im  zweiten  Band  von  Benfeys  Orient  und  Occident  zu  Nr.  32 
der  Märcheu  ausführlich  gehandelt  habe. 

S.   14.     La  defroque  de  la  grandmere. 
Moralische  Erzählung  von  drei  Enkeln,  die  durch  Stücke 
aus   dem  Nachlass    ihrer   braven  (irossmutter   au  die  letztere 
erinnert  und  dadurch  teilweise  vou  Sünden  abgehalten  werden. 

S.  32.     Maitre  Jean  l'habile  liomnie. 

Jean  schickt  am  Morgen  nach  der  Hochzeit  seine  ein- 
fältige Frau  nach  Wasser.  Sie  kehrt  nicht  zurück,  er  schickt 
ihr  die  Mutter,  dann  den  Vater  nach.  Endlich  geht  er  selbst 
zur  Quelle  und  triff't  die  drei  in  eifrigem  (lespräche  darüber, 
woher  sie  die  etwa  später  notwendige  Wiege  sich  verschaffen 
sollen.  Jean  zieht  nun  aus  und  erklärt  nicht  eher  heimzu- 
kehren, als  bis  er  drei  ebenso  dumme  Leute  gefunden.  Er 
trift"t  aber  sehr  bald  eine  Frau,  die  ihr  Schwein  mit  dem 
Prügel  auf  eine  Eiche  zu  treiben  versucht,  statt  dass  sie  ihm 
die  Eicheln  herabschlägt,  eine  andere,  die  mit  einer  Heugabel 
statt  mit  einer  Schaufel  Nüsse  in  den  Speicher  zu  schaufeln 
sich  abmüht,  und  endlich  eine  dritte,  die  ihrem  alten, 
schwachen  Manne  die  Hosen  nicht  anzuziehen  vermag,  weil 
sie  beide  Beine  zugleich  darein  bringen  will. 

Ganz  ähnlich  ist  ein  Märchen  der  Sachsen  in  Sieben- 
bürgen (Haltrich,   Deutsche  Volksmärchen   aus   dem  Sachsen- 

R.  Kühler,    Kl.  Schriften.     I.  »i 


82  Zur  Märchenforficliung. 

lande  in  Siebenbürgen,  Nr.  6G),  wo  die  Frau  und  ihre  Eltern 
in  ähnlicher  Weise  sich  albern  benehmen  und  der  Mann  aus- 
zieht um  zu  sehen,  ob  es  noch  solche  Dumme  giebt.  Er  findet 
drei  und  darunter,  wie  im  französischen  Märchen,  auch  eine 
Frau,  die  ihrem  Manne  die  Hosen  zugleich  an  beide  Beine 
anziehen  will.  Aehnlich  im  ganzen  sind  auch  die  gälischen 
Märchen  Nr.  20  und  besonders  48  bei  Campbell  und  der  An- 
fang des  Märchens  84  bei  Grimm  [Schneller  Nr.  56,  Strackerjan 
2,  391,  Beauquier  1897  p.  291.]  | 

S.  39.     Clairette  ou  la  chasse  aux  maris. 

Clairette  sucht  einen  Mann  zu  bekommen ;  es  missglückt 
ihr  aber,  so  lange  sie  nur  Aeusserlichkeiten  ihrer  glücklicheren 
Freundinnen  nachahmt. 

S.  50.     Le  meunier  et  le  mar((uis. 

Der  Marquis  von  Loubersan,  Ecuyer  Ludwig  XVI.,  giebt 
seinem  Erzpriester  auf  seinem  (inte  vier  Fragen  zu  raten 
auf,  wo  der  Mittelpunkt  der  Welt  sei,  wie  viel  der  Marquis 
wert  sei,  was  er  denke  und  welche  Zahl  iu  zwei  Eiern  ein- 
geschlossen sei.  Der  Müller  verkleidet  sich  für  den  Priester 
und  beantwortet  die  Fragen. 

Hier  haben  wir  den  bekannten  Schwank  von  den  (drei 
oder  vier)  Fragen,  die  einem  aufgegeben  werden  und  die  eiu 
dritter,  der  jenes  Kleidung  anlegt,  für  ihn  beantwortet.  (Vgl. 
meine  Nachweise  im  Orient  und  Occident  1,  439  [zu  Nasr- 
eddin  Nr.  70]  und  CampbelFs  gälische  Märchen  Nr.  50.) 

Die  drei  ersten  F'ragen  beantwortet  der  Müller  in  der 
bekannten  Weise.  AVas  die  vierte,  dem  gascognischen  eigene 
Frage  betritt't,  so  erklärt  er,  zwei  Eier  seien  eben  nur  zwei 
Eier.  Der  Marquis  aber  behauptet,  wo  zwei  sei,  da  sei  auch 
eins,  eins  und  zwei  mache  drei,  also  seien  es  drei  Eier. 
AVohlan,  sagt  da  der  Müller,  so  nehme  ich  die  beiden  Eier, 
die  da  liegen,  der  Herr  Marquis  behalte  das  dritte  [Luscinius 
Nr.  3(i  (Arch.  f.  Littgesch.  11,  37),  Sommer,  Emplastrum 
Corneliamiin   1()05  [».  19,   Landorf,  Wissbadisch  Wisenbrünlein 


12.    Volksmärchen   aus  Frankreich:  Moncaut.  ^3 

•J.  INr.  4S.    Heydfeld,   Sph.    philosoph.    p.  .37"2,  Doetae   nugae 
1718  p.    KS9]. 

S.  57.     I.e  sae  de  La  Ramee. 

La  Ramee,  ein  wandernder  Krämer,  erhält  von  St.  Peter, 
der  ihm  zweimal  als  Bettler  begegnet  und  dem  er  beidemal 
ein  Almosen  gegeben  hat,  einen  ledernen  Sack,  in  den  er 
alles  hineinwiinschen  kann.  Als  er  gestorben,  will  ihn  St. 
Peter,  weil  er  den  Sack  oft  gemiss braucht  und  fremdes 
Eigentum  durch  ihn  sich  angeeignet  hat,  nicht  ins  Paradies 
lassen,  aber  La  Ramee  wirft  den  Sack  ins  Paradies  und 
wünscht  sich  dann  in  den  Sack. 

[Vgl.  weiter  unten  zu  Widter-Wolf  Nr.  7  und  14,  Deulin, 
Contes  dn  roi  Cambrinus  p.  111:  ,Le  sac  de  La  Ramee',  La 
Ramee  Soldatenname  bei  Cosquin  Nr.  31;  83,  Comparetti 
Nr.  49,  II  Ramaio%  Caruoy  Nr.  11  ,Bras  dacier,  Webster 
p.  195,  199,  Ortoli  p.  155,  Jecklin  1,  HS.  Jahrzeitbucli 
der  Leutkircher  von  Aaran  hsg.  von  Hunziker  S.  IK!  .,lo- 
liannes  Springinsack'.] 

Im  deutschen  Märchen  vom  Bruder  Lustig,  Grimm 
Nr.  81  und  Bd.  3,  S.  133,  Meier  Volksmärchen  aus  Schwaben 
Nr.  62,  erhält  der  Bruder  Lustig  von  St.  Peter  einen  Ranzen, 
wie  La  Ramee,  und  kommt  dann  auf  gleiclie  Weise  trotz 
St  .Peter  in  den  Himmel.  Ebenso  |  in  einem  schwäbischen  5 
Märchen,  Meier  Nr.  78,  wo  ein  Handwerksbursch  von  St.  Peter 
einen  Sack  erhält,  in  den  alles  hineinmuss,  zu  dem  er  sagt: 
Hui  in  meinen  Sack!  Znletzt  wirft  er  den  Sack  in  den 
Himmel  und  sagt  zu  sich  selbst:  Hui  in  meinen  Sack!  Vgl. 
auch  die  Märchen  bei  Pröhle,  Kindermärchen  Nr.  16,  Ey  Harz- 
märchenbuch S.  118,  Zingerle  Kinder-  und  Hausmärchen  aus 
Süddeutschland  S.  43. 

Ein  andalusisches  (Caballero  cuentos  y  poesias  popu- 
läres andaluces,  Leipzig  1861,  S.  75;  F.  Wolf  Beiträge  zur 
spanischen  Volkspoesie  aus  den  Werken  F.  Caballeros  S.  74) 
und  ein  böhmisches  Märclien  (AValdau  böhmisches  Märchen- 
buch, Prag  1860,  S,  52())  haben  den  eigenen  Schluss.  dass 
der  Besitzer   des  Ranzen    oder  Sackes,   im   andalusischen    ein 

6* 


g4  Zur  Märchenforschung. 

abgedankter  Soldat,  Juan  Soldado,  im  Böhmischen  ein  armer 
Besenmacher,  Pipän,  als  ihn  St.  Peter  nicht  einh^sseu  will, 
den  Heiligen  selbst  in  den  Ranzen  oder  Sack  wünscht  [Arch. 
f.  slav.  Phil.  5,  652]. 

In  den  meisten  der  genannten  Märchen  hat  sich  der  Be- 
sitzer des  Sackes  oder  Ranzen  durch  seinen  Sack  den  Teufeln 
sehr  gefährlich  gezeigt  und  erhält  deshalb  zuerst  keinen  Ein- 
lass  in  die  Hölle,  worauf  er  sein  Glück  im  Himmel  versucht. 
So  greift  das  Märchen  über  in  das  Märchen  von  dem  Schmiede 
und  dem  Teufel  oder  dem  Tod,  worüber  man  Grimm  zu 
Nr.  82  vergleiche.  In  unserem  gascoguischen  Märchen  fehlen 
Teufel  und  Hölle. 

S.  69.     Ramonet  ou  les  peches  capitaux. 
Lange,  unbedeutende  und  wohl  ziemlich  neue  Geschichte 
von   einem   alten  Fischer,    der    sich   an    drei   Feinden,    einem 
Gourmand,     einem    Eingebildeten     und     einem    Haljsüchtigen 
rächt,  indem  er  jeden  derselben  anführt. 

S.  90.  J  u a  n  - 1  e  -  f a i  n  e  a  n  t. 
Eiu  auf  seine  Klugheit  sehr  eingebildeter  Gutsbesitzer 
fragt,  indem  er  zu  Pferde  vor  der  Thür  der  Meierei  hält, 
einen  seiner  Arbeiter,  der  im  Haus  vor  dem  Heerde  liegt: 
Bist  du  allein  im  Haus?  Jetzt  nicht,  antwortet  Juan,  denn 
ich  sehe  die  Hälfte  von  zwei  Vierfüsslern !  Was  machst  du? 
f)  fragt  der  Herr.  Ich  koche  Gehende  und  |  Kommende  (Je  fais 
cuire  des  allants  et  des  venants).  Was  macht  dein  Bruder? 
Er  jagt;  was  er  fängt,  wirft  er  weg;  was  er  nicht  fängt,  trägt 
er  fort.  Was  macht  deine  Mutter?  Vor  Tages  Anbruch  buk 
sie  das  Brot,  das  wir  vorige  Woche  gegessen  haben,  am 
Morgen  schnitt  sie  den  Gesunden  die  Köpfe  ab,  um  die 
Kranken  gesund  zu  machen,  jetzt  schlägt  sie  die  Hungrigen 
und  zwingt  die  Satten  zu  essen.  Was  macht  dein  Vater? 
Er  ist  im  \yeinberg  und  thut  Gutes  und  Böses.  Der  Herr 
versteht  die  Antworten  nicht  und  geht  erzürnt  zum  Vater  des 
Burscheu,  der  sie  ihm  auslegt.  Der  Bursche  sieht  hiernach 
die    beiden   Beine    des   Herrn  uiul   die   zwei    Vorderfüsse   des 


12.    Volksmärchen   aus  Frankreich:  Moncaut.  g5 

Pferdes.  Er  kocht  Bohnen,  die  im  kochenden  Wasser  anf- 
iind  absteigen,  kommen  nnd  gehen.  Der  Bruder  hiust  sich 
und  wirft  die  gefangenen  Läuse  weg,  die  nicht  gefangenen 
trägt  er  mit  sich  fort.  Die  Mutter  bäckt  Brot  für  die  Nach- 
barn, von  denen  sie  vorher  Brot  geborgt  hatte,  das  inzwischen 
gegessen  worden  ist;  sie  sclilachtet  junge  Hühner  für  ihre 
kranke  Mutter;  sie  verscheucht  die  hungrigen  Hühner  und 
nudelt  die  Gänse.  Der  Vater  beschneidet  die  Weinstöcke, 
und  indem  er  dabei  manche  gute  Rebe  mit  wegs(;hneidet, 
manche  schlechte  nicht  berührt,  thut  er  (iutes  und  Böses. 
Der  Herr  giebt  nun  dem  Juan  drei  Aufgaben  auf;  wenn  er 
sie  nicht  löst,  soll  er  vom  Hofe  weggejagt  werden.  Erstlich 
soll  er  mit  einem  anderen  Knechte  um  die  Wette  essen; 
zweitens  mit  einem  dritten  um  die  Wette  w'erfen,  drittens 
eine  Eiche  so  mit  einem  Steine  treffen,  dass  sie  blute.  Juan 
siegt  im  Esswettkampf,  indem  er  den  Brei  nicht  isst,  sondern 
unbemerkt  in  seine  Bluse  si-liüttet.  Im  Werfen  siegt  er, 
indem  er  statt  eines  Steines  unbemerkt  einen  Vogel  in  die 
lAift  wirft.  Dass  die  Eiche  zu  bluten  scheint,  bewirkt  er, 
indem  er  ein  Ei  auf  sie  wirft  ^).  Trotzdem  dass  Juan  somit 
gesiegt  hat,  jagt  ihn  sein  Herr  doch  fort.  Aber  nach  einigen 
Monaten  kommt  er  als  vornehmer  Herr  wieder  |  und  erklärt,  7 
er  sei  ein  Verkäufer  von  Sachen,  die  nichts  kosten,  geworden, 
(1.  h.  ein  Dieb.  Der  Herr  verlangt  nun  von  ihm,  er  solle 
ihm  die  Nacht  sein  Pferd  stehlen.  Juan  führt  dies  aus.  indem 
er  dem  Herrn  in  einigen  vermeintlichen  Priesen  Schnupftabak 
Schlafpulver  beigebracht  liat,  sodass  dieser,  der  die  Nacht 
im  Stalle  auf  seinem  Pferde  zubringt,  auf  dem  Pferde  ein- 
schläft und  Juan  ihm  das  Tier  unter  den  Beinen  wegstiehlt. 
In  diesem  Märchen  [vgl.  Blade  l.siw  p.  14  Nr.  6  =  1886 
;i  5;  oben  S.  50]  haben  wir  lose  verbundene  Teile  mehrerer 
sonst  nicht  zusammengehörender  Miirchen.  Der  Wettkampf, 
wer  am  meisten  isst  und  am  weitesten  warft,   ist  aus  dem 


^)  Der  andere  Kncclit  sai;-t  zum  Herrn,  als  der  verlangt,  dass  sie 
den  Baum  blutig  werfen  sollen  :  Prenez-vous  cet  arbre  pour  un  eriminel 
digne  d'etre  lapide  ?  Songez,  que  Dieu  le  baptise  toutes  les  fois  qu'il 
pleut;  il  est  trop  bon  chretien  pour  que  le  ciel  ne  prenne  pas  sa  defense 


36  Zur  Märchenforschung. 

weitverbreiteten  Märchen  entnommen  von  dem  Riesen  oder 
einem  ähnlichen  Wesen  (einem  Tenfel  bei  Haltrich  Nr.  27 
[und  Ziugerle  Nr.  18],  einem  Ghul  in  dem  persischen  in 
Kletkes  Märchensaal  3,  54),  der  von  einem  schwachen 
Menschen,  zuweilen  einem  Knaben,  meist  einem  Schneider, 
einmal  (bei  Haltrich)  einem  Schulmeister,  überlistet  wird, 
[Widter-Wolf  Nr.  2,  Jahrb.  8.  258,  Gonzenbach  Nr.  41]  und 
zwar  findet  sich  das  Werfen  des  Vogels  statt  des  Steines 
bei  Grimm  Nr.  20,  Müllenhoff  Sagen,  Märchen  und  Lieder 
aus  Schleswig  S.  442,  Kuhn  Märkische  Sagen  und  Märchen 
Nr.  11,  Schönwerth  Aus  der  Oberpfalz  2,  280,  Haltrich  Nr.  27 
[Zingerle  1,  Nr.  29,  Pogatschnigg,  Carinthia  1865,  356,  Bir- 
linger  1,  356,  Schmitz  2,  143,  Bartsch  1,  501,  Kamp 
p.  235,  Soge-Bundel  S.  2S.  Cosquin  Nr.  25,  Cerquand  3,  40, 
Webster  p.  6,  Schneller  Nr.  53,  54,  Gianandrea  Nr.  7].  In 
dem  schwedischen  Märchen  bei  Hylten  -  Cavallius  und 
G.  Stephens  (Schwedisclie  Volkssagen  und  Märchen,  deutscii 
von  Oberleitner,  Nr.  1  a)  wirft  der  Riese  ein  Beil  in  die  Luft, 
der  Hirtenknabe  wirft  sein  Beil  rückwärts  in  seinen  Sack, 
während  der  Riese  glaubt,  er  habe  es  so  hoch  geworfen,  dass 
es  gar  nicht  wieder  herabfalle.  Das  Essen  um  die  Wette 
kommt  vor  bei  MülleuhoÜ',  Hylten-Cavalliiis;  Asbjörnsen  und 
Moe  Norske  Folkeeventyr  Nr.  (>.  im  englisclien  Märchen  vom 
Riesentöter  Jack  bei  Halliwell  populär  rhynies  and  nursery 
tales  S.  67  und  in  (Mueni  gälischen  bei  Campbell  Nr.  45 
[Widter-Wolf  Nr.  2,  Lütolf  S.  501,  Strackerjan  1,  409,  Kamp 
p.  239,  Kristensen  Nr.  34,  Jecklin  2,  121,  Gonzenbach  Nr.  41, 
Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  6,  76],  in  welchen  Märchen  allen  der 
Listige  den  vorgebundenen  Sack  oder  dergleichen  zuletzt  sich 
aufschneidet,  um  sich  zu  erleichtern,  was  der  Riese  an  seinem 
Leibe  nachmacht  und  so  umkommt,  ein  Zug,  der  im  gascog- 
nischen  fehlt.  Eigen  ist  dem  gascognischen  Märchen  die 
Aufgabe,  aus  einem  Baume  durch  den  Wurf  Blut  ttiessen  zu 
8  machen  [Cos(|uin  Nr.  25 1.  Vielleicht  ist  dies  Entstellung  |  des 
in  den  meisten  hierhergehörigen  Märchen  (Grimm,  Müllenhofl'. 
Kuhn,  Schönwerth,  Fleier  Volksm.  aus  Schwaben  Nr.  37  |I)ir- 
linger.   Bartsch,   Lütolf.    Pogatschnigg,   Kani|)  235.    Kristensen 


12.    Volksmärchen  aus  Frankreich:  Moncaut.  !>^7 

Nr.  35,  Bergh  Sogur  22,  Soge-Bundel  2i),  Wiuter-Hjelm  164, 
Cerquand]  Haltrich,  Etlar  Eventyr  fra  Jylland  S.  20,  Hylten- 
Cavallius,  San-Marte  Beiträge  zur  bretoii.  Heldensage  S.  143) 
vorkommenden  Zuges,  dass  der  Riese  aus  einem  Steine  Wasser 
herausdrückt,  was  der  Mensch  ihm  mit  einem  Käse,  im  per- 
sischen Märchen  mit  einem  Ei,  nachmacht. 

Der  Diebstahl  des  Rosses  kommt  neben  anderen  Auf- 
gaben in  mehreren  Märchen  von  gelernten  Dieben  vor,  so 
bei  Grimm  Nr.  192,  Kuhn  und  Schwartz  norddeutsche  Sagen 
S.  362,  Schambach  und  Müller  niedersächsische  Märchen 
S.  316,  Vernaleken  Mythen  Oesterreichs  S.  27,  Asbjörnsen 
Nr.  34,  Campbell  Nr.  40,  und  zwar  meist  ausgeführt  durch 
Verkleidung  und  Anwendung  eines  Schlaftrunkes. 

Zu  den  rätselhaften  Antworten  vergleiche  man 
Zingerles  Kinder-  und  Hausmärchen  aus  Süddeutscliland  S.  42 
[Blade  1867  p.  14,  Schneller  Nr.  46,  Firmenich  2,  658, 
Köhler,  Melusine  1,  475,  Cosquin  Nr.  4!),  Revue  celt.  4,  69] 
und  das  Gespräch  zwischen  Salomon  und  Markolf.  Markolf 
sagt  zu  Salomon,  der  mit  seinem  Pferde  in  der  Thüre  hält, 
jetzt  seien  anderthali)  Mann  und  ein  Rosskopf  im  Haus.  Die 
kochenden  Bohnen  werden  auch  dort  als  die  auf-  und  nieder- 
steigenden bezeichnet.  Der  Bruder  tötet  was  er  iiudet  (vgl. 
von  der  Hagens  Narrenbuch  S.  236  und  das  Gedicht  von 
Markolf  bei  von  der  Hagen  und  Büsching  S.  52).  Im  Ber- 
toldo  kommen  ebenfalls  „gli  ascendenti  e  discendenti",  und 
der  Bruder,  der  tötet  so  viel  er  findet,  vor.  (ienau  aber  mit 
dem  gascoguischen  stimmt  das  griechische  Rätsel  "Ood  eko/uev 
hjTÖueoßa,  oW  ovy^  eXofiEv  q^egofieoifa,  welches  nach  der  Sage 
Fischerknaben  dem  Homer  aufgaben  (Vita  Homeri  35,  Homeri 
et  Hesiodi  certamen,  Suidas  s.  v.  "Ofitjoo^):  vgl.  ein  spa- 
nisches Rätsel  vom  Floh:  Si  la  tienes,  la  buscas,  si  no  la 
tienes.  ni  la  buscas  ni  la  quieres  (Caballero,  la  estrella  de 
Vandalia  S.  67). 

S.    101.     Ambroise  le  sot. 
Eine  Witwe  schickt  ihren  Sohn  mit  einem  Sack  Getreide 
zur   Mühle    und    empfiehlt    ihm    darauf    zu   sehen,    dass  der 


,SJ^  Zur  Märchenforschung. 

'>  Müller  vom  Sclieffel  nur  eine  Hand  voll  für  sich  |  nehme. 
Der  Bursche  sagt  nun  auf  dem  Wege  immer  laut:  Eine  Hand 
voll  vom  Scheffel!  Säende  beziehen  dies  auf  sich  und  prügeln 
ihn  durch,  und  als  er  fragt,  was  er  hätte  sagen  sollen,  ant- 
worten sie  ihm;  Gott  segne  sie!  Diese  Worte  sagt  nun  Am- 
broise  wieder  vor  sich  her  und  wird  dafür  von  Leuten,  die 
eine  wütende  Hündin  ersäufen  wollen  und  die  Worte  auf  sie 
beziehen,  geprügelt.  Ach!  die  schöne  Hündin,  die  ersäuft 
werden  soll !  hätte  er  sagen  sollen,  und  diese  Worte  bezieht 
dann  ein  Hochzeitszug  auf  die  Braut.  Möge  es  allen  so 
gehen!  sagt  er  dann  vor  sich  und  bekommt  bei  einer  Feuers- 
brunst dafür  Prügel.  Die  Worte  (iott  hisclie  das  Feuer!  er- 
regen dann  den  Zorn  eines  Bauern,  der  in  seinem  nass- 
gewordenen  Backofen  F'euer  anzuzünden  sich  bemüht.  Ein 
schönes  Feuer!  hätte  er  sagen  sollen,  und  geht  mit  diesen 
Worten  an  der  Hausthür  einer  Alten  vorüber,  die  eben 
ihren  Spinnrocken  angebrannt  hat  und  ihn  wütend  damit 
sehlägt.  Als  er  sie  ganz  bestürzt  fragt,  was  er  hätte  sagen 
sollen,  empfiehlt  sie  ihm  zu  schweigen.  Schweigend  geht  er 
nun  zur  Mühle,  hat  aber  deshalb  die  Worte  seiner  Mutter 
vergessen  und  sagt  zum  Müller:  Einen  Scheffel  für  eine 
Hand  voll! 

Der  Sciiwank  von  dem  Einfältigen,  der  Worte,  die  ihm 
für  einen  bestimmten  Fall  gelehrt  sind,  bei  dem  ersten  besten 
durchaus  nicht  passenden  Fall  anwendet,  und  dann  die  ihm 
für  diesen  empfohlenen  wieder  bei  eiuem  unpassenden  und 
so  fort,  begegnet  uns  in  verschiedenen  Einkleidungen,  aber 
mit  manchen  übereinstimmenden  Einzelheiten  im  Abendland 
bei  (irimni  Nr.  148,  nebst  der  Variante  in  den  Anmerkungen, 
Zingerle  Kinder-  und  Hausmärchen  aus  Süddeutschland  S.  10, 
Haltrich  Nr.  65,  Maurer  Isländische  Volkssagen  S.  288  und 
im  Orient,  was  bisher  noch  nicht  bemerkt  worden  ist,  in  der 
Geschichte  des  blödsinnigen  Xadun  in  1001  Tag,  übersetzt 
von  F.  H.  von  der  Hagen  5,  108  ff.  [Oben  S.  50  zu  Blade 
18()7  Nr.   7.| 

S.   107.    La  flute    du   berger   Meyot. 

Ein    armer   Hirt    erhält    von    einer   Fee   eine  Flöte,    bei 


12.    Volksmärchen   aus  Frankreich:  3ron<aiit.  ,S9 

(leren  Klang  alle  tanzen  müssen.  Er  lässt  nun  den  ihm  [  ver-  lo 
hassten  Maire,  der  in  einem  Dornengebüscli  einen  geschossenen 
Vogel  sucht,  tanzen,  dann  zu  Hause  seine  geizige  Herrschaft. 
Deshalb  soll  er  gehenkt  werden;  als  er  aber  schon  auf  der 
Leiter  ist,  gelingt  es  ilim.  noch  einmal  zu  blasen  und  sich 
zu  retten. 

Vgl.  (Jrimms  Märchen  Nr.  110  vom  Juden  im  Dorn,  die 
in  den  Anmerkungen  angeführten  Lustspiele  von  A.  Dietrich 
und  .1.  Ayrer,  die  dem  (irimmschen  Märchen  ausserordentlich 
ähuliehe,  von  (Jrimm  jedoch  niciit  erwähnte  spanische  Vul- 
gärromauze  l)ei  Duran  Romancero  general  Nr.  12t)5  und  das 
von  Grimm  ebenfalls  nicht  angeführte  flämische  Märchen  von 
Jack  und  seinem  Flötchen  bei  J.  W.  Wolf  deutsche  Märdien 
und  Sagen  Nr.  24.  In  allen  begegnet  uns  der  Lanz  im  Dorn- 
busch und  die  Errettung  vom  Galgen,  das  Zauberinstrument 
ist  eine  (ieige  oder  Fhite.  Mit  der  Flöte  oder  (ieige  ist  in 
den  meisten  üeberlieferungen  auch  das  Geschenk  einer  sicher 
treffenden  Flinte,  einer  Armbrust  oder  eines  Blascrohrs  ver- 
bunden, uud  derjenige,  der  im  Dornbusch  tanzen  muss.  ist 
hineingekrochen,  um  den  vom  Besitzer  jenes  Geschosses  ge- 
troffenen Vogel  heraus  zu  holen.  Im  gascognischen  Märcben 
ist  das  wunderbare  Geschoss  weggefallen,  und  der  Maire  suclit 
im  Dornbusch  den  Vogel,  den  er  selbst  geschossen.  [Unten 
zu  Widter-Wolf  Nr.   14;   Blade   1886  3,  87.] 

In  eiuem  liunischen  Märchen  bei  Beauvois  S.  IGS  [Er- 
mans  Archiv  13,  482 J  errettet  sich  der  Held  auch  vom 
Galgeu  durch  Blasen  eiuer  Flöte,  die  tanzen  macht.  Eine 
solche  Pfeife,  aber  in  anderer  Verbindung,  kommt  auch  in 
Wolfs  Hausmärchen  S.  220  vor. 

S.   1  l(i.     Chourra  de   Marseillan. 

Geschieht.^  vou  einem  geizigen  Ehepaar,  das  dem  Knecht 
nicht  geung  zu  essen  giebt,  dafür  aber  vom  Bruder  des 
Knechts,  der  diesen  einen  Tag  lang  vertritt,  eine  tüchtige 
und  wirksame  Lektion  erhält. 


90  Zur  Märchenforschung. 

S.   130.     La  lune  et  les  vaches. 

Francine tte  will  den  etwas  einfältigen  Menique  nur  dann 
heiraten,  wenn  er  ihr  den  Mond  schenkt.  Als  nun  eines 
11  Abends,  während  Meniques  Kuh  in  einem  vom  Mond  be- 
schienenen Wasser  trinkt,  der  Mond  plötzlich  von  einer  Wolke 
verdunkelt  wird,  meint  Menique,  die  Kuh  habe  den  ins 
Wasser  gefallenen  Mond  getrunken,  und  schlachtet  sie,  um 
den  Mond  seiner  Geliebten    zu  schaft'en    [Blade  1886  3,  142]. 

Man  vergleiche  die  von  mir  im  Orient  und  Occident  1, 
143  [zu  Nasr-eddin  Nr.  124]  aus  Philos  Magiologie  mitgeteilte 
Geschichte  von  den  Bauern,  die  glauben,  ein  p]sel  habe  den 
Mond  getrunken,  und  ihn  aufschneiden,  um  den  Mond  zu 
befreien. 

S.   137.     Le  roi  des  päturages. 

Ein  zartes  verweichlichtes  Königspaar  verstösst  seinen 
etwas  ungeschlachten  Sohn.  Später  durch  einen  Feind  ent- 
thront finden  sie  den  Sohn  als  llirtenkönig  wieder  und  werden 
von  ihm  wieder  eingesetzt. 

S.  149.     Mouret. 

Eine  junge  Frau  gerät  in  die  (^lewalt  eines  wilden  Mohren 
in  den  Pyrenäen.  Nach  sieben  Jahren  flieht  sie  mit  dem 
siebenjährigen  Sohne  Mouret  (Mohrchen)  in  ihre  Heimat  zu- 
rück. Der  Knabe  wächst  zu  einem  riesenstarken  Burschen 
heran,  verlässt  eine  Zeit  laug  das  mütterliche  Haus  und  kehrt 
zu  seinem  Vater  ins  Gebirge  zurück,  wird  aber  endlich  durch 
ein  schönes  ihn  liebendes  Mädchen  gesänftigt  und  zur  Rück- 
kehr zur  Mutter  l»ewegt. 

S.   165.     Bernadotte  ou  les  malus  blanches. 

Ein  Bauer  verspricht  seine  Tochter  demjenigen  von  drei 
Freiern,  der  die  w^eissesten  Hände  habe.  Zwei  nehmen  das 
w(irt]ich,  der  dritte  aber,  ein  junger  Bauer  mit  sonnver- 
l)rannten  Häiulen,  füllt  sie  auf  Rat  eines  Alten  voll  glänzender 
Thaler  und  trifft  den  Sinn  des   Brautvaters. 


12.    Yolksmärcheu  aus  Frankreich:  Moncaut.  91 

S.   173.     Le  j liste  et  la  raison. 

Der  füufzelinjälirige  Capdarmere  sollte  das  einzige  Paar 
Ochsen  seiner  Mntter  verkanten  nnd  sich  dafür  was  recht 
und  billig  ist  (le  jnste  et  la  raison)  geben  lassen.  Zwei 
Kaufleute  geben  ihm  dafür  eine  Prise  Tabak  und  eine  Bohne 
und  sagen,  das  sei  recht  und  billig.  Die  erzürnte  Mutter 
sagt  scheltend  zu  ihm,  er  werde  nie  den  AVolf  beim  Scliwanz 
fangen  (qu'il  ne  prendait  jamais  le  loup  par  la  queue).  Das 
reizt  den  Jungen,  und  er  geht  |  in  den  AVald,  wo  er  einen  12 
schlafenden  Wolf  mit  einer  Schlinge,  die  er  ihm  um  den  Hals 
wirft,  fängt  und  ihn  seiner  Mutter  vorführt.  Dann  schlachtet 
er  einen  Widder,  hängt  sein  Fell  dem  Wolf  um  und  verkauft 
ihn  als  Widder  jenen  Kaufleuten,  in  deren  Stall  der  AV(df 
dann  grosse  Verwüstung  anrichtet.  Als  die  Kaufleute  zornig 
zu  Capdarmere  kommen,  um  ihn  zur  Rechenschaft  zu  ziehen, 
treffen  sie  ihn,  der  sie  gesehen  hat,  wie  er  seinen  Hund 
mit  einem  Messer  scheinbar  ersticht  und  dann  durch  einige 
Worte  wieder  belebt.  Er  sagt  ihnen,  widerspenstige  Tiere, 
mit  diesem  Messer  erstochen  und  durch  jene  Worte  wieder 
belebt,  würden  sanft  und  fügsam.  Die  Kaufleute  kaufen  das 
Messer,  und  der  eine  ersticht  seinen  Ochsen,  der  andere  sein 
Maultier.  Enttäuscht  überfallen  sie  Capdarmere,  stecken  ihn 
in  einen  Sack  und  wollen  ihn  ins  Meer  werren.  Auf  dem 
Weg  zum  Meere  kehren  sie  in  einer  Schenke  ein  und  lassen 
den  Sack  vor  der  Thür  stehen.  Capdarmere  lügt  einem 
vorübertreibenden  Schweinehändler  vor.  er  sei  in  den  Sack 
gesteckt  worden,  weil  er  eine  Prinzessin  nicht  heiraten  wolle. 
Der  Händler  befreit  ihn  und  lässt  sich  selber  in  den  Sack 
stecken,  jener  aber  zieht  mit  den  Schweinen  fort.  Die  Kauf- 
leute werfen  den  Sack  ins  Meer,  Capdarmere  aber,  der  sich 
versteckt  hat,  zieht  ihn  wieder  heraus  und  rettet  den  Händler. 
Nach  einiger  Zeit  zeigt  sich  Capdarmere  wieder  mit  seiner 
Heerde  —  er  hat  mit  dem  Schweinehändler  geteilt  —  den 
Kaufleuten  wieder  und  sagt  ihnen,  er  sei  wieder  empor- 
getaucht und  aus  dem  mitgebrachten  Sand  vom  (irunde  des 
Meeres  seien  die  Schweine  entstanden.    Die  beiden  habsücli- 


92  2ur  Märclienforschung. 

tigen  Kaufleute  springen  ins  Meer  und  wären  ertrunken,  wenn 
Capdarmere  sie  nicht  noch  gerettet  hätte. 

Wir  haben  hier  eine  manches  eigentümliche  bietende 
(iestaltung  eines  der  verbreitetsten  und  schon  im  10.  oder 
11.  -Talirhundert  im  Abendhmde  bekannten  Märchens,  über 
welclies  ich  in  meiner  Anzeige  von  Campbells  gälischen 
Märchen  in  Beufeys  Orient  und  Occident  beim  39.  Märchen 
ausführlich  gesprochen  habe.  Unter  Beauvois"  burgundischen 
la  Märchen  gehört  hierher  das  Märchen  (S.  218)  |  von  Jean-Bete, 
in  bezug  auf  welches  ich  auf  den  eben  erwähnten  Aufsatz 
in  Orient  und  Occident  verweise. 

S.   184.     Le  coffret  de  la  pr  ine  esse. 

Eine  Prinzessin  fängt  einen  Floh  und  zieht  ihn  in  einem 
Kasten  zu  seltener  (irösse  heran.  Als  der  Floh  nach  -lahres- 
frist  stirbt,  lässt  sie  mit  seiner  Haut  den  Kasten  überziehen 
und  will  nur  den  Freier  heiraten,  der  errät,  von  welchem 
Tiere  die  Haut  sei.  Ritter  Montgausy  zieht  aus,  die  Hand 
der  Prinzessin  zu  erhalten,  und  trift't  unterwegs  Jean-Fine- 
Oreille,  der  wunderscharf  In'irt.  Bernard-Bon-Oeil,  der  ebenso 
scharf  sieht,  Samson-Taureau,  der  so  stark  ist,  dass  er  einen 
Baum  ausreisst,  um  mit  ihm  den  gefällten  Wald  in  ein  Bündel 
zu  binden,  und  Simon-Levrier,  den  Schnellläufer,  der  sich 
mit  Lasten  beschweren  mnss,  um  nicht  zu  schnell  zu  laufen. 
Der  Kitter  nimmt  die  (Gesellen  in  Dienst  und  kommt  mit  Hilfe 
des  Horchers  hinter  das  (Geheimnis  von  der  Flohhaut.  Aber 
der  KTinig,  der  seine  Tochter  nicht  verheiraten  will,  giebt 
vor,  der  Ritter  sei  zu  nah  mit  ihr  verwandt,  weshalb  erst 
Dispens  vom  Papst  geholt  werden  müsse.  Er  sendet  aber 
heimlich  eine  Brieftaube  mit  einem  Briefe  an  den  Papst  ab, 
worin  er  diesen  auffordert,  den  Dispens  zu  verweigern.  Aber 
der  Horcher  hat  den  Plan  belauscht,  der  Scharfsichtige  er- 
schiesst  die  Taube,  und  der  Läufer  holt  den  Dispens.  Nun 
will  der  König  seine  Tochter  dem  Ritter  für  so  viel  Geld 
abkaufen,  als  Samson-Taureau  tragen  könne.  Als  der  aber 
eine   Probe    seiner   Stärke    giebt,    erschrickt    der  Köing    und 


12.    VdlksmärchtMi   ans   Fraiikreii'h :  JIoiuMut.  98 

Überlaset    die    Prinzessin    dem   Ritter.     [Oben  S.  50  zu  Blade 
lS(i7  Nr.  5.| 

Hiermit  vergleiche  man  in  Basiles  Peutamerone  (1,  5) 
das  Märchen  vom  Floh.  Hier  hat  ein  König  einen  Floh  sehr 
gross  gefüttert  und,  als  derselbe  gestorben  ist,  seine  Haut 
gerben  lassen.  Wer  errät,  von  welchem  Tiere  diese  Haut 
sei,  soll  die  Hand  seiner  Tochter  erhalten.  Ein  wilder  Mann 
(uorco)  errät  dies,  erhält  die  Prinzessin  und  führt  sie  in  den 
Wald.  Dort  trifft  die  Prinzessin,  als  der  wilde  Mann  einmal 
nicht  zugegen  ist,  eine  alte  Frau,  die  sieben  Söhne  hat,  von 
denen  der  eine  dreissig  Meilen  weit  alles  hört,  der  andere 
durch  Ausspucken  |  ein  Seifenmeer,  der  dritte  durch  Hin-  u 
werfen  eines  Stückchen  Eisen  ein  Feld  voll  Scheermesser, 
der  vierte  durch  Späuchen  einen  Wald,  der  fünfte  durch  Aus- 
giessen  von  Wasser  einen  Strom,  der  sechste  durch  Hinwerfen 
eines  Steins  einen  Turm  hervorbringt,  der  siebente  endlich 
ein  sicherer  Schütze  ist.  Mit  ihrer  Hilfe  wird  der  wilde 
Mann  getötet,  und  die  Prinzessin  entkommt. 

In  beiden  Märchen  haben  wir  die  Haut  des  gemästeten 
Flohs,  durch  deren  P^rkennung  die  Hand  einer  Prinzessin  er- 
langt wird,  und  Menschen  mit  wunderbaren  Eigenschaften, 
durch  die  in  dem  französischen  Märchen  die  Prinzessin  dem 
Freier  zu  teil  wird,  während  sie  im  italienischen  dieselbe 
von  dem  unbequemen  Freier  erlösen  [Gonzenbach  Nr.  "22 
und  74]. 

S.    r.)4.     Le  pere  aveugle. 

Ein  Blinder  besucht  die  beiden  Freier  seiner  Tochter, 
einen  Bauer  und  einen  Müller,  und  unterrichtet  sich  durch 
gleichgiltig  scheinende  Fragen  über  Felder  und  Mühle  eben- 
sogut wie  ein  Sehender  [Blade  1874  p.  44  :=   1<S,S(;  ;3,  277]. 

S.  202.     Le  marechal-f errant  de  Barbaste. 

Ein  König  von  Frankreich  verspricht  seine  schwermütige 

Tochter  Longne-mine  dem,   der  sie  zum  Lachen  bringe,   und 

ein   schönes  Ross    dem,   der  es  zu  beschlagen  vermöge.     Ein 

Hufschmied  von  Barbaste  zieht  deshall)  nach  Paris  und  nimmt 


94  Zur  Märchenforschiing. 

unterwegs  eine  Grille,  einen  Floh  und  eine  Ratte,  die  sich 
ihm  als  Gefährten  anbieten,  mit.  Als  die  Prinzessin  ihm  in 
seinem  schlechten  Anzug  mit  den  Tieren,  die  ihm  auf  dem 
Hals,,  der  Brust  und  dem  Hute  sitzen,  erblickt,  lacht  sie. 
Mit  Hilfe  der  Tiere  beschlägt  der  Schmied  auch  das  wilde 
Pferd.  Ein  Prinz,  der  bislierige  Freier  der  Prinzessin,  ver- 
spricht nun  dem  Hufschmied  drei  Scheffel  Thaler,  wenn  er 
die  Prinzessin  nicht  berühre.  Der  Hufschmied  berührt 
wirklich  in  den  drei  ersten  Nächten  die  Prinzessin  nicht  und 
wird  deshalb  vom  König  fortgejagt,  die  Prinzessin  aber  wird 
dem  l^'inzen  gegeben.  Nun  bittet  der  Hufschmied  seine 
Tiere  um  ihre  Hilfe  und  diese  begeben  sich  in  das  Schloss 
und  plagen  den  Prinzen  in  den  drei  ersten  Nächten  so,  dass 
er  die  Prinzessin  ebensowenig  berührt  und  vom  König 
schimpflich  fortgeschickt  wird.  Jetzt  aber  erscheint  der  | 
15  Gascoguer  in  glänzendem  Aufzug,  den  er  sich  mit  des  Prinzen 
Geld  verschafft  hat.  wieder,  und  die  Hochzeit  wird  nochmals 
gehalten. 

Auch  dies  Märchen  k(innen  wir  wieder  mit  einem  im 
Pentamerone  (3.  5)  vergleichen:  Nardiello,  ein  Einfaltspinsel, 
hat  für  je  hundert  Dukaten,  für  die  er  Kälber  kaufen  soll, 
von  drei  Feen  einen  anmutig  summenden  Mistkäfer,  eine 
tanzende  Maus  und  eine  schön  singende  Grille  gekauft  und 
wird  deshalb  von  seinem  zornigen  Vater  aus  dem  Hause  ge- 
jagt. Er  zieht  in  die  Lombardei,  wo  ein  König,  C'enzone, 
seine  Tochter  Milla.  die  sieben  Jahre  nicht  gelacht  hat,  dem 
zur  Frau  bietet,  der  sie  zum  Lachen  bringe.  Nardiello  lässt 
vor  der  Prinzessin  seine  Tiere  ilire  Künste  zeigen  und  bringt 
die  Prinzessin  zum  Lachen.  Der  König  erklärt  aber,  Nardiello 
könne  Tochter  und  Reich  nur  danu  erhalten,  wenn  er  binnen 
drei  Tagen  die  Ehe  vollstrecke,  was  Nardiello  aber  in  der 
That  nicht  vermag,  da  er  jeden  Abend  einen  Schlaftrunk 
erhält.  Am  Morgen  nach  der  dritten  Nacht  wird  er  in  den 
fjöwenzw'inger  geworfen.  Dort  will  er  seine  Tiere  entlassen 
und  dann  sterben,  die  aber  sprechen  ihm  Mut  zu  und  hüpfen 
und  springen  so  lustig,  dass  die  Löwen  wie  versteinert  da- 
stehen.    Die  Maus   gräbt   rasch    ein  Loch,    und  so   entkommt 


12.    Volksmäri'heii   aus  Frankreich:  iloiicuiit.  5)5 

Ntirdiello  aus  dem  Zwinger.  Inzwischen  hat  der  König  seine 
Tochter  einem  Engländer  gegeben,  nnd  eben  sollte  die  Hochzeit 
sein.  Die  Tiere  wissen  es  nun  auf  eine  Weise,  die  man  im 
Pentamerone  selbst  na('hlesen  mag,  zu  bewirken,  dass  der 
Prinz  nichts  weniger  thut,  als  seine  Pflicht  zu  erfüllen.  Kr 
wird  deshalb  fortgejagt,  Nardiello  aber  zurückgerufen  und 
nun  wirklich  (iemahl  Millas. 

Hier  haben  wir  in  dem  französischen  und  neapolitanischen 
Märchen  zwei  Fassungen  eines  Märchens,  dessen  wesentlicher 
Inhalt  der  ist,  dass  ein  flüngling  die  Hand  einer  Prinzessin 
gewinnt,  indem  er  sie  mit  Hilfe  von  kleinen,  missachteteu 
Tieren  zum  Lachen  bringt,  dass  er  dann  die  Prinzessin 
wieder  eine  Zeit  lang  verliert  und  ein  anderer  sie  heiraten 
soll,  der  aber  durch  jene  Tiere  am  Vollzug  der  Ehe  gehindert 
wird  [Finamore  Nr.  10.  Romero  Nr.  'Id,  Ungar.  Revue  1886, 
481.  Reinisch,  Nuba-Sprache  1,  824.]  Beide  uns  vorliegende 
Fassungen  sind  wohl  entstellt.  In  der  franz(isischen,  die  durch  16 
die  Tradition  entstellt  sein  mag.  ist  zu  wenig  motiviert, 
warum  die  Tiere  mit  dem  Jüngling  ziehen  und  ihm  helfen, 
und  schwerlich  ist  es  urs|)rüngliclie  L'eberlieferung,  dass  der 
Hufschmied  für  (Jeld  vom  Prinzen  sich  seines  Rechtes  in  den 
ersten  Nächten  begiel)t.  \'iel  echter  scheint  hier  das  nea- 
politanische Märchen.  W(i  der  -lüngling  einen  Schlaftrunk  vom 
König  erhält.  Dagegen  wird  die  burleske  Art,  wie  in  den 
drei  Nächten  Nardiellos  Tiere  dem  Engländer  mitspielen.  Er- 
findung Basiles  sein,  der  sob-he  niedere  Komik  liebt. 

Ein  deutsches  Märchen  (W(dfs  deutsche  Hausmärchen 
S.  301)  beginnt  ganz  ähnlich,  verläuft  aber  dann  anders  [vgl. 
Zingerle  S.  -213].  Ein  armer  (!eiger  bringt  durch  drei 
tanzende  Ferkel  eine  Prinzessin,  die  noch  nie  gelacht  hat 
und  den  heiraten  soll,  der  sie  lachen  macht,  zum  Lachen. 
Ehe  er  sie  aber  wirklich  zur  (Jemahlin  bekommt,  muss  er 
noch  verschiedene  Aufgaben  bisen.  wobei  aber  die  Schweinchen 
nichts  mehr  thun. 

In  bezug  auf  das  Lachen  der  Königstocher  vergleiche 
man  Benfeys  Pantschatantra  1,  51<s. 


<)f)  Zur  Märclieiiforschuiig. 

S.  21H.  Le  Hon  peudii. 
Ein  Löwe,  der  sich  mit  einer  seiner  Tatzen  in  einem  ge- 
spaltenen Banmast  festgeklemmt  hat,  wird  von  einem  Wanderer 
befreit.  Er  begleitet  nun  den  Wanderer,  wird  aber  bald  von 
Hunger  erfasst  und  will  seinen  Retter  fressen.  Der  aber 
vfirit  ihm  seine  Undankbarkeit  vor  und  bestimmt  ihn  wenigstens, 
die  Sache  erst  eiuem  Schiedsrichter  vorzutragen.  Sie  treffen 
zunächst  eine  alte  Hündin,  die  aber  das  Schiedsrichteramt 
ablehnt,  da  sie  selbst  von  den  Menschen  ungerecht  behandelt 
worden  sei.  Ebenso  geht  es  ihnen  mit  einem  Pferd.  Endlich 
aber  nimmt  ein  Fuchs  das  Amt  an.  um  recht  urteilen  zu 
können,  will  er  selbst  sehen,  wie  der  Löwe  gefangen  ge- 
wesen sei;  deshalb  begiebt  sich  der  Löwe  wieder  in  jene 
alte  Lage,  und  Fuchs  und  Mensch  lassen  ihn  so  stecken.  Der 
Mensch  verspricht  dem  Fuchs  zum  Lohn  am  nächsten  Tage 
zwei  Hühner  zu  liefern,  bringt  aber  statt  dieser  dann  zv/ei 
Hunde  mit,  denen  der  Fuchs  kaum  entgeht.  | 
17  Zu  diesem  Märchen    vom   Undank,    der  der  Welt  Lohn 

ist,  vergleiche  man  ausser  Benfeys  Pantschat.  1,  113  ff". 
Pröhles  Märchen  für  die  Jugend  Nr.  2,  Birlinger  Kinder- 
büchlein S.  56  und  Liebrecht  in  der  (Germania  7,  508  [oben 
S.  50  zu  Blade  Nr.  4,  Gonzenbach  Nr.  09,  Jagic  Nr.  6,  Zs. 
d.  V.  f.   Volksk.  G,   106]. 

Dies  sind  die  gascognischen  Märchen  und  Erzählungen, 
für  deren  Mitteilung  wir  dem  Herrn  Cenac  Moncaut  zu  leb- 
haftem Danke  verpflichtet  sind  ^). 


Wenden  wir  uns  nun  zu  den  vier  von  Herrn  E.  Beauvois 
erzählten  burgundischen  Märchen,  so  dürfen  wir  folgende  Er- 
klärung des  Sammlers  (S.  195)  nicht  übersehen.  Er  sagt: 
,Aucune  des  pieces  nest  la  transcription  litterale  des  recits, 
que   l'on    a    recueillis    de   la   bouche    des   paysans.     On  s'est 

^)  Es  ist  schade,  dass  Herr  Cenac  Moncaut  das  lüibsche  Lügen- 
märchen, das  er  in  der  oben  erwähnten  Voyage  S.  225  —  freilich  nicht 
vollstiuidio-   —   mitteilt,   in   die   Sammlung  nicht  aufgenommen   hat. 


]'2.    VolksmiirclK'ii  au^  Frankreich:  Beauvois.  9Y 

perniis  de  faire  des  niodifications  a  roriginal,  parce  qiie  l'ou 
ji'en  a  trouve  que  des  debris,  et  qiie  ces  restes  etaient  en 
trop  mauvais  etat,  pour  que  la  copie  ou  la  traductioii  put 
presenter  uiie  image  liarmonique  et  satisfaisante.  Cela  tient 
ä  ce  que  le  collectnur,  ii'ayant  encore  pu  voyager  ä  la 
vecherclie  des  eoiites  populaires,  a  dii  se  contenter  des  momi- 
meuts  delabres,  qui  etaient  le  plus  ä  sa  portee,  c"est-ä-dire 
de  quelques  traditioiis  (piil  a  entendu  ra(;onter  au  lieu  de  sa 
uaissance,  daus  le  pays  bas  de  la  Cote-d'Or.  Mais  il  ne 
doute  pas  quil  n"y  alt  lieu  de  faire  une  plus  belle  et  plus 
abondante  muisson  dans  les  lieux  recules,  oii  les  traditions 
du  passe  se  sont  mieux  couservees.  C'est  ce  que  lui  ont 
affirme  plusieurs  personnes  qui  eonnaissent  les  moutagnards 
de  la  Bourgogue'.     Die  Märchen  sind  nun  folgende  vier: 

S.  19Ö.  Trop  gratter  cuit,  trop  ])arler  nuit. 
Schwank  von  einem  Pfarrer  und  Kirchenältesten.  Ersterer 
wirft  eins  von  den  Hühnern  des  letzteren,  die  immer  in  seinen 
Garten  kommen,  tot  und  beabsichtigt  es  am  Sonntag  zu 
verspeisen.  Der  Kirchenälteste  kommt  aber  dahinter  und 
weiss  es  schlau  zu  veranstalten,  dass  er  das  Huhn  in  des 
PfarrersKücheisst;  als  er  aber  eben  fertig  ist,  wird  er  überrascht.] 

S.  203.     Cadet-Cruchon.  u 

Cadet-Crucbon  soll  heiraten  und  deshalb  die  Bekannt- 
schaft junger  Mädchen  machen.  Dabei  soll  er  nach  dem  Rat 
seiner  Mutter  mit  ihnen  scherzen,  sie  auf  den  Fuss  treten 
und  dgl.  und  die  Augen  auf  sie  werfen  (laucer  des  oeillades). 
Er  fängt  aber  alle§  plump  an,  ja  sticht  sogar  seineu  Lämmern 
die  Augen  aus  und  wirft  sie  nach  den  Mädchen.  Nun  soll 
er  die  Lämmer  und  eine  Henne  in  der  Stadt  verkaufen, 
letztere  für  zwölf  Sons,  erstere  für  einen  Thaler  das  Stück. 
Unterwegs  spricht  er  immer  vor  sich  hin:  Einen  Thaler  das 
l^amm,  zwölf  Sous  die  Henne.  Als  er  aber  über  einen  Bach 
setzen  muss,  wird  er  gestört  und  verkehrt  die  Worte,  und 
verkauft  so  die  Lämmer  Stück  für  Stück  um  zwölf  Sous  und 
muss  endlich  auch  die  Henne,   für  die  niemand  einen  Thaler 

R.  K  ö  h  1  e  r,  Kl.  Schriften.  I.  7 


()y  Zur  Märcheiiforschiuiy-. 

bezahlen  will,  fiii-  zwölf  Soiis  hingeben.  Er  kanft  nun  für 
die  Mutter  einen  Topf  und  ein  Packet  Nadeln.  Den  Topf 
hat  er  auf  seinen  Karren  gesetzt;  da  er  aber  immer  schlittert, 
setzt  er  ihn  auf  den  Weg  und  meint,  er  werde  ihn  mit  seinen 
drei  Füssen  schon  nachkommen  können.  Die  Nadeln,  die  er 
in  den  Busen  gesteckt  hat,  wo  sie  ihm  beschwerlich  sind, 
steckt  er  in  einen  vor  ihm  herfahrenden  Heuwagen.  So  ver- 
liert er  Topf  und  Nadeln.  Als  er  nacliher  zu  Hause  alles 
schmutzige  Zeug  in  die  Lauge  thun  soll,  thut  er  auch  die 
Töpfe  hinein  und  will  auch  seine  kranke  Mutter  hineinwerfen. 
Die  aber  heisst  ihn  zornig  die  Thür  nehmen  und  zu  Bette 
gehen.  Er  nimmt  deshalb  die  Thür  mit  auf  den  Heuboden, 
wo  er  schläft.  Nachts  kommen  Diebe  und  wollen  stehlen. 
Sie  rufen  einander  zu:  Jette,  apporte!  Jean  versteht:  Jette 
la  porte!  und  wirft  die  Thür  herab.  Erschrocken  fliehen  die 
Diebe  und  lassen  einen  andei'swo  gestohlenen  Sack  mit  Geld 
stehen.  Am  Morgen  trägt  er  Leinwand  zur  Stadt,  und  da 
ihm  seine  Muttt  r  geraten,  sich  nicht  mit  Käufern  einzulassen, 
die  viel  schwatzen,  so  weist  er  alle  ab,  die  nach  dem  Preis 
fragen.  Er  tritt  dann  in  eine  Kirche  und  betet  dort.  Dann 
bietet  er  einem  Heiligenbild,  weil  dies  während  seines  Ge- 
le betes  nicht  geschwatzt,  die  Leinwand  an.  Als  es  aber  |  trotz 
seinem  Bitten  nicht  bezahlen  will,  zertrümmert  er  es  zornig 
und  findet  im    Innern    der   zerbrochenen  Figur   einen  Schatz. 

Der  Herausgeb(M'  hat,  wie  er  in  einer  Anmerkung  sagt, 
diese  Erzählung  zusammengesetzt  aus  verschiedenen  einzeln 
umlaufenden  Schwänken,  die  man  von  -lean-Bete  erzählt.  Er 
hat  deshalb,  wie  er  selbst  gesteht,  manche  Nebenumstände 
modifizieren  und  üebergänge  bilden  müssen.  Uns  wäre  lieber 
gewesen,  er  liätte  sich  dieser  Zusammensetzung  enthalten 
und  die  Fragmente  als  solche  gegeben.  \Varum  er  für  Jean- 
Bete  den  Namen  Cadet-Cruchon  gewählt  hat.  erfahren  wir  nicht. 

Nach  dem  eben  Gesagten  ist  es  natürlich,  (hiss  wir  die 
Erzählung  in  ihrem  ganzen  Verlauf  nirgends  finden,  wohl 
aber  einzelne  Züge  daraus. 

Wie  hier  Jean-Bete  Lämmeraugen  auf  die  Mädchen 
wirft,   so    werfen    in    dentschen    Märchen  Einfältige    Schafs- 


lli.     Volksniärclieii   aus  Fraiikrcicli  :   Betiiivuis.  i)9 

und  Killbenuigen  ihrer  Braut  ins  (Besicht,  Griiuni  Nr.  82  uud 
Auraerk.  '■),  ()'2,  Ziugerle  Kinder-  und  Hausmärchen  S.  "258. 
Kbenso  erzählt  man  in  der  Norinainlie,  Du  Meril  etudes  p.  472, 
not.  2.  In  einem  gälischen  Märchen  (Campbell  2,  810,  Nr.  45) 
missversteht  ein  Kne(;ht  absiclitlicli  den  Befehl  seines  Herrn, 
ihm  zu  einer  bestimmten  Zeit  ein  Ochsenauge  zuzuwerfen, 
d.  h.  ihn  starr  anzusehen  und  so  einen  Wink  zu  geben,  und 
sticht  den  Ochsen  die  Augen  aus  und  wirft  den  Herrn  damit. 
[Holte  zu  Frey,  Gartengesellschaft  S.  215.] 

Dass  der  Einfältige  Nadeln  in  ein  Heu  fn  der  steckt 
und  so  verliert,  kommt  vor  in  dem  ebenerwähnten  Märchen 
bei  Grimm  Nr.  o2,  in  einem  verwandten  tiroler  bei  Zingerle 
Sagen,  Märchen  und  (Jebräuche  ans  Tirol  S.  451,  einem 
siebenbürgischen  bei  Haltrich  S.  802  und  schottischen  bei 
('hambers  populär  rhymes  of  Scotland,  8.  ed.  p.  251,  wo 
Jack  die  Nadel  in  ein  Farrenkrautbündel  steckt.  In  den  ge- 
nannten Märchen  sagt  dann  immer  die  Mutter  zu  dem  ein- 
fältigen Sohn,  er  hätte  die  Nadel  auf  den  Hut  oder  an  die 
Mütze  stecken  sollen,  und  er  befolgt  diese  Vorschrift  auf  die 
verkehrteste  Weise,  und  daran  knüpft  sich  noch  eine  Reihe 
missverstandener  Befehle  |Zs.  f.  d.  Myth.  2,  8<S(;,  Brugman 
Nr.  82,  Krauss  2.  Nr.  lOG.  107,  Kennedy  p.  40,  Cerquand 
2,   10.     Montanns.  Gartengesellschaft  Nr.  4].  | 

Das    11  erat) werfen    der   Thüre,    wodurch    die    Diebe  20 
verscheucht   werden.    Hmlen    wir   wieder    bei    Grimm   Nr.  59, 
Haltrich  S.  808,  Kuhn  und  Schwartz  Nr.  18,  Zingerle  Kinder- 
und   Hausmärchen    aus   Süddeutschland   S.  50    und   Halliwell 
populär  rhymes  and  nnrsery  tales  S.  2(5  [Köhler,  Jahrb.  8,  267]. 

Endlich  der  Verkauf  der  Leinwand  an  die  Bildsäule 
begegnet  uns  in  einem  Märchen  des  Pentamerone  (1,  4). 
Vardiello  wird  von  seiner  Mutter  mit  Leinwand  auf  den 
Markt  geschickt  und  soll  sich  nicht  mit  Personen  von  vielen 
Worten  einlassen.  Die  Leute,  die  nach  dem  Preise  fragen, 
scheinen  ihm  solche  Personen  zu  sein.  Als  er  aber  in  dem 
Hofe  eines  unbewM)hnten  Hauses  eine  Bildsäule  findet  und  sie 
fragt  und  keine  Antwort  von  ihr  erhält,  scheint  sie  ilim 
endlich  eine  Person  von  wenig  Worten,  der  er  die  Leinwand 

7* 


100  Zur  Märchenforschung. 

darbietet.  Am  andern  Morgen  begiebt  er  sich  wieder  zu  der 
Bildsäule  und  verlangt  Geld  für  die  Leinwand,  und  als  die 
Bildsäule  schweigt,  wirft  er  mit  einem  Stein  ein  Loch  in  die- 
selbe und  findet  darin  einen  Topf  mit  Goldstücken.  In 
einem  siebenbürgischen  Märchen  (Haltrich  S.  '291)  will  ein 
Einfältiger  vergeblich  eine  tote  Kuh  verkaufen.  Da  ruft  ihm 
jemand  zu:  Fahr  sie  auf  den  Schindanger  zur  dicken  Eiche, 
die  wird  sie  dir  gut  bezahlen.  Er  fälirt  sie  hinaus  und  fragt 
die  Eiche,  wann  sie  ihm  bezahlen  wolle.  Die  P^iche  knarrt 
gerade,  und  er  denkt,  sie  antworte  „Morgen".  Als  sie  nun 
aber  am  andern  Morgen  nicht  zahlt,  haut  er  mit  einer  Axt 
auf  sie  ein  und  findet  dabei  in  einem  Loche  eine  Menge 
Goldstücke.  Ueber  verwandte  Erzählungen  von  zertrümmerten 
Bildsäulen  und  dadurch  gefundenen  Schätzen  vgl.  Benfeys 
Pantschatantra  1,  478  [Gonzenbach  Nr.  37,  Zs.  d.  V.  f.  Volksk. 
6,  73,  Bolte  zu  Frey  S.  215]. 

S.  218.  Jean-Bete. 
Vergleiche  hierüber  was  ich  oben  S.  11  [hier  S.  90]  zu  dem 
gascognischen  Märchen  „le  juste  et  la  raison"  bemerkt  habe. 
Beauvois  hat  das  Märchen  unnötig  aufgeputzt  und  verändert 
und  nur  aus  der  Anmerkung  erkennt  man  die  echte  Gestalt. 
In  bezug  auf  die  von  ihm  verglichenen  Märchen  habe  ich 
im  Orient  und  Occident  an  der  oben  erwähnten  Stelle  einiges 
21  berichtigt.  Wir  sehen  1  übrigens  aus  Beauvois'  Vergleichungen, 
dass  er  sehr  bewandert  in  der  Märchenlitteratur  ist  ^). 

S.  239.  La  petite  Annette. 
Eiu  Mädchen  hütet  die  Schafe  und  bekommt  von  seiner 
Stiefmutter  wenig  zu  essen.  Da  erscheint  ihm  die  heilige 
Jungfrau  und  giebt  ihm  einen  Stab.  Mit  diesem  braucht  es 
nur  einen  schwarzen  Widder  zu  berühren,  und  alsbald  er- 
scheint ein  Tisch  mit  Essen.  Die  Stiefmutter  fasst  Verdacht 
und   schickt   zuerst   ihre    beiden  Töchter   mit  auf  die  Weide, 


')  In  der  Vorrede  p.  XXXI  verspricht  er  eine  Abhandlung  über 
die  verschiedenen  Gestaltungen  des  Märchens  von  Amor  und  Psyche  zu 
liefern. 


12.    Volksmärchen  ans  Frankreich:  ßeanvois.  Du  Meril.         \0l 

um  die  Stieftochter  zu  beobachten.  Aber  das  Mädcheu 
schläfert  sie  ein  mit  den  Worten:  Endors-toi  d'un  oeil,  en- 
dors-toi  de  deux  yeux.  Bei  der  dritten  Schwester  aber,  die 
noch  ein  drittes  Auge  hat,  gelingt  ihr  dies  nicht,  und  sie 
wird  entdeckt.  Nun  stellt  die  Stiefmutter  sich  krank  und 
verlangt  von  ihrem  Manne,  dass  der  schwarze  Widder  für  sie 
geschlachtet  werde.  Annette  hat  dies  gehört  und  sagt  es 
dem  Widder,  der  sie  beruhigt  und  sie  auffordert,  seine  Leber 
in  dem  Garten  zu  vergraben.  Als  er  geschlachtet  ist,  thut 
sie  dies,  und  aus  der  Leber  wächst  ein  Baum  mit  wunder- 
schönen Früchten,  die  nur  sie  zu  pflücken  vermag.  Der 
Königssohn  kommt  herbei,  sieht  den  Baum  und  heiratet 
Annette. 

Beauvois  vergleicht  mit  Recht  das  Märchen  von  Ein- 
äuglein,  Zweiäuglein  und  Dreiäuglein  bei  Grimm 
Nr.  130  [Cosquin  Nr.  23]. 

Ganz  eigentümliche  Gestaltungen  hat  das  Märchen  an- 
genommen bei  den  Siebenbürgern  (Haltrich  Nr.  35;  vgl. 
Nr.  17,  S.  83)  und  im  gälischen  Schottland  (Campbell  Nr.  43) 
[Wuk  Nr.  32,  Halm  Nr.  1,  Skjäreöiet  bei  Asbjörnsen  Nr.  19, 
Var.  4].  In  einer  churrhätischeu  Sage  (Vonbun  Beiträge  zur 
deutschen  Mythologie  S.  53)  verkehrt  ein  einäugiger  Knabe 
mit  einem  wilden  Fäukenmännchen  und  erhält  von  ihm  schöne 
Gemsenkäse.  Immer  aber  schläfert  das  Männchen  das  Kind 
ein  mit  den  Worten  „Einäuglein  schlaf  ein!",  bevor  er  die 
Käse  bereitet.  Der  neugierige  Bruder  des  Knaben  zieht  einst 
dessen  Kleider  an  und  geht  zu  dem  Bergmännchen  und  be- 
lauscht es,  da  sein  anderes  Auge  |  nicht  mit  eingeschläfert  22 
worden  ist,  und  erregt  dadurch  den  Zorn  des  Männchens. 

Dies  der  Inhalt  der  beiden  verdienstlichen  Sammlungen. 
Ich  darf  aber  bei  dieser  Gelegenheit  nicht  vergessen,  auf 
Edelestand  du  Merils  Abhandlung  „les  contes  de  bonnes 
femmes"  in  seiner  neuesten  Schrift  „Etudes  sur  quelques 
points  d'archeologie  et  d'histoire  litteraire",  Paris  und  Leip- 
zig LS62,  Seite  427 — 502  aufmerksam  zu  machen.  Eine 
nähere  Besprechung  der  ganzen  anziehenden  und  belehrenden 
Abhandlung,   welche   sich  über  Märchen  überhaupt  und  ganz 


102  2u''  Märchonfiirsc'luuig. 

besonders  über  die  Griiumsche  Märebensammliuig  verbreitet, 
wäre  hier  nicht  am  Platze:  ich  habe  sie  bier  nur  insofern  zu 
erwähnen,  als  darin  auch  S.  472  ff.  über  Märchen  aus  der 
Normandie  gesprochen  wird.  Man  erzählt,  versichert  du 
Meril,  noch  heute  in  der  Normandie  wie  in  Deutschland  die 
Märchen  vom  undankbaren  Sohn,  Grimm  Nr.  145,  vom  Gross- 
vater und  Enkel  Nr.  78,  von  den  Boten  des  Todes  Nr.  177, 
von  den  drei  Spinnerinneu  Nr.  14,  von  dem  Armen  und  dem 
Reiclien  Nr.  87,  von  der  klugen  (iretel  Nr.  77,  vom  Juden 
im  Dorn  Nr.  HO,  von  den  sechs  Dienern  Nr.  1:^4,  von  den 
Sechsen,  die  durch  die  Welt  kommen,  Nr.  71,  von  dem  ge- 
treuen Ferenand  Nr.  1'2H.  Leider  begnügt  sich  du  Meril  mit 
dieser  Augabe,  ohne  die  normiindischen  Fassungen  selbst,  die 
ohne  Zweifel  manche  Abweichuug  haben,  mitzuteilen.  Nur 
ein  Märchen  erzählt  er  ausführlich,  und  die  Art  seiner  Er- 
zählung lässt  uns  um  so  mehr  bedauern,  dass  er  nicht  die 
übrigen  auch  erzählt  hat.  Es  ist  dies  die  Geschichte  von 
dem  armen  Misere  und  seiner  nie  zufrieden  gestellten  Frau, 
unser  Märchen  vom  Fischer  (Grimm  Nr.  19),  aber  vielfach 
abweichend  ^).  Misere  begegnet  dem  Heiland  und  St.  Peter 
und  bettelt  dieselben  an.  Christus  giebt  ihm  eine  Bohne  und 
heisst  ihn  zufrieden  sein.  Misere  kommt  zufrieden  mit  der 
Gabe  nach  Hause  und  steckt  die  Bohne  in  den  Heerd  in 
seiner  Hätte.  Sofort  wächst  daraus  eine  Pflanze  hervor,  sie 
23  wächst  rasch  |  empor  durch  den  Hauchfang  und  am  andern 
Tage  vermag  man  ihre  Spitze  nicht  mehr  zu  sehen.  Die 
Frau  heisst  nun  den  Mann  suchen,  ob  Bohnen  abzupflücken 
seien,  er  klettert  an  der  Pflanze  empor  und,  da  er  keine 
Bohnen  findet,  immer  höher  und  höher,  bis  er  sich  vor  einem 
grossen  goldenen  Hause  befindet.  Es  ist  das  Paradies.  St. 
Peter  öffnet  ihm  und  verspricht  ihm  auf  seine  Bitte,  dass  er 
zu  Hause  Essen  und  Trinken  finden  solle.  Am  folgenden 
Tage  lässt  Miseres  Frau  ihrem  Manne  niclit  elier  Ruhe,  bis 
er  wieder  ins  Paradies  steigt  und  St.  Peter  um  ein  neues  Haus 


')  Du  Meril  verweist  auch  auf  ein  russisches  Märchen  [Puschkins 
Gedicht]  im  Athenaeum  francais  1855,  S.  686,  welches  ich  nicht  kenne. 
Das  Märchen  vom  Fischer  aus  1001   Nacht  ist  nur  im  Anfang^e  ähnlich. 


12.     Volksinäre-hen   aus  Frankreich:   Du  Moril.  Chanipfleury.      103 

bittet.  Nac'li  einigen  Tagen  muss  Misere  den  Heiligen  bitten,  ihn 
znm  König  nnd  seine  Fran  znr  Königin  zn  machen.  St.  Peter 
erfüllt  ihm  diesen  Wunsch,  warnt  ihn  aber  noch  einmal  zu 
kommen.  In  kurzem  ist  jedoch  Miseres  Frau  nicht  mehr  zu- 
frieden und  nnichte.  dass  sie  die  heilige  Jungfrau  und  ihr 
Mann  der  liebe  (iott  werde.  Als  Misere  mit  dieser  Bitte 
vor  St.  Peter  kommt,  schickt  ihn  dieser  zornig  fort,  und  der 
Arme  findet  unten  auf  der  Erde  seine  alte  Hütte  und  alles 
wie  vormals  wieder,  —  Der  in  dem  deutschen  Märchen  vor- 
kommende wunderbare  Fisch  ist  also  im  normandischen  durch 
riott  und  St.  Peter  ersetzt,  und  damit  Misere  ins  Paradies 
gelangen  könne,  kam  die  himmelhohe  Bohnenpflanze  in 
das  Märchen,  die  ursprünglich  wohl  nicht  hereingehört  hat. 
Sie  ist  vielleicht  hereingekommen  aus  dem  bis  jetzt  nur  als 
englisch  nachgewiesenen  Märchen  von  Jack  und  dem  Bohnen- 
stengel (Kletke  Märchensaal  "i,  löS;  Grimm  3.  321)  [Ger- 
mania 14,  iVi.  (iradi  p.  ISl.  Kaiston  p.  '2\)'.\\.  In  Lügen- 
märchen kommen  auch  PHanzeu,  die  bis  in  den  Himmel 
wachsen,  vor,  vgl.  Grimm  zu  Nr.  112  [Widter-Wolf  Xr.  17, 
('os(juiü  Nr.  50,  Carnoy,  Litt.  or.  p.  IHl),  Sebillot,  Trad.  1,  314; 
('ontes  3,  246,  Schulenburg  2,  37].  In  einer  Anmerkung  erinnert 
du  Meril  (S.  474),  dass  das  Märchen  mit  dem  französischen 
Volksbnche  vom  bonhomme  Misere  nichts  als  den  Namen 
Misere  gemein  habe. 

Ich  ergreife  hier  die  Gelegenheit,  noch  mit  eiuigen 
AVorten  eine  auch  von  du  Meril  erwähnte  neue  Schrift  von 
Champfleury.  dem  verdienstvollen  Herausgeber  der  Chan- 
sons populaires  des  provinces  de  France,  zu  besprechen.  Sie 
führt  den  Titel :  De  la  litterature  populaire  en  France.  Re- 
cherches  sur  les  origines  et  les  variations  de  la  legende  du 
bonhomme  Misere  |  (Paris,  Poulet-Malassis  et  de  Broise,  ISOl),  24 
und  enthält  zunächst  einen  Abdruck  der  ältesten  l)is  jetzt 
bekannten  Ausgal)e  des  Volksbuches  von  1711)^).  Cham- 
pfleury nimmt,  wie  au(di  W.  Grimm  3,  142,  einen  italienischen 
Ursprung  desselben  an,    weil   die  Erzählung  in  Italien  spielt, 

^)  Es   giebt,  wie  Champfleury  mitteilt,  fünfzehn  Ausgaben  [Chamjt- 
fl.eury,  Histoire  de  l'imagerie  populaire  1869  p.   105 1. 


JQ4  Zur  Märehenforschung. 

eine  italienische  Münze,  die  italienische  Stundeneinteilung  und 
ein  italienischer  Wein  darin  vorkommt,  und  vermutet,  dass 
in  den  italienischen  Novellen  das  Original  wohl  noch  gefunden 
werde.  Er  vergleicht  dann  Prosper  Merimees  Erzählung 
Federigo  in  dessen  Une  mosaique  (Paris  1(S32),  die,  wie 
Merimee  versichert,  im  Königreich  Neapel  populär  sei.  Fede- 
rigo bewirtet  Christus  und  die  Apostel  und  erhält  deshalb 
drei  AVttnsche  frei.  Er  wünscht,  dass  seine  Karten  immer 
gewinnen  und  dass  von  einem  Orangenbaum  und  einem 
Schemel,  die  ihm  gehören,  niemand  ohne  seinen  Willen  herab- 
könne. Hierdurch  gewinnt  er  im  Spiel  dem  Pluto  1'2  Seelen 
ab  und  schliesst  zweimal  mit  dem  Tod  einen  Pakt.  Sodann 
erinnert  Cliampfleury  an  das  litauische  Märchen  (bei  Schleicher 
litauische  Märchen  S.  10(S)  vom  Schmied  und  dem  Teufel  und 
an  das  oben  besprochene  gascognische  vom  Sack  des  La  Ka- 
mee, teilt  hierauf  das  eben  erwähnte  nur  durch  den  Namen 
Misere  hierher  geliörende  iiorniandis('he  Märchen,  welches  du 
Meril  früher  im  Athenaeum  1S55  veröffentlicht  und  bereits 
dort  mit  anderen  Märchen  verglichen  hatte,  vollständig  mit, 
ebenso  das  merkwürdige  bretonische  (besprach  zwischen  dem 
ewigen  Juden  und  dem  bonhomme  Misere,  der  in  Adams 
Haus  geboren  ward  und  bis  zum  jüngsten  Gericht  leben  wird 
(Revue  de  Calvados  1840;  Emile  Souvestre  le  foyer  breton, 
Rruxelles  1<S5;^,  1,  93),  und  erwähnt  endlich,  dass  in  der 
allegorischen  P^rzählung  von  den  Abenteuern  des  Monsieur 
Tetu  und  der  Miss  Patience  Misere  vorkommt  als  ein  kleiner, 
lahmer  und  hässlicher  alter  Mann,  der  eine  Kette  an  einem 
Reine  und  eine  Bürde  auf  den  Schultern  trägt  [Köhler,  Auf- 
sätze 1<S94  S.  7<S,  Revue  des  trad.  pop.  4,  645;  5,  299; 
9,  24S,  Ortoli  p.  219,  Waldau,  (ievatter-Elend:  Slavische 
Plätter  1,  59S  (1S65)].  Es  ist  zu  bedauern,  dass  Herrn 
(IhampHeury  Grimms  Märchen  und  das  Jahrbuch  für  roma- 
25  nische  und  englische  |  Litteratur  unbekannt  zu  sein  scheinen. 
Hätte  er  Grimms  Märchen  gekannt,  so  würde  er  vor  allem 
auf  das  <S2.  Märchen  und  die  reichen  Anmerkungen,  in  denen, 
wie  schon  oben  bemerkt,  (irimm  auch  das  französische  Volks- 
buch   nicht   vergessen    hat,    verwiesen   haben.     Merimees  Er- 


13.     Volksmärchen  aus  der  Landschaft  Forez   in    Frankreich.       [(),) 

Zählung,  die  mit  dem  Spielhansel  viel  Aehnlichkeit  hat,  ist 
Grimm  unbekannt  geblieben,  und  ihr  Nachweis  ist  daher  sehr 
dankenswert.  Eine  andere  italienische  Erzählung  die  der 
Erzählung  vom  bonhomme  Misere  und  seinem  Birnbaum  noch 
näher  steht,  hätte  Herrn  ChampÜeury,  so  gut  wie  sie  es  Herrn 
du  Meril  (Etudes  S.  475,  not.  1)  ist,  aus  dem  Jahrbuch  1,  310 
bekannt  sein  können.  Es  ist  die  Erzählung  Cintios  dei  Fa- 
brizii  von  der  nie  sterbenden  Invidia  und  ihrem  iVpfelbaum. 
der  von  Jupiter,  den  sie  bewirtet  hat,  die  Kraft  erhalten,  alle, 
die  ilm  besteigen,  festzuhalten,  und  so  auch  den  Tod  festhält 
[Sarnelli,  Posilecheata  ed.  lnd)riani  p.  154].  Hier  haben  wir 
also  in  eine  italienische  Fassung  des  Märchens  von  dem 
wunderbaren  Baum,  durch  den  der  Tod  gefangen  gehalten 
wird,  ein  allegorisches  AVesen  eingeführt,  und  hierdurch  wird 
die  Annahme  von  dem  italienischen  Ursprung  des  französischen 
Volksbuchs  noch  wahrscheinlicher.  Felix  Franks  Annahme 
in  seiner  Anzeige  der  Champfleuryschen  Schrift  in  der  Revue 
de  riustruction  publi(|ue  1<S()1,  Nr.  'iS,  dass  dieselbe  not- 
wendig ein  Erzeugnis  des  französischen  Volksgeistes  im 
Mittelalter  sei,  ist  nicht  überzeugend. 

Wir  schliessen  diesen  Aufsatz  mit  dem  Wunsche,  recht 
bald  wieder  Märchensammlungen  aus  den  Provinzen  Frank- 
reichs zu  erhalten  und  erinnern  an  Wilhelm  Grimms  Worte 
(Märchen  3,  3!Hy):  „in  Frankreich  mögen  die  Märchen  noch 
in  reicher  Fülle  vorhanden  sein.  Das  Volk  würde  wohl  ge- 
schickt sein,  diese  Ueberlieferungen  frisch  und  lebendig  zu 
erzählen.  Es  käme  nur  darauf  an,  dass  man  sie  sammeln 
und  ohne  Ueberarbeituuff  und  Zusätze  bekannt  machen  wollte." 


13.  Volksmärehen  aus  der  Landschaft  Forez 
in  Frankreich. 

[Fuchs  und  Wolf.] 

(Jahrbuch  für  vornan.  Litteratur  9,  899—402.  1868.) 

Zu    vorstehendem   Märchen    in  der  Mundart    von    Saint-  400 
Jean-Soleymieux,    welches    in    dem    'Dictionnaire    du    Patois 


lOß  Zur  Märcheiiforscluuig. 

f'orezieii  par  L. -Pierre  Gras'  (Lyon  1<S68),  S.  220  mitgeteilt 
ist,  vergleiche  man  v.  Hahn  (iriechische  Märchen  Nr.  S9; 
Campbell,  Populär  Tales  of  the  West  Highlands  Nr.  ()5,  As- 
björusen  und  Moe  Norske  Folke-eventyr  Nr.  17.  2:  J.  Arnason 
401  Islenzkar  ThjöÖsögur  og  |  Aefintyri  'i,  509  (in  englischer 
Uebersetznng  in  den  Icelandic  Legends,  translated  by  Powell 
and  Magnüsson  2,  606),  Miillenhoff  Sagen,  Märchen  und 
Lieder  aus  Schleswig,  Holstein  und  Lauenburg  S.  468,  Grimm 
Kinder-  und  Hausmärchen  Nr.  2,  Firmenich  Germaniens 
Volkerstimmen  1,  91  [Engelien  Nr.  16,  Haltrich  Zur  Volks- 
kunde der  Siebenb.  Sachsen  LSSö,  S.  74,  Cosrpiin  Nr.  54,  Revue 
des  1.  rom.  4,  ol6:  14,  184,  Adam  Les  patois  lorr.  p.  412, 
Sebillot  ('.  des  prov.  Nr.  65,  Teza  Rainardo  186  p.  18, 
Blade  H,  195,  Giamb.  Basile  LSS4,  52,  Braga  Nr.  246,  Ca- 
ballero p.  17,  Brueyre  p.  o()4,  Bondeson  Sv.  Fs.  Nr.  HO,  Sv. 
Landsmälen  1.  748;  2,  CV,  Afanasjew  1"^  Nr.  12  bei  De  Gu- 
bernatis  Zool.  Myth.,  Krauss  1,  Nr.  11,  Radioff  8,  o69.  Krolin, 
Bär  und  Fuchs :  Journ.  de  la  soc.  tinuo-  ougr.  (5,  74].  Wie 
im  französischen  Märchen,  so  sind  auch  im  griechischen,  im 
gälischen  und  im  holsteinischen  Wolf  und  Fuchs  die  han- 
delnden Tiere,  im  norwegische-n  ist  der  Bär  an  die  Stelle  des 
Wolfs  getreten.  Sonst  spielt  das  Märchen  auch  zwischen 
Katze  und  Maus  (Grimm),  oder  zwischen  Hahn  und  Huhn 
(Firmenich),  oder  zwischen  Fuchs  und  Hahn  ( Variante  bei 
Grimm),  in  Island  zwischen  einem  Mann  und  seiner  Frau. 
Die  Namen  der  Täuflinge  sind  im  griechischen  Märchen: 
Anfanginchen,  Mittinchen,  Stülpinchen;  im  gälischen:  Foveeal 
(ünder  its  mouth),  Moolay  Moolay  (About  half  and  half), 
Booill  eemlich  (Licking  all  up);  im  norwegischen:  Begyndtpaa 
(Angefangen),  Halvsedt  (Halbgegessen),  Slikket-i- Bunden 
(Boden  geleert);  im  holsteinischen:  Halfuet,  Drevirteluet, 
Schrapopnborn;  im  isländischen:  Borria  (Rand),  Mi(1ja  (Mitte), 
Logg  (Falz  am  Boden),  Botni  (Boden);  bei  Grimm:  Hautab, 
Halbaus,  (Janzaus,  und:  Randaus,  Halbaus,  Ganzaus:  bei 
Firmenich:  Schlichtaf,  Halfut,  Stülpum  [Archivio  5,  57  ent- 
stellt]. 

Der   zweite    Teil    des    französischen   Märchens,    von    der 


13.     VolksmäiH'licii   aus  der  Landschaft  Forez   in   Frankreiidi.     1()7 

Entdeckung'  des  geleerten  Buttertopfes  an  bis  zum  Ende, 
stellt  nur  in  riusserli<'her  loser  Verbindung  mit  dem  Haupt- 
teil. Es  sind  einzelne  Schwanke  von  Fuchs  und  Wolf,  die 
hier  verbunden  sind.  Wenn  der  AVolf  sich  so  dick  frisst, 
dass  er  kaum  wieder  aus  dem  Loch  heraus  kann,  so  ver- 
gleiche man  (hizu  Grimm,  Reinhart  Fuchs  S.  CCLXV  und 
Grundtvig  Gamle  danske  Minder.?,  119  [Kühler  zu  Blade  1H74, 
p.  151,  Cosquin  Nr.  54,  Sebillot  3,  8(U),  Rolland  1,  149].  Die 
Art,  wie  er  seinen  Schwanz  verliert,  erinnert  an  den  be- 
kannten Fischzug  des  Wolfs  im  Eis  [Gott.  gel.  Anz.  1(S()8, 
1390  =  oben  S.  70|.  no(di  mehr  aber  an  das  afrikanische 
Tiermärchen  bei  (irimm,  Kinder-  und  Hausmärchen  ■^.  '')72. 
Und  endlich  wie  der  Fuchs  dem  Wolf  einen  weissen  Stein  in 
einem  Brunnen  für  Butter  ansgiebt,  so  glaubt  anderwärts  der 
Wolf  dem  Fuchs,  der  in  einem  Brunnen  sich  spiegelnde 
Mond  sei  ein  Käse,  vgl.  F.  AV.  |  Schmidt  zu  Petrus  Alfonsi  402 
S.  154:  -I.  Grimm,  Reinhart  Fuchs  S.  CGLXXVIl  und  Dunlop- 
Liebrecht  S.  44sb  |('ainpbell  1.  -JT-J,  AVuk  Nr.  50,  Krauss  1, 
Nr.  S,  Archiv  f.  slav.   Phil.  7.  ;!10|. 

Ausser  diesem  Märchen  enthält  das  Dictionnaire  du  patois 
forezien  neben  mehreren  mundartlichen  Liedern  und  anderen 
Gedichten  noch  zwei  hiibs('he  Versionen  des  Märchens  vom 
Rotkäppchen  (S.  205  und  S.  210)  und  eiidge  Fragmente 
des  Märchens  vom  Daumesdick  (S.  201).  der  bald  Plen- 
Pougnet,  l)ald  Gros-d'in-Pion  heisst.  Er  wird  von  einem 
Ochsen  verschlungen  und  ruft  seiner  suchenden  und  nach 
ihm  rufenden  Mutter  zu:  ,Sei  guiens  le  ventre  deu  bleu 
moure'  (Je  suis  dans  le  ventre  du  banif  uoir),  die  Mutter 
weiss  nicht,  was  sie  machen  soll,  als  plötzlich  ,le  bieu  moure 
fague  vun  bousat,  et  Plein-Pougnet  ley  se  troube'  (le  b<puf 
noir  fit  une  bouse,  et  Plein-Poing  sy  trouva).  Ein  andermal 
wird  er  von  einem  Wolf  verschlungen,  und  wenn  nun  der 
Wolf  Schafe  rauben  will,  schreit  Daumesdick  im  Leibe  des 
AVolfes  den  Schäfern  zu:  ,Gara,  gara,  (jue  lou  lü  vint  miudzä 
voutres  feyes  (brebis)!'  fGubernatis  Zoolog.  Mythol.  2,  151, 
Bleek,  Bushman  folk-lore  p.  12J  —  ganz  so  wie  im 
griechischen  Märchen  (v.  Hahn  Nr.  55)  Halberbschen  aus  dem 


108  ^^^^'  ^ärehenforscluing. 

Leibe  des  Wolfes  ruft :  ,He,  ihr  Hirten,  der  AVolf  frisst  euch 
die  Schafe!'  Im  griechischen  Märchen  stürzt  sich  der  Wolf 
aus  Verzweiflung  darüber  von  einem  Felsen  herunter  zu  Tode; 
im  französischen  zwängt  er  sich  auf  Kat  des  Fuchses  durch 
zwei  eng  bei  einander  stehende  Bäume  hindurch  und  presst 
so  den  unbequemen  Daumesdick  heraus.  Endlich  erzählt  das 
französische  Märchen  auch  noch  vom  Daumesdick,  wie  er 
von  einem  Baum  aus  Räuber  l)elauscht,  die  ihre  Beute  teilen. 
Indem  er  immer  dazwischen  ruft,  tötet  der  zornige  Haupt- 
mann, welcher  glaubt,  seine  Leute  seien  es,  einen  nach  dem 
andern,  und  als  auch  dann  die  Stimme  immer  noch  ruft, 
wirft  er  das  Geld  hin  und  flieht. 

S.  230  bemerkt  Herr  Gras:  ,Les  contes  et  les  chausons 
sont  fort  multiplies  dans  la  montagne  (im  Gebirge  von  Forez)'. 
Möchte  doch  diese  Fundgrube  recht  ausgebeutet  werden! 


14.  Zu  H.  Carnoy, 

Contes,  petites  legendes,  croyances  populaires,  coutumes, 

formulettes,  jeux  d'enfants,  recueillies  ä  Warloy-Baillon 

(Somme),  ou  ;i  Mailly  (Romania  8,  222 — ^263). 

(Zeitschrift  für  ronian.  Philologie   8,  311  —  313.^1879.) 

Herr  H.  Carnoy  liatte  schon  in  der  leider  so  bald  wieder 
eingegangenen  , Melusine'  manclie  wertvolle  Volksüberliefe- 
rungeu  aus  Warloy-Baillon  mitgeteilt,  und  zwar  S.  90,  109, 
110,  113,  239,  279,  44(1  Märchen,  S.  l.ss  und  464  Gebete, 
S.  126,  174,  31.S  Sprüche,  S.  293  ein  Rätsel,  S.  71  Aber- 
glauben, S.  125  Gebräuche.  Hier  erhalten  wir  von  ihm 
15  Contes  (Märchen),  10  petites  Legendes  (d.  i.  kleine  Le- 
genden und  Sagen),  7  Formulettes  (Kinder-  und  Volksreime), 
3  Prieres  populaires,  einige  Mitteilungen  über  Croyances 
populaires    und    Coutumes    des    jours    de    fetes   und   2  Jeux 


14.    Zu   H.  Carm.y.  109 

denfauts  ^).  Ich  will  hier  die  Titel  der  sänitliclieii  Märchen, 
bei  deren  jedem  angegeben  ist.  von  wem  und  wanu  nnd  wo 
es  dem  Sammler  erzählt  w^orden  ist.  folgen  lassen  und  sie 
mit  einigen  Bemerkungen  begleiten. 

Nr.  1,  Di('k-et-l)on.  Vgl.  ('osquin  Contes  populaires 
lorrains  Nr.  27  und  meine  Nachträge  dazu  oben  2,  351.  Der 
Name  Dick-et-Don  erinnert  auffallend  an  den  Ricdin-Ricdon 
in  dem  Märchen  der  Mlle  L'heritier  nnd  an  den  Kirikitoun, 
der  baskischen  Märchen  bei  Webster  S.  5(5  und  ('erquand  1,  41. 
—  Nr.  2,  La  biche  blanche.  Ebenso  wie  das  in  der  Melu- 
sine S.  446  von  Carnoy  mitgeteilte,  zum  Teil  entstellte 
Märchen  aus  Warloy-Baillon  ,La  niontagne  noire  ou  les  filles 
du  diable'  eine  Version  des  Märchens  von  der  vergessenen 
Braut.  Vgl.  Cosquin  zu  Nr.  82  nnd  meinen  Nachtrag  oben 
3,  156^).  Wenn  die  vergessene  Braut  sich  dreimal  von  der 
neuen  Braut  die  Erlaubnis  erkauft,  mit  dem  Prinzen  die 
Nacht  zuzubringen,  so  vgl.  dazu  meine  Anmerkung  zu  Blade, 
Contes  pop.  recueillis  en  Agenais  S.  145.  —  Nr.  3,  Jean 
des  pois  verts,  gehört  zu  dem  Märchen  vimi  kleinen  Däum- 
ling (Petit  poucet).  Der  sehr  eigentümliche  Anfang  erinnert 
an  V.  Hahn,  Griech.  Märchen  Nr.  5()  (Pfefferkorn).  —  Nr.  4, 
Jean  ä  la  tige  dharicot.  Vgl.  Cos(|uin  zu  Nr.  4  und  39 
seiner  Contes  und  dazu  meine  Nachträge  oben  3,  157  und 
das  von  Cosquin  und  mir  vergessene  sehr  hübsche  bretouische 
Märchen  in  der  Melusine  S.  129.  Wenn  in  unserm  Märchen 
Jean  an  einer  himmelhohen  Bohnenpflanze  emporsteigt  und 
so  in  den  Himmel  gelangt,  so  stimmen  von  den  parallelen 
Märchen  in  dieser  Beziehung  nur  das  italienische  Märchen 
bei  T.  Gradi,  Saggio  di  letture  varie  p.  181,  und  das  vlä- 
mische    bei    Lootens,    Oude    Kindervertelsels    S.    9.       Beide 


')  [Vgl.  Carnoy,  Litterature  orale  de  la  Picardie.  Paris  1883.  — 
Die  14  Märchen  sind  aus  der  Romauia  abgedruckt  bei  Carnoy,  Contes 
franyais  1885  p.  227—308.] 

■^)  Jetzt  wäre  ^unter  andrem  noch  nachzutragen  das  bretonische 
Märchen  ,La  Princesse  Blondine'  in  dem  soeben  erschienenen  Buch  des 
trefflichen  F.  M.  Luzel,  ,Veillees  bretonnes ;  mo  eurs,  chants,  contes  et 
recits^populaires  des  Bretons-Armoricains',  Morlaix  1879,  S.   11. 


wo  Zur  MärclienfDrsfhimg. 

Märchen  unterscheiden  sich  aber  wieder  ihidurch  von  dem 
picardischen,  dass  in  ersterem  der  Himnielspförtuer  St.  Peter, 
in  letzterem  der  liebe  Gott  selber  der  Spender  der  Wunder- 
gaben ist.  Vgl.  auch  die  Bemerkungen  weiter  unten  zu 
Nr.  IH.  —  Nr.  ö.  Pierre  le  badaud.  Peter  richtet  einige 
Aufträge  ganz  wortlich  ä  la  Eulens[)iegel  aus.  An  Kulen- 
spiegel  (9.  Historie)  erinnert  auch  der  Schluss  des  Märchens, 
wo  P.  in  einen  leeren  Bienenkorb  gekrochen  ist,  der  dann 
von  einem  Dieb  fortgetragen  worden  ist,  bis  P.  durch  Stechen 
mit  einer  Schusterahle  (also  auf  andere  Weise  wie  Kulen- 
spiegel)  den  Dieb  dahin  bringt,  den  Bienenkorb  fallen  zu 
lassen  und  zu  fliehen.  Vgl.  auch  das  von  H.  Carnoy  in  der 
Melusine  S.  i)()  mitgeteilte  Märchen  von  dean  l'avise.  —  Nr.  B, 
Le  merle  blanc,  ist  eine  Version  des  Märchens  von  den 
drei  Brüdern,  die  nach  einem  wunderbaren  Vogel  ausziehen, 
und  von  dem  hilfreichen  Fuchs  oder  Wolf,  über  welches 
Märchen  man  meine  Anmerkungen  zu  Schiefuer,  Awarische 
Texte  Nr.  1  und  die  von  ('os(|uin  zu  Xr.  1  seiner  Contes  lor- 
rains  sehe.  Eine  interessante  bretonische  Version  ,Le  i)etit 
roi  deannot'  hat  neuerdings  Paul  Sebillot  in  <ler  Pariser  Zeit- 
schrift I/alliance  des  arts  et  des  lettres,  V.  annee  no.  47,  1. 
fevr.  IST!),  mitgeteilt  [=  Sebillot,  Contes  pop.  de  la  llante- 
Bretagne  1,  no.  1.  ISSO]:  hier  ist  der  Wundervogel  auch  ein 
merle  blanc  ^).  —  Nr.  7,  dean  des  Pols  Verts  et  Jean 
des  PoIn  Sees,  besteht  aus  Elementen  der  Märchen  vom 
Fürchteideiiien  (siehe  (irimm  Nr.  4  mit  Anm.  und  (lonzen- 
bach  Nr.  .')7)  und  der  Unibos-Mär(dien  (zuletzt  von  Cos(|uin 
in  Nr.  10  und  "20  und  im  Appemlice  hinter  Nr.  4'2  be- 
sprochen). —  Nr.  S,  Le  Corps  saus  Arne  ou  le  lien,  la 
pie  et  la  fourmi.  ist  eins  der  vielen  Märchen,  in  denen  | 
der  Held  (hier  ein  chiffonnier)  von  dankbaren  Tieren  die  Fähig- 
keit erhält,  ihre  (iestalt  anzunehmen,  dadurch  eine  Prinzessin 
von  einem  Ungeheuer.  Drachen  und  dergleichen  befreit  und 
endlich  auch,  trotz  den  Ränken  eines  Nebenbuhlers,  ihre  Hand 
erhält.         Nr.  9,  La  bague  magicjue.     Ein  düngliug  erhält 

•)  Ich    verdanke    die    Kenntnis    dieses    ^lärehens   meinem    Freunde 
Henri  (xaidoz   in    Paris. 


14.    Zu   n.  Canioy.  HX 

von  einer  Zauberin  einen  Ring,  durch  den  er,  wenn  er  ,Deus 
vobiscum*  sagt,  die  Nase  einer  andern  Person  verlängern  und 
auch,  wenn  er  ,et  cum  spiritu  tuo'  sagt,  wieder  verkürzen 
kann.  Hierdurch  verschafft  er  sich  eine  Frau.  Später  kommt 
der  Ring  einmal  in  die  Hände  des  Pfarrers,  und  als  der  am 
nächsten  Sonntag  zum  erstenmal  , Dominus  vobiscunr  sagt, 
beginnt  seine  Nase  zu  wachsen  und  wächst  immer  mehr,  l)is 
endlich  der  Besitzer  des  Rings  sich  seinen  Ring  wiedergeben 
lässt  und  so  lange  ,et  cum  spiritu  tuo'  sagt,  bis  die  Nase 
wieder  normal  geworden  ist.  Aehnlich  ist  eine  Novelle  in 
des  Nicolas  von  Troyes  , Grand  Parangon  des  Nouvelles  nou- 
velles'  (die  39.  in  der  Ausgabe  von  E.  Mabille,  Paris  1S69); 
doch  handelt  es  sich  in  dieser  sehr  freien  Novelle  nicht  um 
die  Nase,  sondern  um  ein  anderes  Glied,  welches  um  einen 
halben  Fuss  wächst,  wenn  der,  der  den  Ring  am  Finger 
trägt,  das  Zeichen  des  Kreuzes  macht,  aber  auch  wieder  ab- 
nimmt, wenn  er  das  Zeichen  des  Kreuzes  ,par  derriere'  macht 
[Vgl.  hierzu  Kryptadia  1,  77.  307.  349;  4,  '201^.  Bedier  Les 
fabliaux  ^  p.  446.  Fahrizi  Origine  dei  proverbi  25,  Imbriani 
('onti  pomigl.  p.  S9,  Friedr.  Müller,  Romsprache  S.  168].  — 
Nr.  10,  Le  violon  merveiUeux,  gehört.^u  Grimm  Nr.  10  bis 
110.  Ich  werde  gelegentlich  ausführlich  über  die  verschiedenen 
Versionen  dieses  Märchens  handeln,  einstweilen  verweise  ich  auf 
meine  Nachweise  im  dahrb.  für  roman.  Litt.  5,  10  [oben  S.  89] 
und  7,  267  [Widter-Wolf  Nr.  14].  —  Nr.  11,  Bras  d'acier, 
eine  Version  des  Märchens  vom  Wunschsack  oder  Wunsch- 
ranzen. Vgl.  Jahrb.  5,  4  [oben  S.  83];  7,  138  [Widter-Wolf  Nr.  9], 
Deulin  Contes  du  roi  Gambrinus  S.  111  (Le  Sac  de  la  Ra- 
mee),  Webster,  Basque  Legends  S.  195  u.  199,  A.  de  Trueba, 
San  Pedro  me  valga,  in  der  Madrider  Zeitschrift  ,La  Aca- 
demia^  T.  2,  no.  12,  7.  SOctober  1874 1),  Pitre  Nr.  125.  -- 
Nr.  12.  Les  trois  souhaits,  eine  P^ntstellung  des  dem  vorigen 
sehr  nahestehenden  Märchens  vom  Schmied  und  vom  Tod 
und  Teufel,  über  welches  ich  hier  nur  auf  Grimm  zu  Nr.  82 
verweisen  will.  —  Nr.  13,    La  tige  des  feves,  Variante  zu 


*)  Auch  die  Kenntnis  dieses  Märchens  verdanke  ich  H.  Gaidoz. 


![•_)  Zur  Märcheiiforscluin^'. 

Grimm  Nr.  19.  Au  die  Stelle  des  daiikbareu  Fisches,  der  in 
den  meisten  der  zahlreichen  Versionen  dieses  Märchens  eine 
Hauptrolle  spielt,  ist  in  unsrem  und  in  dem  Märchen  aus  der 
Normandie,  welches  E.  du  Meril  in  seinen  Etudes  sur  quel- 
ques points  darcheologie  et  dhistoire  litteraire  S.  474  mit- 
teilt, der  Himmelsptortner  St.  Petrus  getreten,  und  in  beiden 
Märchen  Hiegt  der  Held  an  einer  Bohnenpflanze  zur  Himmels- 
pforte  empor,  die  Pflanze  aber  ist  einer  Bohne  entsprossen, 
die  er  vom  lieben  Gott  selbst  geschenkt  bekommen.  Vgl. 
zu  Nr.  4.  —  Nr.  14,  Les  six  C(tmpagnons.  1)  Sechs 
Bauern  ziehen  aus,  das  Meer  zu  sehen,  und  halten  ein  im 
Winde  wogendes  Getreidefeld  dafür  und  werfen  sich  hinein, 
um  zu  schwimmen.  2)  Zu  einem  tiefen  Brunnen  gelangt, 
fürchten  sie,  einer  von  ihnen  könne  hineingefallen  sein,  wes- 
halb sie  sich  zählen.  Der  Zählende  vergisst  sich  mitzuzählen, 
und  so  bringen  sie  nur  fünf  heraus.  Also  muss  wirklich 
einer  in  den  Brunnen  gefallen  sein,  o)  Um  ihn  herauszu- 
holen, legen  sie  einen  Stab  über  die  Brunnenöftnung,  der 
stärkste  von  ihnen  hält  sich  mit  den  Händen  daran,  an  dessen 
Füssen  ein  anderer  und  so  fort  bis  zum  letzten,  der  nun 
nach  dem  Verlorenen  sich  umsehen  soll.  Der  oberste  muss 
aber  einmal  in  seine  Hände  spucken,  uml  so  fallen  alle  ins 
Wasser.  —  Zu  1 )  erinnere  ich  an  die  Sage  von  den  fliehenden 
Herulern  bei  Paulus  Diaconus  de  gestis  Langobardorum  1,  20 
(Herulorum  vero  exercitus  dum  liac  illacque  dilTugeret,  tanta 
super  eos  caelitus  ira  respexit,  ut  viridantia  camporum  lina 
cerneutes  natabiles  aquas  putarent.  Dumque  (|uasi  nataturi 
brachia  extenderent,  crudeliter  hostium  feriebantur  a  gladiis) 
und  an  das  Abenteuer  der  sieben  Schwaben,  „wie  sie  durch 
das  blaue  Meer  (ira  Flachsfeld)  schwimmen  ohne  zu  ersaufen", 
in  L.  Aurbachers  Abenteuer  der  sieben  Schwaben  (Ein  Volks- 
büchlein, 2.  Aufl.,  Märchen  1835,  S.  225)  und  danach  auch 
in  Simrocks  Gedicht  „Die  sieben  Schwaben"  in  dessen 
Deutschen  Volksbüchern  10,  52  und  in  seinen  Dichtungen, 
Berlin  1872,  S.  252  [Liebrecht,  Zur  Volkskunde,  S.  114  f.]. 
—  Zu  2)  verweise  ich  auf  das  erste  Abenteuer  in  dem 
313  indischen  Volksbuch  von  dem  1  Meister  Paramärtha  und  seinen 


14.    Zu   H.  Carnoy.  ]^]^3 

S(;hiilerii'),  auf  die  10.  (lescliiclite  in  den  "Merry  Tales  (tf  tlie 
Mad  ^feji  of  (iotiiam  -),  auf  ein  galisehes  Märclien  bei  Camp- 
hell.  Tale.s  of  tlie  West  HiglJauds  2,  376  [no.  4<S],  auf  die 
Geschichte  von  den  zu  den  Witzenbürgern  geschickten  Ge- 
sandten aus  Kleinwitzky  in  v.  d.  Hagens  Narrenbueli  S.  478 
(aus  dem  Grillenvertreiber,  einer  erweiterten  Redaktion  der 
Sehildbürger)  und  auf  den  S(di\vank  von  den  Büsumern  bei 
Miillenhoft',  Sagen  S.  *)4^).  in  all  diesen  zählt  sich  eine  Ge- 
sellschaft von  Einfaltspinseln  und  bekommt  immer  einen  zu 
wenig  heraus,  weil  der  Zählende  sich  selbst  nicht  mitzählt. 
.Meistens  kommt  ihnen  ein  Fremder  gegen  Bezahlung  zu 
Hilfe,  indem  er  jedem  einen  derben  Hieb  giebt  und  sie  dabei 
zählt  oder  sich  selbst  zählen  lässt.  Den  Büsumern  giebt  der 
Fremde  den  Rat,  jeder  soll  seine  Nase  in  einen  Sandhaufen 
stecken  und  dann  sollen  sie  die  Löcher  zählen.  Im  (Jrillen- 
vertreiber  kommt  einer  der  Gesandten  selbst  auf  den  Ge- 
danken, dass  jeder  seinen  Finger  in  dicke  Milch  stecke.  — 
Endlich  der  dritte  Narrenstreich,  wie  sie  in  den  Brunnen 
fallen,  weil  der  Oberste  loslässt  und  in  die  Hände  s[)uckt. 
wird  erzählt  von  den  Schildbürgern  (v.  d.  Hagen,  Narrenbuch 
S.  11),  von  den  Ganslosenern  (Meier,  Sagen  aus  S(diwaben 
S.  867),  von  den  Hauwiekern  (Strackerjan  '2,  2(84),  von  den 
Teterowern  (Bartsch  1.  349).  Aehnlich  ist  auch  ein  indischer 
Schwank  in  A.  Webers  Indischen  Streifen  1,  248  [Gaidoz- 
Sebillot.  Blason  1884.  p.  11-2].  —  Nr.  15.  Lenfant  et  le 
eure.  Zu  den  Antworten  des  Knaben:  .Mon  pere  est  parti 
faire    un   trou    pour   en    boucher  deux,    et  ma  mere  est  ä  la 


')  Vgl.  den  Aufsatz  über  die  Abenteuer  des  Guru  Paraniärtlia,  ein 
indisches  Volksbuch,  von  E.  Brockhaus  in  den  Berichten  der  Kgl.  Sachs. 
Ges.  der  Wissensch.  zu  Leipzig,  piiilul.-histor.  Cl.  2,  18—32  (1850). 
[Oesterley,  Zeitschr.  für  vergl.  Littgesch.   1,  .öO  (1887).] 

■-)  Mit  diesem  alten  Volksbuch  hat  W.  C.  Hazlitt  seine  Sammlung 
Sliakespeares  Jest-Books  (London   1864)  eröffnet. 

•■*)  [Danach  Kopisch,  Gesammelte  Werke  1,  280  (185(i).  Ferner 
Birlinger,  Volkstümliches  aus  Schwaben  1,  437.  Alemannia  13,  174. 
Germania  2tJ,  118.  27,  231.  Melusine  2  4H(>.  Gaidoz-Sebillot,  Blason 
pop.   1884  p.   112.] 

R.  Köhler,  Kl.  Schritten  I.  8 


1  14  Zur  Märclientorschung. 

chasse;  ce  quelle  tue,  eile  le  laisse,  ce  quelle  ue  tue  pa.s, 
eile  le  rapporte,  habe  ich  Paralleleu  iu  der  Melusiue  1,  475 
nachgewiesen  [, Fauch  Scouarnec';  weiter  unteuj. 

Aus  (leu  ,Petites  Legendes'  und  den  übrigen  Ueberliefe- 
ruugeu  will  ich  nur  einiges  ausheben.  Im  Vollmond  kanu 
mau  den  Kopf  des  .ludas  Ischarioth,  in  der  Sonne  einen 
knieendeu  Mann  sehen,  der  im  lieben  nie  gebetet  hatte 
(8.  254,  Nr.  '2  uml  5).  —  Zu  der  S.  255  Nr.  8  mitgeteilten 
Hexensage  mit  der  Ausfahrformel , Saute  haies  saute  buissons, 
fais-nous  aller  oii  ils  sont'  vgl.  J.  Grimm,  D.  Mythol.  ^  S.  1037 
=  *  S.  906  und  dazu  die  Nachträge  im  3.  Band  der  4.  Aus- 
gabe S.  81o.  —  Zu  dem  Aberglauben  S.  259  On  croit 
quil  existe  un  oiseau  nomme  houppe,  qui  pond  dans  son 
nid  une  pierre  aux  couleurs  l)rillantes.  Si  on  pouvait  trouver 
cette  pierre,  on  serait  invisible  en  la  portant  sur  ses  vete- 
ments',  vgl.  Wuttke,  Der  deutsche  Volksaberglaube  der  Gegen- 
wart S.  29S  f.  und  F.  I..  Grundtvig,  Lösningsstenen,  Kjö- 
benh.  1S7S  S.  \'M)  f.  und  S.  15<s  f.  Manche  Leser  werden 
sich  an  Grimmelshanseus  , Vogelnest'  und  an  Rosts  S(;häfer- 
gedicht  ^Das  Zeisignest'  erinnern.  —  Endlich  möge  noch  er- 
wähnt werden,  dass  nach  S.  2()0  die  Milchstrasse  ,pied  de 
vent'  und  der  grosse  Bär  ,le  chariot  de  David'  heisst,  dass 
sich  der  Teufel  mit  seiner  Frau  prügeln  soll,  wenn  die  Sonne 
von  Wolken  verdeckt  ist,  dass,  wenn  es  schneit,  der  liebe 
Gott  seinen  Hafer  schwingt,  und  wenn  es  donnert,  trommelt, 
und  dass  man  die  Gewitter  ,<pieues  d'onrs'  nennt. 


15.  Anmerkungen  zu  Blade,  Contes  populaires 
de  la  Gascogne  (issc). 

[Die  nachfolgenden,  bisher  ungedruckten  Bemerkungeu 
Köhlers  waren  dazu  bestimmt,  der  dreibändigen  Sammhmg 
, Contes  populaires  de  la  Gascogne'  von  dean-Frangois  Blade 


15.    Aiiinerkuiiij'eii   zu  Bhide.  115 

(Les  litteratures  populaires  de  toiites  les  nations  19 — 21.  Paris, 
Maisoiineuve  1(S<SG)  angehängt  zu  werden;  auch  Gaster  hatte 
seine  Mitwirkung  zugesagt.  Da  sich  aber  der  Abschluss  ver- 
zögerte, drängte  der  Verleger,  die  Texte  ohne  den  ivommentar 
erscheinen  zu  lassen:  vgl.  Blades  Vorrede  zum  1.  Bande, 
S.  XL VII.  Ich  gehe  hier,  was  Köhler  schon  ausgearbeitet 
hatte,  wieder  und  hänge  in  Klammern  einige  verstreute  No- 
tizen von  ihm  nebst  eignen  Zusätzen  an.     ,1.   Bolte.] 

1,  8  110.   1.   Le  jeune  homnie  et  la  grand"  bete  ä  tete 

dh  online. 

Jeder  Leser  dieses  Märchens  hat  natürlich  sofort  an  die 
griechische  Sphinx,  die  man  sich  gewöhnlich  als  einen  ge- 
Hügelten  F^öwen  mit  dem  Kopf  und  der  Brust  einer  Jungfrau 
vorstellte  ^),   und   an  ihr  Rätsel   über  den  Menschen  gedacht. 

In  einer  leider  nur  unvollständig  erhaltenen  neu- 
griechischen Sage  (B.  Schmidt  1S77,  S.  148)  wird  erzählt, 
dass  einst  bei  Theben  eine  Königin  geherrscht  habe,  die  habe 
am  Wege  auf  einem  Felsen  gesessen  und  allen,  die  dort 
vorüberkamen,  drei  Rätsel  aufgegeben.  Das  dritte  dieser 
Rätsel  ist  das  vom  Menschen  und  lautet:  ,Was  ist  das  für 
ein  Ding,  das  zuerst  mit  vier  Füssen  geht  und  dann  mit 
zweien  und  dann  mit  dreien?'  —  In  einem  andern,  ebenfalls 
unvollständigen  neugriechischen  Älärchen  (Schmidt  S.  "24^) 
giebt  ein  Ungeheuer  drei  Rätsel  auf,  und  auch  hier  handelt 
das  dritte  vom  Menschen:  ,\Vas  ist  das,  was  im  Anfang 
seines  Lebens  vier  Füsse  hat,  in  der  Mitte  zwei  und  am 
Ende  drei?' 

Das  Rätsel  vom  Menschen  kommt  aber  auch  einzeln, 
d.  h.  nicht  in  ein  Märchen  eingerahmt,  vor.  In  einer  Hs.  des 
15.  Jahrh.  (Anzeiger  f.  d.  K.  der  d.  Vorzeit  1<S3<S,  2G0)  findet 
sich  folgende  gereimte  Form : 

Wenn  es  an   dem  morgen  auf  stat, 
Vier  füss  es  an  ihm  hat; 


')  [J.    Ilberg,    Die    Sphinx    in    der  griechischen    Kunst     und    Sage. 
Progr.  Leipzig  1896.] 

8* 


WQ  Zur  Märchenforsc'liung-. 

So  es  mittentag  wirt, 

So  sind  ihm  zwen  füss  beschert; 

So  die  nacht  her  gat, 

Uf  drien  füssen  es  stat. 

Bei  verschiedenen  Völkern  ist  dasselbe  Rätsel  in  neuerer 
Zeit  aus  dem  Volksmunde  aufgezeichnet  worden.  Ich  erinnere 
mich  der  folgenden : 

Marcha  Ion  mate  ein  (juatre  ehambas,  a  miejour  em  douas, 
lou  ser  em  tres  (Tjimousin.  J.  Roux,  Revue  des  langues  rem. 
12,  175.     1877). 

Soy  animal  que   viajo 

De  maiiana  a  cuatro  pies, 

A  medio  dia  con  dos 

Y  ])()r  la   noche   con   tres. 

(Demöfilo  =  A.  Machado  y  Alvarez,  Coleccion  de  euigmas 
y  adivinauzas  1880  p.  148  no.  517:  vgl.  p.  311). 

Was  ist  das  für  ein  Tier,  welches  am  Morgen  mit  vier 
Füssen  geht,  am  Mittag  mit  zweien  und  am  Abend  mit 
dreien?     (Neugriechisch  aus   Lesbos.     ß.   Schmidt  S.  248). 

Am  Morgen  auf  vier,  Mittags  auf  zwei,  Abends  auf  drei 
Füssen  (Finnisch.  Nach  E.  Lönnrott  in  der  Allgem.  Zeitung 
1884  Nr.  301  B  S.  4443  A). 

Am  Morgen  vier,  am  Mittag  zwei,  am  Abend  drei  (Bur- 
jatisch. Gombojew,  Bull,  de  1"  acad.  imp.  de  St.  Petersbourg, 
classe  des  sciences  histor.    14,   170.     1856). 

Morgens  geht  es  auf  vieren,  Mittags  auf  zweien,  Abends 
auf  dreien  (Armenisch.  Seidlitz,  Ausland  1884,  71.    1889,  809). 

[Fidschi-Inseln:  Revue  des  trad.  pop.  1,87.  Fortier, 
Louisiana  folk-tales  1895  p.  ()2  Nr.  18.  Wossidlo,  Mecklen- 
burgische Volksüberlieferungen  1,   11(5  Nr.  344.] 

Das  zweite  Rätsel  bei  Blade  von  dem  weissen  Bruder 
und  der  schwarzen  Schwester,  d.  i.  dem  Tag  und  der 
Nacht,  erinnert  an  zwei  lettische  Rätsel  (A.  Bielenstein,  1000 
lett.  Rätsel  1881  Nr.  137.  138),  von  denen  das  eine  lautet: 
,Zwei  Schwestern,  die  eine  weiss,  die  andere  schwarz'  —  und  das 
andere :  ,Zwei  Schwestern,  die  in  Zwietracht  sind :  die  eine  er- 
scheint, die  andre  flieht:  die  eine  ist  weiss,  die  andre  schwarz'. 
[Wossidlo  1,  141  Nr.  498.] 


15.    Aniiierkungen   zu  Bladc.  jJ^J 

Wenn  in  iinserm  Märchen  das  Untier  im  Sterben  den 
Jüngling  auffordert,  sein  Blut  zu  trinken,  seine  Augen  und 
sein  Gehirn  zu  saugen  und  sein  Herz  seiner  Geliebten  zu 
essen  zu  geben,  so  vergleiche  man  weiter  unten  (p.  191)  das 
Märchen  ,La  belle  endormie',  in  welchem  der  Boshafte  den 
König  auffordert,  seine  Ohren  und  seine  Zunge  zu  essen  und 
seine  Augen  zu  saugen. 

1,  32  no.   111.     Le  becut. 
Polyphem;  nichts  von  Utis  [Grimm  no.   191]. 

1,  43  no.  IV.  Le  retour  du  seigneur. 
Eine  jener  zahlreichen  Sagen,  welche  erzählen,  wie  ein  '^Iam/^^  ^^^ 
Fürst  oder  Herr  nach  längerem  Verweilen  im  Morgenland 
plötzlich  auf  übernatürliche  Weise  rasch  in  seine  Heimat 
zurückgelangt,  wo  seine  Gemahlin  eben  im  Begriff  ist  eine 
zweite  Ehe  einzugehen.  Derartige  Sagen  sind  schon  öfters 
zusammengestellt  und  besprochen,  so  von  W.  Müller  in  der 
von  ihm  und  G.  Schambach  herausgegebenen  Sammlung. 
,Niedersächsische  Sagen  und  Märchen'  l<s,')5  S.  3.S9,  W.  Menzel 
(Odin  1855  S.  96),  W.  von  Tettau  (Jahrbücher  der  kgl.  Akad. 
zu  Erfurt  n.  F.  7,  "243.  1870),  P.  Rajna  (Romania  6,  359. 
1877),  M.  Landau  (Die  Quellen  des  Decameron,  2.  AuH.  1884 
S.  193)  und  F.  ,1.  Ghild  (English  and  scottish  pop.  ballads 
1,   194.    1882  zu  Nr.  17  .HindHorn';  ferner  2,  502.    4,  499). 

Wie  im  gascognischen  Märchen  der  Held  vom  Teufel 
durch  die  Luft  nach  Hause  getragen  wird,  so  auch  in  den 
parallelen  deutschen  Sagen  von  Herzog  Heinrich  dem  Löwen 
und  von  den  Rittern  von  Hollenbach,  von  Falkenstein  und 
von  Strättlingen. 

Die  Stelle  des  ,C(intrat  de  mariage  coupe  en  deux-,  durch 
den  in  unserm  Märchen  die  Wiedererkennung  der  Ehegatten 
erfolgt,  vertritt  in  zahlreichen  parallelen  Sagen  der  in  zwei 
Hälften  geteilte  Trauring  (Puymaigre,  Chants  populaires 
rec.  dans  le  pays  messin  1881  1,  51.  56.  64.  Bellermann, 
Portugiesische  Volkslieder  1864  S.  106). 


WS  Zui'  Märchentorschung. 

1,  57  110.  I.     La  reine  clijitiee. 
[Entspricht   der  Hamlet  sage;    nur  fehlt  der  Buhle  der 
verbrecherischen  Königin.] 

1,  66  110.  11.  La  mer  qui  chaiite,  la  pomme  (jui  danse 
et  r  oisillon  (|ui  dit  tout. 
Vgl.  Cos(piiu  no.  17  ,L"oiseau  de  veiite''.  Troude  et 
Milin  1870  p.  3,  Melusine  1,  206— '213  (bretonisch)  und  214  f. 
(Le  gage  touche,  Paris  1722).  Webster  p.  176,  Maspons  y 
Labros  1,  60  und  107.  4,  81.  Caballero  2,  7H,  El  Folk-lore 
andaluz  1882—1888  p.  305,  Braga  iio.  38.  39,  Romero  no.  2 
und  auf  8.  202 — 207  zwei  portugiesische  Fassungen,  die  zuerst 
Leite  de  Vascoiicellos  in  der  Vanguarda  no.  40 — 41  veröffent- 
licht hatte.  A.  H.  de  Azevedo,  Romanceiro  do  archipelago 
da  Madeira  1880  p.  31)1.  Straparola  4,  3 1).  Sarnelli,  La 
Posilecheata  no.  3,  Coinparetti  no.  (i  und  30,  Coronedi-Berti 
no.  5  (11  Propugnatore  7,  1,  212).  De  Guberuatis  no.  16. 
De  (Jubernatis,  Mythologie  des  plantes  2,  224  (toskanisch), 
Finaniore  no.  3i>,  (ionzenbach  no.  5,  Imbriani,  Novell.  Hör. 
no.  6.  7.  8  (=  Nerucci  no.  27)  und  i>  (=  Nerucci  no.  20), 
Imbriani,  "A  "Ndriana  Fata  1875,  Pitre,  Nuovo  saggio  no.  1, 
Pitre,  Fiabe  no.  36,  Prato  no.  2  und  p.  29 — 39  (6  umbrische 
Varianten).  Schneller  mt.  26,  Visentini  no.  4(),  Archivio  2, 
195  (sardinisch),  Decurtitis  no.  3  (llomanische  Studien  2, 
102  =  Jecklin  1,  105),  Prölile,  KHM  no.  3,  Wolf,  HM  p.  168, 
Vernaleken  no.  34  =  Peter  2,  199,  Zingerle  2,  112  und  157, 
Meier  no.  72,  Frommanns  Deutsche  Mundarten  4,  263  (aus 
der  Grafschaft  Mark),  Grimm  no.  9(5  .De  drei  Vttgelkens', 
Franzisci  no.  13,  Hansen  no.  7  (Zeitschr.  des  Ges.  f.  Schleswig- 
holstein, (lesch.  7,  230),  Kristensen  1,  no.  23,  Arnason  2,  420 
=  Powell  2,  427  =  Andersen  p.  435  =  Poestion  no.  23, 
Jagic,  Archiv  f.  slav.  Phil.  2,  626  no.  25  =  Krauss  2,  no. 
148,  Gaal  S.  390,  Ausland  1881,  747  (Zigeunermärchen  aus 
Rumänien),    Hahn   no.    69,    XFOFAh]riy.ä  \Av<'dey.j(i   1,    1    no.   4. 

*)  Eine  ott'eiibare  Naohbildmiin-  ytrii])arolas   ist  ,La   ])rinoo&ise  Belle- 
Etoile  et  le  prince  Cheri'  der  Madame  d'Aulnov. 


15.    Anmcikunucn   zu  Blade.  1|9 

Dozon   110.    "2,    (Jallaud,    Mille    et   iine    imit«,   iiiiit    416 — 4'6(): 
,Histoii-e   des   deiix  soeiirs  jälouses   de  leur  cadette' ^),  Spitta  VX''  ^"^''^ 
HO.  1 1,  Prym-Sociii  no.  88,  Zeitschr.  der  d.  morgeiil.  Ges.  3(5,  '2')d   Ji^     . 
(arabisch  aus  Märdiii),  Scliiefner,  Awar.  Texte  no.  l'i,  Lal  Beliari   ^'^  ' 
Day  no.  \\l,  Kiviere  p.  71.    [Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  (i,  (H)  no.  5.]- 

Viele  der  angeführten  Märchen  sind  sehr  entstellt  und 
verstümmelt.  Unser  gascognisches  Märchen  hat  manche  Be- 
sonderheiten, die  in  keiner  der  Parallelen  vorkommen.  Die 
wichtigsten  sind  die  folgenden: 

1.  Les  chaines  d'ov  que  les  deux  jumeaux  ont  entre 
peau  et  chair.  In  dem  Märchen  in  der  Pdsilecheata  haben 
die  Königskinder  ,"na  catenella  de  carue  appesa  "n  canna 
de  colore  dargiento',  in  einer  dei"  umbrischen  Varianten  bei 
Prato  p.  32  ,una  bella  collana  di  carue  attorno  il  collo', 
bei  Prato  p.  3(3  und  bei  Imbriaui,  Nov.  üor.  no.  9  ,uua 
collana  d'oro  al  collo',  bei  Straparola  ,i  capelli  giii  per  le 
spalle  annodati  e  mischi  con  finissimo  oro  e  iiua  collana  al 
collo  e  una  Stella  in  fronte':  bei  Frommann  hat  der  Knabe 
einen  Stern  von  (iold  auf  der  Brust  und  das  Mädchen  eine 
Kette  von  Gold  am  Hals.-  In  den  übrigen  Märchen  kommen 
keine  Ketten  vor. 

2.  La  liier  (jui  chaiite  aux  enfants  qu'ils  retrouveront 
leur  pere  et  leur  mere. 

3.  La,  ponime  qui  danse  et  danse  jusqu'  ä  ce  (|u'  eile 
vient  se  poser  sur  la  tete  de  la  mere  du  roi. 

4.  La  deruiere  partie  du  conte  oü  le  roi  condamne  sa 
mere,  mais  veut  souffrir  lui-meme  les  peines  ordonnes. 

1,   12()  no.   Vll.     Pieds-dor. 

[EinSchraiedejunge  entdeckt  das  Geheimnis  seines  Meisters, 
fl'^r  allnächtlich   seine   menschliche   Haut   ablegt   und   sich  in 


')  Da  bis  jetzt  keine  arabische  Handschrift  bekannt  geworden  ist, 
welche  diese  Erzählung  enthält,  so  scheint  es,  dass  Galland  sie  nicht 
aus  einer  Handschrift  geschöpft,  sondern  von  einem  Erzähler  in  Kon- 
stantinopel oder  Smyrna  gehört  hat.  Vgl.  H.  Ch.  Coote,  Folk-lore  the 
source  of  some  of  Mr.   Galland's  tales  (Folk-Lore   Record  3,  178). 


\20  ^ur  Märcheiiforschung. 

eine  Otter  verwandelt.  Da  er  sich  weigert,  die  Schlangeu- 
königin,  seines  Meisters  Tochter,  zu  heiraten,  sägt  ihm  dieser 
die  Füsse  ab  und  sperrt  ihn  in  einen  Turm.  Er  schmiedet 
sich  goldene  Flügel  und  Füsse,  tötet  die  Schlangenkönigin, 
fliegt  davon,  entwendet  die  Menschenhaut  des  Schmiedes  und 
isst  sie.  —  Offenbar  ist  das  Märchen  ein  Nachklang  der 
Wiel_a  ndsage,  über  die  Symons  in  Pauls  Grundriss  der 
german.  Philologie  "2,  1,  59  handelt.  —  Die  alte  Sage  von 
Dädalus,  der  sich  Flügel  anfertigt  und  damit  durch  die 
Luft  entfliegt,  findet  sich  in  verschiedenen  Märchen  wieder, 
z.  B.  Strackerjan  2,  343;  Dietrich  Nr.  11,  B.  Schmidt  Nr.  11, 
Miklosich  Nr.  S.] 

1,  lt)9  no.  VII.  La  marätre. 
Vgl.  Carnoy  1SS3  p.  229,  Sebillot,  Contes  1  no.  (10, 
Sebillot,  Litt.  or.  p.  223,  La  Tradition  1,  .  .  .  [Pineau  1891 
p.  75,  Thuriet.  Traditions  pop.  du  Doubs  1891  p.  25,  Revue 
des  trad.  pop.  1,  299],  Corazzini  no.  K!,  El  folk-lore  andaluz 
p.  105,  Archivio  7,  91,  Grimm  no.  47  ,Der  Machandelboom' 
[Lotich,   Zs.   d.  V.    f.    hess.  Gesch.  (i,   3()1.    1S54],   Firmenich 

1,  311:  2,  226,  Curtze  S.  42,  Hoftmeister  S.  14,  Peter  2,  203. 
Zingerle  1,  no.  12,  Meier  no.  2,  Kristensen  2,  no.  59  [Volks- 
kunde 1,  22!),  Pol  de  Mont  en  Cock  no.  32,  Jacobs,  English 
fairy  tales  1S90  no.  3],  Chambers,  Pop.  rhymes  of  Scotland 
LS47    p.   203   =    1870    p.   49,    Baring-Gould    no.    1,    Glinski 

2,  207  =  Godin  S.  12,  Jones  and  Kropf  p.  298.  418,  [Lerch, 
Forschungen  über  die  Kurden   1,  80.   1857]. 

Es  ist  in  unserm  gascognisclieu  Märchen  offenbar  Ent- 
stellung, wenn  der  geschlachtete  Bruder,  nachdem  er  gekocht 
ist,  ein  weisser  Vogel  und  dann^  nachdem  er  von  seinem 
Vater  gegessen  ist  und  seine  Knochen  in  der  Erde  ruhen,  ein 
schwarzer  Vogel  wird.  Das  Ursprüngliche  ist  jedenfalls,  dass 
der  Knabe  nur  einmal  in  einen  Vogel  verwandelt  wird,  und 
zwar  erst  dann,  wenn  seine  Knochen  vergraben  sind.  Eigen- 
tümlich ist  auch,  dass  die  Schwester  die  gesammelten  Knochen 
zur  Gestalt  eines  Vogels  ordnet. 


lö.    Auiiierkiiiigoii   zu   Binde.  \'21 

Statt  des  AVindiiiülilenflügels  finden  wir  in  anderen 
Fassungen  (Grimm,  Firmenic-h,  Curtze,  Hottnieister,  Kristensen, 
Chambers,  Baring-(Jould,  Folk-Iore  andalnz)  einen  Mühlstein; 
in  den  übrigen  kommt  weder  Mühlstein  noch  Mühlllügel  vor. 

Ich  habe  noch  zweier  Versionen  unseres  Märchens  aus 
Languedoc  und  Provence  zu  gedenken,  von  denen  uns  nur 
kurze  Inhaltsangaben  und  das  Lied  des  Vogels  mitgeteilt 
sind.  Ueber  die  Variante  aus  Languedoc  hat  ein  Herr  C.  S. 
vor  55  Jahren  im  Journal  ,Le  Globe'  1830,  no.  14()  (12.  Juli) 
berichtet,  und  ich  glaube,  vielen  Lesern  einen  (lefallen  zu 
thun,  wenn  ich  diesen  interessanten  Artikel  hier  unverkürzt  ^) 
folgen  lasse: 

De  la  ballade  de  Marguerite  dans  le  Faust  de  Goethe. 
Au  redacteur  du  Globe. 

Monsieur. 

La  France  n'ii  pdiut,  comme  FAllemagne  et  lltalie,  une 
litterature  populaire  ecrite;  niais  les  habitants  du  Lauguedoc 
et  de  la  Provence  se  sont  transmis,  depuis  un  laps  de  temps, 
(pril  serait  peut-etre  difficile  de  preciser,  des  chansons  et 
des  contes  qui  presentent  ((uehjuefois  des  idees  grandes  et 
morales  et  dont  le  style  est  toujours  pittoresque  et  expressif. 
Ma  mere  avait  une  vieille  domestique  fort  complaisante,  et 
(|ui  avait  bien  dans  sa  memoire  autant  de  recits  ([ui  en 
contiennent  les  Mille  et  une  Nuits:  eile  aurait  lutte  contre 
Sherehazade  [!].  Je  nai  jamais  oublie  un  de  ces  contes  dans 
le(juel  un  paysan  devenu  veuf  setait  remarie  quoi(|ue  pere 
de  deux  petits  enfants:  les  moeurs  du  peuple,  dans  la  contree 
ou  je  suis  ne,  condamnent  ces  sortes  d'union,  et  un  charivari 
jie  man(|ue  jamais  de  troubler  la  premiere  nuit  du  veuf  ou 
de  la  veuve  qui  (*onvole  ä  des  nouvelles  noces.  La  maratre 
de  mon  conte  est  brutale,  cruelle  et  meme  feroce,  car  eile 
fait  mourir,  ä  force   de  mauvais  traitements.   le  jeune  fils  de 


')  In    der  Anmerkung   zu  Grimm    Xr.  47   ist    auf   den  Artiivel  hin- 
gewiesen und  das  Lied  in  französischer  Uebersetzung  mitgeteilt. 


122 


Zur  Miirchentbrsc'hung. 


soll  mari,  le  coupe  en  morceaiix,  et  apres  Tavoir  fait  ciiire, 
l'envoie  ä  soii  pere  qui  travaille  aux  champs,  et  qui  le  maiige 
croyaut  qiie  cest  im  court-bouillon  de  ehevreau :  la  soeur  de 
ce  iiialheiireiix  eiifaut  est  temoin  de  cette  barbarie,  et  cest 
eile  qui,  par  ordre  de  la  maratre,  porte  ä  soii  pei'e  ce 
ragoüt  digiie  de  Thyeste  ou  de  Fayel:  mais  la  peur  d'eproiiver 
le  meme  sort  la  reiid  miiette;  cepeiidaiit  eile  reciieille  les  os 
de  son  frere,  les  enterre  avec  soin,  et  afiu  de  reconnaitre  le 
lieii  Oll  eile  les  depose,  eile  y  plante  uii  arbrisseaii  siir  lequel 
Uli  oiseaii  ne  tarde  pas  ä  venir  chanter.  Voici  les  paroles 
qiie  la  jeiine  fille  croit  distinguer  daiis  sou  ramage: 


Ma  Mairäströ, 
Piqiio  }»aströ, 
Ma  boiilit 
E  perboiilit. 
Moiin  paire, 
Loa  laouraire, 
M'a  maiitsat 
E  ronseoat. 


Ma  siiroto 
Ea  I.isotö 
M'a  ])l()urat 
E  soiipirat : 
Tsoiis  Uli  albre 
M'a  entarrat. 
Riou  tsiou,  tsioü, 
Eucaro  soiii  bioü. 


Lors(iiie  je  lus  pour  la  premiere  tuis  le  Faust  de  Goethe, 
je  De  fus  pas  peu  surpris  dy  trouver  ces  vers  presque 
litteraleraent  traduits:  cest  la  pauvre  Marguerite  qui,  apres 
avoir  uoye  sou  ent'aut  et  perdu  le  seus.  les  chaiite  daus  sa 
prisou.  Les  voici  pris  daus  la  traductiou  de  M.  Albert 
Stapf  er : 


Ma  mere, 

La  catiu, 

Qui  m'a  tuee ! 

Mou  pere, 

Le  coquiii, 

Qui  m'a  maugee ! 

Ma  jeune  soeur 

A  la  faveur 

De  la  iiuit  sombre. 


Eu  un  lieu  frais. 

Que  je  conuais 

A  l'ombre, 

Jeta  nies  os 

Dans  des  roseaux, 

Sous  une  saule 

A  leau. 

La,  je  devieus  petit  oiseau, 

Et  vule.   vole! 


15.    AnniL'ikun'ieii   zu    Blade. 


123 


Vüici  niaiiiteiiaut  la  traductiou  litterale  des  vers  patois. 
Le  second  est  iutraduisible,  il  na  aucuii  seiis;  le  inot  qui  le 
remplace  daiis  Goethe  est  uii  de  ceux  (juim  paysaii  bien 
eleve  et  homiete,  et  surtout  uue  femme,  ne  proDonceut  Jamals 
dans  la  montagne  de  Lacaime:  eest  sans  doiite  poiir  eviter 
de  le  faire  (|ue  laiiteur  du  cnnte  patois  a  mis  ces  mots: 
,pi(|uo  pastro',  qui,  je  Tai  dit,  ue  signifient  rieu. 


Ma  marätre 
Pique  pätre 
Ma  fait  bouillir 
Et  rebouillir. 
Mou  pere, 
Le  laboureur. 
Ma  mange 
Et  rouge. 


Ma  jeuue  soeur 

La  Lisette  (qui  s'appelle  L.) 

Ma  pleure 

Et  soupire; 

Sous  un  arbre 

M'a  enterre. 

Riou,  tsiou,   tsiou  (imitatiou 

du  chant  dun  oiseau) 
fle  suis  encore  eu  vie. 


Ou  sait  que  Bürgher  [!]  con(,'ut  Tidee  de  sa  .Lenore'  en 
eutendaut  fredonner  par  mie  petite  Klle  ces  mots  qui  sont 
reproduits  ä  la  tiu  de  plusieurs  stances:  ,Les  morts  vout  vite 
a  cheval",  on  sait  aussi  ([ue  Byron  prit  le  sujet  du  ,(iiaour' 
dans  une  ballade  chantee  ou  recitee  par  un  Türe  qui  lui 
demandait  laumone.  Goetlie  a  sans  doute  appris  les  vers 
que  chante  Marguerite  de  quelque  paysan  saxon  [!] :  mais  je 
n'explique  point  comment  ce  petit  poerae  qui,  ce  me  semble, 
n'oft're  rien  de  remarquable,  etait  eonnu  ä  la  fois,  il  y  a  longues 
annees,  en  patois,  dans  la  commune  de  Montredon,  pres 
Castres,  departement  du  Tarn,  et,  en  allemaud,  aux  envirous 
de  Vienne  [!]  ou  de  Weimar.  Dans  la(|uelle  de  ces  contrees 
a-t-il  ete  compose  ?  Comment  ces  vers  auront-ils  ete  trans- 
portes  ä  six  cents  Heues  de  la  cnntree  oü  ils  ont  ete  faits, 
et  traduits  presque  mot  ä  mot  et  dans  la  meme  mesure? 
Un  homme  k  qui  je  disais  tont  ceci,  un  Allemand,  qui  Joint 
ä  une  erudition  profonde  Tesprit  le  plus  vif  et  le  plus  aimable, 
M.  le  docteur  Korefl',  conseiller  superieur  intime  de  regence 
du  roi  de  Prusse,  pense  que  le  patriarche  de  Weimar  serait 
bien  aise   den   avoir    connaissance.     Si    vous    partagez    cette 


124 


Zur  Märchenforsc.liiui"'. 


opinion,  Monsieur,  votre  admiration  i)()iir  (!oethe  vous  portera 
a  inserer  ma  lettre  dans  uii  des  numeros  du  (ilobe,  Goethe 
la  lira,  saus  doute,  et  peut-etre  pourra-t-elle  iiiteresser 
((uelques-un  de  vos  lecteurs.  C.  S. 

Die  andere  Version  unsres  Märchens  —  aus  der  Pro- 
vence —  finden  wir  ervvälint  in  einem  1S()2  von  F.  Mistral 
gehaltenen  Vortrage  (Armana  jirouvenvau  por  1(S68  p.  25): 
,Lou  sort  de  nosto  leiigo  me  fai  ensouveni  duno  fourneto 
que  ma  maire  me  countavo,  quand  ere  pichot:  sagissie  dun 
paure  enfant  que  sa  meirastro  avie  tua,  que  sonn  paire  avie 
manja,  que  sa  sorre  avie  entarra,  e  c[ue  ressuscitavo  en  formo 
d'aueeii  l)lanc,  e  que  cantavo  a(iuesto  cansouneto  : 


Ma  meirastro 
Dins  la  mastro 
Ma  deli, 
Piei   fa   houli: 
E  moun  paire, 
Ldu  lauraire, 
M  "a  manja 


E  mastega: 
E  Liseto 
Ma  sourreto, 
Ma  ploura 
E  ma  "ntarra. 
E  pieu!  pieu! 
Encaro  sieu  vieu! 


Diese  Stelle  ist  von  A.  Montel  und  L.  Lambert  in  der 
Revue  laugues  romanes  3,  219  (1<S72)  wiederholt  und  mit 
folgender  Uebersetzung  begleitet:  ,Le  sort  ä  notre  langue  me 
rappelle  un  conte  que  ma  mere  me  disait  lorsque  j'etais 
petit.  11  s'agissait  dun  pauvre  enfant  que  sa  marätre  y  ait 
tue,  que  son  pere  avait  mange,  (jue  sa  soeur  avait  enterre, 
et  (|ui  cependant  ressuscitait  sous  la  forme  dun  oiseau  blanc, 
et  chantait  cette  petite  chanson : 

Ma  maratre  —  dans  la  mair  -  ma  petri,  —  puis  fait 
bituillir.  —  Mon  pere,  —  le  laboureur,  —  m"a  mange  —  et 
mäche.  —  Lisette,  —  ma  petite  soeur,  —  ma  pleure  —  et 
enterre.  —  P^t  cependant,  pieü !  pieu!  —  me  vuici  encore 
vivant. 

Die  Herren  Montel  und  Lambert  nemien  das  Märchen 
,fort  connu  de  tous  les  Meridioiiaux'. 


15.    Anniorkuiigeu   zu  Blaile.  X25 

1.   IS]   110.  1.     La  belle  endormie. 
[Vgl.  Griiiiin  Nr.  SS  ,Löweiieckerc'heii''.    Cosquiii  Nr.  Ho.J 

1,  '2\2   110.   111.      Le  (Iragoii  dore. 

Wenn  das  Fräulein  dem  Dnigoner  beide  Ohren  mit 
Pech  verstopfen  ninss,  damit  er  nichts  hören  kann  und  so 
nicht  verführt  wird,  sich  zu  ihr  umzuwenden,  so  sind  dazu 
mehrere  der  oben  S.  IIS  zu  1,  (Ji;  citierten  Märchen  zu  ver- 
gleichen, nämlich  die  Erzählung  der  1001  Nacht,  Coraparetti 
no.  (),  Prato  p.  8i),  Schneller  no  2(),  El  folk-lore  andaluz 
p.  305,  Pröhle  KM  no.  3,  Kristensen  1,  no.  23,  Krauss  '2,  394. 
In  diesen  Märchen  verstopft  sich  die  Heldin  die  Ohren  mit 
Baumwolle  oder  Werg  (Kristensen)  oder  Lap[)en  (^Folk-lore 
andal.)  oder  Haaren,  da  die  Baumwolle  nichts  geholfen  hat 
(Pröhle),  oder  mit  einem  gewissen  Kraute;  und  zwar  ge- 
schieht dies  auch  hier  —  ausgenommen  die  Märchen  bei 
Comparetti  und  Schneller,  die  entstellt  sind  —  um  nichts  zu 
hören  und  so  nicht  veranlasst  zu  werden,  sich  umzusehen. 
Natürlich  denkt  man  auch  an  Odysseus,  der  seinen  (Jefährteii 
die  Ohren  mit  Wachs  verklebt,  damit  sie  den  (lesang  der 
Sirenen  nicht  hören.  In  einer  irischen  Sage  im  ,Book  of 
Leinster'  (ed.  R.  Atkiiison,  Dublin  ISSO  p.  20)  verstopfen  ein 
König  und  sein  Begleiter  sich  gleichfalls  die  Ohren  mit  Wachs 
gegen  einen  einschläfernden  Zaubergesang. 

Dazu,  dass  dem  Dragoner  der  Mund  zugenäht  wird,  um 
nicht  sprechen  zu  können,  entsinne  ich  mich  keiner  Parallele. 

1,  22f)  no.  IV.  Le  drac. 
Vgl.  das  Märchen  , Rosette'  der  Gräfin  dAulnoy.  Sebillot 
3,  no.  29.  Basile,  Pentamerone  4,  7,  Gonzenbach  no.  33  und 
34,  Pitre  no.  59 — 61,  Imbriani,  Nov.  fior.  no.  25  [=  Crane 
no.  12,  p.  342],  Finamore  no.  15,  Archivio  2,  3G  (sardinisch), 
Schneller  no.  22,  ßiblioteca  de  la  tradic.  pop.  espaii.  1,  137 
(chilenisch)  =  Folk-lore  Journal  1,  221,  Consiglieri-Pedrosu 
no.  22,  Romero  no,  29,  Grimm  no.  135  ,Die  weisse  und 
schwarze  Braut'.  Wolf,  DMS  no.  19,  Gerle  2,  325  (Auszug 
bei  Grimm  3,  343).  [Firmenich  3,  664.    Mont  en  Cock  no.  20J 


126  '^i^"'  ^lärchent'orschuiii^'. 

(ilin.ski  3,  97  =:  Chodzko  p.  'Mb  =:  (iodin  S.  SS.  (iruiultvig 
H.  112,  Kristen.sen  no.  15  imd  IG.  Berntsen  1,  uo.  17,  (irönhorg 
S.  101,  Asbjüriiseii  iio.  ö')  (verdruckt  57),  Bergh.  Sogar  no.  1, 
Hylten-Cavallius  no.  7  C.  Friis  no.  4  =  (Jermania  15,  168, 
Salmelainen  1,  no.  S  =:  Bertram,  Jenseits  der  Scheeren  S.  18, 
Ausland  1S5S,  i)()  (rumänisch),  B.  Schmidt  no.  IH,  Riviere 
p.  51. 

Wie  die  schöne  .Jeanneton  des  gascognischen  Märchens 
die  Eigenschaft  hat,  dass  Getreide  scheffelweise  aus  ihren 
Haaren  fällt,  wenn  sie  sich  kämmt,  und  das  Doppel-Lonis- 
d'or  und  spanische  Quadrupel  dutzendweise  aus  ihren  Fingern 
fallen,  wenn  sie  ihre  Hände  wäscht,  so  haben  in  vielen  der 
angeführten  parallelen  Märchen  die  Heldinnen  ähnliche  wunder- 
bare Eigenschaften.  Peiitamerone:  Rosen  und  Jasmin  kommen 
aus  ihrem  Munde,  wenn  sie  atmet:  Perlen  entfallen  ihrem 
Haar,  wenn  sie  sich  kämmt,  Lilien  und  \'eilcheu  entspriessen 
ihren  Tritten,  (ionzenbach  Nr.  34:  bei  jedem  Wort  fällt  eine 
Kose  aus  ihrem  Mund,  und  wenn  sie  sich  kämmt,  fallen 
Perlen  uiul  Edelsteine  aus  ihrem  Haar.  Pitre  Nr.  59  und 
61 :  Edelsteine.  Sil1)er,  Gold  und  (ietreide,  Edelsteine  und 
Perlen  fallen  l)eim  Kämmen  aus  den  Haaren.  Finamore: 
Blumen  fallen  beim  Sprechen  aus  dem  Mund.  Goldperlen 
aus  den  HaarHechteii.  wenn  sie  sie  abtrocknet.  Schneller: 
AVeizenkörner  entfallen  ihren  Händen,  wenn  sie  sie  reibt,  und 
ihre  Fussspuren  erglänzen  vom  reinsten  Golde.  Biblioteca: 
sie  lacht  Perlen,  das  Waschwasser,  in  dem  sie  ihre  Hände 
gewaschen,  wird  am  andern  Tag  zu  Blattsilber,  die  Haare, 
die  ihr  Iteim  Kämmen  ausfallen,  werden  Goldfäden.  Consi- 
glieri-Pedroso :  Perlen  entfallen  ihrem  Haar,  wenn  sie  sich 
des  Kammes  und  des  Handtuches  bedient,  die  ihre  Mutter 
ihr  hinterlassen  hat.  Grnndtvig:  wenn  sie  spricht,  fallen 
Edelsteine  aus  ihrem  Munde  und,  wenn  sie  sich  kämmt,  Gold 
und  Sillier  aus  dem  Haare.  Berntsen:  Gold  und  Edelstein 
fallen  aus  dem  geöffneten  Mund  und  Silber  und  Bernstein 
aus  dem  Haar  beim  Kämmen:  Rosen  und  Lilien  wachsen,  wo 
sie    den  Fuss   hinsetzt.      Kri«tensen    \r.    15:    so    oft  sie   aus- 


15.    Aniiiei-kungen   zu   Blade.  127 

spuckt,  springt  ein  Golddukaten  aus  ihrem  Mund,  und  ihre 
Stimme  klingt  wie  das  schönste  Orgelspiel.  Kristensen 
Nr.  1():  wenn  sie  ihre  Mütze  abnimmt  und  ihre  Haare  aus- 
breitet, wird  es  hell,  auch  wenn  es  vorher  noch  so  dunkel 
war.  und  wenn  sie  ausspuckt,  spuckt  sie  einen  Goldring  aus. 
Grönborg:  sie  lacht  und  weint  Gold  und  iSilber,  und  wo  sie 
geht  und  steht,  wachsen  Rosen  und  Lilien.  Asbjörnsen: 
Goldmünzen  fallen  aus  dem  Munde,  wenn  sie  spricht,  und 
aus  dem  Haar,  wenn  sie  sich  kämmt.  Hylten-Gavallius:  wenn 
sie  lacht,  fallt  ein  (ioldring  aus  ihrem  Mund,  und  unter  ihren 
Tritten  spriessen  Rosen.  Glinski:  sie  weint  Perlen  und  lacht 
Rosen,  und  wenn  sie  sich  die  Hände  wäscht,  entstehen  goldene 
Fische  im  Wasser.  Gerle:  ihre  Thränen  werden  zu  Perlen 
und  ilire  ausgekämmten  Haare  zu  Gold.  Ausland:  wenn  sie 
lacht,  scheint  die  Sonne;  wenn  sie  weint,  regnet  es;  wenn 
sie  hustet,  entsteht  Sturm,  wenn  sie  sich  kämmt,  fällt  Gold 
und  Silber  aus  dem  Haar.  Riviere;  (juand  eile  rit,  le  soleil 
brille;  (piand  eile  pleure,  il  pleut;  quand  eile  se  peigne, 
il  tombe  des  gigots:  (|uand  eile  passe  d'un  endroit  ä  un 
autre,  il  tombe  des  roses.  [Kfthler,  Zeitschr.  d.  V.  für  Volks- 
kunde (!.  72.  ('(isipiiu  \r.  4S:  dazu  2,  123,  Uhland,  Schriften 
3,  421.     Frere  Nr.  21.     Tuten  zu  .lagic  Nr.  öl]. 

Wie  die  Brüder  in  unserm  Märchen  ein  Bild  ihrer 
Schwester  haben,  das  dem  Königssohn  zu  Gesicht  kommt, 
so  auch  die  Brüder  bei  der  Gräfin  dAulnoy,  bei  Sebillot. 
Gonzenbach  Nr.  33,  Pitre  Nr.  GO,  Grimm,  Wolf,  Berntsen, 
Kristensen  Nr.  Ki,  Asbjörnsen,  Hylten-Gavallius,  (ilinski, 
Salmelainen.  Bei  Imbriani  und  im  Archivio  sieht  der  Bruder 
bei  seinem  Herrn,  bei  Romero  in  der  Kirche  ein  Bild  und 
erklärt,  es  gleiche  seiner  Schwester. 

Wenn  im  gascognischen  Märchen  der  Bruder  auf  der 
Fahrt  zum  Schlosse  des  französischen  Königssohnes  dreimal 
zu  seiner  Schwester  sagt:  ,  Achte,  dass  der  Meer  wind 
dein  zartes  Gesicht  nicht  verdirbt!',  die  Schwester  aber  jedesmal 
die  Stiefmutter  fragt:  ,Was  hat  mein  älterer  Bruder  gesagt?- 
und  die  Stiefmutter  das  erstemal  antwortet,  Jeanneton  solle 
ihre  weissen  Schuhe  ihrer  Stiefschwester  geben,  das  zweitenud. 


]^2(S  ^ui'  Märelienforsc'luiuiij. 

sie  solle  ihr  weisses  Kleid,  und  das  drittemal.  sie  solle  ihren 
weissen  Schleiei-  und  ihren  Orangenblütenkranz  der  Schwester 
geben,  so  sind  in  dieser  Beziehung  sehr  ähnlich:  (Jonzen- 
bach  Nr.  34,  Finamore,  Grimm,  Kristensen  Nr.  16,  Berntsen, 
Asbjörnsen,  Bergh,  Hylten-Cavallius,  Salmelainen,  Friis. 

Dem  Drachen,  der  die  schöne  Jeanneton  mit  einer 
goldenen  Kette  festhält,  entspricht  in  mehreren  der  citierten 
Märchen  eine  Sirene  (Sebillot,  Gonzenbach,  Pitre  Nr.  59  und 
60,  Finamore,  Archivio),  bei  Imbriani  ,il  Pesce  marino',  bei 
Hylten-Cavallius  die  ,Hats-fru-  (Meerfrau),  bei  Salmelainen 
der  Gott  des  Meeres. 

Man  vergleiche  auch  meine  Anmerkung  zu  Gonzenbach 
Nr.  33—84  [Zeitschrift  des  V.  f.  Volkskunde  6,  71  f.  Arfert, 
Das  Motiv  von  der  unterschobenen  Braut,  Diss.  Rostock 
1897  S.   Uf.J 

1,  -241    no.   V.      Barbe- Bleue. 

Vgl.  ,La  Barbe-Bleue'  von  Perrault  ^).  Webster,  Bastjue 
legends  p.  17.")  (leider  nur  kurze  Analyse).  Cerquand,  Legendes 
du  pays  basque  no.  105.  Sebillot,  Litt.  or.  p.  42  [Melusine 
3,  330.  Luzel,  Contes  1,  25].  Bei  Sebillot  heisst  der  Frauen- 
mörder Barbe-Rouge,  bei  Gercpiand  und  Webster  hat  er  keinen 
Namen  [Griinbart  bei  Russwurm,  Kibofolke  2,  292,  Vecken- 
stedt  S.  214,  Winter-Hjelm,  Aeventyrbogen  p.  167  nach  Moe]. 
Bei  Cerquand  und  Sebillot  fehlt  das  Verbot  des  Oeftneus 
einer  Thür,  der  Mann  will  seine  Frau  nur  t()ten,  weil  er  ihrer 
überdrüssig  ist.  —  Wie  im  gascognischen  Märchen  die  Frau 
wiederholt  fragt:  ,Bergerette,  jolie  bergerette,  (jue  vois-tu  du 
plus  haut  delatour?'  so  bei  Perrault  ,Anne,  ma  soeur  Anne, 
ne  vois-tu  rien  venir?'  und  bei  Cerquand  , Ciaire,  quel  temps 
fait-il  dehors?'  —  Den  Versen  unsres  Märchens: 


')  [lieber  den  Ursprung  des  Märchens  K.  Hufmann,  Roman. 
Forschungen  1,  434.  Deulin,  Les  contes  de  ma  mere  l'Oyo  avaut 
Perrault  p.  173.  Bossard,  Romania  15,  638.  Lemirc,  Le  Barbe-Bleue 
de  la  legende  et  de  l'histoire  1886.  E.  Mac  Culloch,  Jfotes  and  Querie» 
4.  Ser.  7,  29.     Erk-Böhme,  Liederhort   1,   142.] 


1.').    Aniiu'ikiingeu  zu  Bliub'>r  129 

,Ahilo,  ahilo,  eouteras. 

P  r  cot  de  ma  lieuno  passeras 

entspreclieu  bei  Sebillot  die  folgendeu: 

-laigiiise,  j'aiguise  mon  couteau. 
Pour  tuer  ma  femiiie  qu"  est  eu  haut. 

Auch  in  Deutschland  ist  das  Märchen  von  Blaubart 
aus  dem  Volksmuude  aufgezeichnet  und  mitgeteilt  worden, 
nämlich  von  den  Brüdern  Grimm,  die  es  jedoch  nur  in  der 
ersten  Ausgabe  ihrer  Sammlung  (Nr.  62)  abgedruckt,  in  den 
späteren  aber  weggelassen  haben  (s.  Band  3,  3.  Aufl.  S.  74), 
von  Bechstein  S.  262  und  Meier  Nr.  38.  Diese  deutschen 
Versionen  stehn  dem  Märchen  Perraults  mehr  oder  weniger 
nahe.  —  Endlich  vergleiche  man  noch  Kreutzwald,  Ehstu. 
Volksmärchen  1,  Nr.  20  (der  Mann  ohne  Namen ;  er  wird 
nicht  von  den  Brüdern  der  Frau,  sondern  von  einem  Diener 
derselben  getötet.) 

Nah  verwandt  sind  die  Märchen  von  den  drei 
Schwestern,  die  nach  einander  denselben  Mann  heiraten 
und  von  denen  die  zwei  älteren  von  ihm  getötet  werden, 
weil  sie  die  verbotene  Thür  geöffnet  halben,  während  die 
jüngste  dies  thut,  ohne  dass  es  der  Mann  entdeckt.  Ich  gehe 
auf  diese  zahlreichen  Märchen  hier  nicht  ein  und  begnüge 
mich,  auf  AV,  Grimms  Anmerkung  zu  Nr.  46  ,Fitchers  VogeP, 
auf  meine  Anmerkung  zu  Widter-Wolf  Nr.  11  und  auf  den 
Aufsatz  ,The  forbidden  ghamber'  von  E.  Sidney  Hartland 
(Folk-lore  Journal  3,   103—242.  18S.5)  hinzuweisen. 

1,  251  no.   VI.    La  gar  den  se  des  dinduns. 

Vgl. Köhler  zu  Blade,  Contes  pop.recueillis  enx\genais  1S74 
p.  152  no.  8.  [Köhler,  Aufsätze  1894  S.  V,  Anmerkung  ,Lieb  wie 
das  Salz\  Litteraturblatt  1882,  321.  Bondeson,  Svenska 
folksagor  no.  4.  Mont  en  Cock  no.  18.  Archivio  1,296:  2,49. 
Zeitschr.  der  d.  morgenl.  Ges.  48,  393.  Swynnertou,  Indian 
nights'  entertainment  1892  no.  27.  Olpp.  Mitteilungen  der 
geogr.  Ges.  zu  Jena  6,  25.   1888.] 

R.Köhler,     Kl.  Schriften.    I.  ü 


130  ^iii'  Märchenforsehung. 

1,  267  110.   Vll.  Peau-daiie, 
Vgl.  Kühler  zu  ßlade  1874  p.   U5  iio.   1.     [Blade    1886 
1,  14  ,Le  roi  des   corbeaux\     Zeitsclir.  des  V.  f.  Volkskunde. 
6,  66  oben.] 

1,  "277  uo.   1.    Les  jumeaux. 

Vgl.  Köhler  zu  Blade   1874  p.   148  no.  '2.    [Zeitschr.  des 
V.  f.  Volksk.  6,  75  zu  Gonzenbach  no.  31». | 

1,  '287  no.  11.    Le  bätard. 

Die  goldene  Lilie  auf  der  Zunge  des  Bastards  als  Be- 
weis, dass  er  ein  Sohn  des  Königs  von  Frankreich  sei  (p.  293), 
treffen  wir  auch  in  dem  Märchen  ,Le  roi  enchaine'   (oben  1,     /»\' 
90.  93.  99.   101)  an.        /^x-- .1  r^ 'ic^^^^  Vc^ck  /^acnucu.^  ^t^v' V /^ 

S.  296  fallen  einzelne  menschliche  Glieder  nach\^c^ 
einander  aus  dem  Kamin  herab,  nachdem  sie  immer  erst  ge- 
rufen ,Tomberons-nous,  ou  ue  tomberons-nous  pas  ?'  und  der 
Bastard  geantwortet:  ,Tombez.  si  vous  voulez.  Ne  tombez 
pas,  si  cela  vous  plait!'  Dazu  vergleiche  man  Deulin  1,  6<n 
(Cherrai-je,  chcrrni-je  poiiit?  —  Cliais  hardiment)  — ■  Caballero 
1,  77  (Caigo?  —  Cae  si  te  (hi  gana!)  —  Maspons  y  Labros 
3,  123  (Ay,  (jue'm  cau  una  cama:  ay,  quem  cau  una  caina!  — 
Donchs  deixala  eaure!)  —  Coelho  no.  37  (Kn  caio!  —  Cae 
par  ai!  —  Caio  junto  on  acs  bocados!)  —  Cae  acs  bocados!)  — 
Leite  de  Vasconeellos.  Tr.  2!)6  (Kn  caio!  —  Pols  cae  para 
ahi !)  —  Bragn  iKt.  2  (Kn  caio!  —  Pols  cae!)  —  Nerucci 
no.  44  (Hiittif»?  -  lUitta  pure!)  —  Coinparetti  no.  12.  (Mi 
butto?  —  Buttaten  po"  "n  braccio !  —  Me  butto? —  Buttate 
'n  po"  "na  gamba!  —  Me  butto?  —  Buttate  "u  po'  l'osso  del 
collo !  —  Me  buttd?  —  Buttate  "n  po'  tutto!)  —  Pitre,  Nov. 
tose.  no.  40  (Butto.  butto!  —  Butta  anche  uii  par  di  cordoni!  — 
Butto,  butto!  —  Butta  pure  lanima  tiia!)  —  Strackerjan  2. 
352  (Ich  falle!  —  Nun  so  fall  zu!)  —  Roehholz,  Schweizer- 
sagen 1,  16()  00.  133  (Flieh  oder  ich  falle!  —  Nur  zu  ge- 
fallen!) —  In  all  diesen  Märchen  fallen  einzelne  (Jlieder  toter 
Menschen  herab  und  setzen  sich  dann  zu  dem  ganzen  Körper 
zusammen:  nur  bei  Strackerjan  fällt  ein  Sarg  mit  einem  toten 
Manne  herab. 


1.").    Aiiiiicrkinigen   zu  lllade.  ] ;-}  | 

[An  die  Märchen  V(»m  Tanzlied  der  Klfeii.  die  nach 
Köhlers  Notizen  ihi  Andiiv  t'iir  neuere  Sprachen  Di).  14  zu- 
sammengestellt sind,  erinnern  die  fünf  gespenstischen  Männer, 
die  (p.  '297 — 299)  nur  fünf  Wochentage  kennen  (Dansons  le 
lundi!  Dansons  le  mardi!  Dausmis  le  mercredi!  Dansons  le 
jeudi!  Dansons  le  veudredi!)  und  erst  von  dem  Bastard  den 
Namen  des  Sonnabends  und  Sonntags  erfahren:  ,Le  samedi 
est  pour  les  juifs,  et  le  dimanche  pour  les  chretiens  .  .  . 
Faites-vous  baptiser !  Alors,  vous  feterez  le  dimanche.  et  non 
pas  le  vendredi.  qui  est  un  jour  de  malheur.'] 

2,   11  no.  11.     Les  trois  pommes  doranges. 

[Vgl.  Grimm  no.  1()5  ,Der  Vogel  Greif*.  Gonzenbach 
no.  30.] 

2,  ()7  no.  1.     Jean  de  Calais. 

[Eine  Variante  des  Märchens  vom  dankbaren  Toten, 
über  die  Köhler.  Germ.  8,  203  =^  oben  S.  12  und  M.  Hippe, 
Archiv  f.  neuere  Spr.  81,  156(1888)  gehandelt  haben.  Vgl. 
Folk-Lore  Record  3,  48  und  Sebillut.  Contes  3,  no.   16.] 

2,  92  no.   11.     Le  sou[)er  des  morts. 
[Vgl.  Sebillot  Traditions   1.  240  ,Le  souper  de  la  morte.-] 

2,   100  no.   IV.      La  flute  [=  Blade   1867  no.    1.] 
Vgl.  oben  S.  49. 

2,12()  no.   111.      La  belle  Madeleine. 
I^IJlade   1867  p.  55  no.   ll.| 

[Vgl.  Gonzenbach  Nr.  24  und  die  Nachträge  in  der 
Zeitschr.  d.  V.  für  Volkskunde  (>.  69.  -  Zu  der  Schlussscene, 
in  der  der  Marquis  den  Flachs  und  seine  verstossene  Gattin 
einander  ihr  Loos  klagen  hört,  vgl.  die  Nachweise  Köhlers 
über  die  Klagen  des  Flachses  und  des  Brotes  bei  Bolte, 
Schriften  des  V.  f.  d.  Gesch.  Berlins  33,  44  zu  Tharäus' 
Klage  der  Gerste  und  des  Flachses.] 


232  ^"^ii"  Märchentorse-hung. 

2,   147  uo.  II.     Le  punitioii  de  la  ville  de  Lourdes. 
Vgl.  Sebillot,  Traditions  1,  862  (1882). 

2,  151  110.  IV.    Le  voyage  de  Notre  Seigneur. 
[Vgl.  Köhler  zu  Blade  1874  p.   157.    Widter-Wolf  no.  5. 
Guibert,  Legendes  du  Limousin  18G5  p.  75.     Luzel,   Leg.  ehr. 

1,  93.  Gaidoz  und  Krauss,  Saint-Eloi:  Melusine  5.  100—107. 
170- -172.  7,  77.  157.  8,  80  f.  122—132.  153—156. 
Heideloff,  Die  Kunst  des  MA.  in  Schwaben  1864  S.  115 
(Holzrelief  in  Ulm).  Ilg,  Mitt.  der  k.  k.  Central-Commission 
19,  186  (1874.)  J.  W.  Wolf,  Beiträge  zur  d.  Mythol.  2,  57. 
91,  Rochholz,  Dtsch.  Glaube  und  Brauch  1,  281,  Schmeller, 
Bayer.  Wörterbuch  ^  1,  1469:  ,Loy',  B.  Hansen  in  der  Zeit- 
schrift For  Ide  og  Virkelighed  1870,  1,  364  (jütisches  Märchen), 
Hörmann,  Zs.  des  Ferdinandeums  1870,  224.  226,  Brueyre 
p.  329,  Carnoy  p.  67,  Cerquand  no.  76.  —  Ueber  Eligius 
als  Patron  der  Schmiede  in  Strassburg:  Stöbers  Alsatia, 
1854—55,   111]. 

2,  166.     Les  trois  enfants.    [=  Blade   18B7,  p.  57  no.  I2.J 

[Vgl.  2,  191  ,L'homme  aux  deuts  rouges.'  Köhler  zu 
Gonzenbach  no.  88  und  Zeitschr.  d.  V.  f.  Volksk.  6,  173. 
Jones-Kropf  Nr.   18.     Ungar.  Revue   1885,  640.] 

2,   188  no.  XI.     L'innocent. 
Die   tote  Mutter  kommt  nachts,   ihr  Kind  zu  tränken 
und   zu   pflegen,    wie   in   einem   dänischen  Volksliede  und  in 
deutscheu  Märchen;  vgl.  Grimm  KHM  3,  21,  Grimdtvig,  Gamle 
Danske  folkviser  3,  Hi')^^,  Germania  8,  72,  Janson  no.   1. 

2,  201  no.  XIII.     Le  jeune  liomme  chätie. 

[Zu  der  geheimnisvollen  Strafe,  die  au  dem  vom  Papste 
heimkehrenden  Sünder  durch  ein  Tier  vollzogen  wird,  vgl. 
die  im  Euphorion  4,  332  nach  Köhler  zusammengestellten 
Märchen,  zu  denen  noch  hinzuzufügen  sind:  Revue  celtique 
1,  421:  Revue  des  trad.  pop.  6,  751.  7,  86.] 


15.    Anmerkungen  zu  Blade.  5^33 

2,  "218  110.  III.  Le  coiitrat  perdu. 
Die  Quittung  eines  verstorbenen  Gutsherren  wird  vom 
Schuldner  aus  der  Hölle  geholt:  Sebillot,  Contes  2,  no.  57 
.Benedicite'  und  57lji«  ,Reou'.  Sebillot,  Traditions  1,  198 
(Hinweis  auf  W.  Scotts  Redgauntlet),  ,Luzel  1,  LS?,  Stöbers 
Alsatia  1858 — 61,  264,  Sommer,  Sagen  aus  Sachsen  1846 
no.  60,  ,Der  Gutsherr  von  Schochwitz'  =  Grössler,  Sagen 
der  Grafschaft  Mausfeld  1880  no.  83,  Leskien-Brugman, 
no.  42.  dazu  S.  575.  Entstellt  ist  das  polnische  Märclien 
in  den  Ethnolog.  Mitt.  aus  Ungarn  3,  202  (1894). 

2,  224  no.   V.     Le  diable  et  le  forgeron. 
[Vgl.     Grimm    no.    82     , Spielhansel'     Köhler,     Aufsätze 
1894  S.  59.  77.] 

2,  266  no.  III.     La  messe  des  fantömes. 
[Vgl.   Prato,   GH  ultimi   lavori    p.  21  =  Rom.   13.    175.] 

2.  324  no.  IV.  La  Jambe  dor. 
[Vgl.  Köhler,  zu  Blade  1874  p.  150,  Cosquin  2,  78, 
Sebillot,  Trad.  1,  259,  Roussey  no.  20,  Bernoni,  Tradiz.  p.  123, 
Pitre,  Nov.  pop.  tose.  p.  12  no.  19,  Snypsnaren  ^  S.  88,  Volks- 
kunde 3,  16:  ,Spookhand'.  Jacobs  no.  12:  ,Give  nie  niy 
bone.-     Oben  S.  47  zu  Baring-Gould  no.   14.] 

2,  328  no.  V.  La  goulue. 
Vgl.  Köhler  zu  Blade  1874  p.  152,  Cosquin  2,  76  no.  41, 
Bernoni,  Tradiz.  p.  125.  Crane  1889  p.  370,  Lyser,  Abend- 
ländische 1001  Nacht  8,  98  (aus  Stralsund),  Wegner,  Ge- 
schichtsblätter für  Magdeburg  15,  74  no.  79,  Lehenirbe  no.  19, 
Skattegraveren  2,  75.  116,  Jacobs  no.  24,  Polivka,  Archiv 
f.  slav.  Phil.   19,  245  no.  37. 

2,  332  no.  VI.   Le  basilic. 
Vgl.  Sebillot,  Trad.  2.   136. 

2,  343  no.  X.      Les  Sireues. 
Vgl.  Sebillot,  ("ontes  2.  no.  2. 


X34  ^1^''  Märi'henforscliung. 

2,  860  110.  IV.     La  messe  des  loiips. 
Vgl.  Archivio  3,  57,  Giiastella,   Le  paritä  p.   10"2. 

3,  5  HO.  l.  Jeaii  le  paresseux  [=Blacle  1S(!7  p.  14  no.  6]. 
[Zu  den  rätselhaften  Antworten  Jeans  vgl.  Wossidlo 
1,  328  zu  no.  91)0  und  Melusine  1,475.  Zu  seinen  schein- 
baren Leistungen  im  Essen,  Werfen  und  Saftausdrücken  vgl. 
Gonzenbach   no.    4()    und   Zeitschr.    d.    V.   f.    Volksk.   6,  76.] 

3,   12  110.    IL     Le  uavire  ma.rchaut  sur  terre. 
[Vgl.  Gonzenbach  no.  74  uiul  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  6,  178.] 

3,  23  no.   in.     Le  forgerdii  de  Fuinel. 
Vgl.  unten  zu  Jagic  no.  30  und  54. 

3,  3()  no.   IV.     Etienne  Ihabile. 
[z=Blade    1867    p.    18    nn.    5.  —  a)    Lausfell    erraten: 
Gonzenbnch  no.  22  und  Zs.  d.   V.  f.  Volksk.  6,  (^H.  —  b)  Ge- 
fährten  mit  wunderbaren  Eigenschaften:   Gonzenbach   no.  74 

und  Zs.  6,  178  und  77  zu  Nr.  45.  | 

3.  41   no.   V.     Les  deux  filles. 
Vgl.   Köhler    zu  Blade    1874    p.   149,   Cer(iuand  no.  104, 
Webster,  p.  53,  Pitre  no.  63. 

3,  65  no.   VIL     Tiens  hon! 
Vgl.  Grimm  no.  64  ,Die   goldene  Gaus'.  Carnoy,   Contes 
fr.  p.   185  ,La  baguette  magique'. 

3,  71    lu).   VllL     -leanille. 
[Stimmt  überein  mit  Campbell  no.  48:    vgl.  den  Anfang 
von  Grimm  no.  34  ,Die  kluge  Else'.] 

3,  78  uo.   IX.     Grain- de -m  il  let. 
[Gosfjuin  uo.  53  ,Le  petit  poucet'.     (irimm  no.  45.] 

3.  87   110.   X.      La  flute  de  Courtebotte. 
Uirimin  iio.    110  ,l)er  Jude  im  Dorn'.     Bolte.   Festschrift 


15.    Anmerkungen  zu  Blade.  135 

zum    5.  Neuphilologeiitage    1892   S.  1    und   Archiv   f.    neuere 
Spr.  90,  289.] 

8,  98  no.  XI.     La  besaee. 
[Grimm  no.  81   .Bruder  Fjustig'.    Köhler,  Aufsätze  S.  Gl.] 

8,  104  no.  XII.     Petit ou. 
[Cenac    Moncaut    1861    p.   18().      Grimm   no.  61    ,Bürle'-. 
Köhler  zu  Campbell  no.  'SS.    Bolte  zu  Val.  Schumanns  Nacht- 
büchlein   1898  S.  887    no.  5—6   und    zu  Freys  Gartengesell- 
schaft 1896  S.  -277.] 

3,  128  110.  l.  rlean-rimhecile. 
[Oben  S.  50  zu  Blade  1867  p.  21  no.  8.  Zu  den  ersten 
Narrenstreichen  vgl.  Bolte  zu  Frey  no.  1 :  zum  Verkaufe  der 
Leinwand  Cos(juin  no.  58;  zum  Absägen  des  Astes  und  Sterben 
beim  8.  Eselsfurz  Oesterley,  Zeitschr.  f.  vergl.  Littgesch. 
1,  58  f.  Gittee-Lemoine  p.  81.  Polivka,  Zs.  f.  österr.  Volksk. 
1,  188.  2,  875.  Sebillot,  Revue  des  trad.  pop.  9,  p.  7-1. 
ebd.  11,  442  no.   14.   15.  Radioff  6,  281.] 

8,  180  no.  11.  Les  gens  de  St.  Dode. 
[Schildbürgerstreiche:  p.  180  Pferdeei  ausbrüten:  vgl. 
Bolte  zu  Frey  no.  1  S.  214.  —  p.  188  Nadeln  säen.  —  p.  184 
Esel  auf  den  Kirchturm  ziehen:  Hauffen,  Gottschee  1895  S.  116 
Gaidoz-Sebillot,  Blason  populaire  de  la  France  18S4  p.  162. 
258.  --  p.  185  Kirche  fortschieben.  Unten  zu  Widter-Wolf 
no.  19.  —  p.  186  Beine  verwechselt:  Bolte  zu  V.  Schumann 
no.  S    b    und   zu  Frey   S.  279.     Unten  zu  Campbell   no.  48.] 

8,  187.     Le  voyage  de  deannot. 
[Vgl.  oben  S.  50  zu  Blade  1867  p.   IS  no.  7. 

8,  142  no.   IV.     L'ane  de  Montastruc. 
[Mond  im  Brunnen;    vgl.  oben  S.  !)0   zu  Cenac  Moncaut 
p.   180.] 

8,   159  uo.   11.      Le  loup  pendu. 
[=  Blade   1867  no.  4;  vgl.  oben  S.  50] 


136  Z^iJ"  Märchenforschung. 

3,   159  110.  IV.     La  che  vre  et  le  loup. 

[Köhler  zu  Blade  1874  p.  151;  Jagic,  Südslavische  Mär- 
chen 110.  35  (weiter  unten  abgedruckt).  —  Zur  Gefangen- 
schaft des  satten  Wolfes  vgl.  Cosquin  no.  54.  Sebillot 
3,  366.] 

3,  189  no.  IX.     Le  loup  et  l'enfant. 

[Aehnlich  Grimm  no.  26  ,Rotkäppchen';  nur  wird  ein 
Knabe,  der  zu  seiner  Tante  geht,  vom  Wolf  gefressen.] 

3,  218  no.  III.     L'aigle  et  le  roitelet. 
[Vgl.  Grimm  no.   171   ,Der  Zaunkönig'.] 

3,  238  no.   11.     Le  lait  de  madame. 
Köhler  zu    Blade    1874    p.   150,    Melusine    1,    148.    218. 
Ortoli  p.  237,  Aivliivio   1,  130.  3,  71,  Bernoni,  Tradiz.  p.  74, 
Imbriani,   Conti  pomigl.    no.   10:   Nov.   ti(ir.   no.  41,   De  Nino 
no.  2<s.  Pitre,  Nov.  pop.  tose.  no.  51,  Romero  p.   163. 

3,  272  no.  II.      Les  deux  presents. 
Köhler  zu  Blade   1874  p.  155".     Revue  des  langues  rom. 
28,  194. 

3,  284  no.  VI.  La  femme  mechante. 
[Köhler  zu  Blade  IS 74  p.  155,  Amalfi,  Zs.  des  V.  f. 
Volkskunde  5,  289,  Revue  des  trad.  pop.  4,  30.  8,  197.  378. 
589,  Oesterley  zu  Pauli  no.  595,  Jacques  de  Vitry  no.  221, 
Fischart,  Geschiclitklitterung  S.  104  ed  Alsleben,  W.  Spaiigen- 
berg  im  Anhange  zu  Fischarts  Flöhhatz  1610  (Fischarts 
Dichtungen  ed.  Kurz  2,  154),  Eyering,  Proverbiorum  copia 
1,  751  (1601),  Korrbl.  f.  niederdtscli.  Spracht.  1884,  43, 
,Knypschere',  A.  Hueber,  Heribert  von  Salurn  1875,  Ebeling, 
Taubmann,  S.  317  (Taubmanniana  S.  283),  Centifolium 
stultorum  2,  171,  Riederer,  Das  poetische  Schertz-Cabinet  1713 
no.  59,  Guerrini,  J.  C.  .Croce  p.  431,  Casalicchio,  L'utile  col 
dolce  1.  8,  9  nach  G.  Ens,  E})idorpid.  (16(S7;  deutsch  170()). 
Pitre,  Fiabe  no.  257  (4,  133.  447);  Proverbi  4,  356  (1880); 
Novelline  tose.  no.  67,  Braga  no.   106,    Notes  and   queries  6. 


15.    Aninerkimgen  zu  IJlade.  I37 

ser.  10,  248:  ,The  spirit  of  coDtradiction',  Bondesou,  Sv.  fs. 
no.  38.  Motvärl<lskäriiigen' :  30  ,Bissekiiäcka'.  Sv.  landsmälen  2, 
7,  21  uo.  8.  —  Bedier,  Les  fabliaiix  -  1895  p.  47.  467: 
,Le  pre  tondii',  Komuliis  ed.  Oesteiley  app.  no.  57,  Serdonati, 
Novellette   1873  p.   14:  ,E  pur  forbice.']    ^- f^-*^  >-'-i'.;  |  C^' 

3,  287  uo.  VII.  I^a  dame  coirigee. 
[Hageu,  Gesamtabeuteuer  1,  LXXXil.  Köhler,  Jalirb.  d. 
Shakespeare-Ges.  3,  97,  Bolte  ebd.  27,  130,  Rua,  Giorn. 
storico  della  lett.  ital.  1(),  258  zu  Straparola  8,  2,  Bedier, 
Les  fabliaux  -  1895  p.  464  .l>a  male  dame',  North  ludian 
Notes  aud  Queries  5,  33  no.  37.] 

3,  289  uo.   VIU.     Les-deux  gourmaudes. 
[Oesterley  zu  Pauli  no.  364,  Cosquin  uo.  84.]. 

3,  297  uo.   1.     Leveque  et  le  meunier. 
[Grimm  no.  152,  Das  ,Hirteubübleiu',  Pauli  no.  ^)^^.  Wossidlo 
1,  327  no.  987.] 

3,  339  uo.  Xll.     Le  diable  au  cimetiere. 
[Blade   1867  uo.  8,  Köhlers  Notizen  bei  H.  Sachs,  Fabeln 
und   Schwanke    ed.  Goetze    2,  XIV   zu  uo.   100:  ferner  Bolte 
zu   Macropedius,  Rebelles  und  Aluta  1897  S.   VIII. ] 

3.  342  no.   XIII.     Les  deux  moines. 
[Vgl.    Boccaccio,    Decamerone    10,    2,   Hans    Sachs,    Der 
Abt  im  Wildbad,   1550  =3  Fastuachtspiele  no.  27  ed.  Goetze.] 

3,  368  uo.  VII.  Plaideurs. 
[Die  alte  (Jeschichte  vom  (iolde  in  dem  Stabe,  den 
der  Schuldner  vor  der  Eidleistung  seinem  (iegner  übergiebt. 
Gaster,  Monatschr.  f.  Gesch.  des  dudentums  1880,  316, 
Wünsche,  Zs.  f.  vergl.  Littgesch.  11,  48-59,  Grässe,  Sagen- 
buch des  preuss.  Staats  1,  40  no.  26,   186.S.]    9y^^^'l>'^\''<-'- 


V 


13S  Zur  Märchentbrschung. 

16.  Anmerkungen  zu  F.  M.  Luzel,  Contes  bretons. 

a)  Koadalau. 

(Revue  celtique   1,   182     134.     1870—1872.) 

Ce  conte^)  est  en  grande  partie  compose  de  differents 
contes  que  Ion  rencontre  ailleurs  separement.  On  peut 
comparer: 

I.  Le  coute  de  1'  enfant  qui  sert  cliez  le  Diable  dans 
l'enfer,  et  doit  attiser  le  feii  sous  le.s  cliaudieres  oi'i  se  trou- 
vent  les  pauvres  ämes,  et  auquel  il  est  defendn  d'en  lever 
le  couvercle.  Voyez  mes  observations  sur  ee  conte  dans  le 
'Jahrbnch  für  romanische  und  englische  Litteratui"  tome  VII, 
p.  -iGS  [Widter-Wolf  no.   14]; 

Tl.  Les  contes  que  j'ai  reuiiis  dans  le  meine  recueil, 
tome  Vlll,  p.  25()  et  suiv.,  oi'i  1"  on  retrouve  la  chaml)re 
defendue,  la  coloration  doree  (|ue  revetent  les  cheveux  du 
heros  et  sa  fuite  ä  l'aide  dun  clieval  euchante: 

111.  Le  conte  du  sorcier  et  de  son  apprenti  qui  apres 
dirterentes  metamorphoses  tue  son  maitre  qui  s"  etait  aussi 
diversement  transforme:  Siddhi-kür.  trad.  allem.  d'Jülg  p.  1, 
Benfey,  Pantschatautra.  tome  1,  p.  410.  Les  Quarante  Vizirs, 
trad.  all.  de  Behrnauer  p.  li)5,  von  Hahn,  Griechische  Mär- 
chen no.  (;8,  Wuk  Stephanowitsch  Karadschitsch,  Volks- 
märchen der  Serben  no.  (i,  Straparola,  Notti  Vlll,  5,  Schott, 
Walachische  Märchen  no.  LS,  Grimm.  Kinder-  und  Haus- 
raärchen  no.  ()8,  Müllenhoff,  Sagen  der  Herzogtümer  Schles- 
wig, no.  27  des  Märchen,  Pröhle,  Märchen  für  die  Jugend 
no.  26,  Schönwerth,  Aus  der  Oberpfalz  tome  Hl,  p.  211, 
Waldau,  Böhmisches  Märchenbuch  p.  1 1  (i.  Polnische  Märchen, 
traduit  de  Woycicki  par  Lewestam  p.  110,  Glinski,  Bajarz 
Polski,  tome  1,  p.  LSS,  p]tlar,  Eventyr  og  Folkesagn  fra 
Jylland  p.  od,  Grundtvig,  Gamle  danske  Minder  i  Folke- 
inunde,  tome  1,  pp.  22(S  et  2HL  Asbjörnsen  et  Mre,  Norske 
Folkeeventyr  n(».  57. 


')  [Vgl.  Luzel,  ('(.Utes  popuhiires  de   la   Basse-Rretiig-ne   1887.    2,80 
bis  9b  ,E\veuu  Cougar'.J 


16.    Annierkun^eii   zu  Luzel,  Cuntes  brt'tons.  l'^d 

Dans  toiis  ces  contes,  ä  rexceptiou  du  cuute  kaluiouck 
du  Siddhi-kür,  lors  de  la  vente  du  boeuf  ou  du  eheval  daus 
lequel  s'est  trausforme  rai)preiiti  sorcier,  la  eorde  ou  la 
bride  ne  doit  pas  etre  livree  ä  l'aeheteur.  Daus  le  conte 
des  Quarante  Vizirs.  dans  les  contes  grec  et  serbe,  le  jeuue 
sor-jcier  se  transforme  aussi  en  une  maisou  de  baius  ou  en  133 
une  boutupie  dout  Tacheteur  ue  doit  pas  recevoir  la  elef. 
Un  des  contes  danois  (Grundtvig,  tome  1,  p.  28 1)  commeuce 
tout-ä-fait  comme  le  conte  bretou.  Le  gars  (pii  cherche  ä 
eutrer  en  Service  rencontre  un  seigueur  qui  lui  demaude  s'il 
sait  lire.  Sur  la  reponse  affirmative  du  gars,  le  seigueur 
lui  dit  (|u"il  ue  peut  le  prendre  ä  sou  service.  Le  gars  t'ait 
alors  comme  Koadalau,  retournp  sa  jaquette,  rencontre  de 
nouveau  le  seigueur.  et  lorsque  celui-ci  lui  adresse  la  meme 
question,  il  repoud  quil  ne  sait  point  lire.  Daus  un  conte 
allemand  (Grimm,  tome  111,  p.  HT)  le  sorcier  demaude: 
'Sais-tu  lire  et  ecrire?  —  Oui.  dit  le  gars.  —  Alors.  fait  le 
sorcier,  si  tu  sais  lire  et  ecrire,  je  ne  puis  t'employer.  -- 
Vous  parlez  de  lire  et  d'ecrire?  repreud  le  gars.  »le  vous 
ai  douc  mal  compris.  je  croyais  que  vous  me  demandiez  si 
je  sais  manger  et  crier.  et  je  sais  le  faire  cousciencieusement, 
mais  je  ne  sais  ni  lire  ni  ecrire.'  Daus  le  conte  boheme 
egalement,  le  sorcier  demaude  au  gars  sil  sait  lire.  mais 
celui-ci  repoud  uesativemeut.  Kutre  le  conte  bretou  et  celui 
des  Quarante  Vizirs  existe  sur  un  point  une  tres-curieuse 
ressemblauce.  Dans  le  conte  bretou  le  diable  transforme  en 
musicien  demaude  au  seigueur  du  chateau  comme  recompense 
de  sa  musi(|ue  la  bague  (pie  la  servaute  a  trouvee:  Dans  le 
conte  des  Quarante  Vizirs  le  sorcier.  egalement  trausforme 
en  musicien,  demaude  au  roi  comme  recompense  la  rose  daus 
laquelle  lappreuti  s'est  metamorphose.  Le  conte  grec  merite 
aussi  quelque  attention.  Bien  (pie  seloignant  fort  du  conte 
bretou  en  certains  endroits.  sur  dautres  points  il  s'eu 
rapproche  plus  (pie  tous  les  autres  contes.  11  y  a  daus  la 
maisou  du  diable.  une  chambre  (pie  lapprentiue  d<tit  pas  ouvrir: 
il  en  rencontre  par  hasard  la  clef  etl'ouvre.  11  y  trouve  une  jeune 
fille  prisonni(?re  ([ui  lui  donne  le  conseil  dapprendre  par  coeur, 


140  ^'^i'"  Märchenforschiing. 

en  cachette,  le  livre  magique  du  diable,  et  de  s'enfiiir  avec 
eile.  Ils  sechappent  ensemble  apres  quelle  s"est  transformee 
en  jument.  Sur  son  conseil  il  a  pris  un  plat  avec  du  sei, 
un  mitrceau  de  savou  et  un  peigne;  et  en  jetant  ees  differents 
objets,  il  retarde  le  diable  qui  les  poursuit:  ear  le  sei  se 
transforme  en  un  vaste  incendie,  le  morceau  de  savon  en 
fieuve.  et  le  peigne  en  marais. 

IV.  En  ce  qui  concerne  l'essai  malheureux  fait  par 
Koadalan  pour  revivre  et  rajeunir^),  on  peut  comparer  la 
legende  de  l'enchanteur  Virgile.  V^oyez  Edelestand  Du  Meril, 
Melanges  archeulugitjues  et  litteraires  p.  433.  Virgile  se  fait 
hacher  en  morceaux  par  son  serviteur,  se  fait  saler,  mettre 
dans  un  tonneau  et  fait  mettre  ce  tonneau  sous  une  lampe,  de 
Sorte  (|u  "eile  y  deguutte  neuf  joui-s  et  neuf  nuits.  Le  septieme 
jour  l'Empereur  demande  ä  voir  Virgile,  force  le  serviteur 
"^134  a  le  fon-iduire  dans  le  chäteau,  et  lorsqu"  il  voit  en  morceaux  le 
eadavre  de  Virgile  il  tire  son  epee  et  tue  le  serviteur.  ,Tout 
aussitot,  devant  lempereur  et  tonte  sa  cour,  un  petit  enfant 
11  u  tourua  trois  fois  en  courant  autour  du  tonneau 
et  secria:  Maudits  soient  le  jour  et  Iheure  on  tu  es  venu 
ici !  —  Apres  (pioi  le  petit  enfant  disparut.  Personne  ne 
r  a  plus  revu,  et  Virgile  resta  mort  dans  le  tonneau."  On 
raconte  la  meme  histoire  d'Albert  le  Grand,  de  Roger  Bacon, 
et  dAgrippa  de  Nettesheiin.  Voyez  Grässe,  Der  Tannhäuser 
und  der  Ewige  dude  2e  ed.  p.  ll'i.  11  court  encore  aujounlliui 
sur  Theopraste  Partn-else  une  legende  dapres  laquelle  il 
aurait  Charge  son  serviteur  de  le  hacher  en  morceaux,  de  le 
»(lettre  dans  un  tonneau.  de  le  saupondrer  avec  une  poudre, 
ou  de  larroser  avec  un  bäume,  et  de  nouvrir  le  tonneau 
(ju"  au  bdut  de  neuf  inois.  Mais  le  serviteur  ouvrit  le  tonneau 
apres  sept  mois,  et  y  trouva  un  enfant  de  sept  mois  qui 
inourut  aussitot.  (Voyez:  Alpenburg,  Mythen  und  Sagen 
Tirols  p.  309;  Zingerle,  Sagen,  Märchen  und  (Jebräuche  aus 
Tind  p.  346 :  Peter,  Volkstümliches  aus  Oesterreich-Schlesien 
tome  11,  p.  29).     [Unten  zu  Jagic  no.   13.] 


')  fVi;l.   Luzel   1S87  2,   11.0  J.ii   vie  du  docteiir  Coatlialec.'] 


IG.    Anmerkungen  zu  Luzel,  Contes  brotons.  \^l 

h)    Les    trois   freres,    ou   le   chat.  le  eoq  et  leelielle'). 

(Melusine   1,  158— 1:)',^.     1877.) 

Cuinparez  le  Grand  Parangon  des  noiivelles  Noiivelles 
compose  par  Nicolas  de  Troyes  et  piiblie  dapres  le  ms. 
original  par  E.  Mabille,  Paris  1S(;9,  nouvelle  X;  Freres 
Grimm,  Kinder-  nnd  Hausmserchen,  n«  70;  et  Waldaii,  ßojh- 
misches  Mserchenbnch,  Pragne   ISGO,  p.   176  et  suiv. -) 

Dans  ces  trois  contes,  nn  pere  donne  on  legue  a  ses 
trois  fils  uu  coq,  un  chat  et  une  fanlx  ou  une  faucille. 

Dans  le  conte  de  Nicolas  de  Troyes,  le  fils  aiue  vend 
son  coq  dans  uu  pays  dont  le  roi  „avoit  une  beste  mer- 
veilleuse  appellee  la  soudepoudre.  laquelle  faisoit  de  sa 
raatiere  les  gros  Hugos  d'or  dont  le  roy  estoit  eurichy  et 
tout  le  pays:  mais  aussi  la  dicte  beste  ne  meugeoit  sinou 
du  Safran  et  despeudoit  beaucop  au  roy,  mais  aussi  les  gros 
lingos  d'or  qu'elle  ponnoit  estoint  une  chose  merveilleuse 
et  de  graut  proffit  pour  le  royaulme.  Mais  taut  y  avoit  (jue 
jamais  ceste  beste  ne  ponnoit  les  dits  lingos  d"<u-  (jue  le  jour 
ne  fust  venu,  et  estoit  contrainet  le  roy  d'envoyer  querir  le 
jour  ä  belies  charretees,  autrement  il  n'en  eust  point  eu." 
L'autre  frere  vend  sa  faucille  dans  un  pays  ou.  „ceux  du 
pays  tiroint  les  bles  hors  de  terre  avec  la  pointe  dune  alaiue." 
Enfin  le  troisieme  frere  vend  son  cliat  a  uu  roi  „qui  estoit 
persecute  de  rats  et  de  souris,  taut  (|uil  estoit  subjet,  ä  disuer 
ou  ä  Souper  ou  ä  autres  repas,  d'avoir  une  garde  merveilleuse 
de  gens  d'armes,  pour  le  garder  des  rats  et  des  souris." 
Quand  le  vendeur  du  chat  est  dejä  parti  et  en  chemin.  le 
roi  lui  envoie  un  messager  et  lui  fait  demander  ce  que  mange 
le  chat,  outre  les  rats  et  les  souris.  „Si  luy  fut  dit  qu'elle 
mengoit  de  tout."  Le  roi  se  meprend  sur  cette  reponse, 
s'effraye  et  ordonue  de  tuer  le  chat,  mais  celui-ci  s'echappe. 

Dans  le  conte  allemand,  le  frere  aine  vend  son  coq  dans 
une  ile  oii  les  gens  ne  s'entendaient  pas  ä  partager  le  temps, 


^)  [-=Luzel,   Contes  pop.  de  la  Basse-Bretagne  2,   195  (1887).] 
-)  Ce    dernier    conte    est    traduit    de    Poriginal   teheque    de    M^  B. 
Nemcova. 


242  2ur  Märclienforsoliung'. 

15<)  lls  .savaieiit  bien  quand  cetait  le  matin  ou  le  soir,  j  mais  la 
nuit  (ä  nioiiis  toutefois  (juils  ne  la  passassent  a  dormir)  il 
n'y  eu  avait  pas  im  qui  8Üt  s  y  reconnaitre  et  dire  (juelle 
heiire  il  etait.  Le  secoiid  frere  vend  sa  faucille  dans  ime 
ile  Oll  Ton  ne  fauchait  pas  le  ble,  mais  ou  on  labattait  ä 
coiips  de  canon.  Le  troisieme  enfin  vend  son  ehat  au  roi 
d'une  ile  desolee  par  les  soiiris.  Mais,  apres  avoir  tue  un 
nombre  immense  de  souris  dans  le  chäteau,  le  chat  eut  soif 
et  se  prit  a  crier:  miaou!  miaou!  Le  roi  prit  peur,  lui  et 
tont  son  monde.  On  bombarda  le  chäteau,  mais  le  chat 
s'echappa  par  la  fenetre. 

Dans  le  conte  tcheque,  le  frere  aine  vend  sa  faucille  au 
roi  dun  pays  on  les  gens  arrachaient  Iherbe  avec  leurs  mains. 
Le  second  vend  son  coq  au  roi  dun  pays,  ou  les  gens  devaient 
quoditiennement  accompagner  le  jour  (|ui  s"en  allait  et  aller 
le  lendemain  matin  ä  sa  rencontre.  Le  troisieme  vend  son 
chat  au  roi  dun  pays  desole  par  les  souris.  Conime  celui-ci 
retourne  deja  chez  lui,  le  roi  lui  envoie  un  messager  et  lui  fait 
demander  ce  (jue  inangera  le  chat,  quand  il  naura  plus  de 
souris.  „Vous-meme"  repond-il.  Le  messager  transmet  (^ette 
reponse  au  roi  qui,  effraye,  fait  garder  avec  soin  la  chambre 
Oll  se  trouve  le  chat.  Mais  celui-ci  saute  par  la  fenetre  et 
s'echappe. 

M.  Grimm,  dans  le  commentaire  du  conte  cite  plus  haut, 
rappelle  le  44e  chapitre  de  IHistoire  des  bons  bourgeois  de 
Schildburg  ou  du  Laienbuch  ^).  Les  bourgeois  ([ui  avaient 
beaucoup    de    souris,    acheterent    un    chat   dun    homme    qui 


'1  L'ouvrage  appt'le  tantot  Der  Schildbürger  Gesohicliten  und 
Thatcn  tantot  Das  Laienbuch,  Geschichten  und  Thaten  der  Laien  zu 
Laienburg  date  de  la  tin  du  XVle  siede.  C"est  un  recueil  de  traditions 
et  de  contes  qui  se  racontaient  originairenient  et  se  racontent  encore 
auJDurdMiui  en  diverses  localites,  mais  qui,  dans  ce  livre,  sont  niis  sur 
le  conipte  d\ine  localite  unique,  Schildburg  ou  Laienburg.  Schildburg 
et  Laienburg  sont  des  nonis  inventes,  mais  le  preniier  n'est  tres- 
vraisemblablement  qu'une  legere  moditication  du  nom  de  Schiida,  petite 
ville  de  Saxe  qui  passa  jusqu'ä  notre  epoque  pour  une  Abdere  de  l'Alle- 
magne.  En  1747  J.  C.  Langner  a  ecrit  une  defense  de  la  ville  de 
Schiida  .,cüntre  ces  vulgaires  et  incovenantes  iniputations." 


lU.    AimicrkuHiieii   zu   l^iizel,  l'ontes  l)ri't()ns.  143 

passait  daiis  leiir  ville,  et  lui  envoyerent  peu  apres  im 
messager  pour  savoir  ce  (|iie  mange  cet  auimal.  I^e  ven- 
deur  repondit:  Was  man  ihr  beut  (se  (ludii  lui  donne).  Mais  le 
messager  euteudit:  Vieli  und  Leut  (betes  et  gens).  Les 
bourgeois  ettVayes  metteut  le  feu  a  la  maison  ou  se  trouve 
le  chat,  et  (juand  celui-ci  saute  sur  une  maison  voisine,  a 
celle-ci  encore,  et  ainsi  de  suite,  et  quand  enfin  le  chat  se 
sauve  vers  eux,  ils  s'enfuient  dans  les  bids  avee  femmes  et 
enfauts,  et  laissent  brüler  tonte  la  ville.  [Mitteil,  der  litau. 
litt,  (iesellsch.  2,  344.  ISST.] 

Dans  de  nombreux  contes,  il  est  (juestion  d'un  homme 
(jui  vend  un  ou  plusieurs  (diats  dans  un  pays  oii  cet  animal 
est  inconuu  et  (jue  desolent  rats  et  souris;  mais  comme  ils 
n'ont  (jue  ce  trait  de  commun  avec  le  conte  qui  uous  occupe 
maintenant,  je  nai  pas  a  en  parier  ici.  [Gonzenbach  no.  7() 
und  Zs.  (1.  V.  für  Volksk.  (i,  KiJ).  Bolte  zu  Val.  Schumann 
no.   1    u]\d  zu  P^rey  S.  -iT«).]    <^  Wv^-- 

c)  Les  truis  filles  du  bouluuger,  ou  L'eau  (|ui 
danse,  la  pomnie  (|ui  chante  et  l'oiseau  de  verite^). 

(Mrliisino   1,  -ii;}— '2U.     1877.) 

C(»mi»arez:  le  coute  des  Mille  et  une  Nuits  [10,  3  trad. 
allem,  de  Breslau]  'Les  deux  soeurs  jalouses  de  leur  cadette'. 
von  Hahn,  Griechische  und  albanesische  Märchen  no.  09. 
NeofVjji'iy.a  \h'<'dexTa  1,  1  no.  4,  Schiefner,  Awarische  Texte 
no.  12,  Straparola,  Xotti  IV,  3  2),  Masillo  Reppone''),  La 
Posilecheata,  conte  troisieme  'L'ingannatrice  ingannata',  Com- 
paretti,  Novelline  [)0[)(»!ari  italiane  no.  (i  et  30,  De  (iuber- 
natis.  Novelline  di  Santo  Stefano  no.  lli,  Imbriani,  La  no- 
vellaja  tioreutina  no.  (i  et  (>  '''s,  et  A  "Ndriana  fata,  Pomi- 
gliano  d'Arco   1S75.    (ionzenbach,    Sicilianische  Volksmärchen 


1)  [=  Luzel,  Contes  pop.  de  la  Basse-Bretagne  3,  277   (1887).] 

-)  Straparole  a  evidemment  servi  de  modele  au  conte  a  M'"'^.  d'Aiil- 

noy  ,Le  princesse  Belle-Etoile  et  le  prince   Clieri'. 

■')  C.-a-d.  Pompeo  Sarnelli,  eveque  de  Bisceglie,  ne   en   lfi49,  niort 

en   1724.     [Posileclieata  ed.  Imbriani   1885  p.  170.] 


]^44  ^1"'  Mwi'clteiiforschung. 

HO.  5,  Pitre.  Niiovo  saggio  di  fiabe  e  novelle  popolari  siciliane 
110.  1,  et  Fiabe,  novelle  e  raccoiiti  popolari  siciliani  no.  3t), 
Schneller,  Märchen  und  Sagen  aus  Wälschtirol  no.  26,  Mas- 
pons  y  Labros,  I^o  Rondallayre.  quentos  populars  catalans 
110.  14  (p.  60)  et  no.  25  (p.  107),  von  Gaal,  Märchen  der 
Magyaren  p.  390,  Pröhle,  Kinder-  und  Hausinärchen  no.  3^). 
[Köhler,  Zs.  d.  V.  für  Volkskunde  (>,  (50  no.  5  und  oben 
S.  118  zu  Blade  1,  m.] 

Je  n'entre  pas  dans  la  comparaison  de  ces  variantes,  et 
je  me  bornerai  aux  observations  suivantes. 

Les  trois  soeurs  sont  egalement  filles  dun  boulauger 
dans  Straparole  et  dans  von  Gaal. 

La  Version  bretoune  seloigne  du  recit  primitif,  quand 
du  jardiuier  qui  trouve  et  porte  ä  sa  femme  les  enfants 
exposes,  eile  fait  le  mari  d'une  des  soeurs  ainees ;  sa  femme 
aurait  du  reconnaitre  aux  etoiles  les  enfants  de  la  Reine  sa 
soeur  qu'elle  et  son  autre  soeur  avaient  fait  exposer,  et  eile 
n'aurait  pas  accueilli  les  enfants.  Aucun  des  contes  cites 
plus  haut  ne  iious  represente  une  des  soeurs  avec  le  desir 
d'epouser  le  jardinier  du  i'oi. 
214  Nous  trouvons  dans  la  plupart   des  contes  l'Oiseau  par- 

lant,  mais  c'est  seulement  dans  le  conte  breton  qu'il  est 
appele  l'Oiseau  de  Verite. 

Le  vieillard,  dont  la  princesse  coupe  la  barbe,  se  retrouve 
aussi  dans  les  Mille  et  une  nuits  et  chez  Pröhle;  mais  lä, 
c'est  le  prince  qui  lui  rend  ce  service.  [Hahn  1,  269.  Pelliz- 
zari  1,   111.] 

Du  meme  que  dans  le  conte  breton,  a  la  fin,  loiseau 
demande  que  personue  ne  quitte  la  chambre,  et  que  lä-dessus 
on  ferme  les  portes;  de  meme  dans  le  conte  grec  de  Hahn, 
on  ferme  egalement  les  portes  sur  la  demande  de  Poiseau. 
(Voyez  aussi  Hahn  no.  70  et  (lonzenbach  no.  <sO,  vers  la  tin.) 


^)  II  y  a  encore  d'autres  contes  allemands  que  j  'ai  indiques  dans 
Schiefner,  Awarische  Texte  p.  XXI,  relatifs  au  meme  sujet,  mais  plus 
ou  nioins  inc»miiili:'ts  uu  defi^urö;;. 


l(i.    Annierkungen  zu  Tjuzo),  C'ontcs  bretons.  145 

(1)   Le  pape   Inuoeent,  et  Histoire  de  Cliristic^). 

(Melusine   1,  384-886.      1877.) 

Comparez :  1  ^  Daus  THistüire  des  Sept  Sages  le  reeit  du 
fils  qui  compreiul  la  laugue  des  oiseaux.  (Voir  ä  ce  sujet 
les  iudicatious  de  dAucona  daus  sou  editiou  du  Libro  dei 
sette  Sav)  di  Roma,  Pise  1864  p.  121,  et  Deux  redaetious  du 
Romau  des  Sept  Sages  de  Rome,  publiees  par  G.  Paris, 
Paris  1878  p.  47  et  182;  Beufey  daus  Orieut  uud  Occident 
3,  420.) 

2"  Le  coute  masure  daus  M.  Toeppeu,  Aberglaubeu  aus 
Masuren,  2e   edit.     Dauzig  1867  p.  150. 

3**  Le  coute  niordviue  daus  A.  Ahlquist,  Yersuch  eiuer 
mokscha- mordwinischen  Grammatik,  Saint -Petersbourg  1861 
p.  97. 

4"  Le  coute  teleoute  daus  Radloft",  Proben  der  Volks- 
litteratur  der  türkischen  Stämme  Südsibirieus,  W'  partie, 
Saint-Petersbourg  1866  p.  208. 

Et  5*^  Les  deux  contes  basques  daus  Webster,  Bas(]ue 
Legeuds,  Londres  1877  p.   136  et  137. 

1^  Daus  le  recit  des  Sept  Sages,  un  jeune  homme  qui 
comprend  la  laugue  des  oiseaux,  leur  enteud  dire  que  ses 
parents  lui  ottViront  un  jour  de  Feau  pour  se  laver  ses 
mains^).  Sur  les  instauces  de  sou  pere  il  lui  communique 
cette  prophetie.  Le  pere  en  est  si  irrite  qu'il  precipite  sou 
iils  dans  la  mer.  Le  jeune  homme  est  sauve  et  devient  plus 
tard  le  gendre  dun  roi  auquel  il  a  revele  ce  que  lui  voulaient 
des  corbeaux  (jui  le  poursui-  vaient  depuis  plusieurs  auuees.  . 
Quelque  temps  apres,  il  va  voir  ses  parents,  sans  etre  recounu 
deux,  et  la  prediction  saccomplit. 


^)  [Comparez:  Luzel,  Legendes  chretiennes  de  la  Basse-Bretagne 
1,  282—309  ,Le  Pape  Innocent'  (1881).] 

-)  Dans  la  redaction  franeaise  en  prose  'des  Sept  Sages  de  Rome, 
publice  par  Le  Roux  de  Lincy,  le  fils  dit:  ,11  (les  deux  corneilles)  dient 
que  je  monterai  encore  si  hautement,  et  serai  encore  si  haiiz  homs, 
que  vous  serez  forment  liez  si  je  daignoie  tant  souffrir  que  vous  me 
tenissiez  mes  manches  quand  je  devroie  laver  mes  mains,  et  ma  niere 
seroit  moult  liee  si  eile  osoit   tcnir  la   toaille  eü  je  essuieroie'. 

R.  Kühler,  Kl.  Schriften  I.  10 


146  2"i"  Mävclienforschung. 

'2^  Dans  le  conte  masure,  le  fils  eiitend  dire  a  ime 
alouette,  (juil  devieudrait  tres-riche,  ses  parents,  au  contraire, 
tres-pauvres ;  que  sa  mere  lui  laverait  les  pieds,  mais  qiie  le 
pere  boirait  Teuii  de  8on  bain.  Le  pere,  irrite,  le  livve  a  iiu 
marchand  etranger,  qui  doit  le  tuev  en  roiite.  Toutefoi.s 
Vordre  n'est  pas  execute.  Le  jeime  homme  devieut  le  gendre 
du  roi  d'Augleterre,  dont  il  a  gueri  le  fils  et  la  fille.  Quel- 
que  temps  apres,  il  vieut  visiter  sa  ville  natale,  et  la  predic- 
tion  de  l'alouette  s'accomplit. 

3"  Dans  le  conte  mordvine,  qui  dailleurs  est  compose  de 
plusieurs  contes,  le  jeune  homme  dit  a  son  pere  quun  cor- 
beau  aurait  predit  que  le  pere  boirait  leau  du  bain  de  pieds 
de  son  fils.  Le  pere  chasse  son  fils.  Apres  un  eertaiu 
nombre  d'aventnres,  le  fils  devient  le  gendre  dun  empereur. 
Son  pere  arrive  chez  lui  comme  mendiaut,  re(;oit  chez  lui  un 
abri  pour  la  nuit,  et  se  leve  de  son  lit  toiirmente  de  la  soif, 
tout  pret  ;i  boire  Leau  de  bain;  mais  le  fils  le  voit,  Tarrete 
et  se  fait  eonnaitre. 

4"  Dans  le  conte  teleonte,  le  fils  dit  a  son  pere  ((ue  les 
oiseaux  out  predit  ([u'il  serait  empereur,  et  quil  donnerait 
un  repas  ou  son  pere  boirait  son  urine.  Le  pere  assassine 
le  fils  et  le  jette  k  la  mer,  mais  le  jeune  homme,  rejete  au 
rivage  par  les  fiots,  revient  ;i  lui.  Or  le  roi  du  pays  venait 
de  mourir,  et  celui-lä  devait  lui  succeder,  sur  lequel  deux 
cierges  places  sur  des  j)oteaux  d'or  viendraient  k  tomber. 
Le  peuple  tout  entier  se  pressa  sous  ees  poteaux,  mais  eu 
vain.  Quand  vint  le  jeune  homme.  les  cierges  tomberent  sur  sa 
nu(|ue  et  coutinuerent  de  brüler.  Le  jeune  homme,  uomme 
empereur,  reunit  tout  le  peu[>le  dans  un  graud  festin.  Son 
pere  arrive,  senivre,  tombe  ;i  la  place  ou  son  fils  venait  de 
lächer  de  Leau,  et  boit  lurine.  Le  lendemain  le  fils  se  fait 
connaitre  du  pere^). 

5''  Dans  Tun  des  contes  basques  (Webster  p.  136)  le  fils 
entend   chanter    des    oiseaux.      11s    disent   que    pour    Iheure 


')  A.  Schiet'iier,    daiis  sa  preface    aux  , Proben'   de  Radioff  j).  XII, 
cite  plusieurs  contes   russes   de  la   coUection  At'anasiev. 


If).     Aiini('rkuiii;en   zu    Luzel,  Coutes   bretons.  147 

il  obeit  a  son  pere,  mais  qu'  im  temps  vieiulrait  oii  son  pere 
Uli  obeirait.  Le  pere,  qiii  est  eapitaine  de  vais.seau,  eiiferme 
son  fils  dans  im  tonneau  et  le  jette  ä  la  luer.  Le  tonneaii 
est  pousse  ä  terre,  et  le  jeiiiie  liomine  est  reciieilli  par  im 
roi  doiit  il  epoiise  la  fille.  Le  capitaine  de  vaisseau  devient 
plus  tard  doinestique  aupres  de  son  fils.  (juil  ne  vecon- 
iiait  pas. 

()"  Dans  lautre  conte  basque  (Webster  p.  137)  im  jeune 
homme  eutend  uue  voix,  et  il  dit  ä  sa  inere  (pi'elle  lui  predit 
([uun  pere  et  uue  mere  seraieut  les  serviteurs  de  leiir  fils. 
Mais  la  voix  avait  parle  de  lui  et  de  ses  propres  parents. 
Sa  mere  en  est  persuadee.  Elle  ordonne  ä  deux  serviteurs  de 
tuer  en  secret  son  fils  et  de  lui  rapporter  son  coeur.  Les 
serviteurs  lui  laissent  la  vie  sauve  et  rapportent  a  la  mere 
le  coeur  d'un  chien.  Le  fils  se  decide  ji  aller  ä  Rome  et 
rencontre  deux  hommes  avec  lesquels  il  t'ait  route.  ün 
soir  ils  sollt  descendus  daus  uue  auberge  de  brigands.  Le 
fils  est  averti  par  la  voix.  et  il  s"e<'liappe  avec  ses  deux 
compagnons. 

Le  lendemaiu  ils  sont  revus  dans  uue  maison  seigneu-  j 
riale  oii  le  jeune  homme  guerit  une  jeune  fille  malade  depuis 
sept  ans.  Quand  il  arrive  ä  Kome,  les  cloches  sonnent  d'elles- 
memes,  et  il  est  ein  pape.  Sur  ces  entrefraites,  sa  mere  est 
tourmentee  de  remords.  Elle  raconte  son  forfait  a  son  mari 
et  fait  avec  lui  le  [»elerinage  de  Rome  pour  se  coufesser  au 
pape.  La  contVssion  amene  la  scene  de  reciumaissance.  I^e 
prediction  cepeudant  ne  sest  pas  accomplie  en  eiitier.  Les 
parents  ne  devieunent  pas  les  serviteurs  du  Hls.  I>a  tradi- 
tion  est  evidemmeut  alteree  dans  ce  conte. 

Au  commencement    de   lliistoire    de  Christic   [p.  ;^00|,  dtol^^"''' 
il  est  dit  que  le  bon  Auge  ne  visite  plus  la  devote  fille.  parce        /Of/^:*^ 
quelle    a   dit    dune    pauvre    femme    qui    etait   sur    le    point 
d'avoir  un  neuvieme  bätard:  Commeut  Dieu  peut-il  pardonner 
a  de  pareilles  femmes?    On  peut  comparer  h  cet   episode    la 
learende    enfantine    no.  (i    a    la   suite    des    Contes    des   freres 


*)  [Zum  Inhalte  der  PiH)i)liezeiun£j  vo'l.  unten   zu  Jagie  Nr.   39. 

10* 


14h  Zur  Märchfiiforschung. 

Grimm,  dans  laquelle  uii  ange  n'apparait  plus  ä  uu  ermite, 
parce  qiiil  aiirait  dit  d'iiu  pauvre  Diable  coudamue  ä  mort: 
II  na  que  ce  qu'il  raerite,  et  ime  legende  basque  (Webster 
p.  209),  Oll  une  sainte,  vivant  dans  la  snlitude.  re^oit  tous 
les  jours  sa  nonrritiire  dune  colonibe.  jusqu'  au  jttur  oii  eile 
voit  une  fille  conduite  par  la  mareebaussee,  et  dit:  Si  eile 
avait  vecu  comme  moi,  on  ne  l'aurait  pas  arretee.  A  partir 
de  ce  moment  la  colombe  ne  lui  apporte  plus  rien. 

Le  commencement  de  Ibistoire  du  pape  Inuocent  res- 
semble  au  debut  du  poeme  bas-allemaud  Zeno,  edite  par 
A.  Lübben  (Breme  1869).  Dans  ce  poeme,  im  couple  de 
Verone,  apres  une  longue  attente,  est  enfin  gratifie  de  la 
naissance  dun  fils.  Le  diable  le  transporte  a  Milan  oü  il 
le  depose  a  la  porte  de  la  cathedrale,  puis  il  va  lui-meme 
prendre  la  place  de  lenfant  dans  son  berceau.  Leveque  de 
Milan  eleve  l'enfant  trouve  qui.  devenu  grand,  revient  ä 
Verone.  se  fait  connaitre  de  son  pere,  et,  par  ses  exorcismes, 
force  le  diable  ä  ^•ivre  enferme  dans  un  verre.  (f  f;i(.i'''    :• 

Dans  le  menie  recit,  le  pape  Innoceiit  tue  le  fils  du 
gentilhomme  pendant  le  voyage  de  Roine,  parce  que  celui-ci 
et  sa  femme,  depuis  qu'ils  ont  cet  enfant,  ne  pensent  plus  ä 
Dien.  Que  Ion  compare  ä  cela  la  legende  bien  connue  de 
l'Ermite  et  de  lAnge  [Gesta  Rom.  c.  <S0].  et  sourtout  la 
Version  bretonne  f(ue  M.  Luzel  a  doniiee  dans  ses  Traditions 
orales  des  Bretons  armoricaius,  Legendes  cliretiennes,  Saint- 
Brieuc  1874  p.  15.^) 

De  meme  que  les  g  r  e  uo  u  il  1  e  s  ici  chantent  en  Ibonneur 
de  la  Sainte-  Hostie,  Thomas  de  Cantimpre  (11,  40)  et  Cesaire 
dHeisterbach  (IX,  8)  racontent  le  meme  fait  des  abeilles. 
Voir  Menzel,  Christliche  Symbolik  1,  42 L 

De  meme  que  dans  la  Version  bretonne,  celui-la  devient 
pape  dont  le  cierge  s'allume  de  lui-meme,  de  meme,  dans  des 
contes    russes    (qui    ne    se    rapportent    pas   du   reste   ä  notre 


')    Extrait    du    vulume    des  ,Menioires   du   Congres    soientifique  de 
France',  38^  sessioii,  tenue  a  Saint-Brieuc  en  Juillet  1872. 


16.    Anmerkungen   zu  Luzel,  Contes  bretons.  149 

sujet,  reconnait-011  qui  doit  devenir  Tsar  (collectiou  dAfanasiev 
V,  53;  voir  Giibernatis,  Zoological  Mythology  1,  318  et  2,  311). 

e)  F  a  n  c  h    S  c  o  u  a  r  ji  e  c  ^). 

(Melusine   1,  473—476.     1S77.) 

Comparez:  Hahn,  Griechische  und  albanesische  Märchen 
no.  11  et  34:  Sehott,  Walachische  Märchen  p.  '2'2d;  Köhler, 
Jahrbuch  für  roman.  Litt.  8,  -246  (conte  Italien);  Webster, 
Basque  Legends  p.  (>  et  11:  Wenzig,  Westslavischer  Mär- 
chenschatz p.  ') :  Schleicher,  Litauische  Märchen  p.  45: 
Pröhle,  Märchen  für  die  Jugend  no.  16:  Zingerle,  Kinder- 
und  Hausmärchen  aus  Süddeutschland  p.  223;  Arne,  Nogle 
Fortaellinger,  Sagn  og  Aeventyr,  indsamlede  i  Slagelse-Egnen, 
Slagelse  1862  p.  63;  Asbjörnsen  et  Moe,  ^Jorske  Folkeeventyr, 
2e  edition  p.  394  et  396;  Campbell,  Populär  Tales  of  the  West  j 
Highlands  no.  45;  Kennedy,  the  Fireside  Stories  of  Ireland 
p.   74.     [Unten  zu  Jagic  no.  40,  Cosquin  no.  36.] 

Dans  ces  differents  contes,  un  maitre  et  un  serviteur 
prennent  un  engagenient  reciproque  par  lequel  aucun  des 
deux  ne  doit  se  fäf-her  contre  lautre,  ou,  Selon  quelques 
versions,  ne  doit  exprimer  du  regret  sur  lengagenient.  Si  Tun 
se  fache,  ou  exprinie  du  regret,  lautre  lui  doit,  dans  la 
plupart  des  contes,  tailler  dans  le  dos  une  ou  plusieurs 
lanieres  de  peau.  Dans  le  conte  Italien,  11  doit  etre  ecorche  : 
dans  le  conte  moravo-valaque  de  Wenzig,  il  doit  perdre  le  nez, 
et  dans  le  contes  allemands,  il  doit  perdre  les  oreilles.  Dans 
plusieurs  contes,  le  maitre  conclut  successivement  cet  arran- 
gement  avec  trois  freres,  dont  les  deux  aines  sont  malheu- 
reux  et  ne  reussissent  pas.  Les  coups  par  lesquels  le  serviteur 
cherche  ä  faire  naitre  la  colere  ou  les  regrets  de  son  maitre, 
sont  quant  aux  uns,  les  niemes  ou  tres-sendilables  dans 
plusieurs  contes,  et  quant  aux  autres,  particuliers  ä  tel  ou 
tel  de  ces  contes. 

Un  conte  Afghan,  evidemment  corrompu  et  publie  par 
Thorburn,  ,Bannu,  or  our  Afghan  Frontier'  p.   199,  tient  une 

M  [Comparez:  Luzel,  Contes  pop.  de  la  Basse-Bretagne  3,  216: 
,Janvier  et  Fevrier.'] 


]  50  2iu-  Märehenforscliunt!,\ 

place  ä  part.  Dans  ce  recit,  le  serviteur  doit  tuus  les  joiirs 
semer  ime  corbeille  de  grains,  preparev  pour  la  famille  iiiie 
corbeille  de  bois  de  cliauffage  et  le  vivre  ;  eii  retour,  le  maitre 
doit  liii  fouriiir  ime  charriie  et  iine  coiiple  de  boeufs;  celui 
des  deux  qiii  iie  tieut  pas  son  eugagemeut  doit  perdre  le  iiez. 
Des  le  premier  joiir,  le  serviteur  ue  peut  remplir  tont  son 
office,  et  le  maitre  lui  coupe  le  nez.  11  retourne  chez  lui  et 
raconte  sa  mesaventure  a  son  frere  qui  entre  au  Service  du 
maitre  aux  memes  conditions.  Celui-ci  repand  tout  le  graiu, 
tue  un  des  boeufs  et  brise  la  ciiarrue,  et,  rentre  ä  la  maison, 
dit  au  maitre  quil  a  rempli  ses  engagements.  II  en  fait 
autant  le  second  jour.  Le  troisieme  jour,  le  maitre  ne  peut 
lui  fournir  ni  graiu,   ni   ciiarrue,    ni   boeuf,   et   perd  son  nez. 

Daus  uotre  conte  breton,  Fanch  doit  eulever  les  deux 
enfants  du  maitre  pendant  le  repas:  on  doit  ici  rapprocher 
un  conte  grec  (no.  84)  et  le  conte  lithuauien.  Dans  le 
conte  grec.  le  maitre  dit  au  serviteur  de  prendre  Tenfant 
et  de  lui  vider  les  boyaux,  mais  le  serviteur  tue  Tenfant 
et  enleve  ses  boyanx:  dans  le  conte  lithuauien,  le  serviteur 
traite  l'enfant  de  teile  fagon  que  celui-ci  perd  l'envie  de 
se  faire  porter  par  lui. 

Fanch  vend  les  cochons.  fiche  la  ([ueue  dans  une  mare, 
et  pretend  (pi'ils  ont  ete  attires  par  un  demon  dans  le 
marais:  comparez  les  coutes  italiens  et  basques,  le  conte  alle- 
mand  de  Pröhle  oii  ce  sont  des  vaches,  Asbjörnsen  p.  393 
et  31X),  Gonzenbach  no.  37  p.  255  et  Arnason,  Icelandic 
Legends  translated  by  Powell  and  Magnusson  t.  2,  p.  552. 
[Zs.  d.   V.  für  Volkskunde  6,73  zu  no.  37.] 

Mais  quand  Fanch  vend  les  boeufs  et  pretend  qu'ils  ont 
ete  enleves  au  ciel  par  un  tourbillon,  et  que  c'est  pour 
celä  quil  se  trouve  sur  un  arbre  avec  la  queue  d'un  des 
boeufs,  on  ne  peut  comparer  cet  episode  quavec  le  conte 
norvegien  (Asbjörnsen  p.  37()).  oii  le  valet  vend  toutes  les 
chevres.  sauf  une  qu'il  pend  ä  un  arbre,  et  pretend  qu'  un 
tourbillon  les  a  enlevees  au  ciel  ä  l'exception  de  celle-la. 

Fanch  daus  le  chateau  va  chercher  deux  pelles  et  crie 
de   la  fcnetre   ä    son    maitre  .T<iutes    les   deux,    seigneur?' 


1(5.    Aiiiiierkuugeii  zu  Luzel,  Contes  bretons.  X51 

On  peut  comparev  le  coute  basque  ou  le  serviteur  doit  aller 
cherchei'    ä  la   maisoii   pelle    et   pioche,    et  ä   cette   üccasion 
bat  la  maitresse  et  sa  servaiite  |  eii   meme   teraps  qiie  de  la  475 
inaison  il  crie  au  maitre:   ,Uiie  ou  toutes  deiix?'     [Unten  zu 
Widter-Wulf  no.  2]. 

Le  fait  que  1"  eugagement  doit  cesser  quaud  le  coucou 
chantera,  et  que,  par  cette  raison,  la  femme  du  maitre  monte 
suv  un  arbre  et  imite  le  cliant  du  coucou,  se  rencontre, 
outre  le  conte  bretou,  dans  les  contes  allemands,  dans  le 
conte  danois,  dans  uu  conte  norvegien  (Asbjörnsen  p.  394), 
dans  un  conte  grec  (Hahn  no.  84)  et  dans  le  conte  moravo- 
valaque.  Cf.  aussi  Gonzenbach,  Sicilianische  Märchen  no.  37,, 
oü  la  mere  de  Giufa  (p.  254)  se  cache  dans  le  lierre  et  crie 
comme  une  chonette.     [Zs.  d.   V.  für  Yolksk.  6,  74.] 

Avec  le  commencement  du  conte  breton  il  taut  comparer 
le  passage  suivant  de  l'histoire  latine  de  Salomon  et  Mar- 
('(d[)hus : 

.Rex  Salomon  (piadam  die  cum  venatoribus  suis  et 
copulis  canuui  de  venatione  rediens,  forte  transiens  ante 
hospitium  Marcolphi,  divertit  se  illuc  cum  e([uo  suo,  et  in- 
cliuato  capite  suo  sub  limine  ostii  requirens,  quid  intus  esset, 
Marcolphus  respondit  regi:  Intus  est  homo  integer  et  dimidius 
et  Caput  equi;  et  quanto  plus  ascendunt,  tanto  plus  descen- 
dunt.  Ad  hoc  Salomon  dixit:  Quid  est  quod  dicis?  Mar- 
colphus respondit:  Nam  integer  ego  sum  intus  sedens,  dimidius 
homo  tu  es  supra  equum  extra  sedens,  intus  prospiciens 
inclinatus;  caput  vero  equi  caput  est  tui  caballi.  super  quem 
sedes.  Tunc  Salomon  dixit:  Qui  sunt  ascendeutes  et  de- 
scendentes?  Marcolphus  respondit  et  ait:  Fabae  in  olla 
bullientes.  —  Salomon:  Ubi  sunt  tuus  pater  et  tua  mater, 
tua  soror  et  tuus  frater?  Marcolphus:  Pater  mens  facit  in  campo 
de  un(t  damno  duo  damna;  mater  mea  facit  vicinae  suae,  quod 
ei  amplius  non  faciet;  frater  mens  extra  domum  sedens.  quic- 
quid  invenit,  occidit;  soror  mea  in  cubiculo  sedens  plorat 
risum  annualem.  —  Salomon:  Quid  illa  siguificant?  Marcolphus: 
Pater  mens  in  campo  suo  est,  et  semitam  per  carapum  trans- 
euntem  occupare  cupiens,  spiuas  in  semitam  ponit,  et  liomiues 


152  ^111'  Märclienforschung. 

venientes  duas  vias  faciunt  nocivas  ex  ima,  et  sie  facit  duo 
damno  ex  imo.  Mater  vero  mea  claudit  oculo.s  vicinae  suae 
morieutis,  quod  amplius  non  faciet.  Frater  autem  mens, 
extra  domum  sedens  in  sole  et  pelliciilas  ante  tenens,  pe- 
diculos  omnes,  quos  invenit,  occidit.  Soror  autem  mea 
praeterito  anno  quemdam  invenem  adamavit,  et  inter  ludicra  et 
risns  et  molles  taetns  et  ba.sia  quod  tun(3  risit,  modo  praegnans 
plorat.' 

Comparez  en  outre  le  conte  de  lAmienois  dans  Melusine 
p.  279  [Carnoy,  Les  aventures  d'un  petit  gar(;on]  et  le 
commencement  du  conte  gas(3on  ,Joan  lou  pigne',  dans  Blade, 
Contes  et  proverbes  populaires  recueillis  en  Armagnac  p,  14  ^) 
[oben  S.  113   zu  Carnoy  no.   15    und  S.   134  zu  Blade  3,  5]. 

Dans  le  conte  de  lAmienois  un  petit  garpon  dit  a  un 
Intendant  d'un  seigneur  a  qui  son  pere  doit  de  Targent: 
,Bonjour,  la  moitie  d'iin  homme  et  la  tete  d'un  cheval!'  et 
il  fait  les  reponses  suivantes  aux  questions,  oii  sont  la  mere, 
le  pere,  les  soeurs: 

1"  Ma  mere  est  alleo  a  la  cliasse,  tont  ce  quelle  tue, 
eile  le  laisse,  et  tont  ce  quelle  ne  tue  pas,  eile  le  rapporte. 

2''  Mon  pere  est  parti  faire  un  trou  pour  en  boucher  | 
476  deux  autres  (c'est-a-dire  qu'il  est  alle  eraprunter  une  somme 
pour  payer  deux  creanciers). 

3**  Ma  jeune  soeur  fait  cuire  des  allants  et  venants  (i.  e. 
des  pois). 

Dans  le  conte  gascon,  aux  questions  de  son  niaitre,  sil 
est  seul,  ce  qu'il  fait,  ce  que  fönt  son  frere  et  sa  soeur,  sa 
mere  et  son  pere,  Jean  fait  les  reponses  suivantes: 

1  ^  Jy  vois  la  moitie  deux  betes  a  quatre  pieds. 

2^  Je  fais  cuire  ceux  qui  s'en  vont  et  veux  qui  s'en 
retournent. 


^)  On  trouve  ce  conte  gascon,  mais  dans  un  moins  bon  texte,  aussi 
chez  Cenac-Moncaut,  Littei'ature  popiüaire  de  la  Gascogne  p.  235. 
Blade  nous  renvoie  aussi  au  conte  provencal  ,L'enfant  et  le  moussou' 
dans  TArmana  prouvengau  de  1859  p.  58.  Je  regrette  de  n'avoir  pas 
cette  annee  de  l'Armana. 


16.    Anmerkungen  zu  Luzel,  Contes  bretons.  15?) 

8^  Mon  frere  est  a  la  chasse,  et  tout  le  gibi(?r  quil 
prend,  il  le  Jette,  et  celui  quil  ne  peut  pas  atteiiidre,  il 
Temporte. 

4**  Ma  mere  fait  ciiire  le  pjiiii  que  iioiis  avoiis  mange 
la  seinaine  passee. 

5^  Mon  pere  est  ä  la  vigne,  et  il  fait  du  bieu  et  du  mal 
(c'est-a-dire  qu'il  fait  du  bien  quaiul  il  coupe  bieu,  et  quil 
fait  du  mal  quaud  il  (M)upe  mal). 

Compare  en  outre  Ziugerle  1.  1.  p.  4*2,  Schneller,  Märchen 
und  Sagen  aus  AVälschtirol  no.  4(1  et  un  conte  suisse  dans 
Firmenitili,  Germaniens  Vulkerstiinmen  '2,  G58,  et  repete  dans 
Sutermeister,  Kinder-  und  Hausmärchen  aus  der  Scliweiz, 
2e  ed.  p.  '227  [Wos'sidlo,  Mecklenburgisclie  Vcdksüberliefe- 
rungen  1,  3'2S  no.  090.     Svenska  Landsnnilen  5,   1,   114] 

Dans  le  premier  conte,  un  jeune  paysan  dit  a  un  seigneur: 

1  **  Mon  pere  est  alle  au  ehamp  pour  faire  d'un  mal  deux. 

2^  Ma  mere  cuit  le  pain  que  nous  avous  nuinge  la 
semaine  derniere. 

3*^  Ma  soeur  pleiire  ce  dont  eile  a  ri  Tannee  passee. 

Dans  le  conte  du  Tyrol  italieu,  un  enfant  dit  ä  un  seig- 
neur, a  qui  son  pere  doit  de  l'argent: 

1  ^  Je  vois  comnie  ils  ricaneut  et  comme  ils  sont. 

"i**  Mon  pere  et  alle  pour  boucher  un  trou  avec  un 
autre  trou. 

3**  Ma  mere  cuit  du  pain  deji!  mange. 

4''  Ma  soeur  pleure  les  joies  de  lannee  passee.  (Elle 
s'est  mariee  Tan  dernier  ave(t  un  mechant  qui  la  fait  souvent 
pleurer). 

Dans  le  conte  suisse,  un  enfant  dit  ä  un  seigneur:  Le 
pere  cuit  du  pain  deja  mange,  et  la  mere  fait  du  mauvais 
sur   mauvais    (c"est-ä-dire   (|u"elle    rapiece   des   vieux   habits). 

Pour  la  reponse  dans  le  conte  breton:  ,Mon  pere  est 
alle  a  la  (duisse  et  il  laissera  ce  qu'il  prendra,  et  rapportera 
a  la  maison  ce  quil  ne  prendra  pas,  et  pour  les  reponses 
paralleles  dans  le  conte  de  lAmienois  et  dans  le  conte  gas- 

*)  J'omets  deux  autres  occupations  de  la  mere  qui  ne  se  trouvent 
dans  aucun  des  autres  recits. 


154  2ur  Märcheiiforhchung. 

cou,  je  renvoie  le  lecteur  ä  la  preface  de  M.  Gaston  Paris  dans 
E.  Rolland,  Devinettes  ouEnigmes  populaires  de  la  France,  p.  XI. 

f)    Le  pain  change  en  une  tete  de  mort, 

(Yerhandliuigen  der  Berliner  Authropologisclien  Gesellschaft  ISiSO,  319. 
Anhang  der  Zeitschrift  fiir  Ethnologie  Bd.   18.) 

Herr  Bibliothekar  Dr.  Reinhold  Köhler  in  Weimar  be- 
richtet nnter  dein  '29.  April  über  zwei  Sagen  aus  der 
Bretagne. 

Zu  der  Mitteilung  des  Herrn  Prof.  F.  Blumentritt  in 
Leitmeritz  (Verh.  1S(S5,  S.  324  f.)  über  eine  philippinische 
und  eine  Madrider  Sage,  welche  von  der  wunderbaren  Ver- 
wandlung eines  Stückes  RindHeisch  oder  eines  Kalbskopfes  in 
das  blutige  Haupt  eines  Ermordeten  und  der  dadurch  er- 
folgten Entdeckung  des  Mörders  erzählen,  ist  zu  bemerken, 
dass  zwei  Sagen  desselben  Inhaltes  —  natürlich  in  ver- 
schiedener Einkleidung  —  auch  in  der  Bretagne  aufgezeichnet 
worden  sind.  Nach  der  einen  (F.  M.  Luzel,  Legendes  chreti- 
ennes  de  la  Basse -Bretagne.  Paris  issi.  11,  IST — 9H)  ver- 
wandelt sich  ein  Weissbrot,  welches  der  Mörder  sich  gekauft 
hat  und  in  einem  Sack  trägt,  in  das  blutende  Haupt  des  voir 
ihm  Ermordeten,  nach  der  anderen  (P.  Sebillot,  Traditions 
et  Superstitions  de  la  Haute -Bretagne.  Paris  1S(S2,  1,  2(55 
bis  Gß)  ist  es,  wie  in  der  Madrider  Sage,  ein  Kalbskopf,  der 
sich  in  das  Haupt  des  Ermordeten  verwandelt.  [Ebenso  bei 
J.  Manlius,  Locorum  comm.  collectanea  1562  p.  30S  =  Bütner, 
Epitome  bist.  1576  Bl.  29(5  b  =  Hondorff,  Promptucirium  ex- 
emplorum   1570,  1.  273b  =   159S,  2,   16Sb.l 

Es  sei  noch  erwähnt,  da  Herr  Prof.  Blumentritt  dies 
zu  erwähnen  unterlassen  hat,  dass  nach  der  Madrider  Sage 
(Biblioteca  de  las  tradiciones  populäres  espauolas,  Tom.  II, 
Sevilla  Ls84,  p.  1<S)  die  calle  de  la  Cabeza  von  diesem  Vor- 
falle ihren  Namen  haben  soll. 

[Zur  Vorgeschichte  dieses  Motivs  gehört  die  Sage  von 
Theodorich,  dem  das  Haupt  des  getöteten  Symmachus  auf 
einer  Schüssel  erschien:  vgl.  Oesterley  zu  Kirchhofs  Wendun- 
niut    (!.    174.      Als    einen    starken    Bühneneffekt    verwendete 


16.    Annierkuiigen   zu  Liizcl,  Contes  bretons.  155 

diesen  Zug  nicht  bloss  Halliiiaiui  iu  seinein  Tlieoduricus  1()S4 
8.  104,  sondern  schon  Herzog  Heinrich  dulius  von  Braun- 
schweig in  seiner  Tragödie  von  einem  nngeratenen  Sohn  1594 
Akt  6,  Sc.  9,  wo  von  dem  ruchlosen  Tyrannen  Nero,  während 
er  bei  Tafel  sitzt,  plötzlich  anf  drei  Schüsseln  die  Köpfe  seiner 
hingerichteten  Räte  erscheinen.  Am  Darmstädter  Hofe  wurde 
am  10.  März  1680  ein  Ballet  aufgeführt,  in  dem  acht  Bauern, 
die  gierig  über  eine  Pastete  herfallen  wollen,  darin  phitzlich 
ein  Menschenhaupt  entdecken.  Ans  HarsdÖrft'ers  Poetischem 
Trichter  2,  S'2  (1H48)  erfahren  wir,  dass  die  Vorführung  eines 
solchen  die  Angen  verdrehenden  Meuscheuhanptes,  wie  sie 
z.  B.  von  Cinthio  in  seiner  ürbecche,  von  Chortatzes  in  seiner 
griechischen  Erophile,  von  Meinius  in  seinem  Orontes  (1(53 1) 
bewerkstelligt  nnd  von  Rist  (Perseus  1634,  Vorrede)  und 
neuerdings  von  Panl  Heyse  (Merlin  1S92)  beschrieben  wird, 
zn  den  raffinierten  Bühnenküusten  der  italienischen  Tragödie 
16.  dahihuuderts  gehörte.  In  einer  arabischen  Erzählung,  die 
in  der  Revue  des  traditions  populaires  N,  '279  (lS9;i)  mit- 
geteilt ist,  verwandelt  sich  eine  Weintranbe.  die  der  Mörder 
dem  Könige  überreichen  will,  })lötzlirli  in  das  blutige  Haupt 
des  P^rschlagenen.     -I.   B.l 


17.   Ueber  J.  F.  Campbell's  Sammlung 
gälischer  Märchen. 

(Orient  iiiul  Orcident  2,  98      126.    294   -831.    486-506.    677     690.    1864.) 

Eine  Erscheinung  von  grösstein  Werte  für  die  Freunde 
der  Märchenlitteratur  ist  die  Sammlnng  von  Volksmärchen 
aus  den  westlichen  Hochlanden  Schottlands,  welche  d.  F. 
CampbelP)  im  -Jahre  ISIU)  veröffentlicht  hat  (Populär  tales 


')  [John  Francis  Campbell  ut  Islay,  geb.  1821,  starb  dcMi  17.  Febr. 
1885  zu  Cannes  (Ralston  im  Athenaeum  1885,  21.  Febr.  p.  250. 
Academy  1885,  151).  8ein  Portrait  findet  sich  vor  Mac  Innes'  Folk  and 
Hero  Tales  (1890)  und  J.  G.  Campbell,  The  Fians  (1891).  Eine  neue 
Auflage  seiner  Märciiensammlung  erschien  1890.  Ueber  seinen  hsl. 
^'aclilass  berichtet  Nutt  in  The   Folk-lore   1,  369  —  383  (1890).] 


]  56  Zur  Märchenforscliung. 

of  the  West  Highlands,  orally  collected,  witli  a  translation 
by  J.  F.  Campbell.  Vol.  I.  II.  Edinburgh:  Edmonston  and 
Donglas  1860).  Die  Sprache  der  Bewohner  der  westlichen 
Hochlande  und  der  benachbarten  Inseln,  der  Hebriden,  ist 
bekanntlich  die  gälische,  und  die  meisten  Märchen  sind  nicht 
nur  in  einer  —  wie  Campbell  versichert  —  sehr  treuen 
englischen  üebersetzung,  sondern  in  der  Ursprache  selbst 
mitgetheilt. 

Die  Märchen  sind  zum  grössten  Teile  1<S59  und  1<S60 
auf  Campbells  Anregung  und  in  seinem  Auftrag  von  Hector 
ürquhart,  AVildhüter  zu  Ardkinglas,  und  Hector  Mac  Lean, 
Schullehrer  zu  Ballygrant  auf  Islay,  gesammelt  und  gälisch 
aufgeschrieben  worden.  Andre  haben  andere  und  Campbell 
selbst  gesammelt.  Ueber  die  Art  des  Sammeins  und  über 
die  einzelnen  Erzähler  geben  die  Einleitung  und  die  Anmer- 
kungen zu  den  einzelnen  Märchen  genaue  und  anziehende 
Mitteilungen.  Im  Inhaltsverzeichnis  ist  zur  raschen  Ueber- 
sicht  bei  jedem  Märchen  angegeben,  wer  es  erzählt  und  wer 
es  aufgeschrieben  hat. 

Die  ausfülirliche,  etwas  breite  Einleitung  verbreitet  sich 
99  nach  I  den  erwälniten  Schilderungen  des  Sammeins  und  der 
Erzähler  S.  XXXIl  i\'.  über  die  in  den  westlichen  Hochlanden 
umlaufende  Volkstradition.  Diese  besteht  1.  ans  den  Ueber- 
lieferungen  über  die  alten  Feenes,  die  Helden  der  ossiani- 
schen  Dichtungen,  Ueberlieferungen,  die  mit  Fragmenten  in 
poetischer  F(irm  untermischt  sind,  l)ei  welcher  Gelegenheit 
der  Verfasser  sich  über  die  Ossianfrage  ausspricht;  '2.  aus 
Heldengeschichten,  auf  Irland  und  Scandinavien  bezüglich, 
ebenfalls  mit  Versen  untermischt:  8.  aus  Erzählungen  aus 
der  Geschichte  der  letzten  Jahrhunderte ;  4.  aus  Erzählungen, 
die  überall  und  zu  jeder  Zeit  geschehen  sein  können,  wie 
Nr.  19  und  20 :  5.  aus  Kindermärchen;  6.  aus  Rätseln:  7.  aus 
Sprichwörtern:  s.  aus  Volksliedern  aller  Art,  endlich  9.  aus 
den  Volksmärchen  (romantic  populär  tales),  aus  welchen  die 
vorliegende  Sammlung  hauptsächlich  besteht. 

Die  Aehnlichkeit  der  meisten  gälischen  Märchen  im  ganzen 
und   einzelnen    mit   denen    anderer  Viilker    konnte    dem  Ver- 


17.    Ueber  Campbells  Sanimluui;'  g-älisfhcr  .Märchen.  l')"] 

tasser  natürlich  niclit  eiitgeheu,  und  er  macht  in  der  Einlei- 
timg S.  XLV  tu",  darauf  aufmerksam.  Die  galisclien  Märchen 
sind  aber  —  erinnert  er  —  nicht  etwa  erst  in  neuerer  Zeit 
aus  Büchern  ins  Volk  gedrungen,  sondern  offenbar  sclion  seit 
langem  einheimisch  und  gehören  jetzt,  woher  sie  auch  immer 
stammen,  dem  Volke  wirklich  zu  eigen  (S.  LXIV),  stellen  sie 
doch  (S.  LXIX  ff.)  das  heutige  Leben  derer,  die  sie  erzählen, 
mit  grosser  Treue  dar.  Aber  auch  viele  Reste  alter  Sitten 
und  alten  Glaubens  sucht  Campbell  in  ihnen  nachzuweisen. 
Wir  folgen  ihm  in  diesen  oft  schlüpfrigen  und  unsichern 
Gängen  nicht  und  bemerken  nur,  dass,  wenn  auch  gelegent- 
lich ein  Märchen  Reste  aus  der  keltischen  Urzeit  enthält,  des- 
halb das  ganze  Märchen  als  solches  noch  keineswegs  in  jeuer 
Zeit  existiert  zu  haben  braucht. 

Wir  gehen  vielmehr  zu  den  einzelnen  Märchen  selbst 
über.  Ich  gebe  den  Inhalt  derselben  in  möglichst  gedrängten, 
aber  nichts  wesentliches  auslassenden  Auszügen  wieder,  be- 
sonders im  Interesse  derer,  denen  die  Sammlung  unzugäng- 
lich ist,  aber  auch  zur  bequemen  üebersicht  der  andern. 
Jedem  Märchen  füge  ich  dann  mehr  oder  weniger  ausführ- 
lichere Nachweise  verwandter  Märchen  anderer  Völker  nebst 
sonstigen  nötigen  Bemerkungen  bei.  Auch  Campbell  hat  in 
den  Anmerkungen  auf  manche  verwandte  Märchen  hingewiesen, 
doch  gesteht  er  selbst  mit  grosser  Bescheidenheit  in  der  Ein- 
leitung S.  L:  but  this  part  of  the  \  subject  is  a  study  and  loo 
requires  time  to  knowledge  which  I  do  not  possess.  Er  kennt 
hauptsächlich  nur  Asbjörnsen's  und  Moe's  norwegische  Mär- 
chen in  der  englischen  Uebersetzung  von  G.  W.  Dasent,  der 
eine  lesenswerte  Einleitung  dazu  geschrieben  und  einen  An- 
hang afrikanischer  Märchen  beigefügt,  aber  die  norwegischen 
Varianten  der  Märchen  und  die  äusserst  schätzbaren  Anmer- 
kungen nicht  mit  übersetzt  hat,  die  deutschen  Märchen  der 
Brüder  Grimm  und  Andersen's  dänische  Märchen,  und  auch 
diese  hat  er  nicht  gehörig  ausgebeutet. 

Auch  zu  meinen  Nachw-eiseu  werden  sich  manche  Nach- 
träge liefern  lassen.  Vor  allem  bedaure  ich,  dass  mir  einige 
dänische  Märchensammlungen  zur  Zeit  nicht  zu  (iebote  standen 


J58  Zur  Märclienforscliung. 

und  dass  von  den  Mär(3hen  in  einigen  slavischen  unci  in  der 
finnischen  Sprache  nur  wenige  übersetzt  und  sona^di  mir  zu- 
gänglich sind. 

1.  Die  Seele  des  Kiesen  M- 

Ein  König  gewinnt  im  Spiele  mit  einem  Gruagach  (eine 
Art  dämonischer  Wesen)  und  fordert  auf  Rat  seines  Weis- 
sagers seine  Tochter,  die  hässlich  scheint,  aber  dann  schön 
wird  und  die  er  heiratet.  Auf  ihren  Rat  fordert  er  beim 
nächsten  Spiel  als  Gewinn  ein  unscheinbares,  aber  wunder- 
schnelles, redendes  Pferd.  Beim  dritten  Spiel  aber  gewinnt 
der  Gruagach  und  fordert,  dass  ihm  der  König  das  Licht- 
schwert des  Königs  der  Eichenfenster  schaffe.  Mit  Hilfe 
seines  Rosses  erlangt  der  König  nicht  nur  das  Schwert,  son- 
dern auch  ein  zweites  Wunderross,  den  Bruder  des  andern. 
Mit  dem  S('hwert  tötet  er  dann  den  Gruagach,  der  nnr  durch 
dieses  und  nur  an  einer  Stelle  des  Köri)ers  zu  töten  ist.  In- 
zwischen hat  ein  Riese  seine  Frau  und  die  beiden  Rosse  ent- 
führt. Kr  zieht  ihnen  nach  und  erhält  unterwegs  Nachricht, 
Speise  und  Hilfsversprechungen  von  einem  Hunde,  einem 
Habi(dit  und  einer  Otter.  Er  kommt  in  die  Höhle  des  Riesen 
und  wird  von  seiner  Frau  verborgen.  Durch  dreimaliges 
listiges  Fragen  erfährt  sie  vom  Riesen,  dass  seine  Seele  in 
101  einem  Ei  in  einer  Ente  in  einem  Widder  unter  ei-juem 
Steine  unter  der  Schwelle  ist.  Sie  öffnen  den  Stein  und 
kommen  mit  Hilfe  jener  drei  Tiere  endlich  in  den  Besitz  des 
Eies,  durch  dessen  Zerdrückung  sie  den  Kiesen  töten. 

In  einer  zweiten  Version  ist  der  Held  kein  König, 
sondern  einfach  —  wie  in  so  vielen  gälischeu  Märchen  — 
der  Sohn  einer  Witwe.  Das  gewonnene  Mädchen  und  Ross 
sind  ein  nnd  dasselbe,  indem  das  Ross  plötzlich  das  schönste 
Mädchen  wird.  Die  drei  helfenden  Tiere  verwandeln  sich  in 
Menschen  und  reden  so  mit  dem  Sohne  der  Witwe.  Das 
Leben  des   Riesen   ist  in  einem    Birkhuhn   in   einem   Luchse 


1)  Von    Campbell    überschrieben:    Der   junge    König   von    Easaidh 
ruadh. 


17.    Ueber  ("ainpbells  SammUiiii;-  ^älisclicr  ^lärclieii.  ]  ,")<) 

in  einem  Hasen  in  einer  Kiclie.  [Mac  Innes,  Fulk  and  Hero 
Tales  1S90  p.  455  zu  no.  -t,  Jacobs,  More  celtic  fairy  tales 
1H94  no.  U.] 

Der  Kern  des  Märchens  ist  die  Hilfe  der  drei  Tiere  — 
die.  was  hier  freilich  nicht  gesagt  ist,  für  irgend  eine  Wohl- 
that  (hinkhar  sein  iiiiissten  —  durch  wehdie  die  in  verschiedenen 
in  einander  eingeschachtelten  Gegenständen  verborgene 
Seele    des  Riesen   und  (hidurch   sein  Leben    vernichtet  wird. 

In  dem  unten  näher  zu  besprechenden  gälischen  Märchen 
Nr.  4  von  der  Seejungfrau  ist  die  Seele  der  Seejungfran  eben- 
falls in  verschiedenen  in  einander  gescliachtelten  (legenständen 
(in  einem  Ei  in  einer  Forelle  in  einer  Krähe  in  einer  Hinde 
oder  in  einem  Ei  in  einer  Gans  in  einem  Widder  in  einem 
Ochsen,  oder  in  einem  Ei  in  einer  Taube  in  einem  Baume)  ver- 
borgen und  wird  mit  Hilfe  dankbarer  Tiere  vernichtet. 

Campbell  vergleicht  mit  Recht  das  norwegische  Märchen 
vom  , Riesen,  der  kein  Herz  im  Leibe  hatte',  Asbjörnsen  und 
Moe  Xorske  Folkeeventyr  (2.  Ausgabe)  Nr.  36,  wo  Rabe, 
Lachs  und  Wolf  die  Tiere  sind  und  das  Herz  des  Riesen  in 
einem  Ei  in  einer  Ente  in  einem  Brunnen  in  einer  Kirche 
ist.  In  anderen  norwegischen  Varianten  sind  die  Tiere: 
Löwe,  Falke,  Rabe.  Ameise:  das  Herz  ist  in  einer  Maus  in 
einer  Ente  im  grossen  Wasser,  oder  in  einem  Hasen  im  Tier- 
garten. Sehr  nah  steht  das  deutsche  Märchen  bei  Müllenhoff 
S.  404  vom  „Manne  ohne  Herz",  wo  Ochse.  Schwein,  Greif 
helfen,  und  das  Herz  in  einem  \'()gel  in  einer  Kirche  in 
einem  Graben  ist  ^).  In  dem  siebenbürgischen  bei  Haltrich 
Nr.  3o  helfen  Adler.  Löwe  und  ein  Fisch,  und  das  Leben 
einer  Hexe,  die  ihr  Geheimnis  selbst  |  prahlerul  verrät,  ist  an  102 
ein  Licht  in  einem  Ei  in  einer  Ente  in  einem  Teiche  in 
einem  Berg  geknüpft.  Mehr  weicht  im  (ianzen  ab  das 
deutsche  Märchen  bei  Wolf  deutsche  Märchen  Nr.  20  vom 
Ohneseele,  wo  die  Tiere:  Fliege,  Adler,  Bär  und  Löwe  sind 
und  die  Seele  in  einem  Kistchen  in  einem  Felsen  in  einem 
See  ist. 


')  Müllenhott"  erklärt   ein    dänisches  Märchen    bei  Winther   danske 
Folkeeventyr  I,  91   für  sehr  ähnlich,  das  ich  nicht  vergleichen  kann. 


160  2iii"  Märchenforsc'hung. 

In  einem  russisclien  Märchen  (Dietrich  Nr,  2)  ist  Kascht- 
schei's  Leben  an  ein  VA  in  einer  Ente  in  einem  Hasen  in 
einem  Körbchen  in  einem  Kästchen  in  einer  Eiche  anf  einer 
Insel  im  Meer  geknüpft,  nnd  eine  gefangene  Zarentochter 
entlockt  das  Geheimnis  durch  List.  Sonst  ist  das  Märchen 
sehr  entstellt,  namentlich  fehlen  die  helfenden  dankbaren 
Tiere,  nur  ein  Zauberross  ist  geblieben.  Ebenso  ist  vielfach 
geändert  das  deutsche  Märchen  bei  Pröhle  Kindermärcheu 
Nr.  6,  wo  ein  Prinz  nur  dadurch  erlöst  werden  kann,  dass 
ein  Riese  getötet  wird,  aus  dessen  Leibe  ein  Hase  springen 
wird,  aus  dem  eine  Taube,  daraus  ein  Ei,  das  zerdrückt 
werden  muss.  Die  Tiere  sind:  Löwe,  Hund,  Rabe,  Ameise. 
Vielfach  abweichend  und  entstellt  ist  auch  das  Märchen 
Nr.  "22  bei  Curtze  Volksüberlieferungen  aus  Waldeck,  wo  die 
Seele  eines  in  einen  Zwerg  verzauberten  Prinzen  in  einem 
Ei  in  einer  Ente  in  einem  Teiche  jenseit  des  roten  Meeres 
ist.  Wenn  ihm  dies  Ei  verschafft  wird,  wird  er  erlöst.  Ein 
Prinz  erlangt  das  Ei,  wobei  ihm  ein  Fisch,  ein  Vogel  und 
zwei  Riesen  helfen.  Entfernt  gehören  auch  hierher  die 
Märchen  „von  der  Krystallkugel"  bei  Grimm  Nr.  197  und 
von  den  „drei  Schwestern''  bei  Musäus.  Das  Märchen  von 
Straparola  aber  „das  Zauberpferd"  (Schmidt  S.  1),  was 
Asbjörnsen  in  den  Anmerkungen  vergleicht^  gehört  eigentlich 
nicht  hierher,  da  in  demselben  nur  dankbare  Tiere  vorkommen, 
nichts  aber  von  dem  an  einen  bestimmten  Gegenstand  ge- 
knüpften Tode  eines  Wesen.  Die  Tiere  helfen  übrigens  in 
den  verschiedenen  Märchen  teils  in  eigener  Person,  teils  da- 
durch, dass  ihr  Schützling  die  Fähigkeit  erlangt,  sich  in  sie 
zu  verwandeln. 

Die  Bemerkung  Campbell's  S.  23  aus  der  ägyptischen 
Mythologie  ist  überflüssig;  wohl  aber  darf  ich  an  das  merk- 
würdige alte  ägyptische  Märchen  von  den  beiden  Brüdern  er- 
innern, welches  Mannhardt  in  der  Zeitschrift  für  deutsche 
Mythologie  und  Sittenkunde  4,  232  ff.  mitgeteilt  und  er- 
läutert hat  [Cosquin  1.  LVII.].  In  diesem  Märchen  kommt 
103  vor,  dass  das  Herz  Satu's,  des  einen  |  der  Brüder,  in  einer 
Akazienblüte  verborgen   wird   und  Satu   sterben   muss,    wenn 


17.     Ueber  Canipliolls  Saniiiihing  gälisclier  Märchen.  \{\l 

der  Baum  gefällt  wird  und  das^  Herz  zur  Erde  fällt.  Satu's 
treulose  Frau  verrät  ihrem  Geliebten,  dem  Könige,  das  Ge- 
heimnis, der  Baum  wird  umgehauen  und  Satu  stirbt.  Satu's 
Bruder  tiinlot  al)er  s[)äter  das  Herz  und  l)elel)t  dadurch  seinen 
Bruder  wieder. 

Auch  die  Seelen  mongolischer  und  tatarischer  Helden 
sind  zuweilen  in  gewissen  Gegenständen  verborgen,  vgl.  die 
Nachweise  in  A.  Schiefner"s  Heldensagen  der  Minussinsehen 
Tataren  S.  XXV  f.     [Radioff  3,  669.     4,88.     505.J 

[Ceber  die  verborgene  Seele  des  Riesen  vgl.  Gonzen- 
baeh  no.  16,  Cosquin  1.  173.  Leskien-Brugman  no.  20,  Folk- 
lore Journal  2,  290,  Mac  Innes  p.  4.57,  Cox.  Cinderella  1893 
p.  4S9.  —  Peter  2,  149,  Jahn  1.  34S.  Joos  2,  no.  1:  3. 
no.  29.  Mont-Cock  no.  1.  Landschoot  p.  54,  Du  Meril 
p.  474,  Sebillot  1,  63  no.  9;  2,  131  no.  24,  Luzel  1,  427. 
Cerquand  4,  62.  67.  72,  Webster  p.  S2,  Bnsk.  Folklore  of 
Ronie  p.  16S  f,  Titre  no.  Sl  Var.  und  <S2,  Imbriani  p.  10. 
194,  Comparetti  no.  2.  De  Nino  no.  20,  Finamore  no.  19. 
Viseutini  no.  37,  Andrews  no.  46.  Sabatini,  La  lanteriia  p.  17. 
AVessebtfsky,  Le  tradizioni  pop.  nei  poemi  d"  A.  Pucci  p.  10, 
Braga  no.  8,  Coelho,  Contos  nac.  no.  IS,  Säinenu  p.  669, 
Wenzig  p.  190,  Chodzko  p.  218,  Pcdivka.  Zs.  f.  österr.  Volksk. 
2,  188  no.  4,  Archiv  f.  slav.  Phil.  19,  241  nb.  2.  Gaudy. 
Werke  16,  ,50  (1S44:  Die  selbstspielende  Harfe.  Russisch), 
Ralston  p.  100.  l(),s.  113,  Brueyre  p.  81.  Janson  no.  10. 
Bondeson,  Sv.  Folks.  no.  22,  Berntsen  1,  no.  10.  29,  Germ. 
15,  174  =  Poestion,  Läpp.  M.  no.  20,  Gott.  gel.  Anz.  1.S72. 
1509,  Kletke  2.  IS.  Frere,  Cid  Dekkan  Days  no.  1,  Stokes 
p.  260.  Hutli,  Zs.  f.  vergl.  Littgesch.  3,  330.  Baissae  p.  37S 
no.  -lii.] 

'2.   Die  vergessene  Braut  ^). 

Ein  Königssohn  will  die  Schlacht  der  Tiere  und  Vögel 
sehen.  Aber  er  kommt  zu  spät  und  findet  nur  noch  einen 
Raben  und  eine  Schlange  kämpfend.     Er  tötet  die  Schlange. 


*)  Bei    Campbell:     die    Öchlaeht    der    Vogel.       [Fuelis    und    .Storeli: 
Berntsen  1,  Nr.  25,  Maspons  1,  Xr.  9  und  19.] 

R.  Kohl  er,  Kl.  Schriften.  I.  11 


\{]'2  Zur  MRrclienforscliimg. 

Der  Rabe  trägt  ihn  über  7  Hügel  und  7  Tliäler  und  7  Sümpfe 
zu  seinen  Schwestern,  erscheint  ihm  am  dritten  Morgen  als 
erlöster  Jüngling  und  beschenkt  ihn  mit  einem  Bündel,  das 
er  nicht  eher  öffnen  soll,  als  bis  er  da  angekommen  sei,  wo 
er  wünsche.  [Zs.  f.  d.  Alt.  29,  445,  Kremnitz  S.  162.  Ralston 
S.  124.]  Der  Königssohn  macht  sich  auf  den  Rückweg.  Unter- 
wegs öffnet  er  do(th  das  Bündel,  und  plötzlich  steht  ein  Schloss 
vor  ihm.  Er  bedauert  nun  das  Bündel  nicht  erst  in  der 
Nähe  des  Schlosses  seines  Vaters  geöffnet  zu  haben.  Da  er- 
scheint ein  Riese  und  verspricht  ihm  das  Schloss  wieder  in 
das  Bündel  zu  stecken,  wenn  er  ihm  seinen  ersten  Sohn,  so- 
bald er  sieben  Jahre  alt,  verspreche.  Der  Königssohn  ver- 
spricht dies,  und  alsbald  ist  das  Schloss  verschwunden,  das 
Bündel  wieder  gepackt.  Nun  geht  der  Königssohn  bis  zu  der 
Stelle  seiner  Heimat,  die  er  am  liebsten  hat,  und  öffnet  da 
das  Bündel.  Sogleich  steht  ein  Schloss  da,  und  in  der  Thür 
erscheint  ein  schönes  Mädchen,  mit  dem  er  sich  verniälilt. 
Nach  7  Jahren  erscheint  aber  der  Riese  und  verlangt  ihren 
Sdhn.  Die  Königin  sucht  vergeblich  die  Söhne  des  Kochs 
und  des  Mundschenken  unterzuschieben,  endlich  muss  sie 
ihren  Sohn  wirklich  ausliefern.  Der  Knabe  bleibt  lange  beim 
104  Riesen  und  dieser  bietet  ihm  endlicli  eine  seiner  bei-jden 
ältesten  Töchter  an,  der  Königssidm  aber  verlangt  die  dritte 
jüngste,  die  ilim  wohl  will.  Da  gibt  ihm  der  Riese  auf, 
seinen  Kuhstall,  der  7  Jahre  nicht  gereinigt  war,  in  einem. 
Tage  zu  reinigen,  denselben  zu  decken  mit  den  F'edern  von 
Vögeln,  die  nicht  zwei  gleichfarbige  Federn  haben,  und  end- 
lich fünf  Elsterneier  aus  einem  Nest  von  einer  500  Fuss 
holien  Eiche  zu  holen.  Mit  Hilfe  der  Riesentochter  verrichtet 
der  Königssohn  die  Aufgaben.  Bei  der  letzten  derselben 
macht  ihm  die  Riesin  eine  Leiter  aus  ihren  Fingern  und  büsst 
dabei  den  kleinen  Finger  ein.  Der  Riese  lässt  nun  den 
Königssohn  eine  der  drei  Töchter  wählen,  die  ihm  ununter- 
scheidbar  gewesen  wären,  wenn  er  nicht  die  rechte  an  dem 
Fehlen  des  kleinen  Fingers  erkannt  hätte.  F^s  wird  Hochzeit 
gehalten.  Sie  legen  sich  ;iber  nicht  schlafen,  sondern  die 
Braut  fordert  den  Königssohn  auf.  vor  dem  erzürnten  Riesen 


17.    UeUer  Caiii])bclls  Saimiiluiiu-  oälisclier  Märclicii.  l{y,\ 

ZU  Hiehen.  Vorher  zerschneidet  sie  einen  Apfel  in  i)  Teile, 
zwei  legt  sie  zu  Häupten  des  Bettes,  zwei  zu  Füssen,  zwei 
an  die  Küchentliür,  zwei  an  das  Thor  und  einen  vor  das  Haus. 
Der  Riese  ruft  aus  seinem  I5ett  „Schlaft  ihr?''  da  antworten 
die  Stücke  „Noch  nicht."  Kndlicli  untersucht  er  das  Bett, 
findet  es  leer  und  setzt  den  Fliehenden  nach.  Diese  sind 
anf  einem  grauen  Pferd  entlicdien.  Als  die  Riesentochter  den 
brennenden  Atem  ihres  Vaters  fühlt,  lässt  sie  den  Königs- 
solin  in  das  Ohr  des  Pferdes  greifen  und,  was  er  da  finde, 
rückwärts  werfen.  Er  findet  einen  Schlehenzweig,  ans  dem 
ein  schwarzer  Dornenwald  entsteht,  der  den  Riesen  aufhält. 
Als  der  Riese  aber  dennoch  zum  zweitenmale  nahe  ist, 
findet  sich  im  Ohr  des  Pferdes  ein  Stein,  ans  dem  ein  grosser 
langer  Fels  entsteht.  Aber  auch  ihn  durchbricht  endlich  der 
Riese.  Da  findet  der  Königssohn  eine  Wasserblase  im  Pferde- 
ohr und  wirft  sie  rückwärts.  Ein  grosser  See  entsteht,  in 
dem  der  Riese  ertrinkt.  Das  Braut})aar  kommt  am  nächsten 
Tage  in  die  Mibe  des  Schlosses  des  Königs.  Die  Braut 
schickt  den  Bräutigam  voraus,  sie  zu  melden,  warnt  ihn  aber, 
sich  von  niemand  küssen  zu  lassen,  da  er  sie  sonst  vergessen 
werde.  Er  verbittet  sich  den  Kuss  der  Eltern,  aber  ein 
altes  Wimlspiel  s})riugt  an  ihm  empor  und  küsst  ihn,  worauf 
er  alsbald  die  Riesentochter  vergisst.  Diese  birgt  sich  eine 
Zeit  lang  im  AVald.  (hmn  wird  sie  von  einem  Schuhmacher 
entdeckt  und  lel)t  in  dessen  Hause.  Drei  Ibn'rn  vom  Hofe 
verfolgen  sie  mit  ihrer  Liebe,  aber  in  der  |  Nacht,  die  sie  i05 
bei  ihr  zubringen  wollen,  zaultert  sie  dieselben  fest.  |(ionzen- 
bach  no.  55,  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  <;.  ICH.  (iittee  p.  14.  Rua, 
Novelle  del  Mambriano  188<S  p.  S!).|  Inzwischen  hat  sich  der 
Krmigssohn  eine  andere  Braut  ersehen,  uiul  es  soll  Hochzeit 
sein.  Die  Riesentochter  verschafft  sich  durch  den  Schuh- 
macher Eintritt  im  Palast,  uinl  man  bietet  der  schönen  Frau 
zu  trinken.  Eine  goldene  und  eine  silberne  Taube  fliegen 
aus  dem  Becher  empor.  Drei  Gerstenkörner  fallen  auf  den 
Boden.  Die  goldene  Taube  frisst  sie.  aber  die  sill)erne  sagt: 
„Dächtest  du  daran,  wie  ich  den  Rinderstall  reinigte,  du  gäbst 
mir  auch  ein  Teil!"   Wieder  fallen  drei  Körner.    Die  goldene 

11* 


\Q4:  Zur  Märclienfürrtchuiig. 

Taube  frisst  sie,  aber  die  silberne  sagt:  „Dächtest  du  daran, 
wie  ich  den  Rinderstall  deckte,  du  gäbst  mir  auch  ein  Teil!" 
und  zum  drittenmal  sagt  sie:  „Dächtest  du  daran,  wie  ich 
das  Elsternest  holte,  du  gäbst  mir  auch  ein  Teil!  Damals  ver- 
lor ich  meinen  kleinen  Finger  und  er  fehlt  mir  noch!"  Da 
erwachte  das  Gedächtnis  des  Königssohiis,  er  eilt  auf  sie  zu, 
küsst  sie  und  hält  Hochzeit  mit  ihr. 

Campbell  teilt  mehrere  gälische  Varianten  im  Auszuge 
mit,  von  denen  ich  einige  anführe. 

In  einer  Version  ist  der  Sohn  der  Witwe  der  Held.  Er 
dient  bei  einem  Riesen.  Die  Aufgaben  sind  bis  auf  die  dritte 
dieselben;  die  dritte  nämlich  ist:  er  muss  ein  wunderbares 
Ross  holen.  Die  Rolle  der  9  Apfelstücke  spielen  (i  Kuchen. 
Der  verfolgende  Riese  wird  von  der  Tochter  getötet,  indem  sie 
einen  goldenen  Apfel  au  die  einzige  Stelle  wirft,  wo  er  ver- 
wundbar ist.  Als  das  Paar  in  eiue  grosse  Stadt  kommt,  warnt 
das  Mädchen  den  Sohn  der  Witwe  vor  einem  Kuss.  Auch 
hier  küsst  ihn  ein  Huiul.  Der  Jüngling  tritt  in  des  Königs 
Dienst  und  soll  endlich  die  Prinzessiu  heiraten.  Die  Riesen- 
tochter hat  inzwischen  bei  einem  Schmied  gelebt.  Als  die 
Hochzeit  im  Schloss  sein  soll,  verschatit't  sie  sich  Zutritt  und 
stellt  vor  den  Bräutigam  einen  goldenen  Hahn  und  eine 
silberne  Henne,  denen  sie  (ierste  vorwirft.  Das  weitere 
wie  oben. 

Eine  andere  Version  beginnt  mit  der  Schlacht  der  Tiere, 
ist  übrigens  sehr  entstellt,  stimmt  aber  in  den  Hauptteilen 
mit  der  vorigen  Fassung.  Besonders  hervorzuheben  ist  fol- 
gendes: Die  Riesentochter  legt  bei  der  Flucht  drei  Aepfel 
rings  um  das  Haus,  einen  vierten,  in  dem  das  Herz  des 
Riesen  ist,  nimmt  sie  mit  sich  und  lässt  ihn  unterwegs  von 
dem  Pferde  zertreten. 

Eine  dritte  Version  steht  der  ersten  Fassung  sehr  nahe, 
I0(i  ja  ist  in  |  einigen  Einzelheiten  iioch  besser.  Auch  sie  beginnt 
mit  der  Schlacht  der  Tiere,  von  der  nur  eine  Schlange  und 
ein  Rabe  übrig  geblieben.  Der  Rabe  wird  von  dem  Königs- 
sohn befreit,  später  erlöst,  wofür  er  ihm  wie  in  der  zweiten 
Version,  ein  Buch  schenkt,  das  er  öft'nen  soll,  wenn  er  seines 


17.    Ueber  Camiibell^  Sniiiiii!iiiig  gälisclier  ]\Iärclien.  1Gb 

Vaters  Haus  sehen  will,  aber  nur  auf  einem  Hügel.  Er  (iffnet 
es  aber  in  einem  Thale,  und  sieht  seines  Vaters  Haus  in 
Torfmoor  versenkt  und  uuzugrniglicli.  Ein  Riese  versetzt  das 
Haus  wieder  an  seine  Stelle,  lässt  sich  aber  den  ersten  Sohn 
versprechen.  Es  folgen  auch  hier  die  Versuche  der  Mutter, 
den  Riesen  durch  Uebergabe  anderer  Kinder  anzuführen. 
Aber  der  Riese,  indem  er  ihnen  eine  Ruthe  zeigt  und  fragt, 
was  ihre  Väter  damit  machen  würden,  erkennt  aus  den  Ant- 
worten den  Betrug,  wie  in  der  ersten  Fassung.  Eigen  ist  dieser 
Fassung,  dass  er  auch  den  echten  Sohn  des  Königs  fragt  und 
durch  dessen  Antwort,  sein  Vater  hätte  eine  bessere  Ruthe 
und  würde  sich  mit  ihr  auf  seinen  Thron  setzen,  befriedigt 
wird.  Dann  folgt  das  Fegen  und  Bedachen  des  Stalles  und 
das  Holen  eines  wunderbaren  Pferdes  mit  Hilfe  der  braunen 
Marie,  der  Riesentochter,  sowie  beider  Flucht.  Vorher  legt 
sie  Bänke  in  ihr  und  des  Königs  Bett,  die  später  der  Riese 
zerschlägt;  sie  spuckt  an  drei  Stellen,  und  der  Speichel  ant- 
wortet dtinn  dem  Riesen.  Endlich  legt  sie  zwei  Aepfel  über 
des  Riesen  Bett,  die,  wenn  er  aufwacht,  auf  ihn  fallen  und 
ihn  wieder  einschläfern.  Das  Folgende  ist  ziemlich  wie  in 
der  ersten  Fassung.  Der  Schluss  mit  dem  goldenen  Hahn 
und  der  silbernen  Henne  wie  in  der  ersten  Variante. 

Endlich  dürfen  wir  eine  Variante  nicht  übersehen,  die 
folgenden  Inlialts  ist.  Ein  Burscdie  spielt  mit  einem  Hunde 
Karten,  verliert  und  muss  ihm  deshalb  dienen.  [Pröhle  no.  8, 
Wolf.  Hausm.  S.  •2<S(),  Schneller  no.  27,  Maspons  1,  no.  9, 
Bibl.  de  las  trad.  pop.  esp.  1,  IST.  Romero  no.  22.]  Drei 
Aufgaben  (Reinigen  des  Stalles,  Fangen  des  Pferdes,  Aus- 
nehmen des  Nestes)  führt  er  mit  Hilfe  der  Tochter  des 
Hundes  aus.  Das  Mädchen  schneidet  sich  die  Fusszehen  ab, 
damit  er  sie  an  den  Biium  setzen  und  an  ihnen  hinaufklet- 
tern kann.  Der  Bursche  lässt  aber  eine  oben  an  dem  Baum, 
und  nun  muss  das  Mädchen,  das  sich  die  anderen  Zehen 
wieder  ansetzt,  fürchten,  dass  ihr  Vater,  der  ihr  täglich  die 
Füsse  wäscht,  an  dem  Fehlen  der  Zehe  merkt,  dass  sie  dem 
Jüngling  geholfen  habe.  Sie  Üieheu  daher  auf  dem  Rosse. 
Der   Hund  verfolgt   sie.    wird    aber    durch    einen    Wald   und 


16ß  Zur  Märeheiit'(ir:sfhung. 

Strom  aufgehalten.  In  der  Heimat  vergisst  der  Jüngling  | 
107  (las  Mädchen,  weil  er  gegen  das  Verbot  mit  seiner  Mutter 
spricht.  Nach  einiger  Zeit  will  er  heiraten,  aber  bei  der 
Trauung  erscheint  plötzlich  der  Hund  und  bringt  einen 
früheren  Bräutigam  der  neuen  Braut  und  seine  Tochter,  die 
vergessene  Braut.  Beide  Paare  lassen  sich  nach  dem  alten 
Versprechen  trauen. 

Diese  Fassung  muss  auch  in  Irland  bekannt  gewesen 
sein,  wenigstens  stimmt  die  Erzählung  William  Carletons  ,die 
drei  Aufgaben'  (Traits  and  stories  of  the  Irish  peasantry,  5th 
ed.,  1  S.  2;^)  sehr  genau  mit  ihr  überein.  Nur  dient  der 
düngling  dort  hei  einem  schwarzen  Herrn,  der  das  schöne 
Mädchen  gefangen  hält  und  heiraten  will.  Der  Hund  aber 
ist  ihr  verzauberter  Bruder  und  wird  zuletzt  erlöst.  Auf  der 
Flucht  niuss  der  Jüngling  dreimal  in  das  rechte  Ohr  des 
Pferdes  greifen  und  das,  was  er  findet,  über  die  linke  Schulter 
werfen.  Er  findet  ein  Reis,  einen  Kieselstein,  einen  Wasser- 
tropfeu,  daraus  entsteht  ein  Wald,  Fels,  See.  Der  Jüngling 
vergisst  dann  das  Mädchen,  weil  sein  Hund  ihn  küsst.  Seine 
F^rinnerung  kommt  wieder,  als  bei  der  beabsichtigten  Trauung 
mit  einer  andern  der  verzauberte  Bruder  des  vergessenen 
Mädchens  als  Hund  erscheint  und  seine   Lippen   berührt. 

Campbell  hat  diese  Erzählung  Carletons  nicht  gekannt, 
doch  vermutet  er  S.  (i'i,  dass  das  Märchen  auch  in  Irland 
bekannt  sei.     [Kennedy  p.  öü.] 

Betrachten  wir  all  diese  Versionen,  so  fiinlen  wir,  wenn 
wir  von  dem  mit  dem  übrigen  in  keinem  rechten  Zusammen- 
hange stehenden  Anfange  einiger  Versionen  von  der  Schlacht 
der  Tiere  und  dem  verzauberten  Raben  absehen,  als  Kern 
aller:  die  Lösung  schwieriger  Aufgaben  mit  Hilfe  der  Ge- 
liebten, eine  wundersame  Flucht  der  Liebenden,  das  Ver- 
gessen der  (Teliebten  von  Seiten  des  Jünglings,  meist  ver- 
anlasst durch  einen  Kuss.  den  er  vermeiden  sollte,  und  die 
endlich  dnr'-h  die  Geliebte  wieder  erweckte  Erinnerung 
desselben,  und  die   Vereinigung  beider. 

Dieser  Märchenstoff  ist  vielfach  behandelt  worden.  Ich 
vergleiche    zunächst,    was    aiicli    Campbell    thut.     das    nor- 


17.    Uohur  Ciuiipbells  Siuiimluiig'  giilis.L'her  Märchen.  1(^7 

wegische  Märchen  von  der  Meisterjungfrau  (Asbiiiniseii 
Nr.  4G).  Die  Aufgaben  stimmen  nur  zum  Teil  (Stanausniisten). 
An  die  Stelle  der  redenden  Apfelstücke  treten  Blutstropfen. 
Die  P>innerung  schwindet,  weil  der  Königssohn  gegen  das 
Verbot  zu  |  Hause  einen  Apfel  isst.  Die  Meisterjungfrau  hält  1^8 
drei  aufdringliche  Liebhaber  durch  Beschwörung  fern.  Durch 
einen  güldenen  Hahn  und  ein  goldenes  Huhn,  die  um  einen 
goldenen  Apfel  kämpfen,  erweckt  sie  die  Erinnerung  des 
K(inigss(»hnes. 

Asbjörnsen  fülirt  in  den  Anmerkungen  noch  7  norwegische 
Varianten  an,  die  in  manchen  Einzelheiten  den  keltischen 
n(»ch  näher  stehen.  In  der  einen  vergisst  der  Königssolm 
seine  Geliebte,  weil  er  sich  von  seiner  Schwester  hat  um- 
armen lassen.  In  derselben  muss  der  Königssohn  ein  Doru- 
reis.  einen  (Iranitstein  und  eine  Wasserflasche  auf  die  Flucht 
mitnehmen,  woraus  dann  eine  Dornenhecke,  ein  Berg  und 
ein  See  entsteht. 

Von  schwedischen  Märchen  gehört  hierher  das  vom 
Königssohn  und  Messeria  (Hylten  Cavallius  und  (i.  Stepheus 
Schwedische  Volkssagen  und  Märchen,  deutsch  von  Oberleitner 
S.  "iöö).  [Djurklou  S.  71,  Bondeson,  Sv.  Fs.  no.  77.  7S, 
Berntsen  1,  no.  25.]  Der  Köuigssohn  ist  vor  seiner  (!eburt 
von  seinen  Poltern  einer  Meerfrau  versprochen  und  muss  s})äter 
ihr  dienen.  Drei  schwere  Aufgaben,  deren  eine  auch  hier 
das  Ausmisten  eines  grossen  Stalles  ist,  führt  er  nur  durch 
Hilfe  der  Tochter  der  Meerfrau,  Messeria,  aus.  Dafür  ver- 
spricht ihm  die  Meerfrau  eine  ihrer  Töchter.  Alle  sind  in 
Tiere  verwandelt,  er  wählt  aber  richtig  Messeria,  die  ihm 
vorher  Merkmale  angegeben.  Nachdem  er  noch  eine  gefahr- 
volle Fahrt  hat  unternehmen  müssen,  die  er  wieder  mit 
Messerias  Hilfe  ausführt,  wird  die  Hochzeit  gehalten  und  das 
Paar  entlassen.  Die  Flucht  fehlt  also  hier.  Das  VergesseiL 
erfolgt  dann,  weil  der  Prinz  gegen  das  Verbot  seiner  (iattin 
zu  Hause  ein  Pfefferkorn  geniesst.  Die  vergessene  Gattin 
verdingt  sich  im  Schloss  als  Magd  und  ruft  seine  Erinnerung 
wieder  wach,  als  er  von  neuem  Hochzeit  halten  will,  durch 
zwei   Tauben,    von    denen    das    Männchen   die    hingestreuten 


168  Zur  Märchenforseluiiig. 

Gerstenköruer  allein  frisst,  und  die  dabei  von  der  Taube  ge- 
sprochenen Worte. 

Das  Märchen  aus  Schonen  vom  Königssohn  und  Siugorra 
(Cavallius  S.  -27-1:)  stimmt  insofern  noch  mehr  zu  den  gälischen, 
•  als  hier  auch  die  Flucht  der  Liebenden  vorkommt.  An  die 
Stelle  der  redenden  x\pfelstücke  treten  drei  Lappenducken, 
die  Siugorra  mit  Blut  ihres  linken  kleinen  Fingers  bestreicht. 
Auf  der  Flucht  aber  werden  sie  nicht  von  der  Meerfrau  selbst, 
sondern  von  ihrem  Knecht  verfolgt  und  retten  sich,  indem 
Siugorra  sich  und  ihren  (ieliebten  erst  in  Ratten,  dann  in 
loy  Vögel,  dann  |  in  Bäume  verwandelt,  bis  sie  aus  ihrem  Bereich 
sind.  Der  Prinz  vergisst  seine  Braut,  weil  er  den  Hunden 
in  seines  Vaters  Hofe  ,,Huss.  Hiiss!"  zuruft,  obwohl  seine 
Braut  ihm  verboten,  mit  irgend  einem  lebenden  Wesen  zu 
sprechen.  Singorra  lebt  dann  bei  einem  alten  blinden  Mann 
und  wird  von  drei  Hoflierren  verfolgt.  Bei  der  Hochzeit  des 
Prinzen  lässt  sie  im  Saale  drei  Vögel  Hiegen,  zwei  haben 
(ioldkörner  im  Munde  und  sagen  zum  dritten:  „Du  hast  dein 
(ioldkoni  vergessen,  wie  der  Königssohn  Siugorra  vergass!'' 
Hervorzuheben  ist  endlich  noch,  dass  in  diesem  schwedischen 
Märciien  auch  der  Zug,  der  in  einigen  gälischen  Fassungen 
(S.  'A-i  und  5())  vorkommt,  erscheint,  dass  nämlich  die  ver- 
gessene Braut  sich  auf  einen  Baum  an  einem  Brunnen  setzt 
und  vorübergehende  Frauen  ihr  schönes  Spiegelbild  für  ihr 
eignes  halten  und  eitel  werden  und  ihre  gewöhnliclie  Arbeit 
nicht  mehr  thun  wollen.  —  In  einem  dritten  schwedischen 
Märchen  (Cavallius  S.  H78)  bringt  die  verlassene  (Jeliebte 
einen  Korb  mit  Tauben.  Als  der  Tauber  bald  die,  bald 
jene  Taube  schnäbelt,  ruft  sie:  So  treu  war  Flod  gegen 
Flodina. 

hl  einer  vierten  schwedischen  Version  (Cavallius  S.  ;}7<s) 
muss  der  Speichel  reden.  Auf  der  Flucht  werden  ein  Stein, 
eine  Bürste  und  eine  Pferdedecke  ausgeworfen,  die  sich  in 
Felsen,  Wald  und  See  verwandeln. 

Von  deutscheu  Märchen  gehört  vor  allen  (his  von  Gold- 
feder und  Goldmariken  (Müllenhoff  S.  395)  hierher.  G(dd- 
mariken.    die  das  Wünschen  versteht,  unterstützt  den  Prinzen 


17.    lieber  Campbeils  Sammluii>;-  gälischei-  ^Aliirclieii.  |(;<) 

Goldfeder  in  verschiedenen  Arbeiten,  die  ilini  eine  Hexe,  der- 
er dienen  ranss,  aufgiebt.  Dann  Hieben  sie  zusammen.  Vorher 
spuckt  das  Mädchen  zweimal  an  die  Kammertliiir  und  die 
Speie  antwortet  für  sie  der  Hexe.  Auf  der  Flucht  verwaiulelt 
sie  sich  und  ihi'en  (Jeliebten  mehrfach  (Rosenstock  und  Rose, 
Kirche  und  Prediger,  Teich  und  Ente).  Die  Hexe  will  den 
Teich  austrinken  und  zerplatzt.  Goldfeder  vergisst  (iold- 
mariken,  weil  er  sich  gegen  das  Verbot  küssen  lässt.  Mariken 
lebt  mit  zwei  Tauben  und  einem  Kalbe  als  ^Sähterin  dem 
Schloss  gegenüber.  Die  drei  Liebhaber  führt  sie  ganz  älmlich 
an,  wie  die  norwegische  Meisterjungfrau  es  thut,  und  ebenso 
muss  sie  auch  durch  ihr  Kalb  den  festgefahrenen  Hochzeits- 
wageu  herausziehen  lassen.  Beim  Hochzeitsmahl  erscheint 
Mariken  mit  ihren  Tauben,  die  Tauben  fressen  nicht  und 
rufen:  ,,Täubchen,  Täubchen  mag  nicht  fressen.  ]  (ioldfeder  iio 
hat  (l(ddmariken  auf  dem  Steine  vergessen."  Da  erwacht 
Goldfeders  Erinnerung,  und  er  steht  von  der  neuen  Braut 
ab  und  hält  mit  Mariken  Hochzeit  M- 

Ferner  gehören  hierher  die  Märchen  von  den  beiden 
Königskindern  (Grimm  Xr.  118)  und  vom  Trojumler  ((irimm 
Nr.  198).  In  beiden  wird  die  Geliebte,  die  dem  Liebhaber 
bei  verschiedenen  schweren  Aufgaben  geholfen  und  ihn  ge- 
rettet hat.  vergessen,  weil  sich  der  Liebhaber  von  seinen 
Eltern  küssen  lässt.  Die  Vergessene  erweckt  aber  endlich 
seine  Erinnerung  wieder,  indem  sie  sich  Zutritt  in  seine 
Sclilafkamnier  oder  wenigstens  zur  Thüre  derselben  verschafft. 
In  dem  ersteren  der  Märchen  stimmt  die  Beschreibung  der 
Flucht  ganz  mit  der  Goldfeders  und  Goldmarikens.  In  dem 
Märchen  vom  Liebsten  Roland  (Grimm  Nr.  5(j)  haben  wir  die 
redenden  Blutstropfen  und  die  Flucht  mit  den  Verwandlungen, 
aber  das  Vergessen  ist  nicht  motiviert,  ebensowenig  die  plötz- 
licht' Wiederbesimuing.  Auch  in  dem  Märchen  von  der  wahren 
Braut  (Grimm  Nr.  1<S6)  kommt  .  das  Vergessen  durch  den 
Kuss  vor.  aber  nur  Hüchtio'  angedeutet.    Die  Erinnerung  aber 


')  Ueber  die  in  vielen  Märchen  vorkommende  Rätselfrage  vom 
alten  und  neuen  Schlüssel,  die  Gloldfeder  der  neuen  Braut  vorlegt, 
werde  ich  gelegentlich  ausführlicher  spreclien. 


170  Zur  3Iiirclic'iif'(irbi-luing. 

erwacht  wieder,  als  er  dreimal  die  Verlassene  zu  ihrem 
Kälbcheu  sagen  hört:  „Kälbehen,  Kälhehen,  kuiee  nieder, 
vergiss  nicht  deine  Hirtin  wieder,  wie  der  Königssojin  die 
Brant  vergass,  die  unter  der  grünen  Linde  sass." 

Das  Vergessen  durch  einen  Kuss  kommt  in  dem 
Märchen  „die  Taube"-'  im  Pentamerone  vor  und  zwar  infolge 
der  Verwünschung  einer  Hexe.  In  einem  andern  neapoli- 
tanischen Märchen  „Rosella"  vergisst  ein  Prinz  ebenfalls  in- 
folge einer  Verwünschung  beim  ersten  Tritt  ans  Laml  die 
(ieliebte.  Das  ganze  Märchen  wird  ursprünglich  nnserm 
Märcheukreise  noch  näher  gestanden  haben;  dies  beweist 
nnter  anderem,  dass  in  ihm  auch  die  drei  geprellten  Lieb- 
haber vorkomnu^n. 

Entstellt  ist  ein  ungarisches  Märchen  (bei  Stier  unga- 
rische Volksmärchen  aus  Gaals  Nachlass  Nr.  3).  Dionys  ist 
bei  einem  bösen  Geist  und  soll  bei  ihm  unmögliche  Anfgaben 
verrichten.  Des  Geistes  Tochter  hilft  sie  ihm  lösen.  Dann 
111  fliehen  sie  auf  |  einer  Feuerschaufcl,  michdein  Helene  dreimal 
in  das  Haus  gespuckt.  Der  Geist  verfolgt  sie,  aber  sie  ver- 
wandeln sich  (Ka|)elle  und  Priester,  Teich  und  Ente)  und  der 
Geist  verwünscht  sie,  7  dahre  nicht  mit  einander  zu  reden. 
Nach  7  flahren  maclit  Dionys  mit  einer  Prinzess  Hochzeit, 
aber  Helene  erscheint  in  3  Nächten  als  Taube  am  Fenster 
des  Schlafzimmers  und  erweckt  seine   Liebe  endlich  wieder^). 

Dies  sind  die  verwandten  Märchen,  die  ich  beizubringen 
weiss,  und  denen  ich  noch   einige   Bemerkungen  beifüge. 

Die  drei  Aufgal)en  weichen  mehrfach  von  einander  ab. 
[Cosqnin  2,  23.]  Das  Reinigen  des  grossen  Stalles  kommt 
nur  in  den  keltischen  und  skandinavischen  Märchen  vor. 
[Peter  "2,  17(5,  Finamore  Nr.  4,  Rev.  celt.  H,  :i77.]  Jeder- 
mann wird  dabei,  wie  Campbell,  der  Arbeit  des  Herakles 
gedenken,  der  freilich  die  Arbeit  olme  Zauberhilfe  verriclitete. 
Nur  in  keltischen  Märchen  kommt  das  Ausnehmen  des  Nestes 
und  die   Leiter  aus  den  Einsern  oder  den  Fusszehen  der  (le- 


^)  Noch   mehr    entstellt    und  uiivdllstiiiKliut  r    ist    das   JMüreheii    von 
der  gläsernen  Haeke  bei  (iaiil,  Märchen  der  Magyaren   S.  43. 


17.    Ueber  Cam])l)t'lls   Hamnihmg  gäli^clicr  31iirclieii.  |71 

liebten  vor.  [:\relii8iiie  1,  44!J,  Sebillot,  Contes  p.  201.]  Der 
Gebrauch  der  Finger  oder  Fnsszehen  als  Leitersprossen  er- 
innert an  Märchen  v(»ni  Glasberg,  wo  die  Hinaufklinimeinh'u 
an  hineingesteckten  Hühnerknöchlein  emporklimmen  und  zu- 
letzt, als  noch  eine  Stufe  fehlt,  sich  den  kleinen  Finger  ab- 
schneiden: vergl.  (irimm  Märchen  3,  45.  Kuhn  märkische 
Sagen  nnd  Märchen  S.  "isö.  3Iüllenhoff  S.  oST.  Zeitschrift  für 
deutsche  Myth(dogie  I.  'M-2.  [Kamp.  D.  F.  p.  21);).  Krem- 
nitz  s.  (;;i] 

An  die  Stelle  (Um-  redenden  Aepfel  oder  Ai)felstücke 
in  den  gälischen  Märchen  treten  in  einer  Variante  Kuchen 
I  Blade  2.  2S].  in  mehreren  nichtgälischen  Märchen  Bluts- 
tropfen oder  l.a})pendocken  mit  Blut  bestrichen,  in  den 
deutscheu,  den  ungarischen  und  in  einer  schwedischen  Fassung 
(Cavallius  S.  878)  Speichel.  [Gonzenbach  no.  14.  Maspons  1, 
uo.  li).  2.  no.  4.  Consiglieri  no.  4.  Bil)l.  de  las  trad.  esp.  1, 
192.]  Vgl.  auch  Grimms  Anmerkung  zu  Nr.  .öli.  Eigen  einer 
gälischen  Fassung  sind  die  einschläfernden  Aepfel.  [Stücke 
Holz:  Gruudtvig  no.  ö,  Möbel:  Nerucci  no.  is,  Gorazzini 
no.  10,  Imbriani  p.  402,  Gonsiglieri-P.  no.  2.  Miklosicli  Nr.  15, 
Kuhdung:   Folk   L.  douru.    1.  o22.| 

Auf  der  Flucht  retten  sich  die  Fliehenden  in  einigen 
Märchen  dadurch,  dass  sie  sich  seli)st  in  verschiedene  Gegen- 
stände verwandeln,  was  vielfach  auch  sonst  vorkommt 
[Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  G.  G5].  in  andern  durch  Auswerfen  ge- 
wisser (iegenstände.  die  sich  in  Berge,  Wälder.  Seen  V(U-- 
wand(dn  und  den  Verfolger  hemmen.  Letzteres  kommt  mehr- 
fach in  amleren  Märclien  vor,  z.  B.  bei  Grimm  Nr.  7i),  wo  | 
Bürste,  Kamm  und  Spiegel  in  Berge  verwandelt  werden.  l)ei  112 
Mülleuhoft"  S.  422.  wo  Reitpeitsche,  Mantelsack  und  Pferde- 
decke zu  Zaun,  (iebirge  und  AVasser  werden,  bei  Sommer 
Märchen  Nr.  9,  wo  Striegel.  Kartätsche  und  Lappen  zu  Dornen- 
hecke, AVald.  See  werden,  bei  Woycicki,  polnische  Märchen  3, 
Nr.  10,  wo  Kamm,  Bürste.  Apfel  und  Bettlaken  Fluss,  Wald, 
Berg  und  Meer  werden,  bei  Stier  ungarische  Sagen  und 
Märchen  Nr.  4.  wo  ebenfalls  Striegel,  Bürste  nnd  Lappen  zu 
Wäldern  werden.    Dass  die  auszuwerfenden  Gegenstände  sich 


172  ^iii'  Märchenforsehung. 

in  dem  Ohre  des  Zauberpferdes  vorfinden,  sclieint  den  gälischen 
und  dem  irischen  Märchen  eigen.  Doch  hat  in  dem  Märchen 
der  (Iräfin  d'Aulnoy  Belle-Belle  auch  ein  Zauberpferd  den 
Schlüssel  zu  einem  Koffer  voll  Diamanten  und  Pistolen  im 
Ohre,  ebenso  —  wie  Benfey  im  Ausland  1858,  S.  1068  an- 
führt —  in  einem  walachischen  Märchen  (Haus-Blätter  1857, 
Nr.  "22  S.  814)  ein  Zanberpferd  eine  wunderbare  Nuss.  [Zs. 
d.  V.  f.  Yolksk.  6,   165.] 

Das  plötzliche  Vergessen  der  (ieliebten  von  Seiten  des 
Geliebten  knüpft  sich  an  die  Ueberschreitnng  eines  Verbotes. 
In  den  meisten  Märchen  soll  sich  der  Oeliebte  nicht  küssen 
lassen,  aber  sein  alter  Hund  si)ringt  an  ihm  empor  oder 
Poltern  oder  Geschwister  küssen  ihn.  [Gonzenbach  no.  14. 
Sebillot,  C.  des  prov.  no.  12,  Djurklou  p.  77,  Kletke  2.  78, 
Pröhle,  Km.  no.  8,  Wolf,  Hausm.  244,  Enstellt  Poestion  no.  lO.j 
In  einem  gälischen  soll  er  nicht  sprechen,  spricht  aber  mit 
seinem  Hunde,  ebenso  in  einem  •  schwedischen.  In  anilern 
soll  er  nicht  essen.  [Grundtvig  2,  35,  Grnndtvig  Nr.  5, 
Arnason-Powell  p.  882;  Nicht  in  ein  Haus  einkehren: 
Berntsen  1,  Nr.  25;  Verwünschung  der  Mutter:  Coelho  Nr.  14.] 

Bei  der  AViederer weckung  des  Gedächtnisses  des  Ge- 
liebten kommen  in  den  meisten  Märchen  ein  Hahn  und  eine 
Henne  vor  oder  ein  Tauber  und  eine  Tiiube.  denen  die  ver- 
lassene Brant  Gersteidvörner  oder  dergl.  v(trwirft.  Die  Henne 
oder  die  Taube,  der  alles  vom  (iemahl  weggefressen  wird, 
macht  ihm  Vorwürfe  und  vergleicht  ihn  mit  dem  treulosen 
Geliebten  und  dgl.  In  gälischen  Märchen  spricht  die  silberne 
zur  goldenen  Taube  gerade  so,  als  wäre  diese  der  Königs- 
sohn, sie  die  Riesentochter.  Eigentümlich  ist  der  Zug  ge- 
wendet in  dem  Müllenhoffschen  Märchen.  [Zs.  d.  V.  f. 
Vk.  6,  65,  Kletke,  2  71),  Braga  Nr.  6,  Romero  Nr.  22.] 

Schliesslich  noch  ein  paar  Worte  über  die  in  zwei 
gälischen  Märchen  [und  l)ei  Kennedy]  vorkommende  Ent- 
deck u  n g  der  an  Stelle  des  Königssohnes  u n t  e r g e s  c h  o  b e  n e u 
Söhne  von  Dienstleuten,  die  sich  durch  Antworten  .verraten. 
Aehnliches  kommt  in  Märchen  von  untergeschobenen 
ii:^  Bräuten  vor,  s.  Grimm  o,  211.   Mülleuhoff  ;  S.  o85,  Colshoru 


17.    UebcT  Canipbells  Samniluiiy  gälischer  Märclieii.  ]73 

Märchen  S.  6(5,  Prühle  Märchen  für  die  Jugeiid  S.  11,  Schani- 
bach nnd  Müller  niedersächsische  Sagen  nnd  Märchen  S.  2()(). 
An  die  Volfnngasage  Cap.  21  hat  Campbell  selbst  erinnert. 
[Grundtvig  2,  3().  Arnason- Powell  2.  2H0.  Poestion  Nr.  8, 
pjomtsen  1,  Nr.  20.  Brugman  Nr.  2o.] 

Die  vorstehenden  p]rörterniigen  waren  bereits  nieder- 
geschrieben, als  mir  die  eben  erschienene  Analyse  des 
7.  Rnches  der  indischen  Märcheusammhing  des  Somadeva  von 
H.  Brockhans  (Berichte  der  philologisch-historischen  Klasse 
der  König].  Sachs.  Gesellschaft  der  Wissenschaften,  18()1, 
S.  203  ff.)  zukam.  Hier  finden  wir  (S.  225  ff.)  einen  Teil 
unseres  Märchens.  Ein  Königssolm  Cringabhuja  kommt  in 
einem  Walde  zu  dem  Schlosse  eines  menschenfressenden 
Räkshasa-Fürsten  Agnicikha,  dessen  Tochter  Rüpa(;ikhä  ver- 
liebt sich  in  den  Prinzen  und  erklärt  ihrem  Vater  sterben 
zu  wollen,  wenn  sie  ihn  nicht  zum  Gatten  erhalte.  Agnigikha 
willigt  ein  unter  der  Bedingung,  dass  der  Prinz  vorher  seine 
Befehle  erfülle.  Er  lässt  nun  seine  hundert  ganz  gleichen 
Töchter  zusammen  kommen  und  fordert  den  Prinzen  auf,  der- 
jenigen, die  seine  Geliebte  sei,  den  Brautkranz  zu  reichen. 
Diese  hat  dies  vorgesehen  und  sich  durch  eine  Perlenschnur 
um  ihre  Stirn  kenntlich  gemacht.  Dann  niuss  der  Prinz 
ackern  und  hundert  Scheffel  Sesamkörner  säen,  was  die  Ge- 
liebte durch  ihre  Zaubermacht  für  ihn  vollführt.  Hierauf 
soll  er  die  Körner  wieder  sammeln,  weshalb  Riipavikhä  zahl- 
lose Ameisen  bezaubert,  die  dies  besorgen.  Endlich  soll  er 
den  zwei  Meilen  entfernt  wohnenden  Bruder  des  Räkshasa, 
Dhümacikha,  zur  Hochzeit  einladen.  Die  Tochter  giebt  ihm 
ihr  schnelles  Pferd,  etwas  Erde,  Wasser,  Dornen  und  Feuer 
und  sagt  ihm,  was  er  thim  solle.  p]r  richtet  schnell  seine 
EinladuQg  aus  und  reitet  dann  eiligst  zurück,  immer  sich  um- 
sehend. Als  Dhümacikha  ihm  nachsetzt,  wirft  er  erst  die 
Erde,  dann  das  Wasser,  dann  die  Dornen,  zuletzt  das  Feuer 
aus,  daraus  entsteht  ein  Berg,  ein  Strom  und  ein  Wald,  und 
als  letzterer  in  Flammen  gerät,  giebt  Dhümacikha  seine  Ver- 
folgung aul  Nun  erhält  der  Prinz  die  Tochter  des  Räkshasa 
zur  Gattin.    Nach  einiger  Zeit  beschliessen  die   Gatten  in  des 


174:  '^"''  ^liirelienforschuno-. 

Prinzen  Heimat  zu  Üielien  iiiul  reiten  auf  dem  schnellen 
Pferde  davon.  Agnivikha  setzt  ihnen  nach:  als  er  nahe  ist, 
macht  Riipavikha  den  Prinzen  und  das  Pferd  unsichtbar  und 
verwandelt  sich  in  einen  Holzbacker.  Dem  fragenden  Ag- 
nipikba  antwortet  sie,  sie  habe  nichts  von  den  Flüchtigen 
114  ge-|sehen,  denn  ihre  Augen  seien  voll  Thränen  über  den  Tod 
Agnicikha's.  Erschrocken  eilt  der  einfältige  Dämon  nach 
Hause,  wo  ihm  seine  Diener  versichern,  er  lebe  noch.  Nun 
setzt  er  dem  Paare  von  neuem  nach,  und  Rüpa^^ikbä  ver- 
wandelt sich  in  einen  Boten  und  sagt  ihrem  Vater,  er  sei  so- 
eben tötlich  verwundet  worden  und  habe  sie  zu  seinem  Bruder 
gesandt.  Wiederum  kehrt  Agnivikha  nach  Hause  zurück,  wo 
ihn  seine  Diener  überzeugen,  dass  er  gesund  sei,  und  giebt 
nun  die  Verfolgung  auf.  Jene  beiden  aber  kommen  glücklich 
in  des  Prinzen  Heimat. 

Hier  haben  wir  also  die  Lösung  schwerer,  ja  unmöglicher 
,  Aufgaben  durch  Hilfe  der  Geliebten,  einer  Dämonentochter, 
wie  in  vielen  Märchen  einer  Riesentochter,  und  die  Flucht 
der  Liebenden  vor  dem  nachsetzenden  Vater.  Das  in  vielen 
der  besprochenen  Märchen  vorkommende  Auswerfen  von 
Gegenständen,  die  sich  in  Berge,  Ströme,  Wälder  verwandeln 
und  den  Verfolger  aufhalten,  kömmt  auch  hier  vor,  freilich 
nicht  auf  der  Liebenden  Flucht  vor  dem  Vater,  sondern  mit 
einer  der  zu  lösenden  Aufgaben  verbunden.  Wenn  der  Königs- 
sohn sich  seine  Geliebte  unter  den  ähnlichen  Schwestern  aus- 
suchen muss  und  dies  vermag,  weil  ihm  die  Geliebte  ein 
Unterscheidungszeichen  voi-her  gegeben  hat,  so  kehrt  dies 
etwas  umgeändert  in  dem  l)esprochenen  schwedischen  Mär- 
chen von  Messeria  wieder,  wo  der  Königssohn  unter  den  in 
Tieren  verwandelten  Töchtern  der  Meerfrau  wählen  muss  und 
an  einem  gegebenen  Merkmal  richtig  Messeria  erkennt.  Vgl. 
[S.  104]  auch  unten  S.  118,  Anmerk. 

(Vgl.  noch  ein  hierher  gehöriges  siamesisches  Märchen 
[Asiatic  Researches  "20,  '^4(j],  und  einiges  andre,  was  ich  in 
den  Göttinger  Gel.  Anz.  [1862,  1220—1228]  in  der  Anzeige 
von    H.  Brockhaus    Analyse    des    Somadeva   mitteilen   werde. 

Th.  Benfey.) 


17.    Ueber  Canipbi'lls  Sauiiiiluni;-  üälisclier  Miin-licii.  175 

[Köhler  zu  Kreiitzvvald  no.  14,  zu  (louzeubacli  no.  14  uud 
Revue  celtique  3,  37(1,  Zs.  d.  V.  f.  Volk.sk.  (!,  (iT),  Zs.  f.  rouiau. 
Phil.  3,  15(3  zu  Cos(|uiu  lu).  32.  —  Ferner  Burts(;h,  Schles. 
Provbl.  u.  F.  3,  -224  (1S(;4),  Schuller.  Korrhl.  il.  V.  f.  .siebeubg. 
Ldesk.  S,  125  (1<S,S5),  Mitt.  d.  litau.  lit.  Ges.  1,  35S,  Folk- 
lore Journal  1,  31().  2,  8  (irisch,  polnisch),  Sarnelli,  Posile- 
cheata  ed.  Imbriani  p.  177,  Mont-Cock  uo.  11,  Poestion  no.  10. 
26.  Braga  no.  1.  (i.  17.  32,  Coelho,  Contos  uac.  no.  15, 
Romero  no.    11.  22,  I\lac  Innes  p.  431.  492.] 

8.    Das  Märchen  von  der  Krähe. 

¥Äi\e  von  drei  Schwestern  heiratet  eine  Krähe,  die  am 
Tage  ein  Mann  ist.  und  bekommt  mit  ihr  drei  Kinder,  die 
sie  aber  nach  der  Geburt  wieder  verliert,  endlich  aber  wieder 
gewinnt.  Zugleich  erlöst  sie  den  ihr  entrückten  Gatten.  Dabei 
kommt  ein  Gifthiigel  vor.  den  sie  mit  Hufeisen  an  Händen 
und  I  Füssen,  die  sie  selbst  geschmiedet,  überschreitet.  Das  u.ö 
Märchen  ist  nicht  gut  erhalten.  Es  gehört  in  den  Kreis  von 
Eisenofen  (Grimm  Nr.  127),  von  den  7  Raben  (Grimm  Nr.  25) 
uud  dgl.     Vgl.  unten  Nr.   12.     [Campbell  3,  292.] 

4.    Die  Seejungfrau. 

F]ine  Seejungfrau  verspricht  einem  armen  alten  Falscher 
reichen  Fang,  wenn  er  ihr  seinen  ersten  Sohn  gäbe.  Auf 
seine  Entgegnung,  dass  er  keinen  habe  und  auch  keinen  be- 
kommen werde,  da  sein  Weib  auch  alt  sei,  giebt  sie  ihm 
12  Körner,  3  soll  er  seinem  Weib,  3  seiner  alten  Stute, 
3  seinem  alten  Hund  geben  und  3  soll  er  hinterm  Hause 
pflanzen.  So  bekommt  er  drei  Söhne.  3  junge  Pferde,  3  junge 
Hunde  und  '■'>  Bäume,  die  beim  Tode  der  STihne  welken  sollen. 
Nach  3  Jahren  S(dl  er  den  Sohn  abliefern,  aber  da  gewährt 
ihm  die  Seejungfrau  noch  eine  Frist  von  4  und  dann  noch 
eine  von  7  Jahren.  Nach  Verlauf  dieser  Zeit  entdeckt  er 
dem  Sohne  sein  Versprechen,  worauf  dieser  die  Heimat  zu 
verlassen  und  sein  (Uück  anderswo  zu  suchen  beschliesst. 
Vorher  lässt  er  sich  ein  starkes  Schwert  schmieden  und  zer- 
schlägt mehrere,  ehe  er  eins  findet,  das  stark  genug  ist.    So 


176  Zur  ^MäiH'lieuforschuni;. 

zieht  er  mit  .seiüem  schwarzen  Pferde  und  mit  seinem  schwar- 
zen Hunde  aus.  Unterwegs  trifft  er  das  Aas  eines  Schafes, 
um  das  ein  Hund,  ein  Falke  und  eine  (Hter  streitiMi.  Er 
teilt  das  Schaf  zwischen  ihnen,  und  sie  versprechen  ihm  ihre 
Hilfe  in  Gefahr.  Er  tritt  hierauf  als  Hirt  in  eines  K<inigs 
Dienste  und  erschlägt  mit  Hilfe  seines  Hundes  einen  fliesen. 
Nach  einiger  Zeit  soll  die  Königstochter  einem  dreihäuptigen 
Untier  geopfert  werden;  ein  General  beschliesst  sie  zu  retten, 
flieht  aber,  als  er  hört,  wie  sich  das  Untier  im  See  regt.  Da 
erscheint  der  .lüngling  und  verspricht  ihr  Hilfe.  Er  legt  sich 
in  ihren  Schoss  und  schläft,  und  endlich  als  das  Ungeheuer 
naht,  muss  sie  ihn  wecken,  indem  sie  ihren  Ring  ihm  an- 
steckt. Nun  schlägt  er  dem  Tiere  ein  Haupt  ab.  worauf  es 
in  den  See  zurück  flieht.  Durch  das  Haupt  zieht  er  einen 
AVeidenzweig,  giebt  es  ihr  und  verspricht  die  folgenden  Tage 
wieder  da  zu  sein,  um  die  beiden  andern  Köpfe  abzuschlagen. 
Der  Verlauf  ist  derselbe,  nur  wird  jetzt  der  Jüngling  durch 
Anlegen  der  Ohrringe  der  Prinzess  geweckt.  Der  Gejieral 
11  ö  hat  jedesmal  die  allein  zu-  rückkehrende  Prinzess  überfallen 
und  sich  für  den  Helden  ausgegeben.  Er  soll  sie  heiraten, 
aber  sie  erklärt,  nur  den  zu  heiraten,  der  die  Weideuzweige 
auflösen  könne.  Alle  am  Hofe  versuchen  es  vergeblich,  end- 
lich kommt  auch  der  Hirt  daran  und  kann  es.  Da  er  nun 
auch  die  Ringe  hat.  wird  er  erkannt  und  die  Hochzeit  ündet 
statt.  —  Eines  Tages  raulit  ein  Seeungeheuer  den  düngling, 
aber  die  Königstochter  bekommt  ihn  wieder,  indem  sie  auf 
Rat  eines  alten  Schmieds  allerhand  Geschmeide  am  See  aus- 
breitet und  erst  für  den  Anblick  des  Gatten  ein  Geschmeide, 
dann  für  seine  Rückgal)e  alles  bietet.  Nach  einiger  Zeit 
raubt  dasselbe  Untier  die  Königstochter.  Jener  alte  Schmied 
sagt  ihrem  Gatten,  inmitten  des  Sees  sei  ein  Eiland,  darauf 
sei  eine  schnellfüssige  Hinde:  würde  sie  gefangen,  so  würde 
eine  Krähe  aus  ihr  springen,  aus  dieser  dann  eine  Forelle, 
in  deren  Mund  sei  ein  Ei.  in  diesem  die  Seele  des  Untiers. 
Mit  Hilfe  jener  dankbaren  Tiere,  des  Hundes,  des  Falken 
und  der  Otter,  kommt  er  in  den  Besitz  des  Eis  und  zerdrückt 
es  und  tötet  so  das  Untier,  und  erringt  dadurch  seine  Gattin 


17.    Urber  Campbells  Saiiinilung-  gälischLT   Märchen  4.  I'J'J 

wieder.  Nach  einiger  Zeit  besucht  er  ein  geheimnisvolles 
Schloss.  wo  ihn  eine  Zauberin  tötet.  In  des  Fischers  Woh- 
nung welkt  nun  plötzlich  der  eine  Baum.  Der  zweite  Sohn 
des  Fälschers  reitet  darauf  aus,  um  die  Leiche  seines  Bruders 
zu  suchen.  Kr  kommt  in  das  königliche  Schloss,  wo  ihn  die 
Königstochter  zuerst  für  ihren  Mann  hält,  geht  dann  auch  in 
das  Zauberschloss  und  wird  ebenfalls  getötet.  Da  reitet  nun 
auch  der  dritte  Sohn,  durch  das  Welken  des  Baums  vom 
Tode  des  Bruders  benachrichtigt,  aus,  kommt  ebenfalls  zu 
der  Hexe,  nimmt  ihr  aber  ihren  Zauberstab  und  tötet  sie 
damit  und  belebt  die  Brüder. 

In  einer  zweiten  Version  sind  die  dankbaren  Tiere: 
Löwe,  AVolf,  Falke.  Der  Jüngling  lässt  sich  kein  Schwert, 
sondern  einen  eisernen  Stab  schmieden.  Als  Hirt  erschlägt 
er  drei  Riesen  und  ihre  Mutter  und  erbeutet  von  ihnen  drei 
verschiedenfarbige,  durch  die  Luft  schwebende  Rosse  und 
Anzüge  und  ein  Waschbecken,  das  den  sich  darin  waschenden 
schön  macht,  und  einen  Kamm,  der  gross  macht.  Mit  jenen 
Rossen  und  den  x\nzügen  befreit  er  die  Kr»nigstochter  von 
dem  Drachen  und  wird  dann  als  Retter  erkannt,  weil  ihn  die 
Königstochter,  als  er  das  drittemal  in  ihrem  Schosse  sciilief. 
in  die  Stirn  gekratzt  hatte.  |  Später  zieht  ihn  die  Seejungfrau  117 
ins  Wasser,  die  Königstochter  setzt  sich  auf  Rat  eines  AVeis- 
sagers  ans  Ufer  und  spielt  die  Harfe.  Die  Seejungfrau  will 
immer  mehr  hören  und  zeigt  so  erst  den  Kopf,  dann  all- 
mählich die  ganze  Gestalt  des  Geraubten,  der  an  den  Falken 
denkt  und  als  solcher  entflieht.  Dafür  wird  nun  die  Königs- 
tochter geraubt.  Ihr  (latte  aber  erfährt  vom  Wahrsager,  dass 
in  einem  Thal  ein  Ochse  sei,  in  ihm  ein  Widder,  in  dem 
eine  Gans,  in  der  ein  Ei,  darin  die  Seele  der  Meerjungfrau. 
Mit  Hilfe  der  Tiere  und  einer  Otter  wird  das  ¥.\  gewonnen, 
die  Seejungfrau  getötet  und  die  Königstochter  gerettet.  In 
dieser  Version  fehlt  der  feige  General  und  die  Geschichte 
der  Brüder. 

In  einer  dritten  Version,  wo  der  Held  der  Sohn  einer 
Witwe  ist.  kommt  ein  Kamm  vor,  der,  je  nachdem  man  sich 
mit   der   einen  Seite    desselben  kämmt,    schön    oder    hässlich 

R.  Kühler,  Kl.  Schriften  I.  .12 


J7<S  Zur   Mävclieiit'urschui)}^'. 

maclit.  Die  Königstochter  .soll  einem  dreihäiiptigen  Riesen 
ausgeliefert  werden.  Der  Befreier  der  Prinzess  wird  von  ihr 
geweckt,  indem  sie  ihm  ein  Stück  Finger  abheisst  und  ein 
Stückchen  vom  Scheitel  und  vom  Öhr  abreisst  (ebenso  in  der 
folgenden  Version).  Daran  wird  er  dann  erkannt,  nachdem 
eine  rothaariger  Bursche  sich  erst  als  Retter  der  Prinzess 
vorgestellt  hat. 

In  einer  vierten  Version  sind  die  dankbaren  Tiere: 
Fuchs,  Wolf,  Krähe.  Die  Seele  der  Seejungfrau  ist  in  einem 
Ei  in  einer  Taube  auf  einem  Baume. 

In  einer  fünften  Version  sind  die  Tiere:  Löwe,  Fuchs, 
Ratte.     [Mac  lunes  p.  47(S  zu  no.  8.] 

hl  manchen  der  Versionen  helfen  die  dankbaren  Tiere 
nicht  dem  Helden  selbst,  sondern  er  vermag  dadurch,  dass 
er  an  sie  denkt,  ihre  Gestalt  anzunehmen.    Vgl.  oben  S.  102. 

In  diesem  interessanten  Märchen  haben  wir  in  eigentüm- 
licher (lestaltung  das  weitverbreitete  Märchen  von  den 
gleichen  IJrüdern  verbunden  mit  dem  von  der  Nixe  im 
Teich,  welches  zuerst  ans  der  Oberlausitz  in  Haupts  Zeit- 
schrift lid.  II  mitgeteilt  und  dann  von  Grimm  in  die  neueren 
Auflagen  (Nr.  181)  aufgenommen  worden  istM-  |Cos(jiiin 
no.  15,   Friis  no.  42  :=   Poestion  no.  51.|  | 


')  Eine  Variante  dieses  Märchens  findet  sicdi  in  der  Oberpfalz 
(8cUönwertl\  Aus  der  Oberpfalz.  Sitten  und  Sagen  2,  219).  VAne 
Wasserfrau  verspricht  einem  Fischer  reichen  Fang,  wenn  er  ihr  das 
vers]iricht,  was  er  zu  Hause  nicht  wisse.  Dies  ist  ein  Kind,  das 
seine  Frau  unter  dem  Herzen  trug.  Als  das  Kind  —  ein  Sohn  — 
herangewachsen  ist,  zieht  es  in  die  Fremde.  Unterwegs  teilt  er  ein 
Pferd  zwischen  einem  Bär,  einem  Fuchs,  einem  Falken  und  einer 
Ameise,  die  ihm  dafür  die  Kraft  verleihen,  ihre  Gestalten  anzunehmen. 
Er  kommt  nun  in  eine  Stadt,  wo  drei  sich  ganz  ähnliche  Königstöchter 
leben;  wer  die  mittelste  errät,  soll  sie  zur  Frau  erhalten  und  Nach- 
folger des  alten  Königs  werden.  Durch  jene  Eigenschaft  wird  es  dem 
Fischersohn  möglich,  die  mittelste  zu  erraten,  und  er  wird  ihr  Gemahl. 
Nach  mehreren  Jahren  gerät  er  aber  in  die  Gewalt  der  Wasserfrau. 
Durch  drei  goldene  Kleinode  (Kamm,  Ring,  Pantoffel)  bewegt  seine  Ge- 
mahlin die  Wasserfrau,  ihn  ihr  zuerst  bis  an  die  Augen,  dann  bis  an 
die  Hüften  aus  dem  Wasser  /.u  heben,  dann  ganz  —  auf  ihrer  Hand 
stehend  emporzuhalten  [Straparola   8,  4.    De  Gubernatis  no.  23,  Wolf,, 


17.    UclxT  C.iiii|)l)clls   Silin mliuii;'  gälisflicr  Märchen   4.  17;) 

Ich  imterla.sse  e.s  hier,  ausführlicher  auf  das  ganze  Märchen  ns 
von  den  gleichen  Brüdern^)  einzugehen,  indem  ich  auf 
Grimms  Anmerk.  zu  Nr.  (id  und  So  und  Cavallius-Oberleitner 
S.  3^<()  einstweilen  verweise  [Gonzeubach  no.  H9,  Blade,  Age- 
nais p.  14.S,  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  (>,  75 j.  und  will  nur  einen 
Zug  des  Märchens  besi)rechen. 

So  wie  in  dem  gälischen  Märchen  je  8  KTtmer  der 
Frau,  der  Stute  und  der  Hündin  zu  essen  gegeben  und  '6 
hinterm  Hause  gepliauzt  werden  und  dann  zu  gleicher  Zeit 
drei  Söhne,  drei  Füllen  und  drei  Hunde  geboren  w^erden  und 
drei  Bäume  wachsen,  so  fordert  in  einer  serbischen  (iestaltung 
des  Brüdermärchens  (Wuk  Nr.  "29)  [Hahn  Nr.  22,  AVebster 
p.  SS]  ein  Aal  einen  Fischer  auf,  ihn  in  vier  Stücke  zu 
schneiden  und  eins  hinter  das  Haus  zu  vergraben,  die  andern 
von  Frau.  Stute  und  Hündin  essen  zu  lassen,  und  hinter  dem 
Hause  sprossen  zwei  goldene  Schwerter  hervor,  und  von  Frau, 
Stute  und  Hündin  werden  Zwillinge  geboren.  In  einem  anda- 
Iusis(d]en  Brüdermärchen  (Fernan  Caballero,  Spanische  Volks- 
lieder und  Volksreime,  Volks-  j  und  Kindermändien,  deutsch  ii9 
von  Hosäns  S.  175)  schneidet  ein  Schuster  einen  gefangenen 
Fisch  auf  dessen  Rat  in  acht  Stü(;ke,  je  zwei  giebt  er  seiner 
Frau,  Stute  uml  Hündin  zu  essen  und  zwei  pHanzt  er  in 
seinen  (iarten.  Aus  letzteren  wachsen  zwei  Lanzen  und  von 
Frau,  Stute  und  Hündin  werdeu  Zwillinge  geboren.  In  einem 
schwedischen  Märchen  von  den  gleichen  Brüdern  (Cavallius 
S.  350)  heisst  ein  gefangener  Hecht  den  Fischer  ihn  in  <S  Teile 
zerstückeln,    zwei   der  Frau  geben,    zwei  ins  Feuer,    zwei  in 


Hausmärcheii  S.  o8'J].  Da  verwandelt  er  sicli  In  einen  Falken  nnd  ent- 
fliegt. Zoriiiiif  verzaubert  die  Nixe  die  Königin  in  einen  Drachen,  aber 
sie  wird  bald  wieder  durch  Hilfe  eines  Zauberers  entzaubert  und  lebt 
nun  ungestört  von  der  Nixe  mit  ihrem  Gemahle.  —  Hier  sehen  wir  in 
«las  Märchen  von  der  Nixe  alsi>  auch  auf  eigentümliche  Weise  die  dank- 
baren Tiere  verwebt. 

.')  Es  sind  meistens  Zwillingshrüder.  Drei  Brüder  kommen,  wie 
im  gälischen,  vor  aiich  bei  Colshorn  Märchen  Nr.  47,  Panzer  bairische 
Sagen  und  Bräuche  2,  S.  93,  Zingerle  Kinder-  und  Hausmärchen  Nr.  2ö, 
Meier  Volksmärchen  Nr.  .ö8  [Schneller  no.  28J.  Benfey  (Ausland  IS.öS, 
S.  972)  hat  diese  Märchengruppe  zu  behandeln  versprochen. 

12* 


]^30  ^1^1'  Märcheiiforticliung'. 

die  See  werfen,  zwei  vergraben.  Die  Frau  gebiert  zwei 
Knaben,  aus  dem  Feuer  kommen  zwei  Schwerter,  aus  der 
See  zwei  Hunde,  aus  der  lM"de  wachsen  zwei  Pferde.  Besser 
ist  eine  andere  schwedische  Fassung  (Cavallius  S.  354),  wo 
der  Hecht  in  vier  Stücke  zerschnitten  wird.  Drei  Stücke  be- 
kommen Frau,  Stute  und  Hündin,  eins  wird  vergraben;  aus 
letzterem  wachsen  zwei  Schwerter,  und  von  Frau,  Stute  und 
Hündin  werden  Zwillinge  geboren.  In  einem  Tiroler  Bruder- 
märchen  (Zingerle  Kinder-  und  Hausmärchen  Nr.  25)  muss 
der  Fischer  den  Fisch  in  vier  Stücke  zerschneiden  und  eins 
in  dem  Garten  vergraben,  die  andern  sollen  Weib,  Stute  und 
Hündin  essen.  Drei  Bäume  wachsen  und  Drillinge  werden 
geboren.  In  dem  Märchen  von  den  Goldkindern  (Grimm 
Nr.  85)  lässt  sich  der  Fisch  in  sechs  Stücke  zerschneiden,  je 
zwei  sollen  Frau  und  Stute  des  Fischers  bekommen,  zwei 
vergraben  werden.  Goldene  Lilien  wachsen  und  Zwillinge 
werden  geboren.  In  einem  andern  deuts(then  P)rüdermärchen 
(Knhn  und  Schwartz  nordd.  Sagen  S.  837)  zerschneidet  ein 
Frischer  auf  Geheiss  eines  Geistes  ein  Kästchen  in  sechs  Teile 
und  giebt  je  einen  seiner  Frau,  Stute  und  Hündin,  drei  ver- 
gräbt er  unter  der  Dachtraufe.  Waffen  wachsen  hervor  und 
Zwillinge  werden  geboren.  In  dem  Märchen  bei  Pröhle 
(Kindermärchen  Nr.  5)  ist  die  Ueberlieferung  fast  vergessen. 
Ein  Mann  —  heisst  es  da  —  hat  Zwillinge  und  hat  einst 
eine  Saat,  daraus  wachsen  zwei  Schwerter,  zwei  Hunde,  zwei 
Schimmel.  In  einer  trümmerhaften  Ueberlieferung  des  Mär- 
chens aus  Westfalen  bei  Kuhn  westfälische  Sagen  2,  S.  219 
kommt  der  zerstückte  Fisch  auch  noch  vor,  aber  am  Schlüsse 
und  in  anderer  Verbindung,  jedenfalls  ein  Beweis,  wie  eng 
verwachsen  er  doch  mit  dem   Brüdermärchen  ist. 

In  allen  erwähnten  Märchen  werden  Stücke  des  Fisches 
in  die  Erde  gegraben,  in  einigen  wachsen  daraus  Waffen, 
120  in  I  einem  gälischen  Bäume,  ebenso  in  •  einem  Tiroler  [bei 
Hahn  no.  22  Cypressen:  Strackerjan  2,  306]  und  in  dem 
hessischen  (Grimm  Nr.  85)  Lilien.  Das  Welken  oder  Fallen 
dieser  Bäume  oder  Lilien  deutet  den  Tod  der  Brüder  an. 
In  andern  Fassungen  des  Brüdermärchens  wird  der  Tod  eines 


17.    Ueber  Campbeils  Sammlung  gälisclun-  Märchen  4.  5.        ISl 

(1er  Brüder  meist  durch  das  Rosten  eines  Messers  oder 
Schwertes,  das  sie  beim  Abschied  in  einen  Baum  gesteckt 
[Hahn  "2,  "215],  im  serbischen  Märchen  (Nr.  29)  [uud  im  Roman 
von  Olivier  uud  Artus,  Mehinges  E,  <S2]  durch  Trübung  des 
Wassers  in  einem  Fläschcheu,  in  einem  schwedischen  (Ca- 
vallius  S.  81)  ebenfalls  durch  Trübung  einer  Quelle,  in  einem 
andern  (Cavallius  S.  351)  durch  Rotwerden  von  Milch  au- 
gezeigt 1). 

Ueber  die  in  mehreren  in  einander  eingeschachtelten 
Dingen  versteckte  Seele  der  Seejungfrau  des  gälischen  Mär- 
chens vergl.  die  Bemerkungen  oben  S.  102. 

5.    Coiiall  Cra  Bliuidlie. 

Conall  Cra  Bhuidhes,  eines  Pächters,  vier  Söhne  er- 
schlagen bei  einer  Schlägerei  des  Königs  von  Eirinu  ältesten 
Sohn.  Zur  Busse  soll  Conall  dem  König  das  braune  Ross 
des  Königs  von  Lochlann  schaffen.  Er  lässt  sich  mit  seinen 
vier  Söhnen  durch  einen  befreundeten  Müller  in  fünf  Kleien- 
säcke stecken  und  komint  in  den  königlichen  Stall.  Aber 
als  sie  nun  nachts  an  das  Ross  Hand  anlegen,  macht  es 
solchen  Lärm,  dass  der  König  erwacht  und  Conall  und  seine 
Söhne  gefangen  werden.  Der  König  will  die  Söhne  am  andern 
Morgen  iiängen  lassen,  dem  jüngsten  jedoch  das  Leben 
schenken,  wenn  Conall  einen  Fall  aus  seinem  Leben  erzählen 
könne,  der  eben  so  angst-  und  gefahrvoll  gewesen  sei.  Conall 
erzählt  nun  ein  gefährliches  Abenteuer  mit  gespenstischen 
Katzen.  Der  König  schenkt  ihm  das  Leben  des  jüngsten 
Sohnes  und  verspri(dit  ihm  auch  den  folgenden  für  eine  ähn- 
liche Erzählung.  Conall  erzählt,  wie  er  einst  in  die  Höhle 
eines  einäugigen  Riesen  geriet,   der  ihn  fressen  ]  wollte,    wie  121 


')  Ueber  derartige  Wahrzeichen,  die  Abreisende  zurücklassen  und 
an  denen  man  ihr  Befinden,  ihren  Tod,  auch  ihre  Untreue,  erkennen 
kann,  werde  ich  gelegentlich  ausführlicher  handeln.  Das  Rosten  •  der 
Messer  kommt  auch  in  der  eigentümlichen  schottischen  Fassung  des 
Brüdermärchens  vor,  die  Chambers  Populär  rhymes  of  Scotland,  3.  ed., 
S.  2::i8  ff.  aus  dem  auch  von  Campbell  mehrmals  erwähnten  Manuskript 
Mr.  Buchans  mitteilt.     [Ahlquist,  Mordwin.   Cxranim.     S.   102.] 


\^2  2ur  Märolieiiforsohimg. 

er  aber  unter  dem  Vürwuud.  dem  Riesen  die  Sehkraft  des 
andern  Auges  wieder  zu  verschaffen,  ihn  durcli  siedendes 
Wasser  blendete,  wie  er  dann,  in  die  Haut  eines  Boekes  sich 
hüllend,  aus  der  Hohle  entkam  und  den  Riesen  verspottete, 
wie  dieser  ihm  zum  Lohn  für  seine  List  einen  Ring  zuwarf, 
den  er  ansteckte,  wie  der  Ring  auf  die  Frage  des  Riesen 
„Wo  bist  du?"  antwortete  „Hier!",  wie  er  deshalb  mit  einem 
Messer  den  Finger,  au  den  er  den  Ring  gesteckt,  sich  ab- 
schnitt und  ihn  ins  Meer  warf,  und  wie  der  Riese,  durch  den 
Ruf  des  Ringes  „Hier!"  getäuscht,  ersoff.  Auch  mit  dieser 
Erzählung  ist  der  König  zufrieden  und  verspricht  für  eine 
dritte  den  dritten  Sohn.  Conall  erzählt,  wie  er  einst  auf  ein 
iMland  kam  und  dort  in  einer  Höhle  ein  Weib  traf,  die  eben 
ihr  Kind  schlachten  wollte.  Sie  war  nämlich  in  die  Gewalt 
ehies  Riesen  geraten  und  sollte  das  Kiiul  ihm  zur  Mahlzeit 
bereiten.  Conall  aber  hiess  sie  das  Kind  verstecken  und 
einen  der  in  einer  Kammer  I)efindlichen  Leichname  kochen, 
er  selbst  aber  steckt  sich  unter  die  Leichen,  damit  der  Riese, 
wenn  er  Verdaclit  schr»|)fte,  keine  vermisse.  So  geschieht  es. 
Aber  beim  Zählen  der  Leichen  fällt  ihm  ('oiialls  weisser 
Körper  auf.  er  schleppt  ihn  in  die  Höiile  und  wirft  ihn  in 
den  Kessel.  F^he  er  ihn  aber  kochen  will,  legt  er  sich  schlafen, 
und  so  entsteigt  Conall  dem  Kessel  und  bringt  den  Riesen 
mit  seinem  eigenen  Speer  um.  Als  Conall  dies  erzählte,  war 
die  Mutter  des  Königs  (hi))ei  und  gab  sich  als  jenes  Weib 
und  den  König  als  jenes  Kind  zu  erkennen.  Conall  erhielt 
nun  auch  seine  andern  Söhne  und  (hizu  das  braune  R(»ss  und 
viele  Kostbarkeiten. 

Dieses  Märchen  tindet  sich  —  abgesehen  von  einem 
gleich  zu  besprechenden  eiiizelnen  Teile  —  meines  Wissens 
nirgends  sonst  unter  den  in  neuerer  Zeit  aus  dem  Volks- 
munde gesammelten  Märchen,  dagegen  mit  wenigen  Ab- 
weichungen in  einem  litterarischen  Werke  des  1"2.  Jalirliun- 
derts.  Ein  Mömch  .loliann  von  der  Abtei  Haute  Seille  schrieb 
zwischen  11S4 — 1-212  eine  Historia  Septem  sapientum.  Dies 
Werk  ist  zwar  verloren  gegangen,  aber  eine  Bearbeitung  in 
^^ranziisischen  Versen  unter  dem  Titel  Li  romans  de  l)o]o[)ath(>s 


17.     Ucber  Caiiipbells  Haimnluiig-  ji,äli^rlier  Märrlien  5.  Ig3 

von  einem  gewissen  Herbers  (1222— 1238)  erhalten^).  Zu- 
fällig ist  auch  eine  deutsche  |  Uebersetzung  ans  dem  15.  Jalir-  122 
iiundert  gerade  von  dem  uns  liier  berührenden  Stücke  ge- 
funden worden,  walirsclieinlicli  nach  dem  lateinisciien  Original, 
nicht  nach  dem  französischen  (iedichte  (Altdeutsche  Blätter  1, 
lli)  ftV).  In  den  französischen  Versen  und  der  deutschen 
Prosa  finden  wir  das  gälische  Märchen  in  seinen  Hauptzügen 
vor:  versuchter  Diebstahl  eines  Rosses  durch  drei  Brüder, 
deren  einer  sich  in  ein  Bund  Futter  hat  packen  lassen  amd 
so  in  den  Stall  kommt,  Rettung  der  Söhne  durch  die  Er- 
zählung des  Vaters  von  grossen  (iefahren.  und  zwar  von  der 
Blendung  des  Riesen,  der  zwei  Augen  hat,  aber  schlecht 
sieht,  durch  siedendes  Gel,  Schwefel.  Pech  u.  s.  w.  unter  dem 
Schein,  ihm  eine  Augenarzenei  bereiten  zu  wollen,  von  der 
Flucht  in  der  Haut  eines  Bocks,  von  dem  verräterischen 
Zauberring  '^),  ferner  von  der  Frau,  die  in  Gewalt  von  Un- 
holdinnen ihr  Kiiul  schlachten  s(dl.  aber  samt  dem  Kinde 
gerettet  wird  ^). 

Campbell  S.  15o  kennt  das  deutsche  Märchen  aus  Grimms 
Sammlung,  wo  es  in  einigen  Auflagen  unter  Nr.  1!)1  aus  den 
altdeutschen  Blättern  aufgenommen  war,  während  es  aus  der 
neuesten  7.  Auflage  wieder  verschwunden  ist. 

Die  Geschichte  vom  geblendeten  Riesen  und  der  Flucht 
aus  seiner  Höhle  kommt  ausserdem  einzeln  (»der  in  amlerer 
Verbindung,  wie  W.  Grimm  in  s.  Abhandlung  ,.(lie  Sage  von 
Polyphem'',    Berlin    1<S57,    nachgewiesen    hat,     vor    bei    den 


')  Analyse  und  Auszüge  von  Le  Roux  de  Lincy  bei  Loiseleur 
Deslongchanips  Essai  sur  les  fables  indiennes  (II)  113  ff".  Ausgabe  von 
eil.  Brunet  und  A.  de  Montaiglon  Paris  1856.  Unser  Märchen  daselbst 
p.  276,  bei  Loiseleur  p.  231.  [Job.  de  Alta  Silva  Dolopathos  ed. 
Oesterley  1873  p.  66.  XXIL] 

■-)  Im  französischen  und  deutschen  ruft  der  King  selbst  nicht, 
sondern  sein  Träger  niuss  unwillkiirlich  rufen.  [Im  baskischen  (Webster 
p.  5)  ruft  der  Ring.] 

^)  Im  französischen  heissen  diese  Unholdinnen  Estries  und  sind 
boshafte  Geister,  wie  Aeffinnen  ausseliend,  im  deutschen  ,, wilde  lüte, 
die  in  dem  walde  wonen,  die  man  Stryges  nenf  und  im  weitern  Ver- 
lauf als  männlich  gedacht. 


184  ^ur  Märchenforschung. 

Griechen  (Polyphem).  Oghuziern,  Arabern,  Serben,  Rumänen, 
Ehsten,  Finnen,  im  russischen  Kardien,  in  Deutschland,  end- 
lich —  was  Grimm  nicht  wusste  —  auch  in  Ungarn  (Stier 
Ungarische  Volksm.  aus  Gaals  Nachlass  S.  14f)).  Der  Zauber- 
ring kommt  bei  den  Oghuziern  vor,  in  noch  ähnlicherer  Weise 
132  in  der  |  rumänischen  Fassung  und  zwar  haut  sich  der  Jüng- 
ling, wie  im  gälischen  Märchen,  den  Finger  ab  und  wirft  ihn 
samt  dem  Ring  ins  Wasser.  Im  serbischen  tritt  an  die  Stelle 
des  Rings  ein  verzauberter  Stab.  [Nyrop,  Nordisk  tidskr.  for 
filologi  1S81   p.  i>16.] 

i>.    Märchen  von  €onal  Crovi. 

7.  Märchen  von  ("onal. 
Zwei  Varianten  von  Nr.  5.  In  beiden  der  versuchte 
Rossdiebstahl,  in  beiden  muss  der  Schuldige  ähnliche  Gefahren 
erzählen,  darunter  in  beiden  die  Erzählung  von  der  vom 
Riesen  gefangenen  Mutter,  die  ihr  Kind  schlachten  und  zum 
Essen  zubereiten  soll,  in  beiden  erklart  nach  jener  Erzählung 
die  Mutter  des  Königs,  sie  sei  jene  Mutter  gewesen  und  das 
gerettete  Kind  der  König.  Tn  Nr.  (J  kommen  bei  der  Er- 
zählung von  der  Mutter  und  Kind  drei  Gehängte  in  ganz 
gleicher  Weise  wie  im  Dolopathos  vor.  Das  eine  Abenteuer, 
das  Conal  in  6  und  7  erzählt,  wie  er  in  ein  Grab  einge- 
schlossen wird,  vergleicht  Campbell  mit  1001  Nacht  (Sindbad, 
Aladdin)  und  Decamerone  II,  5. 

8.    Murchag  und  Mionachag'. 

Murchag  und  Mionachag  gehen  aus,  um  Frucht  zu  sam- 
meln. Murchag  will  sammeln,  Mionachag  will  essen.  Da 
sucht  Murchag  eine  Rute,  die  Rute  aber  heisst  ihn  erst 
eine  Axt  holen,  die  Axt  einen  Schleifstein,  der  Schleifstein 
Wasser  u.  s.  w. 

Dies  in  allen  Teilen  des  Hochlands  bekannte  Kinder- 
märchen ist  nah  verwandt  dem  deutschen  vom  Tode  des 
Hühnchens  (Grimm  Nr.  80).  dem  norwegischen  von  Hahn 
und   Henne    (Asbiörnsen   Nr.  If))    und   dem    elsässischen    von 


17.    Ueber  Campbells  Sammlung  gälischer  Märchon   5 — 9.        ISb 

Kätzchen  und  Mäuschen  (Stöber  eis.  Volksbiuthl.  S.  \)'j). 
[Birlinger,  Nimm  mich  mit  S.  115.]  Im  Allgemeinen  gehurt 
es  zu  der  zahlreichen  Gattung  der  Kiiulermärchen,  die  man 
„Häufungsmärchen"   genannt  hat. 

Im  gälischen  Märchen  kommt  am  Schlüsse  auch  der  Zug 
vor,  dass  Wasser  in  einem  Sieb  geholt  werden  soll.  Eine 
Krähe  ruft  „Creah  rooah  s'cöinneach"  (Lehm  und  Moos),  und 
so  wird  I  das  Sieh  verklebt.  In  ähnlicher  AVeise  macht  in  i24 
einem  schottischen  Märchen  bei  Chambers  populär  rhymes 
of  Scotland,  3.  ed.,  S.  241,  ein  Rabe  einen  Burschen  auf  das 
Auslaufen  seines  Kruges  aufmerksam,  und  der  Bursch  verklebt 
den  Krug,  [(irimm,  DM.  1065,  Folk-lore  Journ.  1,  294, 
Zingerle  1,  21,  Brueyre  p.  GO.  Gl.  G4,  Asbjörnsen  no.  15, 
Sv.  Landsmälen  5,  1,  5.  H4,  Veckenstedt  1,  144,  Ralston 
p.  149,  Goldschmidt  S.  161,  Kennedy  p.  35,  Yinson  62,  Vi- 
sentini  no.  20,  Maspons  1,  no.  22,  Harris,  Uncle  Remus  no.  20.] 

9.    Der  braune  Bär  des  grünen  Thals. 

Ein  König  von  Erin  kann  sein  Augenlicht  und  die  Kraft 
seiner  Füsse  nur  wieder  erlangen  durch  das  Wasser  von 
der  grünen  Insel.  Seine  drei  Siihne,  deren  jüngster  für 
einfältig  gilt,  ziehen  aus  es  zu  liolen.  Der  jüngste  kommt 
mit  Hilfe  eines  Bären  und  dreier  Riesen  auf  die  grüne  Insel 
und  füllt  nicht  nur  drei  Flaschen  mit  dem  Wasser,  sondern 
findet  auch  noch  ein  nicht  alle  werdendes  Brot,  einen  eben- 
solchen Käse  und  eine  immer  volle  Flasche,  die  er  sämmt- 
lich  mitnimmt,  und  endlich  eine  schlafende  Jungfrau,  bei  der 
er  schläft.  Auf  der  Heimkehr  treffen  ihn  seine  Brüder, 
nehmen  ihm  die  drei  Flaschen  ab  und  schlagen  ihn  halb 
tot.  Dann  lebt  er  vei'borgen  bei  einem  Schmied.  Die  dung- 
frau  von  der  grünen  Insel  aber  bekommt  nach  drei  Viertel- 
jahren einen  Sohn.  Sie  zieht  aus,  seinen  Vater  zu  suchen. 
Die  von  dem  Königssohn  auf  der  Insel  gefundenen  Gegen- 
stände, die  Flasche,  das  Brot  und  der  Käse,  die  er  unter- 
wegs bei  den  drei  Riesen  gelassen,  bringen  sie  auf  die  Spur, 
und  durch  einen  Vogel,  von  dem  sie  weiss,  dass  er  dem 
Vater  ihres   Sohnes   auf  den  Kopf  springen   wird,    prüft  sie 


18()  Zur  3Iärrhenfor8chung. 

alle  Männer  in  Erin  und  entdeckt  endlich  den  Köuigssohn. 
[Zs.  f.  d.  Mythol.   1,  40:  Apfel.] 

Dieses  nicht  durchweg  gut  erhaltene  Märchen  ist  eine 
Variation  des  deutschen  vom  Wasser  des  Lebens  (^Grimm 
Nr.  97).  Zu  den  von  Grimm  nachgewiesenen  verschiedenen 
Gestaltungen  füge  man  die  litauischen  Schleicher  S.  20  und 
die  —  sehr  abweichende  —  russische  bei  Vogl  S.  117. 
[Gonzenbach  no.  64,  '2.  Teil,  Schiefner.  Awar.  Texte  no.  10, 
Jagic  no.  27.] 

10.    Die  drei  Soldaten. 

Drei  abgedaid-cte  Soldaten  treffen  mit  drei  verwünschten 
Jungfrauen  zusammen,  von  denen  sie  einen  immer  vollen 
Seckel,  ein  Wunschtüchlein  und  eine  Pfeife,  deren  Pfiff  ein 
Regiment  Soldaten  herzaubert,  geschenkt  erhalten.  Daran 
schliesst  sich  die  Geschichte  von  der  ränkevollen  Konigs- 
125  tochter  und  den  j  Aepfeln.  deren  eine  Art  dem  sie  verzeliren- 
den  Hirschhörner  wachsen  lässt.  die  andere  Art  sie  wieder 
wegbringt,  alle  ähnlich  wie  in  dem  ^^dksl)uche  von  Fortnnats 
Söhnen  und  in  den  verwandten  ]\Iärchen.  Vgl.  Zachers  Ar- 
tikel über  Fortunatus  in  Ersch  und  Grubers  Eucyklopädie 
und  Grimm  zum  122.  Märchen.  Zu  (irimms  Nachweisen 
füge  man  noch  zwei  deutsche  Märchen  bei  Zingerle  Kinderm. 
aus  Süddeutschi.  S.  7H,  eins  bei  Curtze  Volksüberlieferungen 
aus  Waldeck    S.  34    und    ein    rumänisclies   im  Ausland  iS.iO 

5.  716,  vgl.  GgA  l.S(;2  S.  H.5H.  In  dem  hessischen  Märchen 
bei  Grimm  und  in  dem  waldeckschen  sind  die  Helden  auch 
drei  arme  Soldaten.    [Gonzenbach  no.  81,  Zs.  d.  V.  f.  Volksk. 

6,  70.  Mac  Innes  p.  4<S0  zu  no.  9,  Magdougall  p.  2S(i.  :MH}.] 

Unter  mehreren  gälischen  Varianten,  die  Cam])bell  mit- 
teilt, ist  l)esonders  eine  merkwürdig,  in  welcher  die  Soldaten 
Schwaueujungfrauen  treffen  und  von  ihnen  einen  nie  leeren 
Beutel,  ein  Hörn,  das  Soldaten  herbeibläst,  und  ein  Messer, 
durch  dessen  Oeffnung  man  sich  überall  hin  versetzen  kaim, 
erhalten.  In  dieser  Fassung  wird  die  Königstochter  von  der 
Insel  wieder  nach  Hause  versetzt,  indem  sie  ihre  Nägel  ab- 
schneiden  will,    des   sclihifenden  Soldaten  Messer  inmmt    und 


17.    Ueber  Cam[)bells  Sammlung  gälisL'her  ^läifhen  9 — 12.       ]S7 

beim    Aufschlagen    desselbeii    denkt:    0    wäre    ich    (hich.    wo 
mir  die  Nägel  gewachsen  siiidl 

11.    Die  Tiere  im  Kiiiiberhause  ^). 

Ein  Schaf,  ein  Ochse,  ein  Hund,  eine  Katze,  ein  Hahn 
und  eine  (iaiis  treffen  einander  auf  der  Flucht  vor  dem 
Schlachtmesser  ihrer  Herren,  ziehen  mit  einander  und  linden 
Nachts  im  Walde  ein  Diebshaus,  erschrecken  und  verscheuchen 
aber  die  Diebe  daraus. 

Das  Märchen  kommt  in  Deutschland  mehrfach  vor.  In 
Grimms  (Nr.  27)  Bremer  Stadtmusikauten  sind  die  Tiere 
Esel,  Hund.  Katze.  Hahn:  Ix-i  Meier  Volksmärchen  aus 
Schwaben  Nr.  8:  Ochs,  Pferd.  Hund,  Hahn.  Katze,  Gaus:  bei 
Kuhn  westfälische  Sagen  H  S.  229:  Pferd,  Esel,  Ochse,  Kuh, 
Ziege,  Schaf,  Hund.  Katze.  (Jans.  Hahn.  Henne,  Ente:  bei 
Rollenhagen  (Grimm  in  den  Anmerkungeji  zu  Nr.  27):  Ochs 
Esel,  Hund.  Katze.  Hahn.  Gans.  [Gonzenbach  no.  (iiJ.  Zs.  d. 
V.  f.   Volksk.  (i.  l(i.").J  : 

1'2.    Die  Tochter  der  Wolken.  i2(; 

Ein  Pachter  verspricht  einem  Hnnde  eine  seiner  drei 
Töchter  zur  Frau.  Die  Jüngste  willigt  ein  und  zieht  mit  dem 
Hunde  weg,  der  Naclits  ein  schTuier  Mann  wird.  Durch  drei- 
malige L'eberschreitung  eines  Verbotes  verliert  sie  ihn  und 
zieht  aus,  ihn  wieder  zu  finden.  Sie  trifft  ihn.  wie  er  —  von 
der  Hundsgestalt  erhist  —  Hochzeit  mit  der  Tochter  des 
Königs  der  Wolken  gemacht  hat.  Für  idne  V(Ui  selbst  nähende 
Nadel,  eine  von  selbst  schneidende  Scheere  und  einen  von 
selbst  sich  einfädelnden  Faden,  welche  Gegenstände  sie  unter- 
wegs von  drei  Schwestern  erhalt»Mi  hat,  verschafft  sie  sich 
dreimal  von  der  Königstochter  die  Erlaubnis,  im  Schlafgemache 
ihres  Mannes  die  Nacht  zuzubringen,  und  beim  drittenmale, 
da  er  den  ihm  auch  diesmal  von  der  Königstochter  gereichten 
Schlaftrunk   nicht  getrunken   hat.   gelingt  es  ihr.    sich  ihm  zu 


^)  Bei  Cam]»I)L^ll:   Das  Märflu'ii   vom   weisson   Schaf. 


l^S  Zur  Märchenforsehung. 

erkennen  zn  geben  und  seine  Liebe  wieder  zu  gewinnen. 
[Vgl.  Campbell  8,  292.] 

Dies  in  der  vorliegenden  Fassung  vielfaeh  getrübte  Mär- 
chen stimmt  der  Hauptsache  nach  zu  Grimms  (Nr.  8(S) 
Lüweneckerchen,  was  Campbell  übersehen  hat,  zum  Teil 
auch  zu  der  Variante  von  (Nr.  127)  Eiseuofen  (3,  20(S),  wo 
die  suchende  Gattin  von  Sonue,  Mond  und  Sternen  ein  goldnes 
Spinnrad,  eine  goldene  Haspel  und  eine  goldene  Spindel  er- 
hält und  dafür  sich  den  Zulass  in  ihres  Mannes  Schlafzimmer 
erkauft. 

Nah  verwandt  mit  diesem  Märchen,  zugleich  aber  auch 
mit  Nr.  3  ist  ein  schottisches  Märchen,  das  Chambers  Populär 
rhymes  of  Scotland,  3.  ed.,  S.  244  ff.  in  zwei  Fassungen  mit- 
teilt, das  Märchen  vom  „schwarzen  Ochsen  von  Norwegen". 
In  der  einen  Fassung  muss  das  Mädchen  einen  Glashügel  — 
wie  in  Nr,  3  einen  Gifthügel  —  überschreiten,  was  sie  nur 
mit  Hilfe  eiserner  Schulie  kann,  die  ihr  ein  Sehmied  ver- 
fertigt, dem  sie  dafür  sieben  Jahre  dient.  [Kuhu-Scliwartz 
S.  347    ,Die    Seidenspinnerin",    Gruiultvig   2,   35,    Asl)jornsen 

p.  4<;4  f.]  I 

294  1'^.    Das  Mädchen  und  der  tote  Mann. 

Drei  Töchter  ziehen  aus,  ihr  (ilück  zu  suchen.  Die 
Mutter  bäckt  ihnen  Kuchen  und  fragt,  ob  sie  ein  grosses 
Stück  mit  ihrem  Fluch  oder  ein  kleines  mit  ihrem  Segen 
haben  wdllten  ^).  Nur  die  Jüngste  verlangt  das  Letztere. 
Unterwegs  teilt  auch  die  Jüngste  ihr  Stück  mit  Vögeln, 
während  die  Aeltesten  dies  nicht  thun  und  dafür  auch  von 
den  Vögeln  verflucht  werden.  Die  Aeltesten  werden  dann 
verzaubert,  dass  sie  tot  hinfallen,  die  Jüngste  aber,  der  in- 
folge des  Segens  alles  glückt,  belebt  schliesslich  die  Schw'estern 
wieder.  —  Das  Märchen  ist  im  Einzelnen  nicht  überall  klar. 
F^in  ihm  genauer  entsprechendes  ^lärchen  ist  mir  sonst  nicht 
bekannt.     Verwandt    sind    die    verschiedenen    Märchen    von 


')  Diese  Frage   kommt    in  mehreren   gälisclien   Märehen   vor.      Vgl. 
Nr.  It;   unil  17  nud  Cliambers  pojiuliir   rliynies  of  Sootland,  3.  ed.,  S.  239. 


17.    Ueber  Cainpbells  Sammlung  gälischer  Märclu'ii   12      14.      isi) 

guten    und    bösen   Töchtern,    siehe  Grimm  zu  Nr.  ]'4  und  24. 
[Ralston  p.  -289.] 

14.    Die  Königstochter,  die  ihr  Vater  heiraten  wollte. 

Einem  König  war  seine  Gemahlin  gestorben  und  er  wollte 
nur  die  heiraten,  der  die  Kleider  jener  passten.  Es  fand  sich, 
dass  dies  bei  seiner  Tochter  der  Fall  war.  und  so  wollte  er 
sie  heijraten.  Auf  Rat  ihrer  Amme  erbittet  sie  sich  aber  ein  295 
Kleid  von  Schwansfedern,  dann  eins  von  einem  Oanach  (?), 
eins  von  Seide,  (Jold  und  Silber,  einen  goldenen  und  einen 
silbernen  Schuh,  und  zuletzt  einen  fest  verschliessbaren 
schwemmenden  Kasten.  Alles  wird  geschafft  und  sie  setzt 
sich  mit  den  Kleidern  und  Schuhen  in  den  Kasten  und  ver- 
traut sich  dem  Meer  an.  Der  Kasten  schwämmt  an  Land. 
Sie  steigt  aus  nnd  wird  Küchenmädchen  beim  Koch  des 
Königs  des  Landes.  Heimlich  geht  sie  an  verschiedenen 
Sonntagen  mit  den  verschiedenen  Kleidern  in  die  Kirche. 
Der  Krmigssolin  verliebt  sich  in  sie  und  lüsst  ihr  zuletzt  auf- 
passen. Sie  entflieht,  aber  lässt  ihren  goldenen  Schuh  zu- 
rück. Nnn  will  der  Prinz  nur  die  heiraten,  der  der  Schuh 
passt.  Viele  schneiden  sich  Zehen  und  Ferse  deshalb  ab, 
aber  ein  Vogel  verrät  dies  nnd  dass  der  Schuh  der  Küchen- 
magd passe.  So  wird  sie  entdeckt  und  heiratet  den  Kö- 
nigssohn. 

In  einer  andern  Version  verlangt  die  Königstochter  ein 
Kleid  von  Federn,  ein  silbernes  und  ein  goldenes  nnd  glä- 
serne Schuhe.  Dann  entkommt  sie  auf  einem  Pferde  mit 
einem  zauberischen  Zanm.  Sie  geht  nachher  nicht  zur  Pre- 
digt, sondern  zu  Hoffesten.  Und  weil  die  Königin,  als  sie 
nm  Erlaubnis  bittet,  zum  Feste  zu  gehen,  ihr  dies  verweigert 
und  das  einemal  ein  Waschbecken,  das  anderemal  einen 
Leuchter  nach  ihr  wirft,  so  sagt  sie  einmal  zum  Prinzen,  sie 
sei  ans  dem  Königreich  vom  zerbrochenen  Waschbecken,  und 
das  zweitemal  aus  dem  vom  zerbrochenen  Leuchter  ^). 


*)  In    dem    zum   grossen    Teil   —  wie    auch    Campbell    bemerkt  — 
hierher  gehörigen  norwegischen  Märchen    „Kari   Traestak''    (Asbjörnsen 


li)()  Zur  .Märc'henforscluuig. 

Dieses  Märchen  ist  zusainmeiigesetzt  aus  den  beiden  viel- 
vevbreiteten  Märchen,  die  wir  mit  (irimm  (Nr.  (Jf)  und  21) 
Allerleirauh  und  Aschenputtel  nennen  wollen.  Campbell 
nennt  nicht  gerade  diese  beiden  Märchen,  aber  vergleicht 
mehrere  verwandte,  die  auch  (Irimm  in  den  Anmerkungen 
nicht  übersehen  hat.  Besonders  ausführlich  vergleicht  er 
den  sehr  nahe  verwandten  Anfang  des  4.  Märchens  des 
Straparola.  Zu  (irimms  Anmerkungen  über  Allerleirauh  füge 
296  man  noch  Schleicher,  litauische  |  Märchen  S.  10,  zu  denen 
über  Aschenputtel  Maurer  isl.  Volkssagen  S.  "ÜSl,  Wolf  Proben 
portug.  u.  catal.  Volksrom.  S.  43,  Chambers  populär  rhymes 
of  Scotland  8.  ed..  S.  iMS.     [Unten  zu   Lang,  Rasliiu  Coatie.] 

Grimma,  IKi  erwähnt  eine  farr)ische  Sage,  wo  der  ver- 
witwete Kr»nig  nur  die  zur  Ehe  nehmen  will,  der  die  Kleider 
der  verstorbenen  Königin  passen,  also  ganz  wie  im  gälischen 
Märchen.     [Grundtvig  2,  80,  Gonzenbach  no.  3S.] 

15.    Der  arme  und  der  reiche  Bruder. 

Kin  Scli\vaid<  von  einem  Armen,  der  die  Lei(;he  der 
Schwiegermutter  seines  reichen  Bruders  immer  wieder  aus- 
gräHt  und  in  das  Haus  des  Bruders  schafft,  diesem  aber  ein- 
redet, sie  käme  von  selbst  wieder,  weil  ihr  Begräbnis  nicht 
feierlich  genug  gewesen.  Der  Bruder  lieisst  ihn  allemal  sie 
wieder  begraben,  und  der  Arme  behält  immer  einen  Teil  des 
aufzuwendenden  Geldes  für  sich. 

Der  Schwank  ist  mir  sonst  nicht  begegnet.  |Cos(iuin 
no.  SO,  ßraga  no.  109,  Folk-lore  Journ.  1,  184,  Kristensen 
no.  49,  Bondeson,  Sv.  fs.  no.  11.]  Die  vielen  Schwanke,  die 
von  der  Hagen  Gesamtabenteuer  o,  S.  XLIV  ff",  anführt,  denen 
man  Gaal  Märchen  der  Magyaren  S.  27()  und  Haltrich  Nr.  (il 
hinzufüge,  sind  nur  insofern  ähnlich,  als  in  ihnen  ein  Leich- 
nam und  dessen  Fortschaft'ung  Hauptinhalt  ist.  [Bolte  zu 
Schumann,  Nachtbüchlein  Nr.  19  und  Frey,  Gartengesellschaft 
1896  S.  281.1 


Nr.  1!))  sagt  die  Königstoeliter,  sie   sei  aus  Waschland,  dann  aus  llnnd- 
tuciiland,  endlich  aus  Kaniinland.      [Oben   S.  62  zu   Hchneller  ni).  24.] 


17.    Ueber  Cainiiljells  Saiiiiiiluiig  gälisclicr   Miirclicii    l-t-    Iti.       {\)\ 

l(i.    Des  Königs  von  Lochiin  drei  Tochter. 

Die  drei  Töchter  des  Königs  von  Locldin  sind  von  drei 
Riesen  geranbt  und  können  imv  mit  Hilfe  eines  zu  Wasser 
und  zu  Lande  gehenden  Schiffes  wieder  befreit  werden. 
Drei  Söhne  einer  Witwe  wollen  Holz  hauen,  um  das  Schiff 
zu  bauen.  Die  Mutter  bäckt  ihnen  Kuchen  und  fragt:  Was 
ist  besser,  der  kleine  Ku(dien  mit  meinem  Segen  oder  der 
grosse  mit  meinem  Fluch'.''  Die  beiden  ältesten  ziehen  das 
letztere  vor,  der  jüngere  diis  erstere  ^).  Eine  Uruisg,  der  die 
ältesten  nichts  von  ihrem  Kuchen  gel)en,  baut  tlem  jüngsten, 
der  ihr  Kuchen  giebt,  in  dabr  uud  Tag  das  Schiiil',  und  er 
zieht  mit  drei  (irosseu  des  Hofes  aus.  Unterwegs  treffen  sie 
noch  einen,  der  einen  Strom  austrinkt,  einen,  der  einen  Stier 
isst,  und  einen,  der  das  Gras  wachsen  \  hiirt.  Mit  ihrer  Hilfe  297 
entdeckt  der  düngling  die  unterirdische  Riesenhcihle  und  be- 
freit die  Königstochter,  die  mit  jenen  drei  Grossen  zurück- 
kehren. Ju-  ;iber  inuss  flahr  und  Tag  bei  einem  der  Kiesen 
(die  beiden  andern  sind  zer])]atzt,  indem  sie  mit  dem  Esser 
und    dem   Trinker  um  die   Wette  assen  und  tranken)  dienen. 

Nach  Verlauf  der  Zeit  soll  ein  Adler  des  Riesen  ihn  aus 
der  Höhle  tragen,  kehrt  aber  unterwegs  um.  weil  er  kein 
Fleisch  zum  Fressen  mehr  mit  hat.  So  muss  der  flüngling 
noch  ein  dahr  bleiben,  und  dann  wiederholt  sich  das  Näm- 
liche, bis  beim  drittenmal  der  Jüngling  dem  Adler  ein  Stück 
Fleis(;h  aus  seinem  eignen  Schenkel  ausschneidet.  Der  Adler 
trägt  ihn  nicht  nur  aus  der  Höhle,  somlerji  giebt  ihm  auch 
eine  Pfeife,  ihn  in  Not  herbeizurufen.  Der  Jüngling  geht 
nun  in  die  Stadt  jenes  Königs,  wo  die  drei  Grossen  sich  als 
die  Befreier  der  Prinzessinnen  ausgegeben  haben  und  sie 
bald  heiraten  sollen,  als  Knecht  zu  einem  Sclimied.  Die  drei 
Prinzessinneu  verlangen  von  dem  Schmied  Kronen,  wie  sie 
solche  bei  den  Riesen  gehabt  haben,  und  der  Jüngling  schafft 
durch  den  Adler  die  Kronen  selbst  herbei.  Der  Schmied  ge- 
steht, dass  sein  Bursche  die  Kronen  gemacht  habe,  und  der 
König  lässt  ihn  in  einem  Wagen  abholen.    Da  aber  die  Diener 

\)  Wie  in  Nr.   13. 


192  ^ur  Märohentorschuiig. 

des  Königs  den  Jüngling  nicht  höflich  genug  behandeln,  so 
lässt  er  sich  zweimal  durch  den  Adler  aus  dem  Wagen 
heraus  und  Steine  hineinschaffen.  Erst  als  ein  Vertrauter 
abgesandt  wird,  bleibt  er  im  Wagen  und  lässt  sich  durch 
den  Adler  das  (iold-  und  Silbergewand  des  Riesen  holen. 
Seine  Hochzeit  mit  der  ältesten  Königstochter  schliesst  das 
Märchen. 

Campbell  erklärt,  dass  das  Märchen  als  Ganzes  kein 
Seitenstück,  in  den  Einzelheiten  aber  viele  Parallelen  habe, 
am  meisten  ähnlich  sei  es  dem  deutschen  Märchen  (Grimm 
Nr.  64)  von  der  goldenen  (ians.  In  der  That  ist  letzteres 
Märchen  dem  gälisclien  insofern  sehr  ähnlich,  als  ein  graues 
Männchen  einen  Jüngling,  der  ihm  von  seinem  Kuchen  mit- 
geteilt, während  zwei  ältere  Brüder  desselben  dies  nicht  ge- 
than,  dafür  beschenkt,  und  als  ein  König  von  dem  Jüngling, 
bevor  er  ihm  seine  Tochter  zur  Frau  giebt,  verlangt,  dass 
er  ihm  einen  Mann,  der  einen  Weinkeller  austrinke,  einen, 
<ler  einen  Brotherg  aufesse,  und  ein  zu  Eand  und  zu  Wasser 
fahrendes  Schiff  schaffe,  ihm  zu  allem  diesem  verhilft.  Das 
29«  norwegische  Märchen  vom  Vogel  Dam  |  (Asbjörnsen  Nr.  5), 
welches  Campbell  ebenfalls  vergleicht,  ist  insofern  ähnlich, 
als  nach  ihm  zwölf  von  Riesen  entführte  Prinzessinnen  be- 
freit werden,  ein  falscher  Ritter  sicli  für  ihren  Befreier  aus- 
giebt,  der  Vogel  Dam  den  in  dem  Riesenhause  zurückge- 
lassenen wahren  Befreier  auf  seinem  Rücken  fortträgt,  und 
dieser  Befreier  endlich  erkannt  wird,  weil  er  die  Kronen, 
welche  die  Prinzessinnen  bei  dem  Riesen  trugen,  bei 
sich  hat. 

p]s  giebt  mehrere  deutsche  Märchen,  in  welchen  erzählt 
wird,  wie  ein  König  seine  Tochter  nur  dem  geben  will,  der 
ein  zu  Land  und  zu  Wasser  fahrendes  Schiff  baut, 
wie  ein  Jüngling  ein  solches  Schiff'  bekommt  und  mit  Hilfe 
mehrere  wunderbar  gearteter  Menschen  auch  noch  weitere 
Aufgaben  des  Königs  löst  und  die  Hand  der  Prinzessin  er- 
hält. In  Wolfs  deutschen  Märchen  und  Sagen  Nr.  2.5  ver- 
suclien  drei  Brüder  das  Schiff  zu  bauen,  aber  nur  der  jüngste 
bekommt    es    fertig,    weil  er  gegen  eine  alte  Frau  freundlich 


17.     Ui'liiT   ("aiiipl)<j|ls   Sani III hl II g'  giilisclicr  Märclieu    1(>.  1<);-^ 

ist.  Auf"  iliieii  Rat  nimmt  er  unterwegs  einen  gewaltigen 
Hsser,  einen  Trinker,  einen  f.änfer,  einen  Bläser  und  einen, 
dessen  lUichse'  zweitausend  Stunden  weit  knallt,  mit  ins 
Schitt"  und  liist  mit  ihrer  Hilfe  die  Aut"gai)en  des  Königs.  In 
einem  niedersäclisiselien  Märchen  bei  Schambach  und  Müller 
Nr.  18  baut  ein  kleines  altes  Männchen  einem  Hirtenjungen 
das  gewünschte  Schitt".  das  ohne  Wind  und  Wasser  fährt,  und 
rät  ihm.  auf  dem  Wege  zum  KTmige  mitzunehmen,  wer  ihm 
begegnen  würde.  Es  begegnen  ihm  dann  ein  Esser,  ein 
Trinker,  ein  Läufer,  ein  Schütz.  In  einem  schwäbischen 
Märchen  bei  Meier  Nr.  ol  baut  ein  alter  Mann  dem  jüngsten 
von  drei  Brüdern,  der  mit  ihm  sein  Erühstück  geteilt  hat, 
das  zu  Land  und  zu  Wasser  fahrende  Schitt",  und  der  Jüng- 
ling tritt't  unterwegs  einen  Schützen,  einen  Horcher,  einen 
Laufer  und  einen,  der,  wenn  er  einen  Zapfen,  der  in  seinem 
Hintern  steckt,  losmacht,  ein  ganzes  Kr»nigreich  vollmachen 
kann.  MülleulKttt"  S.  457  erwähnt  ein  ditmarsisches  Märchen, 
in  welchem  ein  altei*  Mann  dem  jüngsten  vim  viin-  Brüdern 
für  einen  Aschpfaunkuchen  das  Schitt"  niel)f.  Darauf  —  sagt 
Mülleidiott"  —  folgt  das  Märchen  von  den  sechs  (oder  drei) 
Dienern.  In  dem  Märchen  vom  Vogel  (ireif  liei  (irimm 
Nr.  Kl")  giebt  ein  altes  Männchen  dem  jüngsten  von  drei 
Brüdern,  der  es  freundlich  l>ehandelt,  einen  Nachen  fürs 
trockene  Land,  wie  ihn  der  Kiinig  für  die  Hand  seiner  Tochter 
verlangt,  weiter  aber  verläuft  das  Märchen  j  anders.  In  einem  299 
jMärchen  bei  Pröhle  Kinder-  und  Volksm.  Nr.  Ti!  (vgl.  dazu 
pag.  XL\'ll)  verlangt  eine  Königin  von  ihreii  drei  Srdmen  ein 
zu  Land  und  zu  Wasser  fahrendes  Schitt".  der  jüngste  erhält 
es  von  einem  alten  Männchen,  mit  dem  er  sein  Erühstück 
teilt.  Ebenso  erhält  in  einem  Märchen  bei  Kuhn  und  Schwartz 
Nr.  7  der  jüngste  Kr»nigssohu  einen  Kahn  ohne  Pttock  und 
Nagel.  In  dem  Märchen  von  Rinroth  bei  Mülleuhott"  Nr.  21 
erhält  ein  -Jüngling  von  drei  alten  Weibern,  denen  er  ihr  ge- 
meinsames eines  Auge  genommen  und  dann  wieder  gegeben 
hat.  ein  Schitt",  das  man  in  die  Tasche  stecken  kann  und  das 
zu  Lande  und  zu  Wasser  gehen  kann.  Mit  Hilfe  dieses 
Schitt'es    und  anderer  Wundergaben  der  drei  Alten  befreit  er 

R.Köhler,    Kl.  Schriften.    I.  lo 


1^)4:  '^i'i"  -Müfflienforschung. 

eine  Priuzess  von  drei  Kiesen,  die  er  erschlägt:  fälschlich 
giebt  sich  aber  ein  anderer  für  den  Befreier  der  Prinzessin 
aus,  bis  er  zuletzt  entlarvt  wird.  Nahe  verwandt  hiermit  ist 
das  norwegische  Märchen  von  Lillekort,  Asbjörnsen  Nr.  24. 
[Gonzenbach  Nr.  74.  Zs.  d.  V.  f.   Volksk.  (i,   KIS.] 

Das  sind  die  Märchen,  die  icli  nachweisen  kann,  in  denen 
ein  Schiff  vorkommt,  das  zu  Lande  und  zu  Wasser  geht. 
W.  Grimm  erinnert  in  der  Anmerkung  zu  Nr.  1(55,  dass  man 
auch  in  Finnland  von  einem  goldnen  Schiff  wisse,  das  von 
selbst  über  Land  und  Meer  fährt  (Schiefner  in  den  Melanges 
russes  2,  S.  (311  [Salmelainen  "J,  28])  und  meint,  dass  damit 
vielleicht  ursprünglich  der  Lauf  der  Sonne  angedeutet  werden 
S(dlte.  Lin  wunderbares  Schiff,  das  sich  wie  ein  Tuch  zu- 
sammenfalten Hess,  fertigten  die  Zwerge  dem  Freyr,  siehe 
Grimms  Mythologie  S.  11)7. 

Was  die  wunderbar  begabten  Menschen  betrifft,  so  be- 
nierkt  Campbell  S.  24!>,  dass  in  einem  andern  gälischen  Mär- 
chen noch  mehr  der  Art  vorkommen  [Mac  Innes  ISOO  p. 
44.').  4'.>2|.  nud  erinnei't  (hinn  an  (irimms  Nr.  71  uiul  die  An- 
merkungen dazu.  Man  vergl.  auch  Henfeys  Aufsatz  über  das 
.Märchen  von  den  „Menschen  mit  den  wunderbaren  Eigen- 
schaften", Ausland  1<S5<S.  Nr.  41—45.  [=  Benfey,  Kl. 
Schriften  8.  ;>4.| 

Der  eigentinnliche  Zug  des  gälischen  ]\lärchens,  dass  der 
Held  sich  selbst  Fleisch  aus  dem  Schenkel  ausschneidet  und 
es  dem  Adler  giebt.  erinnert  an  buddhistische  Legenden,  vgl. 
Benfeys  Pantschatantra  1.  2 IG  f.  und  oSS  ff.,  und  kommt 
vor  in  dem  auch  sonst  verwandten  slavonischen  Märchen  vom 
Vogel  Kiiija.  (Vogl  Volksm.  S.  111.)  [Gonzenbach  Nr.  (31, 
Zs.  (1.   V.  f.   Volksk.  (5.   1(34,  Blade  1,   190.  202.] 

Dem  Adler  des  gälischen  Märchens  entspricht,  wie  schon 
300  oben  bemerkt,  in  einem  norwegischen  der  Vogel  Dam,  der  — 
wir  wissen  nicht  warum  —  den  Königssohn  aus  der  Riesen- 
wohnung fortträgt.  In  dem  ungarischen  Märchen  von  der  Speck- 
festung ((iaal  S.  77),  welches  in  mehreren  Punkten  mit  dem  nor- 
wegischen zusammen  stimmt  (vgl.  auch  Grimm  8,  34(5),  trägt 
ein  Greif  den  Krniigssolm.  der  die   Eier  der  (ireifen  vor  dem 


17.     TebiM-  ("Mni|ilM'lls  Saiunilinii;'  ^älischcr   ilürclim    Ki.    17.       \\)') 

Ilagel  gescliützt  liut.  wie  Milan  im  shivoiiischeii  die  -liiugeii 
(ie.s  Kiiija  V(ir  tMiiein  Drachen,  aus  Daukharkeit  auf  seinem 
Kücken  aus  dem  unterirdischen  Drachenreiche.  Der  Schluss  der 
ungarischen  Märchen  ist  dem  gälischen  ähnlich,  indem  der 
Königssohn  anerkannt  als  Schneider-,  Schuster-  und  (luld- 
schmiedegesell  dient  und  Gegenstände  aus  den  Drachen- 
schlössern  herheischafft,  welche  die  von  ihm  befreiten  Prin- 
zessinnen verlangen,  und  dadurch  endlich  seine  Krkennung 
herbeiführt. 

17.    Maol. 

Kine  Witwe  hat  drei  Töchter,  die  ausziehen  wollen,  ihr 
(Hück  zu  suchen.  Sie  bäckt  Kuchen  und  fragt  jede,  ob-  sie 
die  grössere  Hälfte  und  ihren  Fluch,  oder  die  kleinere  und 
ihren  Segen  haben  wolle  ^).  Nur  Maol,  die  jüngste,  will  den 
Segen.  Die  beiden  ältesten  binden  unterwegs  dreimal  Maol 
fest,  weil  sie  sie  nicht  mit  sich  liaben  wollen,  aber  der  Mutter 
Segen  iiuu^ht  sie  immer  wieder  \'ve\.  Sie  kommen  nun  in  das 
Haus  eines  Hiesen  und  schlafen  mit  in  den  Betten  der  drei 
lliesentrxditer.  Nachts  will  der  Riese  sie  töten  lassen,  aber 
Maol  hat  ihre  und  der  Riesentöchter  Halsbänder  heimlich 
vertauscht,  und  s(»  werden  die  Riesent(ichter  umgebracht  und 
der  Riese  trinkt  ihr  Blut.  Dann  fliehen  die  Schwestern  und 
ein  Fluss  hemmt  die  Verfolgung  des  Riesen.  (In  einer  Fas- 
sung reisst  sich  Maol  ein  Haar  aus  und  macht  daraus  eine 
Brü(^ke.  In  einer  dritten  ist  eine  Brücke  aus  zwei  Haaren 
über  dem  Strom,  über  die  Maol  die  Schwestern  trägt.)  Sie 
kommen  zu  einem  Pächter,  der  ihnen  seine  drei  Söhne  ver- 
spricht, wenn  Maol  ihm  des  Riesen  Kämme,  sein  Schwert  und 
seinen  Bock  bringe.  Die  beiden  ersten  (iegenstände  stiehlt 
Maol  glücklich,  als  sie  aber  den  Bock  stehlen  will,  fängt  sie 
der  Riese.  Sie  bestimmt  sich  selbst  die  Todesart,  sich  in 
Milchsuppe  tot  zu  essen,  in  einem  Sack  aufgehängt  und  darin 
mit  Knitteln  zerschlagen  und  ins  Feuer  geworfen  zu  werden. 
Sie    verschüttet  |  die  Suppe    und   stellt   sich    tot.      Der   Riese  '^'*' 


')  Vgl.  Nr.  13. 

13* 


jf)(')  ^iii"  Märclieuturscluin^. 

bindet  sie  in  den  Sack  und  hängt  ihn  auf  und  geht  in  den 
Wald  Holz  holen.  Da  beredet  Maol  die  alte  Mutter  des 
Riesen,  wer  in  dem  Sacke  stecke,  wäre  in  der  (ioldstadt, 
und  die  alte  lässt  sich  an  ihrer  Stelle  in  den  Sack  stecken 
und  wird  von  dem  Riesen  totgeschlagen.  Vergeblich  rief  sie: 
Ich  selbst  bin's!  Der  Riese  antwortete:  Ich  weiss  es  wohl! 
Als  der  Riese  dies  dann  entdeckt,  setzt  er  den  mit  dem  Bock 
entflohenen  Mädchen  nach  und  holt  sie  am  Fusse  ein,  über 
den  er  aber  nicht  kann.  Kr  fragt  Maol.  was  sie  an  seiner 
Stelle  thun  würde,  um  ülier  den  Fluss  zu  kommen.  Sie  ant- 
wortet: ihn  austrinken.  Fr  trinkt,  bis  er  platzt.  Die  drei 
Schwestern  heiraten  nun  die  drei  Brüder. 

Campbell  erwähnt  noch  mehrere  gälische  Variationen, 
deren  Abweichungen  meist  unbe<leutend  sind.  Die  Ab- 
w'eichungen  bezüglich  der  Brücke  liabe  ich  mitgeteilt.  [Jacobs, 
More  celtic  fairy  tales  no.  311] 

In  einer  Fassung  ist  der  Pachtei-  ein  König,  und  die  Dieb- 
stähle Maols  und  ihre  List  dabei  werden  ausfüliilich  erzählt. 
Maol  wird  nicht  in  einem  Sack,  sondern  in  einem  geschlach- 
teten Bock  aufgehängt  und  beredet  dann  des  Riesen  Weib, 
sich  hineinstecken  zu  lassen,  indem  sie  sie  neugierig  macht 
auf  den  schönen  Anblick,  den  sie  habe. 

Die  Vertauschung  der  Halsbänder  kömmt  in  Per- 
raults  petit  poucet  und  in  einem  Tiroler  Märchen  (Zingerle, 
Kinderm.  aus  Siiddeutschland  S.  237)  als  \'ertauschung  der 
Kronen  der  Riesenkinder  mit  den  Mützen  der  Geschwister 
Däundings  vor,  ebenso  in  der  Gräfin  d'Aulnoy  Märchen 
loranger  et  labeille,  wo  Aimee  ihrem  (leliebteu  die  Kronen 
der  Riesenkinder  aufsetzt.  [Gonzenbach  no.  83,  1,  Zs.  d.  V. 
f.   V(dksk.  (i.   171.] 

In  Bezug  auf  die  List,  durch  die  Maol  aus  dem  Sack  ent- 
kommt, verweise  ich  auf  die  Bemerkungen  zu  Nr.  39. 

Dass  der  Riese  den  Fluss  austrinken  will  und  dabei 
zerplatzt,  ist  ein  mehrfach  vorkommender  Zug,  z.  ß.  Grimm 
3,  S.  m.  Müllenhoff  S.  400,  Kuhn  und  Schwartz  S.  321. 


17.    Ueber  Campbells  Sammlung  gälischer  ^Märchfii    17a— b.       [<)7 

l?a)  Fabeln. 

Mehrere  kurze  Tiermürcheu  und  Fabeln,  darunter  einige 
bekannte  vom  Fuchs,  das  Märchen  vom  Wolf,  der  auf  Rat 
des  Fuchses  im  Eise  den  Schwanz  einbüsst  (S.  '272),  welches 
Märchen  noch  im  V(dksmuud  lebt  bei  den  [  Wenden  (Haupt  3^9 
und  Schmaler  Volkslieder  der  Wenden  "J,  KUJ)  und  auf  den 
Bär  übertragen  bei  den  Norwegern  (Asbjiirnsen  Nr.  17)  und 
Ehsten  ((irimm  F\.  Fuchs  CCLXXXVl)  und  zwischen  Fuchs 
und  Hase  spielend  in  Schwaben  (Birlinger  Nimm  mich  mit! 
S.  54)  [GgA  18(;8,  1H!»().  Jahrb.  9,  :^i»i),  Cosciuin  no.  54-],  das 
Märchen  vom  Adler  und  Zaunkiinig  (S.  -!77),  über  welches 
man  vgl.  (Irimms  Anmerk.  zum  171.  Märchen  und  Pfeiffers 
Germania  (>.  SO.  Auch  einiges  Spricliwiirtliche  und  Aus- 
legungen von  Tierstimmen  werden  mitgeteilt. 

ITb)  Der  Bürg:eriiieistei*  von  London. 

(ieschichte  von  einem  Hochländer,  der  dreimal  von  einem 
schönen  Mädchen  träumt  und  auszieht,  sie  zu  suchen.  In 
London  findet  er  sie  als  Tochter  des  Bürgermeisters  und  wird 
mit  ihr  bekannt:  zieht  aber  auf  ihren  Wunsch  ein  Jahr  lang 
wieder  in  seine  Heimat.  Nach  Verlauf  des  Jahres  wandert 
er  wieder  nach  London  und  trifft  unterwegs  mit  einem  Sachsen 
zusammen,  der  die  Tochter  des  Bürgermeisters  heiraten  will. 
F^r  sagt,  ergehe  nach  London,  um  zusehen,  was  aus  der  Saat 
geworden,  die  er  in  einer  Strasse  gesät  [Wossidlo  1,  ■227  no.  !^>7()]. 
Unterwegs  teilt  er  dem  Sachsen  von  seinem  Essen  mit,  hüllt 
ihn  bei  Unwetter  mit  in  seinen  Plaid  und  trägt  ihn  über  einen 
Bach.  Dabei  macht  ei"  ihm  Vorwürfe,  dass  er  ohne  Mutter 
[d.  i.  Nahrung |,  (dme  Haus  [d.  i.  Schirm  oder  Kutsche]  und 
(dine  Brücke  [d.  i.  Pferd]  reise.  In  London  erzählt  der 
Sachse  seinem  künftigen  Schwiegervater  von  den  albernen 
Reden  des  (iälen.  Der  Bürgermeister  aber  erkennt  den  guten 
Sinn  der  Reden  und  sucht  die  Bekanntschaft  des  Galen.  Die 
Tochter  des  Bürgermeisters  verkleidet  sich,  und  der  Gäle 
lässt  sich  nach  dem  Gesetz  das  Mädchen  von  dem  Bürger- 
meister,   der   sie  nicht    erkennt,    zur  Frau    geben.     Als    (hmn 


198  '^ur  ^lärchenforischung'. 

der  Bürgermeister  die   List  erfährt,   freut   er  sieli  doch,   das« 
seine  Tochter  einen  so  schlauen  Burschen  bekommen  hat. 

[Gesta  Romanorum  c.  193  =:  Simrock,  D.  Märchen  S.  203, 
Mussafia,  Jahrb.  f.  rom.  Litt.  (i,  227,  Romania  10,  559.  5<S0. 
Köhler.  Zs.  f.  rom.  Phil,  (i,  -tS3.] 

17c)     Der  listige  schwarze  Kämpe. 

Eine  nicht  überall  klare  uiul  gut  zusammenhängende  Er- 
zählung, untermischt  mit  rhythmischen  allitterierenden  Bruch- 
stücken, wahrscheinlich  Resten  einer  bardischen  Dichtung. 
Der  Held  wirft  Aepfel  in  die  See  und  schreitet  auf  ihneji 
von  Schottland  nach  Irhiml,  spielt  wunderbar  Harfe,  zerbricht 
Harfen  und  macht  wieder  neue  aus  der  Asche  der  verbrannten, 
303  be-jlebt  Getötete  wieder,  heilt  Kranke,  denen  kein  Arzt  helfen 
konnte,  lehnt  eine   Leiter  an  d<Mi   Mond  u.  a. 

In  einer  mehrfach  abweichenden  Version  heisst  der  Held 
('eal)harnach. 

17(1)  Das  Märchen  vom  schlauen  Burschen,  dem  Sohne 
der  Witwe. 

Der  Sohn  einer  Witwe  will  durchaus  Dieb  werden,  ob- 
wohl seine  Mutter  ihm  prophezeit,  er  werde  dann  auf  der 
Brücke  in  Dublin  gehängt  werden.  Einst  geht  sie  in  die 
Kirche,  uiul  der  Sohn  sagt  ihr,  die  erste  Kunst,  die  ihr  auf 
dem  Rückweg  genaimt  werde,  w(dle  er  lernen.  Er  versteckt 
sich  dann  und  ruft  selbst:  Dieberei!  Nun  giebt  die  Mutter 
ihre  Einwilligung,  und  er  geht  zu  Black  Rogne,  einem  be- 
rühmten Diebe,  in  die  Lehre.  Bald  wird  er  geschickter  als 
der  Meister.  Er  wettet  mit  ihm,  einem  Hirten,  der  einen 
AVidder  zum  Hochzeitsgeschenk  fortträgt,  den  Widder  zu 
stehlen,  und  führt  dies  aus,  indem  er  dem  Hirten  vorausläuft 
und  an  zwei  Stellen  je  einen  Schuh  hinstellt.  Den  ersten 
Schuh  lässt  der  Hirt  stehen,  als  er  aber  den  zweiten  sieht 
und  SU  ein  Paar  zu  bekommen  hoft't,  läuft  er  zurück  und 
lässt  den  Widder  liegen,  den  der  versteckte  Dieb  nun  stiehlt. 
Der  Dieb  stiehlt  dem  Hirten  dann  eine  Ziege,  indem  er  das 
Blöken  des  Widders  nachahmt  und  so  ihn  veranlasst,  die  Ziege 


17.     UelxT  ("iinipbells  Saniniliing-  nälisi-liiT  Märchen    171» — d.      X91) 

aiiziibiiideii  und  den  Widder  zu  sucheu.  Ebenso  einen  Stier. 
Dann  kömmt  er  mit  Filack  R(»gue  an  einen  Galgen  und  schlägt 
vor  zu  probieren,  wie  das  Hängeu  thue.  Black  Kogue  s(dl  ihn 
zuerst  aufhängen,  bis  er  mit  den  Beinen  strampelt,  und  dann 
loslassen.  ¥a-  erklärt,  es  halte  ihm  sehr  gut  gethan  und  er 
liabe  vor  Vergnügen  gestrampelt.  Black  Rogue  soll  es  nun 
auch  versuchen  und  pfeifen,  wenn  er  genug  hat.  Der  Bursche 
zieht  ihn  immer  Iniher.  Black  Hogue  kann  natürlich  nicht 
])feifeu  und  kommt  so  um.  Kr  geht  nun  zu  einem  Zimmer- 
mann in  Dienst  und  bricht  mit  ihm  mehrmals  in  des  Königs 
Vorratshaus^)  ein.  Der  König  setzt  auf  den  Hat  des  Seanagal 
ein  Fass  Pech -)  ]  uuter  die  Oetifnung.  Der  Meister  bleibt  das  304 
nächste  Mal  darin  stecken,  und  der  Bursche  haut  ihm  den 
Kopf  ab  und  begräbt  ihn  im  (iarten.  Um  zu  erfaliren,  wer 
die  kopflose  Leiche  sei,  lässt  der  König  sie  ötfentlich  herum- 
tragen. Als  die  Frau  des  Meisters  beim  Anblick  <ler  Leiche 
schreit  und  sich  so  zu  verraten  droht,  haut  sich  der  Bnrsch 
rasch  in  den  Fuss  und  erklärt  den  S(ddaten.  dass  die  Frau 
deshalb  geschrieen  habe.  Hierauf  lässt  der  KTmig  die  Leiche 
an  einen  Baum  hängen  und  bewachen.  Der  Dieb  führt  ein 
Pferd  mit  Wliiskyfässern  beladen  an  der  AVache  vorüber,  die 
Soldaten  nehmen  ihm  den  Whisky  ab.  berauschen  sich,  und 
er  stiehlt  die  Leiche  und  begräbt  sie  im  (Jarten.  Der  KTtnig 
lässt  nun  die  Soldaten  ein  Schwein  überall  herumführen,  damit 
es  die  Leiche  aus  der  Erde  wühle.  Als  die  S(ddaten  zum 
Hause  der  Witwe  des  Zimmermanns  kommen,  ladet  der  Dieb 
sie  ein  und  bewirtet  sie,  und  während  sie  essen  und  trinken, 
tötet  er  das  Schwein  und  verscharrt  es.  Die  Soldaten  werden 
hierauf  an  verschiedenen  Orten  in  Quartier  gelegt  und  s(dlen 
Acht  haben,  wo  sie  Schweinefleisch  finden,  über  welches  die 
Leute  sich  nicht  genügend  ausweisen  können.  Der  Dieb  er- 
mordet die  im  Hause  der  Witwe  liegenden  Soldaten  und  reizt 
das  andre  Volk  auf.  die  übrigen  auch  zu  töten.  Der  Seanagal, 
der   alle    bisher    erwähnten    Massregeln    dem    König    geraten, 

')  In  einer  Variante   (S.  3.58)  Sohatzkanimer.   in   die  sie  durch  einen 
losen  Stein  gelangen. 

-)   Nach  einer  anderen  (S.   3ri3)  Version  eine   Fuclisfalle. 


t>00  '^ii''  -Märchenforschung. 

rät  ihm  jetzt,  ein  Fest  zu  geben  und  alles  Volk  einzuladen. 
Der.  welcher  so  kühn  sein  würde,  mit  der  Köniosto(djter  zu 
tanzen,  müsse  der  Thiiter  sein.  Das  Volk  erscheint  und  der 
Dieb  auch.  Er  fordert  die  Prinzess  zum  Tanze  auf.  und 
während  des  Tanzes  macht  ihm  der  Seanagal.  dann  auch  die 
Prinzess  zum  Kennzeichen  heimlich  einen  schwarzen  Strich. 
Aber  er  bemerkt  dies  und  macht  heimlich  vielen  andern 
auch  schwarze  Striclie.  Da  verkündet  endlich  der  König, 
der  Ausführer  dieser  Streiche  solle  die  I'riuzess  heiraten  und 
die  Krone  erben.  Nun  wollen  alle,  die  schwarze  Striche 
haben,  die  Thäter  sein.  Ein  kleines  Kind  S(»ll  entscheiden: 
wem  es  einen  Apfel  giebt,  der  sei  der  rechte.  Das  Kind 
giebt  den  Apfel  dem  Dieb,  der  einen  H(dzspalin  und  eine 
Maultrommel  in  der  Hand  hat.  und  er  heiratet  die  Prinzess. 
Nach  einiger  Zeit  kommt  er  mit  der  Prinzess  auf  die  Dub- 
liner Itriicke.  Kr  gedenkt  <ler  nicht  eingetroffenen  Prophe- 
zeiung der  Mutter,  und  im  Scherz  hängt  er  sich  mit  dem 
Taschentuch  der  Prinzess,  das  diese  hält.  Plötzlich  erschallt  | 
305  ein  Ruf:  Das  Schlos.s  brennt!  Vor  Schreck  lässt  die  Prinzess 
das  Tuch  los.  der  Diel)  fällt  und  zerschmettert  sich  den  Ko[)f. 
Der  Ruf  war  nur  von  spielenden  Kindern  geschehen. 

Der  Teil  des  Märchens  vom  Einbrucli  im  kömiglicheu 
Vorratshüuse  bis  zur  Heirat  mit  der  Prinzessin  ist  eine  alte 
weitverbreitete  Geschichte.  Die  älteste  uns  bekannte  Fassung 
ist  das  ägyptische  Märchen  von  König  Rhampsinits  Bau- 
meister und  dessen  Sohne,  welches  Herodot  2,  l'il  uns 
überliefert  hat  und  welches  ich  als  allbekannt  voraussetzen 
darf.  Auch  C'nmpbell  hat  dies  natürlich  nicht  übersehen  und 
leitet  von  ihm  den  Ursprung  des  gälischen  Märchens  her,  in- 
dem er  meint,  dass  schottische  Studenten  das  Herodotische 
Märchen  verbreitet  hätten.  Allein  diese  Vermutung  ist  un- 
bedingt abzuweisen.  d;i  diis  gälische  —  wie  wir  gleich  sehen 
werden  —  viel  mehr  mit  andern  Märchen,  als  dem  Herodo- 
tischen  übereinstimmt.  Einen  Teil  des  ägyi)tisclieu  Märchens 
erzählten  auch  die  alten  Griechen  (Charax  bei  Schol.  Aristopli. 
nub.  50S  und  Pausanias  !>.  37.  3)  und  zwar  von  Tropluniios 
und    seinem    Bruder   oder    Vater    Agamedes.    die    dem    Kon  ig 


17.    Uelier  Campbeils  Haimiiliui^'   gälischer  ^lärclu'u   17(1.        -JO 1 

Hyrieus  in  Hyria  oder  dem  Angelas  in  Kli.s  ein  Scliatzlians 
banten  nnd  einen  iStein  der  Maner  so  einfügten,  dass  man 
ihn  leicht  von  anssen  heransnehmen  konnte,  nnd  so  den 
Schatz  bestalilen.  bis  endlich  der  König  Schlingen  legte,  in 
denen  Agamedes  sich  tieng,  woi'auf  ihm  Trojdionios  das  llau])t 
abschnitt. 

An  diese  antiken  Krzähhingen  reihen  sich  zahlreiche 
spätere.  Vielfach  mit  dem  gälischen  Märclien  stimmt  die 
Erzählnng  in  dem  oben  erwähnten  französischen  Gedicht 
Dolopathos  (Loiseleur  a.  a.  U.  i',  U'I.  Ed.  Brimet  S.  18:-}). 
[J(th.  de  Alta  Silva,  Dolopathos  ed.  Oesterley  1878  p.  40. 
XIX. j  Hiernach  bricht  der  ehemalige  Schatzmeister  eines 
Königs  mit  seinem  Sohn  in  das  Schatzhaus  ein.  Auf  den 
Rat  eines  alten  lUinden  wird  durch  ein  angebranntes  Stroh- 
feuer nnd  den  hinausziehenden  Ivauch  das  eingebrochene  nnd 
schlecht  wieder  geschlossene  Loch  entdeckt  und  ein  Fass  mit 
Pech  unter  die  Oeffnung  gestellt.  Der  Vater  fällt  hinein 
und  lässt  sich  vom  Sohne  den  K()[)f  abschneiden.  Auf  Rat 
des  Alten  wird  der  f.eichnam  durch  die  Stadt  geschleppt, 
und  die  Familie  würde  sich  durch  ihr  Klagen  verraten  haben, 
w'enn  nicht  der  Sohn  sich  in  die  Hand  gehauen  und  das  Weh- 
klagen dadurch  erklärt  hätte.  Den  von  20  schwarz  und  20 
weiss  gekleideten  Rittern  bewachten  Leichnam  entführt  der 
Sohn  Nachts,  indem  er  sich  auf  einer  |  Seite  weiss,  auf  der  306 
andern  schwarz  kleidet.  Hierauf  schreibt  der  König  auf  den 
Rat  des  Alten  ein  Turnier  aus  und  lässt  die  Tapfersten  im 
Palast  schlafen,  in  der  Voraussetzung,  dass  der  Listige  sicli 
zum  Bett  der  Prinzessin  schleichen  vviixl,  die  ihm  aber  ein 
schwarzes  Zeichen  auf  die  Stirn  machen  soll.  Aber  der 
Listige  merkt  dies  und  entwendet  die  Farbenbüchse  und 
zeichnet  alle  andern  Ritter  und  den  König  selbst.  Da  sagt 
der  Blinde,  der  müsse  der  (resuchte  sein,  dem  ein  Kind  ein 
Messer  reichen  werde.  Aber  jener  versieht  sich  mit  einem 
Spiel  werk,  einem  hrdzernen  Vogel,  nnd  reicht  ihn  dem  Kinde 
dar,  so  dass  es  scheint,  als  habe  das  Kind  nur  mit  ihm  ge- 
tanscht.  Da  giebt  ihm  der  Körnig  seine  Tochter  zur  Frau. 
Die  vielfache   Uebereinstimmunsi    mit  dem  gälischen  Märclien 


202  ^11'"   MSrrheiifurscliuiii;-. 

liegt  auf  der  Hand.  F>esoiiders  hervorziiliebeu  ist  der  letzte 
Zug\  der  sonst  nirgend  weiter  vorkommt,  von  der  Ent- 
sclieidung  des  Kindes  durch  Darreichung  eines  Messers,  im 
gälischen  eines  Apfels.  Es  scheint  eine  Art  Gottesurteil  sein 
zu  sollen:  ein  unverdorbener  Ki]idersinn  trifft,  was  die 
AVeisesten  nicht  treffen.  Der  Dieb  macht  aber,  dass  es  er- 
scheint, als  sei  das  Kiiul  durch  das  Spielwerk  zu  ihm  gelockt 
worden.  Im  Gälischen  hat  der  Dieb  die  Entdeckung  durch 
das  Kind  nicht  zu  fürchten,  sondern  zn  wünschen.  Was  als 
das   Ursprünglichere  anzusehen  sei,  hisse  ich  dahingestellt. 

Die  KrziUilung  aus  dem  Dolopathos  findet  sich  auch  in 
deutsciier  Prosa  in  der  ebenfalls  oben  erwähnten  Leipziger 
Handschrift  (Altd.  Blätter  1,  i:>6).  geht  aber  dort  nur  bis 
zur  Entweinlung  des  Leichnams  und  hat  den  eignen  Zug, 
dass  der  Sohn,  nachdem  er  sich  erst  verwundet,  auch  sein 
Kind  in  einen  Brunnen  wirft,  um  die  Klage  über  den  zum 
zweitenmal    vorübergeschleppten    Leichnam    zu    rechtfertigen. 

Ein  altniederländisches  Gedicht  .der  Dieb  von  Brügge' 
(Haupts  Zeitschrift  für  deutsches  Altertum  5,  3S,') — 404)  er- 
zählt: Zwei  grosse  Diebe  V(»n  Paris  und  Brügge  verliinden 
sich,  um  das  Schatzhaus  des  Kr)nigs  von  Frankreicli  zu  be- 
stehlen. Auf  Rat  eines  alten  Ritters  wird  durch  ein  Stroh- 
feuer die  von  ihnen  gemachte  Oeft'nung  entdeckt  und  ein 
Pechkessel  darunter  gesetzt.  Der  Dieb  von  Paris  fällt  hinein 
und  lässt  sich  vom  Brügger  den  Kopf  abhauen.  Als  die 
Leiche  herumgeschleppt  wird  und  die  Frau  {\es  Toten  jammert, 
haut  sich  der  Dieb  von  Brügge  in  die  Hand.  Als  die  Knechte 
307  dem  König  und  dem  Ritter  dies  |  melden,  erkennt  der  Ritter, 
dass  jener  der  Thäter  gewesen  sein  muss,  und  schickt  die 
Knechte  wieder  zurück  in  jenes  Haus,  das  sie  aber  leer  finden. 
Nnii  lässt  der  König  auf  Rat  des  Alten  die  Leiche  an  den 
Galgen  hängen  und  von  12  Wächtern  bewachen.  Der  Dieb 
beladet  einen  Karren  mit  Speisen  und  einem  Fass,  darin  ein 
Schlaftrunk,  und  mit  12  Mönchskutten  und  fährt  nachts  an 
den  (Jalgen.  Die  Wächter  nehmen  ihm  das  Essen  nnd  Trinken 
und  entschlafen,  worauf  er  ihnen  die  Kutten  anzieht  und  die 
Leiche    raiil»t.     Der  Alte    giebt   dem  Köni<2,  einen  neuen  Rat: 


17.     l'eber  ('aiii|ilM'lls   rtamnilung-  yälisclior   Märchen    ITil.         2(K} 

Der  Kiiiiis,  ^"•II  einladen  lassen,  wer  in  einem  Saale  mit  der 
Prinzessin  schlafen  will:  (dine  Zweifel  wird  der  Dieb  der  erste 
sein,  der  znr  Prinzess  sich  legen  wird:  ihn  s(dl  die  Prinzess 
mit  Farbe  zeichnen.  Wirklich  erscheiut  der  Dieb,  hat  aber 
von  jenem  Schlaftrnnk  bei  sich.  Er  legt  sich  zur  Prinzess, 
und  als  er  merkt,  dass  sie  iliu  zeichnet,  füllt  er  ihr  vdii  dem 
Schlaftruidv  ein  und  stiehlt  ihr  die  Farbeubüchse.  Dann 
schleicht  er  sich  zu  den  anderen  Herren  in  den  Betten  im 
Saale,  streicht  ihnen  Schlaftrunk  in  den  Mund,  dass  sie  alle 
einschlafen,  und  macht  auch  ihnen  Kreuze  an  die  Stii-n.  Am 
andern  Morgen  nun  vers[)richt  der  Kcinig  dem  Thäter  seine 
Tochter.      Der  Dieb  gesteht  alles  und  erhält  sie. 

Mit  Dulopathos.  aber  in  nniuchem  noch  mehr  mit  dem 
gälis(dien  Märchen  übereinstimmend  ist  eine  Novelle  des  Flo- 
rentiners Ser  Giovanni,  der  seine  Novellen  im  Jahre  loTS 
zu  schreiben  begann  (Pecorone  i>.  IV):  lUndo  von  Florenz 
baut  einem  Dogen  von  Venedig  einen  Palast  nelist  Schatz- 
kammer mit  einem  beweglichen  Stein  in  der  Mauer.  Kurze 
Seit  darauf  gerät  er  in  Armut  und  bestiehlt  mit  seinem  S(din 
Richard  den  Schatz.  Der  Doge  entdeckt  durch  ein  Strohfeuer 
jene  Oeifnung  und  lässt  einen  Pechkessel  darunter  stellen 
und  siedend  erhalten.  Reim  nächsten  Pesuch  fällt  der  Vater 
hinein  und  lässt  sich  vom  S(dine  den  Ko})f  abschneiden.  Am 
folgenden  Tag  wird  die  keiclie  durch  die  Strassen  geschleppt, 
und  weil  die  Mutter  laut  jammert,  haut  sich  der  Sohn  in  die 
Hand.  Hierauf  wird  die  Leiche  an  den  (ialgen  gehängt  und 
bewacht.  Auf  das  Drängeji  der  Mutter,  sie  zu  rauben,  steckt 
der  Sohn  nachts  ]•_'  Lastträger  in  |  Mönchskutten  und  giebt  308 
ihnen  Masken  uiul  Fackeln,  steigt  selbst  zu  Pferde,  maskiert, 
schwarzgekleidet  und  mit  Fackeln,  und  überrascht  so  die 
Wache,  die  ihn  für  Lucifer  mit  Höllengeistern  hält  und  die 
Leiche  rauben  lässt.  .letzt  lässt  der  Doge  "iO  Tage  lang  kein 
frisches  Fleisch  in  Venedig  verkaufen  und  dann  nur  ein  Kalb 
schlachten    und   das    Pfund    Fleisch    davon   für    einen  <uilden 


*)  Der  Auszuü    bei  I)unlo]>-Liehrecht  S.  263   ist   nicht   ganz  genau 
und  unvollständig-.     [Uorra,  Studi   di  critica  letteraria   1892  p.  296.] 


204  '^in'  ^lärclienforsfhung. 

feil  bieten.  Der  Verkäufer  soll  merken,  wer  davon  kauft, 
denn  der  Doge  nimmt  an,  dass  der  Dieb  auch  lecker  ist  und 
es  kaufen  wird.  Niemand  kauft,  aber  die  Mutter  Richards 
will  gern  davon  haben.  Richard  verkleidet  und  Iteladet  sich 
mit  Esswaaren  und  Wein  und  begiebt  sich  nachts  an  den 
Ort,  wo  das  Fleisch  verkauft  wird,  und  lässt  dort  —  unter 
einem  Vorwande  —  den  Wein  zurück,  an  dem  sicli  die 
Wächter  berauschen  und  einschlafen,  und  stiehlt  dann  das 
ganze  Fleisch.  Nun  lässt  der  Doge  hundert  Arme  bettelnd 
herumgehen,  mit  dem  Auftrag,  aufzupassen,  wo  einer  etwa 
Fleisch  bekomme.  Wirklich  giebt  Richards  Mutter  einem 
Armen  ein  Stück  Fleisch,  aber  der  Sohn  begegnet  ihm  noch 
auf  der  Treppe  und  schlägt  ihn  tot.  .letzt  schlägt  einer  der 
Räte  des  Dogen  vor,  nachdem  man  vergeblich  dundi  Leckerei 
versucht  habe,  durch  Ueppigkeit  den  Dieb  auszukundschaften 
zu  suchen.  Fünfundzwanzig  verdächtige  Jünglinge,  darunter 
Ricluird.  werden  in  den  Palast  eingeladen  und  erhalten  ihre 
Betten  in  einem  Saal,  wo  auch  die  schiine  Dogentochter 
schläft.  Sie  hat  heimlich  einen  Topf  mit  schwarzer  Farbe 
bei  sich  und  soll  dem,  der  zu  ihr  ans  Bett  kommt,  das  ( Be- 
sicht schwärzen.  Keiner  wagt  es,  dem  Bett  der  Schönen  zu 
nahen,  nur  Richard  umarmt  sie  zweimal.  Das  zweitemal 
merkt  er,  dass  sie  ihm  das  (lesicht  schwärzt.  Kr  nimmt  nun 
den  Topf  und  macht  sich  nocli  vier  Striche,  allen  andern  aber 
zwei,  drei,  zehn  Stri(:he.  So  erscheiiien  am  andern  Morgen 
alle  gezeiciinet  und  der  Anschlag  des  Dogen  ist  vereitelt. 
Da  verspricht  der  Doge  dem  Thäter  die  Hand  seiner  Tochter 
und  Verzeihung,  und  nun  gesteht  Richard  alles  ^).  \ 
309  In   dieser  Darstellung  ist  besonders  hervorzuheben,    dass 

der   Dieb  Gefahr  läuft,   durch  die  Kntdeckung  des  in  seinem 
Hause    «ekochten    Fleisches   entdeckt  zu  werden,    ebenso   wie 


^)  Man  sieht,  wie  fern  (Tiovainii  von  Herodot  ist.  Und  docli  heisst 
es  in  Rawünsons  Herodot,  wie  Cunipbell  8.  8.ö2  anführt,  die  Gresehichte 
des  Rhanipsinit  sei  im  Pecorone  wiederholt.  Dies  kann  man  nnr  mit 
Recdit  von  der  Novelle  des  Bandello  1,  2.')  saü-en,  die  wirklich  sicdi 
genau  an  Herodot  ansehliesst,  nur  alles  mehr  ausführt.  Als  (Quelle  gieht 
Bandello  ranticlic   istorie   dei   reui   (rKiiitto,   d.   h.   natiirlicii    Herodot,  an. 


17.     Uelier   Canipliclls   Siiiiiiiiluiii;-   yälisrlier   3IärclnMi    1  Td.         "20.") 

im  gälischeii  Märchen,  wo  t'reilidi  das  Fleidi  auf  ganz  andere 
Weise  in  das  Haus  des  Diebes  gel)racht  wird.  Derselbe  Zug, 
aber  wieder  anders  verarbeitet,  knmnit  in  i\ev  Fassung,  in 
der  unser  Märcdien  in  Tirol  (Zingerle  Kinder-  und  llaus- 
märclieu  aus  Süddeutscliland  S.  HOO)  erzahlt  wird.   vor. 

Nach  dem  Tiroler  Mäi'chen  verbinden  sich  zwei  IJeutel- 
schneider  aus  Preussen  und  l'olen  —  wie  im  niederländischen 
Gedicht  zwei  Diebe  aus  Paris  und  Brügge  —  und  beraulien 
den  Schatz  eines  Herren,  imlem  sie  einen  unterirdischen  (iang 
graben.  Auf  den  Rat  eines  alten  Beutelschneiders,  den  der 
Herr  früher  einmal  gefangen  und  geblendet  hatte  —  man 
denke  an  den  Blinden  im  Dolopathos  —  wird  ein  Schlageiseu 
auf  das  [jOch  gelegt.  Der  preussische  Dieb  fängt  sich  und 
lässt  sich  vom  polnischen  den  Kopf  abschneiden.  Der  alte 
Blinde  rät  nun,  den  Rumpf  an  den  (ialgen  zu  hängen  und 
zu  bewachen,  der  Genosse  werde  ihn  nachts  schon  holen. 
Der  Rat  wird  ausgeführt.  Der  Dieb  ladet  Wein,  mit  Schlaf- 
pulver vermischt,  und  12  Kapuzinerkutten  auf  ein  Wägelchen 
lind  fährt  nachts  an  den  Galgen.  Dort  bohrt  er  Löcher  in 
das  Fass  und  ruft  die  Soldaten  an.  ihm  zu  helfen,  sein  Fass 
laufe  aus  —  ganz  wie  bei  Herodot,  wo  die  Zipfel  der  Wein- 
schläuche  aufgegangen  sind.  —  Die  Soldaten  helfen,  und  er 
überlässt  ihnen  dann  das  ganze  übrige  Fass.  Sie  schlafen 
ein.  er  zieht  ihnen  die  Kutten  an  und  stiehlt  die  Leiche.  Nun 
giebt  der  blinde  Beutelschneider  dem  Herren  den  Rat,  einem 
Hirsch  die  Hörner  zu  vergolden  und  ihn  durch  die  Strassen 
zu  jagen,  der  Dieb  werde  ihn  zu  stehlen  suchen  und  dabei 
ertappt  werden.  Aber  dev  Dieb  bringt  auf  eine  sehr  listige 
Weise,  die  wir  hier  nicht  näher  anzugeben  brauchen,  den 
Hirsch  heimlich  in  seine  Gewalt,  ohne  dass  es  jemand  merkt. 
Der  Herr  fragt  nun  wieder  den  alten  Blinden  um  Rat  uml 
der  erbietet  sich,  den  folgenden  Tag  von  Haus  zu  Haus  Suppe 
zu  l)etteln;  wo  er  Hirschgeruch  rieche,  da  sei  der  Schelm 
ertappt.  Wirklich  kommt  er  zu  dem  Dieb  und  trifft  ihn 
über  dem  Hirschbraten.  Er  erhält  seine  Suppe  und  macht, 
um  das  Haus  zu  kennzeichnen,  drei  Rötheistriche  über  die 
Hausthür.     Aber    der    Dieb    merkt   das,    löscht   sie    aus  und 


200  Zur    .Miii-chciitursrlimig. 

310  macht  (He  Striche  an  das  Haus  des  Herrn,  -letzt  Ideiht  dem 
Herrn  nichts  anderes  übrig,  als  dem.  der  alle  jene  listigen 
Streiclie  ausgeführt,  eine  Belohnung  zu  versprechen,  worauf 
sich  der  Dieh  meldet. 

Hier  haben  wir  also  wie  im  gälisclien  und  im  Pecorone 
den  Zug.  dass  der  Dieb  beinahe  dnrcli  das  Kochen  eines  ge- 
wissen Fleisches  verraten  wird.  Am  mitürliclisten  nud  un- 
gezwnngensten  ist  die  Sache  wohl  im  gidischen.  Die  Selbst- 
verwundung des  Diel)es  fehlt  im  Tir(der  Märchen,  ebenso 
der  Versuch  mit  der  Tochter  des  Beraubten,  doch  sind  hier- 
von die  roten  Striche  übrig  geblieben,  aber  anders  verwandt. 
Eingewebt  ist  das  Märchen  vom  Schatzhause  und  in 
eigener  Weise  behandelt  in  dem  französischen  RitteiToman 
vom  Ritter  Berinus  und  seinem  Soim  Aigres  vom  Maguet- 
berge.  von  dem  ein  Anszug  in  den  Melanges  tires  diine 
grande  bibliothe(|ne  H.  p.  •2"25  tt".  steht  M-  Der  Kaiser  Philipp 
in  Rom  hat  eine  Schatzkammer  sich  banen  lassen,  in  dei'en 
Mauer  der  Banmeister  einen  Stein  luse  gelassen  hat.  \'om 
Sohne  i\rs  Baumeisters  erfähi-t  dies  der  Ritter  Berinus  und 
bestiehlt  den  Schatz  mehrmals.  Die  Schatzmeister  bemerken 
den  Raub  und  entdecken  den  AVeg  des  Räubers  durch  Stroh- 
feuer und  den  hinausziehenden  Rauch.  Ein  Fass  mit  Pech 
wird  darunter  gesetzt,  und  Bernius  fällt  beim  nächsten  Be- 
suche hinein.  Sein  Sohn  Aigres.  der  nicht  (ienosse  des  Dieb- 
stahls ist.  sondern  zufällit;-  in  die  Nähe  des  Turms  kommt. 
hai\t  ilnn  den  Kopf  al».  Der  Rumpf  wird  am  andern  Tag 
auf  Befehl  des  Kaisers  an  den  (lalgen  gehängt  und  bewacht. 
Aigres  verkleidet  sich  und  greift  in  der  Morgendämmerung 
(a  la  pointe  du  jonr)  di»^  Wächtt-r  an  und  raubt  den  Leich- 
nam. Niemand  hat  ihn  erkannt,  alter  einer  hat  gehört,  dass 
er  beim  Angriff  den  Namen  der  Prinzess  Nnllie  ansgernfen 
hat.  Es  niuss  also  ein  Anbeter  von  ihr  gewesen  sein.  Auf 
Rat  eines  seiner  Weisen  lässt  nun  der  Kaiser  seine  Edeln. 
darunter   auch    Aigres.    zum    Abendessen    einladen    und    lässt 


')  Auf  diesen  Roman  haben  verwiesen  Dunlop-Liebreelit  8.  2B4 
wo  jedoch  der  Auszug  ungenügend  und  falsch  ist,  und  Loiseleur  1,  148, 
letzterer  ohne  näher  einzugehen. 


17.    Uebcr  Camiibells  Samniluiiir  uüli-cluT   .Märdirii    ITil.         -joy 

ihnen  dann  im  grusf^eu  Saal  Betten  lieiricliten.  mitten  darnnter 
aucli  (las  Bett  der  sehrmen  Xnllie.  der  sich  jedoch  hei  Todes- 
strafe keiner  nahen  Sdll.  Wie  vorauszusehen,  eilt  in  der  Nacht 
Aigres  ans  Bett  der  (ieliebten.  und  diese,  die  ihn  nicht  gleich  h\i 
erkennt  —  Nuliie  und  Aigres  liebten  >;ich  nämlich  schon 
lange  heimlich  —  berührt  ihn.  wie  sie  ihrem  Vater  ver- 
s[»ro('hen,  mit  ihrem  Daumen,  den  sie  in  eine  schwarze  Farbe 
getaucht,  die  nicht  wegzubringen  ist.  Als  sie  ihn  aber  er- 
kennt, enthült  sie  ihm  den  Anschlag  des  Vaters,  und  Aigres 
zeichnet  nun  in  gleicher  Weise  alle  schlafenden  Edlen.  Am 
Morgen  ist  der  Kaiser  ratlos,  bis  eine  der  Hauptpersonen  des 
Romaus.  der  verwachsene  kluge  T<ipfer  (ieoffroi  erscheint, 
alle  betrachtet  und  erklärt,  alle  andern  Ritter  hätten  den 
Abdruck  eines  Maunesdaumens  auf  der  Stirn,  nur  einer  den 
Abdruck  eines  Frauendaumens,  er  also  sei  der  Schuldige.  Der 
weitere  Verlauf  berührt  uns  hier  nicht  ^). 

In  verschiedenen  Bearl)eitungen  der  sieben  Weisen  (im 
franziisischeu  Prosaroman  bei  Loiseleur  1.  14():  '2.  "J'.».  im 
frauziisisclien  (iediclit.  ed.  Keller,  v.  "iS.^O  ft'..  in  Hans  von 
Bühels  Didcletian  v.  •J(»41  tf..  in  den  deutschen  Gest«  Roma- 
noruni  ed.  Keller  caj».  74.  in  den  englischen  Seven  wäse 
masters  liei  Ellis  speciniens  of  early  english  metrical  roman- 
ces.  new  ed.  l)y  Halliwell.  London  1S4S,  S.  423)  wird  nur 
erzählt,  wie  Vater  und  Suhu  in  die  Schatzkammer  des  Kaisers 
Octavianus  zu  Rom  einbrechen,  wie  der  Vater  gefangen  wird 
und  der  Sohn  ihm  das  Haupt  abschlägt  und  in  einen  Graben 
oder  sonst  woiiin  wirft,  wit^  am  nächsten  Tag  der  Leichnam 
herumgeschlep[)t    wird,    und    der   Scdin.    ;ils    die    Angehörigen 


M  Im  Vorübergehen  bemerke  icb,  dass  die  in  den  arabischen 
7  Yezieren  und  im  griechischen  Syntipas  erzählte  Geschichte  von  den 
,Schelmen'  (s.  Keller,  Einleitung  zu  Romans  des  sept  sages  S.  CL)  mit 
Abweichungen  sich  im  Roman  von  Berinus  wiederfindet  (Melanges 
S.  2H2tf.).  Ueberhaupt  wäre  es  der  Mühe  wert,  den  seltenen  Roman  im 
Original  genauer  kennen  zu  lernen,  da  die  Auszüge  in  den  Melanges 
nicht  immer  genügen.  Das  von  Dunlop  citierte  englische  Gedicht  ,the 
Story  of  Beryn'  ist  mir  auch  unzugänglich.  [Goedeke,  Orient  und  Occid. 
3,  40s  ,Gaza'.  Hans  Sachs,  Meisterlied  vom  20.  Dez.  1.^40  im  Erlanger 
Mscr.   1668,  358b.] 


•_>0<S  ZiH'  Märc'lieiifiirschung'. 

jainiuerii,  sich  in  die  Hüfte  li;iut.  dann  aber  sich  um  den  an 
den  Galgen  gehängten  Leichnam  nicht  weitei'  bekümmert. 
Diese  Geschichte  wird  in  den  sieben  Weisen  von  der  Königin 
erzählt  als  Beispiel  von  Schlechtigkeit  eines  Sohnes  gegen 
den  Vater.  Im  Erasto  cap.  1')  wird  die  Geschichte  ebenso 
erzählt,  aber  nach  Aegypten  verlegt.  Ferner  hat  der  Konig 
zwei  Schatzmeister  und  der  eine  entdeckt  den  Einbruch  des 
anderen  nml  stellt  das  Gefäss  mit  Pech  vor  das  Loch.  Der 
312  Sohn  end-|licli  haut  zuletzt  nicht  sich  ins  Bein,  sondern  die 
Mutter,  die  daran  stirbt. 

Ein  deutsches  Märchen  (J.  W.  Wolf  Hausmärchen  S.  8i)7) 
erzählt:  Hans  Kühstock,  der  Räuberhauptmann,  beraubt  mit 
einem  Leinweber  den  königl.  Schatz,  indem  er  das  Fenster 
mit  einem  Zauberstab  öffnet.  Der  König  befragt  gefangene 
Räuber,  und  diese  meinen,  nur  ihr  Hauptmann  könne  der 
Thäter  sein,  und  legen  Schlingen  um  das  P'oister.  Darin 
fängt  sich  der  Leinweber,  aber  H.  schneidet  ihm  den  Kopf 
ab.  Nun  wird  die  Leiche  auf  den  Rat  der  Bäuber  an  den 
Galgen  gehängt  und  bewacht,  aber  H.  kauft  12  l'rarrerröcke 
und  Branntwein,  in  den  er  einen  Schlaftrunk  giesst,  und  ver- 
kauft das  (ieträidv  Nachts  den  Wächtern,  die  davon  ein- 
schlafen. Er  zieht  ihnen  die  Kutten  an  und  stiehlt  die  Leiche 
nnd  wird  nicht  entdeckt.  Bei  Pröhle  Märchen  für  die  Jugend 
Nr.  ;^(S  haut  ein  Maurerlehrling  seinem  Meister,  der  sich  in 
der  Schlinge  gefangen  hat,  den  Kopf  ab,  und  verwundet  sich 
dann  am  Fuss,  als  die  Meisterin  über  die  vorbeigeschleppte 
Leiche  jammert.  Die  Leiche  stiehlt  er  vom  (ialgen,  indem 
er  die  Soldaten  durch  einen  Schlaftrunk  l)erauscht  und  ihnen 
Schäferr(')cke  anzieht.  Andern  Tags  würden  ihn  die  Soldaten 
an  seinen  blauen  Augenbraunen  erkamit  haben,  wenn  er  sie 
nicht  gefärbt  hätte.  Auf  sein  Geständnis  erhält  er  die  Prin- 
zess  zur  Frau. 

In  Dänemark  (Etlar  Eventyr  og  Folkesagn  fra  Jylland, 
Kopenh.  1S47,  S.  165)  wird  von  Klaus  Schulmeister,  der  im 
14.  Jahrhundert,  als  Graf  Geert  Jütland  beherrschte,  wirklich 
gelebt  haben  soll,  erzählt,  dass  er  in  des  Grafen  Schatzkammer 
einbrach.     Der  Maurer,    der   die    Schatzkammer   gebaut   hat. 


17.    Ueber  Canipbells  vSamniluni,'  gälischer  Märclien    17(1.        •JO!) 

entdeckt  durch  den  heranziehenden  Kaiich  eines  Strohfeuers 
die  Stelle,  durch  die  Klaus  eingebrochen  ist.  P^in  Teerfass 
wird  unter  die  Stelle  gesetzt  und  beim  iiäcfisten  Einbruch 
fällt  Klausens  Sohn  hinein.  Klaus  schneidet  ihm  das  Haupt 
ab.  Am  amlerii  Tag  wird  die  Leiche  durch  die  Strassen  ge- 
schleppt, und  Klausens  Frau  hätte  die  Sache  durch  ihr  Klag- 
geschrei verraten,  wenn  nicht  Klaus  sie  rasch  mit  dem  Messer, 
womit  sie  eben  Brot  geschnitten  hatte,  in  die  Hand  geschnitten 
hätte.  Die  Erzählung  verläuft  dann  in  ein  anderes  Märchen, 
das  wir  unten  bei  dem  39.  gälischen  Märchen  besprechen. 
[Vgl.  Schiefner,  Ueber  einige  raorgenl.  Fassungen  der  Rhamp- 
sinitsage.  Melanges  asiatiques  tires  du  Bull,  de  lacad.  de 
St.  Petersb.  <i.  KU— 1S()  (18(59).  Cosquin  2,  277.  Luzel  3, 
851,  Prato,  La  leggenda  del  tesoro  di  Rampsinite  1S82, 
Clouston  2,  115,  Notes  and  Queries  7.  Ser.  1.  3G4.  2,  14. 
254.  —  Peter  Kling,  Mährleinbuch  S.  84.  Pröhle  1S54  no.  81. 
88,  U.  dahn  1.  no.  52,  Revue  des  trad.  pop.  10,  204.  Melusine 

1,  17.  18<).  Pitre  no.  15H,  Pitre.  Nov.  poj).  tose.  no.  41.  Var. 
(Jomparetti  no.  18,  Propugnatore  7.  1.  194,  Sakellarios  no.  li  ^ 
Jahrb.   f.   rom.   I^itt.   11,  8()7  =  Legrand   p.  205,    Kristensen 

2,  no.  7 — 9.  I^argeau,  Flore  Saharienne  p.  2S,  Riviere  p.  18, 
Socin-Stumme,  Houwara  1S95  S.  107,  Radioff  4,  198.  275, 
Prym-Socin  no.  42,  Lidzbarski  S.  241,  Mingrelisch  im  Mag. 
f.  d.  Litt,  des  In-  und  Auslandes  l<ss8,  541  =  Mourier 
no.  8.] 

Dies  sind  die  mir  bekannten  Gestaltungen  des  Märchens 
vom  Schatzhaus  des  KTtnigs  und  dem  Dieb,  der  zuletzt  die 
Hand  der  '  Prinzessin  erhält.  Die  gälische  Fassung  ist,  wie  hi:^ 
man  sieht,  eine  der  besten.  Ursprünglich  sind  die  Helden 
ein  Baumeister  und  sein  Sohn.  Merkwürdig  ist,  dass  der 
Zug  bei  Herodot,  dass  die  Königstochter  feil  sitzt  und  von 
jedem  sich  den  klügsten  und  schlimmsten  Streich  erzählen 
lassen  soll,  um  so  den  Dieb  zu  entdecken,  in  keiner  andern 
Fassung  vorkduimt.  Ueberall  ist  dafür  eingetreten,  dass  sie 
den,  der  bei  ihr  liegt  oder  mit  ihr  tanzt,  wie  im  gälischen, 
kennzeichnen  soll. 

Doch    das    bisher    Besprochene    war    nur    ein    Teil    des 

R.  K  ü  h  1  e  r  ,  Kl.  Schritten  I.  14 


210  Zur  ^lärcheiiforschung. 

gälischen  Märchens,  in  dem  ja  noch  hinzugefügt  ist.  wie  der 
Held  als  Dieb  lernt,  verschiedene  Prol)estücke  besteht,  seinen 
I^ehrer  übertrifft  und  listig  umbringt  ^),  uiul  wie  er  endlich 
die  Pro[»hezeiung  seiner  Mutter  erfüllt.  Dass  Knaben  oder 
Jünglinge  als  Diebe  lernen  kommt  öfter  in  Märchen  vor, 
z.  B,  Grimm  Nr.  68,  1-29  und  192,  Wolf  Hausmärchen  S.  397, 
Vernaleken  Mythen  Oesterreiclis  S.  27,  Meier  Nr.  05,  Kuhn 
und  Schwartz  S.  8()2,  Schleicher  lit.  Märchen  S.  18,  As- 
björnsen  Nr.  34. 

Wenn  der  .hinge  im  (iälischen  der  Mutter  sagt,  er  wolle 
das  Handwerk  lernen,  was  sie  beim  (iang  zur  Kirche  zuerst 
nennen  höre,  und  dann  selbst  , Dieberei'  ruft,  so  erinnert  dies 
an  Grimm  Nr.  (JS,  wo  der  Küster  dem  Bauer,  der  zu  Gott 
ruft,  was  sein  Sohn  w(dil  lernen  soll,  hinter  dem  Altar  vor- 
ruft; ,Das  (laudiebeu",  oder  an  Wolf  deutsche  Märchen  uml 
Sagen  S.  30,  wo  der  Küster  der  betenden  Mutter  zuruft:  ,Dieb!' 
[Bolte  zu  Schumann,  Nnclitbüchlein  no.  42:  Frey  S.  2<S4.] 

Die  Art,  wie  der  Dieb  den  Widder  stiehlt,  nämlich  durch 
das  Hinlegen  einzelner  Scimlie,  und  wie  er  dann  das 
Brüllen  nachmacht  [Garnoy,  Contes  fr.  p.  211 1,  k(mimt  im 
norwegischen  Märchen  vor  (Asbj.  Nr.  34)  ^j:  im  schv^'äbischen 
vom  klugen  Martin  (Meier  Nr.  55),  der  zuletzt  auch  die 
Kaiserstochter  erliält.  legt  der  Dieb  ein  Kssbesteck  einzeln 
hin;  H.  Kühstock  endlich  (Wolf  S.  398)  legt  Säbel  und 
Scheide  einzeln  hin.  [Kennedy  p.  39,  Deulin,  Contes  dun 
buveur  p.  1S3.  Wlislocki  1S9()  S.  395.  Berntsen  1,  no.  99: 
Besteck.  Sakellarios  no.  (!,  Wuk  no.  4(1,  Schiefner  S.  LSI. 
1<S(;,  10.  Lal  IJehari  Day  p.  1()7,  Langkusch,  Altpreuss. 
Monatsschr.  15,  454,  Jahn  1,  269.  367,  Lemke  2,  <S2.  S5, 
Dykstra  2.  Sl,  Haase,  Hupi)in  1SS7  no.  110.  Reuter.  Werke  2.64.] 

')  Die  Geschichtf^  vom  Erjjioben  dos  CTalj^ens  kumiiit  noch 
einmal  einzeln  in  Oanijiliells  8annnlung-  vor:  2,  257  [J.  Grimm,  Hängens 
Spielen  in  Zh.  f.  d.  Alt.  7,  477  =  Kl.  Schriften  7,  2.Ö9,  Sinirock,  Märchen 
y.  272,  Kühn,  Der  Spreewald  1889  S.   124]. 

-)  Dass  der  Dieb  sich  mehrmals  scheinbar  aufhängt,  kommt 
auch  bei  Kuhn  und  Schwartz  S.  3tj3  und  bei  Schambach  und  Müller 
Niedersäciisisclu"  Sagen  und  ^Märchen  S.  318  vor.  [Kennedy  p.  39, 
Deulin,  Contes   p.    isl,   De   (iubcrnatis  no.   29,  Poestion   no.    ](!.] 


17.   Ueber  Campbeils  Saniiuluiitj  giilisclier  Miirchcu    17<l — 18.      211 

IS.  J)ie  Kiste. 

Kill  Koiiiii'ssoliii  zieht  aus.  eine  Fi'aii  sidi  zu  suchen.  Er 
find;  t  ein  Mihh-hen.  das  ihm  gefällt,  der  Vater  verlangt  aber  • 
100  Pfund  für  sie.  Kr  aber  hat  nur  50,  deshalb  borgt  ihm  314 
sein  Wirt  noch  'A)  unter  der  Bedingung,  dass  er  sich,  wenn 
er  binnen  -lalir  uinl  Tag  nicht  bezahlt,  einen  Streifen  Haut 
voll  K(i])f  bis  zu  Fuss  ausschneiden  lasse.  Der  KTuiigssohn 
zieht  nun  mit  seinem  Weilie  nach  Hause.  Niclit  lange  ist 
er  in  ihrem  Besitz,  als  er  einen  Schitfskapitän  tritt't  und  mit 
ihm  sein  Reich  wettet  um  die  Treue  seiner  Frau.  l)erKai)itän 
besticht  eine  Magd  und  gelangt  in  einer  Kiste  in  das  Schlaf- 
zimmer der  Künigin  und  entwendet  der  Schlafenden  Ring 
und  Kette  und  liringt  sie  dem  KTmig.  Der  glaubt  die  Wette 
verlnren  zu  lialien  und  geht  ins  Weite,  der  Kapitän  aber 
zieht  ins  Königshaus.  Die  Kiinigin  zieht  Maunskleider  an 
und  sucht  ihren  Mann.  Sie  tritt  bei  einem  Herrn  als  Stall- 
knecht in  Dienst  und  tritt't  durt  auf  ihren  Mann,  der  sie  alier 
nicht  erkennt,  i'^r  trieb  sich  als  wilder  Mann  herum,  ward 
durch  sie  gefangen  und  dient  nun  als  Stallknecht.  Sie  er- 
bittet sich  einmal  Irlaub  nachhause  zu  r(dsen  und  nimmt 
ihren  Mann  mit.  Sie  kommen  zu  jenem  Wirt-<haus,  das  dem 
Hause  ihres  Vaters  gegenüber  lag.  Der  Wirt  will  nun  sein 
Recht  und  ihm  Aen  Streifen  aus  der  Ihnit  schneiden.  Sie 
erklärt  aber,  dass  er  das  nur  tliun  dürfe,  (diiie  einen  Tropfen 
]>lut  zu  vergiessen.  und  befreit  ihn  so.  Nun  nimmt  sie  ihn 
am  andern  Morgen  mit  ins  Hans  ihres  Vaters,  der  sie  natür- 
lich nicht  erkennt,  wohl  aber  ihren  Mann,  und  ihn  hiingeii 
lassen  will,  weil  er  nichts  von  seiner  Frau  weiss.  Sie  errettet 
ihn  aber  vom  Tod,  indem  sie  sagt,  dass  er  sie  gekauft  habe, 
also  alles,  was  er  wolle,  mit  ihr  machen  könne,  ebenso  wie 
sie  ein  fünfmal  teureres  Ross  soeben  gekauft  und  dann  er- 
schossen halte.  Nachher  giebt  sie  sich  dem  Vater,  den 
Schwestern  und  ihrem  Mann  zu  erkennen  und  kehrt  mit 
letzterem  in  seine  Heimat  zurück.  Dort  entlockt  sie  dem 
Kapitän  das  (ieheimnis  mit  der  Kiste.  Er  wird  gehängt,  und 
sie  kommen  wieder  in  den  alten   Besitz. 

14* 


212  Zur  Märehenforsohung. 

Hiev  haben  wir  die  eigentümliche  Verbindung  zweier 
sonst  nicht  verbundenen  Stoffe:  der  Geschichte  von  der  treuen, 
infolge  einer  Wette  der  Untreue  geziehenen  Frau,  die  Shake- 
speares Cymbeline  zu  (iruude  liegt,  und  der  (leschichte  von 
dem  Gläubiger,  der  sich  von  seinem  Schuldner  ein  Stück 
seines  Fleisches  verschreiben  lässt,  und  von  dem  klugen 
Ausspruch  der  verkleideten  Frau  des  Schuldners,  der  Ge- 
schichte also,  die  Shakespeares  Kaufmann  von  Venedig  zu 
Grunde  liegt.  [Vgl.  Child,  Ballads  S,  270:  The  northern 
lord  and  cruel  jew.  Hazlitt,  Shakespeares  library  1,  ^Mu, 
Nyerup,  Morskabslaesning  p.  1(>!»  (Isabella),  Papanti  zu  Me- 
315  nochio  no.  1.]  Campbell  ist  die  Verwandschaft  |  mit  den 
beiden  Meisterwerken  Shakespeares  natürlich  nicht  entgangen, 
und  er  bespricht  ausserdem  noch  Decamerone  '2,  9,  woher 
Shakespeare  den  Stoff  zu  seinem  (^ymbeline  wahrscheinlich 
entlehnt  hat.  Was  den  ersteren  Stoff'  betriff"t,  so  vergl.  man 
die  Nachweise  von  v.  d.  Hagen  Gesamtabent.  8.  S.  LXXXIII 
und  Dunlop-Liebrecht  224.  Dazu  kommt  noch  ein  deutsches 
Märchen  bei  Wolf  Hausmiirchen  S.  .">."),')  utid  ein  rumänis(^hes 
im  Ausland  185(),  S.  1058.  Die  Kiste,  in  der  in  unserem 
Märchen  der  Versucher  sich  in  das  Gemach  der  schlafenden 
(lattin  tragen  lässt,  kommt  nur  noch  im  Boccacio  und  dessen 
Nachfolgern  und  im  deutschen  Märchen  vor:  im  rumänischen 
lässt  sich  der  Versucher  nicht  se'bst,  wohl  aber  eine  von  ihm 
darum  angegangene  Hexe  in  einer  Truhe  in  das  Zimmer 
tragen.  Dass  die  treue  Gattin  in  Mäunertracht  umherzieht 
und  so  dann  unerkannt  mit  ihrem  Mann  zusammentriff't, 
kommt  auch  bei  Boccaccio,  in  Timonedas  Patranuelo  15,  im 
rumänischen  und  deutschen  Märchen  und  in  einer  norwegischen 
Erzählung  vor,  die  E.  Beauvois  in  seinen  Gontes  populaires 
de  la  Norvege,  de  la  P'iidande  et  de  la  Bourgogne.  Paris  18(52. 
S.  8  aus  J.  Aasens  Proever  af  Landsmaalet  i  Norge,  Christiania 
1855,  S.  74,  übersetzt  hat.     [Borgh,  Sogur  S.  IB.] 

Ueber  die  Verschreibung  des  Stückes  Fleisch  vom 
eignen  Körper  vgl.  die  Erfirterung  und  Nachweise  von  Simrock 
Quellen  Shakespeares  3,  183  [1872  1.  213],  Dunlop-Liebrecht 
S.  261  f.  und  Benfey  Pantsch atantra  1.  391 — 407.  [Oesterley 


17.    Ueber  t'aiiipbells  Sammlung  gälischer  Märchen   18.         213 

ZU  (Je.sta  Rom.  c.  l*>5,  Kellner,  Engl.  Stud.  10,  80.  Ciürra, 
Stiulj  1<S1»"2  p.  •-'47.  Clouston,  Some  persian  tales  1892  no.  3, 
Smith.  New  Shakespeare  Society's  Trausactions  1875,  181. 
4ä7,  Academy  1887,  May  14  u.  -28,  June  18,  Aug.  6,  1890, 
Sept.  13J.  Mit  dem  gälischen  Märchen  stehen  nur  diejenigen 
Erzählungen  in  näherer  Verwandschaft,  in  denen  hei  sonstiger 
Abweichung  vom  gälischen  und  untereinander  doch  ebenfalls 
ein  Liebhaber  zu  der  Schuldverschreibung  sich  entschliesst, 
um  durch  das  geliehene  Geld  in  den  Besitz  der  (!eliebten 
zu  kommen,  und  in  denen  dann  diese  später  ihren  Ge- 
liebten, der  nun  ihr  Gatte  geworden,  in  männlicher  Ver- 
kleidung durch  ihre  kluge  Entscheidung  rettet.  So  im  Dolo- 
pathos  V.  7096 — 7497  (bei  Loiseleur  2.  211.  vgl.  127).  in 
einigen  Redaktionen  der  Gesta  Romanoruni  ((nasses  üeber- 
setzung  2.  1()3)  und  in  einer  bosnischen  Erzählung,  wie  sie 
noch  heutzutag  erzählt  wird  ((irenzboten  1853,  2,  1,  455)  ^). 
In  Giovan-jnis  Pecorone  4,  1,  dem  Shakespeare  seinen  Stoft'  316 
entlehnte,  verschreibt  sich  nicht  der  Liebhaber  selbst,  sondern 
ein  Verwandter  oder  Ereund  des  Liebhabers,  um  diesem  das 
nötige  Geld  zu  schaffen.  Eigen  ist  dem  gälischen  Märchen, 
dass  ein  Streifen  Fleisch  vom  Kopf  bis  zu  den  Füssen  heraus- 
geschnitten werden  soll,  im  bosnischen  ein  Stück  Zunge,  sonst 
ganz  allgemein  ein  Stück  Fleisch.  Der  Anspruch,  dass  dabei 
kein   Blut  vergossen  werden  darf,    kommt  auch  in  den  (iesta 


')  Diese  interessante  Erzählung  ist  Benl'ey  entgangen.  Ein  Jude 
beilingt  sich  von  einem  jungen  Mann,  der  Geld  braucht  um  seine  arme 
Geliebte  heiraten  zu  l^önnen,  aus,  dass  er  ilim  aus  der  Zunge  eine  Drachme 
Fleisch  ausschneiden  darf,  wenn  er  ihn  in  7  Jahren  nicht  bezahlt.  In 
der  Zeit  wird  der  Schuldner  wieder  arm.  Seine  Frau  aber  verlangt 
vom  Kadi  die  Erlaubnis  einen  Tag  lang  in  seinem  Richtermantel  Recht 
zu  spreclien  und  entscheidet,  dass  der  Jude  gerade  nur  eine  Drachme 
ausschneiden  darf.  [Dies  von  dem  bosnischen  Franziskaner  Ivan  Franko 
Jukic  (1818  —  1857)  erzälilte  Märchen  ist  1882  von  L.  Leger  (Recueil  de 
contes  populaires  slaves  no.  1)  ins  Französische  und  danach  von  Leo 
im  Shakespeare-Jahrbuche  21,  30.ö  ins  Deutsche  übertragen  worden. 
Köhler  verweist  im  Shakespeare-Jahrbuche  22,  276  auf  ein  ähnliches 
slovenisches  Shylock-Märchen  bei  Krek,  Einl.  in  die  slav.  Litteratur- 
geschichte   -  1887  S.  771. J 


■214  '^i"'   Mäi'cliciiforscliuiig. 

Romanorimi  vor.  Sonst  lautet  der  Aussprucli.  dass  nicht  mehr 
und  weniger  als  ein  bestimmtes  verschriebenes  Gewicht  ge- 
schnitten werden  darf,  im  r)(d(»pathos  und  im  Pecorone  mit 
}linzufiigung  des  Verbotes  des  Blutvergiessens. 

Die  \'erl)indung  beider  Stoffe  lag  insofern  nicht  gar  zu 
fern,  als  in  beiden  die  Verkleidung  einer  (iattin  in  Männer- 
tracht vorkommt. 

It).    Die  Erbschaft. 

Ein  Landmann  sagt  sterbend  seinen  dr(d  Sr»hnen,  dass 
sie  nacli  seinem  Tod  an  einer  bestimmten  Stelle  eine  Summe 
linden  würden,  in  die  sie  sich  teilen  sollen.  Als  sie  aber 
nach  seinem  Tod  zusammen  an  den  Ort  gehen,  finden  sie 
nichts.  Sie  suchen  bei  einem  alten  Freunde  des  Vaters  Hat. 
Der  behält  sie  einige  Tage  bei  sich  und  erzählt  ihnen  dann 
eine  Geschichte:  Ein  flüngling  liebt  ein  Mädchen,  und  sie 
verloben  sich.  Der  Vater  des  Mädchens  verheiratet  sie  aber 
mit  einem  andern  reichen  Manne.  Am  llochzeitsabend  weint 
die  Braut,  und  als  der  Bräutigam  von  der  Braut  ihre  Ver- 
lobung erfährt,  fährt  er  sie  selbst  zum  Hause  ihres  Verlobten. 
Der  aber,  von  dem  Edelmut  des  Bräutigams  gerührt,  löst  die 
Verlobung  vor  einem  Priester  auf  und  schickt  sie  zu  ihrem 
Gatten.  Auf  dem  Wege  dahin  treffen  sie  drei  Räuber  und 
fallen  sie  an.  Sie  erziditt  ihnen  ihre  (iescliichte  und  bietet 
ihnen  das  Geld  an,  (bis  sie  l)ei  sich  hat.  Zwei  der  Räuber 
nehmen  davon,  der  dritte  aber  nimmt  nichts  und  geleitet  sie 
zu  ihrem  (iatten.  Dies  erzählt  der  Alte  den  -Jünglingen  und 
317  fragt  wer  am  besten  gethan  habe.  Der  i  älteste  meint:  der 
Ehemann,  der  zweite:  der  Verlobte,  der  dritte:  die  Räuber, 
die  das  Geld  nehmen.  Daran  erkennt  der  Alte,  dass  der 
jüngste  das  Geld  des  Vaters  gestohlen  liabe. 

Dies  ist,  was  Campbell  entgangen,  die  (beschichte  der 
1001  Xaclit  vom  Sultan  Akschid  und  seinen  drei  Söhnen 
(Nacht  14),  nur  des  orientalischen  Kostüms  entkleidet.  Das 
orientalische  Liebespaar  hat  sich  natürlich  nicht  verlobt,  soji- 
dern  das  Mädchen  hat  dem  4üngling  nur  fest  versi)rochen, 
ihn  in  der  llochzeitsnaclit.   bevoi-  sie   mit  ihrem  Mann  zu  Bett 


17.    Ueber  ('aiti]il)('ll>  Saiiiiiiliuiij^  gälisehor  MärcliLMi   IH.         '215 

gehe,  noch  eiumal  zu  h etlichen.  Der  Ehemann  erhiuht  ihr 
(lies.  Auf  dem  Weg  zu  dem  Jüngling  fällt  sie  ein  Käuber 
an.  lässt  sie  aber,  vom  Edelmut  des  Ehemanns  gerührt,  frei 
und  geleitet  sie  selbst  zu  dem  Jüngling,  der  an  Edelmut  dem 
Ehemann  und  dem  Käuber  nicht  luichsteheu  will  und  sie  un- 
berührt ihrem  Mamie  wieder  zuführt.  Diese  (ieschichte  er- 
zählt ein  Kadi  den  drei  SöJineu  des  Sultans  und  fragt,  wen 
jeder  am  meisten  bewundere.  Der  jüngste  Prinz,  der  das 
Edelsteinkästehen  gestohlen,  erklärt,  er  bewundere  den  Räuber 
am  meisten. 

Ebenso  findet  sich  die  (Jeschichte  in  den  türkischen 
Vierzig  Vezieren  (ül)ersetzt  Vdu  Hehrnauer  S.  lO.'itt". ).  nur  ist 
hier  kein  Name  des  Königs  genannt  und  dei-  Dieb  führt  die 
Braut  zu  ihrem  Liebhaber,  wartet  an  der  Thür  und  geleitet 
sie  dann  auch  zu  dem  Ehemann. 

In  dem  türkischen  Tuti-Nameh  (übersetzt  von  Rosen  1, 
•J4o  ff.)  [vgl.  Hammer.  Rosenöl  2,  ■27 7J  sind  fiahmenerzählung 
und  eingerahmte  Erzählung  etwas  anders.  An  Stelle  der 
drei  Söhne  sind  hier  drei  Reisende,  die  einem  Bauer  einen 
Edelstein  gestohlen  haben.  Eine  Rrinzessin  von  Rum.  der 
ihr  Vater,  der  Sultan,  den  Eall  vorgetragen,  lässt  die  Ver- 
dächtigen zu  sicli  kommen  und  erzählt  ihnen  die  <ieschichte 
von  der  Kaufmannstochter  Dilefruz  von  Damaskus.  Diese 
hatte  einem  (iärtuer,  der  ihr  einst  eine  schwer  erreichbare 
Rose  gebracht.  vers})r()clien,  ihm  einen  Wunsch  zu  erfüllen, 
und  er  hatte  sie  gel)eten.  ihn  an  ihrem  Vermählungstage 
allein  in  seinem  Garten  zu  besuchen.  Ihr  Bräutigam  erlaubt 
es  ihr.  Auf  dem  Weg  begegnet  ihr  erst  ein  W(df.  dann  ein 
Räuber,  beide  lassen  sie  aber  unbeschädigt  und  unberaubt, 
und  der  Gärtner  führt  sie  unberührt  zu  ihrem  Bräutigam 
zurück.  Die  drei,  denen  die  Prinzessin  die  Geschichte  er- 
zählt, tadeln  das  edelmütige  l)eneh-|men  des  Gatten,  des  318 
Wolfs,  des  Räubers  und  des  (Gärtners  als  Narrheit  und  ver- 
raten so  ihre  Gesinnung. 

Renfey  bemerkt  in  seiner  Anzeige  der  Rosenschen  Ueber- 
setznng  des  Tuti-\anieh  (Göttinger  gelehrte  Anzeigen  1858, 
Stück  55,  S.  541):    -Die    1,    S.  l'^o    beginnende  Erzählung  ist 


216  Zur  Märchenforschung. 

(,yukasaptati  51;  eingeschachtelt  in  sie  ist  S.  248  die  schöne 
Barzahlung  aus  Vetälapancav.  Br.  IX,  [Ausland  18(57,  153  = 
Oesterley,  Baital  Pachisi  no.  9],  gerade  wie  in  den  40  Ve- 
zieren,  wo  jedoch  die  Hauptgeschichte  sehr  verändert  ist,  und 
im  Bahar  Danush  3,  295,  so  dass  man  sieht,  dass  für  diese 
das  Tüti  nameh  die  Quelle  bildet.  Diese  Erzählung  selbst 
beruht  auf  einer  interessanten  indischen  Legende*.  [Maase- 
buch  c.  222,  Helvicus  1,  145,  (Irünbaum  1S82  S.  435,  The 
Decisions  of  Thoodhamnia  Tsari  no.  5,  Radiott'  3,  389,  Griech. 
Märchen  in  der  Revue  de  l'hist.  des  relig.   10,  79.1 

Eine  der  eingeschachtelten  ganz  ähnliche  Geschichte  fand 
ich  bei  anfälligem  Blättern  in  dem  anonym  erschienenen  Werke 
Johann  Valentin  Andreaes  Ghymische  Hochzeit  Cliristiani  Ro- 
sencreutz,  Anno  1459,  Strassburg  KJK!.  Lnter  andern  Rätseln 
oder  (leschichten.  an  die  sich  zu  entscheidende  Fragen  knüpfen, 
wird  daselbst  S.  64  auch  folgende  [nach  Boccaccio,  Dec.  10,  5] 
erzählt:  ,In  einer  Stat  wohnet  ein  ehrliche  Fraw  vom  Adel, 
die  ward  von  menniglich  lieb  gehalten,  sonderlich  aber  von 
einem  jungen  Edelman,  die  ihr  zuviel  zumuten  wolt.  Sie 
gab  ihm  endli(di  den  Bescheid:  werde  er  sie  im  kalten  Winter 
in  einen  schönen  grünen  Rosengarten  führen,  so  solte  er  ge- 
wert sein,  wo  nicht,  solle  er  sich  nimmer  finden  lassen.  Der 
Edelman  zog  hin  in  alle  Land,  ein  solchen  Mann,  der  diss 
prästieren  kunte,  zu  finden,  biss  endlich  traf  er  ein  altes 
Mänlein  an,  das  versprach  ihm  solches  zu  thuii.  wo  er  ihm 
das  Halbteil  seiner  Güter  werde  versprechen:  welches  dieser 
bewilliget  uml  jener  verrichtet.  Desswegen  er  benante  Fraw 
zu  sich  in  seinen  Garten  beruft,  die  es  wider  verhoffen  alles 
grün  lustig  und  warm  befunden,  darneben  sich  ihres  Ver- 
sprechens erimiert.  und  mehr  nicht  dann  noch  einmal  zu 
ihrem  Herren  zu  kommen  begehret,  dem  sie  ihr  Leid  mit 
seufzen  und  zehren  geklaget.  Weil  aber  der  ihr  Trew  gnug- 
sam  gespüret,  fertigt  er  sie  wider  ab  ihrem  Liebhaber,  der 
sie  so  thewr  erworben,  ein  genügen  zu  thun.  Den  Edelman 
bewegt  dieses  Ehemans  Redlichkeit  so  sehr,  dass  er  ihm 
Sünden  förcht.  ein  so  ehrlich  Weib  zu  berühren,  schicket  sie 
also  mit  Eiiren  ihrem  Herrn  widder  heim.     Wie  nun  solcher 


Ueber  Campbeils  Saniiiilung  gäiischer  iiärchou   19     20.         "217 

beider  Trew  das  Mänliu  erfalireii,    wolt  er  wie  arm   er  sonst 
war,   auch  nicht  der  geringst   sein,   sonder  stellet   dem  Edel- 
man  all  seine  (iüter  wider  zu  und  |  zog  darvon.     Nun   weiss  Hut 
ich    nit,    liebe  Herren,    wer   doch    unter   diesen  Personen    die 
gröste  Trew  möchte  bewiesen  haben.' 

20.    Die  drei  weisen  Männer. 

Kill  Mann  will  ein  Mädchen  freien.  Während  er  mit 
den  Kitern  spricht,  geht  die  Tochter  hinaus,  um  Torf  zu 
holen  und  Feuer  anzumachen.  Da  fällt  ein  Haufe  Torf  auf 
sie.  Sie  überlegt,  dass,  wenn  sie  verheiratet  und  guter  Hoff- 
nung wäre  und  all  der  Torf  auf  sie  fiele,  sie  und  all  ihre 
Nachkommenschaft  umkäme,  und  setzt  sich  hin  und  weint 
und  schreit.  Die  Kitern  suchen  die  Tochter,  und  als  sie  sie 
weinend  finden  und  den  (irund  erfahren,  setzen  sie  sich  auch 
hin  und  weinen.  Der  Freier  aber  reitet  davon  und  beschliesst 
drei  Leute  zu  suchen,  die  ebenso  klug  als  jene  dumm  seien. 
Er  trifft  bald  drei  Männer,  die  er  um  Nachtlager  angeht. 
Sie  wispern  zusammen,  und  dann  sagt  der  eine:  Wenn  ich 
draussen  hätte,  was  ich  drinnen  habe,  so  wollte  ich  dir  Nacht- 
lager geben.  Der  zweite:  Wenn  ich  getlian  hätte,  was  noch 
ungethan  ist,  so  wollte  ich  dir  Nachtlager  geben.  Der  dritte 
nimmt  ihn  mit  zu  sich.  Kine  S(;li(ine  Frau  bringt  ihm  Trinken, 
und  er  denkt:  Wenn  die  meine  Frau  wäre,  es  wäre  besser 
als  jene,  die  weinte.  Da  lacht  der  Alte  und  sagt:  Wenn  zwei 
wollten,  möchte  es  geschehen.  Dann  kommt  ein  schönes 
Mädchen,  der  junge  Mann  denkt  wieder  dasselbe,  und  der 
Alte  lacht  und  sagt:  Wenn  drei  wollten,  möcjite  es  geschehen. 
Später  klärt  er  den  jungen  Mann  über  alles  auf.  Ks  sind 
drei  Brüder,  die  auf  Rat  ihres  verstorbenen  Vaters  über  wich- 
tige Sachen  nur  leise  sprechen,  um  sich  nicht  zu  zanken. 
Der  eine  Bruder  nahm  den  Fremden  nicht  auf,  weil  er  eine 
Leiche  im  Hause  hat;  der  zweite,  weil  er  seine  träge  Frau, 
die  nur  geprügelt  etwas  thiit,  noch  nicht  geprügelt  hat.  Die 
Frau  und  das  Mädchen  sind  Frau  und  Tochter  des  Alten, 
und  der  Alte  erriet  des  Jungen  (iedanken  bei  ihrem  Anblick. 
Der  junge  Mann  heiratet  dann  des  alten  Mannes  Tochter. 


^1^  Zur  ^lärclu'iiforsrluing. 

Der  Anfang  ist  ganz  almlicli  den  Antaugen  der  Märchen 
Nr.  34  bei  Grimm  und  66  bei  Haltrich.  In  letzterem  reitet 
der  Mann  der  dummen  Frau,  nachdem  er  ihre  und  der  Seinen 
Dummheit  erkannt,  aus,  um  zu  sehen,  ob  es  nocli  mehr  so 
dumme  Menschen  giebt.  Vgl.  auch  unten  Nr.  48.  [Ziugerle 
no.   14,  Molbech   no.   7.  Orundtvis  2.  807.     a.  45.]  \ 

320  21.    Riitselniärelieii. 

Einer  sieht  dreimal  neun  junge  Männer  vorübergehen 
und  dann  einen  Mann  und  eine  Frau  vorüberreiten.  Die  Frau 
sagt  ihm.  die  ersten  neun  seien  ihres  Vaters  Brüder,  die 
zweiten  neun  ihrer  Mutter  Brüder.  di<'  dritten  neun  ilire 
Söhne,   und  alle  Söhne  ihres  Mannes. 

Campbell  bemerkt  dazu:  ,Die  L(isung  gründet  sich  auf 
die  Annahme,  dass  eine  Frau  den  Mann  ihrer  (Jrossmutter 
lieiraten  darf.  In  Indien  sollen  zahlreiche  Rätselmärclien 
derart  noch  umlaufen."  Auch  im  Deutschen  giel)t  es  ähnliche 
Verwandtschaftsrätsel.  [Notes  and  <iHieries  5.  Ser.  (!.  44(5, 
Wossidjo,   Meckl('id)urg.    Volksüberliefermigen   1,   '2'.VA  f.] 

22.    Der  Kütseliitter. 

Eine  Königin  will  ihren  Stiefsohn  durch  einen  Trank 
vergiften,  aber  ihr  rechter  Solm  warnt  ihn,  und  beide  Hiehen, 
nehmen  aber  den  vergifteten  Trank  mit.  unterwegs  giessen 
sie  davon  in  die  Ohren  ihrer  Pferde,  die  tot  hinfallen.  Von 
dem  Fleisch  derselben  fressen  zw('»lf  Raben,  die  ebenfalls  hin- 
fallen. Sie  nehmen  die  Raben  mit  sich  und  lassen  zwölf 
Pasteten  daraus  backen,  die  sie  dann  vierundzwanzig  Räubern 
geben,  die  sie  anfallen.  Endlich  kommen  sie  zum  Rätsel- 
ritter, dessen  Tochter  nur  der  heiraten  soll,  der  ihm  ein  un- 
lösbares Rätsel  aufgiebt.  Der  älteste  giebt  nun  auf:  , Einer 
tr)tet  zwei,  und  zwei  tr)ten  zwölfe,  und  zwTilfe  vierundzwanzig, 
und  zwei  kamen  davon.  Zwölf  .Mädchen  der  Ritterstochter 
schleichen  sich  zum  jüngeren  Brüder,  um  ihm  die  Aufbisung 
abzulocken,  aber  er  sagt  nichts  und  nimmt  ihnen  ihre  Plaids. 
Endlich  kömmt  die  Ritterstochter  zum  ältesten  selbst,  und 
er  sagt  ihr  die    Lösung,   behält  aber  ilir(Mi   Plaid.     Nun  weiss 


17.    l'eher  Campliells  Saiiiinluiig  giilisclicr   Märclieii   "Jl    -HO.      •)]<;) 

(1er  Pvitter  das  Rätsel  imd  will  den  Aufgeber  liinrieliten.  Der 
aber  giebt  ihm  ein  andres  auf:  ,lcli  und  mein  Burscli  jagten, 
mein  Hurscli  schoss  zw(ilf  Hasen  und  nahm  ihr  Fell  und  Hess 
sie  gehen.  Zuletzt  kam  ein  schöner  Hase,  den  sclioss  ich 
uutl  nahm  ihm  das  Fell  und  Hess  ibn  gehn."  Der  Ritter  ver- 
steht das  und  giebt  ihm  seine  Tochter.  Der  jüngere  kehrt 
nach  Hause  zurück.  Später  kämpfen  beide  Brüder,  ohne  sich 
zu  kennen,  miteinander,  bis  sie  endlich  einander  erkennen. 
Der  jüngere  findet  dann  auch  zwölf  Söhne  von  sicli  und  jeuen 
Mädchen. 

lu  dem  entsprechenden  (irimmschen  Märchen  Nr.  '22  (und 
Anmerkung  dazu)  lautet  das  Rätsel  .einer  schlug  keinen  und  | 
schlug  doch  zwölfe-.  Die  Einleitung  und  manches  andere  ist  321 
abweichend.  Das  Rätsel  von  den  geschossenen  Hasen  und 
ihren  behaltenen  Fellen  fehlt,  könnte  aber  da  sein,  da  auch 
hier  die  Magd  und  die  Kammerjungfer  zum  Diener  und  end- 
lich die  Priiizess  Nachts  zum  Herren  gehen  und  ihre  Mäntel 
zurücklassen  müssen.  In  einem  Tir(der  Märchen  (Ziugerle, 
Sagen  aus  Tirol  S.  Toii)  lautet  das  Rätsel  .Eins  tr)tet  drei, 
drei  tötet  zwölf-.  Die  Einleitung  und  der  Verlauf  bis  zum 
Rätselaufgel»en  sind  dem  gälisehen  sehr  ähnlich.  Die  Prinzess 
errät  das  Rätsel  nicht.  AVeiterhin  verläuft  das  Märchen  in 
das  vom  König  Drosselbart.  [Köliler.  Jahrb.  f.  rom.  Litt.  7, 
'2~r2:   Yenezian.  Märchen  no.  1  .'>.  Macdougall  IS'.II  p.  -iTC)  no.  (>.] 

•23—30.     (S.  ;-!7--l<)l.) 

Unter  diesen  Nummern  teilt  i'ampbi'll  eine  Menge  Sagen 
von  Feen  (Elfen).  L'nh(dden.  Kobolden.  Hexen  und  Zauberern 
mit.  Ich  will  hier  nicht  auf  alle  eingehen,  obw(dd  zu  den 
meisten  Rarallelen  anderwärts  her  beizubringen  wären  (man 
vgl.  im  allgemeinen  W.  (irimms  Einleitung  zu  den  irischen 
Elfenmärchen  und  .1.  (irimms  d»nitsche  Mythologie),  sondern 
nur  zwei  hervorheben. 

S.  47  wird  von  einem  Wechsel  balge  und  der  Wieder- 
erlangung des  rechten  Kindes  erzählt.  Der  Wechselbalg  ver- 
rät sich,  indem  er  seine  Verwunderung  ausspricht,  als  der 
Schmied    in   Eierschalen    Wasser   trägt.      Rierbrauen.    Wasser- 


220  ^'ii"  Märchenforsfhung. 

kochen  u.  dgl.  iu  Eierschalen  ist  ein  oft  vorkommender  Zug 
in  den  Sagen  von  Wechsel  bälgen,  und  nicht  nur,  wie  Campbell 
S.  51  meint,  in  Irland.  Schottland,  Wales  und  Bretagne,  son- 
dern auch  in  Deutschland  und  Litauen,  vgl.  die  Nachweise 
bei  Grimm  Mythol.  4H7.  Märchen  ;:i,  (17.  Kuhn  westfäl. 
Sagen  I,  72,  denen  man  beifüge  Niederiirdfer  Mecklenburgs 
Volkss.  "i,  f*6.  vgl.  auch  123  und  4,  IS.  Vonbiin  Beiträge 
zur  (1.  Mythol.  S.  53.  Aehnliches  (lange  Stange  in  einem 
Töpfchen)  in  Island.  Maurer  Volkss.  Islands  S.   12. 

S.  59  wird  von  einer  Hexe  erzählt,  die  Nachts  einen 
ihrer  Knechte  durch  einen  Zaum  in  ein  Pferd  verwandelt 
und  auf  ihm  zur  Hexenversammlung  reitet,  bis  endlich  ein 
Knecht  den  Zaum  ihr  überwirft  und  sie  bei  einem  Schmied 
beschlagen  lässt,  worauf  sie  am  Morgen  zu  Bett  liegt  mit 
Hufeisen  an  Händen  und  Füssen.  Diese  Sage  kommt  auch 
in  r)eutschland  und  den  Niederlanden  mehr  oder  weniger 
322  übereinstimmend  mehrfach  v(tr,  |  s.  Wolf  deutsche  Sagen 
Nr.  141,  Müllenhoff  S.  22(1,  Wolf  niederl.  Sagen  Nr.  389. 
[Hertz,  Werwolf  S.  75,  Petersen,  Hufeisen  S.  (JG,  Peter  2,  69, 
Strackerjan  1,  3<S3,  Bartsch  1.  121.  125.  Wucke  2,  (57,  Dit- 
furth.  Frank.  Volksl.  2.  25  no.  2<s.  Henderson  j).  133,  Schneller 
S.  22,  Sauve.  Folk-lore  des  Hautes-Vosges  p.  175).  Rondallayre 
J.  no.  23.] 

)^1.    Saij^e  von  Oiseaii  (Ossian). 

Der  blinde  als  Oisean  versichert,  dass  er  Beine  von 
jungen  Amseln  gesehen,  die  stärker  als  Hirschschenkel  ge- 
wesen, und  bestätigt  dann  seine  Behauptung,  indem  er  eine 
so  grosse  Amsel  erlegt.  Zu  dieser  in  mehreren  Versionen 
mitgeteilten  Sage  verweise  ich  auf  K.  v.  K.  (illinger's)  (Irische) 
Sagen  und  Märchen  1.  KU  ff.,  wodurch  Campbells  Bemer- 
kungen ergäuzt  werden.     [Hyde    iSi^lO  no.  2.] 

32.    Der  dankbare  Tote  i). 

-lain.  der  Sohn  einer  armen  Witwe  in  Barra,  aber  von 
einem    reichen  Schift'sherrn  a(h»ptirt.   trifft   auf  einer  Seereise 


')    Voll   ('aiii|)h(:']l   iiberschriebeii :    Der  Soliii  der  Witwe    von   Barra. 


17.    lieber  Cam})l>ells   Samnilimi;'   <;-älisclier   MiirclK-n   Hl      H'J.      '2'2\ 

an  der  türkischen  Küste,  wo  er  landet,  zwei  Türken,  die 
einen  Leielinam  mit  eisernen  Flegeln  misshandeln.  Als  er 
erfährt,  dass  es  die  Leiche  eines  Schuldners  ist,  der  sie  nicht 
bezahlt  hat,  bezahlt  er  die  Schuld  und  bestattet  die  Leiche. 
Weiter  tritit't  er  ein  ('hristenmädchen.  das  verbrannt  werden 
soll,  aber  er  kauft  sie  los  und  nimmt  sie  mit  sich.  Die  Be- 
freite giebt  ihm  zunächst  sehr  praktische  Ratschläge  in  Be- 
zug auf  seine  Handelsgeschäfte,  die  er  mit  Nutzen  befolgt, 
dann  segeln  sie  ab  und  kehren  nach  P^ugland  zurück.  In 
England  bittet  sie  ihn  nach  Spanien  zu  fahren  und  giebt  ihm 
Kleider,  einen  Ring,  eine  Pfeife  und  ein  Buch  mit,  mit  denen 
er  dort  Sonntags  in  die  Kirche  gehen  und  sich  in  die  Nähe 
des  Königs  und  der  Königin  setzen  soll.  Er  thut  alles,  -lenes 
Mädchen  war  aber  die  Tochter  des  Königs  von  Spanien,  die 
entflohen  war.  weil  sie  einen  General  heiraten  sollte,  den  sie 
nicht  wollte.  In  jenen  Gegenständen  erkennen  der  König 
und  die  Königin  die  Sachen  ihrer  T(Mditer.  erfahren  von  dain 
ihr  Schicksal  und  bieten  ihm  ihre  Hand  an.  Er  fährt  nach 
England  und  holt  die  Prinzess.  Aber  jener  (ieneral  ist  heim- 
lich auf  dem  Schiff,  und  als  .lain  auf  der  Rückreise  unter- 
wegs einmal  auf  einer  Insel  aufsteigt,  beredet  der  (ieneral 
die  Mannscliaft  weiter  zu  segeln.  Die  Prinzess  kommt  wahn- 
sinnig über  den  Verlust  in  Spanien  an.  dain  bleibt  |  lange  '^2'i 
auf  der  Insel,  endlich  erscheint  ein  Boot  und  ein  Mann  darin, 
der  Jain  nach  Spanien  fährt,  nachdem  dieser  ihm  vorher  die 
Hälfte  des  Reichs,  seiner  Frau  und  seiner  zukünftigen  Kinder 
hat  versprechen  müssen.  Jain  kommt  nach  Spanien  und  pfeift 
an  drei  Morgen  vor  dem  königlichen  Palast  auf  seiner  Pfeife. 
Allemal  zersprengt  die  gefesselte  wahnsinnige  Prinzess  einen 
Teil  ihrer  Fesseln.  Am  vierten  Morgen,  als  sie  ihn  hört, 
zersprengt  sie  sie  ganz  und  eilt  hinab  zu  ihm  und  ist  gesund. 
Der  General  wird  von  Pferden  zerrissen  und  verbrannt,  .lain 
und  die  Prinzess  halten  Hochzeit.  Jain  wird  nach  des  alten 
Königs  Tode  König  von  Spanien.  Eines  Nachts,  als  er  in- 
zwischen drei  Söhne  bekommen  hat.  klopft  es,  und  jener  alte 
Mann,  der  ihn  von  der  Insel  befreit,  ersclieint  und  erinnert 
ihn    an    sein   Versprechen.      Jain    ist    bereit,    aber    der   Alte 


verziciltet    und    sagt,    dass    er    der    (lei.st   jenes    l(»sgekaiiften 
Leichnams  sei. 

Hier  liaben  wir  eine  neue  Form  des  Märchens  von  dem 
dankbaren  Toten,  und  zwar  von  der  Gestaltung,  nach 
welcher  der  junge  Kaufmann,  der  den  Toden  bestattet  hat, 
auch  eine  gefangene  Jungfrau,  ohne  zu  wissen,  dass  es  eine 
Königstochter  ist,  loskauft  und  einllich  nach  mancherlei  Ge- 
fahren durch  die  Hilfe  des  (ieistes  jenes  Toten  ihr  (iemahl 
am  Hofe  ihrer  Eltern  wird,  zuletzt  auch  von  dem  Versprechen, 
dem  (ieiste  die  Hälfte  von  all  dem  Seinen,  auch  von  Weib 
und  Kindern,  zu  geben,  durch  den  Geist  selbst  entbunden 
wird.  Bekanntlich  hat  Karl  Simrock  über  die  Märchen  von 
dem  dankbaren  Toten  eine  eigne  Schrift  ,der  gute  Gerhard 
und  die  dankbaren  Toten,  Bonn  1856'  geschrieben,  eine 
dankenswerte  Zusammenstellung,  aber  mit  zu  sicherer,  vor- 
sclineller  Deutung  aus  der  deutschen  Mythologie.  Ich  selbst 
habe  in  Pfeiffers  (iermania  M.  l!»!)---20!»  [oben  S.  .VJ  Nach- 
träge dazu  geliefert,  indem  ich  auf  ungarische,  polnisclie  und 
armenische  Märchen  und  besonders  auf  die  "histoire  de  dean 
de  Cahiis'  verwiesen  habe.  Diesen  Nacliti'äge]i  habe  ich  aber 
ausser  dem  vorstehenden  gälischen  Märchen  nocli  folgende 
jetzt  hinzuzufügen. 

In  zwei  spanischen  Romanzen,  die  zu  d(Mi  sogenannten 
Vulgärromanzen  gehören,  bei  Duran  ronnincei'o  general,  Ma- 
drid 1S49  -1851.  2.  no.  1291  und  12;)2  M  wird  erzählt:  Ein 
H24  jun-  ger  venezianischer  Kaufmann  kauft  in  Tunis  (h:'n  Leich- 
nam eines  ("bristen,  dem  sein  Gläubiger  die  Bestattung  ver- 
weigert, los  und  bestattet  ihn.  Zugleich  triff't  er  l)ei  jenem 
Gläubiger  eine  christliche  Sklavin,  deren  F^efreiung  er  er- 
wirkt, indem  er  vorgiebt,  sie  sei  eine  Jüdin.  Er  reist  mit 
ihr  nach  Venedig  und  hält  mit  ihr  Hochzeit,  obwohl  sie  ihm 
vorläufig  nähere  Auskunft  über  sich  verweigert.  Beim  Hoch- 
zeitsfest  lernt    ein    Schitt'skapitän    ihn    kennen    und  ladet  ihn 


')  Ferdinand  AVolf  Studion  zur  (Tescliichte  der  spanisclien  und 
portugiesischen  Nationallitteratur  S.  547  erwähnt  diese  Romanze  und  ver- 
weist aiif  Sinirocks  Buch  und  die  weiter  unten  näher  zu  besprechende 
enirlisclie  Roniance   of  Sir   Amadas. 


17.     rclxT  ('ani|ilH'l|s   Saiiiiiilinii;'    <;;iliscli('r    .Miirclicii    S2.  '2'2'A 

nebst  seiner  Krau  /n  einem  liesnclie  auf  seinem  Schiffe  ein. 
Wälii'end  sie  nun  auf  dem  Schifte  sind,  lichtet  dies  unl)emerkt 
die  Ankei".  inid  auf  otfeuer  See  lässt  der  Kapitän  (h'u  jungen 
Mann  ins  Meer  werfen.  Kv  schwimmt  auf  einem  Brette  die 
Nacht  durch  und  erreicht  am  Morgen  eine  Küste,  wo  er  landet 
und  einen  Kinsiedler  trift't.  Nach  sieben  Monaten  schickt  ihn 
der  Kinsie(ner  an  die  Küste,  dort  iimlet  er  ein  Scliiff  und 
fidirt  mit  ihm  ab.  Als  sie  nach  Irland  kommen,  beauftragt 
ihn  (h'i'  Ka|)itän,  Hriefe  an  (Umi  Kiinig  zu  überbringen.  In 
dem  einen  Briefe  steht,  dass  der  Ueberbringer  ein  grosser 
Arzt  sei.  der  schon  durch  seinen  Anblick  die  kranke  K(inigs- 
tochter  Isabel  heilen  werde.  Diese  Königstochter  ist  aber 
die  (lattin  des A'enezianers  uml  tM'kennt  ihren  (iatten  sogleich. 
-lener  treulose  Kapitän  hatte  sie  in  ihre  Heimat  gebracht  und 
war  vom  König,  dem  sie  alles  entdeckt,  hingerichtet  worden. 
In  dem  andei'u  Bi'iefe  steht,  dass  das  Brett,  auf  dem  der 
junge  Mann  sich  rettete,  der  Einsiedler  und  dev  Kai)itän.  der 
ihn  nach  Irlaiul  führte,  der  (leist  jenes  losgekauften  und 
bestatteten  Leichnaius  gewesen  sei,  der  diese  verschiedenen 
Gestalten  angenommen  habe.  Der  Venezianer  wird  Nach- 
folger des   Königs. 

In  dieser  spanischen  (iestaltung  der  Sage  fehlt  die  von 
dem  (leiste  gestellte  Bedingung  der  späteren  Teilung.  Duran 
bemerkt  zu  der  Bomanze,  sie  gründe  sich  auf  eine  sehr  alte, 
fromme  ^'olkslegende.  die  im  17.  Jahrhundert  den  Stott"  zu 
verschiedeneu  Dramen  geliefert  habe,  daiainter  'Kl  mejor 
amigo  el  muerto.  de  tres  ingeniös',  worunter  Calderon,  und 
der  Don  Juan  de  Castro  von  Lo|)e  do  \'ega.  Dei'  Dichter 
der  Romanzen  habe  viele  Abenteuer  der  Legende  und  viele 
Ritterthaten  der  |  Dramen  weggelassen.  Leider  weiss  ich  von  h25 
jener  Legende  nichts  näheres,  und  die  genannten  Dramen 
sind  mir  ebenfalls  unzugänglich.     [Vgl.  oben  S.  "29.1 

Nach  einem  altenglischen  (ledichte  bei  Weber  metrical 
romances  H,  241  ft".  zog  einst  ein  Kitter  Sir  Amadas,  als  er 
verarmt  war  und  nur  noch  vierzig  Pfund  besass.  in  die  AVeit. 
In  einer  Kapelle  traf  er  eine  Dame  neben  der  unbegrabenen 
Leiche    ihres    vor    l(i   Wochen    verstorbenen   Gatten   sitzend. 


•224  ^^^^'  -^iHrc'heiiforscliunü,-. 

Derselbe  war  Kaufmann  gewesen  und  mit  vielen  Schulden 
gestorben.  Alle  hatte  sie  bezahlt  bis  auf  30  Pfund,  und  des- 
halb duldete  der  Gläubiger  nicht,  dass  die  Leiche  begraben 
wurde,  vielmehr  wollte  er  sie  von  Hunden  zerreissen  lassen. 
Sir  Amadas  bezahlte  die  80  Pfund  und  Hess  die  Leiche  feier- 
lich bestatten,  so  dass  er  all  sein  Geld  ausgab.  Als  er 
hierauf  im  Walde  dahinreitet  und  seine  Armut  überdenkt, 
gesellt  sich  plötzlich  ein  Ritter  in  weisser  Rüstung  und  auf 
weissem  Ross  zu  ihm  und  verspricht  ihm  die  Tochter  des  in 
der  Nähe  herrschenden  Königs  zu  verschaffen  unter  der  Be- 
dingung, dass  Amadas  später,  sobald  er  es  verlange,  all  seinen 
Besitz  mit  ihm  teile.  Sir  Amadas  begiebt  sich  nun  an  den 
königlichen  Hof,  wo  er  sich  für  den  Eigentümer  eines  ge- 
strandeten reichen  Schiffes,  das  ihm  der  weisse  Ritter  gezeigt 
hat,  ausgiebt  und  die  Hand  der  Prinzessin  erhält.  Als  er 
bereits  einen  kleinen  Sohn  hat,  erscheint  plötzlich  der  weisse 
Ritter  und  verlangt  die  Hälfte  von  Weib  und  Kind.  Anfangs 
widerstrebt  Amadas.  endlich  aber  auf  Zureden  seiner  mutigen 
Gemahlin  erklärt  er  sich  bereit  und  will  sie  mit  seinem 
Schwerte  zerteilen.  Da  aber  giebt  sich  der  weisse  Ritter  als 
den  Geist  jenes  Kaufmanns  zu  erkennen  und  entbindet  Sir 
Amadas  seines  Versprecdiens  und  verschwindet  wie  Tau  vor 
der  Sonne.  —  Diese  Dichtung  ^)  nähert  sich  den  mittelhoch- 
326  deutschen  Erzäh-jlungen  von  der  , Rittertreue'  und  von  dem 
,,]ungherrn  und  dem  treuen  Heinrich'  und  dem  französischen 
.Herzog  Herpin'  (vergl.  Simrock  S.  100  ff".).  [Hippe,  Archiv 
f.  neuere  Spr.  JSl.   156.J 


')  Weber  verweist  S.  376  auf  eine  Bemerkung  Gifford's  zu  Massingers 
Tragödie  ,the  fatal  dowry'.  In  dieser  Tragödie  nämlich  lässt  sich  der 
Held,  der  Sohn  eines  verdienstvollen,  aber  im  Scluildgefäno;niss  ge- 
storbenen Marschalls  ins  Gefängnis  setzen,  um  der  Leiche  des  A^aters 
die  Bestattung,  welche  seine  Gläubiger  nach  dem  Gesetz  verhinderten, 
zu  verschaffen.  Der  Herausgeber  Massingers,  Giiford,  erinnert  nun  zu 
dem  Verse  der  zweiten  Szene  des  ersten  Aktes:  ,denying  him  the  decent 
rites  of  burial'  an  das  Gesetz  des  ägyptischen  Königs  Asychis  (Herodot  2, 
136)  und  sagt  dann:  In  Imitation  of  this  monarch,  modern  states  have 
sanctioned  the  arrest  of  a  person^s  dead  body,  tili  his  debts  be  paid.  — 
Massinger  lässt  übrigens  den  einen  der  Gläubiger  aucli  noch  einen  be- 


17.     Uclier   Ciiniplx'lls   8;niiniluiii''  giilitschor   MärcluMi    ;->2.  '2'2f) 

ünvollstäiidiii,  und  entstellt  ist  ein  siehenbürgisches 
Märchen  bei  flaltrich  Nr.  i).  Ein  Kautinannssuhn  lässt  einen 
Toten,  dessen  Bestattnng  niemand  bezahlen  will,  beerdigen. 
Dann  findet  er  an  einem  Kerkerfenster  ein  schönes  Mädchen 
stehen.  Es  war  die  Königstochter,  die  verkleidet  in  die 
Hänser  der  Armen  ging  nnd  von  der  AVache,  die  einen  Dieb 
snclite,  verhaftet  war.  Der  Kaufmannssohn  befreite  sie.  indem 
er  hnndert  (inlden  dem  (iericht  zahlte,  und  die  Prinzessin 
schenkte  ihm  einen  Eing.  Vom  Vater,  der  ül)er  die  nnnützeu 
Ansgaben  erzürnt  ist,  verjagt,  zieht  er  hernm,  bis  ihm  ein 
alter  Mann  —  nach  einigen  Erzählern  eine  alte  Steingeiss(!)  — 
erscheint  und  ihm  ein  grosses  Glück  zu  verschaffen  verspricht, 
wenn  er  ihm  nach  7  Jahren  die  Hälfte  von  allem,  was  er 
liabe,  verspreche.  Der  Jüngling  verspricht  es,  nnd  der  Alte 
lieisst  ihn  in  die  Stadt  zur  Königstochter  gehen.  Die  Prin- 
zess  erkennt  ihn  nnd  wählt  ilm  zum  (Jennihl.  Nach  7  Jahren 
erscheint  der  Alte  nnd  verlangt  von  allem  die  Hälfte,  auch 
eins  der  beiden  Kinder,  und  zuletzt  die  Frau.  Der  Jüngling 
kann  sich  nicht  entschliessen,  sie  zu  teilen,  und  will  sie.  um 
sein  Versprechen  zu  halten,  dem  Alten  ganz  geben,  der  ihn 
aber  nun  ob  dieser  Treue  alles  behalten  heisst  und  ver- 
schwindet.    Dass  er  der  Geist  jenes  Toten  ist.  sagt  er  nicht. 

Mit  dem  Märchen,  welches  Simr^ck  (der  gute  Gerhard 
S.  89)  nach  mündlicher  Ueberlieferung  am  Fusse  des  Tom- 
berges mitteilt,  wonach  der  edelmütige  Königssohn  durch 
Hilfe  des  I  dankbaren  Toten  die  Hand  einer  Prinzessin  erlangt,  327 
die  mit  einem  Zauberer  in  Verbindung  steht  und  ihren 
Freiern  aufgiebt   dreinuil    ihre  (iedanken   zu   erraten,    stimmt 


sonderen   Grrund  angeben,   warum  or  wünsrht,  dass  die  Loii'he   des  Mar 

Schalls  unbeerdigt  bleibe: 

—   —  —  I  liave   a   sun 

That  talks  of  nothing  bat  uf  guns  and   arniuur. 
And  sweai's  he  ^11  be  a  soldier;  't  is  an  humour 
I  would  divert  him  from ;  and  I  am  told 
Tliat  if  I  minister  to  him,  in  his  drink, 
Powder  made   of  tliis  bankriipt  marshal's  bones, 
Provided  that  tlie  oarcass  rot  above  ground, 
'T  will  eure  his  foolish  t'renzy. 
R.  Kühler,  Kl.  Schriften  I.  15 


92B  Zur  Märchent'orschung-. 

in  den  Hauptziigeii  ein  Märchen  Andersens  .der  Reise- 
ktunerjub  (Gesammelte  Märchen,  Leipzig  1847,  111,  (S5)  überein 
und  würde  wahrscheinlich  noch  genauer  stimmen,  wenn  wir 
es  rein  ans  dem  Volksmund  oline  die  Andersenschen  Aus- 
schmückungen hätten.  Nicht  einem  toten  Raben,  sondern 
einem  Schwan  schneidet  bei  Andersen  der  Geist  die  Flügel 
ab.  Die  Gegenstände,  welche  die  Prinzess  als  die,  an  welche 
sie  denke,  dem  Freier  zu  raten  aufgiebt,  sind  ihre  Schuhe, 
ihre  Handschuhe  und  der  Kopf  des  Zauberers.  In  der  Hoch- 
zeitsnacht muss  der  Bräutigam  die  Prinzess  auf  Rat  des 
Geistes  erst  in  ein  Fass  mit  Wasser,  worin  er  drei  Federn 
aus  den  Schwanenflügeln  uiul  drei  Tropfen  aus  einer  vom 
Geiste  erlialtenen  Flasche  geschüttet,  stossen.  Beim  ersten 
Untertauchen  wird  sie  ein  schwarzer  Schwan,  beim  zweiten 
ein  weisser  mit  einem  schwarzen  Ring  um  den  Hals,  beim 
dritten  wird  sie  wieder  zur  Jungfrau  uiul  ist  ganz  entzaubert. 
Auch  in  England  Hndet  sich  diese  (iestaltung  des 
Märchens,  aber  mit  einigen  Aenderungen  und  durch  unver- 
ständige Vertle(;htung  in  das  Märchen  von  -lack  dem  Riesen- 
toter entstellt  (Halliwell  populär  rhymes  and  nursery  tales 
S.  ()7,  der  eine  1711  zu  Newcastle-on-Tyne  gedruckte  Aus- 
gabe v<»n  -lack  the  Giaut-Killer  benutzt  hat).  Hiernach  zieht 
ein  Sohn  des  Köiügs  Artur  aus,  eine  schöne  Lady,  die  von 
7  Geistern  besessen  ist,  zu  freien.  Unterwegs  trift't  er  eijien 
Lei(dinam,  den  die  Gläubiger  nicht  beerdigen  lassen  wollen, 
bezahlt  die  Schuld  und  lässt  ihn  begraben.  -Ia<'k  der  Riesen- 
teiter war  zufällig  in  derselben  Gegend  und  Zeuge  der  edlen 
That  des  1^-inzen  und  bietet  ihm  seine  Dienste  an.  Sie 
ziehen  zusammen  weiter,  und  -lack  erhält  unterwegs  durch 
List  von  einem  Riesen  —  die  näheren  Umstände  gehen  uns 
hier  nichts  an  —  einen  Mantel,  der  unsichtbar  macht,  eine 
Kappe,  die  Weisheit  verleiht,  ein  S(diwert,  das  alles  zer- 
schneidet, und  ein  Paar  Schulie  von  grösster  Sc'hnelligkeit. 
Als  sie  dann  zu  der  scheinen  Lady  kommen,  giebt  diese  dem 
Prinzen  ein  Mahl.  Nach  Tische  wischt  sie  sich  den  Mund 
mit  einem  Tuch,  steckt  es  ein  und  giebt  dem  Prinzen  auf, 
es  ihr  am  nächsten  Morgen  vorzuzeigen.      In  der  Nacht  lässt 


17.    Uoltci-  Caniphells   Saiinnliiiii;'   giilisclier    Märchen   o2.  2'27 

.sie  sich  Vdii  eiuein  (liensti)areii  (ieiste  zu  dem  bösen  (Jeiste 
trai-eii  |  und  ül)ergiebt  ihm  das  Tuch.  Jack  a])er,  der  durcli  :i28 
die  Ka|)i)e  dies  weiss,  ist  in  dem  Mantel  und  mit  den  Seliidien 
nachgeeilt,  und  hat  das  Tuch  genommen  und  dem  Prinzen 
gebracht,  der  es  am  Morgen  der  Dame  vorweist.  x\m  Al)eud 
giebt  sie  ihm  nun  auf,  ihr  am  nächsten  Morgen  die  Lippen 
vorzuzeigen,  die  sie  die  Nacht  küssen  werde.  In  der  Nacht 
fliegt  sie  zu  dem  bösen  Geiste  und  küsst  ihn.  Jack  aber  ist 
ihr  unsichtbar  gefolgt  und  haut  dem  (leiste  mit  dem  Schwerte 
den  Kopf  ab.  Am  Morgen  zeigt  der  Prinz  den  Kopf  der 
Dame.  Da  weichen  die  Geister  von  ihr,  und  sie  hält  mit 
dem  Prinzen  Hochzeit.  Jack  wird  für  seine  Dienste  vom 
Kfinig  Artur  zum   liitter  der  Tafelrunde  gemacht. 

In  dieser  englischen  Fassung  haben  wir  also  die  den 
ganzen  Sinn  des  Märchens  zerstörende  Aenderung,  dass  nicht 
der  Geist  des  Toten  selbst  sich  dem  barmherzigen  Jüngling 
dankbar  erweist,  somlern  Jack  —  weil  ihm  jene  edle  That 
gefallen  hat  —  in  seine  Dienste  tritt  und  ihm  hilft.  An  Statt 
inneren  Zusammenhangs  tritt  hier  eine  ganz  äusserliche.  zu- 
fällige Verbindung.  Wahrscheinlich  ist  das  ^lärchen  ursprüng- 
lich in  echter  (iestalt  auch  in  England  bekannt  gewesen  und 
erst  später  mit  dem  von  Jack  verbunden  worden. 

Indem  in  den  letztgenannten  Märchen  der  daukbare  Tote 
seinem  Wohlthätei-  zum  Besitz  einer  mit  bTisen  Geistern  oder 
Zauberiu'n  verkehrenden  Jungfrau  verhilft,  stellen  diese  Mär- 
clien  mehr  als  alle  andern,  von  Simrock  und  mir  beigebrachten 
dem  armenis(;hen  Märchen  nahe,  welches  i('li  Gernutnia  '^, 
'2{)'2  f.  1=  oben  S.  1()|  besprochen  habe.  Benfey  Pantscha- 
tantra  1,  iHi)  ii'.  sieht  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  in  dem 
armenischen  Märchen  eine  Form  des  Originals  des  Märchens 
von  dem  (lankl)aren  Toten  und  in  dem  russischen,  von  ihm 
zuerst  verglichenen  Märchen  von  Sila  Zarewitsch  und  Iwaschka 
mit  dem  weissen  Hemde  (Dietrich  Nr.  Ki)  das  Mittelglied 
zwischen  der  armenischen  (orientalischen  und  occidentalischen 
Fassung  ^).  | 

')  Benfey  hat  nur  meine  Xachträge  in  der  Germania  zu  Siinrocks 
Bucli,  nicht  aber  dieses  selbst  gelesen.   Deshalb  glaubt  er  Straparola  XI,  2 

lö* 


228  '^ur  Märchinifur^chung. 

329  Kiiiv  lächerliche  Entstelhmsi  des  Märchens  tindet  sich  in 

den  Contes  popuhiires  de  la  Gascogue  par  Cenac  Muucaut. 
Paris  ISdl.  S.  ö.  Der  insolvente  Schuldner  stellt  sich  hier 
nur  tot.  um  den  Quälereien  der  (Gläubiger  zu  entgehen,  und 
als  rfean  du  Boucau  einen  Sarg  herbeisciiaffen  lässt  und  ihn 
begraben  will,  erhebt  er  sich  und  erhält  von  Jean  reichliche 
Unterstützung.  Hierauf  wird  er  Corsar.  nnd  als  solcher  gerät 
er  und  sein  Schiti".  auf  dem  sich  unter  anderen  christlichen 
Gefangenen  auch  zwei  Prinzessinnen  von  Bilbao  befinden, 
nach  sechs  Jahren  in  die  Gewalt  Jeans,  der  auf  Corsareu 
Jagd  macht.  Das  Schiff  wird  in  der  Nähe  jener  Stadt  ge- 
entert, wo  Jean  ihn  einst  hatte  bestatten  wollen.  Jean  führt 
ihn  in  jene  Stadt,  steckt  ihn  in  den  sich  noch  vorfindenden 
Sarg  und  wirft  ihn  ins  Meer.  Die  Tochter  des  Königs  von 
Bilbao  heiratet  Jean.     [Oben  S.  80.] 

Sehr  entstellt  ist  auch  ein  böhmisch  es  Märchen,  Waldau, 
böhmisches  Märchenb.   S.  2]."!.     [Ferner  vul.   oben  S.  21.] 

Lm  schliesslich  luicli  einmal  auf  das  gidische  Märchen 
zurückzukommen,  so  hat  dies  mehrere  ihm  eigene  Züge. 
Abgesehen  von  einigen  unwesentlichen  Zügen  aus  dem  Schift'er- 
leben  und  Heringshandel  Barras  erinnere  ich  besonders  an 
die  eigne  Art,  wie  die  Königstochter  ihren  Eltern  in  Spanien 
Nachriclit  durch  -lain  zukommen  lässt.  und  wie  zuletzt  Jain 
vor  dem  Schloss  an  vier  Morgen  auf  einer  Pfeife  bläst  und 
die  wahnsinnige  Königstochter  allemal  einen  Teil  ihrer  Banden 
zerreist  und  beim  vierten  Mal  auch  genesen  ist. 

Camplitdl  findet  in  dem  Märchen  lokale  Schilderungen 
und  kaufmännische  Grundsätze  vermischt  mit  einer  Liebe-S- 
geschichte  und  einem  alten  Märchen,  .welches  Grimm  in 
Deutschland  fand  und  Andersen  einem  seiner  besten  Märchen 
zu  Grunde  gelegt  hat.'  Das  Märchen  V(m  Audersen  habe 
ich  oben  besprochen,  was  für  ein  hierher  gehöriges  Märchen 
von  Grimm  Campbell  aber  meinen  kann,  weiss  ich  nicht. 


zuerst  hierher  gezogen  zu  haben.  Das  böliniisehe  Märchen,  auf  welches 
er  S.  221  (Bozeny  Xemcove,  Xärodni  Bachorkv  a  Povesti,  Prag  1854, 
V  27 — 40)  verwoist,  i>t  mir  leider  unzugänglich. 


17.    lieber  Campbells  Saitiiiiliing-  gälisclier  Märchen  32 — 3().      229 

33.    Die  KöniiL^stocliter  und  der  Froscli. 

Eine  kranke  Königin  schickt  ihre  Töchter  zn  dem  Brunnen 
des  wahren  Wassers,  um  einen  Trunk  zu  ihrer  Heilung  zu 
holen.  Nur  die  dritte  jüngste  erhält  Wasser,  nachdem  sie 
einem  |  Frosch  versprochen  ihn  zu  heiraten.  Der  Frosch  er-  sho 
scheint  im  Schloss  und  driugt  auf  Erfüllung  des  Versprechens. 
Sie  muss  ihn  in  ihr  Bett  legen,  und  er  fordert  sie  auf  ihm 
das  Haupt  abzuschlagen.  Nun  wird  er  ein  schöner  junger 
Mann,  ein  Kcjuigssohn,  der  verzaubert  war. 

Campbell  verweist  auf  (himms  Froschkönig  (Nr.  1)  und 
auf  das  schottische  Mriichen  bei  Chambers  (Populär  rhymes 
of  Scottland,  3.  ed.,  Edinburgh  1X47,  p.  23(1).  Das  gälische 
Märchen  stimmt  besonders  mit  der  hessischen  Fassung,  die 
Grimm  in  den  Anmerkungen  giebt.  Englisch  findet  es  sich 
bei  Halliwell  populär  rhymes  and  nursery  tales  p.  93. 
[Grundtvig  3,  66. |  Aus  der  Gegend  von  Dünkirchen  teilt  es 
in  den  Grundzügen  mit  Baecker  de  la  religion  du  u(ird  de 
la  France  avant  le  christianisme,  Eille  1854,  p.  'is:;. 

S.  134  giebt  Campbell  Notizen  über  keltischen  Brunnen- 
kultus. 

34.    rrspruiig*  von  Loch  Ness. 

Etymologische  Sage. 

35.    Conall. 

Keltische  Heldensage.  Conall  ist  der  Sohn  eines  Königs 
von  Erin  und  der  Tochter  eines  Sclimieds  und  wird  endlich 
nach  mancherlei  Abenteuern  Krmig.  Darin  kommt  der  schöne 
Zug  vor,  dass  der  Schmied  bei  seiner  Rückkehr  gleich  weiss, 
dass  ein  Mann  bei  seiner  Tochter  gewesen.  .Thou  hadst  a 
maiden  slow  eye-lash  when  1  weiit  out:  thou  hast  the  brisk 
eye  lash   of  a  woman  now !' 

3(>.    Mag:liaeli  Colgar. 

Keltische  Heldensage.     [Macdougall  1891   p.  271.] 


230  '^i"'  Älüi'L'lieni'ürsclumg. 

37. 

S.  189  wird  von  einem  stummen  Kind  einer  Wasserfrau 
erzählt,  welches  nur  ,Icli'  sagen  kann.  Es  wird  einst  von 
einem  Knaben  verbrannt  und  kann  der  Mutter,  die  ihn  nach 
dem  Thäter  fragt,  nur  sagen  ,lcli'. 

8.  191.  Ein  Wasserross  fragt  ein  Mädchen,  wie  sie  heisse. 
Sie  sagt:  ich  selbst.  Als  es  das  Mädchen  dann  rauben  will, 
verbrüht  sie  es  mit  heissem  Wasser,  und  als  die  andern 
AVassergeister  fragen,  wer  es  so  zugerichtet,  antwortet  es: 
Ich  selbst.  I 
381  S.   19-i.     Aehnliche  Erzählung  V(in  der  Insel  Man. 

('ampbell  erinnert  an  die  List  des  Odysseus  bei  Polyphem, 
aber  genauer  noch  stimmen  deutsche,  französische,  schottische, 
ehstnische  Sagen,  wo  die  listigen  Sterblichen  vorgeben,  ihr 
Name  sei  Selbst-  oder  Selbergethau.  Die  überlisteten  sind 
meist  Wesen  eibischer  Natur,  Zwerge,  Wassernixen,  und  ge- 
wöhnlich werden  sie  von  den  Mens('hen  durch  Feuer  verletzt, 
meist  verbrüht. 

Vgl.  Nachweise  bei  Kuhn  und  Scliwartz  norddeutsche 
Sagen.  Anmerkung  zu  Nr.  111,  bei  Manidiardt  in  der  Zeit- 
schrift für  deutsche  Mythologie  4,  96  f.  und  W.  (Irimm  Polyphem 
S.  24.  wozu  man  noch  ein  Märchen  aus  der  Bukowina,  Zeit- 
schrift für  deutsche  Mythologie  2,  'ilO  füge.  [.lecklin  1,  32. 
3,  68,  Alton  p.  (JS.  121,  Pellizzari  1,  (U).  Oerm.  28,  108, 
Sauve  p.  239.] 

Unter  Nr.  37  teilt  Campbell  noch  mancherlei  mit  über 
Wassergeister. 

38.    Munichadh  Mac  Uriaii. 

Nicht  durchweg  klare  Bruchstücke  einer  alten  bardischen 
Dichtung,  deren  Hauptinhalt  dreimalige  Entführung  und 
Wiedergewinnung  einer  Frau.  1 

486  39.    List  und  Leichtgliiiibii'keit  ^). 

Drei  Witwen  haben  drei  Söhne.  Der  eine.  Domhnull, 
hat  vier  Stiere,  die  andern  nur  zwei.  Eines  Nachts  töten 
sie  DomhnuUs  Stiere.    Dondmull  zieht  den  Stieren  die  Häute 

')    Von   Ciiiiipliell    üix  r-cliri(:'li(Mi  :   die   drei    Witwen. 


17.    Ueber  Campbells  tSaiiunliiiii;-  gälischor  Märclien   ;-i7— 39.      231 

ab  und  will  sie  in  der  Stadt  verkaufen.  Unterwegs  fängt  er 
in  einer  Haut  einen  Vogel  und  verkauft  ihn  als  Wahrsager 
einem  Mann  in  der  Stadt  für  "200  Pfund.  Die  heiden  Feinde 
töten  nun  ebenfalls  ihre  Stiere,  erhalten  aber  in  der  Stadt 
nicht  so  viel  Geld  dafür  wie  Domhnull.  Aus  Rache  werfen 
sie  seine  Mutter  in  einen  Brunnen.  Domhnull  zieht  die  l^eiche 
heraus,  zieht  ihr  die  besten  Kleider  an,  trägt  sie  in  die  Stadt 
und  setzt  sie  an  einem  Brunnen  beim  kr»niglichen  Schloss 
nieder.  Dann  veranstaltet  er.  dass  eine  .Magd  des  Königs 
die  Alte  (dine  zu  wollen  in  den  Brunnen  stösst,  worauf  ihm 
der  König  500  Pfund  zur  Entschädigung  giebt.  Den  beiden 
Feinden  sagt  er,  in  der  Stadt  bekäme  man  für  tote  alte 
Weiber  viel  Geld.  Diese  töten  nun  auch  ihre  Mütter.  l)e- 
kommen  aber  natürlich  in  der  Stadt  nichts.  Z(n-nig  ergreifen 
sie  zurückgekehrt  Domhuull  und  stecken  ihn  in  ein  Fass  und 
schleppen  es  tVtrt,  um  es  von  einem  Felsen  herunter  zu  rollen. 
Unterwegs  kehren  sie  einmal  ein  und  lassen  das  Fass  auf 
der  Strasse  stehen.  Ein  Schäfer  zieht  !  vorüber,  und  Domhnull  4H7 
ruft  ihm  aus  dem  Fasse  zu,  dass  er  darin  viel  Gold  und 
Silber  finde.  Der  Schäfer  lässt  ihn  heraus  und  sich  selbst 
hinein  stecken.  Dondmull  zieht  mit  den  Schafen  fort,  seine 
Feinde  aber  rollen  nachher  das  Fass  mit  dem  Schäfer  den 
Felsen  herab.  Auf  dem  Rückweg  aber  begegnet  ihnen  zu 
ihrem  gr(')ssten  Staunen  Domhnull  mit  der  Heerde  und  sagt 
ihnen,  er  sei  aus  jener  Welt  wieder  entlassen  worden  ninl 
habe  die  Schafe  geschenkt  bekommen.  Nun  gehen  sie  mit 
Domhnull  an  jenen  Felsen   und  lassen  sich  hinabrollen. 

Zweite  Versi(»n. 
Ribin  und  Robin  töten  aus  Misgunst  eine  von  ihres  Nach- 
bars Levis  Kühen.  Levi  zieht  der  Kuh  die  Haut  ab  und  geht 
zur  Stadt.  Dort  täuscht  er  durch  einige  in  die  Haut  gesteckte 
Goldstücke  einen  Mann,  indem  er  vorgiebt.  die  Haut  bezahle 
stets  die  Zeche,  und  bekommt  von  ihm  100  Mark.  Ribin 
und  Robin  töten  nun  auch  ihre  Kühe  und  halten  vergeblich 
die  Häute  in  der  Stadt  feil,  da  sie  einen  gleich  hohen  Preis 
wollen.     Aus  Rache  töten   sie  Levis  Mutter.     Levi    zieht    die 


232  2iir  Märelienforscliung. 

Leiche  gut  an.  trägt  sie  in  die  Stadt,  setzt  sie  auf  einen 
Brunnenrand  und  weiss  es  zu  veranstalten,  dass  der  Sohn 
des  Provosts  sie  in  den  Brunnen  stösst.  Der  Vater  zahlt 
ihm  500  Mark  Entsrhiidigung.  Nun  sagt  er  seinen  Xaclibarn, 
in  der  Stadt  bezahle  nicin  alte  Weiherleichen  hocli.  um  Pulver 
aus  ihren  Knochen  zu  machen.  Die  l)eiden  erschlagen  des- 
halb ihre  Mütter  auch,  bekommen  aber  kein  Geld  in  der 
Stadt.  Als  sie  dann  Levi  zur  Rede  setzen  wollen,  ladet  er 
sie  zu  (iaste,  und  während  des  Mahls  schlägt  er  scheinbar 
seine  Frau,  mit  der  er  alles  verabredet,  tdt  und  erweckt  sie 
durch  Horidjlasen  wieder.  Die  Nachbarn  versuclien  dies  auch 
an  ihren  P'rauen.  die  aber  tot  bleiben.  Sie  wollen  nun  an 
Levi  sich  rächen,  der  aber  fiielit.  Unterwegs  trift't  er  einen 
Schäfer,  sagt  ihm.  zwei  verfolgten  und  wollten  ihn  töten,  er 
möge  mit  ihm  die  Kleider  tauschen  und  Hielien.  Die  Nach- 
barn erreichen  di'M  Schäfer,  lialteii  ihn  für  Levi  iiiid  stürzen 
ihn  in  einen  tiefen  Sumpf.  Am  nächsten  Tag  aber  treffen 
sie  Levi  mit  seiner  Heerde.  Er  giebt  vor,  die  Heerde  im 
Sumpfe  gefunden  zu  hal)en.  und  sie  lassen  sich  nun  von  ihm 
hineinstossen. 

Dritte  Versi<»n. 
Brian  verkauft  einem  Kaufmann  ein  Pferd,  das  Gold- 
488  und  I  Silbermünzen  fallen  lassen  sull.  dann  zwei  Hörner.  durch 
deren  Klang  er  seine  scheinbar  getötete  Frau  wieder  belebt, 
entrinnt  aus  einem  Sack,  in  dem  ihn  der  Kaufmann  ins  Meer 
werfen  will,  erscheint  mit  einer  Heerde  wieder,  und  beredet 
den  Kaufmann,  dass  er  sich  ins  Meer  stossen  lässt. 

Vierte  Version. 
Zwei  Nachbarn  töten  Hughs  Kuh.  Er  verkauft  die  Haut 
der  Kuh  teuer,  weil  er  vorgegelten,  sie  gebe  bei  jedem  Schlage 
Geld  von  sich.  Jene  töten  nun  auch  ihre  Kühe,  (ietäuscht 
bereden  sie  sich  Hugh  zu  töten.  Der  al)er  hat  sie  belauscht 
und  vertauscht  mit  seiner  alten  Schwieger  das  Bett,  die  nun 
getötet  wird.  Hugh  setzt  die  Leiche  auf  einen  Brunnenrand, 
ein  Hirt  stösst  sie  ohne  zu  wollen  hinein  und  muss  Hugh 
100   Mark   zahlen.      Die   Nachbarn  tiiten    nun   auch   ihre    alten 


17.    Ueber  Caiiipliells  Saninihuii;'  gälisclier  ^lärclicii   .'>!(.  283 

Seil  wiegern,  halten  sie  aber  in  der  Stadt  vergebli(di  feil. 
Hieranf  tötet  er  scheinbar  seine  Frau,  belebt  sie  aber  durch 
den  Ton  eines  Horns  wieder.  Dies  machen  die  Nachbarn 
nach  und  tr»ten  so  ihre  Weiber.  Wütend  ergreifen  sie  Hngh 
und  stecken  ihn  in  einen  Sack  und  tragen  ihn  fort,  um  ihn 
zu  ersäufen.  Unterwegs  kehren  sie  ein  und  lassen  den  Sack 
auf  der  Strasse.  Hngh  beredet  einen  Schäfer,  sich  an  seiner 
Stelle  in  den  Sack  stecken  zu  lassen,  indem  er  ihm  sagt, 
man  wolle  ihn  an  einen  Ort  schleppen,  wo  er  keine  Kälte, 
keinen  Hunger,  keinen  Dnrst  spüren  solle.  Als  er  dann  mit 
des  Schäfers  Heerde  den  beiden  erscheint,  sagt  er  ihnen,  er 
habe  die  Heerde  im  (Jrunde  gefunden,  worauf  diese  sich  ins 
Wasser  stürzen. 

Campbell  macht  aufmerksam  nuf  die  (Weichheit  mit  dem 
norwegischen  .Store-Peer  og  Vesle-Peer'  ( Asl)j(irnsen  Nr.  ,54, 
bei  Dasent  S.  8,S7),  auf  Grimms  .Bürle-  (Nr.  (il)  und  auf 
Straparolas  Novelle   1,   '4. 

Das  Märchen  ist  eins  der  verbreitetsten  und  lindet  sich 
fast  überall  in  Europa  in  verschiedenen  Formen.  Zugleich 
geh<irt  es  zu  der  Zahl  der  Märchen,  von  denen  wir  schon  eine 
Aufzeichnung  aus  dem  frühern  Mittelalter  aufweisen  können. 

AVir  finden  es  nämlich  bereits  als  lateinisches  (iedicht 
des  11..  vielleicht  di'.ti  10.  dahrluinderts  (Ijateinische  (Jedichte 
des  10.  uml  11.  dahrhundcrts.  Iirg.  v.  J.  (Jrimm  und 
A.  Schmeller.  S.  H,")4  tf..  wozu  man  die  Textverbesserungen 
in  Haupts  ;  Zeitschrift  1>.  H!)s  f.  vergleiche).  Ob  dasselbe  489 
in  Lothringen,  den  Niederlanden  oder  westlicher  in  Frank- 
reich verfasst  sei,  wagt  Grimm  nicht  zu  bestimmen.  Ein 
armer  Bauer  —  so  erzählt  das  (Jedicht  —  hat  nur  einen 
Ochsen  und  wird  deshalb  Einochs  (Fnibos)  genannt.  Auch 
dieser  fällt  ihm,  und  er  verkauft  für  geringes  Geld  seine  Haut 
in  der  Stadt.  Auf  dem  Hückweg  aber  findet  er  einen  Schatz. 
Zu  Hause  borgt  er  vom  Präpositus  ein  Mass,  um  das  Geld 
zu  messen,  der  Präpositus  belauscht  ihn  beim  Blessen  und 
beschuhligt  ihn  der  Räuberei.  Er  aber  sagt,  er  habe  das 
Geld  für  die  Haut  bekommen,  da  Häute  jetzt  ho(,'h  im  Preise 
ständen.     Der  Präpositus.    der  Major   und   der  Presbyter   des 


•^34  '  2i'''  Märolienforschung. 

Dorfes  schlacliteii  nun  ihr  Vieh  imd  fahren  die  Häute  in  die 
Stadt,  wo  sie  sich  natürlich  getäuscht  seilen  und  noch  Händel 
bekommen.  Wütend  eilen  sie  zu  Einochs.  Der  aber  thut, 
als  hätte  er  im  Zorn  eben  seine  Frau  erschlagen,  erweckt 
sie  aber  dann  durch  dreimaliges  Trompetenblasen.  Die 
wiedererweckte  Frau,  die  sich  von  dem  Blute,  mit  dem  er 
sie  beschmiert  hatte,  wäscht  und  gut  anzieht,  scheint  den 
dreien  schöner  als  zuvor,  und  sie  kaufen  die  Trompete,  um 
ihre  Frauen  zu  verjüngen.  Als  sie  ihre  P>auen  getötet  haben 
und  sie  nicht  wieder  erwecken  können,  eilen  sie  wieder  zu 
Hinochs.  Der  hat  indess  seiner  Stute  Geld  in  den  Hintern 
gesteckt  und  giebt  vor,  sie  gebe  Geld  von  sich.  Jene  ver- 
gessen wieder  ihren  Zorn  und  kaufen  die  Stute.  Als  sie 
bald  den  F^etrug  erkennen,  gehen  sie  zu  Einochs  und  er- 
greifen ihn.  Fr  bittet  sich  die  Todesart  aus:  in  einer  Tonne 
ins  Meer  geworfen  zu  werden.  Sie  fesseln  ihn  und  stecken 
ihn  in  eine  Tonne.  Am  üfer  aber  lassen  sie.  von  ihm  an- 
geregt, die  Tonne  stehen  und  gehen  erst  noch  einmal  in  eine 
Schenke.  Ein  Schweinehirt  zieht  mit  seiner  Heerde  vorüber 
und  Einochs  ruft  aus  der  Tonne  ,lch  will  nicht  Probst  werden' 
und  erzählt  dem  Hirten,  er  solle,  weil  er  nicht  Probst  werden 
wolle,  ersäuft  werden.  Der  Hirt  (iffnet  die  Tonne,  lässt  ihn 
heraus  und  sich  sell)st  hineinstecken.  Einochs  zieht  mit  der 
Heerde  fort,  jeuer  aber  wird  ersäuft.  Nach  drei  Tagen  er- 
scheint Finochs  wieder  mit  seinen  Schweinen,  die  er  im  xMeer 
gefunden  zu  haben  vorgiebt.  Da  stürzen  sich  die  drei  auch 
hinein,  nachdem  ihnen  L  nibos  die  tiefsten  Stellen,  wo  die 
Schweine  seien,  gezeigt,  und  sie  im  Rauschen  der  Wellen 
das  Grunzen  der  Schweine  gehört  haben.  | 
490  Ich  lasse  nun  die  deutschen  Märclieu  folgen.     In  Valentin 

Schumanns^)  Nachtbüchlein  (155U,  vgl.  Gödeke  Grundriss 
zur  Geschichte  der  deutschen  Dichtung  S.  375)  wird  (Nr.  (>) 
erzählt:    Ein   Bauer,    i^iniiini,    hat    sich   durch   Schalkheit  ver- 


*)  Seluiniaiuis  Erzähhiui;-  hat  Güilcke  in  Pfeiffers  Germania  1,  :ü.')9  f. 
im  Auszug-  mitgeteilt.  Leider  ist  mir  das  Original  nicht  zugänglich. 
[Köhler  hat  (ierm.  18,  15;} — 158  einen  wörtlichen  Abdruck  geliefert. 
Dann   Sclwunann-,   Naclirhi'.chlciii   ed.    Rulte   ls!t3   no.  t;]. 


17.    UeliLT  (.'am|)lit'lls  8animliiiig  giUischer  .Märchoii   89.         '2'Ab 

liasst  geinaclit.  Die  Bauern  werfen  ihm  seinen  Backofen  ein. 
Er  st(isst  tlen  roten  Leim  klein,  tliut  ihn  in  einen  iSaek  und 
geht  nach  Augsburg.  Eine  Wirtin  ghuibt.  im  Sacke  sei  Gold 
und  schiebt  ihm  einen  Sack  mit  Pfennigen  unter.  Einhirn 
erzählt  zu  Hause,  er  habe  für  den  Ofentln)n  (his  Gehl  be- 
kommen. Nun  zerschlagen  die  Bauern  ihre  Backöfen  uiui 
\V(dlen  den  Thou  in  Augsburg  verkaufen,  (ietäusclit  erschlagen 
sie  Eiidiirns  Kuh.  Er  zieht  ihr  die  Haut  ab  uiul  verkauft 
sie  in  Augsburg,  ^'(nl  der  Gerl)ersfrau,  deren  verliebter  Be- 
gierde er  zu  WiUeu  ist.  die  er  aber  dann  ihrem  Manne  ver- 
raten will,  erpresst  er  l(H)  Gulden  uml  giebt  zu  Hause  vor, 
sie  für  die  Kuhhaut  erhalten  zu  haben.  Da  schlachten  die 
Bauern  ihre  Kühe  und  fahren  die  Häute  nach  Augsburg.  Wie- 
der hier  getäuscht,  erschlagen  sie  ihm  aus  Hache  seine  Mutter. 
Er  stellt  die  liciche  in  den  Eahrweg.  wo  sie  ein  Fuhrmann 
überfährt,  den  er  des  Mordes  lieschuldigt  und  der  ihm  aus 
Angst  Wagen  und  Pferde  lässt.  Endlich  stecken  ihn  die 
Bauern  in  einen  Sack,  nni  ihn  zu  ertri'inkeii.  Inireu  aber  zu- 
vor eine  Messe.  Einliirn  schreit  im  Sack  ,lcli  will  es  nicht 
lernen"  nud  lügt  einem  vorüberziehenden  Schweineliirteu  vor, 
sein  Vater  wolle  ihm  die  Goldsclimiedeknnst  lernen  lassen. 
Der  Hirt  lässt  sich  in  den  Sack  stecken  und  wird  ersäuft. 
Abends  erscheint  Einhirn  mit  den  Schweinen  im  Dorf.  Die 
Bauern  beschliessen  luin,  einen  der  ihren  auch  ins  Wasser 
zu  werfen.  Wenn  er  anf  dem  Boden  Schweine  sehe,  solle 
er  die  Hände  em[)()rwerfen.  Der  hhirinkeiule  thut  dies  und 
sie  springen  alle  nach.  '* 

Dies  ist  die  einzige  bekannte  ältere  schriftliche  deutsche 
üeberlieferung.  Im  Volksmuiule  sind  bis  auf  die  neuere  Zeit 
folgende  Fassungen  umgegangen.  In  Ditmarschen  (Müllen- 
hoft'  S.  4(11):  Reiche  Bauern  tfiten  die  einzige  Kuh  eines  armen 
Bauern,  die  auf  ihre  AVeideplätze  gelit.  Der  Arme  verkauft 
in  der  Stadt  die  Haut  einem  Dieb  und  erhält  dann  von  dem 
Diebe,  |  dem  er  zu  entkommen  verhilft,  nachdem  er  einen  491 
Diebstahl  ausgeführt,  die  Hälfte  des  gestohlenen  Geldes.  Zu 
Hause  borgt  er  vom  Nachbar  ein  Mass  zum  (ieldmessen  und 
lässt  einige  (icldstücke  darin  stecken.    Es  folgt  nun  der  Ver- 


236  Z"'"  Märohenforschung. 

such  der  Bauern,  ihre  Kuhliäute  ebenso  teuer  zu  verkaufen. 
Enttäuscht  wollen  sie  Dummhansen  nadits  erschlagen;  der 
aber  hat  vorsichtig  seinen  gewiihiilichen  Platz  mit  seiner 
Grossmutter  vertauscht,  die  die  Bauern  an  seiner  Statt  er- 
schlagen. Dummhans  nimmt  die  Leiche  mit  in  die  Stadt  und 
setzt  sie  auf  den  AVagen  mit  einem  Obstkorbe,  duden  wollen 
Aepfel  kaufen,  die  Alte  antwortet  nicht,  da  stösst  sie  einer 
mit  einem  Stock  an  und  sie  fällt  um.  Dummhans  ruft  Mord 
und  erpresst  von  den  duden  viel  Geld.  Den  Bauern  erzählt 
er,  die  alten  Weiberleichen  würden  in  der  Stadt  sehr  teuer 
bezahlt.  Die  Bauern  erschlagen  ihre  Grossmütter,  fahren  zu 
Markte,  werden  dort  als  Mörder  gefasst  und  müssen  schweres 
Geld  zahlen.  Zornig  ergreifen  sie  zu  Hause  den  Dummhans, 
stecken  ihn  in  eine  Tonne  und  wollen  ihn  in  einen  Teich 
werfen,  kehren  aber  unterwegs  in  einem  Wirtshaus  ein.  Es 
folgt  nun  der  Tausch  mit  einem  vorbeiziehenden  Scljafhirten. 
Dummhans  ruft  Arh  soll  die  Kiinigstochter  haben,  mag  sie 
aber  nicht'.  Die  Bauern  springen  dann  auch  in  den  Teich. 
Die  sich  im  Wasser  spiegelnden  Wölkchen  halten  sie  für 
Schafe  und  glauben  Dummhansen  umsomelir.  Der  erste  Er- 
trinkende ruft  Blubbleblubb.  was  Dummhaiis  auslegt:  Er  hat 
schon  einen  grossen  Bock. 

In  einer  andern  Fassung  S.  4()4  kommt  auch,  wie  im 
IJnibus,  das  Geld  von  sich  gebende  Pferd  und  die  Tote  er- 
weckemle  Fbite  vor. 

In  Vorarlberg  (Vonbun  Sagen  Xr.  78)  erzäliit  man: 
Einem  armen  Bauern  töten  die  aiulern  Bauern  seine 
einzige  Kuh,  die  auf  ihre  Weiden  geht,  und  zerlöchern  nocli 
obendrein  ihre  Haut.  Der  Arme  trägt  sie  in  die  Stadt,  eine 
Gerbersfrau  will  sie  ihm  natürlicli  nicht  abkaufen,  schenkt 
ihm  aber  einen  alten  Trog,  in  dem  —  was  sie  nicht  weiss  — 
ihr  Büblein  schläft.  Dadurch  erpresst  dann  der  Bauer 
](H)  Thaler  von  ihr.  Die  Bauern  töten  auch  ihre  Kühe, 
durchbichern  die  Häute  und  fahren  sie  zur  Stadt.  Enttäuscht 
beschliessen  sie,  nachts  das  Bäuerle  zu  töten:  der  aber  inirt 
davon  und  taus(dit  mit  seiner  Frau  die  Lagerstatt.  Die  Leiche 
4i)2  der    Frau    1    trägt    er    auf   die    Landstrasse,    wo  sie  ein  Herr 


17.    Ueber  Caiii])l)clls  Saniinimii;-  ijälisclier  Märclieii   :>'.».         -J-^T 

Überfährt,  der  dem  klageiideii  Hauern  Ku.ss  und  Wagen  zur 
Kutsehädigung  giebt.  Nuu  tüten  die  Bauern  ihre  Weiber. 
Dann  folgt  die  Gesehicdite  mit  dem  Sacke,  mit  dem  Scliweine- 
hirteii  u.  s.  w.  Der  Bauer  ruft  .Die  Königstochter  mag  ich 
nicht-  und  erzählt:  wer  sieben  Stunden  im  Sacke  aushalte, 
solle  die  Königstochter  bekommen,  er  könne  es  aber  nicht 
mehr  aushalten.  Der  erste  hinabspringende  Bauer  soll,  wenn 
er  die  Unterwelt  sieht,  rufen:  Sie  kommt  I  Wie  er  nun  ,plomp' 
hinein  springt,  meinen  sie,  er  rufe:  Kommt! 

In  den  von  d.  G.  Büsching  herausgegel)enen  Volks- 
sagen, Märchen  und  Legenden  S.  '29(0  ff.  ist  der  Held  ein 
Bauer  Namens  Kibitz.  Als  dieser  eines  Tages  beim  Ackern 
einen  Kibitz  immer  ,Kil)itz-  rufen  hört,  denkt  er,  der  Vogel 
spotte  seiner,  wirft  mit  einem  Steine  nach  ihm.  der  Stein 
trifft  aber  einen  seiner  beiden  Ochsen  und  tiitet  ihn  ^).  Da 
schlägt  der  Bauer  auch  seinen  andern  Ochsen,  mit  dem  allein 
er  nichts  anzufangen  weiss,  tot  und  trägt  ihre  Häute  in  die 
Stadt  zum  Verkauf.  Er  hat  (ielegenheit  zu  bemerken,  wie 
eine  Gerbersfrau  ihren  Liebhaber  in  eine  alte  Kiste  versteckt, 
kauft  von  ihrem  Manne  die  Kiste  für  die  Häute  und  erpresst 
dann  von  dem  darin  steckenden  eine  grosse  Geldsumme.  Den 
Bauern  seines  Dorfes  sagt  er,  er  habe  das  Gehl  für  die  Häute 
bekommen,  \vorauf  diese  ihre  Ochsen  totschlagen  und  mit 
den  Häuten  zu  dem  Gerber  fahren.  Enttäuscht  wollen  sie 
Kibitz  totschlagen,  schlagen  aber  statt  seiner  seine  Frau  tot, 
mit  welcher  Kibitz  die  Kleider  getauscht  hat.  Kibitz  setzt 
nun  die  [.eiche  mit  einem  Korb  voll  Obst  in  der  Stadt  an 
ein  Geländer,  wo  sie  dann  der  Bediente  einer  hochadeligen 
Herrschaft,  der  Obst  kaufen  w'ill  und  dem  sie  nicht  antwortet, 
stösst,  dass  sie  ins  Wasser  fällt.  Kibitz  eilt  klagend  herzu 
und  der  Herr  des  Dieners  giebt  ihm  Wagen  uml  Pferde,  um 
ihn  zu  beschwichtigen.  Hiermit  kommt  er  in  das  D<u-f  zu- 
rück. Die  neidischen  Bauern  stecken  ihn  nun  in  ein  Fass 
u.  s.  w.  p]r  ruft  im  Fass  ,lch  mag  nicht  Bürgermeister 
werden'   und   tauscht  dann  mit  einem  Schäfer  u.  s.  w.     Den 


^)  Vgl.  das  unten  zu  besprechende  litauische  Märchen  vom  Bauer 
Lerche. 


238  ^'"'   -Miirchciiturscliimg. 

Bauern   sagt  er  später,    nur  die  weissen  Blasen  des  AVassers 
seien    Schafe.      Der    Schulze    springt    zuerst    hinein,    uml   da 
die    Bauern   fürchten,    er   werde   sich  zu  viel  holen,   springen 
alle  nach,  i 
49H  In  dem  hessischen  Märchen  hei  Grimm  Nr.  (il  schlachtet 

das  Bäuerlein  seine  Kuh,  die  er  sich  eben  erst  listig  ver- 
schafft hat  und  für  die  ihm  Futter  fehlt,  und  zieht  ihr  die 
Haut  ab,  die  er  zur  Stadt  trägt.  Unterwegs  findet  er  einen 
Raben  mit  gebrochenen  Flügeln  und  nimmt  ihn  mit.  In 
einer  Mühle  kehrt  er  ein  und  belauscht  die  Liebe  der  Müllerin 
und  des  Pfaffen.  Als  der  Mann  plötzlich  heimkehrt,  wird 
der  Pfaff'  versteckt,  ebenso  wie  die  ihm  aufgetragenen  Speisen. 
Das  Bäuerle  giebt  nun  vor,  sein  Vogel  könne  wahrsagen. 
So  kommen  die  Speisen  zum  Vorschein  und  zuletzt  der  Pfaff' 
im  Schrank  als  Teufel.  Für  das  Wahrsagen  bekommt  er 
300  Thaler.  Zu  Hause  sagt  er,  er  habe  sie  für  die  Kuhhaut 
bekommen.  Dn  tr»ten  die  Bauern  ihre  Kühe  und  wollen  die 
Häute  verkaufen.  Dann  folgt  gleich  die  Strafe,  dass  er  in 
einem  Fass  ins  A\  asser  gerollt  werden  soll,  i^^in  (leistlicher 
soll  ihm  aber  erst  die  Seelenmesse  lesen,  vvol)ei  sich  die 
andern  entfernen.  Das  ist  nun  gerade  jener  Pfaff',  der  durch 
ihn  einst  entkam.  Fin  Schäfer  zieht  vorüber,  und  das 
Bäuerlein  tauscht  mit  ihm,  indem  es  vorgiebt,  wer  sich  ins 
Fass  stecken  lass(%  werde  Schulze.  Der  Pfaff'  verrät  nichts. 
Auch  hier  kommt  dann  der  Zug,  dass  die  sich  spiegelnden 
Wolken  für  Lämmer  gehalten  werden.  Das  .Plump'  des 
v(u-anspringenden  Schulzen  deuten  die   Bauern  als:    , Kommt!' 

In  den  Anmerkungen  führt  Grimm  eine  Variante  ,vom 
Bauern  Hände'  an.  Die  Hauern  schlagen  ihm  —  wie  bei 
Schumann  —  den  Backofen  ein,  er  aber  erwirbt  sich  listig 
durch  den  Schutt  Geld.  Die  Bauern  schlagen  auch  ihre  Üefen 
ein.  Dann  wollen  sie  ihn  töten,  erschlagen  aber  seine  Mutter, 
deren  Kleider  er  angezogen.  Fr  erpresst  hierauf  von  einem 
Doktor  mit  der  l^eiche  Geld.  Die  Bauern  töten  auch  ihre 
Mütter.  Dann  die  Begebenheit  mit  der  Tonne  und  dem 
Schäfer. 

In    Westfalen    (Stahl    westphälische     Sagen    und    Ge- 


17.    Ueber  Ciiiii])liclls  Siuiiiiilinii;-  i;iilisclifr  .Alärclicii   Hit.  -j;-^,«^) 

scliicliteii  S.  o4)  wird  crziililt:  Kiii  armer  Hauer  Hick  ^^clilaclitet 
aus  Not  seine  einzige  Kuh.  Die  Haut  trägt  er  nach  Köln, 
unterwegs  wickelt  er  sieli  hei  einem  (iewitter  in  die  Haut 
und  fängt  dahei  einen  Hahen.  der  sich  auf  ihn  setzt,  in 
Krdn  helauscht  er  eine  Wirtin,  die  einen  Mönch  hewirtet  und 
mit  ihm  kost.  Als  ihr  Mann  ankommt,  verste(^kt  sie  Speise 
und  Trank  und  den  Mömch.  Hick  sagt  nun  dem  Manne,  sein 
Rabe  kömne  wahrsagen,  und  entdeckt  ihm  die  versteckten 
Dinge  und  den  Mönch.  |  worauf  dann  der  Maiui  den  Vogel  494 
ihm  abkauft.  Zu  Hause  sagt  Hick  den  Bauern,  er  habe  das 
viele  (ield  für  seine  Kuhhaut  bekommen  u.  s.  w.  Nach  der 
Enttäuschung  der  Hauern  mit  den  Kuhhäuten  folgt  gleich  die 
Geschichte  mit  der  Tonne,  die  Einkehr  der  Bauern  im  AVirts- 
haus.  der  Tausch  mit  dem  vorüberziehenden  Schäfer  und 
endlich  das  Hineinspringen  der  Bauern  in  den  Rhein.  Hick 
singt  hier  in  der  Tonne,  zunächst  nur  um  sich  sein  Leid  zu 
erleichtern,  den  Anfaug  eines  beliebten  Liedes:  Ich  sali  to 
Kiillen  I)ischop  sin  un  hävve  keene  Lust.  Der  Hirt  nimmt 
das  ei'ustlich.  und  s(i  vei-fiUlt  Hick  auf  die  List.  Hick  treibt 
später  seine  Schafe  an  den  Rhein,  und  ihre  Spiegelbilder 
im  Rhein  halten  die  BautMn  für  wirkliche  unten  im  Wasser. 
Der  zuerst  hineins[)ringende  Bauer  soll,  wenn  er  die  Schafe 
sieht,  die  Arme  in  die  Hölie  recken. 

Andere  deuts<die  Märchen  enthalten  ebenfalls  nur  einzelne 
Teile  des  (lanzen.  In  Siebenbürgen  (Haltrich  Nr.  59)  er- 
zählt man:  Zwei  Brüder  haben  je  nur  eiiu-  Kuh.  pflügen  aber 
abwechselnd  mit  beiden.  Weil  der  jüngere  aJ)er  die  Külu^ 
immer  anruft  , Meine  Kühe!"  tötet  der  ältere  ihm  die  Kuh. 
Der  jüngere  zieht  ihr  die  Haut  ab  und  zieht  mit  ihr  und 
einer  durch  die  Kuhhaut  gefangenen  Elster  nach  der  Haupt- 
stadt. Ls  folgt  nun  die  Fielauschung  der  treulosen  Ehefrau, 
die  einen  Kautor  bei  sich  hat.  die  Rückkehr  des  Mannes,  das 
V^erstecken  des  Essens  (der  Kantor  entflieht),  das  Wahrsagen 
der  Elster  und  der  Verkauf  der  Elster  und  der  Kuhhaut,  mit 
der  er  den  Zaubervogel  gefangen.  Der  Bruder  zieht  auch 
seiner  Kuh  die  Haut  ab,  fängt  sich  eine  Elster  und  hält  beide 
vergel)lich  in  der  Stadt  für  gleich  hohen  Preis  feil. 


240  ^u''  ^lilrchenfursohung. 

Die  ühiigcn  Teile  unseres  Märchens  sind  einem  andern 
siel)enl)ürgisclien  Miirchen  eingewebt  (Haltrich  Xr.  (!()).  Hans 
hat  die  Bauern  seines  Dorfes  auf  verschiedene  Weise  an- 
geführt, so  dass  sie  ihn  zu  töten  beschliessen,  statt  seiner 
aber  seine  Grossmntter,  mit  der  er  das  Bett  getauscht,  t(iteu. 
Anf  eine  listige,  diesem  siehenbürgischen  Märchen  ganz  eigene 
Weise  gewinnt  Hans  durch  die  Leiche  viel  (Jeld  und  sagt 
den  Bauern,  er  habe  die  Leiche  in  der  Stadt  verkauft.  Nun 
töten  die  Bauern  ihre  (irdssmütter  und  tragen  sie  zur  Stadt, 
wo  sie  vom  Rat  Rutenscliläge  bekommen.  Dann  kommt  die 
Geschichte  mit  dem  Ersäufen  im  Sack,  der  Tausch  mit 
495  einem  in  einer  Kutsche  |  vorüberfahrenden  Edelmann,  der 
bereit  ist,  Bürgermeister  zu  werden,  und  der  Sprung  der 
Bauern  ins  Wasser,  den  Popen  an  der  Spitze.  Auch  hier 
lässt  Hans  Kutsche  und  Pferde  und  Heerde  sich  im  AVasser 
spiegeln. 

in  Tinil  (Zingerle  Tirols  Volksd.  2.  .'))  erzählt  man: 
Eiu  Bäuerlein  liat  nur  eine  Kuh,  die  er  immer  auf  frenider 
Weide  weiden  lässt,  dafür  erschlagen  die  andern  Bauern  aus 
Zorn  ihm  seine  Erau.  Das  Bäuerlein  setzt  die  Leiche  mit 
dem  Spinnrad  auf  den  Eahrweg  und  erpresst  von  einem 
Euhrmaun,  der  sie  überfährt.  Ross  und  Wagen.  Das  Bäuer- 
lein sagt  den  Bauern,  er  habe  die  Haut  seiner  Frau  in  der 
Stadt  verkauft  und  für  den  Erlös  Ross  und  Wagen  gekauft. 
Da  töten  die  Bauern  ihre  Weiber  und  wollen  ihre  Häute  ver- 
kaufen. Dann  kommt  die  Geschichte  mit  dem  Sack.  AVidi- 
rend  die  Bauern  Messe  hören,  ruft  das  Bäuerlein  .Ich  mag 
sie  nicht',  nämlich  die  Königstochter,  und  tauscht  dadurch 
seineu  Platz  mit  einem  Wanderer.  Dann  erscheint  er  mit 
einer  Heerde  Schweine,  die  er  irgendwo  gestohlen.  Der  erste 
Bauer,  der  in  den  See  springt,  will  , Kommt'  rufen,  wenn  er 
Schweine  sieht,  und  das  .Plumi)f-  des  Hineinspringenden  wird 
dafür  genommen. 

Ein  anderes  Tiroler  Märchen  (Zingerle  2,  414)  erzählt: 
Einem  alten  blinden  Metzger  vertauschen  andere  benachbarte 
Metzger  eine  gekaufte  Kuh  mit  einem  Bock.  Dafür  rächt  er 
sich,    indem    er    sie    nach    Verabredung    mit    einigen    Wirten 


17.    Ueber  Canil>l)ells  Simiiiilmii;'  giilisclior  Märc/lieii   :V.t.         241 

glauben  niaclit,  er  lial)e  einen  alten  Hut.  der  immer  die 
Zeche  bezahle,  und  ihnen  denselben  teuer  verkauft.  Als  er 
die  Getäuschten  später  in  sein  Haus  dringen  sieht  (die  Blind- 
heit ist  vergessen),  verabredet  er  sieh  mit  seiner  Frau  und 
stellt  sich  tot,  die  Frau  erweckt  ihn  aber  durch  dreimaliges 
Berühren  mit  einem  Stocke.  Die  Metzger  vergessen  ihren 
Zorn,  kaufen  den  Stock  und  wollen  damit  die  gestorbene 
Königstochter  erwecken.  Dann  verläuft  die  Geschichte  wie 
gewöhnlich:  Sack,  Wirtshaus,  Schweiuetreiber,  ,Ich  will  die 
Königstochter  nicht-,  ,Kummt',  plump.  Man  vergleiche  zu 
dieser  verderbten  Fassung  weiter  unten  Straparola. 

Nah  steht  die  bairische  Erzählung  (Panzer  bairische 
Sagen  1,  iH)).  Drei  Nachbarn  führen  die  dumme  Fran  eines 
Heiligenbildschnitzers  an,  der  sich  dafür  rächt,  indem  er 
ihnen  Dreck  als  Latwerge  teuer  verkauft.  Sie  laufen  nach- 
her in  sein  Haus,  [  um  ihn  zu  prügeln.  Er  aber  prügelt  49() 
seine  Frau  nach  Verabredung,  die  in  den  Backofen  kriecht, 
woranf  die  junge  Tochter  zum  Vorschein  kommt.  Er  sagt, 
sein  Knittel  verjünge  die  Weiber.  Die  Nachbarn  kaufen  ihn 
und  sclilagen  ihre  Weil»er  t(tt.  Wütend  eilen  sie  dann  wieder 
in  sein  Haus,  wo  er  sich  tot  stellt  und  einen  Stock  neben 
sich  gelegt  iiat.  Einer  der  Nachbarn  giel)t  ihm  mit  diesem 
Stock  einen  Hieb,  worauf  er  wieder  aufstellt.  Die  Nachbarn 
kaufen  nun  den  Tote  erweckenden  Stock  und  wollen  damit 
die  gestorbene  Priuzess  erwecken,  natürlich  vergeblich.  Nun 
kommt  die  Geschichte  mit  dem  Sack.  Wiihrend  sie  einkehren, 
reitet  ein  Pfatt'  auf  einem  Schimmel  vorbei.  Hainbauernseppel, 
der  ihn  durch  den  Sack  sieht,  ruft  ,Soll  Papst  werden  uiul 
will  nicht'  und  tauscht  so  mit  ihm.  Die  Nachbarn  lassen 
dann  einen  an  einem  Strick  in  den  Weiher,  der,  wenn  er 
Schimmel  sieht,  am  Strick  reissen  soll,  was  er  ertrinkend  thut. 

In  dem  von  Grimm  in  den  Anmerkungen  zu  Nr.  61  an- 
geführten Volksbuch  vom  Bauer  Rutschki  kommen  auch  einige 
Züge  des  Märchens  vor.  Das  p]rkaufen  des  Kastens,  worin 
der  Liebhaber  steckt,  durch  die  Kubhaut  kommt,  wie  wir 
sehen  werden,  in  mehreren  nicht  deutschen  Fassungen  des 
Märchens  vor.     Minder  gut  ist    in  dem  erwähnten   vorarlber- 

R.  Köhler,  Kl.  Schriften  I.  16 


242  ^"1"  ^iHreheiit'orsohung. 

gischen  Märchen  das  Erkaufen  eines  Troges,  in  dem  ein  Kind 
schläft.  Auch  im  Harze  laufen  Teile  des  Märchens  um,  s. 
Pröhle  Harzsagen  8.  "273,  Märchen  für  die  Jugend  Nr.   15. 

Wir  verlassen  nun  Deutschland  und  wenden  uns  zunächst 
nach  Dänemark.  Zwei  dänische  Märchen  kann  ich  bei- 
bringen, eins  von  Andersen  ((iesamnielte  Märchen,  Leipzig 
1<S47,  2.  43),  das  andere  von  Etlar  (Eventyr  og  Eolkesagu 
fra  Jylland,  S.  134)  erzählt.  Nach  Andersens  Erzählung 
sind  der  grosse  und  der  kleine  Klaus  zwei  Bauern,  ersterer 
besitzt  vier  Pferde,  letzterer  nur  eins.  Der  kleine  Klaus  borgt 
die  Pferde  des  grossen  Klaus,  und  ruft  beim  Pflügen  ihnen 
zu:  Hü  alle  meine  Pferde!  (vergleiche  oben  S.  4*.)4  das  sieben- 
bürgisclie  ^lärchen).  Der  grosse  Klaus  verbietet  es  ihm  und 
erschlägt  ihm  endlich  zornig  sein  Pferd.  Der  kleine  Klaus 
zieht  seinem  Pferde  die  Haut  ab  und  macht  sich  auf  den 
Weg  zur  Stadt,  um  sie  zu  verkaufen.  Unterwegs  belauscht 
er  in  einem  Bauernhof,  wo  er  um  Nachtlager  bittet,  die 
497  Bäurin,  die  den  Küster  bewirtet,  und  |  als  ihr  Mann  plötzlich 
heimkehrt,  die  Speisen  verste(;kt  und  den  Küster  in  eine  Kiste 
birgt.  Vom  Manne  erhält  Klaus  (^)nartier  und  giebt  vor,  in 
der  Haut  stecke  ein  Zauberer,  und  lässt  ihn  die  versteckteii 
Speisen  und  Getränke  herzaubern.  Der  Mann  kauft  ihm  die 
Haut  ab  und  giebt  ilim  aucli  auf  seinen  Wunsch  die  Kiste, 
worin  der  Küster  steckt,  mit.  Unterwegs  thut  Klaus,  als  wolle 
er  die  Kiste  ins  Wasser  werfen:  der  Küster  schreit  und  kauft 
sich  los.  Zu  Haus  borgt  der  kleine  Klaus  vom  grossen  ein 
Scheft'elmass,  um  sein  (Jeld  zu  messen,  »lener  hat  den  Boden 
mit  Teer  bestrichen  und  so  haften  einige  (ieldstücke  daran. 
Der  kleine  Klatis  sagt,  er  habe  das  Geld  für  die  Pferdehaut 
erhalten,  worauf  der  grosse  seine  Pferde  tötet  und  ihre  Häute 
zu  Markte  bringt.  Enttäuscht  eilt  er  Nachts  in  Kleinklausens 
W(dinung,  um  ihn  zu  erschlagen,  erschlägt  aber  die  alte  Gross- 
mutter, mit  der  jener  das  Lager  getauscht  hat  ^).  Der  kleine 
Klaus   zieht   am    andern   Tage    der   Leiche    gute    Kleider   au. 

^)  So  ist  sicher  die  Ueberlieferuug.  Andersen  lässt  den  kleinen 
Klaus  zu  Hause  seine  Grossmutter  tot  finden  und  in  sein  Bett  legen, 
um  sie   zu   erwärmen    und    vielleiclit   wieder  zu   beleben. 


17.    Ueber   ('iiiii})bells  !5;iiiiiiiliiii;^'  gälisclier  Märclieii   39.  24^ 

setzt  sie  in  den  Wagen  und  fährt  mit  ihr  fort.  Unterwegs 
kehrt  er  ein  und  bittet  den  Wirt  der  Alten  ein  Glas  Met 
hinauszutragen.  Da  sie  sich  nicht  i'iihrt,  stösst  sie  der  Wirt, 
sie  fällt  vom  Wagen,  und  der  Wirt  muss  des  vermeintlichen 
Tntschlags  wegen  dem  kleinen  Klaus  einen  Scheffel  Geld 
gehen.  Der  grosse  Klaus  schlägt  nun  auch  seine  Grossmutter 
tot  und  fährt  sie  in  die  Stadt  zum  Apotheker,  der  ihn  fort- 
jagt. Kr  eilt  heim,  steckt  den  kleinen  Klaus  in  einen  Sack 
und  will  ihn  ersäufen.  Unterwegs  aber  tritt  er  in  eine  Kirclie 
und  lässt  den  Sack  stehen.  Der  kleine  Klaus  tauscht  mit 
einem  vorüberziehenden  Hirten,  indem  vorgiebt,  er  solle  ins 
Himmelreich  und  wolle  noch  nicht.  Zuletzt  lässt  sich  der 
grosse  Klaus  vom  kleinen  in  einen  Sack  stecken  und  auch 
ins  Wasser  werfen. 

Ktlars  Märchen  stimmt  fast  ganz  mit  dem  Andersens. 
Die  Helden  sind  Brüder  und  heissen  der  grosse  uiul  der 
kleine  Lars.  Der  kleim^  Lars  borgt  das  Scheft'elmass  des 
Bruders  zum  Geldmessen  und  lässt  sell)st  einige  («eldstücke 
drin  stecken.  Die  erschlagene  Schwiegermntter  setzt  er  mit 
einem  Korl)  V(dl  Eier  |  auf  einen  Wagen  in  die  Nähe  eines  n»8 
Brunnens.  VAw  Maini,  der  ihr  abkaufen  will,  stosst  sie  an. 
und  sie  fällt  in  (b'u  lirunnen.  Der  Mann  muss  die  Tote  be- 
graben lassen  und  an  Lars  eine  (ieldstrafe  entrichten.  Nach 
einiger  Zeit  steckt  der  grosse  Lars,  um  auszus[)ionieren,  wie 
es  dem  Bruder  geht,  seine  Schwägerin  in  eine  Kiste,  die  ihm 
der  kleine  Lars  kurze  Zeit  aufbewahren  soll.  Aber  der  kleine 
l^ars  merkt  dies,  öffnet  die  Kiste  und  erschlägt  die  Schwägerin 
des  Bruders  und  steckt  ihr  ein  Stück  Fleisch  in  den  Mund, 
so  dass  es  scheint,  als  sei  sie  im  Kasten  beim  Essen  erstickt. 
Als  der  Bruder  die  Kiste  wieder  holt  und  die  Schwägerin 
tot  findet,  weiss  er  nicht  was  anzufangen,  um  die  l^eiche 
sich  vom  Halse  zu  schaffen.  Klein- [.,ars  rät  ihm,  sie  in  der 
Stadt  zu  verkaufen,  wie  er  es  mit  der  Leiche  der  Schwieger- 
mutter gemacht  habe.  Der  grosse  Lars  thut  dies,  wird  aber 
festgenommen  nud  muss  eim^  Geldbusse  zahlen.  Zuletzt 
weicht  Etlars  .Märchen  hau])tsächlich  nur  dadurcli  ab,  dass 
der   kleine    Lars    den    grossen    nicht    wirklich    im    Sack    ins 

ifi* 


244  '^"'"  Märchenforschunif. 

Wasser  wirft,  Sdiidcrn  ihm  gegen  eine  Verschivibiing  von 
500  Thalrrn  das  Leben  schenkt,  und  schliesslich  auch  noch 
den  Vogt  des  Dorfes  zum  Besten  hält,  indem  er  ihn  glauben 
macht,  er  habe  einen  Narrenfinger,  mit  dessen  Hilfe  könne 
er  alle  zum  Besten  haben,  selbst  aber  nie  hinters  Licht  ge- 
führt werden. 

In  dem  norwegischen  Märchen  bei  Asbjörnseu  Nr.  53 
sind  die  Helden  ebenfalls  zwei  Brüder,  der  grosse  und  der 
kleine  Peter.  Der  grosse  erschlägt  das  einzige  Kalb  des 
kleinen,  das  dieser  auf  seiner  Weide  weiden  lässt.  Der 
weitere  Verlauf  ist  2,anz  wie  in  den  dänischen  Märchen:  das 
Belauschen  der  Bauersfrau,  die  den  Pfarrer  in  der  Kiste  ver- 
steckt: der  Verkauf  der  Haut,  in  der  eine  Wahrsagerin  sein 
soll  u.  s.  w.  Die  Leiche  der  Mutter,  der  der  grosse  Peter 
im  Wahne,  es  sei  der  Bruder,  da  sie  mit  dem  Sohn  das  Bett 
getauscht  hat.  das  Haupt  abgeschlagen  hat.  setzt  der  kleine 
Peter  mit  eintMU  Aepfelkdrb  auf  dt^n  Markt.  Ein  Schiffer 
will  mit  ihr  handeln  und  gieht  ihr.  als  sie  nicht  antwortet, 
einen  Schlag,  dass  der  aufgesetzte  Kopf  IieraljHiegt  u.  s.  w. 
Nachher  steckt  er  den  kleinen  Peter  in  einen  Sack,  um  ihn 
zu  ertränken,  und  zwar  bittet  sich  Peter,  wie  im  Lnibos, 
diese  Todesart  selbst  aus.  Dann  folgt  der  Tausch  Peters, 
499  der  im  Sack  ruft:  .Ins  Himmelreich,  ins  Para-^dies!'  mit  einem 
vorüberziehenden  Hirten  u.  s.  w.  Zuletzt  lässt  sich  der  grosse 
Peter  von  seiner  Frau  auch  in  einen  Sack  stecken  und  ins 
Wasser  werfen,  und  seine  Frau  spriuüt  nach.  Norwegische 
Varianten  sind  S.  492  angegeben,  in  denen  der  ei2,"enthüm- 
liche  Zug  vorkommt,  dass  Peter  von  einer  weisen  Frau,  die 
durch  einen  Schlag  Taubheit  heilen  kann  und  der  toten  Mutter 
Peters  den  Kopf  abschlägt.  800  Thaler  erpresst.  In  einer 
Variante  aus  Thelemarken  sind  die  Hauptpersonen  zwei 
Bauern,  der  listige  heisst  Jon  Svik.  An  die  Stelle  des 
Schiffers  tritt  ein  Vogt,  der  die  nicht  antwortende  tote  Mutter 
ins  Wasser  stösst. 

P^in  litauisches  Märchen  (Schleicher  S.  121)  erzählt: 
Ein  armer  Bauer  Lerche  ärgert  sich  beim  pflügen  über  die 
zwitschernden    Lerchen,    wirft    nach    ihnen    und    tötet   dabei 


17.    Ueber  ('iimi)li<'lls  Saiiiiiilung'  giilisclier  Märclien  Sd.         245 

seiueu  Ochsen  (vgl.  (»ben  S.  492  den  Bauer  Kibitz).  Er 
trägt  die  Haut  in  die  Stadt  und  sieht  im  Haus  des  Gerbers, 
wie  die  Frau  den  Pfarrer  in  einen  alten  Sehrank  steckt.  Er 
bittet  sich  nun  vom  Gerber  für  seine  Haue  jenen  Schrank 
aus  und  erhält  ihn.  Als  er  dann  unterwegs  ihn  ins  Wasser 
zu  werfen  Anstalt  macht,  verspricht  ihm  der  Pfarrer  400  Thaler 
und  zahlt  sie  ihm  dann  auch  aus.  Zu  Hause  leiht  er  vom 
Schulzen  eine  Metze  zum  (ieldmessen  und  lässt  einiges  Geld 
darin  stecken.  Dann  giebt  er  vor,  in  der  Stadt  ständen  die 
Häute  in  hohem  Preise.  Die  Bauern  lassen  sich  täuschen. 
Aus  Rache  wollen  sie  nachher  Lerche  erschlagen,  erschlagen 
aber  seine  Frau,  mit  der  er  die  Kleider  getauscht  hat.  Lerche 
setzt  die  Leiche  auf  seinen  Wagen  mit  einem  Korb  Aepfel 
und  lässt  den  Wagen  auf  einer  Brücke  stehen.  Ein  vorbei- 
kommender Graf  fordert  von  der  Leiche  vergeblich  Aepfel 
und  giebt  ihr  einen  S(dilag.  Lerche  eilt  herbei  und  erpresst 
von  dem  Grafen  eine  grosse  Summe.  Die  Bauern  lassen  sich 
wieder  von  ihm  anführen,  erschlagen  ihre  Weiber  und  fahren 
sie  zur  Stadt,  um  sie  für  (ield  sehen  zu  lassen.  Nun  folgt 
die  versuchte  Rache  mit  dem  Sack,  der  Tausch  mit  dem 
vorüberziehenden  Schäfer,  der  bereit  ist,  Schulze  zu  werden, 
und  der  Wassersprung  der  Bauern,  der  Schulze  voran.  Da; 
Abspiegeln  der  Schafe  im  AVasser  findet  sich  auch  hier.  Da> 
Gurgeln  des  Wassers,  als  der  Schulze  ertriidct.  erklären  dit 
Bauern,  er  rufe  den  Schafen  .burr,  burr*. 

Ein  anderes  litauisches  Märchen  (Schleicher  S.  S3)  er- 
zählt von  dem  listigen  |  Tschutis,  der  drei  Brüdern  ein  an-  500 
ge blich  Dukaten  von  sich  gebendes  Pferd  verkauft,  dann  einen 
angeblich  von  selbst  fahrenden  Schlitten.  Als  sie  enttäuscht 
zu  ihm  eilen,  sticht  er  sich  scheinbar  (er  hat  eine  Blase  mit 
Blut  umgebunden)  tot,  seine  Frau  aber  giebt  ihm  mit  einem 
Stock  einige  Schläge,  worauf  er  wieder  ersteht  und  jenen 
den  Stock  teuer  verkauft,  die  ihn  nun  an  ihren  Weibern  ver- 
suchen. Als  sie  abermals  zu  ihm  eilen,  finden  sie  ihn  wie 
tot  im  Sarge  liegen  und  wollen  wenigstens  der  Leiche  einen 
Schimpf  anthun.  Tschutis  aber  verstümmelt  sie  tötlich  mit 
einer  bereit  gehaltenen  Scheere. 


24()  2iur  Märclienforscliung. 

lii  einem  dritteu,  übrigens  gar  nicht  hierlier  geliörigen 
litauischen  Märchen  (Schleicher  S.  41)  täuscht  ein  Besen- 
binder, ganz  wie  oben  in  dem  Tiroler  Märchen  ^),  Kauflente 
mit  dem  Vorgeben,  wenn  man  seinen  Hut  schüttele,  sei 
immer  alles  bezahlt.  Als  jene  sich  dann  rächen  wollen, 
stellt  er  sich  tot  und  verstümmelt  sie  wie  Tschutis.  [Yenez. 
Märchen  Nr.  18.] 

Ein  irisches  Märchen,  welches  Lover  legends  and  sturies 
of  Ireland,  second  series,  Londou  1S34,  S.  '278  [Hil)ernian 
Tales  p.  Hl]  erzählt,  stimmt  mit  der  vierten  gälischen  Variante. 
Little  Fairly  und  Big  Fairly  sind  Brüder,  aber  von  ver- 
schiedenen Müttern.  Kleiu  Fairly  liat  nur  eine  Kuh,  die  ihm 
(nMSS  Fairly,  als  sie  auf  seiner  Weide  grast,  tötet.  Klein 
Fairly  zieht  ihr  die  Haut  ab,  steckt  einige  Schillinge  in  einige 
Löcher  und  giebt  in  der  Stadt  vor,  man  könne  alle  Woche 
eine  Hand  voll  Schillinge  herausklopfen.  So  verkauft  er  sie 
für  100  Guineen.  Vom  Bruder  borgt  er  zu  Hause  die  Wage 
zum  Wiegen  des  Geldes.  Der  tötet  auch  seine  Kühe,  be- 
kommt aber  in  der  Stadt  nur  Prügel.  Zurückgekehrt  will 
er  Klein  Fairly  durchprügeln,  erschlägt  aber  dabei  dessen 
alte  Mutter,  die  sich  dazwischen  stellt.  Klein  Fairly  setzt  die 
Leiche  auf  einen  Brunnenrand  im  (^>arten  des  Squires,  dessen 
Amme  sie  gewesen,  nnd  sagt  den  Kindern  des  Squires,  die 
Alte  habe  Ingwerbrot  für  sie.  Die  Kinder  stürzen  anf  die 
Alte  los,  nnd  das  eine  stösst  sie  in  den  Brunnen.  Der  Squier 
zahlt  ihm  öO  Goldguineen.  Klein  Fairly  erzählt  seinem 
Bruder,  der  Doktor  in  der  Stadt  kaufe  die  I^eichen  alter 
AVeiber  sehr  gern,  worauf  der  seine  Mutter  tötet,  sie  in  die 
501  Stadt  trägt,  |  aber  eiligst  Hieben  muss.  Nun  kommt  die  (Je- 
schiclite  mit  dem  Sack.  Während  Gross  Fairly  einkehrt, 
tauscht  Klein  Fairly  seinen  Platz  mit  einem  vorübergehenden 
alten  Farmer,  dem  er  vorgiel)t,  wer  sich  in  den  Sack  stecke, 
komme  in  kurzem  in  den  Himmel.  (Jross  P'airly  stürzt  sich 
dann  auch  in  den  ,bog  of  Albau*. 


')    Der  Schwank  mit  dem  be  z  a  lilc  ii  de  n   Hut  koiDiiit  aiieh  einzeln 
in  Schottland   vor,  Camphell  S.  237.     [Unten  S.  251    '.   Hotfmeister  S.  1:^1. | 


17.    Ueber  Cainpbells  Saniniluiii;;-  gälisoher  Märchen   89.         247 

Kill  anderes  irisches  Märchen  (K.  v.  K.(illiiiger)  Sagen 
und  Mändien  "2,  23)  erzählt  von  einem  armen  Tenfel  Darby 
Duly,  der  in  den  Kot  seines  Schimmels  einige  Münzen  steckt 
und  vorgiebt,  der  Schimmel  gebe,  wenn  man  ihn  peitsche, 
Geld  von  sich.  Ein  Herr  Pur(;ell  kauft  ihm  den  Schimmel 
ab.  Als  dann  Purcell  kommt,  um  sich  für  den  Betrug  zu 
rächen  und  ihn  hängen  zu  lassen,  stellt  er  sich,  als  sei  er 
mit  seiner  Frau  in  Streit  geraten,  und  ersticht  sie,  nachdem 
er  ihr  vorher  heimlich  einen  Schafsmagen  voll  Blut  um  den 
Hals  gebunden,  und  erweckt  sie  dann  wieder,  indem  er  ihr 
mit  einem  Schafbockshorn  ins  Ohr  blässt.  Purcell  besänftigt 
sich  und  kauft  ihm  das  Hörn  ab.  Er  ersticht  seine  Frau 
und  versucht  sie  vergeblich  wieder  zu  erwecken.  Nun  steckt 
Purcell  den  Darby  in  einen  Sack  und  will  ihn  ertränken 
lassen.  AVährend  die  Soldaten  aber,  die  dies  besorgen,  in 
einem  Wirtshaus  einkehren,  zieht  ein  Hausierer  beim  Sack 
vorül)er  und  tauscht  den  Platz  mit  Darby.  der  vorgiebt,  er 
solle  Herrn  Purcells  Tochter  heiraten  und  wolle  nicht.  Der 
Hausierer  wird  ersäuft.  Darby  aber  zieht  mit  seinen  Waaren 
herum  und  geht  nach  einiger  Zeit  zu  Herrn  Purcell,  der 
sehr  erschrickt.  Darby  giebt  sich  für  einen  seligen  (Jeist 
aus  und  l)ringt  Grüsse  von  Purcells  Frau  aus  dem  Fegefeuer 
und  bittet  in  ihrem  Namen  um  Geld,  das  er  auch  erhält. 

Hier  haben  wir  das  Märchen  mit  eigentümlichem  Schluss. 
Der  Zug,  dass  ein  Schlaukopf  aus  dem  Himmel  zu  kommen 
vorgiebt,  und  im  Namen  (iestorbener  von  deren  Angelnirigen 
Geld  und  dergleichen  erbittet,  kommt  als  selbständiger 
Schwank  vor,  Pauli  Schimpf  und  Ernst,  Bern  154G,  Nr.  40(i. 
H.  Sachs  o,  3  (der  fahrende  Schüler  im  Paradies)  und  mit 
andern  Märchen  verwebt,  vergleiche  Asbjörnsen  Nr.  10  nebst 
Anmerkungen  [Bolte  zu  Frey  Nr.  Ol]. 

Das  ganze  irische  Märchen  haftet  an  bestimmten  Edkali- 
täteii  in  der  Grafschaft  Gork. 

In    Burgund   wird,    wie   E.   Beauvois  Contes  populaires 
de  la  Norvege,  de  la  Finlande  et  de  la  Bourgogue.  Paris  1S62,| 
S.  218  mitteilt,  von  Jean  Bete  erzählt,  dass  er  eine  Kuhhaut  502 
zu  Markte  trasen  wollte.     Unterweas  steigt  er,  falls  ihm  die 


248  ^^'''  ^liii'i'lienforschung. 

Nacht  überrascht,  auf  einen  Baum,  nnter  dem  sich  Diebe 
niedersetzen,  um  ihr  Geld  zu  teilen.  Jean  Bete  lässt  die 
Haut  fallen  und  die  Diebe  laufen  erschrocken  davon  und 
lassen  das  Geld  liegen,  das  Jean  sich  aneignet  [Cosquin 
no.  22,  Carnoy  no.  7].  Zu  Hause  borgt  er  von  seinem  Edel- 
mann einen  Scheffel  zum  Geldmessen.  Einige  Stücke  bleiben 
darin  kleben,  da  der  Herr  Pech  hineingestrichen.  Der  Herr 
schlachtet  alle  seine  Kühe  und  fährt  die  Häute  zur  Stadt. 
Nun  folgt  die  Geschichte  mit  dem  Sack.  Jean  ruft  im  Sack, 
er  wolle  nicht  Bischof  werden,  und  tauscht  den  Platz  mit 
einem  vorüberziehenden  Viehhändler  u.  s.  w.  ^) 

In  (iascogne  wird  nacli  Cenac  Moncauts  Contes  popu- 
laires  de  la  Gascogne,  Paris  1S61,  S.  17:^  ff".  2^)  ^\]\.^^\^  3^  104] 
das  Märchen  also  erzählt.  Der  fünfzehnjährige  Capdarraere 
soll  das  einzige  Paar  Ochsen  seiner  Mutter  verkaufen  und 
sich  dafür  geben  lassen,  was  recht  und  billig  ist.  Zwei  Kauf- 
leute geben  ihm  eine  Prise  Tabak  und  eine  Bohne.  Als  er 
hiermit  nach  Hause  kommt,  schilt  ihn  seine  Mutter  aus  und 
sagt,  er  werde  den  Wolf  nie  beim  Schwanz  fangen.  Cap- 
darmere  geht  in  den  Wald,  fängt  einen  schlafenden  Wolf  mit 
einer  Schlinge  und  führt  ihn  seiner  Mutter  vor.  Dann  hängt 
er  die  Haut  eines  Widders  dem  Wolf  um  und  verkauft  ihn 
als  Widder  jenen  Kaufleuten,  in  deren  Ställen  der  Wolf  bald 
arge  Vernichtung  anrichtet  [Widter-Wolf,  Venez.  M.  18,  Jahrb. 
f.  rom.   liitt.   7,  282].    Als  nun  die  Kaufleute  zornig  zu  Cap- 


')  Beauvüis  verweist  dann  auf  die  auch  von  mir  besprochenen 
Märclien  bei  (xrinim,  MüUenhoff,  Asbjörnsen,  Andersen,  Etlar,  Killinger, 
Straparola,  Wolf,  Cenac  Moncaut.  Die  Citate  sind  zum  Teil  durch  Druck- 
feliler  entstellt.  Wenn  er  auch  auf  Schotts  walachische  Märchen  Nr.  22 
verweist,  so  stimmt  daraus  nur,  das  Bakalas  Brüder  bei  dem  Popen  ein 
Fruchtmass  zum  Geldmessen  holen  lassen,  und  dass  Bakala  einst  auf 
einem  Baume  sitzt,  unter  dem  sich  auch  Bauern  lagern,  die  aber  fliehen, 
als  Bakala  seine  Handmühle  herunterwirft.  Das  Märchen  Basiles  II, 
10  (nicht  I,  10)  und  das  aus  1001  Nacht,  die  Beauvois  und  Asbjörnsen 
S.  493  vergleichen,  gehören  nicht  her. 

■)  Man  vgl.  über  diese,  so  wie  über  die  eben  erwähnte  3Iärchen- 
sammlung  von  Beauvois  meinen  Aufsatz  in  Eberts  Jahrbuch  für  romanische 
und  englische  Literatur  ."1,   1  ff.  [=  oben  S.  79J. 


17.    Ueber  CaniiibfUs   Samniluiii;-  gälisclier  ilärclieii   H',).       •_>41) 

darmere  eilen,  treffen  sie  ihn,  der  sie  hat  kommen  sehen, 
wie  er  eben  seinen  Hund  mit  einem  |  Messer  scheinbar  er-  bo'6 
sticht  und  dann  durcli  einen  Spru(^h  wieder  belel)t.  Kr  giebt 
vor,  dass  widerspenstige  Tiere,  mit  diesem  Messer  erstochen 
und  durch  den  Spruch  wieder  belebt,  zahm  würden.  Die 
Kaufleute  kaufen  ihm  das  Messer  ab.  Nachdem  sie  dann 
den  Betrug  erkannt  haben.  ül)erfallen  sie  ihn,  und  es  folgt 
nun  die  Geschichte  mit  dem  Sack  u.  s.  w.  Dem  vorüber- 
ziehenden Schweinehändler  lügt  Capdarmere  vor.  er  solle 
eine  Prinzessin  heiraten.  Die  Schweine  S(dlen  aus  dem  Sande 
im  Meeresgrunde  entstanden  sein.  Weder  der  Schweine- 
händler noch  die  beiden  Kaufleute  ertrinken  übrigens  in  dem 
gascognischen  Märchen,  sondern  werden  noch  von  Capdarmere 
gerettet,  doch  mag  dies  nur  eine  Aenderung  des  Sammlers 
sein.  Ganz  eigen  ist  dem  gascognischen  Märchen  die  Kiu- 
leitung.  Die  in  vielen  der  hierher  gehörigen  Märchen  vor- 
kommende Tote  erweckende  oder  verjüngende  Trompete  und 
dergleichen  ist  hier  ziemlich  ungeschickt  durch  das  wider- 
spenstige Tiere  besseriule  ^lesser  ersetzt. 

Kigentümlich  gestaltet  ist  die  Krzählung  bei  Straparola 
(1.  3).  Scarpaüco,  ein  Priester,  wird  von  drei  listigen  Ge- 
sellen um  ein  eben  gekauftes  Maultier  betrogen,  indem  sie 
sich  einzeln  aufstellen  und  jeder  behauptet,  das  Tier  sei  ein 
Ksel,  bis  jener  wütend  über  seine  Verl)lendung  es  dem  letzten 
schenkt.  Später  sieht  er  ein.  dass  er  l)etrogen,  und  räclit 
sich  an  ihnen.  Kr  kauft  sich  zwei  ganz  gleiche  Ziegen  und 
geht  mit  einer  derselben  auf  den  Markt,  wo  er  jene  drei 
wieder  trift"t.  Kr  ladet  die  Schelme  zu  Tische  und  beladet 
in  ihrer  Gegenwart  die  Ziege  mit  Speisen,  giebt  ihr  Aufträge 
an  seine  Haushälterin  und  lässt  sie  laufen.  Die  Schelme 
lassen  sich,  da  sie  bei  Scarpaüco.  der  alles  mit  seiner  Haus- 
hälterin beredet  hatte,  das  Kssen  fertig  und  die  andere  Ziege 
linden,  täuschen,  halten  die  Ziege  für  ein  Wundertier  und 
kaufen  sie.  Als  sie  den  Betrug  nachher  merken,  eilen  sie 
zu  Scarpafico,  der  sie  kommen  sieht  und  sich  rasch  mit 
seiner  Haushälterin  beredet.  Wie  die  Schelme  in  das  Haus 
kommen,  ersticht  er  scheinbar  die  Haushälterin  und  erweckt 


•_>50  Zur  Märchenforsc-hung-. 

sie  dann  durch  das  Blasen  einer  Pfeife  wieder^).  Jene  ver- 
504  gessen  iliren  Zorn  und  kaufen  die  Pfeife.  |  Sie  versuchen  nun 
die  Sache  mit  ihren  Weibern,  die  natürlich  tot  bleiben.  Nun 
kommt  die  Geschichte  mit  dem  Sacke.  Die  Schelme  hören 
ein  Geräusch,  laufen  davon  und  lassen  den  Sack  stehen. 
Scarpafico  ruft  im  Sacke  ,ich  mag  die  Fürstentochter  nicht' 
und  tauscht  mit  einem  vorüberziehenden  Schäfer  den  Platz 
u.  s.  w.  Die  Schelme  lassen  sich  zuletzt  von  Scarpafico  in 
Säcke  stecken  und  in  den  Fluss  werfen. 

Die  Geschichte  von  den  drei  Schelmen  und  dem  Maul- 
tiere ist  ursprünglich  indisch  und  viel  verbreitet,  vergleiche 
Schmidts  Straparola  S.  'M)>>,  Dunlop- Liebrecht  Anmerkung 
356,  Benfey  Pantschat.  1,  356  f.  [Oesterley  zu  Gesta  Rom. 
132,  Cosquin  1.  116.]  Die  ganze  Erzählung  Straparolas  hat 
Thomas  Simon  Gueulette  (1683 — 1766)  in  seinem  Werke 
,Les  mille  et  ua  (|uart  d'heures,  rontes  tartares'  und  zwar 
in  der  Geschichte  des  jungen  Calenders  (106  — 1()5>.  quart 
dheure.  Cabinet  des  Fees  '2'2.  S.  J32  ff.)  mit  geringen,  un- 
wesentlichen Aenderungen  bearbeitet,  wie  dies  Schmidt  zu 
Straparola  S,  310  schon  bemerkt  hat.  Fliomas  Wright  Essays 
on  subjects  connected  with  the  literature,  populär  superstitions 
and  history  of  England  in  the  middle-ages  2,  77  konnte 
Gueulettes  Erzählung  nur  für  echt  orientalisch  halten,  weil 
er  Straparola  nicht  kannte.  Er  stellt  S.  74  ff.  Unibos,  Gueu- 
lette und  Lovers  Littlc  Fairly  zusammen.  Gueulette  hat 
auch  sonst  Straparola  benutzt  vergleiche  Duidop- Liebrecht 
S.  415,  Schmidt  Strapanda  S.  -21)4  und  341.  von  der  Hagen 
Gesammtabenteuer  3.  S.   L. 

Aber  auch  deutsch  findet  sich  die  Erzählung  Straparolas 
in  Wolfs    deutschen    Märchen    und  Sagen,    Nr.   11,    und   zwar 


\)  Tn  der  mir  vurliegeiulen  Ausgabe  des  Straparula,  Venedig  1H04, 
ist  von  einer  piva  fatta  al  modo  suo  die  Rede.  So  ohne  Zweifel  auch 
in  der  Ausgabe  von  1608,  die  Schmidt  benutzte.  In  der  Uebersetzmig 
von  Louveau  und  Larivey  wird  das  Instrument  ein  liautbois  genannt 
uiiil  damit  den  Frauen  ,entre  les  fesses'  [bei  Straparola  ,nel  niartino', 
d.  h.  in  den  Hintern]  geblasen.  Bei  Gvieulette  ist  es  ein  Hörn,  bei 
W(df  eine   Fb'ite   und  es   wird  den  Frauen   ins  Ohr  geblasen. 


17.    Ueber  Campbell^;  Samiiilmig  gitlischer  Märclioii  39.         251 

mit  so  gerillgell  Abweichiiiigeii.  dass  ein  direkter  EiiiÜiiss 
Straparolas  notwendig  anzimeliraen  ist.  Das  Märchen  ist  V(»n 
AVolf  aus  dem  Ilennegau  gesammelt,  dort  mag  es  aus  <ler 
alten  französisclieu  Lebersetzung  Straparolas  bekannt  ge- 
worden sein.  Auch  in  Köln  hat  es  Wolf  gehört,  doch  ist  da 
die  Geiss  durch  einen  selbstkochenden  Kessel  ersetzt  gewesen. 
Hier  müssen  wir  nun  noch  ein  dänisches  Märchen  (Ktlar 
S.  1()5)  erwähnen,  |  das  bei  aller  Verschiedenheit  doch  dem  bOb 
Straparolaschen  nahe  steht.  Klaus  Schulmeister,  der,  wie  wdr 
oben  erwähnten  (S.  812),  Graf  Geerts  Schatz  auf  so  listige 
Weise  Iteraubt  hatte,  wollte  eine  Kuh  verkaufen.  Deutsche 
Soldaten  und  ein  deutscher  Vogt  bestehen  darauf,  die  Kuh 
sei  ein  Kalb,  und  Klaus  niuss  sie  als  solche  verkaufen.  [Mol- 
bech  no.  ö-t,  Kristensen  2.  no.  58.]  Um  sich  zu  rächen,  trifft 
er  mit  mehreren  Wirten  eine  Verabredung  und  macht  den 
Vogt  glauben,  sein  Hut  bezahle,  wenn  man  ihn  mit  dem 
Stock  schwenke,  die  Zeche  (wie  in  den  oben  eiwähnten 
Märchen  aus  Tirol  und  aus  Litauen)  V).  Der  Vogt  kauft  ihm 
den  Hut  teuer  ab.  Als  er  den  Betrug  erkennt,  eilt  er  in 
Klausens  Wohnung,  der  sich  —  nach  Verabredung  mit  seiner 
Frau  —  tot  stellt,  aber  von  seiner  Frau  durch  einen  Schlag 
mit  seinem  Stock  wieder  erweckt  wird.  Der  Vogt  kauft  nun 
den  wunderbaren  Stock  und  versucht  mit  ihm  einen  von  des 
Grafen  (ieerts  Dienern,  der  eben  gestorben  ist.  zu  erwecken. 
Klaus  wird  vor  den  Grafen  gefordert,  und  mit  der  Folter 
bedroht  gesteht  er  nicht  nur  den  Betrug  mit  Hut  und  Stock, 
sondern  auch  den  Finbruch  in  die  Schatzkammer,  wird  aber 
vom  Grafen,  der  seine  Schlauheit  bewundert,  begnadigt. 

Dies    sind    die    mir   bekannten  Fassungen    des  ]\färchens, 
(las   wir  also    in  Deutschland,    den  Niederlanden,  Frankreich, 


')  In  Pröliles  Märchen  für  die  Jugend  ]S'r.  5-1  machen  Studenten 
einen  Bauer  glauben,  die  Kuh,  die  er  verkaufen  will,  sei  eine  Ziege. 
[Pauli  no.  2iiK  Pin  p.  ]i:^.|  Er  rächt  sich  dann  dadurch,  das^  er  ilinen 
einen  Hut  verkauft,  durch  dessen  Drehung  jede  Zeche  bezahlt  werde. 
[Oben  S.  24B  '.  Zingerle,  Tirols  Volksdicht.  2,  414,  (Jredt  188.5  no.  917, 
Lelienirbe  189:J  no.  14.  Zs.  d.  Y.  f.  Yolksk.  5,  208.  Hansen,  Zs.  d.  Ges. 
f.  schlesw.  Gesch.    7,  221    no.   M.    Wigström,    Skauska    visor  1880    S.  57.] 


252  ^"1*  Märchenforschung-. 

Italien,  IJtauen,  Dänemark,  Norwegen,  Schottland  und  Irland 
verbreitet  linden.  [Gonzenbach  no.  70,  Zs.  d.  V.  f.  Volksk. 
6,  167,  Cosquin  no.  10  u.  "20,  Bolte  zu  Schumann,  Nachtbüch- 
lein 1893  no.  5—6  und  Frey,  Gartengesellschaft  1896  S.  277.] 

Ich  füge  noch  einige  Bemerkungen  über  einzelne  Teile 
des  Märchens  hinzu.  Die  in  vielen  Fassungen  desselben  vor- 
kommende (ieschichte  von  der  ehebreciierischen  Frau,  die, 
als  iiir  Mann  plötzlich  heimkehrt,  den  Liebhalter  und  die 
ihm  bestimmten  Speisen  versteckt,  aber  da])ei  von  einem 
dritten  belauscht  wird,  kommt  auch  als  selbständiger  Schwank 
in  verschiedenen  Gestalten  vor.  Campbell  S.  228  erinnert 
an  die  schottische  Ballade  ,the  friars  of  Berwick'  und  an 
Allan  Ramsays  ,the  monk  and  the  miller"s  wife".  Anderes 
hierher  gehörige  bei  Grimm  3,  109,  bei  von  der  Hagen 
Gesammtabenteuer  zu  Nr.  61,  Keller  Fastnachtsspiele  S.  1172, 
Duulnp-Liebrecht  Anmerkung  277a.  [Hertz,  Spielmannsbuch 
S.  :i5::5,  Bolte-Seelmann,  Nd.  Schauspiele  1895  S.  *43.]  | 
506  Dass  der  Schrank  oder  die  Kiste  mit  dem  darin  stecken- 

den Liebhaber  von  dem  Lauscher  erkauft  wird,  kommt  auch 
in  einem  böhmischen  Märchen  (Wenzig  westslawischer  Mär- 
(•henschatz  S.  196)  vor,  und  zwar  wird  der  Handel  auch  mit 
einem  (Jerber  für  Häute  abgeschlossen. 

Bezüglich  des  Hornes  oder  der  Pfeife,  wodurch  die  vor- 
geblich tote  Frau  belebt  wird,  ist  auch  an  Jacob  Ayrers 
Fastnachtspiel  ,Der  Beck,  der  sein  AVeib  wieder  lebendig  ge- 
geiget hat"  nach  einem  Schwanke  in  Valentin  Schumanns 
Nachtbüchleiu  (vergleiche  Goedekes  Grundriss  zur  Geschichte 
der  deutschen  Di(;lituug  §  160,  8  und  i?  171,  48)  zu  erinnern. 

In  Bezug  auf  die  (Jes(-hiclite  mit  dem  Sack  erinnert 
Grimm  an  das  italienische  Volksbuch  von  Bertoldo,  wo  Ber- 
toldo  in  eiuen  Sack  gesteckt  ist  und  ersäuft  werden  soll, 
aber  dadurch  entkommt,  dass  er  den  ihn  bewachenden  Sbirren 
beredet,  an  seiner  Stelle  in  den  Sack  zu  kriechen.  Bertoldo 
gie])t  vor,  er  solle  ein  Mädchen  Iieiraten,  dass  er  nicht  wolle. 
[Imbriani  Nov.  lior.  p.  603.]  Auch  an  das  Märchen  von  der 
Rübe  bei  Grimm  Nr.   14()  ist  zu  erinnern. 

Zum  Schluss  erwähne  ich   noch  eine  italienis(;he  Novelle, 


17.    Ueber  CaiiipbcUs   Saiiimluiiu'   giiliscluT  Märclicii   'SU.         •>;").■} 

die  ich  freilich  nur  dem  Titel  nach  kenne,  die  aber  dunacli 
in  engstem  Zusammenhange  mit  nnsern  Märchen  zu  stehen 
scheint.  Brunet  Manuel  dn  lii)raire  et  de  lamateur  de  livres, 
5  eme  ed..  8.  "21!)  führt  folgenden  Titel  an:  Historia  di 
Carapriano  contadino,  il  quäle  era  molto  povero,  et  liaveva 
sei  figluole  da  maritare  et  .  .  .  faceva  cacar  danari  ad  un 
suo  asino  ...  et  veude  una  pentola  que  boliva  senza  fuoco, 
ec.  (senza  luogo  ed  anno)  in  4.  Es  ist  Schade,  dass  Brunet 
von  dieser  ,nonvelle  facetiense,  en  ottava  rima',  die  nach 
ihm  gegen  1550  zu  Florenz  gedruckt  zu  sein  scheint,  den 
Titel  nicht  vollständig  angiebt. 

Eine  andere  Ausgabe  oder  andere  Bearbeitung  derselben 
Novelle  führt  Brunet  S.  222  an.  Ihr  Titel  lautet:  Historia 
nova  composta  per  uno  fiorentino  molto  faceta  de  uuo  con- 
tadino povero:  et  havea  sei  figliole  da  maritare  et  haveva 
solo  un  asinello  et  con  inzegno  gli  faceva  chagare  dinari  et 
la  calo  a  certi  marcatanti:  et  oltra  lasino  gli  vende  una 
pignatta  et  uno  coniglio  et  una  tromba:  et  Hnalmente  il  gitto 
in  uuo  fiume  et  molte  altre  cose  piacevole  da  ridere  (senz' 
alcuna  indicazione),  iu  4.,  ebenfalls  ein  Druck  aus  der  ersten 
Hälfte  des   1(5.  Jahrhunderts.  I 


N  a  c  h  t  r  a  g. 

(Orient  und   Occidcnt  3,  SöO--'S:y2.   ISHG.) 

Der  zuvorkommenden  Freundlichkeit  des  Herrn  Professor  '^'-'0 
Emilio  Teza  in  Bologna  verdanke  ich  es,  dass  diese  Novelle 
mir  in  einem  Luccaer  Druck  vom  Jahr  LS  18  vorliegt.  Die 
Novelle  gehört  nämlich  zu  den  italienischen  Volksbüchern, 
die  immer  noch  in  Venedig,  Bologna,  Lueca.  Prato,  Rom. 
Neapel  auf  schlechtem  Papier  ziemlich  liederlich  gedruckt 
werden.  Die  genanute  Ausgabe  führt  folgenden  Titel:  Istoria 
di  Campriano  contadino  il  quäle  era  molto  povero.  ed 
aveva  sei  figiiuole  da  maritare,  e  con  astuzia  faceva  cacar 
denari  a  un  suo  Asino  che  aveva,  e  lo  vende  ad  alcuni  Mer- 
canti  per  cento  scudi,  e  poi  vende  loro  una  Pentola.  che 
bolliva  senza  fuoco,  ed  un  Coniglio.  che  portava  l'ambaseiate. 


254  2ii''  -Mäl■^■llellt'ol•st•llun;,^ 

ed  Ulla  Tromha,  che  risiiscitava  i  uiorti.  e  liiialmeiite  gitto 
quelli  mercanti  in  im  fiume.  Coii  niolte  altre  cose  place  voll, 
e  belle,  composta  da  Gio.  Pietro  Palaiulrini  Fioreiitino. 
Liicca  1818.  Presso  Francesco  Bertini  X  Con  App.  (12o 
,24  Seiten  mit  80  Ottaveti.)  Herr  Professor  Teza  kennt  auch 
eine  alte  Florentiner  Ausgabe  vom  Jahr  1579  mit  genau 
demselben  Titel,  ausser  dass  der  Name  des  Dichters  nicht 
genannt  ist  und  es  nur  heisst  , composta  per  un  Fiorentiuo'. 
[Ausgabe  von  A.  Zenatti  1884. J 

Der  genaue  Titel  erlässt  mir  eine  ausführliche  lnhaltsan-| 
351  gäbe,  und  ich  will  nur  Folgendes  noch  bemerken.  Der  listige 
Bauer  Carapriano  ist  von  Gallo.  Nach  Verabredung  mit 
seiner  Frau  erklärt  er  sich  den  Kaufleuten,  die  ihn  auf  dem 
Felde  treffen  und  wegen  des  Esels,  den  er  ihnen  verkauft 
hat.  zur  Rede  setzen,  bereit,  ihnen  das  (ield  wiederzugeben, 
nachdem  sie  bei  ilim  gespeist  hätten,  und  schickt  ein  Kanin- 
chen, das  er  in  seiner  Kappe  trägt,  mit  dem  Auftrug  an 
seine  Frau,  für  die  (iäste  ein  Mahl  zu  bereiten. 

Als  sie  nachher  ia  die  Woliuuug  kommen,  finden  sie 
mitten  in  der  Stube  einen  kochenden  Kessel,  den  die  Frau 
der  Verabredung  gemäss,  wie  sie  die  (iäste  kommen  sieht, 
vom  Küchenheerd  in  die  Stube  getr;tgen  hat,  und  Gauipriano 
erklärt  ihnen,  dass  der  Kessel  ohne  Feuer  koche.  Ausserdem 
zeigt  er  ihnen  ein  weisses  Kaninchen  in  einem  Stalle  und 
giebt  vor.  dass  es  dasselbe  sei,  das  er  zu  seiner  Frau  ge- 
schickt habe.  Die  List  mit  der  totenerweckenden  Trompete 
giebt  die  Frau  selbst  ihrem  Manne  an,  und  zwar  erklärt 
dann  die  Frau,  sie  habe  den  Kaufleuten  einen  falschen  Kessel 
gegeben,  weshalb  Camprian(t  sie  scheinbar  totschlägt.  Wegen 
des  Kaninchens,  das  die  Kaufleute  nacli  Hause  schicken,  das 
aber  nicht  zu  Hause  ankommt,  entscliuldigt  sich  Campriano 
damit,  dass  die  Kaufleute  ihm  den  Weg  ni(;lit  beschrieben 
hätten.  Als  später  die  Kaufleute  den  Campriano  im  Sack 
zum  Fluss  tragen,  bekommen  sie  unterwegs  Durst,  lassen 
den  Sack  stehen  und  gehen  zu  einer  ziemlich  entfernten 
Quelle.  Dem  vorüberziehenden  Hirten  spiegelt  Campriano 
vor.    er   solle    die   Tocliter   des  Königs    von  Spanien   heiraten 


17.    Veber  Cimipbells  iSaiiintliiiii;-  i;äli?;clier  .Miirclicii  :59  —  40.      "255 

und  wolle  iiiclit.  Als  er  (hiiiii  den  KciuHeuten  mit  der  Heerde 
wieder  begegnet,  erzählt  er  ilinen  von  dem  scliöueii  Laude 
auf  dem  (Jruude  dvs  Flusses,  welches  er  in  einer  Weise 
scliildert.  wie  das  Schlaraffenland  sonst  beschrieben  wird.  Es 
ist  ein  schöner  (iarten.  in  welchem  ein  Weinstrom  fliesst,  wo 
gebratenes  Geflügel  umherHiegt,  Käseberge  sich  finden  u.  s.  w. 
Die  KauHeute  bitten  ihn  sie  in  einen  Sack  zu  stecken  und 
in  {\e\i  Fluss  zu  werfen. 

Somit  stimmt  der  Schluss  mit  der  Novelle  Strai)arolas, 
und  das  Botendienste  thuende  Kanincben  entspricht  der 
Ziege  bei  Straparola.  Der  von  selbst,  ohne  Feuer  kochende 
Kessel  kommt  bei  Straparola  noch  nicht  vor,  wohl  aber,  wie 
ich  1  S.  504  erwähnt  habe,  in  einer  deutschen  (kölnischen)  352 
Variante  des  Märcdiens. 


40.    Märchen  vom   SchottläiKler,   «1er  des   Bischofs  Ross,  677 
seine  Tochter  und  dann  ihn  selbst  stiehlt. 

Ein  junger  Schottläuder,  der  beim  Provost  von  London 
dient,  wettet  mit  dem  Bischof  von  London,  ihm  sein  Ross. 
dann  seine  Tochter,  zuletzt  ihn  selbst  zu  stehlen,  und  führt 
alles  richtig  aus.  Beim  Diebstahl  des  Kosses  bedient  er  sich 
der  Leiche  eines  Gehängten,  die  er  durch  den  Kamin  in  den 
Kaum  herablässt,  wo  das  Ross  bewacht  wird.  Die  Tochter 
stiehlt  i'Y.  indem  er  sich  in  die  Königstochter  verkleidet  und 
so  Zutritt  zu  ihr  l)ekommt.  Den  Bischof  selbst  stiehlt  er, 
indem  er  sich  ein  (iewand  von  Lachshänten  machen  lässt 
[Radioff"  o.  H4o.  4.  2001  und  nachts  die  Kanzel  besteigt  und 
vom  Bischof  für  eine  himmlische  Erscheinung  gehalten  wird. 

In  einer  andern  Version  wettet  ein  Schmiedegesell  mit 
seinem  Meister,  ihm  sein  Ross  und  dann  seine  Tochter  zu 
stehlen,  und  führt  ersteres  aus,  indem  er  die  Wächter  auf 
schlaue  Weise  trunken  macht,  das  zweite,  indem  er  sich  als 
Schwester  eines  Schiff'skapitäns  verkleidet. 


25()  Zur  Jrärcheiifürsrhiiii^'. 

Campbell  vergleiclit  ausführlich  das  ii<»i'wegische  Märehen 
vom  Meisterdieb,  AsbjÖrnseii  Nr.  ^4,  das  deutsche  (irimrasche 
Nr.  192  und  Straparola  1,  "2.  Die  Herodotische  Erzählung 
von  Rhampsiuit  geliört  nur  insoweit  hierher,  als  in  ihr  der 
()78  Lei-|chenraul)  dadurch  ausgeführt  wird,  dass  die  Wächter 
trunken  gemacht  werden. 

Mit  dem  (irimmschen  Märchen  sind  nahe  verwandt  die 
Märchen  bei  Kuhn  und  Schwartz  S.  362,  Wolf  deutsche  Mär- 
chen S.  30  [=:  Wodana  S.  178],  Vernaleken  Mythen  Oester- 
reichs  S.  27  [Vernaleken,  K.-M.  no.  57 1,  Schambach  und 
Müller  S.  31(3. 

Vgl.  auch  Cenac  Moncaut  Contes  populaires  de  la  Gas- 
cogne  S.  99  und  meine  Bemerkungen  dazu  [oben  S.  8(S]  in  Eberts 
Jahrbuch  für  roman.  und  englische  Litteratur  5,  S  [und  7,  138 
no.  9,  Südslav.  M.  no.  10  im  Arch.  f.  slav.  Phil.  1,  284,  Cos- 
quin  no.  70,  Jacobs,  More  celtic  fairy  tales  no.  28]. 

Das  Stehlen  der  Tochter  haben  nur  die  gälischeu  Märchen. 

41.    Die  Witwe  und  ihre  drei  Töcliter. 

Ein  graues  Ross  frisst  den  Kohl  im  (Jarten  einer  AVitwe, 
die  drei  Töchter  hat.  Die  älteste  Tochter  will  den  Garten 
hüten,  und  als  das  Ross  kommt,  wirft  sie  die  Spindel  dar- 
nach, die  Spindel  aber  haftet  am  Ross  und  ihre  Hand  an 
der  Spindel.  So  kommt  sie  mit  dem  Ross.  das  ein  Königs- 
solin  ist,  in  einen  grünen  Hügel  und  bringt  die  Nacht  mit 
ihm  zu.  Am  Morgen  erhält  sie  die  Hausschlüssel  mit  dem 
Verbot,  die  eine  Kammer  zu  betreten.  Sie  öffnet  sie 
aber  doch  und  findet  darin  Erauenleichen  und  watet  bis  an 
die  Knie  in  Blut.  Vergeblich  sucht  sie  das  Blut  abzuwaschen. 
Eine  Katze  erbietet  sich  sie  zu  reinigen,  wenn  sie  ihr  Milch 
gebe,  aber  sie  schlägt  es  aus.  Der  Ross-Prinz  kommt  nach 
Hause  und  schlägt  ihr  das  Haupt  ab  und  trägt  sie  in  die 
Kammer.  Der  zweiten  Tochter,  die  ein  Stück,  an  dem  sie 
näht,  nach  dem  Ross  wirft,  geht  es  ganz  so.  Auch  die  dritte, 
die  den  Strumpf  nach  dem  Ross  wirft,  kommt  in  den  Berg 
und  überschreitet  das  Gebot.  Da  sie  aber  der  Katze  Milch 
giebt,    leckt    ihr   die    Katze   das  Blut  ab.    uml  das  Ross  ver- 


17.    Ueher  Oampbells  Sammlung-  ffälisi'lier   Miirchen   41  —  42.      257 

spricht  ihr.  sie  in  wenigen  Tagen  zu  heiraten.  Auf  Kat  der 
Katze  thut  sie  nun  folgendes:  Sie  belebt  durch  einen  Zauber- 
stab ihre  Schwestern,  steckt  erst  sie  und  dann  sich  selbst 
mit  Schätzen  in  drei  Kisten,  die  das  Ross  in  das  Haus  der 
Witwe  tragen  nuiss.  Sie  sagt  dem  Ross,  dass  es  unterwegs 
nicht  hineinsehen  dürfe,  da  sie  ihm  von  einem  Baumwipfel 
nachseilen  werde.  So  oft  dann  das  Ross  unterwegs  neugierig 
wird,  ruft  eine  aus  dem  Kasten,  .Ich  sehe  dieh.  ich  sehe 
dich!'  und  das  Ross  wundert  sich  über  die  Sehkraft  des 
Mädchens.  Als  das  Ross  zurückkehrt  und  zu  Haus  niemand 
findet,  rennt  es  |  wütend  zum  Hause  der  Witwe,  wo  ihm  auf  (57;) 
Rat  der  Katze  das  Mädchen  das  Haupt  mit  dem  Thürriegel 
abschlägt.  Dadurch  wird  es  zum  Jüngling,  und  sie  hei- 
raten sich. 

In  einer  zweiten  Version  bittet  die  Katze  um  Milch  und 
wird,  als  sie  dieselbe  erhält,  eine  Prinzessin.  Das  Mädchen 
muss  sicli  dann  mit  der  Milch  reinigen  und  belebt  auf  ihren 
Rat  ihre  Schwestern  durch  einen  Zauberbalsam.  Statt  der 
Kisten  Säcke.  Auch  muss  sie  das  Schwert  rauben,  womit 
das  Ross  ihre  Schwestern  getötet,  und  tötet  es  zuletzt 
selbst  damit. 

Campbell  erinnert  an  die  Uebereinstimmung  mit  Fitchers 
Vogel  (Grimm  46),  Blaubart  und  dem  dänisclien:  die  drei 
Schwestern  im  Berge,  Asbjörnsen  Nr.  3.3.  Die  Vergleichung 
aber  mit  011  Rinkrank  (Grimm  Nr.  19())  ist  falsch.  Der 
Anfang  des  gälischen  .Märchen  erinnert  auch  au  Grimms 
(Nr.  ß6)  Häsichenbraut  [Vgl.  Widter-Wolf,  Venez.  M.  no.  11, 
Jahrb.  f.  rom.   Litt.   7,  151]. 

42.    Das  Märchen  vom  Soldaten  und  dem  Unglück. 

Ein  desertierter  Soldat  übernachtet  dreimal  gegen  Be- 
lohnung in  einem  Schloss.  Zwei,  dann  drei,  dann  vier  alte 
Weiber  bringen  allemal  eine  Kiste  mit  einem  Toten  ge- 
schleppt, dem  der  Soldat  Pfeife  und  Whiskyflasche  reicht, 
die  der  Tote  immer  fallen  lässt.  Beim  Hahnenschrei  ver- 
schwindet der  Tote.  In  der  dritten  Nacht  steckt  er  die  Leiche 
in  seinen  Habersack  und  nimmt  sie  mit  sich  ins  Bett.    Beim 

R.  K  ö  h  1  e  r  ,  Kl.  Schriften.  I.  17 


258  ^^^^^  Märchenforssclmiig. 

HaliueiLschrei  bittet  dei-  Tote,  ihn  fortzulassen,  über  der 
Soldat  verlangt  erst,  er  solle  das  Zerbrochene  bezahlen.  Nun 
entdeckt  ihm  der  Tote  mehrere  Schätze  und  sagt  ihm  zu- 
gleich, dass  er  arme  Frauen  im  Leben  bedrückt  habe.  Er 
bittet  ihn,  auch  seinem  Sohn  Nachricht  zu  geben,  damit  der 
einen  Teil  seines  Geldes  den  Armen  gebe,  um  ihm  Ruhe  zu 
verschaffen.  Der  Soldat  vollzieht  die  Aufträge  und  zieiit  mit 
seinem  Teil  (ieldes  herum.  Endlich  kommt  er  wieder  zu 
der  Stadt,  wo  er  desertiert  war.  Er  hatte  aber,  als  er  die 
Stadt  verliess,  geschworen,  wenn  er  wieder  dahin  käme,  so 
solle  ihn  das  Unglück  h(den.  Nun  erscheint  das  Unglück, 
verwandelt  sich  mehrfach  auf  sein  Verlangen  vor  ihm  und 
lässt  sich  endlich  in  seinen  Habersack  stecken  [Pialston  p.  oToJ. 
In  der  Stadt  erkennt  man  den  Soldaten  und  er  soll  erschossen 
werden.  Da  flüstert  ihm  Unglück  zu,  er  solle  es  zu  seiner 
Befreiung  herauslassen.  Der  Befehlshaber  schenkt  ihm^aber 
c.so  das  I  Leben  und  lässt  ihn  frei,  damit  er  das  Unglück  nicht 
loslasse.  Hierauf  lässt  er  das  Uuglück  von  zwölf  Drechslern 
und  dann  von  zwölf  Schmieden  bearbeiten  und  wirft  es  end- 
lich  in  (dnen  (Heu. 

Campbell  bemerkt,  dass  ein  Teil  des  Märchens  an  das 
Grimmsche  [Nr.  4]  vom  Fürchtenlernen  erinnert.  Der  übrige 
Teil  vom  Unglück  im  Sack  ist  auch  mir  sonsther  nicht  be- 
kannt. Es  scheint  übrigens  letzterer  Teil  entstellt.  We- 
nigstens sieht  man  uicht  recht  eiu,  waruui  der  S(ddat  das 
Unglück,  das  ihn  doch  vom  Tode  befreite,  so  schlecht  be- 
handelt. 

48.    Das  graue  Neliaf. 

Eine  Königin  behandelt  ihre  Stieftochter  schlecht  und 
lässt  sie  die  Schafe  hüten,  ohne  ihr  zu  essen  zu  geben,  aber 
ein  graues  Schaf  bringt  ihr  Speise.  Die  Königin  schickt  eine 
Tochter  ihrer  Magd  mit  auf  die  Weide,  um  die  Stieftochter 
zu  beobachten.  Die  Stieftochter  fordert  das  Mädchen  auf, 
ihr  Haupt  auf  ihr  Knie  zu  legen,  damit  sie  ihr  Haar  ordne, 
und  das  Mädcheu  schläft  ein,  sieht  aber  mit  dem  wachge- 
bliebenen Auge   auf  ihrem  Hinterkopf   das  Speise  bringende 


17.    Ueber  Canipliolls  Sanniihnii,'  sälisclier  Miirchcn   4'J— 44.      -Jö») 

Schaf  und  zeigt  es  der  Kdiiigiii  an.  Das  Schaf  wird  von  der 
Königin  getötet,  naclidem  es  der  Stieftochter  vorher  gesagt 
hat.  sie  solle  Haut  und  Knocheu  stehlen  und  zusaninien- 
wickelii.  Die  Stieftocliter  thut  dies,  vergisst  aber  die  Hufe. 
Dadurch  wird  das  Schaf  wieder  lebendig,  aber  lahm.  Ein 
Prinz  verliebt  sich  in  die  Prinzessin.  Als  die  KTmigin  dies 
erfährt,  sucht  sie  ihre  Tochter  unterzuschielten,  und  nun  ver- 
läuft das  Märchen  w^eiter  ganz  ähnlich  dem  Aschenbrödel- 
nlärchen (goldne  Schuhe.  Schnhprobe,  Abschneiden  der  Zehen, 
verratender  Vogel). 

Der  erste  Teil  des  Märchens  ist  nahe  verwandt  mit 
ririmnis  Einäuglein,  Zweiäuglein  und  Dreiäuglein  (Nr.  180). 
woran  ('ainpbell  erinnert,  mit  einem  dem  (irinimschen  sehr 
ähnlichen  aus  Burgund  bei  Reauvois  Contes  populaires  S.  289 
und  mit  dem  siebenbürgischen  Märchen  bei  Haltrich  \r.  85 
[Cosquin  no.  "28.     Unten  S.  270  zu  Lang,  Rasliiu  Coatie]. 

Bezüglich  der  Wiederbelebung  des  Schafes,  das  lahm 
lileibt.  weil  Kuncheii  vergessen  werden,  erinnert  Campbell  an 
Thors  Bock.  Mau  vergleiche  hierüber  AVolfs  Beiträge  zur 
deutschen  Mythologie  1,  SS  und  Zeitschrift  für  deutsche  My- 
thologie  1,  70  [Blade  2,   14.").     Unten  S.  278  i]. 

S.   201     l)emerkt    ("ampbell,    dass    es    eine    gewöhnliche 
Redens-|art  sei,  um  einen,  der  alles  sieht,  zu  bezeichnen:    er  esi 
hat  ein  Auge  am  Hinterkopfe. 

44.     Das  verzauberte  Reh  ^). 

Jain,  der  Sohn  einer  Fischerswitwe.  hat  eine  Flinte  ein- 
getauscht und  will  -iäger  werden.  Dreimal  will  er  auf  ein 
Reh  schiessen,  aber  immer  erscheint  es  ihm  als  ein  schönes 
Weib.  Er  verfolgt  es  nun  bis  an  ein  Haus,  da  heisst  es  ihn 
hineingehen  und  sich  satt  essen.  Es  ist  ein  im  Augenblick 
leeres  Räuberhans.  Als  die  Räuber  zurückkehren  und  ihn 
finden,  lässt  der  Räuberhauptmann  ihn  töten.  Am  andern 
Tag  aber  belebt  ihn  das  Reh  wieder.  Der  Räuberhauptmann 
lässt  ihn  so  mehrmals  töten  und  zugleich  die,  die  ihn  vorher 


')  Bei  Campbell:  Der  Sohn  der   Witwe. 


2ß0  ^ut"  Miirchenforscluiiig. 

haben  töten  sollen.  Zuletzt  entsteht  Zank,  und  die  Räuber 
töten  sich  selbst.  Nun  führt  das  Reh  Jain  zu  seiner  Hütte, 
wo  eine  alte  Hexe  und  ihr  Sohn  wolmen,  und  heisst  ihn 
morgen  sie  in  einer  Kirche  treffen.  Die  Hexe  aber  steckt 
einen  Dorn  in  die  Kirchthttr  und  Jain  schläft  ein.  Eine 
schöne  Frau  erscheint  und  sucht  ihn  zu  wecken  und  schreibt 
ihren  Namen,  Tochter  des  Königs  vom  unterseeischen  Reich, 
unter  seinen  Arm.  Am  zweiten  Tag  steckt  sie  dem  Schlafenden 
eine  Dose  in  die  Tasche.  Am  dritten  sagt  sie,  sie  werde  nie 
wieder  kommen.  Der  böse  Sohn  der  Hexe  ist  immer  dabei 
gewesen,  sagt  aber  Jain  nichts  von  dem  Namen  und  der 
Büchse.  Nach  manchen  Abenteuern  findet  Jain  endlich  zu- 
fällig in  seiner  Tasche  die  Dose,  und  wie  er  sie  öffnet, 
kommen  drei  Geister,  die  ihm  dienen  und  ihn  in  jenes 
Königreich  bringen.  Dort  siegt  er  dreimal  in  drei  Wett- 
rennen, deren  Sieger  die  Prinzessin  heiraten  soll,  verschwindet 
aber  allemal  wieder.  Endlich  giebt  er  sich  zu  erkennen  und 
heiratet  die  Prinzessin.  Die  alte  Hexe  und  ihr  Sohn  werden 
verbrannt. 

Variante.  Das  Reh  erscheint,  als  er  das  erste  Mal 
nach  ihm  schiessen  will,  mit  Fraueukopf,  dann  mit  Kopf  und 
Leib,  dann  in  ganzer  (iestalt.  Die  Flexe  steckt  ihm  daiui 
zweimal  eine  Nadel  in  den  Rock,  und  so  schläft  er  ein.  das 
dritte  Mal  giebt  sie  ihm  einen  Schlafapfel  zu  essen.  Die 
Königstochter  erscheint  zuerst  \\eiss  gekleidet  und  mit  weissem 
682  Pferd,  dann  grau,  dann  |  schwarz.  Er  lässt  sich  hier  —  wie 
auch  oben  —  in  eine  Kuhhaut  stecken  und  von  grossen 
Vögeln  forttragen  und  kommt  so  in  das  Köjiigreich  der  Prin- 
zessin. Die  Abenteuer  sind  auch  hier  verworren.  Als  er  ver- 
heiratet ist,  stiehlt  ein  Riva!  die  Dose  und  entfühi't  die 
Prinzessin  und  das  Schloss  in  das  Rattenreich:  al)er  Jaiu 
gewinnt  sie  wieder.     [Mac  Innes  p.  4.>8.  470.] 

Ich  weiss  kein  Märchen  anzuführen,  das  sich  im  ganzen 
Verlauf  neben  dieses  stellt.  [Gonzeid^ach  no.  60.  Zs.  d.  V. 
f.  Volksk.  6,164.]  In  dem  ungarischen  Märchen  (Stier  un- 
garische Volksmärchen  aus  Gaals  Nachlass  Nr.  6)  von  der 
verwünschten  Königstochter  auf  dem  Glasberg,  welches  sonst 


17.    Ueber  Campbeils  Sanimlun^'  gälisoher  Märchen   44     4.").      2(51 

nur  im  allgemeinen  mit  dem  gjilischeu  verwandt  ist,  kommt 
doch  ein  sehr  ähnlicher  Zug  vor,  dass  der  Held  des  Märchens 
der  mit  der  verzauberten  Königstochter  dreimal  in  die  Kirclie 
gehen  muss.  aber  nicht  einschlafen  darf,  gegen  das  Verbot 
stets  einschläft,  weil  ihm  eine  neidische  Alte  eine  Schlaf- 
nadel in  den  Rock  gesteckt  hat.  Vgl.  über  Schlafdorn  und 
Schlafapfel  Grimm  Mythologie  S.  1155  und  L.  ühland  [Schrifteu 
8,  464  =]  (iermania  S.  1\).  Bezüglich  der  Dose  erinnert 
Campbell  an  Aladdin  in  1001  Nacht.  In  Bezug  darauf,  dass 
.laiii  sich  in  eine  Haut  steckt  und  von  Vögeln  forttragen  lässt, 
denke  man  au  Sindbad  und  an  Herzog  lernst. 

Nacli  einem  Erzähler  (S.  299  Anmerkung  f)  kauft  .lain 
die  Kuh.  in  deren  Haut  er  sich  dann  steckt,  für  so  viel  Oold, 
als  sie  von  ihrer  Nase  bis  zu  ihrem  Schwänze  bedeckt. 
Dies  erinnert  an  den  alten  Rechtsbrauch,  wonach  getötete 
Hunde,  Katzen,  Schwäne  aufgehängt  werden  und  von  dem 
Totschläger  zur  Busse  mit  Getreide  überschüttet  werden 
müssen.  Ebenso  werden  menschliche  Leichen  mit  Gold  über- 
schüttet, auch  lebende  ^lenschen  zur  Belohnung  oder  zum 
Lösegeld.  Vergleiche  (irinims  deutsche  Reclitsaltertümer 
S.  t)88 — Gl'6  und  Haupts  Zeitschrift  für  deutsches  Altertum  4, 
506  und  9,  157.  Grimm  weist  den  Brauch  bei  getöteten 
Hunden  auch  in  den  wälschen  (iesetzen  nach. 

•tö.    Mac-Ji-Rusgjiich. 

Mac-a-Rusgaich  verdingt  sich  bei  einem  bösen  Pächter, 
der  die  Bedingung  stellt,  wer  zuerst  Reue  über  das  Dienst- 
verhältnis empfinde,  dem  solle  der  andere  einen  Riemen  aus 
dem  i  Rücken  vom  Kopf  bis  zu  den  Füssen  ausschneiden.  683 
Indem  nun  Mac-a-Rusgaich  die  Befehle  des  Herrn  immer  nach 
dem  Buchstaben  und  deshalb  verkehrt  ausführt,  erregt  er 
endlich  dessen  Reue  und  schneidet  ihm  den  Riemen  aus. 
Dann  tritt  er  bei  einem  Riesen  in  Dienst,  dem  er  durch  List 
einen  grossen  Begriff  von  seiner  Stärke  beibringt.  Zuletzt 
wetten  sie,  wer  den  andern  im  Essen  übertreffe,  solle  ihm 
sieben  Riemen  aus  dem  Rücken  schneiden.  Mac-a-Rusgaich 
siegt,   indem  er  einen  Sack  vorbindet   und  darin  die  Speisen 


262  Zur  Märohenforsoluing. 

steckt.  Dann  st-hueidet  er  zur  Erleicliterimg  angeblich  seinen 
r.eib,  in  der  Tliat  aber  den  Sack  auf  und  veranlasst  so  den 
Riesen,  sich  den  Bauch  aufzuschneiden. 

Campbell  vergleicht  nur  das  englische  Märchen  von  Jack 
dem  Riesentöter  und  das  schwedische  vom  Riesen  und  den 
Hirtenknaben. 

In  dem  gälischen  Märchen  sind  zwei  sonst  getrennte 
Märchen  verbunden.  Der  zweite  Teil,  Mac-a-Rusgaich  beim 
Riesen,  ist  das  vielverbreitete  Märchen  von  der  Ueb er- 
listung eines  Riesen  oder  des  Teufels  durch  einen 
schwachen  Menschen,  einen  Schneidei',  einen  Hirtenknaben, 
einen  Schulmeister.  Vergleiche  die  Nachweise  bei  (irimui  zu 
No.  '20  und  1S3,  Hylten  Cavallius  zu  No.  1,  Asbjörnsen  und 
Moe  zu  No.  ()  uml  von  mir  in  Eberts  .lahrbuch  für  romanische 
und    englische    Litteratur  ö.    7.    [7,    1().    (S,    'iöo.      Germania 

lö.  17(;.  isi.) 

Der  erste  Teil  des  gälisclieu  Märchens,  der  Vertrag 
zwischen  Herrn  und  Diener,  ist  ebenfalls  ein  weit- 
verbreitetes Märchen.  [Köhler,  Jahrb.  f.  rom.  Phil.  8,250. 
Cosquin  no.  'Mk  Oben  S.  149  =  Melus.  1,  473;  unten  zu  dagic 
no.  40.]  Aber  iiiclit  wer  zuerst  Reue  empfindet,  sondern  wer 
zuerst  zornig  wird,  dem  soll  der  andere  einen  oder  drei 
Riemen  anschneiden.  In  dem  walachischen  Märchen  (Schott 
S.  220)  schliesst  der  Schalk  Bakala  mit  einem  Popen  den 
Vertrag.  Die  Streiche,  durch  die  er  des  Popen  Zorn  zu 
erregen  sucht,  sind  verschieden,  nur  schneidet  er  das  Kind 
des  Popen,  das  er  reinigen  soll,  auf,  ebenso  wie  Mac-a-Rus- 
gaich die  Pferde.  In  einem  litauischen  Märchen  (Schleicher 
S.  45)  spielt  die  Sache  zwischen  einem  Pfarrer  und  dem 
dummen  Hans,  der  den  Pfarrer  zum  Zorn  bringt,  nachdem 
der  Pfarrer  vorher  die  beiden  altern  Brüder  des  Hans  zum 
Zorn  gel)racht  hat.  Die  Streiche,  wodurch  Hans  den  Zorn 
des  Pfarrers  erregt,  stimmen  nicht  mit  den  gälischen.  lu 
einem  norwegischen  Märchen  (Asbjörnsen  S.  396)  sind  es  | 
€84  ebenfalls  drei  Brüder,  die  den  Vertrag  schliessen  und  zwar 
mit  einem  König.  Der  jüngste  bringt  den  König  zum  Zorn, 
unter  auderm  dadurch   dass    er  das  Kind   des  Königs  reinigt 


17.    Ueber  Caiii])l)ell8  Saniniluiig  gälisclier  Märol\en  4.').  •2()H 

wie  Bakala  im  walachischeii  Märclien  und  dadurch  dass  er, 
da  er  beim  Ackern  des  Königs  Hunde  folgen  soll,  zuletzt 
Ochsen  und  FIlug  zerhaut  und  dem  Hunde  nach  in  ein  Loch 
wirft,  ganz  ähnlich  wie  Hans  im  litauischen  Märchen.  In 
einem  mährisch-walacliischen  Märchen  (Wenzig  westslavischer 
Märchenschatz  S.  ö)  soll  dem  Zornigen  die  Nase  abgeschnitten 
werden.  Zwei  Brüder  werden  zornig  und  müssen  sich  von 
dem  Bauer  die  Nasen  abschneiden  lassen,  der  dritte  jüngste 
aber  erregt  durch  mehrfache  Streiche  endlich  den  Zorn  des 
Bauern.  Die  Streiche  stimmen  zum  Teil  mit  dem  walachischen 
Märchen,  zum  Teil  sind  sie  dem  litauischen,  zum  Teil  dem 
gälischen  (Abdecken  des  Dachs,  Erbauen  einer  Brücke  durch 
getötete  Schafe)  ähnlich.  Der  letzte  Streich,  wie  der  Bursch 
die  Frau  des  Bauern,  die  auf  einen  Baum  gestiegen  ist,  um 
den  Kuckuksruf  nachzuahmen,  weil  der  Vertrag  beim  ersten 
Kuckuksruf  zn  Ende  sein  soll,  vom  Baume  schüttelt,  dass  sie 
ein  Bein  bricht,  kommt  ähnlich  in  einem  hierher  gelnirigen 
deutschen  Märchen  vor  (Prölile  Märchen  für  die  Jugend 
Nr.  16).  [Gonzenbach  no.  87.  Zs.  d.  V.  f.  Vk.  (i,7-l:j.  In 
diesem  Märchen  wird  der  Vertrag  zwischen  einem  Bauer  und 
den  drei  Söhnen  seines  Bruders  abgeschlossen:  wer  zornig 
wird,  dem  sollen  die  Ohren  abgeschnitten  werden.  Der 
Bauer  bekommt  den  dritten  Burschen,  der  nicht  zornig  wird, 
satt  und  will  ihn  los  werden  und  heisst  daher  seine  Frau 
den  Kuckuksruf  nachmachen.  Der  Bursche  tliut.  als  er  den 
Ruf  hört,  einen  Freudenschuss  und  erschiesst  die  Frau, 
worüber  der  Bauer  zornig  wird.  In  einem  schwedischen 
Märchen  vom  Riesen  und  Hirtenknaben  (Hylten  Cavallius 
S.  9)  kommt  vor,  dass  der  Riese  dem  Hirtenknaben,  falls  er 
ihm  schlecht  dienen  solle,  drei  Riemen  aus  dem  Rücken 
zu  schneiden  droht. 

In  Bezug  auf  Mac-a-Rusgaichs  absichtliches  Missver- 
ständnis, indem  er,  als  sein  Herr  ihm  befiehlt,  ihm  zu  einer 
bestimmten  Stunde  Ochsenaugen  zuzuwerfen,  d.  h.  ihn  fest 
anzublicken,  den  Ochsen  die  Augen  aussticht  und  diese  seinem 
Herrn  zuwirft,  vergleiche  man  meine  Bemerkungen  in  Eberts 
Jahrbuch  für  romanische  and  euslische  Litteratur  5.  19.  1 


264;  Zur  Märchenforschung. 

€85  46.    Mac  Jain  Direach. 

Ein  König.ssohii  bringt  eines  Tages  nur  die  Feder  eines 
blauen  Falken  von  der  Jagd  beim,  der  Falke  selbst  ist  ent- 
flohen. Die  Stiefmutter  verwünscht  ihn,  nicht  eher  heim- 
zukehren, als  bis  er  den  Falken  mitbringe.  Er  seinerseits 
verwünscht  sie,  dass  sie  so  lange  mit  einem  Fuss  auf  dem 
grossen  Haus  und  mit  dem  andern  auf  dem  Schlosse  stehen 
solle.  Er  zieht  aus,  und  der  Riese  mit  den  fünf  Häuptern 
und  den  fünf  Buckeln  und  den  fünf  Hälsen  verspricht  ihm 
den  Falken,  nachdem  er  ihm  das  Lichtschwert  der  sieben 
Weiber  von  Dhiurrath  verschafft  hat.  Diesen  musste  er  aber 
erst  das  gelbe  Füllen  des  Königs  v(m  Eirinn  schaffen,  dem 
aber  erst  die  Königstochter  von  Fraidvreich.  Alles  dies 
schafft  er  durch  Hilfe  eines  Fuchses,  Gille  Mairtean  (weshalb 
sich  der  so  für  ihn  interessiert,  ist  nicht  gesagt),  obwohl  er 
wiederholt  gegen  seine  Vorschrift  fehlt,  und  mit  seiner  Hilfe 
behält  er  schliesslich  alle  die  errungenen  Gegenstände  sell)st. 
Denn  der  Fuchs  nimmt  die  Gestalt  der  Königstochter,  dann 
des  Füllens,  dann  des  Schwertes  an  und  täuscht  so  den  König 
von  Eirinn,  die  sieben  Weiber  und  den  Riesen.  Die  beiden 
letztgenannten  bringt  er  nebenbei  auch  um.  An  die  ver- 
schiedenen Orte  kommt  der  Prinz  immer  dadurch,  dass  sich 
der  Fuchs  in  ein  Schiff"  verwandelt  und  ihn  hinbringt.  Ehe 
Jain  nun  heimkehrt,  empfiehlt  ihm  der  Fuchs  noch,  vor  seiner 
Stiefmutter  so  zu  erscheinen,  dass  er  das  Schwert  mit  dem 
Rücken  gegen  seine  Nase  halte ,  da  diese  ihn  durch  ihren 
bösen  Blick  in  ein  Stück  Holz  verwandeln  wolle.  Er  thut 
es,  und  die  Stiefmutter  wird  selbst  zu  Holz.  Ohne  Lohn  an- 
ziinehmeu  scheidet  der  Fuchs. 

Campbell  teilt  noch  eine  Variante  mit,  wo  der  Held 
Brian  der  Sohn  des  K('inigs  von  Griechenland  ist.  Er  will 
die  Tochter  des  AVeibes,  das  die  Hühner  wartet,  heiraten, 
aber  sein  Vater  schickt  iiin  aus,  erst  den  AVundervogel  zu 
holen.  Den  erlangt  er  nun  durch  den  Fuchs  und  dabei  auch 
das  Lichtschwert  und  die  Königstochter  von  Fionn.  Zuletzt 
muss  er  dem  Fuchs  das  Haupt  abschlagen,  da  wird  der  Fuchs 


Ueber  Campbeils  Sammlung  gälischer  Märchen  46 — 47.        265 

zum    Bruder  jener  Prinzessin.     Brian    denkt    nicht    mehr  an 
die    Magd    und   heiratet    die    Prinzessin.      In   dieser    Fassung 
lässt  der  Fuchs  den  Helden  und  rlie  Prinzessin  auf  sich  reiten, 
in  ein  Schiff  ver-|wandelt  er  sich  aber  nicht.     Der  Riese  mit  esü 
den  fünf  Häuptern  hat  Neunmeilenstiefeln. 

Campbell  selbst  verweist  auf  (irimms  goldenen  Vogel 
Nr.  57  und  die  dort  in  den  Anmerkungen  gegebenen  ver- 
wandten Märchen,  zu  denen  man  noch  füge  Haltrich  Nr.  7 
und  Vogl  russische  Märchen  Nr.  2.  [Awar.  Texte  no.  1. 
Cosquin  no.  19.  Mac  Innes  p.  461  no.  (>.]  Letzteres  steht 
den  gälischen  Märchen  besonders  dadurch  nah,  dass  der  graue 
Wolf  sich  in  die  Prinzessin  und  in  das  goldene  Pferd  ver- 
wandelt, wie  auch  in  dem  Märchen  aus  der  Bukowina,  Wolfs 
Zeitschrift  für  deutsche  Mythologie  2,  389.  In  dem  wala- 
(^hischen  Märchen  bei  Schott  Nr.  26  kommt  auch  statt  des 
Fuchses  ein  Wolf  vor,  an  Stelle  der  Prinzessin  tritt  ein 
Meermädchen,  und  um  dies  zu  erlangen,  verwandelt  sich  der 
W(df  in  einen  Kahn,  wie  im  gälischen  der  Fuchs.  Die 
meisten  aussergälischen  Märchen  geben  dem  Helden  noch 
zwei  treulose  Brüder,  deren  Untreue  zuletzt  aber  doch  zu 
Schanden  wird. 

S.  350  teilt  Campbell  aus  Anlass  der  sieben  grossen 
Weiber  Erzählungen  von  andern  gespentischen  Weibern,  die 
an   besondere  schottische  I^okale  sich  knüpfen,  mit. 

47.    Farquhar. 

Farquhar  wird  durch  Kosten  der  Brühe,  in  der  eine 
weisse  Schlange  gekocht  wird,  allwissend  und  zieht  als  grosser 
Arzt  umher.  Wenn  er  seine  Finger  an  seine  Zähne  legt, 
so  erfährt  er,  was  er  wissen  will  ^).  Farquhar  ist  nach 
Campbell  eine  historische  Person,  ein  Arzt  des  14.  Jahr- 
hunderts. Aehnliches  wird  von  einem  berühmten  , Doktor' 
erzählt.      Campbell    erinnert    an    den    Anfang    von    Grimms 


')  In  dem  51  sten  Märchen  legt  Fion  seinen  Finger  unter  seinen 
Weisheitszahn  und  weiss  dann,  was  in  der  Ferne  geschieht.  Vgl.  aucii 
p.  XY  der  Einleitung. 


2()(>  Zur  Märchenfüi^chung. 

weisser  Schlange  imcl  bringt  mancherlei  über  Schlangenzauber 
und  Aberglauben  bei. 

48.    Sgire  Mo  Cliealag. 

Ein  junger  Mann  freit  ein  Mädchen  aus  Sgire  Mo  Chealag. 
Als  die  Braut  einmal  Essen  holt,  bemerkt  sie  über  sich  den 
Sattel  des  Pferdes  an  der  Wand  hängen,  und  in  der  Be- 
trachtung, dass  der  sie  hätte  erschlagen  köunen,  setzt  sie 
687  sich  hin  und  weint.  Die  Aeltern  kommen  dazu  und  setzen 
sich  mit  und  weinen.  Als  der  Bräutigam  sie  sieht,  zieht  er 
aus  und  will  nicht  rasten,  bis  er  drei  eben  so  dumme  triift. 
Er  trift't  sie  bald,  nämlich  drei  Männer,  deren  einen  seine 
Frau  glauben  macht,  er  sei  tot,  den  andern,  er  sei  nicht  er 
selbst,  den  dritten,  er  habe  Kleider  an. 

Diese  Geschichte  ist  teilweis  dieselbe  wie  Nr.  '20  und 
Grimms  kluge  Else  [no.  84],  das  siebeubürgische  oben  er- 
wähnte ^lärchen  und  ein  gascognisches  bei  Cenac  Moncaut 
Contes  pojjulaires  de  la  Gascogue  S.  ?)'2.  vgl.  Eberts  -lahr- 
buch  für  romanische  und  euglische  Litteratur  5,  8.  [Hoft- 
meister  S.  40.  Strackerjan  "2,  291,  Barts(;h  1,  507.  Teilweise 
Reusch.  Sagen  des  Samlandes  ^  no.  98,  (irundtvig  2,  307.  3, 
45,  Sv.  Laudsm.  5.  1,  81,  Folk-lore  Record  3,  156,  Folk-l. 
Journ.  2,  40.  Kennedy  p.  9,  Tradition  4,  25,  Blade  3,  71, 
Luzel  3.  3S1.  Sebillot  2.  no.  43,  Schneller  no.  56,  Busk  p. 
357.  367.  370,  Bernoni  uo.  6,  Coelho  no.  41,  Pio  p.  111,  Krauss 
2,  no.  110,  Ralston  p.  53  f.]  Eine  sehr  abweichende  Variante 
S.  384  ff.  Darin  kommt  vor,  wie  Leute  eine  Kuh  auf  das 
Dach  ziehen  und  beim  Zusammensitzen  ihre  Beine  unterein- 
ander verwechselt  haben.  [Oben  S.  135  zu  Blade  3,  130, 
Coelho.  Ralston  p.   54,  Germ.  14,  390.] 

An  diese  Geschichte  schliessen  sich  noch  audere  Schwanke 
von  der  Narrheit  der  Bewohner  Sgire  Mo  Chealags  und 
Assynts,  auf  die  wir  nur  im  allgemeinen  aufmerksam  machen 
(S.  376.  Zwölfe  zählen  sich,  bekommen  aber  immer  nur 
elf  heraus,  da  der  Zählende  sich  vergisst.  [Oben  S.  112  zu 
Carnoy  no.  14.]  S.  377  Ersäufen  eines  Aals  [Krebs  bei  H. 
Sachs.  Dichtungen  ed.  Goedeke   1,   162.  2,   156.]) 


Ueber  Campbells  Sammlung  gälischer  Märclien  48 — 50.         267 

49.    Kiiulerreiine  von  Katze  und  Maus. 

[J.  G.  Campbell,  ('hin  traditions  of  the  Western  high- 
lands  1S95  p.   12().] 

50.    Die  drei  Fragen. 

Die  Geschichte  von  den  drei  Fragen  und  dem  verklei- 
deten Müller,  der  sie  löst.  Der  Aufgeber  ist  der  Lehrer 
eines  Schülers,  der  Müller  der  Bruder  des  Lehrers. 

Die  Fragen  sind:  AVie  viel  [^eitern  würden  zum  Himmel 
reichen?  p]ine,  die  laug  genug  ist.  Wo  ist  der  Mitteli)unkt 
der  Welt?  Hier,  miss  nach!  Was  ist  die  Welt  wert?  HO  Silber- 
linge,  so  viel  war  der  Erlöser  wert.  Oder  die  zweite  Frage: 
Wie  weit  ist  der  Weg  um  die  Welt?  Wenn  ich  so  schnell 
wäre  wie  Sonne  uiul  Mond,  '24  Stunden.  Die  dritte:  Was 
denke  ich?  mit  der  bekannten  Antwort. 

Ich  verweise  auf  die  von  mir  im  Orient  und  Occident  1, 
S.  43i>  |zu  Nasr-eddin  n<i.  70]  gegebenen  Nachweise  über  die 
drei  Fragen,  wozu  jetzt  noch  ein  gascognisches  und  ein 
dänisches  Märchen  kommen,  Cenac  Moucaut  p.  .■)(),  Gruiidtvig 
Gamle  minder  1,  112.  Campbell  bemerkt:  There  are  a  great 
raany  similar  wise  saws  current  \  which  are  generally  fathered  688 
on  George  Buchanan,  the  tutor  of  -lames  VI. 

Hieran  schliesst  Campbell  '>'■}  gälische  Volksrätsel.  Zu 
vielen  davon  finden  sich  in  den  Rätseln  anderer  Nationen 
Parallelen.  So  zum  Beispiel  die  folgenden:  S.  Hl)2.  Was  ist 
das,  was  Gott  nie  sieht.  Könige  selten,  ich  alle  Tage?  Seines 
gleichen.  Dies  Rätsel  begegnet  uns  in  deutscher  (schon  im 
15.  Jahrhundert),  niederländischer,  englischer,  schwedischer, 
norwegischer,  ehstnischer  Sprache.  Vergleiche  meine  Nach- 
weise im  Weimarischen  -lalirbuche  5,  o^l  ff.  [Wossidlo  1<S!)7 
no.  Hi>4.] 

S.  3!)7.  Vier  hangend,  vier  laufend. 

Zwei  den  Weg  findend. 

Eins  brüllend.  —  Eine  Kuh.     (Euter,  Füsse, 
Augen,  Maul). 

Dies  Rätsel  findet  sich  ganz  ähnlich  schon  in  einer  nor- 
dischen Saga  und  uocli  heut  zu  Tag  im  Volksmund  in  Deutsch- 


268  ^^^^  Märchenforschung. 

land,  iu  der  Schweiz,  in  Norwegen,  in  England.  Vergleiche 
Müllenhoft"  in  Wolfs  Zeitschrift  für  deutsche  Mythologie  3,  4. 
Manuhardt  daselbst  3,  12i>.  Riisswurm  daselbst  3,  348  und 
Rocliholz  alemannisches  Kinderlied  S.  221.    [Wossidlo  no.  165.] 

S.  404.  Der  Sohn  auf  der  First  des  Hauses 

Und    der   Vater   noch    ungeboren.    —    Rauch 
und  Flamme. 

So  lautet  ein  finnisches  Rätsel  von  den  Funken:  Der 
Vater  ist  noch  nicht  geboren,  und  schon  sind  die  Söhne  im 
Krieg  (Berichte  der  k.  sächs.  (iesellschaft  der  Wissenschaften 
zu  Leipzig  1,  273).  Albanesische  Rätsel  (Hahn  albanesische 
Studien  2,  158.  163)  vom  Feuer  und  Rauch  lauten:  Der 
Vater  noch  nicht  geboren,  und  der  Sohn  zieht  in  den  Krieg, 
oder:  der  Vater  ungeboren,  der  Solin  nuiclit  einen  Feldzug. 
Aehnlicli  ist  auch  noch  ein  hnnisches  (a.  a.  0.  273):  Das 
Pferd  ist  im  Stalle,  der  Schweif  auf  dem  Dache.  Ein  farö- 
isches  Rätsel  vom  Rauch  lautet:  Der  Sohn  stand  an  der 
Thür.  als  der  Vater  geboren  wurde.  In  Pommerellen  giebt 
man  auf:  Eh  noch  der  Vater  ward  geboren,  hat  der  Sohn 
schon  die  Welt  begangen.  Vgl.  ^lannliardt  a.  a.  O.  3.  130 
und  Russwurm  ebenda  3,  350.     [Wossidlo  no.   14.s.] 

51.    Der  schöne  (Truagach,   Sohn   des  Königs  von  Eirinii. 

Der  schöne  Gruagacli  spielt  mit  der  Dame  mit  dem 
689  schönen  j  grünen  Gürtel  und  verliert.  Sie  giebt  ihm  unter 
Bann  und  Fluch  auf,  umher  zu  ziehen,  bis  er  sie  wiederfände, 
und  verschwindet.  Er  zieht  aus.  Zwei  Jahre  verbringt  er 
in  einem  Schloss,  das  so  viele  Thore  und  Fenster  hat  als 
das  Jahr  Tage,  und  glaubt  nur  einen  Monat  da  verweilt  zu 
haben.  Hierauf  begiebt  er  sich  zu  Fionn  und  den  Fhinnen. 
Er  erjagt  ein  wunderbar  schnelles  Wild,  das  einem  alten 
riesenstarken  Weibe  angehört.  Das  Wild  wird  gekocht. 
Wenn  ein  Stück  ungekocht  geblieben  oder  Brühe  ins  Feuer 
geHosseu  wäre,  wäre  es  wieder  lebendig  geworden.  Das  alte 
Weib  legt  ihn  unter  Fluch  und  Bann,  wenn  er  nicht  noch 
dieselbe  Nacht  bei  der  Frau  des  Baumlöwen  zubringe.  Er 
verwandelt   sich    in    ein   Pferd    und    kommt   in    die  Wohnung 


lieber  Campbells^  Sammlung  gäliselier  Märchen   50--57.         269 

des  Baumlöwen.  Am  Morgen  kämpft  er  mit  dem  Baum- 
löweu,  beide  verwandeln  sich  in  verschiedene  Tiere.  Er 
tötet  den  Baumlöwen  und  lässt  sich  von  Fiomi  in  ein  Tuch 
hüllen  und  mit  Erde  bedecken.  Als  dann  die  Frau  des 
Baumlöwen  erscheint  und  Fionn,  der  nie  log,  nach  dem 
Mörder  ihres  Gatten  fragte,  konnte  der  antworten,  er  kenne 
keinen  auf  der  Erde,  der  ihren  Gatten  erschlagen  luxbe.  Zu- 
letzt kommt  der  schöne  (iruagach  zum  Schloss  der  Dame 
mit  dem  grünen  Gürtel  und  heiratet  sie. 

52.    Die  Zähne  des  Königs^). 

Unter  dieser  Nummer  teilt  Campbell  mehrere  Märchen- 
varianten mit,  deren  Kern  immer  der  ist:  Einem  König  von 
Eirinn  schlägt  ein  fremder  Ritter  drei  Zähne  aus  und  reitet 
mit  ihnen  davon.  Zwei  Königssöhne  und  ein  raissachteter 
düngling  —  in  einigen  Fassungen  ein  Aschenputtel  genannt  — 
ziehen  aus,  um  die  Zähne  wieder  zu  gewinnen.  Nach  vielen 
Abenteuern,  auf  die  wir  nicht  eingehen,  bringt  der  Jüngling 
die  Zähne  dem  König  und  setzt  sie  ihm  wieder  ein.  Die 
Königssöhne,  die  den  Jüngling  treulos  verlassen,  hatten  nicht 
die  wirklichen  Zähne,  sondern  Pferdezähne  mitgebracht. 

In  der  einen  Fassung,  die  Campbell  gälisch  und  englisch 
vollständig  mitteilt,  kommen  poetische  Fragmente  vor,  so 
dass  wir  hier  wahrscheinlich  Reste  einer  alten  bardischen 
Dichtung  haben.     Auch  Nr.  51  mag  dazu  gehören.  | 

57.    Der  Schwanz  2).  (wu 

Scherzmärchen  von  einem  Schäfer,  der  sein  ertrinkendes 
Schaf  am  Schwanz  herausziehen  will,  aber  der  Schwanz  bricht 
ab.  ,ünd  wäre  der  Schwanz  nicht  abgebrochen,  so  wäre  das 
Märchen  länger  geworden.'  [=  Jacobs,  More  celtic  f.  tales 
no.  46.     Vgl.  Wlislocki   1890  S.  430,  Dykstra  2,  146.] 

Derartige  Neckmärchen  kommen  überall  vor,  vergleiche 
Grimms  goldenen  Schlüssel  (Nr.  "200  nebst  Anmerkung  dazu), 


*)  Bei  Campbell:   clor  Ritter   mit  dem   ruten  Sehild. 
-)  Als  ."1,3 — 5»;  sind  anzusehen   17a — 17d. 


'■27{)  '^'"'   Märclii'iitVirscluuiij. 

woran  Campbell  erinnert,  das  Märchen  von  der  Ueberfahrt 
der  Ziegen,  welches  Saucho  Pansa  im  Don  Quijote  I,  20  er- 
zählt nud  das  ganz  ähnlich  in  S(diwaben  erzählt  wird,  Meier 
Volksmärchen  Nr.  90.  [Frischbier.  Preuss.  Volksr.  S.  88. 
Bergli  H,  83,  Crane  p.  155,  Novellino  2(i,  Pitre  no.  138,  Im- 
briani,  Nov.  lior.  p.  57'2,  Braga  no.  118,  Coelho.  Jogos  p.  39, 
Kranss  1,  no.  60 — 63.] 

Und  hiermit  sind  wir  am  Knde  der  vorliegenden  zwei 
ersten  Bände  dieser  reichen  Sammlung  angekommen. 

Seitdem  die  vorstehenden  Bemerkungen  geschrieben  sind, 
sind  noch  zwei  Bände  (P^dinburgh  1862)  erschienen,  und  da- 
mit ist  die  Sammlung  beschlossen.  Ich  werde  über  diese 
beiden  Bände,  deren  Inhalt  nur  zum  kleineren  Teil  in  das 
Bereich  dieser  Zeitschrift  gehört,  in  einem  folgenden  Artikel 
kürzlich  Bericht  abstatten. 


18.   Anmerkungen  zu  A.  Lang,  Scotch  Tales. 

a)  Rashin  Coatie  ^). 

(Revue  Celtique  3,  3(17-  373.      1878.) 

3,;7  Nous  avons  ici,    comme  voit  le  lecteur,   une  Variante  du 

conte  connu  et  repandu  de  Cendrillon  et  de  sa  pantoufie 
perdue. 

En  Ecosse  dejä  nous  trouvons  ((uatre  versions  de  ce 
conte: 

1  "  Dans  Chambers,  Poi)ular  rhymes  of  Scotlaiid,  new 
edition,  L(nidon  and  Edinburgh,  1S70,  p.  iii^,  une  version  du 
comte  de  Fife  (traduite  par  M.  Loys  Brueyre,  Contes  popu- 
laires  de  la  Grande-Bretagne,  p.  39):  Rashie-Coat  etait  fille 
de  roi  et  Ton  voulait  lui  faire  epouser  un  homme  qui  ne  lui 
plaisait  pas.    Sur  le  conseil  de  la  'hen  wife'  ^),  eile  demande 


1)  [Der  Text  Längs   ist  in   der  Zeitschrift  ,Fulk-Lore'   1,  289  (1890) 
wieder  abgedruckt.] 

-)  Hen-wife,  en  frimc^ais  „basse-eouriere." 


l.s.     Aiiniorkinigen   zu  A.  Laiii,^  SL-utch  Tales,  a.  271 

avaiit  le  inariage  un  vetement  (Tor  battu,  [)iii,s,  (|uaii(l  eile 
a  celui-ei.  un  vetement  fait  des  pliimes  de  tous  les  oiseaux, 
et  entiii  im  veteiuent  de  roseaux  et  une  paire  de  paiitoufles. 
Aiiisi  iiuiuie,  eile  quitte  la  iiiaisou  paternelle,  va  au  lohi  et 
arrive  au  chateau  dun  roi  oii  eile  entre  eu  Service  eomnie 
fiUe  de  cuisine.  In  dimanche,  comme  tont  le  monde  est  ä 
l'eglise  et  quelle  seule  est  restee  pour  veiller  ä  la  cuisine, 
une  fee  vient  la  voir,  lengage  ä  mettre  sa  robe  dor  et  ä  se 
rendre  ä  Teglise.  La  fee,  pendant  ce  temps,  s'occupe  de  la 
(niisine  et  dit: 

Ae  peat  gar  anither  peat  burn, 

Ae  spit  gar  anither  spit  turn, 

Ae  pat  gar  anither  pat  play, 

Let  Rashio-Coat  gang  to  the  kirk  the  day. 

A  leglise,  le  fils  du  roi  s'enanioure  de  Rashie-Coat  (jui, 
avant  la  fin  du  service,  ([uitte  brusquement  leglise.  Le 
dimanclie  suivant,  eile  va  a  Leglise  avec  son  cüstunie  fait  de 
plunies  d'oiseaux,  et  le  troisieme  avec  sou  vetement  de  roseaux. 
i^a  derniere  fois  eile  perd  une  pantouHe  ä  son  |  depart  pre-  3(^8 
cipite  de  l'eglise.  Le  lils  du  roi  fait  savoir  qu'il  epousera 
la  jeune  fille  qui  chaussera  cette  pantoufle.  Aucune  des  dames 
de  la  cour  n"y  reussit,  niais  la  vieille  'hen-wife'  nuitile  le 
pied  de  sa  fille  de  sorte  ((u'elle  puisse  chausser  la  pantoufle. 
Comme  le  fils  du  roi  la  niet  dei'riere  eile  sur  son  cheval  et 
Lenleve,  un  oiseau  chante  dans  le  bois: 

>«ippit  tit  and  rlippit  tit 

Ah  int  the  kiiig's  son  rides; 
But  bonny  fit  and  pretty  fit 

Ahint  the  eaudron  hides. 

Le  fils  du  roi  revient  sur  ses  pas  et  trouve  Kashie-Coat. 

Le  debut  seul  de  ce  coute  dittere  du  notre:  le  reste 
Concorde  presque  entierement;  le  nom  de  Iheroine  est  le 
meme.  et  les  vers  de  la  seconde  partie  du  conte  ne  difterent 
pas  sensiblemeut  ^). 


')  Chambers  remarque  (p.  48)  que  dans  la  Complaynt  of  Scotland, 
publiee  en  1548,  il  est  fait  Tnention,  entre  autres  contes,  de  Pure  Tynt 


"272  '^u''  Märcli(?nforschung. 

2  ^  Chambers  cummuuique  eiicore  (p.  HS)  ime  version 
mutilee  de  ce  conte  qui  provient  d'iin  autre  eudroit  du  pays. 
Dans  cette  version,  un  roi  possedait  une  jolie  pantoufle  de 
verre  et  voulait  epouser  seulement  celle  qui  chausserait  cette 
pantoufle.  Un  ambassadeur  pareourait  le  pays  pour  chercher 
une  teile  jeune  fille.  Enfin  il  arrive  ä  une  maison  oü  il  y 
a  deux  filles.  L'ainee  se  mutile  le  pied  de  fa<;on  a  ee  qu'il 
puisse  entrer  dans  le  soulier:  mais  comme  le  roi  l'enleve  sur 
son  cheval,  un  petit  oiseau  chante: 

Nippit  tit  and  clippit  fit 

Ahint  the  king  rides, 
But  pretty  fit  and  little  fit 

Ahint  the  caldron  hides. 

Le  roi  revient  sur  ses  pas,  et  c'est  la  soeur  cadette  qui  chausse 
la  pantoufle. 

3  "  Un  conte  public  par  Campbell,  Populär  Tales  ot"  the 
West  Highlands,  n**  43,  et  dont  voici  le  resume: 

Une  reine  maltraite  sa  belle-fille  et  lui  fait  garder  les 
moutons,  sans  lui  rien  donner  ä  nianger:  mais  un  heiler  gris 
lui  apporte  de  la  nourriture.  La  reine  envoie  une  fille  de 
sa  'hen-wife'  au  päturage  pour  observer  sa  belle-hlle.  La 
belle-fille  dit  ä  la  fiUette  de  mettre  sa  tete  sur  ses  genoux 
pour  qu'elle  lui  arrange  sa  chevelure.  La  fiUette  s'endort; 
mais,  laissant  ouvert  un  oeil  qu'elle  a  sur  le  derriere  de  la 
tete,  eile  voit  le  belier  apporter  ä  manger  a  la  belle-fille  et 
3H9  eile  rapporte  le  fait  ä  la  reine.  |  On  tue  le  l)elier  sur  lordre 
de  la  reine.  Celui-ci  avait  dit  auparavant  ä  la  belle-fille  de 
voler  sa  peau  et  ses  os  et  de  les  rouler  ensemble,  et  qu'ainsi 
il  ressusciterait.  Mais  eile  oublie  les  sabots  de  l'animal,  et 
le  belier  ressuscite,  mais  boiteux.  Ce  qui  suit  dans  ce  conte 
est  confus  et  enchevetre.  Une  chose  est  claire,  c'est  (jue  la 
fille  du  roi  va  trois  fois  a  Leglise  et  qu'ä  la  troisieme  fois 
eile  perd  par  precipitation  une  de  ses  pautoufles  dorees.    Un 


Rashiecoat;  et  Oanipbell,  dans  ses  observations  sur  son  conte  14,  renvoie 
au  conte  de  Rashen  Coatie  dans  la  collection  nianusi'rite  des  contes  de 
Pierre  Buchan. 


18.    Aninerkunuon   zu   A.   I>aiiy,   ^ocitcli   Tales,  a.  273 

priiice,  (lui  s'est  aiiKiiinicIie  de  la  lille  du  roi,  veut  epoiiser 
la  jeiiiie  tillf  (|iii  chaiissera  rette  pautoutie.  I^a  iiiarätre 
miitile  It'S  doigts  de  pied  de  sa  pntpre  fille  pour  que  la  pau- 
toufie  piiisse  lui  aller.  Mais  le  jour  de  la  noee,  comme  tout 
le  moude  etait  reuui,  un  oiseau  se  pose  sur  la  fenetre  et 
erie  trois  fois:  „Le  saug  est  daus  le  soulier,  et  le  petit  pied 
est  daus  uu  coiu  derriere  le  feu!"  C'est  ainsi  qu'ou  trouve 
la  belle-fille  de  la  veiue. 

Le  helier  gris  de  ee  texte  correspoiul  au  veau  de  uotre 
recit  de  Rashin-Coatie.  Le  fait  ((ue  le  belier  ressuseite 
quand  ou  reuuit  ses  us,  mais  renait  boiteux  parce  qu'ou  a 
(»ublie  de  certaius  os,  est  empruiite  ä  uiie  traditioii  tres- 
repaudue  ^),  mais  qui  ii'est  pas  ici  ä  sa  place. 

40  Un  autre  coute  de  la  colleetioii  Campbell,  le  uo.  14, 
est  aussi  une  version  du  conte  de  Cendrillon.  Dans  ce  coute, 
un  roi  veut  epouser  sa  propre  tille,  parce  qne  les  vetements 
de  sa  femme  defuute  ne  vout  ((u"ä  celle-ci.  La  fille,  sur  le 
conseil  de  sa  n(turrice,  demande  ä  son  pere  plusieurs  vete- 
ments magnili(iues  et  des  pautoulies.  l'une  d'or  et  Lautre 
d'argent,  puis  eile  s'enfuit.  Elle  devient  tille  de  cuisine  dans 
un  chäteau.  Sans  qu"on  s'en  aper(;oive,  eile  va  trois  diman- 
ches  de  suite  ä  l'eglise  avec  ses  vetements  de  prix  et  ses 
pantouties.  Le  Hls  du  roi  devient  amoureux  (Lelle.  Le 
troisieme  dimanche,  eile  perd  par  preci])itati(>n  une  de  ses 
pautoulies,  et  le  tils  du  roi  declare  (|u"il  epousera  seulement 
la  jeune  fille  qui  chaussera  la  pantouüe.  Beaucoup  essayent 
et  se  mutilent  les  pieds  ä  cet  eilet,  mais  en  vain.  Un 
petit  oiseau  repete,  a  mesure  que  chacune  essaie  la  pan- 
toufle : 

Big.  big.  cha  "n  aun  duit  a  thig,  ach  d(t  "n  fe  bliig  a 
tha    fo  läimh  a"  chöcaire!  c'est-a-dire :    "Wee    wee,    it    comes 


')  Yüir  J.  W.  Wolf,  Beiträge  zur  deutschen  Mythologie,  t.  I,  ji.  88; 
W.  Mannhardt,  Grermanische  Mythen,  p.  57;  I.  Y.  Zingerle,  Sagen  aus 
Tirol,  no.  13  [2.  Aufl.  no.  22] ;  Ohr.  Schneller,  Märchen  und  Sagen  aus 
Wälschtirol,  p.  20;  Revue  celtique,  t.  I,  p.  239;  P.  Kennedy,  The 
Fireside  Stories  of  Ireland,  p.  128;  S.  Baring-Grould,  Household  Stories, 
no.  b  [s.  Nachtrag]. 

R.  Kühler,   Kl.  Schriften  I.  18 


274  '^i"'  -MäiH'lKMit'orscluuig. 

not  011  thee,  but  oii  tlje  wee  oiie  uiider  tlie  band  of  tbe 
co(»k". 

Oll    porte    eiifiu    la    paiitoiitle    a    la   ciiisiiie  oii  se  troiive 
la  fille  du  roi,    et  "aussitot'''  (|ue  \a  paiitouHe  fut  sur  le  sol, 
eile  saiita  au  pied  de  la  fille  du  roi"  ^).  | 
370  Daus    cette    version,    coinme  daus  c.elle  de  Fife  et  beau- 

coup  d'autres  eu  dehors  de  l'Ecosse,  le  coute  de  Ceudrillon 
est  mele  a  un  autre  qui,  par  beaucoup  de  ])oiuts,  ressemble 
ä  celui  de  Peau  d'Aue.  Si,  daus  la  versiou  de  Fife,  la  fille 
du  roi  doit  epouser  non  pas  sou  pere,  mais  uu  homme  qui 
lui  deplait,  je  suppose  fort  que  Cbambers  a  modifie  sou  conte 
pour  ne  pas  eboquer  ses  leeteurs. 

Mais  assez  parier  des  versions  ecjossaises  de  ce  coute. 
Eu  debors  de  FEcosse,  je  couuais  les  versious  suivantes: 

Freres  (iriinm,  Kiuder-  uud  Hausmärcbeu,  uo.  21,  et  les 
variautes  daus  les  uotes  du  toiue  IIF.  J.  (i.  Büsebiug,  Wöcbeut- 
licbe  Nacbricbteu.  t.  I,  p.  i:!?.  et  t.  II,  p.  IS,")-.  L.  Becbsteiu, 
Deutscbes  Miirclieubucb,  Leipzig,  1845,  p.  2o2  ('Ascbeu- 
brödeF)  ;  E.  Meier,  Volksmärebeu  aus  Srbwaben,  uo.  4; 
I.  V.  Ziugerle,  Kiuder-  und  llausmärcbeu  aus  Tirol,  2e  ed., 
uo.  23;  A.  Lodteus,  Oude  kiudervertelsels  iu  den  brugscbeu 
tougval,  p.  ")");  P.  dir.  Asbj(iriiseu  et  -F.  Moe,  Norske  Folkee- 
ventyr,  uo.  !!•:  M.  <>.  Hylteu-Cavalliiis  et  (1.  Stepbeus,  Sveuska 
Folk-Sagor  ocb  .Efveutyr,  uo.  21;  K.  Maurer,  Isläudisebe  Volks- 
sageii,  p.  2S]  :  ,1.  Arnasou,  Isbf'uzkar  Tbjodbsögur  og  Aefiu- 
tyri,  t.  II.  p.  -iOC)  (traduit  daus  la  traductiou  auglaise  de 
(;.  E.  .1.  Powell  et  E.  Maguussou,  t.  II,  p.  235),  et  p.  312; 
A.  Waldaii.  Ibibiuiselies  Märcbeubucb,  }).  (ioS;  K.  W.  Woy- 
cicki,  Poluiscbe  Volkssageu  uud  Märcbeu,  übersetzt  von 
F.  II.  Lewestaiu.  p.  123;  A.  .1.  (Ilinski.  Pajarz  jxilski.  t.  III, 
p.  135;  A.  De  (luberuatis,  Zoolugical  Mythology.  t.  1.  p.  lUH. 
et  11,  p.  304  (coute  russe  de  la  collectiou  Afauasjev,  t.  VI, 
uo.  30);  Wuk  Stepbauowitscb  Karadscbitscb,  Volksmärebeu 
der  Serben,  uo.  32;  Das  Aushiud.  -labrgang  1S32.  uo.  5S,  p.  230 

')  Ce  trait  si^'  rencoutre  daus  le  l'ciitanieroiie  de  Basile,  1,  6:  Des 
((iio  la  ])antoiifle  est  ])res  du  ])ied  de  Liicrece,  le  sonlier  y  est  entraine 
„fuintiic   1(1   tiiMTo   ciirrc   a   Im    ralaiiiita". 


18.    AuiiitM-kuniien  zu  A.   Litii;;-,  Hcotrli   Tales,  a.  -JJ") 

((•(Mite  grec):  J.  <i.  Vdii  Halm.  (Iriecliisclie  und  alhniiesische 
Märchen,  no.  '2:  A.  Sakellanos,  Tu.  Krjroaixd.  t.  111.  |).  145 
(conte  cypriote  traduit  par  F.  Lit'brerlit  daii^  le  Jahrbuch  für 
romanische  und  englische  Litteratur.  t.  XI.  j».  Hr)4):  Ch.  Per- 
rault,  C'endrillou  ou  la  petite  pantuufie  de  verre;  .1.  Turiault, 
Etüde  .sur  ]e  laiigage  creole  de  la  Martinique,  p.  'iU*;  Madame 
DAuhioy.  Finette  CendronM:  D.  Bernoni,  Fiabe  e  Novelle 
popolari  vt'neziane,  no.  S;  1).  ('oni])aretti,  Novellini  popolari 
italiane.  t.  1,  no.'i.")-.  V.  Imbriani.  La  Xdvellaja  fiorentiua.  no.  11  -. 
R.  H.  Busk.  The  Folk-lore  of  Korne,  p.  "ii;  et  Hl:  (\.  Basile, 
II  Pentamerone,  dornata  1,  Trattenemiento  (>:  (1.  Pitre,  Fiabe. 
Novelle  e  Racconti  })opolari  siciliani,  no.  41:  M.  Mila  y  j  Fon-  ni\ 
tanals.  Observaciones  sobre  la  poesia  popnlar,  j).  181  (conte 
catalan  traduit  [>ar  F.  AYolf,  Proben  portugiesischer  nnd  cata- 
lanischer  Volksromanzen,  p.  43):  F.  Maspons  y  Labros,  Lo 
Rondallayre,  no.  20:  \V.  Webster,  Basque  Legends,  p.  l(i(). 
[Cox.  (Inderella   iS'.):;.] 

Au  petit  vcau  de  notre  conte  ecossais  correspoiident  une 
vache  (laus  Ics  contes  serbe  et  roniain,  un  taureau  dans  le 
conte  norvegien   et  un  petit  belier  dans  le  conte  sicilien. 

Dans  le  conte  serbe,  la  vache  est  la  mere  de  Cendrillon'-) 
qui  a  ete  ainsi  transt'ormee.  Le  [)ere  s'est  remarie:  la  belle- 
mere  donne  ä  sa  belle-lille  les  troupeaux  ä  garder  et  lui 
remet  une  qnantite  de  lin  (|u'elle  doit  avoir  file  le  s(»ir.  Tout 
ä  cou]).  au  paturage.  la  vache  se  met  ä  parier  et  dit  ä  sa 
lillc  (|u"elle  va  niacliei'  le  liii  et  le  lui  rendre  en  lil  (|ui  lui 
sortira  j)ar  Loridllc.  '^»uand  la  btdle-niere  apprend  cela  par 
sa  propre  tille  (|u"elle  a  envoyee  secretement  an  paturage, 
eile  demande  ä  son  mari  de  tuer  la  vache:  celui-ci  refuse 
dabord.  puis  eiiHii  consent.     Avant  dctre  egorgee,    la  vache 

')  Un  conte  hongreis  ile  la  eollcetion  Erdehi  traduit  ]iar  (>.  Stier 
dans  SOS  Ungarische  Sagen  und  Märclien,  no.  5,  correspond  si  exacte- 
nient  a  celui  de  la  comtesse  irAulnov  (jue  certaiuenioiit  il  cn  pi-ovient 
d^une  facon  directe. 

-)  ('online  on  voit  })ar  la  traduction  anglaise  de  ce  conte  donnee 
nar  il""?  Mijatevics,  Serbian  Folk-lore,  p.  .">9,  le  nom  serbe  Papalhiga 
correspond  au  f'rancais  Cendrillon. 

IS* 


276  Zur  Märchenforbchung. 

dit  k  sa  fille  quelle  ue  doit  pas  manger  de  sa  chair.  mais 
reimir  ses  os  et  les  enterrer  sous  ime  pierre  derriere  la  mai- 
son;  piiis  qiiand  eile  aura  besoin  de  seeours,  eile  viendra  ä 
cette  tombe  et  eile  y  trouvera  de  laide. 

Dans  le  coute  romain  (Busk,  p.  81),  la  vache  que  garde 
la  belle-fille  remplit  pour  eile  tous  les  travaux  imposes  par 
la  maratre  et  dit  ehaque  fois  ä  la  jeiuie  fille: 

Butta  sopr'  alle  corna  a  ine, 
E  vatene   far  Terba   per  me.[ 

Pendant  qne  la  jeune  fille  s'eloigue,  la  vache  se  meta- 
morphose  en  femme  et  accomplit  le  travail  en  peu  de  teraps. 
La  maratre  decouvre  le  fait  et  ordonne  de  tuer  la  vache: 
mais,  anparavant,  la  vache  dit  ä  la  jeune  fille  quelle  trou- 
vera sous  son  coeur,  eile  tuee,  une  boule  d'or:  eile  Tenlevera 
et  lui  dira  en  cas  de  besoin: 

Falk)   dorato!     Tallo   doratu! 

Vestimi   d'oro  e   danimi   riniianiurato  I 

Dans  le  conte  norvegieii,  c'est  uu  grand  taiireau  bleu. 
Lorsque  la  fille  du  roi  na  rieii  ;i  manger  de  sa  maratre,  il 
lui  dit  que  dans  son  oreille  gauche  il  y  a  une  serviette.  qu'en 
la  retirant  et  en  l'etendant,  eile  aura  ce  qu'elle  voudra  a 
boire  et  a  manger.  La  maratre  veut  faire  tuer  le  taureau, 
mais  taureau  et  jeune  fille  s'enfuient  ensemble.  11s  arrivent 
au  chateau  dun  roi.  La  le  taureau  dit  ä  la  jeune  fille  de 
372  le  tuer,  de  lecor-jcher  et  de  garder  sa  peau  en  un  certain 
endroit.  Quand,  plus  tard,  eile  aura  besoin  de  lui,  eile  n'aura 
qu'a  frapper  en  cet  endroit  avec  un  bäton.  Dans  une  Variante 
norvegienne  (no.  8),  la  jeune  fille  trouve  a  boire  dans  une 
oreille  du  taureau  et  ä  manger  dans  Lautre.  Cela  etant 
decouvert  par  la  belle-mere  de  la  meme  fa^on  que  dans  le 
conte  gaelique  no.  43,  on  abat  le  taureau,  mais  saus  que  per- 
sonne le  Sache,  hors  la  jeune  fille.  De  ses  os  sort  une 
maison,  et  dans  cette  maison  se  trouvent  trois  vetements 
merveilleux  avec  lesquels  la  jeune  fille  va  trois  fois  de  suite 
a  Teglise,  etc. 


18.    Aniiierkuugen   zu  A.  Lang,  Sooteli  Tales,  a.  277 

Dans  le  coiite  sicilien,  la  jeiiiie  fille  a  revu  de  soii  pere 
Uli  petit  belier  (|iii  liii  dit:  Mets  ton  travail  sur  nies  cornes, 
et  je  le  ferai  pour  tüil  Avant  quon  le  tue  par  ordre  de  la 
raaratre,  il  dit  ä  la  jeune  lille  qu'elle  ne  doit  pas  nianger 
de  sa  cliair,  niais  reunir  et  enterrer  ses  os.  De  ses  os  sor- 
tent  douze  laquais  ([ui  menent  la  jeune  fille.  habillee,  d'or, 
a  la  fete  du  fils  du  roi,  etc.  ^) 

[.es  paroles  rimees  du  petit  oiseau  daus  les  contes 
ecossais  sont  tres-semblables  ä  celles  du  conte  suedois: 

Huggen  liäl  oeh  klippen  tä! 

I  ugnen  är  den  soni  gull-skon  gar  pä! 

c'est-ä-dire  „Talons  rognes  et  doigts  coupes!  Dans  le  poele 
est  Celle  a  qui  va  le  soulier  d'or!''  Les  variantes  suedoises 
fournissent  aussi  des  variantes  de  ces  vers. 

Dans  le  conte  norvegien  un  petit  oiseau  chante: 

Et  Stykke  af  Hiel 
Og  et  Stykke  af  Taa ; 
Kari  Trsestakkens  sko 
Er  t'uld  af  Blöd! 

c"est-ä-dire  ,,Un  morceau  de  talon  et  un  morceau  de  doigt! 
Le  soulier  de  Kari  Trsestak  est  plein  de  sang!" 

Dans  une  Variante  norvegieune  les  vers  sont  ceux-ci: 

Huggen  HsdI  op  skaaren  Ta ! 

I  Gruen  sidder  den,  soni  Skoen  runimer  paa! 

„Talons  rognes  et  doigts  coupes!  Au  foyer  est  assise  celle  a 
qui  va  le  soulier." 

Dans  le  conte  islandais  des  oiseaux  cliantent:  „Talon 
rogne  est  daus  le  navire.  son  soulier  est  plein  de  sang:  a 
la  niaison  est  assise  iMjadveig,  fille  de  Mani.  une  bien  nieil- 
leure  fiancee.     Retourne,  fils  du  roi!" 


')  Dans  beaucoup  d'autres  contes,  en  dehors  du  cycle  de  Cendrillon 
et  de  la  pantoufle  perdue,  figurent  des  vaclies,  des  taureaux  et  des 
moutons  qui  filent  pour  une  jeune  fille  maltraitee  par  sa  maratre,  ou 
l'aident  de  toute  autre  facon,  et  que  pour  cela  on  met  ä  mort.  Yoir 
nies  übservations  dans  Gronzenbaeh,  Sieilianische  Märchen,  no.  32,  et 
Celles  de  M.  Cosquin  Contes  populaires  lurrains,  no.  28. 


•27s  Zur  Mitre-lu'iifursc'luing-. 

373  Dans  le  coiite  de  Grimm  deiix  colombes  chaiiteut: 

Rucke  di  gue-k,   riirke  di   giu'k, 

Blut  ist  im  Schuck; 

Der  Schuck  ist  zu  klein, 

Die  rechte  Braut  sitzt  noch  daheim. 

„Roiickedigoiick.  rouckedigouck,  sang  est  dans  le  soulier;  le 
soulier  est  trop  petit;  la  vraie  fiancee  est  encore  ä  la  niaison." 

Les    vers    des   autres    versions   allemands   sont  analoges. 

Daus  le  conte  riisse  deux  colombes  chantent:  „Du  saug 
ä  S(in  pied!  du  sang  ä  sou  i)ied!"  Dans  le  coute  serbe  le 
co(|  de  la  maison  cliaute :  „Kikeriki!  la  jeuue  fille  est  cachee 
sous  lauge  h\-bas!"  Daus  le  coute  tclieque  c'est  uu  chien 
((ui  aboie:  ,,Haff!  haff!  haff!  Notre  maitre  amene  une  femme 
saus  talou!''  et  plus  tard  „une  femme  saus  doigs  de  pied!" 
Daus  deux  contes  allemands  (Grimm,  t.  111,  p.  36),  cest 
aussi  uu  chieu  qui  decouvre  la  lausse  liancee  en  aboyant: 
„AVou.  wou.  wou!  soulier  pleiu  de  saug!"  ou  „Haou,  haou, 
haou,   haou.  liaou !   inon  maitre  n'a  pas  la  vraie  femme!" 

M.  Luzel  a  publie.  en  fevrier  IS?.?,  dans  le  feuilleton 
de  lElecteur  du  Fiuistere,  uu  coute  bretou,  le  Chat  noir, 
dont  le  debut  coutient  les  elemeuts  du  conte  de  Cendrillon. 
Uue  maratre  fait  tuer  la  vache  qui  aimait  et  protegeait  sa 
belle-tille  Yvonne.  Quaud  ou  louvrit,  ou  trouva  aupres  de 
sou  canir  deux  j)etits  souliers  d'or,  faits  avec  uu  art  raer- 
veilleux.  La  marätre  seu  saisit  eu  disant:  „Ce  cera  pour 
ma  fille  le  jour  de  ses  uoces."  Uu  riebe  priuce  veut  epouser 
la  belle  Yvonne;  mais  le  jour  de  la  uoce  la  marätre  essaie 
de  faire  passer  sa  propre  fille  Louise  pour  Yvonne.  Louise 
est  emmenee  comme  mariee,  et  pour  qu'elle  puisse  chausser 
les  petits  souliers  d'or,  ou  lui  mutile  les  pieds.  Comme  le 
priuce  moute  en  voiture  avec  eile  pour  aller  a  l'eglise,  le 
petit  chien  Fidele,  (pii  accompaguait  Yvonne  sur  la  graude 
laude  (juaud  eile  y  menait  paitre  sa  vache,  se  mit  ä  jap})er 
de  la  Sorte:  Hep-bi !  hep-bi!  bep-hi!  c'est-ä-dire  „sans  eile! 
saus  eile!  sans  eile!"  Et  ((uand  le  carrosse  sortit  de  la  cour, 
il  courut  apres,  en  disant  dans  sou  laugage: 


18.    Aiiiiierkungen   /u  A.  Lang,   Sccitcli  Tales,  ab.  279 

O'est  la  laide,   aux   traits  renfrognes, 
Aux   taloiis,  aux  orteils   fognes; 
Helas!  lielas!  et  la  jolie 
Dans  sa  prisoii  i)ltnire  et  sY'iiuuie! 

I))  Nicht,  Nouglit,  Notliing^). 

(Revue  Celtique  8,  376— H78.  1878.) 

Comparez  les  coiites  suivaiits :  870 

Campbell,  Populär  Tales  of  tlie  West  Highlands,  110  2 
(hiiit  variautes) : 

W.  Carletoii,  Traits  and  8tories  of  tlie  Irisli  Peasaiitry, 
5e  ed.,  t.  T.  p.  23  (The  three  Tasks); 

P.  Kennedy,  The  Fireside  Stories  of  Ireland,  p.  56;  | 
et  en  outre  les  contes  que  j'ai  reunis  dans  Orient  und  Occident,  h77 
t.  II,  p.   108 — 114  [oben  S.   IBlJ,    et  dans  mes  commentaires 
snr  le  no.  14  des  Ehstnische  Märchen  de  Kreutzwald,  et  sur 
le  no.   14  des  Sicilianische  Märchen  de  Gonzenbarh. 

A  cette  liste  jajoiite  aujourd'hui: 

fvalston,  Rnssian  Folk-Tales,  p.  120:  Miklosicli,  Märehen 
der  Zigeuner  no.  15;  Bnsk,  The  Folk-Lore  of  Rome,  p.  3; 
Pitre,  Fiabe  Siciliane,  no.  15:  W.  Webster,  F^as(|ue  Legends, 
p.  120:  Luzel,  Le  Filleul  de  la  Sainte  Vierge,  Brest  1870. 
[Zs.  d.   V.  f.   Volkskunde  G,  64.] 

Dans  nombre  de  contes  paralleles,  il  arrive  que  le  pere 
promet,  sans  le  savoir,  son  enfaut  a  un  etre  hostile  (ainsi 
dans  les  versions  gaeliques  et  dans  Celles  de  Kennedy  et  de 
Luzel);  mais  notre  conte  presente  cette  particularite  (|u'il  ne 
croit  pas  avoir  rien  promis  au  geant,  et  qu'en  fait  il  lui  a 
promis  son  fils  qui  s'  appelle  Nicht-Nought-Nothing. 

Dans  les  contes  gaeliques  et  dans  le  conte  de  Kennedy, 
on  trouve  aussi  les  tentatives  de  faire  passer  dautres  enfants 
pour  le  prince. 

On  rencontre  seulement  dans  les  paralleles  gaeliques, 
irlandais  et  scandinaves  le  fait  de  nettoyer  la  grande  etable. 


0   [Der   Text   Längs   ist    abgedruckt    in     „The    Folk-Lore"    1,    292 
(1890).] 


280  ^iii'  -Märclieiiforsohung. 

et  seulemeiit  daii.s  les  paralleles  gaelique  et  irlaudais  lascen- 
sion  de  Tarbre  a  laide  des  doigts  coupes  de  la  jeime  fille. 
La  seconde  partie  de  notre  conte  depiiis  la  fuite  du 
prince  jusqu'ä  la  fin  est  corrompue.  11  manque  dabord  des 
details  siir  la  facon  dont  s'eiifuirent  le  priiiee  et  la  fille  du 
geant.  Puls  suivant  lanalogle  de  la  plupart  des  contes 
paralleles,  cpiaud  le  prince  retourne  chez  ses  pareiits,  la  fille 
du  geant  devrait  lui  defendre  d'embrasser  qui  que  ce  soit 
ou  de  se  laisser  embrasser,  et  par  Foubli  de  cette  recomman- 
dation,  le  prince  devrait  oublier  la  fille  du  geant.  Cela 
raanque  dans  notre  version.  Le  prince  arrive  chez  ses  parents 
Sans  les  connaitre  et  sans  etre  connu  deux.  et  Ion  ne  nous 
dit  pas  comment  il  devient  si  rapidement  le  fiance  de  la 
fille  du  roi,  c.-a-d.  se  sa  soeur.  D'apres  lanalogie  des  autres 
contes.  la  fille  du  geant  devrait  eveiller  le  souvenir  du  prince 
d'une  favon  particuliere.  k  laide  d'un  coij  et  dune  poule  ou 
de  deux  colombes,  juste  au  moment  oü  Ion  va  celebrer  les 
noces  du  prince.  Si  au  contraire,  dans  uoti'e  conte.  eile  le 
rencontre  endornii  dans  le  jardin  et  essaye  en  vain  de  le 
reveiller.  cest  un  trait  emprunte  ä  dautres  contes  ^).  | 
37S  Aux  paroles  par  lesquelles   la   fille  du  geant  dans  notre 

conte  clierche  ä  eveiller  le  prince  (I  cleaned  the  stable,  etc.) 
on  peut  comparer  les  vers  suivants  dans  le  conte  The  Black 
Bull  of  Norroway  dans  Chambers,  Populär  Rhynies  of  Scot- 
land.  p.  Os  [coniparez  Campbell  4,  295]: 

Seven  lang  years  1  -rerved  for  thee, 

The  glassy  hill  I   elamb  for  thee, 

Tlie  lihiidy  sliirt  1   wrang  for  thee, 

And  wilt  tluiu  mit   wanken  and  tnni  tu  me  ? 

et  cette  Variante  p.   101,  ibid. 


^)  Yoici  le  trait  dont  il  s'agit.  L'heroine  du  conte  troiive  le  mari 
qu'elle  a  perdu  niarie  ou  au  moins  fiance  ä  une  autre;  eile  achete  de 
la  nuuvelle  epouse  ou  de  la  fiancee  la  permission  de  passer  trois  nuits 
dans  la  chambre  a  coucher  de  son  mari.  Les  deux  premieres  nuits, 
c'est  en  vain  qu'elle  essaie  de  le  reveiller,  car  sa  nuuvelle  femnie  (ou 
sa  fiancee)  lui  a  fait  prendre  un  narcotique.  Yoir  lä-dessus  nies  obser- 
vations  dans  Blade,  Contes  populaires  recueillis  en  Agenais,  p.  145. 


18.    Anmerkungen   zu  A.   Lang,  Scotch   Tales,  b.  '2S1 

Far  hae  I  souglit  ye,  uear  am  I   bruught  tu  ye; 

Dear  Duke  o'  Norroway,  will  ye  no  turn   and  speak  to  me? 

et  aiissi  dans  le  conte  irlandais  The  Brown  Bear  of  Norway 
daiis  Kennedy,  [.egendary  Fiotioiis  of  the  Irisli  Celts,   p.  57: 

Fuur  long  years  I   was  married  to  thee, 

Thrce  sweet  babes  I  btn-e  to  thee, 

Brown  Bear  of  Norway,  won't  you  turn   to  meV 

Encore  iine  Observation  sur  lepisode  oii  la  lille  du  geant 
se  tient  sur  un  arbre,  et  oii  son  ombre  >se  reiiechissant  dans 
l'eau  fait  illusion  a  la  fille  et  ä  la  femme  du  jardinier  qui 
croient  voir  leur  propre  ombre  et  se  trouvent  belies.  Ou 
peut  comparer  Campbell,  p.  H-t  et  56,  et  le  conte  suedois 
dans  Hylten-Cavalliiis  et  Stephens,  no.  XIV,  B.  Ce  trait  se 
renrontre  aussi  dans  le  conte  si  re})aiidu  des  trois  citrons  ou 
des  trois  oranges,  par  exemple  dans  le  P*entamerone  V,  1),  et 
dans  Gonzenbach,  no.   13. 


19.  Anmerkungen  zu  Georg  Widter  und  Adam 
Wolf,  Volksmärehen  aus  Venetien. 

(Jahrbueli    für    ronian.  Litt.   7,   1— Hf,.     121- ir)4.    27il- 299.    1866.) 

1.  Die  zwei  imgieichen  Brüder. 

Wir  haben  hier  eine  nicht  durchaus  gute  und  vollständige  6 
Ueberlieferiiiig  eines  fast  über  ganz  Europa  verbreiteten 
Märchens.  Der  Kern  desselben  ist,  bei  allen  Abweichungen 
der  verschiedenen  Fassungen  im  einzelnen,  der  folgende:  Ein 
guter  Jüngling,  der  von  seinem  bösen  Bruder  oder  (iefährten 
geblendet  und  verlassen  worden  ist,  belauscht  ein  Gespräch 
von  Geistern,  Hexen  oder  Tieren  und  erfährt  dadurch  wuiuler- 
bare  Geheimnisse,  wodurch  er  sein  Gesi(,'ht  wieder  erlangt 
und  —  in  den  meistea  Fassungen  —  eine  kranke  Prinzessin 
heilt   und   zur  Gemahlin   erhält.     Der   Bruder    oder   (iefährte 


^(S2  ^iii"  ^läreheiit'ürsc'huiii;'. 

begiebt  sieh  später  an  denselben  Ort.  wo  der  andere  das 
Gespräcli  vernommen,  wird  aber  von  den  über  die  Enttleeknng 
der  (Geheimnisse  erzürnten  Geistern,  Hexen  oder  Tieren  be- 
merkt und  getötet  oder  geblendet. 

Ich  lasse  nun  die  mir  bekannten  Volksmärehen  in  kurzen 
Auszügen  folgen,  und  zwar  zunächst  diejenigen,  welche  gleich 
dem  italienischen  mit  einer  Wette  beginnen.  In  einem 
serbischen  Märcheji  bei  Wuk  Stephanowitsch  Karadschitsch, 
Volksmärchen  der  Serben,  Nr.  IG,  streiten  zwei  Königssöhne 
darum,  ol)  die  Gerechtigkeit  oder  Ungerechtigkeit  besser  sei. 
Sie  wetten  dreimal  um  (h-eihundert  Goldstücke,  und  der  erste, 
dem  sie  begegnen,  soll  entscheiden.  Jedesmal  begegnet  ihnen 
der  Teufel  iu  Mönchsgestalt  uu<l  entscheidet,  dass  die  Un- 
gerechtigkeit besser  sei  als  die  (ierechtigkeit.  Da  wettet  der 
Gute  um  seine  Augen,  dass  die  (ierechtigkeit  besser  sei,  und 
der  Böse,  weiter  keinen  Richter  suchend,  sticht  ihm  alsbald 
beide  Augen  aus  und  lässt  ihn  in  der  Nähe  einer  (^)uelle 
unter  einer  Tanne.  Nachts  baden  sich  Wilen  (Waldfrauen) 
in  tler  (Quelle,  und  der  Blimle  höi't,  wie  sie  davon  S[)rechen, 
dass  des  Königs  aussätzige  Tochter  nur  durch  das  Wasser 
dieser  (Quelle,  welches  auch  Stumme,  Blinde  und  Lalime  heile, 
genesen  könne.  Am  Morgen  wäscht  er  sich  in  der  Quelle, 
wird  wieder  sehend,  heilt  die  Prinzessin  und  erhält  sie  zur 
Frau.  Der  böse  Bruder,  der  dies  erfährt,  begiebt  sich  eben- 
falls zur  Tanne  und  sticht  sich  seine  Augen  aus,  wird  aber 
von  den  AVilen  entdeckt  und  zerrissen. 

In  einem  finnischen  Märchen  in  Eero  Salmelainens 
(Erik  Rudbecks)  Sammlung,  Bd.  2,  S.  172,  ins  Französiche 
übersetzt  von  E.  Beauvois  iu  seinen  ,,(Jontes  populaires  de 
7  la  Norvege,  de  la  Finlande  et  de  la  Bourgogne",  |  S.  139^), 
begeben  sich  zwei  Kaufmannssöhne  in  ihren  ererbten  Schiffen 
auf  Reisen  uml  versprechen  sicli  nach  -lahresfrist  wieder  zu 
treffen.     Dies  geschieht,   und  jeder  hat  sein  Schiff  voll  AVareu. 


')  Eine  deutsehe  Uebersetzung  dieses  und  des  weiter  unten  l)e- 
sprcH'henen  finnischen  Märchens  verdanlce  icli  nerrn  Pn)t".  Dr.  WiUielni 
Sehott  in  Berlin. 


lii.     Aiiiiierkuiii;(_Mi    zu    Widtcr   uwd   Wdlf  Nr.    1,  2<S8 

Der  ältere  Biiuler  hat  seine  Waren  diiivli  Ijetrug  und  Falsch- 
heit, der  jüngere  durch  l^hrlichkeit  gewonnen.  -lener  be- 
hauptet nun,  im  Handel  sei  die  Unehrlichkeit  vorteilhafter, 
dieser  —  die  Ehrlichkeit.  Sie  verwetten  ihre  ganze  Habe, 
und  der  erste,  der  ihnen  auf  ihrer  Rückfahrt  begegnet,  soll 
entscheiden.  Dieser  erste,  der  ihnen  in  einem  Boot  rudernd 
begegnet,  gehört  zu  (\e\i  Leuten  des  Teufels  und  erklärt,  dass 
die  Unredlichkeit  auf  der  Welt  am  vorteilhaftesten  sei.  Hierauf 
nimmt  der  ältere  Bruder  das  Schitil'  des  Jüngern  in  FJesitz, 
sticht  ilim  die  Augen  aus  und  überlässt  ihn  in  einem  Kahn 
seinem  Schicksal.  Der  Unglückliche  landet  an  einer  Insel, 
wo  ein  Unbekannter  ihm  wuiulerbare  Schneeschuhe  giebt, 
die  ihn  zweimal  zu  einer  (^bielle  bringen,  deren  Wasser  zuerst 
seine  Schmerzen  lindert,  dann  ihm  die  Augen  wieder  giebt. 
Hierauf  schenkt  der  Unbekannte  ilim  die  Schneescliuhe.  die 
jeden  dahin  tragen,  wohin  er  wünscht,  und  sagt  ihm,  er  solle 
die  Nacht  auf  einer  Fichte  zubringen,  wobei  er  wichtige  (ie- 
heimnisse  erfahren  werde.  Der  düngling  tliut  dies,  und  um 
Mitternacht  versammeln  sich  mehrere  Teufel  unter  dem  Baum. 
Aus  ihren  (les[)rächen  erfährt  er,  wie  die  kranke  Knnii;s- 
tocliter  (durch  Tau)  geheilt,  wie  eine  Quelle  für  das  wasser- 
bedürftige K('inigsschloss  entdeckt  uud  wie  die  verscheuchten 
Hirsche  wieder  in  den  kr>niglichen  Park  gebracht  werden 
könneil.  Er  begiebt  sich  zum  König  und  wird  durch  IJe- 
nntzung  dieser  (leheimnisse  sein  Schwiegersohn.  Sein  Bruder 
kommt  l)ald  darauf  mit  ihm  zusammen  und  erlangt  Verzeihung. 
Um  ebenso  sein  (llück  zu  machen,  erbittet  er  sich  v(»m 
Bruder  dessen  Schneeschuhe.  Damit  I)egibt  er  sich  zu  jenem 
Baum,  den  er  besteigt,  ohne  die  Schuhe  anzubehalten.  Die 
um  Mitteriuicht  erscheinenden  Teufel  entdecken  gleicli  die 
Schuhe  uud  dann  ihren  Besitzer,  den  sie  totprügeln. 

Nach  dem  neugriechischen  Märchen  bei  -I.  G.  v.  Hahn, 
Griechische  und  albanesische  Märchen,  Nr.  80,  streiten  zwei 
Brüder,  o!)  das  Beclit  (»der  das  Unrecht  regiere.  Sie  wetten  j 
endlich  um  die  Augen,  uml  der  Erzltischof  soll  entscheiden.  8 
Dieser  erkliirt.  wie  schon  vorher  ein  alter  Mann  und  dann 
ein   Klosterbruder,    denen    sie    begegnen,    dass    das    Unrecht 


284  2i^i'  ^liii'chenforschung. 

regiere.  Somit  hat  der  jüngere  verloren,  und  der  ältere  sticht 
ihm  die  Augen  aus  und  verlässt  ihn.  Nachts  steigt  der  Blinde 
auf  einen  Platanenbaum,  unter  welchem  sich  eine  Menge 
Teufel  versammeln.  Die  jüngsten  Teufel  müssen  dem  alten 
erzählen,  was  sie  den  Tag  über  gethan.  Einer  erzählt,  dass 
er  die  beiden  Brüder  verhetzt,  ein  zweiter,  dass  er  zwei 
andere  Brüder  uneinig  gemacht,  ein  dritter,  dass  er  der 
Königin  das  Kind  im  Leib  verkehrt  gelegt  habe.  Ein  vierter 
hat  nichts  gethan  und  wird  deshalb  von  den  andern  geprügelt. 
Voll  Zorn  wünscht  er,  dass  der  Blinde  seine  Augen  mit  dem 
Wasser  der  Quelle  am  Baum  waschen  möge,  wodurcli  er 
sehend  werde ;  dass  der  Weinstock,  um  den  die  beiden  andern 
Brüder  hadern,  umgeliauen  werde,  und  dass  die  Königin  von 
dem  Quellwasser  trinke,  u]n  gebären  zu  können.  Der  Blinde, 
der  all  dies  gehört  hat,  wird  natürlich  wieder  sehend  und 
vom  König,  dessen  Gemahlin  er  zur  (leburt  verhilft,  reich 
belohnt.  Als  der  ältere  Bruder  später  den  Jüngern  sehend 
und  reich  findet,  fragt  er  ihn,  wie  dies  so  gekommen  sei. 
Dieser  antwortet:  „Ich  habe  dir  immer  gesagt,  dass  das  Recht 
regiere!",  worauf  jener  tot  zu   Boden  stürzt. 

Ein  wendisches  Märclien  bei  L.  Haupt  und  J.  A. 
Schmaler,  Volkslieder  der  Wenden,  Bd.  '2,  S.  181,  erzählt: 
Ein  Försterssohn  trifft  mit  einem  Fremden  im  AVirtshaus  zu- 
sammen. Der  Fremde  behauptet,  dass  sich  für  Geld  das 
grösste  Unrecht  in  Recht  verwandeln  lasse,  der  Jäger  aber 
meint.  Recht  bleibe  immer  Recht.  Sie  wetten,  und  zwar  setzt 
der  Fremde  300  Thaler.  der  Jäger  seinen  Kopf.  Drei  Rechts- 
kundige entscheiden  zu  Gunsten  des  Fremden,  der  dem 
Jäger  zwar  das  Leben  schenkt,  aber  ihn  mit  einem  glühenden 
Eisen  blendet  und  ihm  erklärt:  dann  wolle  er  glauben.  Recht 
bleibe  Recht,  wenn  der  Jäger  wieder  würde  sehen  können. 
Der  Blinde  hört  Nachts  unterm  Galgen  drei  Geister  von 
ihren  Thaten  sich  unterhalten,  und  erfährt  dadurch,  wie  er 
(durch  das  Wasser  der  nahen  Quelle)  sein  Augenlicht  wieder 
erlangen  und  wie  er  einer  Stadt  zu  Wasser  und  einer  kranken 
Prinzessin  zur  Gesundheit  verhelfen  kann.  So  wird  er  wieder 
sehend    und    heiratet    die    geheilte   Prinzessin.     Der   Fremde 


lit.    Aiiiiierkuiiijcn   zu   Widtcr  und   Wulf   Nr.   1.  280 

gellt  iiacli   -hilirestVist  aiR-li   unter  den  (ialgeii.  wird  aber  von 
den  (Jeistern  zerrissen. 

In  einem  deutschen  Märchen  bei  Pröhle.  Märchen  für  9 
die  Jugend,  Nr.  1.  streiten  zwei  Brüder,  ob  Dank  oder  Un- 
dank der  Welt  Lohn  sei,  und  wetten  deshalb  um  ihr  Erbteil. 
Wiederholte  Erfahrung  beweist  ihnen,  dass  Undank  der  Welt 
Eohn  ist,  weshalb  der  ältere  dem  jüngeren  sein  Erbteil  nimmt 
und  die  Augen  aussticht  und  ihn  verlässt.  Nachts  steigt  der 
Blinde  auf  einen  Baum  und  erfährt  aus  den  Gesprächen  eines 
Bären,  Löwen  und  Fuchses,  wie  er  seine  Augen  (durch  Tau) 
wieder  erlangen,  einen  reichen  Mann  heilen  und  den  Brunnen 
im  Königsschloss  wieder  fliessend  machen  kann,  für  welche 
letztere  That  ihm  der  König  die  Krone  abtritt.  Der  Bruder, 
dem  er  später  wieder  begegnet,  verzeiht  uml  alles  erzählt, 
steigt  auf  jenen  Baum  und  wird  von  den  Tieren  zerrissen. 

Dies  sind  die  hierher  gehörigen  Märchen,  die  mit  der 
Wette  beginnen.  Ich  habe  das  serbische  und  finnische 
Märchen  zuerst  angeführt,  weil  sie  am  meisten  mit  dem 
italienischen  übereinstimmen,  insofern  in  allen  dreien  der 
Teufel  den  Wettenden  den  Entscheid  giebt.  Nicht  eine  eigent- 
liche Wette,  aber  doch  etwas  ähnliches  hat  ein  ungarisches 
Märchen  bei  Mailath,  Magyarische  Sagen  und  Märchen,  S.  157 
[=  1-,  171 1.  wonach  zwei  Brüder  ausmachen,  dass  der. 
welcher  zuerst  ein  grösserer  Herr  als  der  andere  werde,  dem 
anderen  die  Augen  ausstechen  darf.  In  der  Folge  wird  der 
jüngere  vom  älteren  geblendet  und  unter  einem  Galgen  ver- 
lassen.- Dort  vernimmt  der  Blinde  aus  dem  Gespräch  dreier 
Raben,  wie  ein  blinder  Prinz  seine  Augen  wieder  erlangen, 
ein  Baum  eines  Königs  wieder  silberue  Birnen  tragen  und 
eine  in  Zauberschlaf  liegende  Prinzessin  erlöst  werden  könne. 
Er  benutzt  diese  Geheimnisse  und  wird  (iemahl  der  Prin- 
zessin. Sein  Bruder  aber,  der  es  ihm  gleich  thun  will,  wird 
unter  dem  Galgen  von  den  drei  Raben  umgebracht.  [Wette: 
dagic  no.  55;  vgl.  Krauss  1,  no.  74.  95,  Finamore  no.  14. 
Pitre  no.  (i5,  G.  Basile  "2,  44a,  Coelho  no.  20,  Rondallayre 
no.  15,  Luzel,  Veillees  p.  2S1,  Luzel,  Legendes  ehret.  2.  111. 
Pio  p.  227  =  Misotakis  S.  185,  Afanasjef  bei  Ralston.  Notesp.  21.] 


28()  '^i'T  MärL'lientorscluing. 

L)ie  übrigen  mir  l)ekaiinteii  ^)  Iiierlier  geliurigeii  Märchen, 
in  denen  von  der  Wette  nichts  vorkommt,  finden  sich  bei  | 
10  Cirimm.  KHM  Nr.  1(»7  der  älteren  Ausgabe,  „Die  Krähen" -), 
Wolf,  Deutsche  Märchen  und  Sagen,  Nr.  4,  p]y,  Harzmärchen- 
buch, S.  18S,  Zingerle,  Kinder-  und  Hausmärchen,  Nr.  20, 
[auch  Nr.  13,  11,  58  und  31i>J,  Molbe(;h.  Lklvalgte  Eventyr, 
Nr.  G,  Grundtvig,  Gamle  danske  Minder,  Bd.  3,  S.  118, 
Asbjörnseu  und  Moe,  Norske  Folkeeventyr,  Nr.  4'.>:  Sahne- 
lainen,  Finnische  Volksmärchen,  Bd.  2,  S.  183,  K.  v.  K(illin- 
ger).  Sagen  und  Märchen  (aus  Irland).  Bd.  "2,  S.  230,  ,1.  M. 
de  Goizueta,  Leyendas  vascougadas,  3.  ed.,  Madrid  1856, 
S.  9,  (ierle,  Volksmärchen  der  Böhmen,  Bd.  1,  S.  347, 
Waldan,  Böhmisches  Märchenbuch,  S.  271,  „Ausland",  1857, 
S.  1028  (rumänisches  Märchen).  [Köhler  zu  Jagic  no.  55, 
Cosquin  no.  7,  Hansen  no.  8,  Sutermeister  no.  43.  17,  Kristen- 
sen  1,  no.  48,  Bondeson  no.  1,  Veckenstedt  1,  1(53,  Rolland, 
Alm.  3.  114,  Cenjuand  1,  no.  94.  95,  Vinson  p.  17,  Schneller 
no.    9 — 11,    Andrews    no.     12.    Imbriani,    Nov.    mil.    no.    10 


')  Unbekannt  sind  mir  die  von  W.  Grrinnn,  Bd.  3,  S.  189  citierten 
deutsflien  Märchen  in  den  Feenniärchen,  Braunschweig  1801,  S.  168, 
lind  in  dem  Büchlein  für  die  Jugend,  S.  252,  und  das,  wie  mir  Professor 
W.  Schott  mitteilt,  von  Salmelainen  2,  171  erwähnte  ehstnische  „Wahr- 
heit und  Lüge''  in  AViron  Satuja  (P]hstlands  Märchen),  8t.  Michael  1849, 
2.  Ausg.,  S.  5. 

')  An  die  Stelle  „der  Krähen"  sind  in  den  letzten  Ausgaben  „die 
beiden  Wanderer"  getreten,  ein  zwar  sehr  schönes  Märchen,  welches 
jedoch  von  dem  ursprünglich  zu  Grunde  liegenden  wenig  erhalten  hat. 
[Kristensen  2,  no.  42.]  ]S'ach  diesem  Märchen  hört  der  Scluieider,  dem 
der  Schuster  die  Augen  ausgestochen  hat.  Nachts  unterm  (jalgen  zwei 
Gehängte  sich  unterhalten,  und  erfährt  dadurch,  dass  der  diese  Nacht 
fallende  Tau  jedem  der  sich  damit  wäscht,  die  Augen  wieder  herstellt. 
So  erlangt  er  sein  Gesicht  wieder  und  wandert  weiter  bis  in  eine  Stadt, 
wo  sein  Kamerad  Hofschuster  geworden  ist  und  er  Hofsclmeider  wird. 
Der  König  giebt  ihm,  da  ihn  der  Schuster  verleumdet,  verschiedene 
schwere  Aufgaben  auf,  die  er  aber  mit  Hilfe  von  dankbaren  Tieren,  die 
er  sich  auf  seiner  Wanderung  zur  Stadt  verpflichtet  hat,  löst,  und  er 
wird  endlich  Schwiegersohn  des  Königs.  Der  Schuster  wird  verbannt, 
und  als  er  unterwegs  unter  jenem  Galgen  schlafen  will,  liacken  ilim 
Krähen  die  Augen  aus.  Sehr  ähnlich  ist  das  ungarische  Märchen  bei 
V.  Gaal,  Märchen  der  Magyaren,  S.  175,  wo  drei  Brüder  ausziehen.    Die 


l!l.    .\iiiiuTl\uiii;en   zu   Widter   und    Wolf  Xr.   1.  '2S7 

(2.  Teil).  Nerucci  iio.  "i."!,  Pitre,  NdV.  tose.  iki.  •J."!.  Miklosidi 
no.  l'i,  Beiträge  4,  H.  Radioff  o,  '.>4'.>.  Hiviere  p.  ;^»5.  —  Aus- 
fiihrlicli  Katoiia,  Ethiiol.  Mitteil,  aus  liigani  '2.  HS.  1.")!). 
Eine  hebräische  Erzälihmg  des  i).  -lalirh.  bei  (Jaster,  Folk- 
Lore  7,  '2'M).] 

Die  Hauptpersdiieu  dieser  Märchen  sind  l)idd  zwei 
Brüder,  bald  zwei  beliebige  Gesellen,  die  zusammen  wandern, 
im  irischeu  zwei  (Jeschwisterkinder.  Nur  in  den  böhmischen 
und  in  dem  (irimmschen  öMärchen  siud  es  nicht  zwei,  sondern 
drei  Gesellen.  Bei  M(dbech  heissen  die  Brüder  bezeich-juend  ii 
(iodtro  und  Utro,  l)ei  Asbjörnsen  Tro  und  Ltro.  Der  eine, 
wenn  es  Biäuler  siud.  luitürlich  immer  der  jüngere,  wird  von 
dem  andern  aus  Bosheit  oder  Missgunst,  im  irischen  aus 
Rache,  der  Augen  beraubt:  nur  im  tiroler  Märchen  bei  Zin- 
gerle,  im  baskischen  und  in  einer  norwegischen  Variante 
fehlt,  wie  ja  auch  im  veuetianisclieii.  die  Blendung.  Die 
Wesen,  deren  Gesi)räclie  belauscht  werden,  sind  drei  Teufel 
(Zingerle)  [Miklosidi  no.  12],  drei  Hexen  (Gerle,  AVahhiu. 
Bing  2.  .■).■>).  ein  ganzer  Hexensabbatli  (Goizueta  [Suter- 
meister.  Schneller,  Kdudallayre,  Imbriani]  ).  drei  Bösewichter 
(Salmelainen).  [zwölf  Herren  (Zingerle  1.  no.  13),  drei  Würmer 
(Zingerle  2.  ;^21).  Krälien  ( Miklosich  Beitr.  Coelho).]  drei 
Raben  ((irimni,  Ey),  Katzen  (Killinger),  wilde  Tiere,  wie 
Löwe,  Bär,  Wolf,  Fuchs  (Wolf,  xMolbech,  Grundtvig,  Asbjörn- 
sen), [Affe,  Bär,  Wolf  (Ceniuand),  Tiger,  Fuchs,  AVolf  (Rad- 
ioff).   I>öwe.    Eber,   W<df  ( Luzid),   Vogel  (Riviere)].     Die    (Je- 


beideu  älteren  stecheu  dem  jüngsten  die  Augen  aus  und  brechen  ilun 
die  Beine.  Naclits  liört  er  zwei  Raben  auf  einem  Hocbgericht  sieh 
unterhalten  veu  der  Heilkraft  des  benachbarten  Teicdies  und  des  diese 
Nacht  fallenden  Taues.  So  heilt  er  sieli  seine  Beine  und  gewinnt  seine 
Augen  wieder  und  zieht  weiter.  Unterwegs  heilt  er  mit  dem  Wasser 
des  Teiches  mehrere  Tiere  und  kommt  dann  zu  einem  König,  wo  er 
seine  Brüder  wieder  findet.  Auf  ihr  Anstiften  stellt  ihm  der  König 
schwierige  Aufgaben,  die  er  mit  Hilfe  der  dankbaren  Tiere  löst.  In 
dem  sonst  ganz  gleichen  ungarischen  Mändien  bei  Stier,  Ungariscdie 
Sagen  und  Märehen  aus  der  Erdelyischen  Sammlung,  Nr.  10,  fehlen  <lie 
Raben.  Der  Geblendete  wird  wieder  sehend,  indem  er  in  einen  Sumpf 
fällt,  dessen   Schlamm    wunderbare  Heilkraft  bat. 


'•2SS  Zur  Märclienforschung. 

lieimiiisse  sind  meii^t  drei,  und  zwar:  AViederherstellung  der 
Augen,  Beseitigung-  des  AVassermangels  in  einer  Stadt, 
Heilung  einer  kranken  Prinzessin  (Grimm.  AVolf.  (irundtvig, 
Waldau,  Gerle).  Im  finnischen  haben  wir  statt  der  Wasser- 
findung  eine  Schatzhebung;  bei  Ey  einen  kranken  König  statt 
der  Prinzessin;  bei  Asbjörnsen  neben  den  drei  (ieheimnisseu 
nocli  zwei  andere;  bei  Molbech  bb)ss  die  Augenheilung  und 
die  Hebung  eines  Schatzes:  im  baskischen,  wie  im  venetia- 
nischen,  bloss  die  Heilung  der  Prinzessin.  Im  irischen  Märchen 
erfährt  der  Blinde,  dass  die  Wallfahrt  zu  einem  gewissen 
Brunnen  alle  Gebrechen  heilt,  und  so  heilt  er  seine  Augen 
und  die  des  Königs.  Bei  Zingerle  kommen  zur  Beseitigung 
des  Wassermangels  noch  zwei  Heilungen  Kranker.  In  dem 
rumänischen  Märchen  besteht  das  Geheimnis  in  einem  Mittel, 
wodurch  der  Blinde  seine  Blindheit  und  zugleich  die  Krank- 
heit einer  Kaiserin  heilen  kann,  und  dieses  sagt  ein  Rabe 
dem  unter  dem  (ialgeu  liegenden  Blinden  freiwillig.  Der 
Schluss  der  Märchen  ist  fast  überall  derselbe:  der  andere 
Bruder  oder  Gefährte  begiebt  sich  au  denselben  Ort,  um 
ebenfalls  Geheimnisse  zu  erlauschen,  wird  aber  dort  umge- 
bracht. In  einem  Märchen  bei  Asbjörnsen  ereilt  den  Utro 
weiter  keine  andere  Strafe,  als  dass  die  Tiere  diesmal  sich 
keine  Geheimnisse  mitteilen,  weil  sie  meinen,  dass  eins  von 
ihnen  das  letzte  Mal  ausgeplaudert  habe.  Die  Märchen  noch 
weiter  in  allen  Einzelheiten  unter  sich  zu  vergleichen,  würde 
hier  zu  weit  führen. 

Wir  haben  bis  jetzt  nur  Gestaltungen  unseres  Märchens, 
wie  sie  in  neuerer  Zeit  aus  dem  Volksmund  aufgezeichnet 
worden  sind,  besprochen;  es  lässt  sich  aber  schon  Jahrhun- 
derte früher  litterarisch  nachweisen.  Auf  die  Erzählung  in 
12  Jü.  Pau-|lis  „Schimpf  und  Ernst"  (Kap.  489  ed.  Oesterley)  ist 
bereits  von  den  Brüdern  Grimm  in  der  Anmerkung  zu  ihrem 
Märchen  Nr.  107  kurz  verwiesen  worden.  Nach  Pauli  streitet 
ein  Herr  mit  seinem  Knecht,  ob  Wahrheit  und  Gerechtigkeit 
oder  Falschheit  und  Untreue  das  Regiment  auf  Erden  haben. 
Sie  wetten,  und  zwar  setzt  der  Herr  hundert  Gulden,  der 
Knecht  seine  Augen.     Ein   Kaufmann,  ein  Abt  und  ein  Edel- 


19.    Anmerkungen   zu  Widter  und    Wolf  Nr.   1.  2S9 

iiiann  entscheiden,  dass  P'alschheit  nnd  Liiredit  regiere,  nnd 
so  verlim't  der  Knecht.  Der  Herr  sticlit  ihm  die  Angen  aus 
und  lässt  ihn  im  Wald.  Nachts  hört  der  Blinde  böse  Geister 
auf  dem  Baum  sieh  unterhalten  und  erfährt,  dass  unter  dem 
Baum  ein  Kraut  wächst,  welches  ihm  seine  Augen  erneuen 
wird.  Kr  findet  das  Kraut  und  wird  wieder  sehend,  und 
heilt  mit  dem  Kraut  auch  die  blinde  Tochter  eines  grossen 
Landsherrn  und  erhält  sie  zur  p]he.  Sein  alter  Herr,  dem 
er  alles  erzählt,  will  auch  das  Kraut  suchen,  wird  aber  von 
den  Teufeln  entdeckt,  und  einer  sticht  ihm  die  Augen  aus.  — 
Ferner  findet  sich  das  Märchen  in  dem  spanischen  Katzeu- 
buch,  dessen  Inhalt  jedem  Leser  des  Jahrbuchs  durch  die 
dankenswerten  Mitteilungen  des  Dr.  Knust  bekannt  ist.  Ich 
kann  mir  eine  Inhaltsangabe  des  betreffenden  28.  Kapitels 
ersparen,  indem  ich  die  Ijcser  auf  Band  6,  S.  18  des  dahr- 
buches  verweise.  Auch  in  dieser  Fassung  halben  wir  die 
AVette,  doch  werden  dabei  nicht  die  Aui;en  aufs  Spiel  gesetzt. 
Freilich  büsst  auch  hier  der  Verlierende  die  Augen  ein,  aber 
nicht  durcii  seinen  (iefährten.  Das  spanische  Märchen  steht 
den  deutschen  und  nordischen  besonders  nahe,  insofern  auch 
in  ihm  die  wilden  Tiere  des  Waldes  es  sind,  die  sich  unter- 
halten und  von  dem  Blinden  geh('»rt  werden.  —  Endlich  ein 
Märchen  der  1001  Nacht  (übersetzt  von  Habicht,  von  der 
Hagen  und  Schall,  Bd.  11.  S.  198),  auf  welches  Moe  in  den 
Anmerkungen  zu  Nr.  49  aufmerksam  gemacht  hat.  Hiernach 
lässt  sich  Abu-Nyut  auf  einer  Reise  in  einen  tiefen  Brunnen 
hinab,  um  Wasserschläuche  zu  füllen:  sein  Gefährte  Abu- 
Nyutyn  zerschneidet  die  Stricke  und  überlässt  ihn  im  Brunnen 
seinem  Schicksal.  Abu-Nyut  hört  des  Nachts  zwei  böse 
Geister,  die  auf  dem  Brunnenrand  sitzen,  sich  unterhalten, 
und  erfährt  so,  wie  eine  kranke  Prinzessin  geheilt  und  ein 
grosser  Schatz  gehoben  werden  kann.  Am  Morgen  von  Vor- 
beireiseuden  aus  dem  Brunnen  herausgezogen,  macht  er  sich 
diese  (ieheimnisse  zu  Nutze  und  wird  Gemahl  der  Prinzessin. 
Nach  einiger  Zeit  trift't  er  seinen  Gefährten  j  Abu-Nyutyn  als  13 
Bettler,  wie  in  den  meisten  oben  besprochenen  Märchen  der 
l)öse  Bruder  oder  Gefährte  zuletzt  erscheint.     Er  verzeiht  ihm 

R.Köhler,    Kl.  Schriften.    I.  19 


^>!)()  Zur   ^lärclieiifdi'scluuig. 

imd  erzählt  ihm  alles,  worauf  jener  sofort  sieh  zu  dem 
Brunnen  begiebt  und  hineinsteigt.  Nachts  kommen  die 
Geister,  beklagen  sicli,  dass  ihre  Geheimnisse  entdeckt  sind,  und 
schütten  den  Brunnen,  als  die  Ursache  dieser  Entdeckung,  zu. 
Schliesslich  muss  ich  noch  erwähnen,  dass  Benfey,  Pan- 
tschatantra,  Bd.  1,  S.  370,  von  dem  Grimmschen  Märchen 
Nr.  107  sagt:  „Ich  will  schon  jetzt  bemerken,  dass  dieses 
Märclien  buddhistisch  und  wahrscheinlich  durch  die  Mongolen 
na("h  p]uropa  gelangt  ist:  seine  letzt  erreichbare  Urform  bietet 
der  Dsanglun,  Kap.  33."  [Schiefner,  Ind.  Erz.  no.  16,  Steel 
and  Teniple  no.  41,  Ralston,  Tib.  T.  Notes  p.  17.]  Ohne  Benfeys 
Erörterungen  vorgreifen  zu  wollen,  kann  icli  doch  nicht  um- 
hin zu  bemerken,  dass  ich  in  der  tibetischen  P^rzähhmg  weiter 
keine  Aehnlichkeit  mit  dem  besprochenen  Märchen  finde,  als 
dass  der  Prinz  Gedon  von  seinem  bösen  Bruder  Digdon 
unterwegs  geblendet,  beraubt  und  verlassen  wird.  Die  Art, 
wie  Gethiu  nachher  sein  Augenlicht  wieder  gewinnt,  und  der 
ganze  weitere  Verhiuf  der  Erzälilung  haben  nichts  mit  unserm 
Märchen  gemein. 

ti.    Massafadiga. 
16  Eine  der  vielen  Varianten  des  Märchens  von  der  Ueber- 

listung  eines  Riesen  durch  einen  Menschen,  der  dem 
Riesen  übermenschliche  Stärke  vorspiegelt,  über  welches 
Märchen  ich  in  diesem  dahrbiich  5,  7  [dben  S.  S5]  und  in 
Benfeys  Orient  und  Occident,  2,  t)<s3  [oben  S.  262]  zu  Campbell 
no.  45,  Nachweise  gegeben  liabe.  Dass  der  Mensch  dem 
Riesen  gleich  den  ganzen  Brunnen  bringen  will,  findet  sich 
bei  Grimm,  KHM  Nr.  183;  Haltrich,  Siebenbürgische  Volks- 
märchen. Nr.  27:  Hahn,  Griechische  und  albanesische  Märchen, 
Nr.  23.  und  iu  dem  Märchen  aus  der  Bukowina  in  Wolfs 
Zeitschr.  f.  (hnitsclie  Mythologie,  Bd.  2,  S.  203.  —  Dass  der 
Mensch  sich  angeblich  die  Eingeweide  ausschneidet,  um 
besser  laufen  zu  können,  scheint  eine  Entstellung  zu  sein ; 
in  den  meisten  hierher  gehörigen  Märchen  (s.  Jahrb.  a.  a.  0.) 
wetten  Riese  und  Mensch,  wer  am  meisten  essen  kann,  und 
der  Mensch  schneidet  sich  scheinbar  den  Leib  auf,  um  mehr 
essen    zu    können,    was    der    einfältige   Riese    dann    wirklich 


19.    Ainiicrkuiii;en   zu  AVidtcM-  iiud   Wolf  Xr.   1—8.  -291 

luu-liinaclit.  [/iiigerle.  "i.  111,  Stnickerjaii  1,  40!),  Webster 
p.  19,  Vinson  p.  51,  Cer(iu;ni<l  iio.  (!().]  —  [Zu  der  Frage 
der  Riesin:  ,Soll  ich  sie  ihm  geben?'  wobei  sie  die  Schlüssel 
zum  Gelde  meint,  die  der  listige  Knecht  verlangt,  während 
ihr  Mann  an  die  Hacke  denkt,  nach  der  er  den  Knecht  ge- 
schickt hat,  vgl.  Cuscpiin  2,  53  Anm.  Melusine  1.  471  [=  oben 
S.  15()|,  Luzel.  5.  ra[)p(»rt  p.  31,  Cerquand  3,  42,  Webster 
p.  10,  Vinson  p.  52,  Imbriani,  Nov.  hör.  p.  579,  Coronedi- 
Berti  no.  18  =  Giorn.  na})ol.  della  domeuica  1(S82,  no.  18, 
Propugnatore  9,  "2,  254,  Ortoli  p.  212,  Ikotofetsy  cap.  8 
(Archiv,  f.  Littgesch.  10,  113).  Die  Geschichte  vom  fünf- 
jährigen Knaben  hi  1001  Nacht  15,  168:  Syntipas  p.  155 
Sengelmann  =  Cassel,  Mischle  Siudbad  1888  p.  395,  Baethgen, 
Sindban  S.  37,  Libro  de  los  enganos  c.  24.  —  Eine  ähn- 
liche zweideutige  Frage  ,Toutes  les  deux'  (embrasser)  stellt 
der  Knecht  bei  Luzel  3,  226;  Sebillot,  Revue  des  trad.  pop.  9,  340 
no.  4*9,   Kryptadia  1,   107.    127,  Montanus,  Gartenges.  no.  73.] 

3.    Der  (ievatter  Tod. 

Vgl.  (irimm,  KHM  Nr.  44  und  die  Anmerkungen  (hizu.  u) 
Den  von  W.  Grimm  gegebenen  Nachweisen  füge  ich  noch 
hinzu  das  Märclien  i)ei  Schönwerth,  Aus  der  Gberpfalz,  Bd.  3. 
S.  12,  das  aus  der  Bukowina  in  Wolfs  Zeitschrift  für  deutsche 
Mythologie,  Bd.  1,  S.  358,  und  das  ungarische  bei  Stier,  Un- 
garische Volksmärchen  aus  (iaals  Nacblass,  Nr.  4,  beide 
letztere  mit  eigentümlichen  Ausgängen,  in  einem  slavischen 
Märchen  in  Wolfs  Zeitschrift,  Bd.  1,  S.  262,  ist  der  Tod  als 
Gevatterin  gedacht.  Nur  zum  Teil  hierher  gehörig  sind  die 
Märchen  bei  Vernaleken,  Oesterreichische  Kinder-  und  Haus- 
märchen, Nr.  42,  und  (irundtvig,  Gamle  danske  Minder,  Bd.  2. 
S.  13.  In  dem  spanischen  Märchen  von  Juan  Holgado  und 
dem  Tod  (F.  Caballero,  Cuentos  y  poesias  populäres  andaluces, 
Leipzig  1861,  S.  83;  F.  W^olf,  Beiträge  zur  spanischen  Volks- 
poesie aus  den  Werken  F.  Gaballeros,  S.  70)  ist  das  Märchen 
vom  Gevatter  Tod  mit  dem  von  den  Boten  des  Todes  (Grimm, 
KHM  Nr.  177)  verschmolzen,  und  dabei  sind  die  Gevatterschaft 
des   Todes   und   die    Lebenslichter   weggefallen.      Man   vergl. 

19* 


292  ^iii'  ^liii'L'heiitVn^cluuig. 

auch  noch  über  das  Märcheu  vom  Ge\atter  Tod:  (jrimm,  D. 
Mythologie,  S.  sl-J  ff.,  uud  Benfey.  Pantsehatantra,  Bd.  1, 
S.  525.  [(ionzeubach  iio.  li>,  Zs.  d.  V.  für  Volk.sk.  6,  67, 
Bolte.  Zs.  f.  vgl.   Littgesch.   11.  r,().] 

•i.    Die  drei  Bäumchen  oder  die  drei  befreiten 
Jungfrauen. 

24  Hiermit    sind    zunächst    zu   vergleichen    ein    ungarisches 

Märchen  bei  Gaal,  Märchen  der  Magyaren.  S.  77,  ein  slavo- 
nisches  bei  Vogl,  Volksmärchen,  S.  77.  und  ein  neugriechisches 
bei  V.  Hahn,  Nr.  70.  Alle  diese  haben  das  gemeinsame,  dass 
der  jüngste  von  drei  Konigssöhnen  von  seinen  Brüdern  an 
einem  Seil  in  einen  Brunnen  oder  eine  Höhle  hinabgelassen 
wird,  wo  er  drei  schöne  Prinzessinnen  erlöst.  Die  beiden 
Brüder  ziehen  dann  die  Prinzessinnen  herauf,  lassen  aber 
den  Bruder  in  der  Tiefe.  Aber  ein  Vogel  (Adler  bei  v.  Hahn, 
Greif  bei  Gaal.  Vogel  P^inja  bei  Vooi)  trägt  ihn  empor;  die 
Treulosigkeit  der  Brüder  kommt  an  <leu  Tag.  und  der  jüngste 
Prinz  heiratet  die  jüngste  und  schönste  Prinzessin.  Das  un- 
garische Märchen  beginnt  damit,  dass  allnächtlicli  von  der 
Speckfestung  eines  Königs  ganze  Teile  verschwinden.  Die 
beiden  ältesten  Söhne  wachen  einzeln  in  zwei  aufeinander 
folgenden  Nächten,  fliehen  aber,  als  sie  einen  Drachen  kommen 
sehen;  der  jüngste  aber  verfolgt  den  Drachen  und  sieht,  wie 
er  in  einer  Höhle  verschwindet.  Das  griecliische  Märchen 
beginnt  in  ähnlicher  Weise  damit,  dass  allnächtlich  von  dem 
goldenen  Apfelbaum  eines  Königs  Aepfel  verschwinden.  Die 
beiden  ältesten  Söhne  wachen  einzeln  in  zwei  Nächten;  als 
aber  eine  schwarze  Wolke  sich  auf  den  Baum  herabsenkt 
und  daraus  eine  Hand  nach  den  Aepfeln  greift,  flielien  sie: 
der  jüngste  aber,  der  in  der  dritten  Nacht  wacht,  schiesst 
in  die  AVolke  und  entdeckt,  einer  Blutspur  folgend,  einen 
tiefen  Brunnen.  Der  Anfang  des  slavonischen  Märchens  ist 
von  diesen  beiden  genannten  und  dem  venetianischen 
Märchen  durchaus  abweichend.  —  In  dem  polnischen  Märchen 
bei  Woycicki,  Polnische  Volkssagen  und  Märchen,  deutsch 
von  Lewestam,    S.   111),    sind  die   drei  Brüder  keine  Prinzen, 


19.    Aiimerkungoii   zu  Widter  und  AVolf  Nr.  4.  29H 

sondern  Baueriisühne.  Sie  laiieru  einem  Falken,  der  Nachts 
die  Fenster  der  Dorfkirche  einstösst,  auf.  Die  beiden  ältesten 
schlafen  aber  dabei  ein,  erst  der  jüngste  bleibt  wach,  ver- 
wundet den  Falken  und  sieht  ihn  in  einem  Abgrund  ver- 
schwinden. Im  weitern  Verlauf  ist  an  die  Stelle  des  dank- 
karen  Vogels,  der  den  Helden  ans  der  H(ihle  empor  trägt, 
ein  Zauberer  getreten.  —  Ferner  gehören  mehrere  deutsche 
Märchen  hierher:  Grimm,  Nr.  91;  Wolf,  Deutsche  Märchen 
und  Sagen,  Nr.  21,  Sommer,  Sagen,  Märchen  und  Gebräuche 
aus  Sachsen  und  Thüringen,  Märchen  Nr.  (5,  Colshorn,  Deutsche 
Märchen.  Nr.  4S  (vgl.  au(;h  Nr.  1),  Curtze,  Volksjüberliefe-  25 
rungen  aus  AValdeck,  S.  188.  [Zingerle  "2,  403.]  In  ihnen 
sind  die  Helden  meistens  drei  Soldaten,  bei  (Jrimm  Jäger- 
burs(;heii.  Die  Märchen  beginnen  immer  damit,  dass  die  drei 
Gefährten  mit  einem  Erdmännchen  oder  Zwerg  zusammen- 
treffen, welcher  zwei  von  ihnen  durchprügelt,  vom  dritten 
aber  bezwungen  wird.  Daran  knüpft  sich  dann  die  Ent- 
deckung des  Loches,  in  welches  der  eine  hinabgelassen 
wird  u.  s.  w.^).  Bei  Wolf  und  Curtze  wird  er  später  von 
einem  Vogel  wieder  emporgetragen,  in  den  übrigen  von  den 
Zwergen.  [Bei  Zingerle  verwandelt  sich  der  Zwerg  in  einen 
Adler.]  —  In  dem  Märchen  bei  Vernaleken,  Kindermärchen 
aus  Oesterreich,  Nr.  54.  wo  ein  Soldat  und  zwei  Schneider 
die  Helden  sind,  fehlt  das  Erdmännchen.  Auch  hier  trägt 
ein  Adler  den  Soldaten  wieder  empor.  —  Eine  besondere 
Gruppe  hierher  gehöriger  Märchen  bilden  die  Märchen  bei 
Grimm,  KHM  Nr.  1(56.  Mülleiilioff,  Nr.  16,  Haltrich,  Nr.  17, 
Birlinger,  Volkstümliches  aus  Schwaben,  Bd.  1,  S.  350, 
(irundtvig,  Gamle  danske  Minder,  Bd.  1,  S.  33,  L.  Haupt 
und  Schmaler,  Volkslieder  der  Wenden,  Bd.  2,  S.  1(j9  (auch 
in  K.  Haupts  Sagenbuch  der  Lausitz,  Bd.  2,  S.  212),  Waldau, 
Böhmisches  Märchenbuch,  S.  346,  und  Schleicher,  Litauische 
Märchen,  S.  12S.     [Unten  zu  Schiefner,  Awar.  T.  no.  2.]     In 


^)  Das  Lausitzer  Märclieu  in  Haupts  Zeitschr.,  Bd.  2,  S.  358, 
und  in  K.  Haupts  Sagenbuch  der  Lausitz,  Bd.  2,  S.  202,  und  das  sla- 
vonisehe  vum  kleinen  Kerza  bei  Vogl,  S.  187,  gehören  nur  teilweise 
hierher. 


'294  Zur  Märchenfurseliung. 

den  meisteu  heisst  der  Held  Hans,  im  bülimisclieii  Mikes,  im 
litauischeu  Martin,  im  wendischen  ist  er  namenlos.  Er  ist 
von  ausserordentlicher  Stärke  ^),  die  er  nach  den  meisten 
Märchen  durch  langjähriges  Trinken  der  Mutterbrust  erlangt 
hat,  und  führt  einen  schweren  eisernen  Stab  oder  eine  mäch- 
tige Keule.  Seine  treulosen  (iefährteu  sind  im  schweizerischen 
Märchen  (Grimm)  der  Taunendreher  und  der  Felseuklipper, 
im  siebenbiirgischen  der  Baumdreher  uud  der  Steinzerreiber, 
im  schleswigschen  der  Steiuspalter,  der  Bretsäger  und  der 
Holzspalter,  im  dänischen  der  Steinhacker  uud  der  Holzhacker, 
im  wendischen  einer,  der  Bäume  zerbricht,  und  einer,  der 
Bäume  mit  den  Wipfeln  zusammeubindet  und  auf  einmal 
umreisst,  im  schwäbischen  ein  Schuster  und  eiu  Sclineider, 
im  bühmisclien  ein  Müller  uud  ein  Tischler,  im  litauischen 
26  ein  Schmied  uud  ein  Schneider.  !  Auch  in  diesen  schliesst 
sich  die  Entdeckung  des  Loches  u.  s.  w.  ^)  an  das  Abenteuer 
mit  dem  Zwerg,  an  dessen  Stelle  im  schwäbischen  uud  däni- 
sclien  eine  Hexe  erscheint.  Im  schleswigschen  und  sieben- 
bürgischen  wird  Hans  von  einem  Vogel,  im  litauischen  wird 
Martin  von  einem  Drachen  wieder  emporgetragen.  —  Endlich 
geh(»rt  noch  eiu  finnisches  Märchen  bei  Bertram,  Jenseits  der 
Scheeren.  oder:  Der  (ieist  Finnlands,  Leipzig  1S54.  S.  1, 
hierher.  In  diesem  hat  der  Stallknecht  Gyli)ho  beim  Holz- 
fällen im  Wähle  den  Waldgeist  Pellerwoinen  dadurch  ge- 
fangen, dass  er  seine  Hände  in  einen  Spalt  des  Baumes  ge- 
klemmt hat  '^).  Als  der  Geist  ihm  zu  sagen  verspricht,  wo 
die  drei  verschwundenen  Königstöchter  hingeraten  sind,  lässt 
er  ihn  los,  und  l*ellerwoinen  zeigt  ihm  nun  ein  tiefes  Felsen- 


')  In  dem  oben  besprochenen  griecliisi  lien  3Ii'un'hen  wird  von  dem 
Helden  mehrmals  gesagt,  seine  Stärke  sei  ihm  angekommen  und  davon 
habe  der  Erdboden  gezittert. 

-)  Auch  das  walachische  Märchen  bei  Scdiott,  Xr.  10,  erzählt,  wie 
Petru  Firitscheil  mit  dem  HolzkrinnmTuaclier  und  dem  Btoinreiber  aus- 
zieht, wie  sie  mit  dem  Zwerg  zusammentreffen  und  in  der  P'olge  eine 
tiefe  Höhle  entdecdcen,  aber  der  weitere  Verlauf  ist  dann  ein  ganz  be- 
sonderer.    I^Miklosicli   no.  2.J 

^)  I'ellerw.  inen  ents])richt  in  dem  finnischen  Märchen  in  nianclior 
l!iu>i(  lit  de'"  Zwerg  oder  Erdmännlein   der  verwandten  Märchen.     Wie 


]ii.    Aniiierkuiii^fu   zu   Wiiltrr  und  AVult'  Nr.  4.  21)5 

loch,  lilsst  ihn  au  Seilen  hinab  uiul  steigt  selbst  nach.  Unteu 
weiden  die  <lrei  Prinzessinneu  befreit  und  von  Pellerwoinen 
empoi'gezoiien.  Es  waren  alter  drei  sog.  weisse  Männer  dem 
Gylpho  heimlich  nachgeschlichen.  Als  mm  die  Priuzessiuuen 
oben  waren  und  Pellerwoinen  eben  auch  den  Gylpho  empor- 
ziehen will,  stürzen  sie  hinzu,  schneiden  das  Seil  entzwei, 
verjagen  Pellerwoinen  und  bemächtigen  sich  der  Prinzessinnen. 
Gylpho  aber  ruft  durch  seine  Flöte  ^)  Pellerwoinen  herbei, 
der  einen  Raben  bringt,  von  welchem  Gylpho  em])orgetrageu 
wird.  Gylpho  wird  als  der  wahre  Befreier  der  Prinzessinnen 
anerkannt  und  heiratet  die  jüngste.  —  Dies  sind  die  mir 
bekannten  Märchen  von  dem  düngling,  der  drei  Königstiichter 
aus  unterirdischer  Haft  befreit,  selbst  aber  von  den  treulosen 
Brüdern  oder  Gefährten  unter  der  Erde  gelassen  wird,  doch 
bald  wieder  empor  gelangt  und  die  Verräter  entlarvt.  Die 
Märchen  in  allen  Einzelheiten,  namentlich  auf  \  welche  Weise  27 
die  Königstöchter  befreit  werden,  der  Befreier  selbst  wieder 
auf  die  Oberwelt  gebracht  und  endlich  wieder  erkannt  wird, 
untereinander  zu  vergleichen,  würde  hier  zu  weit  führen. 
Nur  einen  unser  venetianisches  Märchen  besonders  berühren- 
den Punkt  will  ich  noch  besprechen.  In  unserm  Märchen 
geht  der  Held  eine  Zeit  lang  als  Geselle  zu  einem  Gold- 
schmied, ohne  dass  es  für  den  weitern  Verlauf  von  Wichtig- 
keit erscheint,  dass  er  gerade  ein  Goldschmied  wird.  Es  ist 
hier  aber,  wie  aus  andern  Märchen  hervorgeht,  eine  Ent- 
stellung anzunehmen.  Im  finnischen  Märchen  wird  Gylpho 
auch  Goldschmiedegesell,  und  als  die  Königstöchter  solche 
Kronen  verlangen,  wie  sie  in  der  Felsenhöhle  getragen,  schafft 
er  sie  mit  Hülfe  des  Waldgeistes.  Im  ungarischen  Märchen 
arbeitet    der   Held    erst    beim   Hofschneider,    dann    beim   llof- 


seine  Hände,  t-o  wird  bei  C.'ulslu)ru,  Nr.  1,  Curtze  S.  13!»,  Vugl,  8.  214, 
und  Schleicher,  S.  133,  der  Bart  des  Zwergs  in  einen  Holzspalt  ge- 
klemmt. [Miklosich  Nr.  2,  vgl.  Cosquin  Nr.  2,  Schleicher  S.  143,  Grimm 
Nr.  8,  De  Nino  no.  93.     Vgl.  Köhler,  Aufsätze  S.   111.] 

M  Auch  bei  Sommer,  Nr.  li.  wird  der  Zwerg  durch  eine  Pfeife 
herbeigerufen,  ebenso  bei  Urimm,  Nr.  91,  die  Erdmännehen.  Ygl. 
auch  MüUenhofl,  S.  440,  Anmerk. 


296  Zur  Märchenforschung. 

scliuster,  eiKllicIi  beim  Hofgoldsclimied,  imd  schaft"t  mit  Hülfe 
eines  Zauberapfels  ein  Kleid,  ein  paar  Schuhe  und  einen 
Ring,  wie  die  jüngste  Prinzessin  in  der  Goldburg  getragen 
hatte  und  jetzt  verlangt.  Im  schleswigsehen  und  dänischen 
Märchen  wird  Hans  ebenfalls  Goldschmied,  und  da  er  von 
den  Prinzessinnen  Kleinode  geschenkt  bekommen  hat,  ist  es 
ihm  möglich,  als  jene  solche  verlangen,  sie  zu  liefern.  Im 
griechischen  endlich  wird  der  Held  zwar  kein  Goldschmied, 
aber  Schneidergesell,  und  als  die  jüngste  Prinzessin  wunder- 
bare Kleider  verlangt,  öffnet  er  eine  Mandel,  eine  Nuss  und 
eine  Haselnuss,  die  ihm  die  Prinzessin  im  Felsen  geschenkt 
hatte,  und  zieht  daraus  die  Kleider  hervor.  Auch  in  einem 
gälischen  Märchen  (bei  Campbell,  Populär  tales  of  the  West 
Highlands,  Nr.  Ki),  welches  sich  mit  den  hier  besprochenen 
überhaupt  vielfach  berührt  und  über  welches  ich  in  Benfeys 
Orient  und  Occident  "2,  296  [oben  S.  191]  gehandelt  habe,  finden 
wir  den  Befreier  der  drei  Töchter  des  Königs  von  Lochiin 
(aus  denselben  Motiven)  eine  Zeit  lang  als  Knecht  bei  einem 
Schmied  und  er  schafft  die  von  den  Prinzessinnen  gewünschten 
Kronen.  Man  vergl.  auch  Campbell,  Nr.  5<S  (S.  17).  So 
wird  jedenfalls  auch  im  venetianischen  Märchen  ursprünglich 
der  Held  in  seiner  Verkleidung  als  Goldschmiedsgesell  Kronen 
oder  andere  Kleinode,  welche  die  Prinzessinnen  verlangen, 
durch  Hilfe  seines  wunderbaren  Ringes  (ein  solcher  kommt 
auch  in  dem  (Jriinmschen  Märchen,  Nr.  1()6.  vor)  herbeige- 
schaft't  hal)en.  Den  Turnieren  des  italienischen  Märchens  ent- 
sprechen die  Ritterspiele  im  griechischen.  [Vgl.  Köhler  im 
Jb.  8,  246  =  unten  ;i26;  ferner  Gonzenbach  no.  5S  und  Zs.  d.  V. 
f.  Volksk.  6,   163.  Schiefner,  Awar.  T.  no.  2.  Jagic  no.  42.]  1 

5.    Der  Herrgott,  St.  Peter  und  der  Sclinüed. 

2!»  hl    den  Schwänken    von    Hans    Folz,    „Von   wannen    die 

Affen  kommen"  (in  Haupts  Zeitschrift,  Bd.  S,  S.  537)  und 
von  Hans  Sachs,  „Ursprung  der  Aft'en"  (Gedichte,  Buch  4, 
Teil  3,  S.  69  d  der  Nürnberger  Ausgabe  von  1578, 
[=  Schwanke  ed.  Goetze  no.  290]  in  Prosa  umgesetzt  in  den 
Grimmschen   Märchen,   Nr.    147)   kommt  nichts   von  grossem 


19.    Anmerkungen   zu   Widter  und  W(dt'  Nr.  4 — 5.  -J!)? 

Huclimut  des  Schmieds  vor.  Clu-istus  verjüngt  nicht  den 
heil.  Petrus,  sondern  einen  alten  Bettler.  Der  Schmied  will 
es  ihm  nachmachen  und  steckt  seine  alte  Schwieger  ins 
Feuer;  als  sie  aber  gar  zu  sehr  schreit,  nimmt  er  sie  wieder 
heraus  und  steckt  sie  in  den  Löschtrog.  Als  die  Frau  des 
Schmieds  und  ihre  Schnur,  die  beide  hoch  schwanger  sind. 
die  Missgestalt  der  verbrannten  Alten  sehen,  entsetzen  sie 
sich  so,  dass  die  Kinder,  die  sie  zur  Welt  bringen,  Affen 
sind.  Von  ihnen  kommen  die  Affen  her.  —  In  dem  Märchen 
aus  der  Oberpfalz  (Panzer,  Bayerische  Sagen  und  Bräuche, 
Bd.  "2,  S.  IS)  ist  der  Schmied,  wie  in  dem  italienischen,  sehr 
hochmütig.  Auf  seiner  Schmiede  steht  geschrieben:  Meister 
über  alle  Meister.  Christus  verjüngt  die  Mutter  |  des  S(;hmieds.  3o 
Der  Schmied  versucht  dasselbe  an  einer  alten  Nachbarin  und 
ruft,  als  er  sie  ganz  verbrannt  und  dann  auf  dem  Ambos 
zerhauen  hat,  den  Herrn  Christus  zurück.  Christus  und 
Petrus  legen  die  Trümmer  zusammen,  bringen  sie  ins  Feuer, 
dann  auf  den  Ambos  u.  s.  w.  Zuletzt  wird  ein  Affe  daraus. 
„Anderes",  sprach  der  Herr,  „kann  man  nimmer  heraus- 
bringen". —  In  dem  waldeckischen  Märchen  bei  Curtze. 
Volksüberlieferungen  aus  Waldeck,  S.  Sr)  ff.,  ist  es  ein 
Schmiedegesell,  der  den  Pferden  die  Beine  abschneiden  und 
neue  ansetzen  und  alte  Weiber  wieder  jung  schmieden  kann. 
Als  er  zu  einem  Meister  in  Bamberg,  der  sich  „Meister  über 
alle  Meister"  titulieren  lässt.  kommt,  will  dieser  es  ihm  gleich 
machen  und  versucht  seine  alte  Frau  jung  zu  schmieden,  al)er 
es  gelingt  ihm  nicht,  und  auch  der  Cesell  bringt  endlich  nur 
einen  Affen  heraus.  (Im  waldeckischen  Märchen  ist  dies 
alles  einem  sonst  garnicht  hierher  gehörigen  Märchen  einver- 
leibt). —  In  dem  norwegischen  Märchen  bei  Asbjörnsen, 
Nr.  21,  kommen  Christus  und  St.  Peter  auch  zu  einer 
Schmiede,  mit  der  lns(dn-ift:  Hier  wohnt  der  Meister  über 
alle  Meister.  Christus  nimmt  einem  Pferde,  welches  beschlagen 
werden  soll,  die  Beine  ab,  beschlägt  sie  und  setzt  sie  dann 
wieder  an  ^).    Dann  schmiedet  er  die  alte  Mutter  des  Schmieds 

')  Dasselbe  that  Christus,    um    den  Hufschmied  Sanot  Eligius,  der 
autli  über  seine    Thür   geschrieben   hatte:    „Elig,    ein  Meister    über  alle 


•Ji)S  Zur   Märchenforscliung'. 

wieder  jimg.  Der  Schmied  sucht  ihm  beides  uachzumacheu, 
aber  mit  schlechtem  Erfolg.  Weiter  verläuft  dann  das  nor- 
wegische Märchen  in  das  Märchen  vom  Schmied  und  dem 
Teufel  oder  dem  Tod.  über  welches  man  Grimm  zu  Nr.  <S2 
vergleiche.  —  [^^gl-  Pitre  no.  123  ^  Crane  p.  18(),  Melusine 
5,  9S.  Bolte,  Archiv  f.  slav.  Phil.  18,  134,  Polivka  ebd.  19, 
254  no.  65,  La  Tradition  3,  250,  Gittee  p,  76,  Gredt  no.  S54, 
1,  U.  Jahn  1,  no.  4(S,  Knoop  S,  203,  Hörmann,  Zs.  des  Fer- 
dinandeums  1870,  226.  For  Ide  og  Virkelighed  1870,  1,  364, 
Schreck  no.  18,  Halstou  }).  157,  Waldau,  Slav.  Blätter  1.  241 
(1865).] 

0.    Die  vier  kuustreiclieu  IJrüder. 

32  Man    vergl.    Benfeys    Aufsatz,     „das    Märchen    von    den 

Menschen  mit  den  wunderbaren  Eigenschaften,  seine  Quelle 
und  seine  Verbreitung'-',  im  „Ausland"  1858,  Nr.  41  ff. 
,[=Benfey.  Kleinere  Schriften  3.  94,  Gonzenbach  no.  45,  Zs. 
(1.  V.  f.  Volksk.  6,  77,  Kreutzwahl  no.  3,  unten  zu  Jagic 
no.  46j.  Unser  Märchen  stimmt  am  nächsten  mit  dem 
deutschen  bei  Grimm,  KHM  Nr.  129,  und  dem  von  Benfey 
noch  nicht  gekannten  dänischen  bei  (Jrundtvig,  Gamle  danske 
Minder,    Bd.  2,    S.  27.     Dem    „Mago"    des    italienischen  ent- 

H3  spricht  der  „Sterngncker"  |  des  deutschen  und  der  „Denker" 
des  dänischen  ^) :  dem  Tisc^hler  des  italieniscdien  der  Schneider 
des  deutschen  und  der  Zimmermann  des  dänischen,  der  alles 
ausbessern  kann  und  „Mester  Flik-Flikker"  genannt  wird. 
Der  Schütze  und  der  Dieb  kommen  in  allen  drei  Märchen 
vor.  Ebenso  die  Erprobung  der  zurü(^kgekehrten  Brüder 
durch  den  Vater  an  dem  Vogelnest;  doch  ist  hier  das 
italienische   Märchen    uuvollstäudiü;,    da    der    Zauberer    nicht 


Meister",  zu  bcscliäiuen,  in  Wolfs  Deutschen  Märchen  und  Sagen  Nr.  17. 
Desgleielien  kommt  es  in  einem  Märelien  bei  Schönwerth,  Aus  der  01)cr- 
pfalz,  Bd.  3,  8.  77,  und  in  einem  walaeliisehen  im  „Aushmd",  1S.'>7 
S.    1U7J,   vor.      [Oben    S.    i:iL>   zu   Binde   18SH   2,    151.] 

')  In  einer  Vaiiante  des  deutschen  Märchens  in  Wolfs  Zeitschrift 
für  deutsche  Mytludogie,  Bd.  1,  S.  :{;58,  wird  der  eine  Bruder  nicht 
Sterngucker,  sondern  „Allwisser",  der  andere  niclit  Schneider,  sondei'n 
„Küfer". 


11).     Aiiiuerluiiinen   zu   Widter   und    Wolf  Xr.   (>.  -Xjy 

erprobt  wird.  Er  iiiü.sste  entweder,  wie  im  däui.sclieu  der 
Denker,  angeben,  anf  welchem  Banm  ein  Vogelnest  sei,  oder, 
wie  im  deutschen  der  Sterngucker,  wie  viel  Eier  darin  seien. 
Darin,  dass  der  Tischler,  der  das  zertrümmerte  Boot  wieder 
geflickt  hat,  als  Sieger  erkannt  wird,  stimmt  das  italienische 
mit  dem  dänischen,  wo  ebenfalls  der  Zimmermann  siegt. 
Insofern  das  italieuisclie  Märchen  damit  beginnt,  dass  die  vier 
Brüder  ein  und  dasselbe  .Mädchen  zu  heiraten  wünschen  und 
der  Vater  das  .Alädchen  dem  verspricht,  der  das  beste 
Meisterstück  in  seiner  Kunst  ablegt,  nähert  es  sich  mehr  als 
die  andern  abendländischen  Formen  den  von  Benfey  nach- 
gewiesenen orientalischen  Formen  des  Vetälapantschavincati 
und  des  Tutiuamcli.  —  Ich  will  bei  dieser  (ielegenheit  nicht 
unterlassen,  eine  merkwürdige,  bisher  unbekannte  Behandlung 
des  Märchens  von  den  kunstreichen  Brüdern  und  ihren  Streit 
um  die  gerettete  Jungfrau  mitzuteilen.  Sie  findet  sich  in  dem 
jüdisch-deutschen  „Maase-Buch'',  über  welclies  M.  Stein- 
schneider im  „Serapeum"  1804:,  S.  (JT  tf.  und  isfji;.  S.  1  ff.. 
berichtet  hat.  jedoch  nicht  in  der  ältesten  Ausgabe  von  l(i()2, 
sondern  in  einer  wahrscheiidicli  dem  vorigen  Jahrhundert 
angehörigen.  vielleicht  aber  auch  in  frühern  Ausgaben.  Aus 
einei-  kurzen  Notiz  Steinschneiders  ( Serapeum-  iSlii;.  S.  10) 
erkannte  ich  das  Märchen  und  bat  ihn  um  nähere  Auskunft, 
worauf  er  die  Güte  hatte,  mir  eine  vollständige  Abschrift  oder 
vielmehr  Umschrift^)  des  jüdisch-deutschen  Textes  mitzuteilen. 
Hiernach  hat  ein  Melech  (König)  sieben  Söhne,  welche,  zu  Si 
ihren  Jahren  gekommen,  ausziehen,  um  etwas  zu  lernen. 
Nachdem  sie  etliche  IMeilen  zusammen  gereist  sind,  speisen 
sie  in  einem  Wirtshaus  zu  Mittag  und  machen  unter  sicli  aus. 
sich  nach  drei  JaliriMi  hier  wieder  zu  treften,  worauf  sie  auf 
siei)en  Strassen,  jeder  für  sich,  wegziehen.  Als  sie  zur  be- 
stimmten Zeit  sich  wieder  in  dem  Wirtshans  zusammenfinden. 


M  Die  Schreibung  ist  nicht  modernisiert.  Xur  a  in  aweck,  araus 
für:  hinweck,  heraus,  ist  weggelassen;  für  das  wechselnde  aso  und  also 
ist  stets  das  letztere  gesetzt,  und  für  das  stets  abgekürzte  un,  d  für  t 
in  Land,  endlicli  und  dergl.  Die  Interpunction  ist  beigefügt.  [Teiidlau, 
Fellmeiers  Abende   ISTjH   S.   Kj,  Giünbaum  S.   iHj.] 


300  Zur  Märchenforschung. 

liat  jeder  eine  besondere  Meloclie  (Arbeit.  Knnst)  gelernt. 
Der  älteste  hat  eine  Brille,  durch  die  er  fünfliundert  Meilen 
weit  sehen  kann:  der  zweite  hat  eine  Fidel,  bei  deren  Klang 
alle  Hörer  einschlafen;  der  dritte  kann  einem  das.  was  dieser 
noch  so  fest  in  der  Hand  hat,  unvermerkt  nehmen ;  der  vierte 
kann  etwas  noch  so  grosses  in  einen  Sack  stecken,  dass  es 
niemand  sieht;  der  fünfte  kann  mit  einer  Rute  von  einem 
Lindenbaum  zehntausend  Mann  totschlagen;  der  sechste  kann 
einen  Vogel,  wenn  er  aucli  noch  so  hoch  Hiegt  und  ein 
Haferkorn  im  Maul  hat,  das  Korn  wegschiessen,  ohne  ilm  zu 
scliädigen;  der  siebente  kann  einen  Mühlstein  mit  der  Rechten 
in  die  l^uft  werfen,  dass  ihn  niemand  mehr  sieht,  und  ilin 
mit  der  Linken  wieder  auffangen.  Sie  beschliessen  nicht 
gleich  heimzukehren,  sondern  erst  gemeinsam  noch  weiter  zu 
ziehen,  und  kommen  bald  in  eine  grosse  Stadt,  wo  eiu  mäch- 
tiger König  wohnt,  dem  sie  sich  vorstellen,  und  der  ihnen 
ein  Mahl  giel)t.  Wie  sie  nun  gegessen  haben  —  ich  gebe 
nun  den  Text  des  jüdischen  Märchens  wörtlicli  — ,  sd  ging 
der  älteste  Bruder  gleicli  hinter  dem  Tisch  herfür  und  macht 
sich  das  Fenster  auf  und  setzt  si('h  sein  Brill  auf,  also  sieht 
er,  wie  auf  fünfhundert  Meil  Wegs  ein  Madam  Hochzeit 
haltet,  und  der  Bräutigam  tanzt  mit  ihr,  und  sagt  ein  Wahr- 
zeichen: ,,Sie  iiat  sechs  Finger  an  ihr  linke  Hand."  Sprach 
der  König:  „Das  ist  mein  Tochter.  Es  hat  mir  ein  Kaiser 
mein  Tochter  weckgeführt."  Also  sprach  der  König  zu  die 
sieben  Brüder:  „Könnt  ihr  mir  mein  Tochter  wiederschaffen, 
soll  sie  einer  von  eu(;h  zum  Weib  haben."  Also  sprachen 
sie:  „Ja.  wir  wötlln  sie  dem  König  wiederschaft'en."  Sie 
ziehten  [zogen]  dorthin,  und  da  sie  hin  kommen,  haben  sie 
sich  anmelden  lassen.  Alsdenn  hat  man  sie  lassen  vorkommen. 
Vnd  da  sie  sein  hinein  kommen  auf  der  Hochzeit,  alsdenn 
hat  der  ander  Bruder  sein  Fidel  genommen  und  hat  darauf 
gespielt.  Alsobald  er  gespielt  hat,  sein  sie  all  mit  einander 
eingeschlafen.  Alsdenn  ist  der  dritt  Bruder  gekommen  und 
hat  des  Melech  Tochter  dem  Bräutigam  aus  seiner  Hand  ge- 
35  nommen,  als  er  nit  gespürt  hat.  |  Nach  dem  ist  kommen  der 
vierte   Bruder   und    hat    die  Braut  in  Sack  gesteckt,  als  man 


19.    Anmerkungen    zu    Widter   und   Wolf  Xr.   (5.  ;^()  ] 

sie  nit  geseliii  hat.  wo  sie  ist  liiiikoinineii,  sonst  hätt  mau 
sie  wieder  aweck  geuommeii.  Wie  sie  auf  den  [das]  Feld 
i<^ommeu  mit  ihr.  es  stund  nit  länger  an  als  zwo  Stund,  dass 
sie  mit  einander  redeten,  so  kommt  aus  der  Stadt  heraus 
etliche  tausend  Mann  hinter  sie.  Als  der  fünfte  Bruder  das 
sac'h.  also  springt  er  gesehwind  zu  einem  Lindenhaum  und 
schneidt  sieh  ein  Rut  von  dem  Lindenhaum  und  darmit 
derschlägt  er  sie  alle  mit  einander  bis  auf  vier  Person;  die 
vier  gingen  wieder  nach  Haus  und  brengten  [brachten]  ihren 
schlechten  Botschaft  wieder.  Da  das  der  König  hört,  war 
er  sich  mezaer  [betrübte  er  sich]  darüber.  Nun  wölln  wir 
stehn  lassen  den  König  und  W(illn  anfangen  von  den  sieben 
Brüder.  Die  sieben  Brüder  gingen  mit  der  Braut  fort.  Aber 
da  sie  ein  Zeit  lang  gingten,  da  waren  sie  müd  von  gehn 
und  wegen  gross  Geschlacks.  Also  setzten  sie  sich  mit  ein- 
ander nieder.  Und  da  sie  sassen,  so  sprach  der  älteste 
Bruder  zu  der  Kallah  [Braut],  sie  sollt  ihn  ein  wenig  lausen. 
Da  schlafteu  sie  alle  mit  einander  ein.  Unterdiesem  der 
König  in  der  Stadt  war  sich  sehr  mezäer,  als  ihm  so  ein 
Frevel  ist  geschehen.  Da  kani  ein  Müller,  ein  alter  Mann, 
und  sprach  zu  dem  KTinig:  „Mein  gnädiger  König,  sag  mir 
doch,  warum  er  so  seufzen  thut."  So  sprach  der  König  zu 
ihm:  „Du  alter  Narr,  du  kannst  mir  doch  nicht  helfen."' 
Also  bitt  der  Müller  den  König  noch  einmal.  Also  gedenkt 
sich  der  König  in  sein  Sinn :  „Es  ist  oft  ein  schlechter  Mann, 
der  einem  bisweilen  helfen  kann'',  —  und  verzählt  dem 
Müller  die  ganze  Sach.  Als  der  Müller  solches  liört.  also 
sagt  er:  „Gnädiger  König,  sorgt  nit,  ich  will  sie  ihm  wieder- 
schaifen  innerhalb  vier  und  zwanzig  Stund."  Als  der  König 
solches  hört,  also  sprach  er  zu  ihm:  „Du  sollst  kein  Müller 
mehr  sein,  neiert  [sondern]  du  sollst  darnach  ein  Herr  sein." 
So  ging  der  Müller  weck :  aber  er  war  ein  Mechasschef 
[Zauberer]  und  macht  sich  zu  einem  Vogel  und  fliegt  selbst 
hin.  wohin  die  sieben  Brüder  mit  der  Kallah  geschlafen  haben, 
und  nahm  die  Kallah  in  sein  Maul  und  fliegt  mit  ihr  in  die 
Hoch,  das  gab  ein  gross  Geflader.  Die  Brüder  hörten  solches, 
also  sprangen  sie  geschwind  in  die  Hoch.     Also  schiesst  der 


302  -^^1'"  -Miirclieiiforsoluuig. 

sechste  nach  dem  Vogel  und  schiesst  sie  aus  dem  Maul,  als 
der  Vogel  mit  die  Kallah  kein  Schaden  ist  geschehen.  Da 
sprang  der  siebte  Bruder  und  fangt  sie  auf,  sonst  war  sie 
zu  todt  gefallen,  und  bringt  sie  zu  ihrem  Vater.  Nach  alle  | 
36  den  Sachen  hat  es  ein  gross  Gezänk  unter  die  Brüder  geben, 
welcher  sie  haben  soll.  Also  sprach  der  ältst:  „Sie  gebürt 
mir,  denn  wenn  ich  sie  nit  hätt  gesehn,  hätt  ihr  nicks  gewüsst 
von  ihr  zu  sagen."  Sprach  der  ander  Bruder:  Wenn  ich 
nicht  hätt  mein  Fidel  gehabt,  so  wären  sie  nit  eingeschlafen, 
so  hätt  wir  sie  nit  bekommen  können."  Also  sprach  der 
dritte:  „Wenn  ich  nit  dem  Bräutigam  sein  Hand  hätt  auf- 
gemacht, so  hätt  man  sie  nit  bekommen  können."  Also  sprach 
der  vierte  Bruder:  „Wenn  ich  die  Biaut  nit  hätt  in  meiner 
Tasch  hinein  gesteckt,  hätt  man  sie  uns  in  dem  Hof  wieder 
weckgenommen."  Also  sprach  der  fünfte  Bruder.  „Wenn  ich 
nit  hätt  die  Stadtleut  dei'schlagen,  war  w^ir  all  umkommen." 
So  sprach  der  sechste:  „Wenn  ich  sie  nit  hätt  dem  Vogel 
aus  dem  .Maul  geschossen,  so  war  er  mit  ihr  weckgeflogen." 
Spricht  der  siebte  Bruder:  „Ihr  Narren,  was  helft  all  euer 
Reden?  Wenn  ich  sie  nit  hätt  aufgefangen,  war  sie  doch 
todt  gefallen;  hab  ich  sie  doch  mazzil  gewesen  | gerettet], 
also  gehört  sie  keinem  als  mich  [1.  mir]." 

In  diesem  jüdischen  Märchen  haben  wir  eine  ganz  eigen- 
tümli('he.  von  allen  andern  al)weichende  Gestaltung  des 
Märchens  von  den  kunstreichen  Brüdern.  Am  nächsten  steht 
es  dem  russischen  Märchen  von  den  sieben  Simeonen  bei 
Dietrich,  Russische  Volksmärchen,  S.  30  (vgl.  Benfey  a.  a.  0., 
S.  lOli)).  [Goldschmidt  S.  ICO.]  In  letzterem  sind  ebenfalls 
die  Brüder  sieben  an  der  Zahl.  Der  eine  kann  einen  von 
seinem  Bruder  im  Flug  angeschossenen  Vogel  im  Herab- 
fallen in  der  Luft  auffangen,  wie  im  jüdischen  der  eine  den 
aufgeworfenen  Mühlstein  auffangen  kann.  In  beiden  wird 
diese  Kunstfertigkeit  dann  in  ähnlicher  Weise  an  der  Prin- 
zessin erprobt,  die  freilich  im  russischen  sich  selbst  in  einen 
Vogel  verwandelt,  um  den  Brüdern  zu  entfliegen,  von  dem 
einen  Bruder  dann  angeschossen  und  von  einem  andern  auf- 
gefangen   wird.     Von    den    übrigen    Brüdern    sind    drei,    der 


U).    Aniiierkuiii^fii   zu  AVidter  und  "Wolf  ^'r.   (j — 8.  'AO-i 

Fernseher,  der  Dieb  und  der  Schütze,  beiden  Märchen  auch 
gemeinsam,  die  drei  andern  in  jedem  verschieden.  Beide 
Märclien  mögen  auf  einer   gemeinsamen  Grundform    beruhen. 

7.    HepiH)  Pipettji  ^). 

Der  erste  Teil  vom  Soldaten  und  dem  unerkannten  i'-^s 
König  im  Räuberhaus  erinnert  an  Grimm,  KHj¥  Nr.  lUO.  — 
Zu  dem  zweiten  Teil,  dem  Märchen  vom  AVunschsack,  in 
den  Tod  und  Teufel  springen  müssen,  vgl.  Grimm  zu  Nr.  82 
und  meine  Nachweise  im  Jahrbuch  5,  4  [oben  S.  83],  zu  dem 
gascognischen  Märchen  „Vom  Sack  des  La  Ramee"  [Unten 
no.  14,  Schneller  no.  17.  Zingerle  1,  no,  S,  Birlinger  1,  363, 
ßerntsen  1,  no.  S,  Kremnitz  no.  i),  Kristenseu  1,  no.  29,  Brug- 
mau  DO.  17,  Archiv  f.  slav.  Phil.  5,  648].  Ich  erwähne  hier 
noch  zur  Ergänzung  der  (iriramschen  Nachweise,  dass  auch 
in  dem  Märchen  bei  Schr)nwerth,  „Aus  der  Oberpfalz",  Bd.  3, 
S.  77,  und  in  dem  litauischen  bei  Schleicher,  S.  lOS,  der 
Schmied,  der  im  Himmel  keinen  Einlass  erhalten  soll,  Schurz- 
fell oder  Ranzen  oder  Hut  (Birlinger  1,  367,  Strackerjan  1, 
276)  hineinwirft  und  darauf  springt,  und  nun  erklärt,  er  sitze 
auf  seinem  Eigentum. 

(S.  Der  Drjiclieiitöter. 
Hier  haben  wir  eine  Version  des  Märchens  von  ilen  132 
treueii  Zwilliugsbrüdern,  über  w^elches  man  W.  Grimms 
Anmerkung  zu  KHM  Nr.  60  und  85,  von  Hahns  Anmerkung 
zu  Nr.  22  der  griechischen  Märchen  und  meine  Bemerkungen 
im  Orient  undOccident  2,  118  [oben  S.  179],  vergleiche.  Die  drei 
Hunde  des  italienischen  Märchens  sind  aber  aus  einem  andern 
Märchen  hereingekommen,  welches  man  das  Märchen  vom 
Drachentöter  und  seiner  falschen  Schwester  und  den  drei 
Hunden  nennen  kann  [Vgl.  zu  Gouzenbach  no.  26,  Zs.  d.  V. 
f.Volksk.  6,  69,  Jb.  8,  246  =  unten  S.326,  Brugman  no.  11—13, 
Melusine  1,  57,  Coscpiin  no.  37,  Folk-Lore  Andaluz  S.  357, 
Pitre  Nov.  pop.  tose.  no.  2,  Romero  no.  23].    In  diesem  Mär- 


M  Bepp(»,  Joseph;  Pipa,  Tabakspfeife. 


;-}f)4  Zur  Miirfhenfüi-schung. 

eben  tauscht  ein  armer  rlüngling  für  Schafe  oder  Ziegen  oder 
Kälber  oder  Gänse  von  einem  ihm  begegnenden  Unbekannten 
(Jäger  oder  Fleischer)  drei  Hunde  ein.  Mit  ihnen  und  mit 
seiner  Schwester  zieht  er  in  die  Welt.  Kr  gerät  zunächst  in 
183  ein  Räuberhaus,  dessen  er  sich  mit  Hilfe  der  Hunde  |  be- 
mächtigt. Ein  Räuber  aber,  der  am  Leben  geblieben  ist,  ge- 
winnt die  Liebe  der  Schwester,  und  beide  suchen  den  Jüng- 
ling zu  verderben.  Mit  Hilfe  der  Hunde  werden  ihre  An- 
schläge vereitelt.  Der  Jüngling  zieht  w'eiter.  und  es  folgt 
nun  die  Geschichte  mit  der  Prinzessin  und  dem  Drachen  und 
dem  Kutscher,  der  sich  die  Erlegung  des  Drachen  zuschreibt, 
endlich  aber  durch  die  Drachenzungen  entlarvt  wird.  Nach 
der  Verheiratung  des  Jünglings  mit  der  Prinzessin  kommt 
seine  Schwester  wieder  an  den  Hof  und  sucht  ihn  abermals 
zu  verderben,  was  jedoch  die  drei  Hunde  wiederum  vereiteln  ^). 
Am  vollständigsten  findet  sich  das  Märchen  böhmisch,  siehe 
AVolfs  Zeitschrift,  M.  '2,  S.  440,  und  Waldau,  S.  4(i9,  ferner 
in  Siebenbürgen,  siehe  Haltrich,  Nr.  24,  und  in  Deutschland, 
siehe  Curtze,  Nr.  2,  und  Panzer,  Bd.  2,  S.  i)G.  Die  falsche 
Schwester  fehlt  in  den  sonst  entsprechenden  Märchen  bei 
Grimm,  KHM  Bd.  3,  S.  104,  bei  Zingerle,  Kinder-  und  Haus- 
märchen, Nr.  (S  (wo  der  Jüngling  die  Hunde  erbt,  nicht  ein- 
tauscht), bei  Cavallius  und  Stephens,  Schwedische  Volkssagen 
und  Märchen,  deutsch  von  Oberleitner,  Nr.  13,  bei  Grundtvig, 
Gamle  danske  Minder,  Bd.  8,  S.  120,  und  bei  Schleicher, 
Litauische  Märchen,  S.  4,  welche  letzteren  manches  eigene 
enthalten.  [Zigeunerisch  bei  Müller  Nr.  5,  Coelho  no.  49, 
Rernoni  no.  10,  De  Gubernatis  Z.  M.  2,  :^6,  Veckenstedt  269, 
Kreutzwald  2,  no.  14,  Visentini  no.  15,  Bondeson  Sv.  F.  no.  72, 
Berntsen  1,  no.  15,  Madsen  S.  2!),  Kristenseu  2,  no.  17,  Sv. 
Landsmälen  5,  1,  5,  Pli.  vom  Walde  S.  Sl.]  Ganz  eigentümlich 
ist  das  griechische  Märchen  bei  v.  Hahn,  Nr.  24.  Auch  ein 
walachisches  Märchen  aus  Siebenbürgen  im  „Ausland",  1S57, 
S.  287,    eins    aus    der    Bukowina  in  Wolfs  Zeitschrift,  Bd.  2, 

')  In  diesem  letzten  Teil  ist  zu  vergleielien  der  Ausgang  von 
^>traparolas  Märchen  vom  Draclientöter  und  den  drei  treuen  Tieren 
(Notte   10,   Favola  8). 


19.    Anniorkinigeii   zu  Widter  und   Wolf  Nr.   f< — 9.  3()5 

S.  "iOli,  und  ein  finnisches,  s.  Bulletin  de  la  classe  historieo- 
[jhilol.  de  l'Academie  de  St.-Petersbourg,  T.  12,  S.  377,  ge- 
hören hierher,  haben  aber  viel  Abweichendes.  Es  ist  leicht 
begreiflich,  dass  die  drei  Hunde  des  Drachentöters  in  das 
italienische  Brüdermärcheu,  wo  ja  auch  der  eine  Bruder  ein 
Drachentöter  ist.  kommen  konnten.  Man  vergl.  auch  das 
schwedische  Brüderniärchen  bei  Cavallius,  Nr.  5A,  und  Prrdde, 
Kinder-  und  llausmärchen,  Nr.  5.  —  Die  drei  Hunde  heissen 
im  böhmischen  Märchen:  Lamej  (Brich),  Trhej  (Beiss),  Pozor 
(Obacht):  im  schwedischen:  Hall  (Halt),  Slit  (Zerreiss),  Ly 
(Horch);  bei  Panzer:  Geschwindwiederwind,  Bricheisemmdstahl, 
Sostarkwiedieganzewelt;  bei  Curtze:  Fassan,  Greifau,  |  Brich-  i-^^ 
eisenundstahl:  bei  Grimm  ebenso,  nur  Haltan  statt  Fassan; 
bei  Zingerle:  Geschwindwiederwiud,  Packan,  Eisenfest:  im 
walachischen:  Erdeschwer,  Höregut,  Siehegut  [bei  Pröhle, 
Km.  no.  4:  Stahl,  Eisen,  Hille;  bei  Pröhle,  M.  f.  d.  Jugend 
no.  19:  Geschwindwiedervvind,  Bricheisenundstahl,  Reissalles- 
nieder;  bei  Veckenstedt:  Bringspeise,  Zerreiss,  Bricheisenund- 
stahl: bei  Schnlenburg  2,  31:  Greifan,  Reissanf,  Reissintan- 
sendstttcke ;  bei  Knust  no.  12:  Eisen-,  Stahl-,  Broncefresser; 
bei  De  Nino  no.  36:  Spezzaferro,  Spezzacciaro,  II  pih  forte 
ditutti:  im  Archivio  2,  188:  Fortuna,  Tagliaferro,  Tassinmare; 
bei  Luzel,  Contes  p.  23:  Brise-fer,  Sans-pareil:  De  Guber- 
natis,  Zool.  Myth.  2.  36;  Strackerjan  2,  §  630:  Engelien  1,  155]. 
Eigentümlich  ist  unserm  italienischen  Brüdermärchen, 
dass  der  eine  Bruder  die  Versteinerung  des  andern  dadurch, 
dass  ihm  ein  Gespräch  der  P^nkelin  der  Hexe  zufällig  zu 
Ohren  kommt,  erfährt,  und  dass  die  Versteinerten  durch  Be- 
streichung mit   dem    Blut  der  Hexe  wieder  lebendig  werden. 

1).    Der  Kstige  Knecht. 

Vgl.  das  griechische  Märchen  von  dem  Jüngling  und  137 
dem  Drakos  oder  der  Lamia,  welches  v.  Hahn,  Nr.  3.  in 
mehreren  Varianten  mitteilt.  Am  meisten  stimmt  die  Vari- 
ante ans  Tinos  (Bd.  2,  S.  182),  nach  welcher  Kostanti  von 
seinem  altern  Bruder  gehasst  wird  und  auf  dessen  Veran- 
staltung vom  König  erst  den  Befehl  erhält,  ihm  die  Diamant- 

R.  Köhler,  Kl.  Schriften.  I.  20 


30ü  2ur  Märehenforschung. 

(lecke  des  Drakos  zu  bringen,  dann  das  Pferd  und  die  Glocke 
des  Drakos,  endlich  den  Drakos  selbst  zu  stehlen.  Letzteres 
vollführt  Kostanti  ganz  wie  Tredesin.  Er  verkleidet  sich 
nämlich  und  beginnt  den  vor  dem  Turme  des  Drakos  stehen- 
den Platanenbaum  zu  fällen  und  sagt  dem  Drakos,  er  wolle 
daraus  einen  Sarg  für  den  verstorbenen  Kostanti  machen, 
worüber  sich  der  Drakos  so  freut,  dass  er  den  Sarg  selbst 
macht  und  sich  hineinlegt,  um  ihn  zu  probieren.  Darauf 
schlägt  Kostanti  den  Deckel  zu  und  bringt  den  Sarg  zum 
K()nig.  Der  hämis('he  Bruder  muss  ihn  öffnen,  der  Drakos 
springt  heraus,  verschlingt  ihn  und  läuft  davon.  —  In  einer 
Variante  aus  Ziza  (S.  181)  wird  dem  Pferd  der  Lamia  von 
dem  Dieb  sein  Rock  untergebreitet,  gleichwie  im  venetia- 
nischen  Märchen  Tredesin  dem  Pferd  des  Bären  die  Hufe  mit 
Stroh  umwickelt.  —  Ferner  ist  zu  vergleichen  in  Basiles 
Pentamerone  (3,  7)  das  Märchen  von  Corvetto,  der  einem 
KTinig  dient  und  bei  ilim  in  hoher  Gunst  steht.  Auf  An- 
stiften der  neidischen  H(iflinge  erhält  er  von  dem  König  die 
Aufträge,  ihm  das  Boss  eines  wilden  Mannes  (uorco,  das 
franz.  ogre,  vom  lat.  orcus),  dann  dessen  Zimmertapeten, 
endlich  den  Besitz  des  Palastes  desselben  zu  verschaffen.  Die 
beiden  ersteren  stiehlt  er  dem  wilden  Mann,  den  letztern  er- 
langt er  dadurch,  dass  er  den  wilden  Mann  auf  listige  Weise 
umbringt,  Das  Stehlen  des  Bosses  haben  wir  also  im  vene- 
tianischen,  im  neapolitanischen  und  in  den  neugriechischen 
Märchen;  das  Stehlen  der  Bettdecke  im  venetianischen  und 
ira  neugriechischen,  aber  auch  —  wenn  auch  nicht  als  eigent- 
liche Aufgabe  —  im  neapolitanischen.  Wie  nämlich  Corvetto 
die  Zimmertapeten  stiehlt,  sucht  er  auch  die  Bettdecke  dem 
138  schlafenden  Uorco  wegzuziehen,  wobei  dieser  |  erwacht  und 
seiner  Frau  sagt,  sie  s(dle  ihn  doch  nicht  bloss  decken.  Ebenso 
erwacht  im  griechischen  Märchen  (Bd.  1,  S.  77)  der  Drakos, 
dem  der  „Schöne"  die  Bettdecke  stehlen  will :  dabei  nun 
sagt  er  zur  Drakäna:  „Frau,  du  hast  mich  aufgedeckt!"  Die 
dritte  Aufgabe,  den  Besitzer  des  Bosses  und  der  Decke  selbst 
zu  stehlen,  ist  bei  Basile  entstellt.  —  Die  verglichenen  Mär- 
chen   haben    unter   einander   auch   das  gemeinsam,    dass  den 


111.     AiDncrkuiineii    zu    Widtcr   und    Wulf  .\r.    it.  ;;()7 

lleideu  die  Aufguheii  auf  N'eraiistaltung  von  Feiiuleii,  um  sie 
zu  verderben,  gestellt  werden  und  dass  die  Bestohlenen  und 
(lestohlenen  nicht  niensehliclie  Wesen  (Bär,  Uorco,  Drakiis, 
Lamia)  sind.  Wir  haben  aber  nun  auch  Märchen,  in  welchen 
gelernten  Dieben,  ^leisterdieben,  Autgaben  gestellt  werden, 
um  zu  zeigen,  wie  weit  sie  es  in  ihrer  Kunst  gebracht  haben, 
und  zwar  sind  auch  hier  (liesell)en  Aufgaben:  ein  Pferd  soll 
aus  dem  Stall,  das  Betttuch  soll  unter  dem  Schlafenden  weg 
[entstellt  zigeunerisch  bei  Müller  1,  152]  —  zuweilen  auch 
das  Hemd  der  Frau  — ,  endlich  Menschen  selbst,  meist  der 
Pfarrer  und  der  Küster,  S(dlen  gestohlen  werden,  welche 
letzteren  immer  in  einen  Sack,  der  also  an  die  Stelle  des 
Sarges  oder  der  Kiste  im  italienischen  und  in  den  griechischen 
Märchen  getreten,  gesteckt  werden.  Nicht  in  allen  Märchen 
kommen  alle  drei  Aufgaben  vor.  Man  sehe  die  Märchen  bei 
(Irimm,  Nr.  19"2:  AVolf,  Deutsche  Märchen,  Nr.  5  =  Wodana 
S.  178;  Kuhn  und  S('hwartz,  Norddeutsche  Sagen.  S.  8(!2: 
Schambach  und  Müller,  Niedersächsische  Sagen,  S.  HKi: 
Vernaleken,  Mythen  und  Bräuche  aus  Oesterreich,  S.  27, 
Kindermändien  Nr.  r)7:  (irundtvig,  (iamle  danske  Minder, 
Bd.  3,  S.  (iS;  Asbjörusen,  Nr.  34:  Campbell,  l'opular  tales  of 
the  West  Highlands,  Nr.  40  (im  Auszug  im  Orient  und  Occi- 
dent  2,  ()77  [oben  S.  255]):  Straparola  1,  2:  Cenac  Moncaut, 
Contes  populaires  de  la  (lascogne,  S.  90  (im  Auszug  im 
-lahrbuch  5,  5  [oben  S.  <S4J).  [Langkusch,  Altpreuss.  Monats- 
schrift 15,  454,  Veckenstedt  S.  22,S,  Lootens  S.  43,  De  (luber- 
natis  no.  29,  Sebillot,  Litt.  or.  j).  112,  Carnoy  no.  11  [oben  S.  111], 
dagic  no.  10,  Lidzbarski  S.  24().]  Vgl.  auch  über  die  Erzählungen 
von  Meisterdieben  Benfey,  Pantschat.  Bd.  1,  S.  295.  —  Scliliess- 
lich  noch  eine  Bemerkung  über  den  Namen  des  Helden  des 
italienischen  Märchens,  welcher  Dreizehn  heisst,  weil  er  der 
jüngste  von  dreizehn  Brüdern  ist.  Ebenso  heisst  in  einem 
vlämischen  Märchen  (in  J.  W.  Wolfs  Wodana,  S.  173,  deutsch 
in  Kletkes  Märchensaal,  Bd.  2,  S.  374  [AVolf,  D.  M.  u.  S. 
no.  22.  Unten  zu  B.  Schmidt  no.  11,  Revue  de  lliist.  de  reli- 
gions  10,  <S5])  der  Held,  weil  er  so  viel  Kraft  wie  dreizehn 
hat    und    auch    so    viel    essen    kann.     „Dreizehn  wird",    wie 

20* 


30S  Zur  Märchenforschung. 

ISchmeller,  Bayrisches  Wörterbuch,  Bd.  1,  S.  412,  bemerkt, 
„überhaupt  für  die  ominöseste  von  den  ungeraden  Zahlen 
1B9  gehalten:  sie  ist  des  Teufels  Dutzend".  Zu  dem  be-| kannten 
Aberglauben,  dass  dreizehn  nicht  zusammen  bei  Tische  sitzen 
dürfen,  welcher  auch  ausser  Deutschland  vorkommt,  man 
denke  an  Berangers  Lied  „Nous  sommes  treize  ä  la  table", 
mag  Christi  letzte  Abendmahlzeit  den  Anlass  gegeben  haben. 

10.    Der  arme  Fischerknabe. 

145  Kenner   der   italienischen    Volksbücher    (Storie   popolari) 

werden  bei  Lesung  des  vorstehenden  Märchens  sofort  des 
Volksbuches  von  Liombruno  gedacht  haben.  Ich  besitze 
dasselbe  durch  die  Güte  Emilio  Tezas  in  Bologna  in  einer 
Ausgabe,  welche  folgenden  Titel  führt:  „Bellissima  Istoria  di 
Liombruno  Dove  s'intende,  che  fu  venduto  da  suo  Padre, 
E  come  fu  liberato,  ed  altre  cose  bellissime,  come  leggendo 
intenderete.  In  Bologna  1S08.  Alla  Colomba.  Con  Appr.  12''." 
Libris  Catalogue  1(S47,  Nr.  1456,  führt  eine  zu  Todi  zu  p]nde 
des  vorigen  oder  zu  Anfang  dieses  dahrliuuderts  gedruckte 
Ausgabe  in  12 '^  au.  Wie  die  meisten  dieser  Storie  popolari 
alte,  immer  von  neuem  aufgelegte,  hier  und  da  veränderte, 
jedenfalls  im  Text  arg  verwilderte  und  entstellte  Gedichte 
sind,  so  führt  auch  [jbris  erwähnter  Katalog,  Nr.  1111,  be- 
reits „La  historia  delliombruno"  in  einem  Druck  in  4^  ohne 
Ort  und  Jahr  auf,  der  nach  Libri  zu  Florenz  am  Ende  des 
15.  Jahrh.  gedruckt  sein  muss  ^),  und  aus  Libris  kurzer  In- 
haltsangabe des  Gedichts  ergiebt  sich,  dass  das  moderne 
VolksI)uch  dem  Inhalt  nach  im  Nvesentlichen  mit  dem  alten 
(iedicht  übereinstimmt.  Näheres  über  die  etwaige  Verschieden- 
heit werden  wir  hoffentlich  bald  erfahren,  da  Alessandro  DAu- 
cona  eine  Ausgabe  des  alten  Gedichts  für  die  in  Pisa  er- 
scheinende „Collezione  di  antiche  scritture  italiane  inedite  o 
rare"  versprochen   hat.     Der  Inhalt   des  Volksbuches  ist  der 

^)  Andere  Avisgaben  des  16.  und  17.  Jahrhunderts  bei  Libri, 
no.  1112.  1113.  Vgl.  auch  Brunei,  Manuel  du  libraire,  b.  ed.,  Bd.  3, 
S.  218.  [Köhler  zu  Marie  de  France,  Lais  ed.  Warnke  1885  S.  LXXXIY. 
A.  d'  Ancona,  Pocm^tti  pop.  italiani  p.  98.  Abdruck  des  Volksbuches 
bei  Imbriani,  Nov.  fiorent.  p.  454.     Altdeutsche   Blätter  1,  296.] 


19.    Aiiiiierkungen  zu  Widter  und  Wolf   Nr.   10.  :\()\) 

folgeude:  Ein  unglücklicher  Fischer  trift't  auf  einem  In.selchen 
im  Meer  einen  türkischen  Corsaren,  von  dem  er  Fische  und 
Geld  gegen  das  Versprechen,  ihm  seinen  jüngsten  Sohn  zu 
überliefern,  erhält.  Am  andern  Tag  bringt  er  seinen  sieben- 
jährigen Knaben  auf  die  hrsel  und  lässt  ihn  dort  allein. 
Bald  darauf  kommt  der  Corsar  und  will  ihn  fortführen,  aber 
der  Knabe  schreit  so,  dass  jener  entflieht.  Ein  Adler  trägt 
hierauf  den  Knaben  weit  durch  die  laufte  in  ein  schönes 
Schloss,  wo  der  Adler  sich  in  ein  schönes  Mädchen  von  zehn 
.(ahren  verwandelt.  Dort  bleibt  der  Knabe,  und  als  er  heran- 
gewachsen ist,  I  wird  er  der  Gatte  des  Mädchens,  welches  i46 
eine  Fee  ist  und  Madonna  Aquillina  heisst.  Nach  einiger 
Zeit  ergreift  ihn  die  Sehnsucht  nach  Filtern  und  Brüdern, 
und  die  Fee  giebt  ihm  ein  Jahr  Urlaub  und  schenkt  ihm 
einen  Ring,  durch  den  man  sich  alles  herbeiwünsdien  kann, 
verbietet  ihm  aber,  in  der  Heimat  von  ihr  zu  sprechen. 
Durch  Zauberei  wird  er  im  Schlaf  in  einer  Nacht  in  sein 
vierhundert  Tagereisen  entferntes  Land  gebracht,  wo  er  mit 
Hilfe  des  Ringes  sich  glänzend  als  Ritter  ausrüstet  und  die 
Seinen  besucht  und  reich  beschenkt.  Der  König  von  Granada 
giebt  ein  Turnier  mit  der  Hand  seiner  Tochter  als  Preis,  und 
Liombruno  besiegt  alle  Gegner.  Von  den  Baronen  des  Königs 
herausgefordert,  rühmt  er  sich  hierauf  vor  dem  K(inig,  dass 
er  die  schönste  Frau  habe,  und  macht  sich  anheischig,  dies 
binnen  dreissig  Tagen  zu  beweisen.  Durch  den  Ring  herbei- 
gewünscht, erscheint  Acjuillina  vor  dem  staunenden  König, 
entfernt  sich  aber  bald  wieder.  Liombruno  eilt  ihr  nach,  sie 
aber  macht  ihm  Vorwürfe  wegen  seiner  Uebertretung  ihres 
Gebots  und  verschwimlet,  nachdem  sie  ihm  Ross  und  Waften 
genommen.  Liombruno  trift't  in  einem  Wald  drei  Räuber, 
die  sich  um  einen  unsi(-htbar  machenden  Mantel  und  ein 
Paar  Stiefel,  in  denen  man  rascher  als  der  Wind  gehen 
kann,  streiten.  Der  älteste  fordert  Liombruno  auf,  zwischen 
ihnen  die  Teilung  vorzunehmen,  und  dieser  bemächtigt  sich 
der  kostbaren  Gegenstände  und  zieht  weiter.  Kaufleute,  die 
er  nach  dem  Land  der  Madonna  Aquillina  fragt,  meinen, 
dies  k(inne  nur  den  Winden   l)ekanut  sein.     Mit  Hilfe   seiner 


310  Zur   31ä^(■llelltol•^(•llun^;■. 

Stiefel  besteigt  er  einen  selii'  lidien  Berg.  ;iiit'  dessen  Spitze 
die  AVinde  hei  einem  Einsiedler  einzukehren  pÜegeii,  und  he- 
tVagt  die  AVinde.  Nur  der  Sirocco  kennt  A(iuillinas  Land, 
wohin  er  am  nächsten  Morgen  gerade  znrüek  will,  nnd  ge- 
stattet dem  Liomhrnuo,  ihn  dahin  zu  begleiten,  was  diesem 
natürlich  nur  durch  seine  windschuellen  Stiefel  nn'iglich  ist. 
So  kommt  er  in  Acinillinas  Land  und,  durch  (hn  Mantel 
unsichtbar  gemacht,  in  ihr  Scliloss,  wo  er  sich  bald  mit  ihr 
versühut. 

In  IJbris  sehr  kurzem  Auszug  des  alten  Gedichts  findet 
sich  nur  eine  wesentliche  Abweichung  vom  modernen  Volks- 
buch. In  jenem  verspricht  nämlich  der  aruu'  Fischer  seinen 
Sohn  nicht  einem  Corsaren,  sondeiMi,  wie  auch  im  Märchen, 
dem  Teufel,  der  dem  Kmiben  aber  nachher  auf  der  Insel 
nichts  aidniben  kann,  weil  dieser  das  Zeichen  des  Kreuzes 
nnicht. 

[Aus  dem  (iedicht  sind  folgende  italienische  Märchen 
abzuleiten:  lml)riani  Nov.  fior.  m).  iM,  C'omparetti  no.  41, 
Tuscan  Fairy  Tales  no.  10,  De  Nim»  H,  no.  <;*.).  Pitre  no.  ol, 
Archivio  '.\.  ')A'2  ( T'iiuimore  no.  Ki),  Crane.  Italian  pop.  tales 
\).  '■yi'A,  14.  —  Ferner  vgl.  Vernaleken  no.  4."),  Krauss  1, 
no.  s;>.  Kamp  1871)  p.  -'i^i.  Kristensen  1.  no.  o,  Foestion, 
Lappl.  M.  no.  55  =  Friis  no.  4(5,  Koman.  Stnd.  "2.  TiH, 
no.  '2-]  .11s  trois  Lufts',  Melusine  '2.  o"21  ,Le  conte  des  trois 
vents-,  Germ.  (J,  ;]1)0,  Zs.  f.  d.  Altert.  21,  177.]  | 
147  Mit    dem    venetianischen    Märchen    und    der    Storia    (Kd 

liiombruuo  vergleichen  sich  von  aiulern  IMärchen:  Gaal,  Mär- 
chen der  Magyaren,  Nr.  7.  Asbjorusen,  Nr.  U,  und  Grimms 
Nr.  !)2,  mit  der  Variante  in  IUI.  :l  Diese  Märchen  gehen 
gleich  dem  venetianischen  (hivon  aus.  dass  ein  aruu'r  Fischer 
dem  Teufel  seineu  Sohn  verschreibt.  Der  herangewachsene 
Sohn  wird  in  ein  Schiffchen  gesetzt  und  den  Wellen  über- 
geben. Fr  landet  an  einem  unbekannten  Ffer,  erKist  ein;! 
K(inigstochter  und  heiratet  sie.  Nach  einiger  Zeit  verlangt 
es  ihn,  seine  Poltern  zu  besuchen.  Im  ungarischen  Märchen 
erlaubt  es  seine  <iemahlin.  verbit'tet  ihm  al)er.  in  der  Heimat 
ihrer    zu   erwähnen.      Fr   ab.-r.    in    seine   Heimat    durch    einen 


19.    Aninerkungen   zu  AVidter  und  "Wolf  Nr.   10.  31] 

Zauberriiig  versetzt,  rüliint  sk-\i  gegen  den  Kiinig  .seiner 
Heimat,  dass  er  eine  schöne  Gemahlin  habe,  nnd  wünscht 
sie,  als  der  Kuuig  zweifelt,  dnrch  den  Zanberring  herbei. 
Sie  erscheint,  verschwindet  aber  hernach,  nnd  nimmt  den 
Ring  mit  sich.  Im  norwegischen  Märchen  verbietet  ihm  die 
Königin,  den  Bitten  seiner  Mntter  zn  folgen.  Die  Mutter 
bittet  ihn  dann,  als  er  zn  Hanse  ist.  ihren  König  zn  be- 
suchen. Kr  folgt  ihr  und  wird  nun.  wie  im  ungarischen, 
veranlasst,  mit  seiner  Gemahlin  zn  prahlen  nnd  sie  herbei  zn 
wünschen.  Sie  erscheint,  verlässt  ihn  aber  alsbald  wieder. 
Im  deutschen  Märchen  verbietet  ihm  die  Gemahlin,  sie  durch 
den  Wunschring,  den  sie  ihm  giebt  und  wodurch  er  sich  in 
seine  Heimat  versetzt,  ebenfalls  in  seine  Heimat  zu  wünschen. 
Er  thnt  es  aber  doch,  da  sein  Vater  nicht  glauben  will,  dass 
er  Gemahl  einer  Königin  sei.  Sie  erscheint,  verlässt  ihn  aber 
wieder  und  nimmt  den  Ring  mit  sich.  —  In  allen  Märchen 
zieht  der  Fischerssohn  nuu  aus,  seine  Gemahlin  zu  suchen. 
Unterwegs  trifft  er  drei  Brüder,  die  sich  um  ihr  Erbe  streiten, 
nämlich  um  drei  Wunschdinge  (Gaal:  Mantel,  Schuhe,  Beutel; 
Asbjörnsen:  Mantel,  Stiefel,  Hut:  Grimm:  Mantel,  Stiefel, 
Degen).  Er  soll  ihren  Streit  entscheiden,  bemächtigt  sich 
aber  der  Wunschdinge  nnd  gelangt  durch  sie  wieder  zu  seiner 
Gemahlin  M.  —  Die  |  Uebereinstimmuug  dieser  Märchen,  be-  148 
sonders  des  ungarischen,  in  den  Hauptzügen  mit  dem  vene- 
tianischen  und  besonders  mit  der  Storia  del  Lioml>ruuo.  liegt 
auf  der  Hand.  Wahrscheinlich  versprach  auch  in  den  italie- 
nischen Märchen  ursprünglich  der  Fischer  dem  Teufel  nicht 
direct  seinen  Sohn,  sondern  wie  im  ungarischen,  romanischen 


')  Das  Märclieii  bei  Grundtvig,  Gamle  danske  Minder,  Bd.  2, 
S.  186,  weicht  in  einigen  Punkten  von  den  eben  genannten  Märchen  ab, 
ist  aber  wesentlich  dasselbe.  Zwei  romanische  Märchen,  welche  F.  Obert 
im  „Ausland"  1856,  8.  20.50  (Der  Fischerknabe)  und  S.  2123  (Iliane 
Kostindane)  mitteilt,  würden  in  eins  verbunden  ein  den  genannten  ganz 
entsprechendes  Märchen  geben,  in  welchem  nur  der  Erwerb  der  "Wunsch- 
dinge fehlen  würde.  Letzterer  fehlt  auch  in  dem  trotz  manchen  Ab- 
weichungen in  seinem  Kern  hierher  gehörigen  Märchen  „Die  eisernen 
Stiefel"  bei  Wolf,  Deutsche  Hausmärchen,  S.  198,  und  in  dem  sehr  nahe 
stehenden  böhmischen  bei  Waldau,  S.  24. 


312  Zur  Märchenforschung. 

und  dänischen  [Maspons  no.  16]  das,  was  er  zu  Hause  habe, 
ohne  es  zu  wissen,  oder,  wie  im  norwegischen,  was  seine 
Frau  unterm  Gürtel  trage,  oder  wie  im  deutschen,  was  ihm 
zu  Hause  zuerst  vviders  Bein  stosse.  —  Der  Streit  um  die 
AVunsclidinge,  welche  dann  der  erwählte  Schiedsrichter  sich 
aneignet,  kommt  häufig  in  den  Märchen  vor.  Man  sehe  die 
Nachweise,  welche  Grimms  in  der  Anmerk.  zu  KHM  Nr.  92, 
J.  Griuim,  d.  Mythol.,  S.  XXX,  W.  Wackernagel  in  Haupts 
Zeitschr.,  Bd.  2,  S.  542  ff.,  J.  Moe  in  der  Einleitung  zu  As- 
björnsen,  S.  XXXll  und  Liebrecht  im  Orient  und  Occ,  Bd.  1, 
S.  132,  gegeben  haben  und  welche  sich  noch  vermehren  lassen. 

11.    Der  Teufel  heiratet  drei  Schwestern. 

Man  vgl.  Grimm,  KHM  Nr.  46,  Grundtvig,  Bd.  2,  S.  182 
und  Campbell,  Nr.  41  (im  Auszug  im  Orient  und  Occident, 
2,  678  =  S.  256).  [Schneller  no.  32  und  Anfang  von  no.  30, 
auch  31,  Imbriani  N.  F.  no.  1,  Bernoni  no.  3,  De  Gubernatis 
Z.  Myth.  2,  35,  Gouzenbach  no.  23,  Tuscau  F.  T.  no.  7, 
Hahn  no.  ()S,  Var.  (drei  Brüder),  Zs.  d.  V.  für  Volksk.  6,  68, 
Kreutzwald  no.  20.]  An  der  Stelle  des  Teufels  steht  im 
deutschen  Märchen  ein  Hexenmeister,  im  dänischen  ein  Berg- 
152  mann,  der  |  sich  in  einen  Hasen  verwandelt  hat,  im  gaelischen 
ein  verzaubertes  Ross,  welches  Nachts  ein  Mann  ist.  Diese 
bemächtigen  sich  mit  List  dreier  Schwestern  nacheinander. 
Hinter  der  verboteuen  Thür  ist  im  deutschen  und  gälischen 
eine  Kammer  voll  Blut  und  Frauenleichen.  Im  dänischen 
wird  die  erste  Schwester,  die  nicht  des  Bergmanns  Frau 
werden  will,  getötet  und  in  eine  Kammer  geworfen:  diese 
Kammer  zu  öffnen  wird  dann  den  beiden  andern  Schwestern 
verboten.  Dem  Blumeustrauss  des  italienischen  Märchens, 
den  die  Höllenglut  versengt,  entspricht  im  deutschen  ein  Ei 
und  im  dänischen  ein  Apfel,  von  denen  das  Blut  nicht  weg- 
gewischt werden  kann,  die  aber  die  jüngste  Schwester  sorg- 
fältig verwahrt,  bevor  sie  die  Kammer  betritt.  Im  gälischen 
Märchen  waten  die  Schwestern  in  der  Kammer  bis  ans  Knie 
im  Blut,  und  die  ältesten  vermögen  es  nicht  von  den  Füssen 
wegzubringen  und  verraten  sich  so;  der  dritten  aber  leckt  es 


19.    Aiiniorkungoii   zu  Widter  iiml  AVolt  Nr.   11.  ;^]3 

eine  Katze  ab,  nachdem  ihr  das  Mädchen  Milch  gegeben  hat, 
was  die  beiden  andern  nicht  gethan  haben.  Die  getöteten 
Schwestern  werden  von  der  jüngsten  wieder  lebendig  ge- 
macht ^),  im  gälischen  durcli  einen  Zanberstab,  im  dänischen 
durch  eine  Salbe,  die  in  der  Kammer  sich  findet,  im  deutschen 
bloss  durch  Aneinanderfügen  der  zerhackten  Glieder.  Wie 
im  italienischen  der  getäuschte  Teufel  die  drei  Schwestern 
in  drei  Kisten  nach  Hause  tragen  muss,  so  im  gälischen  das 
Ross.  Im  deutschen  und  dänischen  lässt  die  Heldin  nur  ihre 
Schwestern  in  Kisten  oder  Säcken  nach  Hause  tragen,  sie 
selbst  flieht  verkleidet  und  begegnet  unterwegs  noch  dem 
heimkehrenden  Mann.  Im  deutschen  Märchen  darf  der  Hexen- 
meister, wie  der  Teufel  im  italienischen,  beim  Tragen  der  Kisten 
unterv^egs  nicht  ausruhen;  so  oft  er  es  thun  will,  ruft  das 
Mädchen  im  Kasten:  „Ich  sehe  dich!"  Im  gälischen  darf  das 
Ross  unterwegs  nicht  in  die  Kiste  sehen,  welches  Verbot 
ofltenbar  motiviert  ist.  Im  dänischen  wird  es  zwar  dem  Berg- 
mann nicht  verboten,  in  die  Säcke  zu  sehen,  aber  so  oft  er 
es  thun  will,  ruft  eine  Katze,  die  von  der  jüngsten  Schwester, 
wie  im  gälischen  Märchen,  Milch  erhalten  und  ihr  deshalb 
die  List  mit  den  Säcken  augegeben  hat  und  nun,  vom  Berg- 
mann mibe- 1 merkt  mitläuft:  „Ich  sehe,  ich  sehe!"  '^).  —  Das  i.->3 
Märchen  findet  sich  auch  finnisch,  bei  Salmelainen.  Bd.  2, 
S.  1(S7,  doch  kenne  ich  es  nur  ans  der  kurzen  Inhaltsangabe, 
die  A.  Schiefner  im  Bulletin  der  petersburger  Akademie, 
historisch-philologische  ('lasse,  Bd.  1"2  (1<S55),  S.  HTG,  davon 
giebt:  „Wetchinen  (ein  dämonisches  Wesen)  weiss  einem 
Vater,  den  er  hart  bedrängt,  nach  und  nach  drei  T/ichter 
abzulocken,  mit  denen  er  gleich  Ritter  Blaubart  verfahrt.    Die 


^)  Bei  Prölile,  Märchen  für  die  Jugend,  Nr.  7,  fehlt  die  Wieder- 
belebung und  Heimtragung  der  Schwestern. 

'-)  In  einem  andern  Märchen  bei  Grundtvig,  Bd.  3,  S.  24  [Kristensen 
no.  37],  trägt  der  Bergmann  alle  drei  Schwestern  nach  Haus  und  soll 
unterwegs  nicht  in  die  Säcke  sehen.  So  oft  ers  thun  will,  ruft  das 
Mädchen  darin:  „Ich  sehe  noch!"  Diese  Variante,  in  der  der  Berg- 
mann anfangs  in  Schweinsgestalt  erscheint,  ist  sonst  dadurch  ungeschickt 
entstellt,  dass  die  altern  Schwestern  nicht  getötet,  sondern  nur  in  zwei 
Kammern  gesperrt  werden,  welche  die  jüngste  trotz  Verbot  öffnet. 


314  Zur  MärcheiifV)rsc'hung. 

jüngste,  welche  die  beiden  altern  dnrcli  Lebens^Yasse^  wieder 
zum  Leben  bringt,  bereitet  ihm  den  Tod,  nachdem  er  zuerst 
ihre  Schwestern  und  sie  selbst  in  drei  verschiedenen  Kisten 
nach  dem  P^lternhause  getragen  hat."  —  Da  Schiefner  an 
Kitter  Blaubart  erinnert,  so  scheint  auch  im  '  finnischen 
das  Verbot  einer  gewissen  Kammer  vorzukommen.  Dies 
Verbot  fehlt  in  der  norwegischen  Form  unseres  Märchens, 
siehe  Asbjörnsen  Nr.  35,  nebst  den  Varianten.  Hier  ge- 
raten die  Schwestern  nacheinander  in  die  (iewalt  eines  Berg- 
manns oder  Riesen,  der  den  beiden  ältesten,  weil  sie  sich 
weigern,  seine  Liebsten  zu  werden,  den  Kopf  abschlägt  und 
sie  in  den  Keller  wirft.  Die  jüngste,  welche  die  Leichen  der 
Schwestern  bemerkt  hat,  weigert  sich  nicht.  Heimlich  macht 
sie  dann  durch  eine  Wundcrsalbe  iiire  Schwestern  wieder 
lebendig,  und  der  Troll  muss  sie  in  Kisten  oder  Säcken  nach 
Hause  tragen.  Er  soll  nicht  hineinsehen,  und  so  oft  er  es 
unterwegs  thun  will,  ruft  es:  „Ich  sehe  dich".  Nach  der 
einen  Version  lässt  sich  die  jüngste  Schwester  aucli  nach 
Hause  tragen,  nach  andern  entflieht  sie  heimlich  und  lässt 
eine  Strohpuppe  zurück,  von  welcher  der  heimkehrende  Troll, 
ganz  wie  der  Teufel  im  italienischen  Märchen,  Essen  ver- 
langt u.  s.  w.  —  Eigentümliche  Züge  hat  das  von  Fr.  Obert 
im  „Ausland".  ISöo,  S.  473,  mitgeteilte  romanische  Märchen 
aus  Siebenbürgen:  Ein  unbekannter  freit  nacheinander  drei 
arme  Schwestern,  denen  er  in  seinem  Haus  in  der  Wüste 
Ohren  und  Nasen  von  Menschen  zu  essen  giebt,  ehe  er  aus- 
"eht.  Die  älteste  wirft  sie  in  die  Asche,  die  zweite  unter 
154  die  Schwelle.  Als  er  nach  |  Hause  kommt,  ruft  er:  „Wo 
seid  ihr.  Ohr  und  Nase?"  Diese  erwidern:  „In  der  Asche!" 
oder  „Unter  der  Schwelle!"  und  er  tötet  die  beiden  Schwestern 
und  legt  sie  in  eine  Kammer.  Die  jüngste  Schwester  giebt 
auf  den  Rat  von  vier  Tauben,  denen  sie  zu  trinken  gegeben, 
Ohr  und  Nase  der  Katze  zu  fressen,  tötet  diese  dann  und 
bindet  sie  auf  iliren  Bauch.  Als  nun  der  ^lann  nach  Hause 
kommt  und  Ohr  und  Nase  fragt,  antworten  sie:  „Hier  sind 
wir    im    Bauch!"  ^).     Da   giel)t   der    Mann   dem  Mädchen  die 

')    Ganz    bo     ucler     in    iilmliclKT     zweideutiger     "Weise     iiutwurten 


1».    Annieikuiig-en  zu  Wiiltrr  und  Wolf  Xr.    11—12.  315 

Schlüssel  zuiii  ganzen  Hause,  nur  eine  Kammer  soll  sie  nicht 
öffnen.  Sie  (ift'net  sie  aber  cImcIi.  und  die  Seelen  der  zwei 
Schwestern  schweben  wie  Nebel  heraus  und  danken  für  ihre 
Befreiung  aus  der  Gewalt  des  Teufels.  Sie  machen  ihr 
iiierauf  einen  Sarg,  den  niemand  öffnen  kann,  bis  nicht  der 
Priester  die  Messe  darüber  gelesen.  In  diesen  Sarg  steckt 
sich  das  Mädchen  und  die  Seelen  der  Schwestern  werfen  ihu 
in  den  Strom,  der  durch  die  Wüste  fliesst.  Der  Sarg  wird 
von  Sclnffern  gefangen  und  dem  Kaiser  gebracht,  der  ihn 
vergeblich  zu  (iftnen  suclit.  Endlich  wird  der  Priester  geholt, 
und  der  Deckel  hebt  sich.  Der  Kaiser  heiratet  das  Mädchen. 
Ganz  ähnlicli  ist  das  griechische  Märchen  bei  Halm  Nr.  1*.) 
[vgl.  auch  no.  7;^)j.  Hier  ist  der  „Hundskopf-'  der  Freier  und 
frisst  die  beiden  ältesten  Schwestern.  Die  dritte  aber  isst 
die  Hälfte  der  ihr  gegebenen  Nasen.  Ohren  und  Knochen, 
die  andere  giebt  sie  einem  Täubchen.  Auf  die  Frage  des 
Hundskopfs:  „Wo  seid  ihr  Knochen?"  erwidern  sie:  ,.lm 
Magen!-'  Da  ist  der  Hundskopf  zufrieden  und  verspricht 
dem  3Iädcheu.  aus  der  Stadt  mitzubringen,  was  sie  wünsche. 
Sie  verlangt  einen  Gitterkasten,  der  sich  von  innen  ver- 
schliessen  lässt.  Er  bringt  einen  solchen,  und  sie  steckt  sich 
hinein  und  verschliesst  ihn,  sodass  ihn  der  Hundskopf  nicht 
öffnen  kann.  Endlich  trägt  er  ihn  in  die  Stadt  und  bietet 
ihn  mit  samt  dem  Mädchen  zum  Kauf  aus.  Der  Königs- 
sohn kauft  ihn  und  heiratet  das  Mädchen. 

12.    Der  Prinz  mit  der  Scliweiiishaut. 

Das  Märchen  tindet  sich  schon  bei  Straparola  '2.  1.  doch  2:i4 
schliesst  es  hier  mit  dem  Zerreissen  —  nicht  Verbrennen  — 
der  Schweiushaut.  was  keine  bösen  Folgen  hat:  die  sonstigen 
Abweiclumgen  sind  geringfügig.  Aus  Straparola  unmittelbar 
hat  die  Gräfin  d'Aulnoy  ihr  Märchen  vom  Prinzen  Frischling 
(le  Prince  31arcassin)  geschöpft,  und  ihre  Vorlage  zwar  aus- 


Speisen  in  Märchen  bei  Grundtvig,  Bd.  1,  S.  104;  Asl)jürnsen,  S.  4K.ö. 
481,  Cavallius,  S.  266  [284.  Grundtvig  no.  16  p.  206.  ßergh,  Xye  Folke- 
Ev.  S.  13,  Berntsen  2,  no.  12,  Hertzberi;-.  Yidskepelsen :  Finlaud  p.  114. 
Vgl.  Ziiigerle   S.  2Ö2:  Öauerkraut  und  Totenbeine.] 


316  Zur  Märehenforschung. 

geschmückt,  aber  unwesentlich  verändert  ^).  Von  den  in 
neuerer  Zeit  gesammelten  Volksmärchen  sind  mit  dem  vene- 
zianischen zu  vergleichen:  Haltrich,  Nr.  43,  Gaal,  Märchen 
der  Magyaren,  Nr.  15,  Waldau,  Böhmisches  Märchenbuch, 
S.  160,  \Vnk  Stephanowitsch.  Nr.  10,  Sch(»tt,  Nr.  23,  ein 
anderes  walachisches,  von  Obert  im  „Ausland",  1857,  Nr.  43 
(vgl.  ßenfey,  „Pantschatantra".  1,  "ÜW!)  mitgeteilt,  und  ein 
albanesisches  bei  Halm,  Nr.  100,  [Gonzenbach  no.  42.  43, 
Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  (),  77,  Imbriani,  Nov.  fior.  no.  12;  Nov. 
mil.  no.  ('),  Corazzini,  p.  416.  429,  Coronedi-Berti  no.  1,  Com- 
j>aretti  no.  9.  51,  De  Nino  no.  41,  Prato  no.  4,  Coelho  no.  25.  34, 
B.  Schmidt  no.  9:  Krebs,  Kremnitz  no.  5,  Pröhle  Km.  no.  31: 
Igel.]  Nur  im  siebenbürgischen  Märchen  ist  der  Held  ein 
Schwein,  im  böhmischen  ein  Bär,  in  dem  einen  walachischen 
(bei  Schott)  ein  Kürbis,  in  allen  andern  eine  Schlange.  Nach 
dem  Verbrennen  der  Haut,  bezüglich  des  Kürbisses  [vgl. 
Consiglieri  P.  no.  2(5]  —  im  albanesischen  und  böhmischen 
Märchen  nur  nach  der  ^litteilung  des  (ieheimnisses  an  die 
Mutter  seiner  Frau  —  verschwindet  er.  Im  serbischen  ver- 
kündet er  beim  Verschwinden  seiner  schwangern  Frau,  dass 
sie  ihn  nicht  eher  wiedersehen  werde,  als  bis  sie  eiserne 
Schuhe  zerrissen  und  einen  eisernen  Wanderstab  zerbrochen 
habe,  und  nicht  eher  ihres  Kindes  entbunden  werde,  als  bis 
er  sie  umarmt  habe.  Im  ungarischen  soll  sie  ebenfalls  nicht 
eher  entbunden  werden,  und  ihre  beiden  Schuhe  sollen  ihr 
nicht  eher  von  den  Füssen  {  fallen.  Auch  in  den  walachischen 
soll  sie  nicht  eher  gebären  krmnen,  und  es  wachsen  ihr  sieben 
eiserne  Reife  (Obert)  oder  sie  legt  sich  selbst  einen  eisernen 
Reif  (Schott)  um  den  Leib,  und  im  albanesischen  wird  ihr 
der  Leib  verschlossen.  Im  siebenbürgischen  und  böhmischen 
wird  keine  Verwünschung  ausgesprochen  und  die  junge  Frau 
ist  nicdit  guter  Hoffnung,  aber  bis  sie  ihren  Mann  wieder- 
findet, hat  sie  im  siebenbürgischen  Märchen  sieben  Paar 
Schuhe    und    sieben  Pnar   Kleider    auf    der    Wanderuns;    zer- 


*)  Die  Histoire  de  Pertliarite  et  de  Ferandiiie  in  den  Contes 
d'Antoine  Hamilton,  Paris  1820,  I,  72,  welche  Benfey,  „Pantschatantra", 
1,  268    neben  den  Prinz  Marcassin  stellt,  kenne  ich  nicht. 


in.    Ainiierkiiiiuen   zu  Widrer  uml  Wolf   Nr.    l'J.  ;-J17 

rissen  ^).  In  allen  vergiiclieiien  Märchen  nämlich  zieht  nun 
die  junge  Frau  ans,  ihren  Mann  zu  suchen.  Sie  erfährt 
endlich  seinen  Aufenthalt,  nachdem  sie  hei  Sonne,  Mond  und 
Wind  und  deren  Müttern,  im  serl)ischen  auch  l)eini  Abend- 
stern, im  walachischen  (Schott)  hei  den  heiligen  Müttern 
Mittwoch,  Freitag  und  Sonntag  -),  im  alhanesischeu  bei  den 
zwei  Schwestern  der  Sonne  sich  erkundigt  hat.  Von  der 
Frau,  mit  der  sich  ihr  Mann  inzwischen  verlieiratet,  erkauft 
sie  sich  durch  Kostbarkeiten,  die  sie  von  der  Sonlu^  dem 
dem  Monde  und  dem  Winde  oder  deren  Müttern,  oder  von 
den  Müttern  Mittwoch,  Freitag  und  Sonntag,  oder  von  den 
Schwestern  der  Sonne  geschenkt  bekommen  liat.  für  drei 
Nächte  die  Erlaubnis,  bei  ihrem  Gemalil  zu  schlafen.  Im 
siebenbürgischeu  Märchen  hat  sie  drei  Xiisse  —  wie  im  vene- 
tianischen:  Nuss,  Haselnuss,  Kastanie  —  und  im  böhmischen 
drei  Kästchen,  aus  denen  dann  drei  kostl)are  Kleider  hervor- 
kommen, im  allianesischen  Nuss.  Haselnuss  und  Claudel,  aus 
denen  eine  goldene  Henne  mit  Küchlein,  ein  goldener  Papagei 
und  eine  goldene  Wiege  hervorkommen:  in  allen  übrigen: 
eine  goldene  Henne  mit  Küchlein,  einen  goldenen  Spinnrocken 
(Wuk,  Schott)  oder  eine  Spindel  und  einen  goldenen  Web- 
stuhl (Wuk)  oder  eine  Weife  (Gaal)  oder  eine  Haspel  (Schott). 
In  allen  Märchen  —  mit  Ausnahme  des  von  Obert  mitge- 
teilten ,  walachischen.  welches  einen  besondern  Verlauf  hat  —  256 
erhält  der  Held  von  seiner  zweiten  Frau  zweimal  SchlatV 
trünke,    so    dass    seine    erste  Frau    erst  in  der  dritten  Nacht 


')  Ein  Paar  eiserne  Stiefeln  niuss  der  Held  in  Wulfs  Deutschen 
Hausniärclien,  S.  1!JS  (Die  eisernen  Stiefel)  zerreissen,  bevor  er  seine 
Gemahlin  wiederfinden  kann.     [Unten  zu  Schiefner  no.   14.] 

-)  Diese  drei  Miitter  kommen  auch  bei  Schott,  Xr.  11  und  2.:),  vor. 
Vgl.  Sehotts  Bemerkung,  S.  299.  In  den  im  „Ausland"  mitgeteilten 
rumänischen  Märchen  kommen  vor:  1857,  S.  288  die  heiligen  Mütter 
Sonntag,  Montag  und  Dienstag,  S.  1029  die  heiligen  Mütter  Mittwoch, 
Donnerstag  und  Freitag,  185(1,  S.  500  der  heilige  Samstag  und  der 
heilige  Sonntag,  S.  2121  die  heilige  Mutter  Sonntag.  In  einem  roma- 
nischen Märchen  in  Wolfs  Zeitschrift,  Bd.  1,  S.  44,  der  heilige  Sonntag. 
In  einem  Märchen  bei  Wenzig,  AVestslawischer  Märchenschatz,  S.  146 
die  heilige  Xedelka,  d.  i.  der  erste  Sonntag  nach    dem   Neumond. 


I-JlS  Zur  ^lärchenfor^chuiig. 

von  ihm  erkannt  wirtP).  —  In  dem  Märchen  Basiles  (Pen- 
tamerone  2,  5)  von  der  Schlange  und  in  dem  damit  merk- 
würdig genau  übereinstimmenden  dänischen  bei  Grundtvig, 
Bd.  "2,  S.  li)l,  verschwindet  der  Held  nach  Verbrennung  der 
Schlangenhaut  und  seine  (iattin  zieht  aus,  ihn  wieder  zu 
linden :  wie  die  Wiedervereinigung  aber  bewirkt  wird,  ist 
diesen  Märchen  ganz  eigentümlich.  —  Andere  hierher  ge- 
hörige Märchen,  wie  Grimm,  KHM  Nr.  108,  ,Haus  mein  Igel', 
und  Nr.  144,  ,Das  Eselein'  (vergl.  Zingerle,  Kinder-  und 
Hausmärchen  aus  Süddeutschland,  S.  198),  Waldau,  S.  458, 
,Der  Igel',  AVuk  Nr.  9,  ,Der  Sclilangenbräutigam'  Hahn,  Nr.  31, 
,Das  Schlangenkind'  (wo  der  sich  anschliessende  weitere  Ver- 
lauf ein  fremder  Zusatz  ist),  das  russische  Märchen  von  der 
Bockshaut  im  Orient  u.  Occ,  Bd.  2,  S.  539),  enden  glücklich 
mit  der  Verbrennung  der  Haut.  [Gonzenbach  no.  43,  AVebster 
p.  173,  Stokes  no.  10,  Colshorn  S.  (58,  Schröer,  Wtb.  der 
Gottscheer  Mundart  S.  "209,  Häuften,  Gottschee  S.  100.]  In 
dem  Märchen  ,Die  Schlange'  bei  Zingerle,  S.  173.  nnd  dem 
sehr  ähnlichen  ,Kong  Lindornr  bei  Grundtvig,  Bd.  1,  S.  172, 
genügt  schon  das  Abstreifen  der  Schlangenhäute  -);  bei  Prnhle,  | 


^)  Der  Besuch  bei  Uestirnen  uud  AVind,  die  von  diesen  erhaltenen 
(iesehenke,  die  dafür  erkaufte  Erlaubnis,  beim  Gemahl  zu 
schlafen,  und  der  Schlaftrunk  kommen  auch  in  dem  (irimmschen 
Märchen  vom  Löweneckercheu  und  ähnlichen  vor,  welche  überhaupt 
den  hier  besprochenen  Märchen  nahe  stehen,  insofern  auch  ihnen  der 
Held  in  Tiergestalt  verzaubert  ist.  Vgl.  W.  Grimms  Anmerkungen  zu 
Nr.  88  und  127,  Campbell,  Nr.  12  (Orient  u.  Occ.  2,  126  =  oben 
S.  187),  Grundtvig,  Bd.  2,  S.  35.  [Blade  1874,  p.  145  =  1886  1,  267. 
Gonzenbach  no.  42,  Kuhn-Schwartz,  Nd.  M.  no.  11,  Asbjörnsen,  ny  saml. 
no.  HO,  Hylten-Cavallius  no.  19  a.  b,  Arnason-Powell  2,  281,  Poestion 
no.  8,  Kristensen  2,  no.  52,  Kamp,  D.  F.  no.  914,  Berntsen  1,  no.  20, 
AVigström  1,  253  no.  2,  Kennedy  p.  57,  Revue  celt.  8,  377,  Troude  et 
Milin  p.  181,  Fleury  p.  135,  Oerquand  no.  103  (entstellt),  Rondallayre 
2,  HO.  3,  150,  Bibl.  de  las  trad.  pop.  esp.  1,  126,  Coelho  no.  44,  Romero 
no.  17,  Finamore  no.  (>,  Comparetti  no.  51,  Corazzini  p.  416,  Imbriani, 
Nov.  fior.  no.  12,  De  Gubernatis  no.  14,  Archivio  1,  531.  424.  2,  353. 
403.  3,  361.   363,  zif/r/or  1,  289,  Brugman  no.   23,  Godin   8.  119.] 

^)  In  dem  Märchen  bei  Zingerle  hat  nämlich  die  Schlange  sieben 
Häute.     In  der  Hochzeitsnacht  sagt  sie  zu  der  Braut:  ,Zieh  dich   aus!' 


Ut.    Annierkuiigen   zu  Widtcr  und  Wolf  Nr.    12.  :\\\) 

Märclieii  für  die  -Jugend,  \r.  lo,  iiiiiss  dem  Zauiiigel  der  257 
Kopf  abgeschlagen  werden.  —  Hervorheben  will  ich  noch, 
dass  wie  in  dem  venetianischen  Märchen  und  bei  Strapai'ola 
der  Prinz  Schwein  die  beiden  ältesten  Schwestern  tötet  und 
erst  durch  die  dritte  erlöst  wird,  so  auch  im  dänischen  der 
Lindwurm  zwei  Prinzessinnen  in  der  Brautnacht  umbringt 
und  dann  erst  von  einer  Hirtentochter  erhist  wird.  Bei 
Grimm,  Nr.  108,  jagt  Hans  mein  Igel  die  Tocliter  des  ersten 
Königs  fort  und  wird  erst  von  (h^'  des  zweiten  erlöst;  bei 
Pröhle  wird  der  Zauuigel  erst  von  der  Tochter  des  zweiten 
Königs  und  im  albanesisehen  JMärchen  der  Schlangenprinz 
erst    von    der    dritten   Yezierstocliter   zum    Mann   genommen. 

In  allen  bisher  besprochenen  Märchen,  von  der  ver- 
brannten Tierhülle  ist  es  ein  Jüngüng,  der  die  Haut  ge- 
tragen hat:  es  giebt  aber  auch  ähnliche  Märchen,  wo  es  ein 
Mädchen  ist:  Schambach  S.  -271  (Ziege),  Hahn  Nr.  14  (Ziege) 
und  äl  (Dohle),  .Maurer,  Isl.  Volkss.  S.  28")  (Sperling).  Camp- 
bell Nr.  ()4  (Flenne).  ^Voycicki  S.  101  (Kr("»te).  das  russische 
im  0.  Bd.  des  Sammelwerks  „Die  Wissenschaft  im  1'.».  .lahr- 
hundert'',  S.  107  (Frosch),  uiul  das  tinnische  l)ei  Beauvois 
Contes  popul.   S.    ISO  (Frosch). 

Ueber  indische  und  andere  orientalische  hierhergehörige 
Märchen  vergl.   Beufey,   „Pantschatantra",   1,  254  ff. 


Die  Braut,  die  von  eiueni  wunderbaren  3luttergottesbild  den  Rat  er- 
halten hat,  erwidert  siebenmal:  ,Zieh  du  dicli  zuerst  aus!',  und  so  legt 
die  Schlange  nacheinander  die  sieben  Häute  ab  und  erscheint  als 
Jüngling.  Im  dänischen  Märchen  hat  König  Lindwurm  neun  Häute, 
und  die  Braut  zieht  auf  Bat  einer  alten  Frau  zehn  Hemden  an.  In  der 
Brautnai-ht  sagt  der  Lindwurm:  ,Wirt'  ein  Hemd  ab!',  worauf  die  Braut: 
,Wirf  eine  Haut  ab  !',  und  so  fort,  Ids  die  neun  Häute  abgeworfen  sind. 
Hierauf  peitscht  die  Braut  die  hautlose  Schlange,  badet  sie  dann  in 
süsser  Milch,  umhüllt  sie  mit  den  neun  Hemden  und  legt  sie  zu  sich. 
Am  Morgen  liegt  ein  Jüngling  bei  ihr.  In  dem  albanesisehen  Märchen 
bei  Hahn,  Xr.  100,  muss  die  Braut  ebenfalls  auf  den  Rat  einer  Alten, 
vierzig  Hemden  für  die  Brautnacht  anziehen,  und  als  der  Bräutigam 
sagt:  ,Zieh  dich  aiis !',  erwidert  sie:  ,Zieh  dich  auch  aus!',  bis  nach 
Abstreifuiig  der  vierzigsten  Haut  ein  schöner  Jüngling  da  steht.  [Coraz- 
zini  p.  418,  Prato  no.  4,  Pitre  no.  56,  Oomparetti  no.  66,  Coelho.  Wig- 
ström   1,  24.').] 


'.\'2i)  2l'1'  Märc'henforsrliung. 

13.    Die  Prinzessin  im  Sarg-  und  die  Schild waclie. 

262  Vgl.  Sommer,  Sagen,  Märchen  und  Gebräuche  aus  Sachsen 
und    Thüringen,    Märchen   Nr.  5;    Curtze,    S.   168;    Simrock,  | 

263  Deutsche  Märchen  Nr.  2;  Wolf,  Deutsche  Hausmärchen  S.  "258; 
Ey  S.  1:  Stier,  Ungarische  Volksmärchen  aus  Gaals  Nachlass 
Nr.  10;  „Ausland"  1858  S.  117  (rumänisches  Märchen)  und 
Kletkes  Märchensaal  Bd.  2,  S.  60  (ehstnisch).  [Pröhle,  M. 
f.  d.  J.  no.  11,  Bindewald,  Oberhess.  Sagenbuch  S.  142, 
Grundtvig  no.  13,  Sebillot  3,  no.  3,  Krauss  1,  no.  93,  Ralston 
p.  271.  274,  [juzel,  Legendes  ehret.  2,  309.]  Das  sächsische 
Märchen  steht  dem  venetianischeu  am  nächsten.  Es  ist  das 
einzige,  welches  gleich  jenem  damit  beginnt,  dass  ein  kinder- 
loser König  ein  Kind  wünscht,  und  wenn  es  auch  vom  Teufel 
käme,  worauf  in  Jahresfrist  die  Königin  eine  Tochter,  die 
über  und  über  schwarz  ist  und  schon  sprechen  kann,  gebar. 
Das  waldeckische  Märchen  beginnt  auch  damit,  dass  ein 
König  über  seine  Kinderlosigkeit  bekümmert  ist.  Einst  be- 
gegnet ihm  ein  schwarzes  Männchen,  fragt  nach  der  Ur- 
sache seines  Kummers  und  sagt  dann,  er  solle  ein  Töch- 
terchen erhalten,  sie  werde  aber  im  zwölften  Jahre  wieder 
sterben. 

14.    Der  Höllenpförtner. 
268  Eine  Vermischung    dreier   sonst   getrennt  vorkommender 

Märchen.  Erstlich  das  Märchen  vom  Knaben,  der  beim 
Teufel  dient.  Dass  der  Knabe  als  Höllenpförtner  dient, 
kommt  bei  Zingerle,  Kinder-  und  Hausmärchen  Nr.  7,  und 
Sagen,  Märchen  und  Gebräuche  aus  Tirol  Nr.  515,  und  bei 
Schönwerth,  Bd.  3,  S.  37,  Kristensen  no.  19  vor;  häufiger  ist 
es,  dass  der  Knabe  in  der  Hölle  unter  den  Kesseln  oder 
Töpfen,  in  denen  arme  Seelen  stecken,  das  Feuer  schüren 
muss  und  die  Deckel  nicht  öffnen  darf,  (siehe  Meier,  Volks- 
märchen aus  Schwaben  Nr.  74,  Pröhle,  Kindermärchen  Nr.  71, 
Simrock  Nr.  24,  C.  Weiss,  Aus  dem  Volksleben,  Nürnberg 
1863,  S.  40,  Müllenhoff  Nr.  592,  Grimm  Nr.  100,  und  Bd.  3, 
S.  38,  AValdau  S.  292)  [Vernaleken,  Mythen  u.  Br.  S.  179, 
Birlinger  1,    270,    Strackerjan  1,  40S,    Tö])pen  S.   147,    Mas- 


l'.\     Aiinierkuiii;cn    zu  Widter   und  Wnlf   Nr.   14—1.').  ;^21 

piiiis  -.  11(1.  "21].  Ziiwcilcii  \vii-(l.  wie  im  veiietiani.^iclieu  Mär- 
chen —  iui.^^drücklicli  bemerkt,  dass  für  den  Iviuiben  ein 
Dienst  gesnclit  wird,  „nnd  sollt  es  ancli  beim  Teufel  sein".  — 
Zweitens  haben  wir  hier  das  Märchen  von  der  Flinte,  die 
alles  trifft,  und  von  der  (leige,  die  alles  tanzen  macht,  über 
welches  ich  im  -lalirbucli  '),  10,  [(d)en  S.  SD.  134]  Nacliweise, 
denen  ich  jetzt  noch  <irundtvig",  (iamle  danske  Minder,  Dd.  3, 
S.  75,  [Toppen  S.  147J  beifüge,  gegeben  habe.  —  Endlich  das 
Märchen  von  dem  Sack,  in  den  alles,  selbst  der  Teufel 
springen  mnss.     S.   olien  [S.  30o]  zu  Xr.  7. 

15.    Das  Rätsel. 

Vgl.  Campbell  Xr.  22  (im  Auszug  im  Orient  und  Occ.  272 
2,o20  =  oben  218):  Grimm,  KHMXr.  22:  Vernaleken,  Kimlerm. 
Nr.  36;  Zingerle,  Sagen,  Märchen  und  Gebräuche  aus  Tirol 
S.  -1:3()  [De-Gubernatis  no.  24,  Ortoli  [).  123.  Xerucci  uo.  li», 
Neoell.  \h>dlEKra  1,  no.  7,  M.  Moe,  Indberetning  S.  18, 
Bondeson  Sv.  F.  no.  ()3,  Luzel  3,  320,  Wossidlo  1,  no.  97!)]. 
Im  gälischen  Märchen  lautet  das  Rätsel:  „Einer  t<)tet  zwei, 
und  zwei  töten  zwölfe,  und  zwTilfe  vieruiidzwanzig,  und  zwei 
kamen  davon":  im  Grimmschen:  „Einer  schlug  keinen,  und 
schlug  doch  zwölf":  im  österreichischen:  „Eins  schlägt  zwölf, 
zwölf  schlagen  neunundvierzig"  :  im  tiroler:  „Eins  tötet  drei, 
drei  töten  zw('ilf".  Ueberall  liegt  dem  Rätsel  der  Vorfall  zu 
Grunde,  dass  Raben  v(m  einem  vergifteten  Pferd  fresjsen  nnd  273 
sterben,  und  dass  das  Essen  der  toten  Raben  den  Tod  von 
Menschen  (Räubern)  verursacht.  Das  zweite  Rätsel  des  ita- 
lienischen Märchens:  „Ich  war  auf  der  dagd,  habe  geschossen 
und  das  Futteral  erwischt,  was  ist  dieses?"  kommt  nur  noch 
im  gälischen  V(U%  wo  es  lieisst:  „i(di  sclioss  einen  schönen 
Hasen  und  nahm  ihm  das  Fell  und  Hess  ihn  gehen!"  Wie 
nämlich  im  italienischen  der  Rauernbnrsche  der  Königin  das 
Hemd  genommen  hat.  so  hat  im  gälischen  der  Königssohn 
der  Ritterstochter  den  Plaid  genommen.  [Vgl.  Dozon  no.  2(1, 
Coelho  no.  38,  Xerucci  no.  50.]  Bei  (irimm  fehlt  das  zweite 
Rätsel,  doch  ist  es  wahrscheinlich  auch  ursprünglich  da- 
gewesen,   denn    der    K(inigssohn    behält    hier    den  Mantel   der 

R.   Kühler,   Kl    Scliriften    I.  21 


322  2ur   Märchentorschung. 

Köuigstücliter  zurück  und  beweist  damit,  dass  die  Königs- 
tochter bei  ilim  gewesen  ist;  ebenso  wahrscheinlich  auch  im 
österreichischen  Märchen,  wo  der  Königssohn  den  Ring  der 
Prinzessin  beliält.  Im  tiroler  Märchen  wird  dem  Rätselgeber 
die  Aufbisung  des  Hätsels  gar  nicht  heimlich  entlockt;  die 
Prinzessin  kann  das  Rätsel  nicht  lösen.  Man  vgl.  auch 
Dietrich,  Russische  Volksmärchen  S.  16(S,  Vogl,  Volksmärchen 
der  Russen  S.  8!).  [Paspati  uo.  1.  Persische  Erzählung  im 
Johanues-Album,  Chemnitz  1S57,  2,  57.] 

IG.    Der  standhafte  Büsser. 

275  Man    vergleiche    hierzu    meinen   Aufsatz:     „Die   Legende 

von  dem  Ritter  in  der  Kapelle",  im  .lahrbucli.  Hd.  (i,  S.  326  ff. 

17.    Die  grössere  Lüge. 

277  Die    Märchen    von    Lügenwetten  sind  nicht  selten,    die 

meisten  schliessen  aber,  abweichend  vom  venetianischen,  da- 
mit, dass  der  eine  Lügner  etwas  erzählt,  was  den  andern  an 
seiner  oder  seiner  Eltern  Ehre  kränkt,  weshalb  er  „Du  lügst!" 
ausruft  und  so  die  Wette  verliert  [Luzel  H.  447  |.  In  mehreren 
dieser  Märchen  erzählt,  wie  im  vejietianischen,  der  eine 
Lügner,  dass  er  an  einer  himmelholien  Pflanze  bis  in  den 
Himmel  gestiegen  sei.  hernach  an  einem  Seil  sich  herab- 
gelassen habe,  zuletzt  aber,  da  das  Seil  zu  kurz  gewesen. 
herabgesi)ruugeii  mid  dabei  tief  in  die  Erde  gesunken  sei, 
worauf  er  rasch  luich  Hause  gelaufen,  sich  eine  Axt,  Spaten, 
Schaufel  oder  dergl.  geholt  und  damit  herausgearbeitet  habe. 
Siehe  (irimm,  KHM  Ikl.  H.  S.  li).]  (Anm.  zu  Nr.  112);  Ver- 
naleken,  Kinderm.  Nr.  4:);  Schleicher  S.  37;  AVuk  Nr.  44; 
Vogl,  Slavouische  Volksm.  S.  ')\.  [Strackerjau  2.  2!)S.  Luzel. 
('iu(|uieme  rai)p.  [).  43,  Sebillot  '2.  uo.  3;").  Coelho  no.  ')7. 
Janson  uo.  Ki,  Kristensen  2,  no.  38,  39,  40,  Kamp  D.  F. 
p.  8.  337,  Bondesou  Sv.  F.  uo.  2S  mit  Nyrops  Anzeige  Sv. 
landsraalen   "2,    CLV.|     \'gl.    auch    Wolf,    Deutsche    Märchen 

27s  Nr.  1*>.  „Jan  im  Himmel",  wo  j  jedoch  keine  Lügenwette  vor- 
kiunmt,  sondern  das  ganze,  wie  (irimm  Nr.  112,  eben  als 
(ieschichte    erzählt    wird.     [Müller,    Siebenb.  Sagen  no.   174.] 


l!i.     AiiiiiiTkiuiiiXMi   zu  WidtLT   und  Wolf  Nr.   lH— is.  ;^-)o 

In  dem  luirwctiisclieii  Märrlicii.  AsIijöriLseii  iio.  ."JH.  steigt  der 
Lügner  an  einer  Tanne  in  den  Himmel,  aber  das  Wieder- 
herahsteigen  n.  8.  w.  fehlt:  desgl.  bei  Arüllenhofi"  S.  15;^,  wo 
der  Lügner  an  Buchweizen  in  den  Himmel  steigt.  In  der 
iieugrieehisc'hen  Lügeiiwette  hei  Hahn,  ^'r.  51),  steigt  der 
Lügner  an  einer  Kürhisptlauze  in  den  Himmel  und  wieder 
herah.  —  l(di  hebe  noch  hervor,  dass  die  in  den  Himmel 
wachsende  Pflanze  nicht  blos  im  venetianischen,  sondern  auch 
im  litauischen  und  im  deutschen  Märchen  bei  Wolf  eine 
Bohne  ist.  Auch  in  Märchen,  die  keine  Lügeumär(dien  sind, 
kommt  die  himmelhohe  Bohnen^jHanze  vor,  siehe  meine  Be- 
merkung im  dahrbuch.  Bd.  5,  S.  23  [=:  oben  S.  108].  — 
Endli(-h  ist  noch  zu  bemerken,  dass,  wie  im  venetianischen 
iMärchen  der  erste  Lügner  davon  ausgeht,  dass  er  eine  ver- 
misste  Biene  sucht,  so  auch  in  der  Lügenwette  bei  Haltrich 
Nr.  ÖC  [no.  öS  und  .V.)  der  -1.  Aufl.,  Straekerjan  2,  ^Oi».  Se- 
billot].  und  I)ei  Wuk  \r.  44.  eine  lliene  gesucht  wird. 
Vgl.  auch  das  ossetische  Lügeuinärchen  bei  A.  v.  Haxthauseu 
,,Transkaukasia'-'.  Bd.  2.  S.  40.  —  In  dem  Lügenmärchen 
aus  der  Bukowina  in  Wolfs  Zeitschrift  für  deutsche  Mvtho- 
logie  Bd.  2.  S.  201.  kommt  die  himmelhohe  Pflanze  nicht  vor, 
wohl  aber  das  der  Lügner  nach  Hause  läuft,  um  sich  eine 
Hacke  zu  Inden.  mit  der  er  sich  aus  einem  Bauudoch  heraus- 
haut. [Miklosich.  Beitrag  zur  Kenntnis  der  Zigeunermund- 
ju-ten  4.   14.] 

IS.  Die  beiden  (Tevatteru. 
In  Bezug  auf  die  Esel  seier  vergl.  man  die  Schwanke  28-J 
bei  Meier,  Deutsche  Sagen,  Sitten  und  (Jebriiuche  aus  Schwa- 
ben Nr.  404.  Birlinger.  Volkstümliches  aus  Schwaben.  Bd.  1. 
S.  A'M),  448.  44.').  und  ScJimitz.  Sitten  und  Sagen  des  Eitler 
Volkes.  Bd.  1,  S.  104  [Frey,  (iartengesellschaft  ed.  Bolte 
S.  214].  Die  Schalkheit  mit  dem  Wolf,  der  die  Schafe  be- 
springen soll,  findet  sich  in  einem  gascoguischen  Märchen, 
wo  aber  dem  Wolf  eine  AVidderhaut  umgehängt  ist.  siehe 
Jahrbuch,  5,  12  und  Orient  u.  U(;c.  2,  502  [oben  S.  91.  24S: 
Müllenhott"  S.  459,  Wolf,  Sachs.  Hausfreund  1SS;3,  85].  Dem 
Hasen  Portalettere    entspricht  das  Kaninchen  in  dem  von 


324  ^ui"  ^rärc'henfui'f>cluuig. 

Diir  im  Orient  u.  Occ.  3,  350  [oben  S.  '258]  besprochenen  itali- 
enischen Volksbuch  vom  Bauer  Campriano  und  die  Ziege 
Scarpaficos  bei  Straparola  1,  ^5 :  vgl.  (Orient  u.  Occ.  '2,  503 
[oben  h^.  241);  Revue  des  laugues  rom.  3,  3<S(),  Dozon  p.  24, 
Schulenburg,  Wend.  Volkstum  S.  41J.  —  Der  Sehluss  des 
Schwankes  kommt  in  fast  ganz  gleicher  Weise  in  zwei  litaui- 
schen Märchen  vor  (siehe  meinen  Aufsatz  im  Orient  u.  Occ, 
2,  500;  oben  245),  wo  ebenfalls  die  Ueberlisteten  dem  Listigen, 
der  sich  tot  stellt,  eine  letzte  Ehre  anthun  wollen,  dabei  aber 
von  ihm  mit  einer  bereit  gehaltenen  Schere  arg  verstümmelt 
werden  [Scliulenburg,  Wend.  Volkstum  S.  41]. 

19.    Die  Männer  von  Cogolo  ^). 

286  Der    Schwank    von    dem    Wachsen    des    Kirchturms    hat 

Aelmlichkeit  mit  dem  Schwank  vom  Fortrücken  der  Kirch- 
mauern, der  von  mehreren  deutschen,  ihrer  Narreustreiche 
wegen  verrufenen  Orten  erzählt  wird.  Hier  wird  immer  ein 
Rock  oder  dergleichen  als  Zeichen,  bis  wohin  die  Mauer  ge- 
schoben werden  soll,  hingelegt.  Ein  Schlaukopf  nimmt  dann 
den  Rock  an  sich,  und  die  Narren  denken,  die  Mauer  sei  auf 
den  Rock  geschoben  worden.  Man  sehe  Müllenholf,  Sagen  etc. 
Nr.  110,  Schmitz,  Sitten  und  Sagen  des  Eitler  Volkes  Bd.  1, 
S.  103,  Niederhötfer,  Mecklenburgs  Volkssagen  Bd.  4,  S.  145, 
Birlinger,  Volkstümliches  aus  Schwaben  Bd.  1,  S.  449  [Cha- 
pelot,  Contes  balzatois  p.  17,  Blade  3,  135,  Häuften,  Gott- 
schee  S.   121]. 

Der  andere  Schwank  von  den  Männern  von  Cogolo  er- , 
innert  an  die  Sch(")ppenstädter,  die  sich  in  Braunschweig  in 
der  Apotheke  ein  (xewitter  verschreiben  lassen  und  dort  eine 
Schachtel  voll  Bienen  erhalten,  an  die  Mistelgauer.  die 
von  Nürnberg  sich  den  Frühling  holen  wollen  und  eine 
Schachtel  mit  einer  Hummel  erhalten,  und  an  die  Hornusser, 
Bopfinger,  Emeringer  und  Jühuder,    die   in  Basel  oder  Nörd- 


^)  Cogolo,  ein  Ort  am  Fuss  der  IJerge,  auf  denen  die  Dörfer  der 
sieben  deutschen  Gremeinden  stehen.  Cogolo  hat  eine  alte  Pfarre  und 
eine  Kirche  zum  heil.  Christof,  welche  14514  umgebaut,  1717  ganz  neu 
und  grösser  aufgebaut  wurde. 


i;i.    Annierkuiigen   zu  Widtei*  uml  Wolf  Xr.   19  —  21.  325 

lingeu  oder  Zwiefalteii  oder  Güttiugeii  gut  Wetter  verlangen 
und  denen  man  eine  Schachtel  mit  einer  Hornisse  oder  einer 
Hummel  oder  einem  Vöglein  giebt.  Siehe  Kuhn  und  Schwartz, 
Norddeutsche  Sagen  S.  150,  Panzer,  Bayerische  Sagen  und 
und  Bräu(;he  Bd.  2.  S.  173  und  564,  Birlinger  Bd.  1,  S.  437 
und  44(5  [Schambach  u.  ^liiller  S.  244]. 

2t).    Die  bestolilenen  Diebe.  287 

•21.    Die  Eselsleiehe  1).  288 


20.   Italienische  Volksmärchen. 

(Jalirbueli   für  roman.   Litteratiir  s,  241—270.    1867.) 
I. 

Die  nachstehenden  drei  italienischen  Volksmärchen  ver-  241 
danke  ich  der  freundlichen  Mitteilung  des  Herrn  Dr.  Herman 
Grimm  in  Berlin.  Ein  siebzehnjähriger,  sehr  schöner  junger 
Mensch  aus  der  Gegend  von  Sora  im  Neapolitanischen,  welcher 
den  Malern  in  Rom  als  Modell  diente,  hat  sie  ihm  im  Fe- 
bruar lS6o  in  Rom  erzählt  und  versichert,  noch  viele  andere 
zu  kennen.  Herr  Dr.  (irimm  scliickte  die  Märchen  noch 
von  Rom  aus  an  seinen  Oheim  Jacob  Grimm,  der  jedoch  — 
er  starb  bekanntlicli  schon  im  September  dessell)en  Jahres  — 

')  Erinnert  an  eine  ähnliche  Geschichte,  welche  einem  Bauern- 
burschen zu  Kaltem  in  Tirol  den  Spitznamen:  Ai  Jesses  (O  Jesus!) 
einbrachte.  Drei  von  ihnen  hatten  als  "Wilderer  einen  Hirsch  geschossen, 
auch  in  einen  Sack  gesteckt  und  verborgen,  bis  es  Xacht  war,  wo  sie 
den  Sack  nach  Hause  trugen;  ein  Xachbar  aber  hatte  ihnen  zuge- 
sehen, den  Hirschen  herausgenommen  und  einen  toten  Esel  dafür 
hineingesteckt.  Als  sie  nun  zu  Hause  den  Sack  aufbanden,  waren  das 
erste,  was  herauskam,  die  beschlagenen  Hinterfüsse  des  Esels.  „Ai 
Jesses!"  riefen  sie.  „da  haben  wir  gar  einen  Hirschen  mit  Hufeisen  ge- 
schossen." 


326  Ziii"  MärflientVirsi'luuii;-. 

von  iliiieii  keinen  öffentlichen  Gebrancli  gemacht  hat.  Durch 
die  Erscheinung  der  Volksmärchen  ans  Venetien  in  diesem 
Jahrbuch  (Bd.  7)  dazu  veranlasst,  teilte  mir  Herr  Dr.  Grimm 
die  von  ihm  aufgezeichneten  Märchen  in  zuvorkommendster 
Weise  mit  und  stellte  sie  mir  ganz  zur  Verfügung.  P^s 
schien  mir  am  angemessensten,  sie  an  dieser  Stelle  bekannt 
zu  machen  mit  Beifügung  von  Verweisungen  auf  verwandte 
Märchen. 

1.    Die  drei  lirüder  und  die  drei  befreiten 
Königstöchter  ^). 

24(>  Ks  ist  dies    eine   manche    ganz   eigentümliche  Züge    ent- 

haltende Variante  zu  den  Märchen,  welche  ich  in  diesem 
Jahrbuch  7.  24  [oben  21)2]  Widter-Wolf  Nr.  4  zuzusammeuge- 
stellt  habe  und  zu  denen  auch  noch  das  H.  Märchen  des 
Siddhi-Kür  (S.  l(i  f.  der  Uebersetzung  von  Jülg)  und  ein 
burätisches  im  Archiv  für  wissenschaftliche  Kunde  von  RuSkS- 
land,  Bd.  25,  S.  51  gehören.  —  In  Bezug  auf  die  beiden 
Hunde  vgl.  man  das  im  Jahrbuch  7.  128  (Widter-Wolf  Nr.  8) 
mitgeteilte  italienische  3Iärclien  vom  Drachentöter  und  meine 
Bemerkungen  dazu   [oben  S.   'M)'.]\. 

•-2.    Der  Yertriig"  zwischen  Herren  nnd  Diener  wegen 
der  Rene. 

2.J0  Das  Märchen  von  dem  Vertrag  zwischen  dem  Herrn 

und  dem  Diener,  dass,  wer  zuerst  über  das  Dienstverhältnis 
Reue  empfindet  oder  —  wie  es  gewöhnlich  heisst  —  über 
den  andern  zornig  wird-),  mit  seiner  Haut  dafür  büssen  soll, 
ist  weit  verbreitet.  Vgl.  v.  Hahn  Griechische  und  albanes. 
M.  Nr.  11  und  Nr.  34,  Schott  Walachische  M.  S.  229,  Wenzig 
Westslavischer  Märchenschatz  S.  ö.  Schleicher  Litauische  M. 
S.  45,  Pröhle  Märchen  für  die  Jugend  Nr.  IG,  Zingerle  Kinder- 
und  Hausmärchen  Bd.  2,  S.  223,  Asbjörnsen  und  Moe  Norske 
Folkeeventyr  S.  31)4  und  3i)(i,  ('a,m[)bell  Populär  tales  of  the 


^)  [Abgedruckt  von  Imbriaui,  >'ovellaja  fiorontina   1877  p.  74.] 
-)  ,"Wer  zuerst  Reue  enii)liiidet',  Campbell  Xr.  45,  Hahn  Nr.  34. 


20.     Italieiiifirlic    VolUsiniirclien    ((iriinm   ^.'r.   12.)  ;^27 

West  Highlaiitls  Nr.  45.  [Oben  S.  141)  zu  Luzel  lu».  e.J  Im 
it.Uieuischeu  Märclieii  soll  nach  dem  Vertrag  der  Reuige  ge- 
scliundeu  werden;  die  meisten  andern  Märehen  begnügen  sich 
(himit.  dass  dem  Reuigen  oder  Zornigen  ein  oder  drei  Riemen 
aus  dem  Rücken  geschnitten  werden:  in  dem  mäliriseli-wala- 
clnschen  bei  Wenzig  soll  der  Zornige  die  Nase,  in  den 
deutschen  die  Ohren  verlieren.  Wie  im  italienischen  Märchen 
drei  Brüder  auftreten,  von  denen  die  älteren  unglücklich  sind, 
so  auch  in  den  anderen  Märchen,  mit  Ausnahme  des  griechi- 
srhen  [  Nr.  34,  des  walachischen,  des  einen  norwegischen  251 
(Asbiörnsen  S.  394),  des  tirolischen  und  des  gälischen. 

Von  den  Streichen,  durch  welche  der  Diener  die  Reue 
oder  den  Zorn  des  Herrn  zu  erregen  sucht,  kommen  manche 
ganz  gleich  oder  wenigstens  ähnlich  in  verschiedenen  Märchen 
vor.  andere  sind  den  einzelnen  Märchen  eigentümlich.  Dies 
näher  zu  erörtern  würde  hier  zu  weit  führen:  einiges  habe 
ich  übrigens  bereits  im  Orient  und  Occident  "2,  (iSH  f.  ^)  be- 
merkt. Hier  genügt  es,  die  Frage  zu  beantworten,  ob  die 
in  unserm  italienisclien  Märchen  erzählten  Streiche  auch  in 
andern  vorkommen . 

AVenn  der  Knecht  im  italienischen  Märchen,  beauftragt, 
Holz  zu  fällen,  im  Garten  eines  Nachbarn  Weinstöcke  und 
Bäume  umhaut,  so  ist  dies  ein  sonst  nicht  vorkommender 
Zug.  [Vgl.  Webster  S.  0.  11.]  Dagegen  wenn  er  die  Schweine 
bis  auf  die  Ohren  und  Schwänze  verkauft.  Obren  und 
Schwänze  in  die  Krde  steckt  und  seinem  Herrn  sagt,  die 
Schweine  seien  so  dick  und  schwer  geworden,  dass  sie  in 
die  Erde  gesunken  seien,  so  kommt  dieser  Zug  ganz  so  in 
dem  Märchen  bei  Pröhle  vor,  wo  Hans  die  Kühe  seines  Herrn 
einem  vorübergehenden  Fleischer  bis  auf  die  Schwänze  ver- 
kauft, die  er  in  einen  Morast  steckt.  In  dem  einen  nor- 
wegischen Märchen  (Asbjörnsen  S.  396)  treibt  der  Bursche 
die  Schweine,  die  er  hüten  soll,  zu  seinen  Eltern,  nur  eins 
gräl)t  er  in  einen  Morast  so  ein.  dass  nur  Borsten  hervor- 
ragen,   nnd   behauptet,    die    Schweine    seien    alle   im    Morast 

')  S.  683  Z.  12  V.  u.  lies  statt  ,soll  dem  andern':  ,dom  soll  der 
andere'.     [Oben  S.  262.] 


328  2^"'  Märclienforschun^'. 

versunken.  In  einem  andern  norwegischen  Märchen  (S.  39.3) 
treibt  der  Diener  eines  Riesen  dessen  Schweine  ebenfalls  zu 
seinen  Eltern,  aber  nachdem  er  ihnen  die  Scliwänze  abge- 
schnitten, steckt  er  diese  in  die  Erde  und  ruft  dem  Riesen, 
zu  kommen  und  zu  sehen,  wie  seine  Schweine  in  die  Hölle 
führen.  [(lonzenbach  no.  37.  Arnason-Poweiri,  550.  Webster.] 
Dass  der  Herr  seinen  Diener  mit  der  Herde  in  den 
Wald  schickt,  damit  ihn  dort  der  .Urco-  fresse,  kommt  in 
keinem  andern  der  erwähnten  Märchen  vor.  [Webster.]  Dieser 
Teil  des  italienischen  Märchens,  das  Abenteuer  mit  dem  Urco, 
ist  eine  Variante  des  vielverbreiteten  Märchens  von  dem 
dummen  Riesen  oder  Teufel  und  dem  schwachen,  aber  ] 
252  schlauen  Menschen,  der  jenem  ungeheure  Stärke  vor- 
spiegelt, über  welches  ich  im  Orient  und  Occident  2,  683 
und  in  diesem  Jahrbuch  5.  7  f.  und  7.  K!  [oben  S.  262,  85,  290] 
Nachweise  gegeben  habe.  [(ioiizeiibach  no.  41  und  Zs. 
d.  V.  f.  Volksk.  6.  76.  Gianandrea  no.  7,  Schneller  no.  53. 
54,  Archivio  3.  533.  Cosquiu  no.  25.  Veckenstedt.  Wend. 
Sagen  S.  (i>>  und  Verb,  der  Berliner  (Jes.  f.  Authropol.  1877, 
102,  Mitt.  der  litau.  litt.  Ges.  2.  83.  Kamp.  D.  M.  p.  233, 
Bergh,  Sogur  S.  21,  Soge -Bündel  S.  28,  Winter -Hjelm 
S.  164.]  In  den  meisten  Fassungen  dieses  Märchens  —  näm- 
lich in  <len  im  Jahrbuch  5.  8  angeführten,  bei  Zingerle  1, 
Xr.  29  und  bei  v.  Hahn  Nr.  18  —  kommt  vor.  dass  der 
schlaue  Mensch  aus  einem  Käse,  den  der  Riese  aber  für 
einen  Stein  hält.  Wasser  herausdrückt  und  dadurch  dem 
Riesen  gewaltig  imponiert.  Im  italienischen  Märchen  finden 
wir  zwar  au<'li  einen  Käse,  aber  in  anderer  Verwendung.  — 
Wenn  im  italienischen  Märchen  der  dritte  Bruder  zum  Urco 
sagt,  er  wolle  den  ganzen  Wald  mit  einem  Seil  umbinden 
und  auf  einmal  umreissen.  so  vgl.  man  dazu  Haltrich  Nr.  27, 
Grimm  KH.Al  3.  33S  (serbisch).  Wolfs  Zeitschrift  2,  204  (aus 
der  Bukowina),  v.  Hahn  Nr.  23,  Campbel]  2,  314.  [Gianan- 
drea, Schneller  no.  53,  54,  Webster,  Cerquand.]  (Bei  (irimm 
KHM  Nr.  183  fragt  der  Schneider:  , Warum  nicht  lieber  den 
ganzen  AVald  mit  einem  Streich?')  —  Auch  der  Zug,  dass 
der  Mensch,   den   der  Riese  des  Nachts   erschlagen  zu   haben 


20.    Italienische  Vulksniiirclien   ((iriiiiiii   Xr.  2).  ;}-2i) 

meint,  am  ^lorm'ii  erkliirt.  e.s  hätteit  iliii  Nachts  Flölie  ge- 
bi.sseiu  timlet  sich  nicht  aHeiii  im  italienischen  Märchen,  son- 
dern auch  in  dem  eben  erwähnten  aus  der  Bukowina,  hei 
V.  Hahn  Nr.  IS,  Hylten-Cavallius  Schwedische  Volkss.  u.  M. 
S.  6,  Meier  Volksmärchen  ans  Schwaben  Nr.  'M,  Mülleuhoft' 
Sagen  et(^  S.  445.  In  dem  griechischen  Märchen  Nr.  '23  bei 
V.  Hahn  sagt  der  Held,  es  hätten  ihn  Schnaken  gestoclien: 
in  dem  persischen  bei  Kletke  .Märchensaal  3,  .VT.  ein  Unge- 
ziefer ]ial)e  siebenmal  mit  seinem  Flügel  ant'  seine  Decke 
geschlageu:  in  dem  englischen  bei  Halliwell  Populär  rhymes 
and  nursery  tales  S.  67,  eine  Ratte  habe  ilm  mit  ihrem 
Schwanz  geschlagen.  Vgl.  auch  Grimm  D.  Myth.  S  508  f. 
[Bartsch  1.  501,  Bergh  S.  "24,  Winter-Hjelra,  Kamp,  Brueyre 
p.  17,  De  Nino  n(».  4H,  Gianandrea,  Schneller  no.  58. 
AVebster.l  —  Das  Werfen  um  die  Wette  kommt  in  den 
meisten  hierher  gehörigen  Märchen  vor.  aber  meist  in  der 
Art.  dass  der  Kiese  einen  Stein,  der  Mensch  einen  Vogel 
wirft.  Vgl.  Jahrbuch  5,  7  [oben  S(5j  und  v.  Hahn  2.  212. 
Das  italienische  Märchen  ist  hier  durchaus  originell,  ebenso 
in  Bezng  auf  die  fünf  [.^öcher  in  dem  Banm. 

Während  in  unserm  italienischen  ^lärchen  die  Geschichte 
von  dem  dummen  Kiesen  und  dem  schlauen  Menschen  in  die 
(ieschiclite  von  dem  Vertrag  zwischen  Herrn  und  Diener  ein- 
getlochten  ist,  sind  beide  merkwürdigerweise  auch  in  dem  j 
gälischen  Märchen  (Campbell  Nr.  45)  verbunden,  jedoch  ganz  253 
lose.  [Ebenso  bei  Webster  S.  6,  Arne  S.  (53,  Soge -Bündel 
S.  2S.]  Der  Diener  wird  dort  nicht  von  dem  Herrn  zum 
Riesen  geschickt,  sondern  geht  von  selbst  zu  diesem,  nach- 
dem er  seinen  vorherigen  Herren  zur  Reue  gebracht  und  ihn 
verlassen  hat.  Endlich  sind  in  zwei  norwegischen  Varianten 
des  Märchens  vom  dummen  Riesen  und  dem  schlauen  Menschen 
(Asbjörnsen  S.  IM)'^  und  3i)4)  Elemente  ans  dem  Märehen 
von  dem  Vertrag  zwischen  Herrn  und  Diener  aufgenommen 
nnd  in  einem  schwedischen  Märchen  (Hylten-Cavallius  S.  9) 
droht  der  Riese  dem  Hirtenknaben,  falls  er  nicht  nach  seinem 
Sinn  sei,  ihm  drei  Riemen  aus  dem  Rücken  zu  schneiden. 


330  Zur  Märclienforscliuntf. 

8.    Der  (ifriiKlkopf. 

256  Mit  diesem  italienischen  Märchen  sind  folgende  nicht- 
italienische  zu  vergleichen:  v.  Hahn  2.  197,  2.  Variante, 
Sommer  S.  131.  Vernaleken  österreichische  Kinder-  und  Haus- 
märchen \r.  <S,  Ashjörnsen  und  Moe  Nr.  14,  Zingerle  1,  Nr.  32, 

2,  .S.  lux,  Grimm  Nr.  13(),  Schamha(;h  und  Müller  S.  278. 
[Gonzenbach  no.  2()  und  Zs.  d.  V.  f.  V(tlksk.  (>,  6!),  Cosquin 
no.  12.  Jagic,  Südslav.  M.  uo.  17,  Brugman  no.  9,  Pogatsch- 
nigg,  Carinthia  1865,438,  Peter  2,  1S(I.  1S5,  (Haltrich  no.  11. 
15.)  Schneller  no.  20,  De  Nino  no.  45.  Finamore  no.  18, 
Ortoli  p.  108  (sehr  entstellt),  Webster  p.  111.  Sebillot.  Contes 

3,  no.  9,  Volkskunde  3,  110,  Roumanian  F.  T.  p.  27,  Schreck 
no.  15.  (Suaheli-T.  p.  381).  Nicht  hierher  gehört  , Grind- 
köpfchen' bei  Colshorn  no.  15.]  Das  griechische  Märchen 
und  das  deutsche  bei  Somiuer  beginnen,  wie  das  italienische, 
damit,  dass  kinderlose  Eltern  ein  Kind  wünschen.  Im 
griechischen  verschafft  es  ihnen  ein  Drakos,  im  deutschen 
ein  graues  Männchen.  In  bei<len  wird  dann  der  herange- 
wachsene Knabe  entführt,  findet  in  dem  Schloss  seines  Ent- 
führers in  einem  ihm  verbotenen  Gemach  ein  Ross.  ent- 
Hieht  mit  diesem,  wird  Gärtnerbursche  bei  einem  König, 
erwirl)t  die  Liebe  der  Königstochter  und  endlich  auch  die 
(lunst  des  Königs,  nachdem  er  mit  Hilfe  des  liosses  des 
Königs  Feinde  besiegt  und  —  doch  nur  im  griechischen 
Märchen  —  vorher  für  des  K(inigs  Augen  ein  Heilmittel 
(Hirschmilch)  herbeigeschafft  hat.  In  beiden  Märchen  findet 
sich  aber  auch  der  vergoldete  Finger  und  das  vergoldete 
Haupthaar.  Im  deutschen  Märchen  ist  dem  Jüngling  näm- 
lich auch  verboten,  au  den  Brunnen  im  Schlossgarteu  zu 
gehen.  Er  übertritt  aber  das  Gebot  und  steckt  den  Finger 
ins  Wasser,  der  dadurch  g(dden  wird  und  den  er  mit  einem 
Läppchen  umwickelt.  Das  graue  .Männchen  verzeiht  ihm 
diese  erste  L'el)ei'tretnng.  Bevor  der  Jüngling  dann  flieht, 
muss  er  auf  (b-n  iJat  des  Hosses  sein  Haar  in  dem  Brunnen 
waschen,  als  Gi'irtner  aber  es  mit  einem  Tuch   verhüllen,  da- 

257  mit  es  nicht   bald  Gesehen  werde.     Im  I  griechischen  IMärchen 


20.     ItiilicniMlic  VdlkMiiiirclicn    ((irimiii   Nr.   3).  ',Y;\\ 

taucht  der  .Iriiii^liii^  den  Fiiii-er  in  eine  goldene  Pfütze,  welche 
vor  der  ihm  verhdtenen  Kammer  sich  befindet,  uml  umwickelt 
ihn  dann:  der  Drakos  aber,  sobald  er  das  sieht,  packt  ihn 
und  taucht  ihn  i;;iiiz  in  die  Pfütze,  so  dass  er  am  ganzen 
Leibe  gohlen  wird.  Als  (hnin  (b'r  düngling  ilieht,  ruft  ilim 
der  Drakos.  (l^'V  ihn  verfolgt,  abei-  nicht  erreichen  kann,  noch 
zu,  sich  in  dem  Lande,  wohin  er  komme,  in  die  Haut  eines 
alten  Manm-s  zu  stecken.  w;is  dami  auch  der  düngling  thut.  — 
Das  österreichische  Märchen  i)ei  Vernalekeu  beginnt  da- 
mit, dass  ein  rliiger  einem  sehr  armen  Mann  ein  Säck(dien 
voll  (J((ldstücke  giebt  unter  der  Rediiigiuig,  dass  er  nach 
II  dahren  das  holen  dürfe,  was  der  arme  Mann  denselben  Tag 
zu  Mause  finden  werde.  Zu  Hause  findet  der  Mann,  dass 
seine  Frau  einen  Sohn  geboren  hat.  r)er  däger  holt  den 
Knaben  naidi  I>  -lahren  und  trägt  ihn  in  sein  Schloss.  Einst 
verreist  er  und  verl)ietet  ihm  in  der  Nähe  eines  Teiches  im 
Schlossgarten  zu  gehen.  Der  Knabe  thut  es  aber  do(di  und 
steckt  einen  Finger  ins  Wasser,  den  er  vergoldet  wieder  her- 
auszieht und  umwickelt.  Der  zurückkehrende  däger  peitscht 
den  Ungehorsamen  durch.  Hierauf  das  Verbot  eines  be- 
stimmten Zimmers,  die  Lebertretung  des  Verbots  uml  damit 
zusammenhängend  die  Flucht  auf  einem  verwünschten  Schimmel. 
Die  Vergoldung  des  Haupthaars  fehlt.  Der  inzwischen  zum 
Jüngling  gewMU'dene  Knabe  tritt  bei  einem  König  in  Dienst 
als  Gärtner.  Aeludich  wie  im  grieschischen  Märchen  wird  der 
König  krank  und  kann  nur  durch  AVolfs-,  Bären-  und  Hirscli- 
milch  geheilt  werden.  Der  Jüngling  schafft  mit  Hilfe  des 
Schimmels  die  Milch  herbei  und  erhält  die  Hand  der  Königs- 
tochter. —  Im  uorw^egischen  Märchen  fehlen,  wie  im  öster- 
reichischen, die  kinderlosen  Eltern.  [Berntsen  1,  Nr.  4.]  Ein 
armer  AVitwensohn  zieht  aus  und  findet  einen  Dienst  bei 
einem  fremden  Mann,  in  dessen  Wohnung  ihm  vier  Kammern 
verboten  sind.  In  einer  derselben  findet  er  einen  ohne  Feuer 
kochenden  Kupferkessel  und  taucht  seineu  Finger  hinein,  der 
dadurch  vergoldet  wird  uiul  den  er  mit  einem  Läppchen  um- 
wickelt. Der  Mann  vergiebt  ihm  diese  Lebertretung,  sowie 
zwei    frühere.      In   der   vierten    Kammer  findet    er    ein    Boss, 


;>3'2  Zur  Märeheuforscluing. 

;iuf  dessen  Rat  er  sich  in  dem  Kessel  waschen  niuss,  wodurch 
258  er  schöner  nnd  kräftiger  wird.  Hier-|auf  entflieht  er  auf  dem 
Rosse.  Durch  eine  Perrücke  von  Moos,  die  ihm  das  Ross 
anfertigen  heisst,  arg  entstellt,  tritt  er  bei  dem  Gärtner  eines 
Königs  in  Dienst.  Die  Perrücke  erklärt  er  nicht  ablegen  zu 
können  mit  den  Worten:  ,Jeg  er  ikke  rigtig  reen  i  Hovedet'. 
Die  Königstochter  verliebt  sich  in  ihn.  und  er  wird  ihr  Ge- 
mahl, nachdem  er  mit  Hilfe  des  Rosses,  anfangs  unerkannt, 
wie  in  dem  griechischen  und  in  dem  deutschen  Märchen  bei 
Sommer,  die  Feinde  des  Königs  besiegt  hat.  —  In  einer  nor- 
wegischen Variante  ist  dem  Jüngling  verboten,  sein  Haar  mit 
Fett  ans  dem  kochenden  Kessel  zu  schmieren.  Er  thut  es 
aber  doch,  und  dadurch  wird  sein  Haar  vergoldet.  Hierauf 
Flucht  u.  s.  w.  1).  —  Von  den  Tiroler  Märchen  steht  das 
eine  (2,  li)<S)  dem  österreichischen  und  dem  norwegischen 
nahe;  das  andere  hat  manches  besondere.  Ein  armer  Bursche 
tritt  bei  einem  uralten  Weibchen  in  Dienst.  Er  soll  weder 
in  den  Kessel  in  der  Küche  sehen,  noch  ein  gewisses  Käst- 
chen öffnen.  Er  blickt  aber  endlich  doch  in  den  Kessel,  und 
da  er  darin  nichts  zu  erkennen  vermag,  steckt  er  einen 
Finger  hinein,  der  dadurch  vergoldet  wird  und  den  er  mit 
einem  Läppchen  umbindet.  Hierauf  öffnet  er  au('h  das  Käst- 
chen und  findet  darin  ein  Zauberbuch,  welches  er  einsteckt. 
Indem  erscheint  die  Alte,  jagt  ihn  aus  der  Küche  und  wirft 
ihm  zornig  den  Kessel  an  den  Kopf,  so  dass  seine  Haare 
golden  werden.  Er  zieht  von  dannen  und  bedeckt  seine  Haare, 
damit  sie  nicht  beschmutzt  werden,  mit  einer  Raumrinde. 
Der  weitere  Verlauf,  wie  in  den  meisten  der  erwähnten 
Märchen:  er  wird  (iärtner  bei  einem  König,  besiegt  das  feind- 
liche Heer  und  heiratet  die  ihn  liebende  Königstochter.     [Lo 


')  In  dem  dänischen  Märchen  bei  Grrundtvig  2,  170  fehlt  das 
Verbot  eines  bestimmten  Gemachs  und  das  damit  zusammenhängende 
Vergolden  des  Fingers.  Hans  muss  sich  hier  auf  Rat  des  Rosses  vor 
der  Flucht  sein  Haar  mit  einem  gewissen  Kamm  kämmen,  und  dadurch 
wird  es  golden.  Als  (lärtnerbursche  verhüllt  er  es  mit  einem 
schmutzigen  Tuche  und  giebt  vor,  er  sei  grindig,  weshalb  man  ihn 
(irind-Hans  nennt.     [Vgl.  auch  Madsen  p.   76.] 


20.     ItaliL'iiiM'lie  Viilk-iiiih'clicii    ((iriiniii    Xr.  'A).  33') 

Küiulallayre  3.  ikl  1  (lielfeiider  Ksel).  Homeru  iio.  S.  3S.  Pi(» 
p.  17'.)  =  Misotakis  S.  1.  (irmidtvii;  im.  1').  Deuliii.  < 'diites 
du  rn\  Camhriims  p.  l.')l.|  Wiilireiid  in  dem  einen  Tiroler 
Märchen  an  Stelle  des  liilfreielien  verwünschten  Rosses  ein 
Zauberbuch  getreten  ist,  finden  wir  dafür  in  dem  ebenfalls 
hierhergehörigen  (Irimmschen  Märchen  Nr.  13(;i)  einen  ver- 
wünscliten  wilden  Mann.  Ein  Königssohn  |  lässt  nämlich  einen  2:/.) 
von  seinem  Vater  gefangenen  wilden  Mann  frei  und  geht  aus 
Furcht  vor  dem  väterlichen  Zorn  mit  ihm.  Im  Wald  führt 
ihn  der  wilde  Mann  zu  einem  Brunnen  und  befiehlt  ihm,  Acht 
zu  haben,  dass  nichts  hinein  falle.  Der  Knabe  taucht  aber 
unwillkürlich  seinen  Finger,  der  ihm  weh  thut,  hinein,  und. 
indem  er  sich  zu  tief  über  das  Wasser  bückt,  fallen  auch 
seiue  Haare  hinein,  der  Finger  und  die  Haare  werden  da- 
durch vergoldet.  Wegen  dieser  üebertretung  seines  Gebots 
entlässt  ihn  der  wilde  Mann,  verspricht  ihm  aber,  wenn  er 
in  grosse  Not  komme,  ihm  lielfen  zu  wollen.  Der  dünge 
dient  zuerst  —  wie  in  dem  norwegischen  und  dem  einen 
Tiroler  Märchen  —  bei  dem  Koch  eines  Königs,  wird  aber, 
weil  er  unter  dem  Vorwand,  einen  (irindkopf  zu  haben,  nie 
sein  Hütchen  abnimmt,  aus  der  Küche  verwiesen  und  (lärtner- 
junge.  Er  heiratet  endlich  die  Königstochter,  nachdem  er 
mit  Hilfe  des  wilden  Mannes  unerkannt  den  Feind  des  KTmigs 
besiegt  und  dreimal  einen  von  der  Prinzessin   ausgeworfenen 


')  Man  vgl.  Straparola  .5,  1,  Dietrich,  Russische  Yolksmilrcheii 
Xr.  10,  Vogl,  Die  ältesten  Yolksraärchen  der  Russen  S.  .55,  AValdau, 
IKiliiiiisches  Märchenlmch  Ö.  50,  Yulpius,  Ammenmärchen,  AVeiniar  1791, 
1,  17H,  Sommer  S.  8ö,  Zingerle,  Kinder-  und  Hausmärcheu  1,  Xr.  2.s  [und 
43  der  neuen  Auflage,  Mijatovics  p.  189,  "Webster  p.  22,  Pio  ]i.  179.| 
In    allen    diesen    Märchen    kommt    ein    gefangener    wilder    Mann  im 

russisclien:  ein  Räuber  —  vor,  den  ein  Knabe,  meist  ein  Ivönigssoliu. 
heimlicli  aus  seinem  Kei'ker  lässt,  und  die  Märchen  sind  auch  sonst 
fast  alle  dem  (rrimmschen  sehr  ähnlich,  aber  in  keinem  kommt  der 
vergoldende  Brunnen  vor.  In  dem  russischen  Märchen  Xr.  4  bei  Dietrich 
fehlt  der  wilde  Mann,  es  ist  aber,  davon  abgesehen,  dem  Märchen  bei 
Zingerle  sehr  ähnlich,  und  zwar  stimmen  beide  merkwürdigerweise  aucli 
darin  iil)erein,  dass  im  russischen  der  Held  sieh  ,Ich  weiss  nicht'  nennt, 
und  im  Tiroler  ,AVer  weiss  ?'  [Weissnitle  bei  Stier-Gaal  Xr.  S,  Brug- 
man  S.  541.  | 


334  '^^i'"  ^nii'i'lieni'iii'^i'liiiiig. 

Apfel  gefaugen  hat  ^).  —  Das  niedersächsiselie  Märclien 
bei  Schambach  u.  Müller  ist  sehr  entstellt.  —  Man  sieht  aus 
diesen  kurzen  Inhaltsangaben,  dass  das  italienische  Märchen 
bei  aller,  bald  grösseren,  bald  geringeren  Aehnlichkeit  mit 
jedem  der  nichtitalienischen  Märchen,  die  unter  sieh  näher 
verwandt  sind  als  mit  jenem-),  manche  ihm  allein  eigene 
Besonderheiten  hat.  ] 
260  Wenn  im  italienischen  Märchen  der  Jiingling   sich    einen 

Spiegel  kauft  und  hineinsieht,  nm  das  Herannahen  seines 
Todes  zu  erkennen,  so  erinnert  dies  an  das  serbische  Lied 
vom  Tod  des  Marko  Kraljewitsch  (Talvj  1,  240).  Die  Yila 
verkündet  dem  Marko,  dass  er  sterben  werde,  und  fordert 
ihn  auf.  ins  Gebirge  zu  einem  Brunnen  zu  reiten. 

„Neige  dich  hinab  aufs  Brunnenwasser, 
Dass  dein  Antlitz  du  im  Spiegel  schauest. 
Siebest  dorten,  wann  du  sterben  wirst!" 

Marko  that  nach  ihrem  Wort,  er  ritt  ins  (lebirg,  setzte  sich 
an  den  Brunnen  und 

Neigte  sich  hinab  ins  Brunnenwasser, 
Sah  im  Wasser  spiegeln  sich  sein  Antlitz, 
Und  er  sähe,  wann  er  sterben   werde. 

II. 

An  die  vorstehenden  drei  italienischen  Märclien,  welche 
also  gleich  denen  im  vorhergehenden  Bande  dieses  Jahrbuchs 
zuerst  von  Deutschen  gesammelt  und  veröft'entlicht  worden 
sind,  möge  sich  die  ^litteilung  einiger  italienischer  Märchen 
reihen,  welche  in  nenester  Zeit  von  Ita  lienern  anfgezeichnet 


')  Das  Auffangen  eines  A])fels  mit  dem  Sjieer  kummt  auch  in 
dem  bülimischen  Märchen  vor,  Waliluu  S.  71.  Vgl.  auch  Oam])bell 
3,  191. 

-)  Icli  liättc  noch  manche  ^lärchen  anführen  kiinncn,  welche  den 
verglichenen  niclititalicnischen  zum  Teil  sehr  ähnlich  sind,  z.  B.  Grundt- 
vig  2,  45,  [MüUenhoff  Nr.  12,  Irabriani  Nov.  Fior.  -  no.  2,  Folk-Lore 
Rec.  3,  44],  ich  liabe  sie  aber  an  dieser  Stelle  weglassen  zu  müssen 
geglaubt,  weil  sie  mit  den  italienisc^hen  Märchen  gar  zu  wenig  gemein 
haben. 


20.     ItiiliiMiischi'  Vtilksiiiärchen   (Teza).  MoÖ 

1111(1  bekannt  gemacht  worden  sind.  Dass  ich  diese  Mittei- 
lung machen  kann,  verdanke  ich  der  Frenndschaft  Emilio 
Tezas,  vormals  in  Bologna,  jetzt  in  Pisa,  nnd  vorzugsweise 
seine  den  Märchen  gewidmete  Thätigkeit  ist  es,  über  die  ich 
zu  berichten  habe. 

In  seinem  höchst  anziehenden  und  inhaltreichen  Schrift- 
chen ,La  tradizione  dei  Sette  savj  nelle  novelline  magiare' 
(Bologna,  tipi  Fava  e  (iaragnani  al  Progresso  ISfi-i)  hat 
E.  Teza  (S.  -ii;  ti". )  ein  Märchen  aus  Venetien  .Mela  e  Buccia* 
erzählt,  dessen  Inhalt  ich  mit  Vergleichung  verwandter,  zum 
Teil  bereits  auch  von  Teza  verglichener  Märchen  in  den 
Weimarischen  Beiträgen  zur  Literatur  und  Kunst  (Weimar 
18(55)  S.  11).-)  f.  [=  Köhler,  Aufsätze  1S94  S.  27]  wieder- 
gegeben habe,  worauf  ich  die  Leser  verweise.  In  der-  selben  oiu 
Schrift  (S.  'y2  tf.)  hat  Teza  noch  ein  zweites  Märchen  —  nach 
der  Erzählung  einer  Dame  aus  Toscana  —  mitgeteilt,  dessen 
Inhalt  folgender  ist:  Ein  Königssohn  hat  einen  Lehrer,  der 
durch  gewisse  Zauberworte  Tiergestalt  annelimen  kann.  Einst 
lässt  sich  auch  der  Prinz  von  ihm  in  einen  Raben  verwandeln 
und  Hiegt  weit,  weit  weg  in  ein  fernes  Land,  wo  er  in  einem 
Garten  eine  wunderschöne  Prinzessin  sah,  deren  Spiegel  mit 
ihrem  Bildnis  er  raubt.  Hierauf  fliegt  er  in  seine  Heimat 
zurück,  nimmt  seine  menschliclie  Gestalt  wieder  an  und  er- 
krankt aus  Liebe  zu  der  unbekannten  Prinzessin.  Diese  in- 
zwischen beschliesst  in  die  Welt  zu  ziehen,  um  den  geraubten 
Spiegel  zu  suchen.  Sie  verkleidet  sich  als  Arzt  und  zieht 
von  dannen.  Sie  kommt  in  ein  Land,  wo  die  Königstochter 
krank  ist,  und  wird  zu  ihr  befohlen.  Wie  sie  eines  Nachts 
neben  dem  Bett  der  Kranken  sitzt,  verlöscht  das  Li(;ht.  sie 
geht  hinaus,  um  es  anzuzünden,  und  findet  drei  alte  Weiber, 
weh'he  um  einen  Kessel  sitzen.  Auf  ihre  Frage  antworten 
die  Alten:  .Ci  sono  tre  teste  e  quando  saranno  cotte.  la  ti- 
gliufda  del  re  morirä\  Der  verkleidete  x\rzt  lobt  die  Alten 
und  hilft  ihnen  einige  Zeit  das  Feuer  schüren.  Je  grösser 
das  Feuer  ward,  desto  kränker  wurde  die  Prinzessin.  Der 
verkleidete  Arzt  tr(istet  aber  den  K()nig  und  lässt  sich  für 
die  nächste  Nacht  eine  gute  Mahlzeit  bereiten.     Diese  bringt 


o'.M'}  ^i'i'  ^liirL'lient'orscluiiig. 

er  mit  vielem  ^Veiu  in  der  zweiten  Naelit  den  drei  Alten, 
und  als  sie  l)eti'nnken  sind,  wirft  er  sie  ins  Feuer,  den  Kessel 
aber  nimmt  er  vom  Feuer  weg,  und  so  wird  die  Prinzessin 
wieder  gesund.  Der  König  will  sie  dem  Arzt  zur  Frau 
gebeu,  der  aber  dankt  und  zieht  weiter  und  kommt  in  ein 
zweites  I.and.  wo  er  zum  kranken  Königssohn  gerufen  wird. 
Wie  die  verkleidete  Prinzessin  Nachts  an  seinem  Bett  sitzt, 
erscheinen  drei  alte  Weiber,  richten  ein  Banket  zu,  salben 
den  Kranken  von  Kopf  bis  zu  Füssen,  dass  er  ganz  gesund 
wird,  essen  uiul  trinken  mit  ihm,  salben  ihn  dann  wieder 
und  legen  ihn  —  kränker  als  zuvor  —  zu  Bett.  In  der 
zweiten  Nacht,  wie  die  Alten  den  Prinzen  das  erstemal  ge- 
2a2  salbt  haben,  bedroht  sie  die  verkleidete  Prin-|zessin  und  jagt 
sie  aus  dem  Zimmer,  und  der  Prinz  ist  genesen.  Fmdlich 
kommt  sie  in  ein  drittes  Land,  wo  ebenfalls  der  Königssohu 
krank  ist.  Die  Prinzessin  weiss  kein  Mittel,  endlich  vermutet 
sie,  ilass  der  Prinz  vor  Liebe  kraid<:  ist,  dringt  weiter  in  ihn 
und  erfahrt  so.  dass  dies  der  l^-inz  ist.  der  als  Rabe  ihren 
Spiegel  geraubt  hat.  und  dass  er  aus  Liebe  zu  ihr  krank  ist. 
Da  giebt  sie  sich  zu  erkennen,  und  der  Prinz  springt  gesuml 
vom   Bett  auf. 

Dieses  Märchen,  zu  dem  ich  keine  Parallele  weiss, 
[Ralston  [).  ■J(S4]  ist  aber  noch  von  derselben  Rahmenerzählung 
eingeschlossen,  welche  die  einzelnen  Erzählungen  des  be- 
kannten , Papageienbuches'  einschliesst.  Ein  Papagei  nämlich 
erzählt  der  Frau  eines  Kaufmanns,  der  verreist  ist,  das 
Märchen,  um  sie  von  einem  Ausgang  abzuhalten,  der  ihrer 
Treue  gefährlich  werden  konnte. 

in  der  Florentiner  AVochenschrift  .La  Civiltä  Italiaua", 
ISI),'),  Nr.  .'],  Pg.  45  hat  Angelo  De  (Jubernatis  folgende 
.storia  Sul)alpina'  veröffentlicht,  wie  er  sie  von  Frauen  hat 
erzählen  hTtren: 

Uua  nuidre  aveva  un  iiglio  stupido,  il  (|uale.  i)er  la  sua 
stnpiditä,  era  bnono  da  nulla  e  le  dava  molestia.  Ln  gi(n'no 
lo  stupido,  essemlo  annoiato,  va  alla  madre  e  le  dice:  ,.<> 
nuidre.  (u)sa  ha  da  fare?"  Allora  la  madre  dice  al  figlinolo: 
„Se  nou  sai  cosa  fare.   piglia   la    porta   e  falla  andare."     E  lo 


20.     Iralii'uisclic   VolkMiiärclu'ii   (De   Cruljeriiatis).  ;^;-J7 

stupido  utl  obbedire,  e  a  levar  la  porta  dai  cardini.  e  a  met- 
tersela  sovra  le  spalle,  ed  ad  iiscir  cmi  essa  di  casa,  e  a  eam- 
minare  e  a  caiiiminare  fiiio  a  notte.  Allora.  essendo  veiiuta 
la  notte,  lo  .stupido  ebbe  paura.  e  cou  la  porta  sovra  le  spalle 
sali  sovra  la  piinta  di  im  albero.  Meiitre  esfli  stava  per 
pigliar  souuo,  vemiero  i  ladri  a  coiitare  sotto  lalbero  il 
daiiaro  rubato;  allora,  mezzo  sonnoleiito.  lo  stupido  lasciö 
cadere  sovr'  essi  la  porta,  e  i  ladri  a  fuggire  spaveutati.  ab- 
bandouaiido  tutto  il  daiiaro.  Lo  stupido  discese  e  lo  raceolse 
e  si  mise  in  via. 

A   questo    punto    —    setzt    De    Gubernatis    hinzu    —    la 
leggenda  Subalpina  va  soggetta  a  numerose  varianti  secondo 
le  varie  tradizioni  locali;  non  avendo,  per  ora,  |  occasione  di  203 
riscontrarle,  ne  riserbo  a  miglior  tempo  lo  studio. 

De  Gubernatis  vergleicht  mit  dem  italienischen  Märchen 
das  von  Liebrecht  im  Orient  und  Oecident  1.  llß  mitgeteilte 
mongolische,  wonach  ein  Dummkoj)f  auf  einem  Felsen  über- 
nachtet, auf  welchem  auch  Kaufleute  sclilafeu.  Plötzlich  giebt 
der  Dummkopf  einen  tüchtigen  Laut  von  sich,  welcher  eine 
neben  ihm  liegende  Trompete  der  Kaufleute  ertönen  macht. 
Erschrocken  fliehen  die  Kaufleute  und  lassen  ihre  Waaren  im 
Stich,  welche  der  Dummkopf  an  sich  nimmt. 

Die "  Mitteilung  De  Gubernatis  veranlasste  E.  Teza  in 
einer  der  folgenden  Xr.  der  genannten  Zeitschrift  (Nr.  ').  S.  79) 
eine  Fassung  desselben  Märchens  aus  Savignauo  in  der  Ro- 
magna  bekannt  zu  machen: 

Un  marito  aveva  una  moglie  sciocca,  e  qnando  il  marito, 
partendo  di  casa,  le  raccomanda  di  tirare  dietro  a  se  l'uscio, 
la  semplicetta  solleva  dai  gangheri  la  porta,  se  la  reca  sulle 
spalle  e  lo  segne.  AI  villano  il  rifare  la  strada  non  gli  va: 
meglio  dunque  portar  seco  quell"  iiicomodo  i)eso.  Giuuge  la 
notte,  e  paurosi  di  lupi  e  di  orsi,  se  arrampicano  sopra  un 
albero  e  vi  si  addormentano.  Si  appressano  intanto  i  ladri, 
che  ai  piedi  di  quel  tronco  si  fanno  ad  anuoverare  il  denaro 
rubato,  sicuri  di  non  avere  testimonio  traditore.  A  un  tratto 
la  donna  si  riscuote  e  domanda  cousiglio  al  marito:  il  l)uon 
uomo    si    spaventa,    che    sa   pur  troppo  che  i  malandrini  non 

R.  Köhler,  Kl.  Schriften.  I.  22 


338  y^^^y  ^lärclienforiscluui^'. 

hl  crederebbei'd  tutta  acciua  di  cielo:  la  rimi)r()vera,  la  mi- 
naccia,  poi  quaud(»  sente  che  non  c'e  piü  riniedio,  „e  tu  las- 
ciala  aiidare"  le  grida,  e  trema  al  viciiK»  peric(d().  Ma  la 
donna  iutende  che  il  marito  le  dica  della  porta,  e  apre  le 
raaui,  e  (piella  cade  con  ,spaventevole  rumore  da  atterrire  e 
da  scacciare  tutti  (jue"  ladri. 

La  si  direbhe  —  bemerkt  Teza  —  la  uüvella  dei  due 
sciocchi:  perche  il  dabben  uomo  ha  tauta  (uira  che  non  gli 
rubino  la  porta  e  lascia  aperta  la,  casa.  Ora  e  probabile  che 
uel  racconto  primitive,  poi  corrotto  dai  narratori,  il  primo  a 
frantendere  fosse  lui:  che  insomma  alla  donna  il  peso  intolle- 
2(i4  rabile  fosse  proprio  la  porta  e  non  |  altro.  La  novellina  e 
sparsa  (|na  e  Vk.  Volevo  aggiungere  le  varianti  della  tra- 
dizione  bolognese:  ma  mi  trovai  in  un  viluppo  e  uon  seppi 
uscire  dalle  contradizioni  e  dalle  misture  con  altri  racconti 
di  gente  scenux. 

Teza  verweist  noch  zur  Vergleichung  auf  ein  von  Sim- 
rock  im  Anhang  zu  seinen  'Deutschen  Märchen'  S.  'MVI  mit- 
geteiltes neugriecliisches  Märchen  ^). 

Kndlich  l)rachte  Nr.  IH  der  Civiltä  Italiana  noch  die 
folgende  sehr  eigentümliche  Variante  nach  der  Mitteilung 
eines  ,egregio  scrittore  Pugliese',  F.  Chieco,  welcher  sie  in 
seiner  Kindheit  von  weiblichen  Dienstboten  hatte  erzählen 
hören.  [Auch  von  lml)ri;uii  Conti  j)omig]ianesi  pg.  '2'2^  ab- 
gedruckt.] 

Un  uomo  avcva  tre  iigli,  dei  (piali  due  maschi  di  niente 
Sana,  ed  nna  feiumiiui  di  meute  S(;ema.  Qnesta  era  oggetto 
di  strapazzo  nella  famiglia,  a  lei  i  meschini  avanzi  di  cibo, 
a  lei  gli  abiti  dimessi  quaud"  erano  ridotti  a  brandelli;  si 
che  affamata  sem[)re  eil"  era,  e  (piasi  ignuda.  Un  di  suo 
padre,  era  di  gennaio,  vedendola  tremare  pel  freddo,  che 
(piasi  ogui  membro  aveva  scoverto,  prese  dieci  ducati,  e, 
mostraudüli  alla  liglia.  le  disse  —  quando  verra  maggio,  con 
questo  danaro  ti  faro  un  abito  nuovo,  —   e  ripose  il  danaro 


')  Teza    iioiint    Simrocks    Saniiiihuig    ,mi    librettiim    tutta    i^Tazia  c 
saporita   i'1(*i;anza'. 


2(1.     Italiciiisclic   Vulksiiiärclicu    (Cliieco).  3;-39 

in  Ulla  c<i88a.  La  povera  sceiiia  da  ((uel  di  uel  mattiiui  8ul 
pianerottolo  della  scala,  (jaiitava  t^osi:  —  Quando  xerrh  inaggio 
avrö  Tabito  miovo.  —  Ora,  avveune,  die  uu  dl  [)a.ssan(lo  per 
di  la  Uli  nierciaiuolo,  iidi  ({iiella  cautilena.  e  le  diiiiaudö :  — 
perdie  (|uaiido  vevrji  maggio  avrai  Tabito  uuovo?  —  E  qui 
la  semplicettii  ra(;('(»uto  al  iiierciaiuolo  hi  proniessa  de!  padre, 
e  indicö  ove  i  die(-i  ducati  eraiid.  AHora  il  luerciaiuob)  disse, 
<'Iie  egli  era  Maggio  che  le  aveva  p(trtato  labito  nuovo  (e  si 
dicendo  le  dette  uu  ])ezz(i  di  tela  grossolaua)  e  cercava  i 
dieci  diicati.  La  }»overa  iniioceute  prese  la  tela,  e  diede  i 
ducati  al  luevciaiuolü.  Toniato  a  casa  il  fratello  maggiure, 
la  sorella,  tutta  ilare,  gli  luostro  la  brutta  tela,  e  gli  raccontö 
che  Maggio  era  veiiuto,  che  le  aveva  dato  Labito  uiiovo.  e 
(die  essa  aveva  dato  a  |  Maggio  i  ducati  riposti  dal  p^adre.  265 
il  fratello  imbestialito,  dette  molte  busse  alla  sorella,  e  aii- 
dato  a  casa  il  fratello  minore,  che  ammogliato  era  e  piü 
buouo,  gli  propose  di  uccidere  la  sorella.  11  friitello  minore 
si  iiegö.  Allora  il  maggiore  menö  seco  in  rampagna  la  so- 
rella, e  non  aveiido  corraggio  di  ucciderla  vi(deuteiueute,  decise 
di  accecarla,  intrometteudole  negli  occhi  nndto  terreno,  e  })oi 
di  abbandonarla.  Cosi  fece,  e  fattala  salire  su  (ruu  pero 
smisurato,  Labbandonb.  Si  fece  notte.  Una  banda  di  ladri 
aiido  a  posare  sotto  a  (|uel  pero,  e  prima  di  spartire  il  ric- 
chissinio  bottiuo,  accese  un  gran  fuoco  per  eiiocere  poi 
agiielli  e  capretti.  II  fumo  di  qnel  fuoco  di  legna  verdi, 
salendo,  faceva  lagrimare  la  i)overa  scema  che  era  sempre 
sul  pero.  ed  a  niisura  che  le  lagrimc  sgorgavauo,  la  vista  le 
tornava  limpida.  AI  principio  scorse  un  ladro  apie  del  pero, 
e  grido  —  ne  veggo  uno.  —  Per  questa  voce,  (die  non  sape- 
vauo  donde  venisse,  i  ladri  incominciarono  a  temere  di  essere 
scoverti.  (lli  occhi  della  scema,  per  nuove  lagrime  versate, 
discersero  un  altro  ladro  e  poi  uu  altro,  e  ad  ogiii  scoverta, 
la  scema  tutta  lieta  dava  un  altro  grido  —  ne  veggo  due, 
ue  veggo  tre  — ,  e,  per  no,  maggiore  cagione  di  paura  pei 
ladri.  Finalmente  la  sciocca,  avendone  scorti  ciuque,  grido 
forte  —  ne  veggo  ciuque,  e  basta!  —  A  questo,  i  ladri  non 
si  tennero  piü,  e  fuggirono  via,,   abbandonando  il  ric(diissimo 


340  '^^^''  Märchenforjiclunig'. 

bottiuo,  (li  eul  eraiio  carichi  miili  e  cavalli.  La  scema,  scesa 
dal  pero,  meno  i  muli  ed  i  cavalli  cavichi  com'  erano  a  casa 
del  fratello  raaggiore  suo  assassino.  Piechio,  e  domandato  di 
dentro  chi  fosse,  rispose  essere  la  sorella.  Non  fu  rieeviita. 
Allora  essa  andö  a  casa  del  fratello  minore  ammogliato,  e 
fu  riceviita.  A  lui  dette  il  ricco  bottiiio,  e  raccoutö  tiitto. 
Nel  sentir  qiiesto  la  moglie  del  fratello,  certa  che  qiiel  bot- 
tino  arricchiva  il  marito,  e  prevedeiido  cbe  im  dl  sarebbe 
stata  forse  cbiesta  ragione  a  lui  del  cangiameiito  di  fortuna, 
cerco  d'ingarbugliare  la  mente  della  sciocca  cognata.  Mentre 
questa  era  al  focolare  di  casa,  ando  sul  tetto,  e  per  la  rocca 
del  Camino  verso  quattro  panieri  di  fichi  secchi  e  di  uva 
266  passa  in  modo  da  far  cadere  fichi  ed  |  uva  innanzi  alla 
cognata.  La  povera  sciocca  dimandö  al  fratello  cosa  succe- 
desse,  e  questi,  indettato  colla  moglie,  rispose  che  il  cielo 
pioveva  fichi  secchi  ed  uva  passa. 

Passarono  molti  mesi.  II  fratello  raaggiore  della  sciocca 
vedeva  che  il  fratello  minore  comprava  raolte  case  e  grandi 
terre.  Andato  a  casa  di  lui,  dijuando  alla  sorella  che  cosa 
avesse  fatto  nella  notte  in  cui  era  stata  in  campag6a.  La 
sciocca  disse  tutto  ingenuamente.  Allora  il  fratello  maggiore 
andö  dal  giudice  per  avere  meta  del  bottino,  o  almeno,  ma- 
ligne com"  era,  per  farlo  togliere  al  fratello,  perche  mala- 
mente  aquistato.  11  giudice  chiamö  il  fratello  minore,  e  gli 
dimandö  del  bottino:  rispose  non  saperne  nulla.  II  giudice 
mandö  per  un  gendarme  a  chiaraare  la  scema.  Questa  al 
solito  era  vicina  al  focolare  di  casa;  al  focolare  era  uua  pig- 
natta  in  cui  cuocevano  delle  fave.  B(dlendo  le  fave  anda- 
vano  di  su  e  di  giü:  appena  andavauo  su,  la  scema  le  gher- 
miva  e  le  mangiava,  e  a  squarcia  gola  cantava:  —  Chi  sale 
non  scende  — ,  alludendo  alle  fave.  II  gendarme  udite  quelle 
parole,  teme  vigliaccameute,  e  tornato  riferi  al  giudice  la 
creduta  minaccia.  Allora  il  giudice  mandö  quattro  gendarmi, 
ed  a  questi  il  fratello  minore  raccoraandö  dicessero  alla  so- 
rella che  venendo  via  si  tirasse  dietro  di  se  la  porta  di  casa. 
La  povera  scema  udita  lambasciata,  sollevö  dai  gangheri  la 
l^orta    e    la   tirö    dietro    di   se,    seguendo    i    gendarmi  tino  al 


20.    Italieiiisclie  Volksinärchen  (Cliieco).  341 

giudice.  Que.sti,  che  aveva  iiiteso  la  raccomaudaziuo  del  fra- 
tello,  incoutanente  fii  certo,  che  quella  douna  era  scema  di 
raente.  e  domandatala  di  (iiiella  uotte  in  cui  era  stata  fuori 
di  casa,  la  sciocca,  come  sempre  faceva,  racconto  il  vero.  II 
fratello  minore  protestava  che  quelle  erano  novelle,  e  che  ad 
Ulla  scema  di  mente  non  doveva  credersi  pii'i  che  tauto.  Sua 
moglie  aggiuugeva,  che  essa  era  certa  che  la  povera  cognata 
üon  saprebbe  nemmeno  indicare  quäle  fu  quella  tale  notte. 
II  giudice  dimaudo  alla  sciocca  in  quäle  notte  essa  aveva 
raccolto  cosi  ricco  bottino,  e  questa  memore  della  strana  piova, 
fispose:  —  In  (juella  notte  in  cui  il  cielo  piovve  tichi  secchi 
ed  uva  passa.  —  Allora  il  giudice  ridendo  molto,  di  certo 
che  era  fattosi  certissimo  che  |  quella  povera  doiina  fosse  267 
sciocca,  e  che  per  ciö  le  sue  parole  non  meritavauo  fede  al- 
cuna,  mandö  via  tutü.  E  cosi  il  fratello  maligno  resto  in 
poverta,  e"l  beniguo  fu  ricco. 

Die  Redaktion  der  Civilta  Italiana  hatte  noch  ausserdem, 
wie  sie  S.  203  bemerkt,  von  mehreren  PVeunden  in  Sicilien 
und  Calabrien  Naclirichten  über  das  Märchen  erhalten,  die 
sie  jedoch  niclit  weiter  mitteilt. 

Auch  in  deutschen,  englischen  und  französischen  Märchen 
k<nnmt  (bis  Herab  werfen  der  Thür,  wodurch  Diebe  oder 
Räuber  erschreckt  werden,  vor,  wie  ich  in  diesem  Jahrb.  5,  '20 
[oben  99]  nachgewiesen  habe.  Den  dort  erwähnten  deutschen 
Märchen  sind  noch  Vernaleken  S.  204  u.  Zingerle  1,  Nr.  24 
beizufügen.  In  gewisser  Weise  gehört  auch  ein  tatarisches 
Märchen  in  Radioffs  Proben  der  Volkslitteratur  der  türkischen 
Stämme  Süd- Sibiriens,  St.  Petersb.  1<S6G,  1,  311  hierher. 
[(Jonzenbach  no.  37  und  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  6,  73,  Cos({uin 
110.  22  (1,  241),  ('arnoy  no.  7,  Simrock  p.  3(13^  Möller  p.  5S, 
Kamp  no.  361,  Hahn  no.  3!),  Callaway  p.  146,  Sörensen, 
Indiske  äventyr  efter  Somadeva  1878  no.  48.] 

Was  das  apulische  Märchen  insbesondere  anlangt,  und 
zunächst  den  Umstand,  dass  das  einfältige  Mädchen  die  Du- 
katen dem  Mai  giebt,  so  findet  sich  ähnliches  mehrfach  in 
verwandten  Märchen.  In  einem  Märchen  bei  Prrdile,  Kinder- 
uiid  Hausmärchen  no.  50,  heisst  ein  Mann  seine  dumme  Frau 


P)4'i  ^iir  Miux'lionfursc'luui^-. 

Gold  aufheben  und  einen  Ochsen  füttern  für  den  langen 
AVinter.  Bei  Colshoru.  Märchen  und  Sagen  Nr.  ^^7,  soll  Oold 
für  Haus  Winter  aufgehoben  werden,  was  die  Kinder  —  hier 
also  nicht  die  Frau  —  missverstehen.  Bei  Meier,  Volks- 
märchen aus  Schwaben  S.  80H,  holt  die  Frau  Speck  u.  dgl. 
für  den  langen  Frühling,  bei  Zingerle  1,  Nr.  14  n.  2,  S.  1S5 
Fleisch  und  Speck  für  den  Fürpass,  bei  Grundtvig  Gamle 
danske  Minder  1,  28  Geld  für  die  grosse  Not  (den  störe  Nod). 
Bei  Wenzig  S.  41  sollen  Dukaten  für  den  Notfall  aufgehoben 
werden,  und  der  Mann  sagt  der  Frau,  die  Dukaten  seien  Ge- 
spenster, die  Frau  vertauscht  nachher  die  Gespenster  für 
Töpfe  ^).  [Cos(iuin  1,  "240  zu  uo.  22,  Luzel  o,  ;^94  (Noel, 
Carnaval,  Pä(|ues).  Pinean  p.  259,  Revue  des  trad.  pop.  12,  (S9, 
Firmenich  8,  295,  512,  Weimarer  Zeitung  Deutschland  1877, 
5.  Febr..  Gredt  no.  1214  (der  lange  Brochmond),  Cock,  Rond 
deu  Heerd  no.  1,  Kehrein  2.  97  (langer  Ia'uz),  Floffuieister 
S.  55,  Strackerjan  2,  291,  Möller  S.  5ß,  Schneller  no.  56,  Im- 
briani,  Conti  pomigl.  no.  8,  Halliwell  p.  ol  (Good  Fortune).]  j 
2(i8  In  Bezug  auf  die  Worte  der  Einfältigen,  welche  sie  beim 

Bohnenkochen  singt:  'Chi  sale,  non  scende',  vergleiche  man 
im  italienischen  Volksbuch  von  Bertoldo  die  Frage  des  Königs: 
'Chi  sono  gli  ascendenti  e  discendenti  tuoi?'  uud  Bertoldos 
Antwort:  '1  fagioli  i  (juali  bolleudo  al  fiioco  vauno  asceudendu, 
e  disceudeiido  su  e  giü  per  la  piguatta'  — ,  sowie  meine  Be- 
merkung im  Jahrbuch  5,  8  [oben  S.  87   und   151]. 

Endlich  die  Art,  wie  der  Bruder  die  Schwester  glauben 
macht,  es  regne  Feigen  und  Rosinen,  und  dadurch  später 
ihr  Zeugnis  entkräftet,  ist  ein  Seitenstück  zu  der  bekannten 
Geschichte  von  dem  Papagei  oder  der  Elster  und  der  ehe- 
brecherischen Frau,  über  welche  man  reiche  Nachweise  von 
A.  D'Ancona  in  seiner  Ausgabe  des  Libro  dei  sette  Savj  di 
Roma,  Pisa  1864,  S.  117  findet.  Vgl.  auch  Orient  und 
Occident  8,  414.  [(lonzenbacli  uo.  'M  und  Zs.  d.  V.  f. 
Volksk.  6.  73.] 

')  El)pns()  i^iebt  die  duinme  Friui  bei  Griiiiin  Xr.  .Mi  für  'rü))tV'  die 
,Gri('l\eliiii;'e',  wie  der  Mann  Goldstnekc  i;enannt  bat.  liin  und  liei  Haltrirh 
Nr.    (i2   die   ,Kürl>isi<ernc'.      |(hiodi  :    l'itre,   X.    )).   t()>c.    \>.    ]s7.| 


20.    Itiilieiiit^c-lK-  Vdlksiiiäiclieii  (Teza).  343 

Soviel   über  das  apuliselie  Märclieu. 

Es  bleibt  mir  noch  übrig,  auf  ein  neuerdings  erschienenes, 
leider  aber  ebensowenig  wie  das  oben  genannte  in  den  Buch- 
handel gegebenes  Schriftchen  Tezas  hinzuweisen,  welches 
betitelt  ist:  'l  tre  capelli  d'oro  del  nonno  Satutto.  Novellina 
boema\  (Bologna,  tipi  Fava  e  Garagnani  IHHC)).  Es  enthält 
die  nach  dem  Original  verfasste  Uebersetzung  des  von  Karl 
daromir  Erben  in  böhmischer  Sprache  aufgezeichneten,  ins 
Deutsche  von  Waldau  (Böhmisches  Märchenbuch  S.  5<S7  ff.), 
ins  Französische  von  Chodzko  (Contes  des  paysans  et  des 
patres  slaves,  Paris  1864,  S.  'M  ff.)  übersetzten  Märchens 
von  den  drei  (ioldhaareu  des  alten  Vseved,  ausgestattet  mit 
Erläuterungen  uiul  Vergleichungen  verwandter  Märchen  ^). 
Zur  Mitteilung  italienischer  Volksmärchen  hat  der  Vf.  in 
diesem  Schriftcheu  keine  Gelegenheit  gefunden,  wohl  aber 
weist  er  in  der  Einleitung  seine  Landsleute  eindringlich  da- 
rauf hin.  endlich  ihre  Volksmärchen  zu  sammeln.  | 

Das  Volksmärchen  hat  —  so  bemerkt  er  S.  11  —  in  269 
den  italienischen  Provinzen  verschiedene  Namen.  'Flabe  la 
|novelliua]  dicono  i  friulani:  üaba  il  piü  de"  veneti,  ma  ro- 
saria  a  Verona:  esempio  usa  in  quasi  tutta  Lombardia,  ma 
storia  a  Brescia,  e  a  Cliiari  pastocia,  e  a  Romano,  in  quello 
di  Bergamo,  panzanega,  e  proverbio  a  Pavia:  nel  Piemonte 
c'e  storia,  ma  a  Quarguento,  nell"  alessandriuo,  cuintuie:  foa 
a  Genova:  fola  a  B(dogna  e  nelle  romagne:  favola  a  Roma: 
cuntu  in  Sicilia:  e,  con  piu  graziosa  voce,  in  qnalche  luogo 
di  Calabria,  romanzella.  Delle  varietä  questo  non  e  che  un 
[)iccolo   saggio:    ue   qui  ho  la  opportunitä  di  farlo  piü  ricco'. 

'Ma  pui  che  i  loro  nomi-  —  fährt  Teza  fort  —  'gioverä 
raccogliere  le  novelline  e  non  sdegnarsi  di  arare  il  campo 
cogli  altrui  bovi;  ma  ridire  con  brevita  e  schiettezza  i  rac- 
conti  popolari.  Diceva  Martino  Lutero  che  le  maravigliose 
storie  che  rammentava  dalla  piü  tenera  fanciullezza  non  le 
avrebbe  date   per  un   tesoro.     Ma  io  temo  die  (piesto  amore 

')  S.  21  ff.  hat  Teza  ein  interessantes  magyarisches  Märchen  aus 
Ladislaus  Merenyis  Sammlung  übersetzt,  welches  bisher  wohl  schwerlich 
scliun   in  einer  andern   Ö))rache  wiedergegeben  worden  ist. 


344  2^"'  ^nirchenforscluiiig. 

alle  prime  memorie  di  qiiel  forte  e  libero  intelletto  unii  ac- 
cresca  disprezzo  alle  novelline,  gia  disprezzate  abbastanza. 
Agli  ortodossi  delle  lettere  collegherö  an<-he  gli  orto- 
dossi  del  catechismo.  che  di  certi  nomi  odiano  anche 
le  virtii.  Facciamo  tutti  ([ualcosa:  nna  ghiarlandetta  di  tiabe 
venete  la  ho  anch"  io;  ma  temo,  ritradncendo  e  costretto  a 
riordinare.  di  vedermela  appassire.  Narrano  di  nna  inge- 
guosa  donna,  della  Catalani,  che,  usa  agli  applansi  del  teatro, 
nn  ri<'C0  dono  e  gentile  di  alcnni  ammiratori  mandö  ad  nna 
2ingana,  come  alla  prima  maestra  nel  canto.  1  novellatori 
piccini,  nou  e  da  sperare:  che  troppo  le  cose  proprie  li 
occn})ano:  nia  gli  nomini  che  meritano  ed  hanno  anche  ne' 
racconti  le  lodi,  non  saranno  al  popolo  pii'i  inginsti  e  spietati.' 
Soweit  Tezas  Einleitnng.  Alle  Frennde  der  Volksmärchen 
werden  der  von  ihm  in  Aussicht  gestellten  Sammlung  mit 
Verlangen  entgegen  sehen  und  zugleich  hoffen  und  wünschen, 
(lass  durch  dieselbe  seine  Laudsleute  zur  Nacheifernng  an- 
270  geregt  werden  mögen.  Die  Italiener  können  eine  Reihe  in 
neuerer  und  ueuester  Zeit  |  von  ihnen  veranstalteter.  wert- 
voller Sammlungen  ihrer  Volkslieder  aufweisen,  ich  erinnere 
nur  an  die  mir  bekannten  Tommaseo,  Nigra,  Alverä,  Dalme- 
dico.  Marcoaldi,  Neru('(ä.  Righi,  Tigri,  Vigo;  möchte  daneben 
bald  eine  ähnliche  Reihe  italienis(dier  Märchensammler  ge- 
nannt werden  kiinnen ! 


1270 


21   Lieber  A.  De  Gubernatis,  Novelline. 

(Göttingische  gelehrte  Anzeigen   1870,   1270 — 1277.) 

Le  Novelline  di  Santd  Stefano  di  Calcinaia.  Raccolte 
da  Angelo  De-Gubernatis,  e  precedute  da  una  introduzione 
sulla  parentela  del  mito  con  la  novellina.  Toriuo,  presso 
Augusto  Federico  Negro  Editore,  4,  Via  Alfieri,  4.  ISGil 
8.     61  S.i). 


')  [Eine  neue  Auflage  erschien   1894.] 


21.    Ueber  De   (iuboniatis,  Xovelline  di  H.  Stefano.  '44:^^ 

Diese  aus  der  „Hivista  ('Oiitem})oranea  iiazioiiale  ita- 
liana"  besonders  abgedruekte  Sammlung"  des  Herrn  Professor 
Angelo  De-riubernatis  in  Turin,  dem  die  Märclienfreunde 
schon  die  Aufzeichnung  vier  andrer  italienisclier  Märchen 
verdanken  (s.  A.  DAnconas  Nachweis  in  der  Einleitung  zu 
„La  Leggenda  di  Vergogna  e  la  Leggenda  di  Giuda",  Bologna 
1869,  S.  68)  entliält  35  Märchen.  Was  den  Titel  „Le  No- 
velline di  Santo  Stefano  di  Calcinaia"  anlangt,  so  erklärt  ihn 
Herr  De  G.  S.  16  selbst  so:  ,,D()  loro  ((uesto  nome  perche 
le  udii  tutte  narrare  in  questo  borge;  ma  i  narratori  erano 
per  lo  piii  daltra  terra;  nondimeno  tutti  toscani."  Mancdie 
der  Märchen  sind  sehr  gut  erzählt,  andre  aber  sehr  kurz  und 
gedrängt,  mehr  Inhaltsangabe  als  die  eigentlichen  Erzählungen. 
Auf  Nachweis  von  |  Parallelen  hat  sich  der  Herr  Herausgeber  1271 
nicht  eingelassen.  Ich  lasse  die  Titel  der  Märchen  mit 
einigen  kurzen  Bemerkungen  dazu  folgen.  AVenn  ich  dazu 
öfters  auf  Laura  (ionzenbachs  Sizilianisclie  Märchen  (Leipzig 
1870),  die  mit  vergleichenden  Anmerkungen  von  mir  ver- 
sehen sind,  verweise,  so  will  icli  (himit  nicht  blos  auf  das 
betreftende  sizilianisclie  Märchen,  sondern  immer  zugleich 
auf  meine  Anmerkung  dazu  [Nachträge  in  der  Zs.  d.  V.  f. 
Volkskunde  6,   ')<S  und   Kil]   verwiesen  haben. 

Nr.  L  La  bella  e  la  brutta.  Vgl.  das  von  De-Gu- 
bernatis  aufgezeichiu^te  und  von  A.  Wesselofsky  in  seiner 
Eiideituug  zur  Novella  della  figlia  del  re  di  Dacia,  Pisa  isiili, 
S.  XXIX  f.  mitgeteilte  piemontesische,  das  catalanische  bei 
Mihi  y  Eontanais  observaciones  sobre  la  poesia  populär 
S.  177  und  daraus  bei  E.  AVolf  Proben  portugiesischer  und 
catalanischer  Volksromanzen  S.  ;!7  f.,  Basiles  Pentamerone 
3,  10  und  Schnellers  Märchen  uiul  Sagen  aus  A\'älschtirol 
Nr.  8  [Tuscan  E.  Tales  no.  1.  2].  In  Bezug  auf  die  s})inneude 
Kuh  s.  meine  Anmerkung  zu  Gonzenbach  Nr.  H'2.  —  Nr.  '2. 
La  comprata.  Liii  nicht  gut  überliefertes  und  aus  eigent- 
lich nicht  zusammengehörenden  Teilen  zusammengesetztes 
Märchen.  Es  steckt  darin  das  Märchen  von  den  drei  Sphme- 
rinnen,  über  welches  ich  auf  meine  Nachweise  in  diesen  An- 
zeigen 1868,   1364  [oben  47]  verweise.    Zum  Rest  des  Märchens 


346  Zur  ^[rtrclieiiforse'luuig-. 

Vgl.  meine  Anmerkung  zu  Gouzenbach  Xr.  1'4.  —  Nr.  3.  II 
trottolin  di  legno.  Vgl.  Gonzeubaeh  Nr.  38  uiul  zur 
zweiten  Hiilfte  des  Märchens  ausserdem  meine  Bemerkung  in 
diesen  Anzeigen  1868,  1381  [oben  6*2]  zu  Schneller  Nr.  24.  Wenn 
im  toscanischen  Märchen  „la  citta"  den  Marchese  mit  der 
Feuerzange,  dem  Besen  und  der  Aschenschaufel  schlägt,  so 
ist  dies  Entstellung;  Schneller  Nr.  '24  und  die  a.  a.  0.  au- 
1272  geführten  Parallelen  er-lgebeu,  dass  der  Marchese  sie  vielmehr 
schlägt.  —  Nr.  4.  1.  e  tre  mele  und  Nr.  5  Le  tre  aranci. 
Vgl.  (louzenbach  Nr.  13.  Nr.  .')  enthält,  wie  Gonzeubaeh 
Nr.  13.  zugleich  Elemente  aus  dem  .Aliirchen  von  der  ver- 
gessenen Braut,  s.  darüber  meine  Anmerkungen  zu  G(nizen- 
bach  Nr.  14.  —  Nr.  6.  Florindo.  Ein  offenbar  nicht  gut 
erhaltenes,  namentlich  am  Ende  entstelltes  Märchen.  Man 
vgl.  meine  Anmerkung  zu  Gonzeubaeh  Nr.  14.  —  Nr.  7. 
II  re  di  Spagna.  Nichts  weiter  als  ein  Auszug  mit  ein 
2)aar  unwesentlichen  Aenderungen  aus  dem  italienischen 
Volksgedicht  „Florindo  e  Chiarastella".  über  welches  nuin  die 
Monatsberichte  der  Berliner  Akademie  Isiii),  S.  3(S()  f.  nach- 
sehe. —  Nr.  8.  Argentofo.  Vgl.  [Visentiui  Nr.  34|  die 
unter  dem  Titel  „Perche  si  dice  e  fatto  il  becco  a  loca"  zum 
Volksgedicht  gewordene  Episode  des  Mambriano  des  Fran- 
cesco Bello.  [Rua,  Mambriano  ISSS  p.  31],  über  welche  ich 
nächstens  auderswo  ausführlicher  handeln  und  sie  auch  in 
deutschen  Volksmärchen  nachweisen  werde,  und  Gonzeubaeh 
Nr.  ßS.  --  Nr.  9.  Le  oche.  Wie  hier  das  junge  Mädchen 
sich  in  die  Haut  ihrer  gestorbenen  alten  Mutter  hüllt,  so 
vgl.  mau  das  italienische  Märchen,  welches  Temistocle  (iradi 
in  seinem  vortrefflichen  „Saggio  di  lettere  varie  per  i  gio- 
vani-'  Torino  1865,  S.  141  ff.,  insbesondre  S.  lö-i.  mitgeteilt 
hat,  und  das  ITte  hindostanische  Märchen  in  den  „Old  Deccan 
Days,  or  Hindoo  Fairy  Tales  current  in  southern  India. 
Collected  from  (U'al  tradition  by  -M.  Frere".  London  1S()8. 
In  beiden  Märcheu  hüllen  sich  die  jungen  und  schönen  Hel- 
dinnen in  die  Häute  alter  Weiber.  Vgl.  auch  v.  Hahn  Neu- 
griechische und  albanesische  Märchen  Nr.  6.  Var.  2  und  Nr. 
45.    w<i    dii'    Helden    sich   in   die    Häute   alt»  r  Männer  stecken, 


21.    UobtT   De  Gulicriiatib,  Novelliiie  cli  S.  Htct'anu.  ;^47 

iiucl  (lats  alte  j  (leutsche  (iediclit  von  Saloiuoii  und  Morolf  (^iii  1^73 
von  der  Uagen.s  und  Biisching.s  Deutsclien  (iedichten  des 
Mittelalters  [Anz.  f.  d.  Alt.  7,  277],  wo  Morolf  einen  -luden 
tötet,  ihm  die  Haut  ..(»l)erl]alb  des  Gürtels"  abzieht,  sie 
,,l)alsainet''  und  dann  anlegt.  In  Bezug  auf  die  (Jänse,  welche 
die  Schönheit  ihrer  verkleideten  Hüterin  verraten,  vgl.  das 
catalanische  Märchen  bei  Mihi  S.  181  =  F.  AVolf  Proben 
S.  42  und  meine  Anmerkung  zu  (ionzenbach  Nr.  88.  o4.  — 
Nr.  10.  11  guanto  d"  oro.  Vgl.  Gonzenbach  Nr.  7  und 
Simrock  Deutsche  Märchen  Nr.  51.  Das  toscanische  3Iärcheu 
ist  am  Schluss  entstellt.  —  Nr.  11.  11  pesce  e  1  "agn el- 
lin 0.  Vgl.  (;(»nzenl)a(-h  Nr.  4S  und  4i).  —  Nr.  12.  La 
crndel  matrigna.  Vgl.  Gonzenbach  Nr.  2.  3.  4.  —  Nr.  18. 
La  cieca.  Eine  Ixise  Königin  lässt  ihre  Schwiegertochter  in 
den  Wald  führen,  um  dort  ermordet  zu  werden,  die  Knechte 
begnügen  sich  aber  der  jungen  Kr»nigin  die  Augen  auszu- 
stechen, die  sie  der  Alten  bringen.  Später  verkauft  die  Alte 
für  gewisse  Kostbarkeit^'n  an  die  nicht  erkannte  Schwieger- 
tochter die  ausgestocheneu  Augen.  Solches  AViederkaufen 
ausgesto(diener  Augen  kommt  in  mehreren  Mär(;Jien  voi-.  die 
ich  zu  GonzenI)ach  Nr.  84  auf  S.  227  zusammengestellt  halte. 
Vgl.  auch  noch  das  eben  erwähnte  Märchen  bei  Gradi  a.  a. 
i\  —  Nr.  14.  Sor  Fiorante  mago.  Vgl.  Grimm  Xr.  SS 
und  127  und  dazu  meine  Bemerkung  im  .Jahrbuch  für  roman. 
Litteratur  7.  2ö()  ^  [oben  S.  81S  ■•^|.  —  Nr.  15.  1  cagno- 
lini.  und  Nr.  K!  11  re  di  Na[)oli.  Vgl.  Gonzenbach 
Nr.  5.  —  Nr.  17.  1  tre  fratelli  und  Xr.  IS  il  pescatore. 
Vgl.  Gonzenbach  Nr.  8!)  und  40.  —  Xr.  IS  hat  den  sehr 
eigentümlichen  Schluss,  dass  der  eine  verzauberte  Bruder 
nicht  wieder  entzaubert  wird  und  der  andre  Zwillingsbruder 
seine  Stelle  bei  [  seiner  Gemahlin  wirklich  und  bleibend  ein-  1-74 
nimmt.  —  Nr.  11).  1  tre  cipressi.  Vgl.  Gonzenbach  Nr. 
58.  —  Xr.  20.  La  penna  del  pavone.  Vgl.  Gonzenl)ach 
Nr.  51.  —  Nr.  21.  Ba  s  t  o  n  er  o  eh  ia.  Vgl.  Gonzenbach 
Nr.  52,  wo  iu  der  Anmerkung  noch  ein  von  Gradi  a.  a.  0- 
S.  ISI  mitgeteiltes  Märchen  zu  erwähnen  war.  —  Xr.  22. 
Giovanni  seuza    paura.      Vu,l.   Grimm  Xr.   4   und  Gonzen- 


348  Zur  Märchenfors('hiiiig. 

bacli  Nr.  57.  —  >vr.  '23.  I^a  fanciulla  e  il  magu.  FAn 
nicht  gut  erhaltenes  Märchen,  das  zum  Teil  zu  den  Märchen 
von  den  dankbaren  Tieren  und  von  dem  Riesen  oder  Unhold, 
dessen  Seele  oder  Lebenskraft  an  ein  verborgenes  Ei  geknüpft 
ist.  gehört.  S.  A.  AVesselofsky,  Le  tradizioni  podolari  nei 
poemi  d  A.  Pucci  p.  11  ff.  und  meine  Anmerkung  zu  Gonzen- 
bach  Nr.  Ki.  Zum  Schluss  des  toscanischen  Märchens  vgl. 
Schönwerth  ans  der  Oberpfalz  'J,  219.  Wolf  Hausmärchen- 
S.  3S1.  Hahn  Nr.  5.  —  Nr.  24.  L"  indovinello.  Vgl.  die 
von  mir  im  Jahrbuch  für  roman.  und  engl.  Litt.  7,  272 
[=  oben  321]  zusammengestellten  Märchen.  Der  zweite  Teil 
des  toscanischen  Märchens  —  Lösung  von  Aufgaben  durch 
Hilfe  dankbarer  Ameisen.  Wespen  und  Fische  —  gehört 
eigentlich  nicht  in  dieses  Märchen.  —  Nr.  22.  La  prin- 
cipessa  che  non  ride.  Vgl.  Grimm  Nr.  (14,  Meier  Märchen 
aus  Schwaben  Nr.  17,  Pröhle,  Märchen  für  die  Jugend  Ni-.  27, 
Zingerle.  Kinder-  und  Hausmärchen  Nr.  4,  Wenzig,  West- 
slavisclier  Märchenschatz  S.  59.  Grundtvig,  (Jamle  danske 
Minder  2.  200.  \V(dfs  Zeitschrift  für  deutsche  Mythologie  2, 
197.  —  Nr.  2(i.  Se  tu  fai  un  miracolo  piü  hello  di 
(juesto  io  ti  sposo.  Vgl.  Grimm  Xr.  6 S  und  ausser  den  dazu 
in  der  Anmerkung  verglichenen  noch  die  von  mir  in  der 
Revue  celtique  1.  132  [^  oben  S.  138]  nachgewiesenen  Märchen. 
—  Nr.  27.  Pimpi  ignudo.  Vgl.  [Child  Rallads  8.  116,  Frey, 
Gartenges.  ed.  Bolte  189()  no.  1.  Djurklou  S.  84,  Sv.  Landsm.  1, 
572.  584.  ie/.Ttor  2,  150]  Simrock.  Deutsche  Märchen  Nr.  1, 
1275  Stracker-|jan  Aberglaube  und  Sagen  aus  dem  Herzogtum  Giden- 
burg §  615,  n,  Asbjörnsen  und  Moe  Nr.  43,  Grundtvig  2, 
209.  —  Nr.  28.  Mammaciuco.  Ein  Märchen,  das  ich  zur 
Zeit  sonst  nicht  nachzuweisen  vermag.  —  Nr.  29.  11  ladro 
(der  Meisterdieb).  Vgl.  dazu  meine  Bemerkungen  im  Jahr- 
buch für  roman.  Litt.  7.  138  [oben  307].  In  Bezug  auf  die 
List,  sich  scheinbar  aufzuhängen,  vgl.  meine  Bemerkung  im 
Grient  und  Occ.  2.  313.  -^  Nr.  30  [Oben  210].  1  due  furbi  e  lo 
sc e nid.  Vgl.  die  von  mir  im  Grient  und  Occ.  2,  486,  3,  350 
[(dien  230]  und  zu  Gonzenbach  Nr.  70  und  71  zusammenge- 
stellten   Märchen,     denen     au<di     noch     hinzuzufügen    ist    ein 


21.    Ueber  De   (uiliciiiati^,  ^^)vc■llille   di   8.  Stct'aiu..  :^,4;) 

Märchen  in  (üuseppe  Morosis  in  mehrfurlier  Ivürksiclit  wicli- 
tigem  AVerke  ,.Stii(li  sui  dialetti  gveci  della  terra  (rotrauto. 
Preceduto  da  una  raccdlta  di  canti,  leggeiide.  pr^verbi  e  in- 
duviuelli  uei  dialetti  iiicdesinii^'  (I.ecee  ISTO).  S.  74.  —  Nr.  ;)1. 
Gesu  e  Pipetta  s.  (iriimn  Nr.  Sl  und  die  Aunierkmig  dazu, 
zu  der  icli  in  diesen  Anzeigen  186N,  1M77  [oben  .')!)]  Nachtrage 
geliefert  habe,  denen  ich  noch  Centu  Novelle  Antiche.  ed. 
(lualteruzzi,  Nr.  75  und  Glinski  Bajarz  polski  'J,  •220  hinzu- 
füge. Das  toscanische  Märchen  ist  gleich  dem  hierherge- 
hörigen  italienischen  Mär(^hen  im  Jahrbuch  für  roman.  und 
engl.  Litt.  7,  87()  (Nr.  11)  entstellt  und  hat  die  Pointe  ver- 
loren. —  Nr.  32.  Compar  Miseria.  Ich  verweise  dazu  auf 
meine  Besprechung  von  Fr.  Champfleurys  Recherches  sur  les 
origines  et  les  variations  de  la  legende  du  bonhomme  Misere, 
Paris  1861,  im  Jahrbucii  für  roman.  Litt.  '),  23  [oben  103] 
Champfleurys  Schriftchen  ist  mit  einigen  Verändernngeii  und 
Verbesserungen,  jedoch  ohne  Berücksichtigung  meiner  er- 
wähnten Besprechung,  in  seinem  neuen  interessanten  Buch 
„Histoire  de  limagerie  populaire,"  Paris  1869,  |  S.  10,') — 18<S,  1276 
wiederh(dt  worden.  —  Nr.  33.  Maestro  ProS|)ero.  Nicht 
eben  gute  Version  des  Mär(?hens  vom  Schmid  und  vom  Teufel. 
S.  (irimm  Nr.  82  und  meine  Bemerkungen  im  .lalirlnu-h  ."). 
4  und  7,  12cS  [oben  <S3.  303].  —  Nr.  34.  II  diavolo  e  il  cou- 
tadino.  Vgl.  Rabelais  Gargantua  4,  47,  dazu  meinen  Artikel 
im  Jahrbuch  3,  33S  [=  oben  S.  77]  und  Müllenhotf  Sagen 
S.  278.  —  3.").  Le  donne  ne  sanno  un  punto  piü  del 
diavolo.  Vgl.  die  33.  Novelle  des  Grand  Parangon  des 
Nouvelles  de  Nicfdas  de  Troyes  (publie  d'apres  le  manuscrit 
original  par  E.  Mabille,  Paris  1869).  [Bolte,  Zs.  f.  vergl. 
Littgesch.  7,  457.   11,  71.] 

Auf  die  Einleitung  (S.  3 — 15),  worin  der  Verfasser  in 
den  Märchen  vedische  Sonnen-Mythen  sucht  und  ündet,  kann 
und  mag  ich  mich  nicht  näher  einlassen.  Ich  begnüge  mich 
einige  charakteristische  Sätze  daraus  als  Probe  hier  mitzu- 
teilen. S.  10:  „Un  inno  del  Rigveda  (5,  45.  7)  dice  che  la 
cagna  messagiera  Saramä  trovo  le  vacche  sulla  via  del  sole: 
il  sole  e  adunque  auch"  esso  ncl  Rigveda  in  compaguia  delle 


;-)50  '^'ii'   Märclieiit'orsfhuii"'. 

vacclie:  uii  nitro  iniiu  (7,  81,  2)  ei  dice  che  il  sole  t'a  sor- 
gere  iusieme  le  vacclie;  abbiamo  aduiKjue  il  garzoue  giiar- 
(liano  tli  vacclie  della  iiostra  novellina:  anzi  pa<^upä8  o  pecctraio 
lo  chiama  asplicitameiite  im  iiino  (6,  08,  2)."  S.  12:  „I.a 
Cenerentola,  nel  fuggire,  lascia  iiidietro  la  sua  paiitofola,  che 
la  scoprirä;  e  la  solita  debolezza  e  vuliierabilitä  delT  eroe 
come  del  siio  avversario  ne'  piedi."  S.  18:  „11  giciviiie  sole 
e  romiiveggeiite.  ronnisapieiite,  a  pii'i  riprese,  nel  Rigveda; 
Taurora,  a  piii  riprese,  la  svegliatrice,  la  sapiente;  (juiudi 
la  fanciulla  della  iiovellina  che  sveglia  dal  liingo  somio  il 
vago  principe;  (juiiidi  rultinio  veiiiito,  il  piii  gioviiie  de'  tVatelli, 
1277  che  appare  nella  iiovellina,  come  il  piii  |  accorto,  il  furbo,  il 
solo  che  vede,  il  solo  che  iudoviiia,  il  solo  valeiite.  il  solo 
che  riesce."  S.  14:  „Prima  di  essere  oniiiveggente,  onnisa- 
piente,  fnrbo,  Teroe  solare  vedico,  nella  iiotte  tenebrosa.  e 
stato  cieco,  ossia  non  veggente,  ignorante,  sciocco;  ed  ecco 
((uiiidi,  come  parini,  spiegata  Torigine  dello  sciocco  presso  la 
nostra  iiovellina  popolare:  il  qnale  poi,  badisi  bene,  per  lo 
piii  ('  soltanto  imo  sciocco  provvisorio,  un  tinto  sciocco.  im 
Brut(i  {»rimo,  che  nasconde  tiiio  ad  iiiia  buona  o(M-asioiie  il 
sno  iiuo  accorgimento."' 

Ref..  der  wenn  anch  nicht  für  die  Eiiileitimg,  nmsomehr 
aber  für  die  Sammhmg  selbst  dem  Herrn  De-(i.  sehr  dank- 
bar ist,  hofl't  nnd  wünscht,  dass  derselbe,  wie  er  der  erste 
Italiener  gewesen  ist.  der  eine  grössere  Anzahl  italienischer 
Märchen  gesammelt  nnd  herausgegeben  hat,  so  auch  ferner- 
hin an  der  Sammlung  der  Märchen  seines  Vaterlandes  thätigen 
Anteil  nehmen  möge. 


22.   Das  Rätselmärchen  von  dem  ermordeten 

Geliebten. 

(Kivista  di  letteratura  |)u])olin-e   1,  213  —  221.      1877.) 

213  Ein  venezianisches  Märchen^)  hat  folgenden  Inhalt: 

Eine  Königin  hat  si(;h   in  einen  Fürsten  verliebt  und  be- 

^)  Bernoiü,  'l'radi/..   piip.  voüicz.,  p.  .54 — 58. 


22.    Das   Kätst'liiiäiH'lien   vuii   dein    ermordeten   OeliebteLi.         551 

sticht  (lesliall)  einen  ilirer  Diener,  dass  er  üiren  (ienialil  auf 
der  dagd  erschiesse.  Aber  der  Diener  erschiesst  aus  Versehen 
den  Fürsten.  Die  Königin  verschaft't  sich  ins  Geheim  den 
Scliädel.  ein  Auge  und  zwei  Zähne  des  Getöteten,  und  lässt 
sich  aus  dem  Schädel  einen  Becher  (una  tazza  (hi  bevar) 
machen,  (his  Auge  lässt  sie  in  einen  Ring  fassen  und  die 
Zähne  in  die  Absätze  von  Stiefeln  setzen.  Aus  dem  Recher 
trinkt  sie,  den  Ring  steckt  sie  an  ihren  Finger,  und  die 
Stiefel  zieht  sie  an.  Darauf  erklärt  sie  ihrem  Gemahl,  sie 
könne  nicht  länger  mit  ihm  leben,  und  giebt  ihm  folgendes 
Rätsel  auf: 

„Coli  quel  clie  penso,  bevo; 
Con  quel  che  vedo,  porto*); 
Coli  quel  che  magno,  sapo." 

Wenn  der  König  das  Rätsel  in  acht  Tagen  nicht  lösen  kann, 
so  soll  er  weggehen  und  sie  bleiben:  kann  er  es  lösen,  so 
will  sie  gehen.  Der  König  befragt  vergeblich  viele  „maglii"  214 
und  „stroleghi-',  keiner  kann  das  Rätsel  lösen.  Am  letzten 
Tag  streift  er  in  der  Umgegend  der  Stadt  umher  und  wird 
endlich  von  der  Nacht  überrascht  und  nuiss  bei  einem  Land- 
mann einkehren.  Zum  Nachtessen  wird  ein  Huhn  aufgetragen, 
und  die  älteste  Tochter  des  Landmanns  zerschneidet  und  ver- 
teilt es.  Sie  giebt  dem  König  den  Kopf,  ihrem  Vater  die 
Brust,  ihrer  Mutter  die  Eingeweide,  sich  und  ihren  Brüdern 
die  Füsse  und  die  Flügel.  Auf  die  Frage  ihres  Vaters,  wes- 
halb sie  das  Huhn  so  zerteilt  habe,  antwortet  sie:  „Parche 
el  re  xe  el  capo  de  tuti  e  el  ga  tanto  da  pensar.  dnnque 
a  eh»  go  da  la  testa.  A  ti,  che  ti  ga  da  lavorar  per  mante- 
gnirne  tuti  nualtri.  t"ö  da  el  peto.  parche  ti  ga  bisogno  de 
peto  per  sfadigar.  A  la  mama,  che  la  ga  da  far  altri  fioi. 
go  da  li  interiori  e  va  beu,  e  a  nualtri  putei.  che  no  gavemo 
che  da  corer  e  saltar,  ne  va  ben  le  zate  e  le  ale."  Der  König  ist 
über  die  Klugheit  des  Mädchens  verwundert  und  legt  ihr  so- 
fort das  Rätsel  der  Königin  vor.    Am  folgenden  Morgen  sagt 

')  Bei  Bernoni  steht:  „Con  quel  che  porto,  vedo."  Aber  der 
Sinn  und  die  beiden  andern  Zeilen  verlangen  die  von  mir  vorgenommene 
Aenderung. 


35"2  ^"''   3Iärfhent'()rs(,'luuig. 

sie  ilim,  es  müsse  auf  eine  Frau  gehen,  die  sieh  aus  dem 
Schädel  ihres  Geliebten  einen  Becher  habe  machen,  ein  Auge 
desselben  in  einen  Ring  fassen  und  zwei  Zähne  in  die  Ab- 
sätze ihrer  Stiefel  setzen  lassen,  »letzt  verstellt  der  König 
das  Rätsel.  Er  begiebt  sich  nach  Hause  und  lässt  sich  von 
seiner  Gemahlin  Becher,  Ring  nnd  Stiefel  geben  und  tiiulet 
darin  den  Schädel,  das  Auge  und  die  Zähne.  Die  Königin 
wird  in  einem  Fass  voll  Pech  verbrannt,  und  der  König  hei- 
ratet die   Bauerntochter. 

Sehr  übereinstimmend  mit  dem  venezianischen  Märchen 
ist  eins  von  der  griechischen  Insel  Milo^).  In  diesem  hat 
sich  eine  Königin  in  einen  schwarzen  Diener  verliebt,  und 
als  der  König  dies  erfährt,  tötet  er  ihn  heimlich  und  wirft 
ihn  in  eine  trockene  Cisterne.  Die  Königin  hat  dies  durch 
ein  Fernrohr  gesehen  und  holt  sich  nach  einiger  Zeit  heim- 
lich den  Kopf  des  Mohren.  Ein  Goldschmied  muss  ihr  die 
beiden  Augen  des  Mohren  in  zwei  Ringe  fassen,  die  Zähne 
in  ein  Paar  goldene  Pautoft'eln  einsetzen'^)  und  aus  dem 
21.3  Schädel  einen  Beclier  machen.  Hierauf  [  giebt  sie  dem  König 
folgendes  Rätsel  auf: 

7«   ßcoosTg  qooö), 
Ta  /iiaanet^  'jraroj, 
Nov   fioaT(o   y.iu   .Ti'fd). 
'AvTf'ößoij^   T    yiry  'y.FTrn\i 

D.   li.   VVcniiit  du  fliehst,  das  trage  icli, 
Womit  du  kaust,  das  trete  ich, 
Den  Verstand  ^)  halte  ich   und  trinlve, 
Rate,  was  ist  das? 

AVeiin  der  Kiinig  binnen  vierzig  Tagen  das  Rätsel  löst, 
soll  er  die  Königin  töten;  löst  er  es  aber  nicht,  so  soll  er 
sein   Leben   verlieren.     Weder   der  König,    noch  einer  seiner 


^)  Neos^dyviy.a  'Avä^.ey.ra,  I,  29 — 34.  [=  Misotakis,  Grriech.  Volks- 
luärchen   1882  S.  32.] 

■^)  Im  griechischen  Original  sagt  die  Königin  zum  Groldschmied: 
j'ä  /^lov  HÜjiitjg  yal  kva  CfvyaQi  rnoxXaxta  /govaä  xal  yia  viaxovri  va  /loTi 
ßdh]g  T«  (V>vTta.  Toaxläxia  muss  jedenfalls  Schuhe  oder  Pantoffeln  be- 
deuten, und  vraxovri  ist  vielleicht  das  italienische  taoco. 

•'')   Nämlicli   den   Scliädel   als   Sitz   des  Verstandes. 


'J'J.     l)ii>  Kät^(_■llllä^(■1lL'll   vtm   (Kiii   rmiordctLMi   Geliebten.         ;];");-{ 

llilte  (»der  lioflente  weiss  das  IJiitsel  zu  biseii.  Am  letzten 
Tag'  reitet  der  Kr)iiig  und  einer  seiner  (irossen  aufs  Land, 
um  zu  sehen,  (d)  vielleicht  ein  Landmann  das  Rätsel  deuten 
k("»nne.  Am  Abeiul  kehren  sie  unerkannt  bei  einem  Land- 
mann  ein.  Kin  Huhn  wird  zum  Nachtessen  aufgetragen,  und 
die  erwachsene  Tücher  des  Bauern  zerlegt  es  und  giebt  ihrem 
Vafer  den  Kdpf,  der  Mutter  das  eine  Bein,  sich  selbst  das 
andere,  den  drei  kleinen  Geschwistern  die  Brust  und  den 
beiden  fremden  (lästen  die  Flügel.  Nachts  hört  der  K(inig, 
wie  die  Tochter  ilirem  Vater  auf  dessen  Frage,  warum  sie 
das  Huhn  so  zerteilt  habe,  erklärt,  sie  habe  ihm  den  Kopf 
gegeben,  weil  er  das  Haupt  des  Hauses  sei,  der  Mutter  und 
sich  die  Beine,  weil  sie  den  ganzen  Tag  auf  den  Beinen  seien 
niul  das  Haus  besorgten,  den  kleinen  Kindern  die  Brust, 
„weil  sie  den  ganzen  Tag  an  uusern  Füssen  sind"  ^),  den 
Fremden  die  Flügel,  w-eil  sie  am  Morgen  wieder  fortiliegen 
würden.  Am  Morgen  legt  der  Kr)nig  dem  klugen  Mädchen 
das  Rätsel  der  Königin  vor,  und  sie  erklärt  ihm,  es  müsse 
eine  einen  geliebt  haben,  der  gestorben  sei.  und  sie  müsse 
sich  aus  seinen  Augen  Ringe,  aus  seinen  Zähnen  Pantott'eln 
und  aus  seinem  Schädel  einen  Becher  habe  ma<'hen  lassen, 
-letzt  verstellt  der  Kfuiig  das  Rätsel.  Kr  reitet  mich  Hause, 
bist  vor  versammeltem  Hof  das  Rätsel  und  lässt  die  Königin 
aufhängen.  Dann  heiratet  er  die  Banerntochter,  nachdem  j 
sie  ihm  noch  eine  Probe  ihrer  Klugheit  gegeben  hat,  die  ich  215 
liier  übergehe. 

Wie  man  sieht,  stimmen  das  venezianische  und  das 
griecliis('he  Märchen  in  allem  Wesentlichen  überein ;  in  beiden 
werden  Schädel,  Augen  und  Zähne  des  getöteten  Geliebten 
in  derselben  Weise  verwendet,  und  die  darauf  gegründeten 
b'ätsel  sind  fast  w'örtlich  übereinstimnn^nd;  in  beiden  löst  der 
K(inig  das  Rätsel  mit  Hilfe  einer  Banerntochter,  die  vorher 
durch  eine  eigentümliche  —  allerdings  in  beiden  Märchen 
verschiedene  —  Verteilung  eines  Huhns  ihre  Klugheit  gezeigt 
hat.     [In    einem    Märchen    aus    den   Abrnzzen    bei    Finamore 

^)  „yinri  f/rf  niij  '/urxi  \-7a  jTodäoyta  /in~:"'  Der  ISiiin  ist  mir  nicht 
g'anz   i<liif. 

R.  Kühler,   Kl.  Schriften  I.  23 


354  '^wr  Miirclieiiforschung. 

110.   7   teilt    der    Prinz    das    Huhn,    und  die  ßauerntucliter  er- 
klärt die  Teilung.] 

Die  Lösimg  des  Rätsels  mit  Hilfe  des  Bauernraädchens 
und  die  vorhergegangene  Verteilung  des  Huhns  ^)  findet  sich 
nun  auch  in  einem  dritten  parallelen  Märchen  aus  Benevent  ^), 
in  welchem  aber  die  (Irundlage  des  Rätsels  zum  Teil  eine 
andere  und  die  Fassung  desselben  eine  ganz  andere  ist.  In 
diesem  Märchen  hat  ein  Kouigssohn  einen  Sklaven,  den  Ge- 
liebten seiner  Mutter,  getötet,  und  diese  hat  sich  heimlich 
aus  dem  Schädel  des  (Jeliebten  ein  Gefäss  ('na  ggiarra),  aus 
den  Füssen  Leuchter  und  aus  der  Brust  eine  Schüssel  ge- 
macht, die  übrigen  (iebeine  aber  hat  sie  in  ein  Kissen  gethan. 
Dann  gieht  sie  ihrem  Sohn  folgendes  Rätsel  auf: 

Co  ainniure  niangio, 
Co  aniniore  dormo, 
Co  ainiiiore  vevo, 
Me  V(*to  attuorno, 
E  ])iire  u   veco  ■'). 

Wenn  er  es  binnen  15  T^^gen  errät,  soll  er  sie  töten; 
wenn  er  es  nicht  errät,  will  sie  ihn  töten.  Eines  Tages  reitet 
der  Königssdhu  mit  seinem  Diener  aus,  ein  Unwetter  über- 
217  rascht  sie,  |  und  sie  kehren  in  einer  elenden  Strohhütte  ein, 
wo  ein  Alter  mit  seiner  Frau  und  T()(diter  wohnt.  Eine 
Henne    wird    aufgetragen    uml    von  der  Tochter  verteilt,    und 


')  In  Tli.  Bent'eys  Zeitschrift  Orient  und  Ocu.  1,  444  [zu  Xasr-Eddin] 
und  in  meiner  Annierkuni;'  zu  L.  (ionzenbaeli,  Sicilianisclie  Märchen, 
n.  1  [und  Zs.  d.  N'.  f.  Vidksk.  H,  öH],  habe  ieli  niclit  wenige  P]rzählungen 
nachgewiesen,  in  denen  ein  Huhn  (xUm-  ein  anderer  Vogel  in  mehr  oder 
weniger  ähnlicher  Weise  zerlegt  und  verteilt  wird.  Ausser  den  drei 
obigen  Mäi'cdien  kommen  jetzt  noidi  iiinzu  ein  zweites  griechisches 
Märchen  in  den  A'K>F/Jj/vixa  UräÄFy.ra,  1,  25 — 29,  eins  aus  Barga  bei 
D.  Comparetti,  Novell.  |)0]).  italiane,  n.  48,  und  eins  aus  Avellino  bei 
V.   Iinl)riani,  'A   fata    '>*driana,  Pomigliano  d'Arco,   187.5,  }).  4. 

-)  F.  Corazziui,  I  com])oninienti  minori  della  lett.  pop.  italiana  nei 
priiicipali   tlialetti,  p.  41:52  —  4H5. 

')  I  l^ei  De  Nino  no.  H8:  ,Per  amore  io  bevo,  Per  amore  io  sedo. 
Per  amore  io  mi  specchio'.  Bei  Finamon^  no.  7:  .^Fer''  e  ssede,  ^lor 
e  bbeve,   Alze  V  occh-i-e   minore   veile'.  | 


'22.    Das  Riitseliiiürciheii    von   dem  ("niiordeteu  Geliebten.         Hi)b 

auf  die  Frage  des  Köiiig.s.s(dins  erklärt  die  -luiigfrau  die  Ver- 
teilung' folgeiidermasseii:  „A  paiisa  Taggio  data  a  tata,  cli'e 
11  capo  de  casa:  la  scella  a  u  servitore,  ca  ä  da  ola":  "iia 
cos.sa  a  manniia.  e  "iia  cossa  a  nie,  c'aggio  a  sta"  accosciata 
.sottü  a  ies.sa:  ;i  porpa  a  hui,  ca  site  rre."  Darauf  legt  der 
Köaig8S()lin  ihr  das  Rätsel  vor.  und  uachdein  sie  von  ihm 
erfahren  hat.  dass  er  den  Sklaven  getötet  hat,  giebt  sie  ihm 
die  Lösung.  Nach  Hanse  zurückgekehrt  findet  der  Königs- 
sohn das  Trinkgefäss,  die  Leuchter,  die  Schüssel  und  das 
Kissen  mit  den  (iebeinen.  Die  Königin  wird  in  die  Einsam- 
keit geschickt,  das  Mädchen  aber  und  ihre  Eltern  nimmt  der 
Königssolm  zu  sich. 

Sehr  nahe  diesem  Märchen  aus  Benevent  steht  ein 
tschechisches^)  folgenden  Inhaltes.  Ein  Königssohn.  der 
Bräutigam  einer  Königstochter,  ist  von  einem  andern  Königs- 
sohn, der  ebenfalls  um  die  Königstochter  geworben  hatte,  auf 
der  Jagd  hinterlistig  getötet  worden.  Die  Königstochter  Hess 
sich  aus  dem  Schädel  ihres  Bräutigams  einen  Becher,  aus  den 
Knochen  seiner  Hände  vier  Leuchter,  aus  den  Füssen  Stuhl- 
füsse  und  aus  den  Haaren  einen  (iürtel  machen.  Als  dann 
der  M(ir(ler  ihres  Bräutigams  von  neuem  um  sie  warb,  er- 
widerte sie  ihm,  sie  wolle  ihm  am  folgenden  Tage  beim 
Abendessen  ein  llätsel  aufgeben,  und  wenn  er  es  bisen  könne, 
wolle  sie  ihn  lieiraten,  wenn  er  es  aber  nicht  b'ise,  solle  er 
seinen   Koi)f  verlier(Mi.     Das  Kätsel  lautete: 

Auf  der  Liebe  sitze  ich. 

In  die  Liebe  blicke  icli, 

^lit  der  Liebe  unigürte  ich  niicli, 

Aus  der  Liebe  trinke  icli   dir  zu'-). 

Der  Königssohn  sagte,  er  sei  ihre  Liebe,  und  weim  sie  sich 
auf  seineu  Schoss  setze,  ihn  anblicke,  sich   von  ihm  umarmen 

')  G.  Krek,  Einleitung  in  die  slavische  Litteraturgescliiclite,   S.  2B5. 
'-)  Im  Original: 

Na   läsce  sedim, 

Na  läsku  hledim, 

Läskou  se   ovijim, 

Z  läsky  ti  pripijim. 

28* 


356  ^ur  Märchenfursc'hung. 

218  las.^e  I  und  ihn  küsse,  so  sei  das  Rätsel  gelöst.  Die  Königs- 
tochter sagte  ihm  darauf  die  wahre  Ijösiuig  und  liess  ihn 
köpfen. 

Ein  mit  dem  Rätsel  dieses  tschechischen  Märchens  nach 
Fassung  und  Inhalt  sehr  übereinstimmendes  Rätsel  wird  ur- 
spriiuglicli  wahrscheinlich  auch  in  dem  Märchen  vorgekommen 
sein,  welches  T.  Gradi  in  la  Vigilia  di  Pasqua  di  Ceppo  ^) 
erzählt.  Der  Beginn  dieses  Märchens  ist  dem  des  beneven- 
taner  ähnlich:  eine  verwitwete  Ktinigin  liebte  den  Sohn  eines 
Stallknechts,  „soprannomato  il  Giudeo",  und  ihr  Stiefsohn 
tötet  ihn  auf  der  -lagd.  Sie  lässt  sich  aus  seinem  Schädel 
eine  Trinkschale,  aus  den  Beinen,  den  Armen  und  den  andern 
grössern  Knochen  einen  Sessel,  aus  den  kleinern  Knochen 
einen  Spiegelrahmen  machen,  und  verlangt  von  dem  Stief- 
sohn bei  Todesstrafe,  dass  er  errate,  woraus  Trinkschale, 
Sessel  und  Spiegelrahmen  gemacht  seien.  Der  Königssohn 
entflieht  und  erfährt  erst  nach  vers(;hiedenen  Erlebnissen 
durch  „il  grau  indovinatore"  die  Lösung.  Wahrscheinlich  hat 
ursprünglich  in  diesem  Märchen  die  Königin  nicht  die  ein- 
fache Frage  gestellt,  woraus  Schale,  Sessel  und  Spiegelrahmen 
gemacht  seien,  sondern  ein  wirkliches  Rätsel  gegeben,  welches 
etwa  lautete: 

Aus  der  Liebe  trinke  ich, 
Avxf  der  Liebe  spitze  icb, 
In  die  Liebe  sehe  ieli. 

Ich  habe  nun  noch  ein  sicilianisches  Märchen  aus 
Palermo  anzuführen,  welches  (!.  Pitre'-)  mitgeteilt  hat.  Es 
lautet:  „(k-era  "na  vota  un  re  e  "na  rigina.  Stu  re  e  sta 
rigina  avianu  un  jardiiiu.  Ea  rigina  sciniiia  nua  stu  jardinu 
e  si  facia  Pamuri  c"  un  scliiavu.  Eu  re,  ch"  "un  era  di  11 
locchi,  si  nn"  adduuau,  e  In  fici  ammazzari.  Figuräraunni  a 
idda  quannu  si  vitti  ammazzari  st"  amanti!  'ün  arriggiu  cchiü. 
Chi   fa?    Di    tuttu    lu   so   c(»r|)u,    la   peddi.    si  uni  furniau  an 


1)  S.  8—20. 

-)  Nuovo  saggio    di    tiabe  e    nov.  pop.  sicil.   (Kstratto  daUa   Kiv.  di 
fil.   roni.  voL  I)  Imola,  1873,  n.  IX   „Lu  re  tureu". 


22.    Das   Rätsclinärcheu   von   iIlmii  eniiordeton  Cxeliebteii.         ;-}57 

librii  pi  leggiri.  rdcchiu  specchiu  pi  vicüii.  lossa  "na  seggia,  la 
testa  IUI  biccheri  pi  viviri.    E  ogiii  joriiu  facia  im  repitu  e  dicia: 

Aiuuri   morsi  e  la  me  cariii  cheju  ^), 
Üra   ch'  Aimiri  morsi,  io  raddisiu ; 
Ainuri  fici  'na  seggia,  e  nii  cci  seju, 
Clin  lazziteddu  d'oru  mi  strinciu. 
Anniri  lici  'na  littra,  e  io  la  leju; 
L'  ot'clii  (dii  su'  du'  spei'clii  nii   eci  aniniin; 
Quannu  'im   pozzu  fari   aiitni  pejii  l>ejii, 
Vivn   nt'  Aniuri   e   stu  cori  sazziii. 

Dieselben  Verse  hatte  (1.  Pitre  iu  seinen  Cauti  pop.  sieil.-), 
ans  Marsala^)  gegeben  mit  folgender  sie  erklärender  Tra- 
dition: „Reca  la  tradizione  ehe  in  Costantinopoli  nna  donna 
siciliana  avesse  perdnto  la  vita.  Lo  amante  schiavo,  non 
sapendo  come  innnortalarne  la  memoria,  a  sfogar  limmenso 
sno  dolore  fece  ridnrre  a  pergamena  la  pelle  di  lei.  e  vi 
scrisse  i  propri  peusieri  ed  affetti.  (ili  (lechi  cnro  e  con- 
servö  come  lucidi  specchi,  gli  stinchi  e  le  ossa  delle  braecia 
ridusse  a  seggiola,  i  eapelli  a  laccetto,  del  cranio  feee  un 
bieehiere." 

Die  palermitaner  Traditio]!  ist  offenbar  die  bessere,  aber 
anch  sie  ist  entstellt:  sicherlich  wird  nrsprünglich  die  K()nigin 
die  Verse  nicht  als  „repitn^'  gesagt,  sondern  als  Rätsel  anf- 
gegeben   halien. 

Dies  sind  die  mir  bekannten  Versionen  des  Märchens, 
welches  man  das  Rätselmärchen  von  dem  ermordeten  Geliebten 
betiteln  kann.  Was  die  den  Rätseln  zn  Grnnde  liegende 
heimliche  Verwendung  gewisser  Teile  des  Ermordeten  betrift't, 
so  kommt  nur  die  Verwendung  des  Schädels  zu  einem  Trink- 
gefäss  in  allen  vor,  und  gerade  diese  Verwendung,  die  einer 
alten,  weit  verbreiteten  Sitte  entspricht'^),  wird  gewiss  schon 
in  der  ältesten  Fassung  des  Märchens  vorgekommen  sein.  | 

')  I.  e,  aborrisoo. 

'-)  Yol.  I,  n.  407,  n.  .ö80. 

=>)  Die  Folge  der  Verse  i.st  hier  1,  2,  5,  fi,  'd,  4,  7,  8.  V.  4  lautet 
in  dieser  Fassung:  Mi  fici  un  lazziteddu  e  nii  strinciu. 

*)  Man  vergl.  über  die  Sitte,  aus  den  Schädeln  erlegter  Feinde 
oder  gestorbener  Angehörigen  Trinkgefässe    zu    machen,    Jacob  Crrimm, 


358  ^ur  Märohenfur^cliuug. 

220  Zum  Seliluss  will  ich  uoeli  zwei  Rätselmärcheii  auführeu, 

die    mit    dem   tschechischen   und   dem   beneveutaiier  und  den 
sicilianischen  Versen  eine  gewisse  Aehnlichkeit  haben. 

In  einem  niederdeutschen  Rätselmärclien  ^)  spricht 
eine  Witwe  auf  dem  Sarge  ihres  Mannes  folgende  Worte,  die 
als  Rätsel  aufgegeben  werden: 

D.  h.: 
Op  Leef  seet  ek,  Auf  Liebe  sitze  ich, 

Op  Leef  eet  elv,  Auf  Liebe  esse  ich, 

Un  Leef  lüclit  mi,  Und  Liebe  hält  mich   aufrecht. 

Un  lickes  gvu  mi.  Und  doch  g-raut  mir. 

Nach  einem  englischen  Rätselmärchen  ■'^)  soll  eine  zum 
Tod  verurteilte  Frau  begnadigt  werden,  wenn  sie  den  Richtern 
ein  Rätsel  aufgiebt,  welches  sie  nicht  lösen  können.  Sie  giebt 
nun  folgendes  auf: 

Love  I  ^it,  I  see  Love. 

Love   I   stand,  Love  *ees  not  me. 

Love  I  hold  Riddle  nie  that, 

Fast  in  band.  Or  hang'ed  I  '11  be. 


Auf  Liebe  sitz'  ich,  Ich  sehe  Liebe, 

Auf  Liebe  steh'  ich,  Liebe  sieht  mich  nicht. 

Liebe  halte  icli  Errate  mir  das, 

Fest  in  der  Hand.  Oder  ich  will  gehängt  werden. 


Geschichte  der  deutschen  Sprache,  Bd.  I,  Leipzig,  1848,  8.  142  ff.;  E.  L. 
Kuchholz,  Deutscher  Glaube  und  Brauch,  Bd.  I,  Berlin,  1867,  S.  227  ff.^ 
Krek,  a.  a.  O.,  S.  2(i6  ff.;  R.  Andree,  Ethnographische  Parallelen  und 
Vergleiche,  Stuttgart,  1878,  S.  133  ff.  —  [In  einem  schottischen 
Spruche  bei  R.  Chambers,  Populär  Rhymes  of  Scotland  *  p.  328  =  p.  108 
ed.  1870  und  bei  W.  Gregor,  Notes  on  the  Folk-lore  of  the  North-East 
of  Scotland  1881  p.  82  ist  nicht  der  Geliebte,  sondern  die  Frau  er- 
mordet: ,1  sat  wi'  niy  love,  and  I  drank  wi'  my  love,  And  my  love 
she  gave  me  light ;  TU  give  any  man  a  ])int  o'wine,  That  '11  read  my 
riddle  right !'  Die  Auflösung  lautet:  ,1  sat  in  a  chair  made  of  my 
mistress's  bones,  drank  out  of  her  skull,  and  was  lighted  by  a  candle 
made  of  the  substance  of  her  body.'] 

')  K.  Simrock,    Das    deutsche    llätselbuch,    2.  Sammlung,    No.  232. 


22.    Das  Kätselmärrlicn   von  (U'iii  ermordeten  Gelieliteii.         25!) 

Sie  hatte  näiiilicli  eiueii  Hund,  der  Love  (Liebe)  hiess, 
getütet  und  aus  seiner  Haut  sich  eine  Decke  über  ihren  Stuhl, 
Schuhsohlen  und  Handschuhe  gemacht. 

Dasselbe  Kätsehnärchen  kommt  auch  in  Deutschland 
mehrfach  vor.  aber  der  Hund  heisst  hier  nicht  Liebe,  son- 
dern hat  irgend  einen  nichts  ])edeutenden  Namen,  und  aus 
seiner  Haut  werden  nur  Schuhe  gemacht.  So  heisst  er  in 
dem  Märchen  bei  H.  Frohle^)  Lilla,  und  das  Rätsel,  welches 
ein  zum  Tod  verur- teiltes  Mädchen  aufgiebt,  lautet:  221 

Auf  Lilla   geh   ieh, 

Auf  Lilla  steh   ieh, 

Auf  Lilla  hau  ich  meine  Zuversicht. 

Nun  ratet,  ihr  Herrn,  was   das  wohl   ist. 

Bei  K.  Müllen  hoff'-)  lautet  das  Rätsel,  welches  hier  eine 
Frau  den  Richtern  aufgiebt,  um  ihren  zum  Tode  verurteilten 
Mann  zu  retten: 

Auf  llo  geh  ich, 

Auf  llo  stell  ich, 

Auf  llo  komm'  ich  herangerannt, 

IIo  ist  mir  wohlbekannt, 

Auf  Ho  kehr'  und  wend'  ich  mich, 

Auf  llo  hab'  ich   Freud  und  Leid. 

Ratet,  ihr  Herren,  nun  ist  es  Zeit. 

llo  heisst  der  Hund  auch  in  dem  Rätsel  bei  L.  Strackerjan  ^), 
wo    aber  nicht  erzählt  wird,  dass  ein  Verurteilter  es  aufgiebt: 

Auf  Ho  geh  ich. 

Auf  Ho  steh  ich, 

Auf  Ho  verdien'  ich  all  mein  Geld. 

Wer  das  kann  raten,  wer  das  kann  denken, 

Dem  will   ich  ein  Glas  mit  Wein  schenken. 


[VgL  Ehlers,  Schleswig-Holsteensch  Kätselbok  1S65  no.  75,  Wossidlo, 
Mecklenburg.  Yolksiiberlieferungen   1,   198  no.  9B3,  dazu  Ö.  ::521.] 

^)  W.  Henderson,  Xotes  on  the  Folk  Lore  of  the  Northern  Counties 
of  England  and  the  Borders,  with  an  Appendix  on  Household  Stories 
by  S.  Baring-Gould,  S.  .318. 

^)  Märchen  für  die  Jugend,  Nr.  48. 

-)  Sagen,  Märchen  und  Lieder  der  Herzogtümer  Schleswig,  Holstein 
und  Lauenburg  S.  504. 

■'')  Aberglaube    und  Sagen    aus    <lem  Herzogtum  Oldenburg    2,    89. 


3ßO  ^111'  Märclienforschun^^. 

Endlieh   ist  iiüch  ein  Rätsel  auziiführeii,    welches  A.  Peter  ^) 
mitteilt. 

Aiif  Isop  gell  ich, 

Auf  Isop  stell   ich, 

Isop  trag'  ich  auf  nieineu  Häudeu. 

Wei'  das  errät,  deui  will  ich  nieiuen  Kiug  schenkeu. 

Auflösung:  Schulie  und  Handschuhe  verfertigt  aus  dem  Felle 
eines  Hundes,  welcher  Isop  hiess. 


23.   Zu  Finamore,  Tradizioni  popolari 
abruzzesi. 

(Litteraturbhitt  für  german.   und   nmiaii.    i'liilologie  1SS2,  320—822.) 

Tradizioni  popolari  al)ruzzesi.  raccolte  da  (1.  Fiiuimore.    Vol.  1. 

Novelle  (Parte    prima).     Lanciaud,   ti})ogratia   di   K.   Carahba. 

lSS-_>.     XL  -248  S.  s. 

230  Der  bereits    durch  sein   sowohl  für   die    Italien.  Dialekt- 

kunde, als  für  die  Kunde  des  Volkslebens  und  der  Volks- 
ttberlieferungen  wichtiges  ,Vocabolario  dell"  uso  abruzzese' 
(Lanciano  1880)  rühmlichst  bekannte  Verf.  bietet  uns  in 
diesem  1.  Bande  der  .Tradizioni  popolari  abruzzesi'  52  Mär- 


*)  Vulkstüniliches  aus  Oesterreichisch-Schlesien  1,  12t).  [Ferner 
vgl.  Ehlers  no.  73.  353,  Bartsch  1,  510,  Niederd.  Korresp.-Blatt  8,  23 
(Up  Uplak  gän  ik),  Knoop,  Ys.  aus  Hinterpommern  8.  87,  Engelien  1, 
208,  Am  ürdsbrunnen  2,  37.  172.  198.  243,  Paudler,  Xordböhm.  Volks- 
lieder S.  36  (Auf  Berlin  geh  ich);  Feilberg,  Faelleskab  p.  266,  Kamp, 
D.  F.  no.  2  (Skjöntanker  jeg  gaaer);  besonders  aber  Wossidio  1.  321  zu 
no.  962.  In  eigentümlicherweise  ist  das  Rätsel  benutzt  in  einem  1804  ent- 
standenen Gedichte  von  F.  Kind  ,Die  beiden  Windspiele'  (Gedichte 
1808  S.  39  =2.  Aufl.  1817  1,107).  Hier  erbaut  das  Edelfräulein  Jucunde, 
das  den  Freier  der  Hochmut  in  den  Krieg  geschickt  hat,  zu  Venedig  ein 
Hospital  und  legt  den  aus  dem  heiligen  Lande  heimkehrenden  Pilgern 
ein  Rätsel  vor,  das  sich  auf  Konrads  beide  Rüden  Liebe  und  Treue 
bezieht,  deren  Felle  sie  stets  an  Arm  und  Brust  trägt.] 


28.    ^''inaiiiurt.',  Tntdizidiii  ]>()])(ilari   abruzzt'si.  •)(;] 

(;lieii  aus  Crtona  u  iiiare,  l.aiiciaiio.  S.  Vito  Cliietiuu,  S.  Eu- 
saiiio  (lel  SaiiiiTo,  Casoli,  Gessopaleiia,  Roccascalegua.  Hovrello. 
Villa  8a.  Maria.  Civitaluparella  und  Paleua.  Von  diesen 
Märchen  hat  er  die  Mehrzahl  seihst  aufgezeichnet  und  zwar 
meist  aus  dem  Munde  vdii  dvs  Tresens  unkundigen  Frauen, 
die  sie  wiederum  von  ihren  Müttern  oder  Grossmüttern  ge- 
hiirt  hatten.  Bis  auf  13,  welche  in  italienischer  Sprache 
wiedergegeben  sind,  sind  alle  übrigen  Märchen  in  der  Mund- 
art der  Erzähler  aufgezeichnet,  und  sie  liefern  somit  aucii 
für  die  Dialektkunde  willkommenes  Material.  Sie  sind  in 
der  oben  angegebenen  Reihenfolge  der  Orte  zusammengestellt, 
und  den  so  gebildeten  (iruppen  gehen  kürzere  oder  längere 
Notizen  voraus  über  die  (lescliichte  der  Orte,  über  die  Mund- 
art. ül)er  die  F^rzähler  und  Erzählerinnen^).  In  jedem  mund- 
artlichen Märchen  sind  unter  dem  Text  einzelne  Wörter  und 
F<u'men  ül)ersetzt  oder  erklärt,  leider  sind  aber  gar  manche 
W(irter,  die  auch  im  ,Vocabolario-  fehlen,  und  manche  keines- 
wegs leicjit  erkennbare  mundartliche  Umgestaltungen  sonst 
bekannter  W(irter  nicht  übersetzt  und  erklärt,  während  da- 
gegen manche  an  sich  und  ans  dem  Zusammenhang  leicht 
verständliche  W(irter  und  Fiu'inen  unnötiger  AVeise  berück- 
sichtigt sind.  Am  Schlüsse  der  meisten  ^lärchen  sind  kurze 
Verweisungen  auf  andere  italienische  Märchen,  die  im  Ganzen 
oder  in  Einzelheiten  L'ebereinstimmuug  bieten,  beigefügt.  Der 
Verf.  sagt  selbst  (S.  10),  dass  er  dazu  nur  einige  ilim  zu- 
gängliche Sammlungen  (.aicune  raccolte  che  ho  avuto  tra 
man<c)  benutzt  habe,  und  so  lassen  sich  denn  aus  von  ihm 
nicht  verglichenen  Sammlungen  italienischer  Märchen  manche 
Nachträge  liefern,  wozu  auch  noch  einzelne  aus  den  ver- 
glichenen, aber  ni(dit  ganz  ausgenutzten  kommen.  Soweit 
es   der   beschränkte   Raum    dieses  Blattes    gestattet,    will  Ref. 


')  S.  74  giebt  F.  die  Titel  von  50  Märehon,  die  ihm  5  Individuen 
in  S.  Eusanio  del  Sangro  hätten  diktieren  können,  und  S.  140  die  von 
15,  die  ilini  von  einer  SOjährigen  Frau  in  Gessopalena  —  ausser  den 
sechs  mitgeteilten  —  diktiert  worden  sind,  die  er  aber  leider  zurück- 
behalten hat. 


3(52  ^11''  Märc'henfürsrluuig-. 

ZU    eiuiseii    Mävclieu    die    Nachträge    oder    sonstigen    Ik-mer- 
kimgen,  die  er  zu  machen  liat,  mitteilen. 

Nr.  5.  I^a  fävele  de  lu  serpende.  Vgl.  Straparula  4, 
1  und  dazu  Liebrechts  und  Benfeys  Aufsätze  im  Orient  und 
Occident  1,  3-1:1  tt".,  sowie  ferner  Luzel.  Second  rapport  sur 
une  mission  en  Basse  Bretagne  S.  1H4  f.  und  Cinquieme 
rapport  S.  IS  ff.  —  Nr.  10.  La  fävele  de  lu  scarafnn- 
gjielle  (d.  h.  das  M.  vom  kleinen  Mistkäfer).  Vgl.  Basdes 
Pentamerone  3,  5,  womit  ich  im  Jahrb.  f.  rom.  Lit.  5,  15  [oben  !>4J 
ein  gascognisches  M.  zusammengestellt  habe.  —  Nr.  17.  La 
fävele  de  la  tignusjielle  (d.  \\.  das  Märchen  vom  kleinen 
Grindkopf).  Vgl.  das  von  mir  im  -lahrb.  <s,  253  [oben  330] 
mitgeteilte  M.  aus  Sora  im  Neapolitanischen.  —  Nr.  21.  La 
serpucce.  Vgl.  auch  Pentamer.  2,  2;  Bernoni,  Fiabe  e  no- 
velle  i)op.  veneziane  no.  IT:  Schneller.  Märchen  und  Sagen 
ans  AVälschtirol  no.  21;  Busk.  Tlu'  Folk-iore  of  Home  S.  57.  — 
Nr.  24.  Frangeschjielle.  Vgl.  Straparola  1,  2  und  De 
Gubernatis,  Novelline  di  S.  Stefano  di  ('alcinaia  no.  29. 
Andere  nicht  ital.  Parallelen  s.  in  meiner  Amn.  zu  einem 
Südslavischen  M.  im  Archiv  für  slav.  Philol.  1,  2S3  und  in 
E.  Cosquins  Anm.  zu  seinen  Contes  populaires  lorrains  no.  70 
(Romania  10,  1()2).  —  Nr.  25.  Quacquaröne.  Vgl.  Schneller 
S.  173  no.  3.  —  Nr.  2(5.  La  scartozze  de  sale.  Vgl. 
Pitre  no.  10,  Comparetti  no.  (iL  Busk  S.  403,  Coronedi-Berti 
110.  3,  Bernoni  no.  14.  Die  meisten  dieser  italieniscdien  M. 
habe  ich  bereits  in  meiner  Anm.  zu  Blade,  Contes  p(q).  rec. 
en  Agenais  S.  152  zusammengestellt.  —  Nr.  28.  La  störije 
de  In  pazze.  Vgl.  die  alte  französiche  Farce  vom  Advo- 
katen Pathelin,  die  bekanntlich  auch  in  andern  Literaturen, 
z.  B.  von  Reuchlin  lateinisch,  nachgebildet  worden  ist,  und 
Sebillot,  Litterature  orale  de  la  Haute -Bretagne  S.  138.  — 
Nr.  31.  La  storije  de  la  Bbella  Vijende.  Vgl.  ein 
römisches  M.  bei  Miss  Busk  S.  40(5.  Beide  sind  abzuleiten 
aus  der  berühmten  uml  in  viele  Sprachen  übersetzten  alten 
französischen  ,Histoire  du  Chevalier  Paris  et  de  la  belle 
Vieiine'.  Sie  ist  in  Italien  verbreitet  worden  nicht  allein 
durch    eine    seit    1482    bis    ins    17.    .lahrh.    öfters    gedruckte 


2'6.    Fiiuuiiure,  Tradizioni   populari   ahruzzesi.  lM)-\ 

Pro.saübersetzuug.  soiuleni  auch  durcli  zwei  im  l(i.,  bezüglich 
im  17.  riahrh.  verfasste  Bearbeitungen  in  Ottaven  von  Mario 
Telnccini,  genannt  il  Bernia,  und  von  Angeb»  Albani  aus 
Orvieto,  genannt  il  Pastor  Poeta.  deren  letztere  bis  in  die 
allerneueste  Zeit  als  Volksbuch  gedruckt  worden  ist.  Ich 
kann  hier  nicht  weiter  auf  das  Verhältnis  der  beiden  M.  zu 
ihrer  Quelle  eingehen  und  will  nur  bemerken,  dass  das  abruz- 
zesische  M.  ihr  viel  näher  steht  —  wie  es  ja  auch  den  Namen 
Vieuna  ( Vienne)  beibehalten  hat  —  als  das  römische,  in  dem 
die  Fabel  viel  mehr  verändert,  zum  Teil  entstellt  ist.  —  Nr.  H3. 
Le  fatte  de  disopre  (d.  h.  1  fatti  d'Esopo).  Drei  Schwanke, 
die  der  dem  Maximus  Planudes  beigelegten,  in  viele  Spraclien, 
auch  in  die  italienische,  übersetzten  Lebensbeschreibung  des 
Aesop  entstammen.  Vgl.  in  A.  Eberhards  Ausgabe  des 
Biog  AiocojTov  (Fabulae  romanenses  graece  conscriptae,  Vol.  1) 
Cap.  12  und  17.  —  Nr.  H4.  Le  fatte  de  sam  Bjietre. 
H  kleine  Geschichten  von  S.  Petrus  und  dem  Heiland.  Zu 
zweien  hat  der  Hrsg.  auf  sicilianische  M.  verwiesen.  Die 
'S.  besonders  sinnige  ist  in  einer  andalusischeii  Fassung  von 
Fr.  Rodriguez  Marin  in  der  Sevillaer  Zeitschrift  ,La  Fnciclo- 
pedia-  18S0.  S.  728  mitgeteilt  worden.  —  Nr.  HO.  La  si'ire 
de  In  cunde.  Vgl.  auch  ein  von  A.  Gianandrea  gesammeltes 
M.  in  den  von  (\  (iargiolli  zu  den  .Nozze  Imbriani-Rosnati' 
herausgegebenen  , Novelline  e  Canti  popolari  delle  Marche', 
Fano  1878,  S.  7,  no.  L  —  Nr.  88.  Lu  fatte  deP  üocchie'-n- 
frönde.  Neue  interessante  Version  der  Polyphemsage.  Vgl. 
Kr.  Nyrops  kleine  vortreffliche  Schrift  , Sagnet  om  Odysseus 
og  P(dyphenr,  Köbenliavn  18S1  [Nordisk  Tidskrift  f(U-  Filo- 
logi  N.  R.  5J,  über  welche  F.  Liebrecht  in  diesem  Blatt  18,S2, 
Nr.  1  berichtet  hat.  —  Nr.  42.  Lamore  nen  dure.  Vgl. 
Grimm  KHM  no.  Kl,  zu  welchem  M.  eine  wirkliche  Parallele 
nicht  bekannt  war.  Verwandt  ist  eine  russische  Sage,  s.  F. 
Liebrecht,  Zur  Volkskunde,  S.  41  f.  und  880.  —  Nr.  44.  Le 
fatte  de  le  jjuumbri'  (d.  i.  I  fatti  del  gomitolo).  Vgl. 
Pitre  no.  12!),  zu  welchem  M.  ich  auch  verschiedene  nicht 
italienische  Parallelen  anführen  könnte.  —  Nr.  41).  Ju  mela- 
granate.     Vgl.  auch  Gonzenbach   no.  20. 


364  ^^11'  ^räi'client'orscliung-. 

Den  folgenden  Bänden  der  ,Tradizioni  popolari  abrnzzesi', 
welche  den  '2.  Teil  der  , Novelle'  und  dann  iLeggende  popolari 
in  verso',  ,Canti'  und  ,Proverl)i'  bringen  sollen,  sehen  wir  er- 
wartungsvoll entgegen  und  wünschen  daher,  dass  es  Herrn  F. 
vergönnt  sein  möge,  sie  recht  bald  erscheinen  zu  lassen. 


24.    Riscontri  alla  fiaba  rovignese  El  Poüliso 
e  '1  Padüeio. 

(Giambiittista   Ba-;ile   1,   621).      1SS3.) 

In  Nr.  5  hat  Antonio  Ive  zu  der  von  ihm  mitgeteilten 
fiaba  rovignese  El  Poüliso  e  "1  Padüeio  auf  andere  Märchen 
hingewiesen,  die  jedoch  fast  sämtlich  nur  in  der  Form,  nicht 
im  liduilt  ähnlich  sind.  Wirkliche  Parallelen  der  fiaba  rovig- 
nese sind  die  folgenden : 

D.  (t.  Bernoni,  Tradizioni  popolari  veneziane  p,  81. 
Antonio  Tlianandrea,    Novelline    e    habe   popolari  mar- 

chigane  No.  2. 

Vittorio  Imbriani,  12  Conti  pomiglianesi  p.  244  no.  11; 
250  und  252  (varianti  leccesi):  271  (Variante  milanese;  letztere 
auch  Novellaja  fior.  p.  552). 

Gherardo  Nerucci,  Cincelle  da  bambini  no.  8. 

Giovanni  Papanti,  Novelline  livornesi  no.  4. 

Giuseppe  Pitre,  Fiabe,  novelle  e  racconti  popolari  sici- 
liani  no.  i;}4. 

F.  Caballero,  Cnentos,  oraciones,  adivinas  y  refranes 
populäres  e  infantiles  p.   Jl. 

Ein  von  F.  Maspons  y  Labrös  in  der  Bareelouaer 
Zeitschrift:  Lo  (iay  Saber  1S78,  15.  Januar  mitgeteiltes 
Märchen.  "       . 

A.  Coelho,  Contos  po])ulares  portuguezes  no.  1. 

E.  Cosqin,    Contes    populalres    lorrains    no.   18    und  74. 
Melusine   Vol.  1,  p.  124  (conte  du  Pays  niessin). 


24.     Kl    l'oiili-(,   r   '\    l'adiicid.  ;^(;5 

l'.  Sebillot,  Coiitcs  popiilaircs  de  la  Haute- Bretagne 
110.  CO. 

Sel)illni .  I.a  litteratiire  orale  de  la  Haute-Hretague  p.  "io'i. 

[Blade.  Contes  popidaires  de  la  Gascogue  8.  -I'A')  iki.  1 
,Le  rat  et  la  rate-.] 

J. -G.  von  Halm,  (iriecliisclie  und  albanisclie  Märchen 
no.  56. 

M.  Kremnitz,  Kuinäni.sclie  Märchen  No.  15  (ans  der 
rnmänischen  Suminlnng  von  F.  M.  Arsenie  übersetzt). 

Brüder  Griniin.   Kinder-  und  Hausinärchen  no.  30. 

P.  Chr.  Asbjiirnsen,  Xorske  Folke-Eventyr.  ny  Säm- 
ling no.  103. 

Alle  diese  Märchen  sind  nur  verschiedene  Versionen  eines 
und  desselben  Märchens,  dessen  Inhalt  ist;  ein  Tier  (Laus, 
Floh,  Maus,  Ratte,  Hahn)  oder  eine  salsiccia  oder  ein  ausser- 
ordentlich kleines  Kind  fällt  in  einen  Kochtopf  (pentola)  oder 
in  einen  Kessel  (caldaja)  und  kommt  darin  um.  Seine  Frau 
oder  Mutter  oder  Eltern  oder  sein  Hausgenosse  klagt  und 
weint  darüber,  und  verschiedene  belel)te  und  unbelebte  Wesen 
und  Gegenstände,  z.  B.  Thür,  Fenster,  Baum,  Vogel,  Brunnen, 
Magd,  die  davon  Kunde  erhalten,  geben  in  eigentümlicher 
Weise  ihr  Mitgefühl  zu  erkennen. 


25.  Neohellenika  Analekta  1,  1—2. 

(Göttingische   gelehrte  Anzeigen   1871,   1401  —  1410.) 

NFoelhjvixa     " Avdkexra     neQioöixMg     mdfÖoi^icvd     vtio     to?  I4i)l 
fPiloloyixov    2!idk6yov    'Uagvaooov     sjTioTaoia    jm'TaiieÄovg   ejit- 
roojxrjg.     Tofiog  A.'   lAjrgtXiog   1870.     (pv/MlÖtor  A.    —  "lovviog 
1S70.      fpiOdddiov   B.' j    'Ev   'Aßtp'aig,    ev    rto  ygaqjeko  top  2.'rl- 
Aoyov.     /38,  'Oöog  T6/(ß)]g,  3<S./   1870.     8".      12S  Seiten. 

Die    philologische    (iesellschaft   Parnassos    in    Athen    hat 
im   danuar  1870    eine   K(nnmission    für   Sammluii"'    und   Ver- 


yy(')(\  Zur  ^lärolieiit'iirscliung'. 

(iffeiitlicliiiiig  iieugriecliisclier  Sitten  iiiul  l)räuclie.  Märclieii, 
Spricli\v(irter,  Rätsel,  Lieder  und  iiiuiidai'tliclier  (llossare  u. 
dgl.  erwählt.  Als  erste  Frucht  der  eifrigen  Thätigkeit  dieser 
Kommission,  welche  aus  den  Herren  F.  1.  Pliermpos,  N.  G. 
Politis,  S.  P.  Lampros.  I.  Abras  und  K.  Sakkellaropulos  be- 
steht, haben  wir  die  Zeitsclirift  "^ XeotXbjviy.a  WvdAry.ia  zu 
begrüssen. 

Das  erste  Heft  enthält  elf  Volksmärchen  (()i]f(oj()ii 
TTaodfivDiu).  Bevor  ich  aber  auf  diese  näher  eingehe,  halte 
ich  es  nicht  für  übertliissig,  bei  dieser  Gelegenheit  erst  ein- 
1402  mal  alle  bisher  ]  veröffentlichten  neugriechischen  Volks- 
märchen, die  mir  bekannt  geworden  sind,  zu  verzeichnen. 
Es  sind: 

1.  Zwei  in  der  Zeitschrift  ,Das  Ausland',  Jahrgang  1(S32, 
Nr.  .)S.  S.  -ioO,  uml  Nr.  61.  S.  242,  V(m  Dr.  Zuccarini  in 
deutscher  Sprache  auszugsweise  mitgeteilte  Märchen,  nämlich 
eins  von  Zjaxrojrorrd.  d.  i.  Aschenbrödel  (Variante  zu  Hahn 
no.  2  und  Sakelhirios  no.  2)  und  eins  von  einem  armen 
H(dzhaner  und  einer  (hinkbaren  Schlange,  der  Tochter  der 
Schlangeidvönigin.  Mit  letzterem  vgl.  man  das  Suaheli- 
Märchen  .P)lessing  uv  Property  in  Steeres  von  mir  im  vorigen 
Jahrgang  dieser  Anzeigen  (Stück  42)  besprochener  Samm- 
lung, wo  der  vertriebenen  Königin  ganz  ebenso  von  einer 
dankbaren  Schlange  gelohnt  wird  (S.  403 — 407).  In  letzterem 
Märchen  rät  die  Sclilange  ilirer  W(ddtliäterin,  sich  von  dem 
Vater  der  Schlange  beim  Abschied  (h'ssen  Ring,  der  ein 
Wunschring  ist,  auszul)itten :  im  grie<-hischen  .Alär<-hen  ver- 
langt die  Schlange  selbst  von  ihrer  MuttiM'  einen  Wunschring 
als   Belohnung  für  iliren    Wohlthäter. 

2.  Das  von  Fmlwig  Hoss  in  den  Blättei'n  für  iitterarische 
Unteriialtuug  1885,  Nr.  10 — 12.  einem  Einwohner  der  Insel 
Psara  nacherzählte  Märchen  , Georg  und  die  Störche',  wieder- 
gedruckt in  den  von  O.  Jahn  herausgegebenen  ,Erinnerungen 
und  Mitteilungen  aus  (iriechenland  v(ni  L.  Ross',  Berlin  l>>(\?), 
S.  281 — 29S.  Dieses  Märchen,  in  welchem  auch  vorkommt, 
dass  der  Held  sich  aus  dem  Schloss  eines  blinden  Drachen 
in  derselben  Weise  wie  Odysseus  aus  der  Höhle  des  Polyphem 


25.    Neoliellciiika    Aiialckta    1.  ;-^(J7 

rettet,  herulit  auf  dem  weitverbreiteten  (üauheii.  dass  die 
Stiirclie  eine  ferne  Heimat  halten,  wo  sie  als  Menselien  le-  beii.  140^ 
(iei'vasius  v(m  Tilbury  (Otia  imperialia  H,  7:1  vgl.  dazu  Lieb- 
reclits  Anmerkung  S.  157  f.)  sagt  von  dem  Volke  der  Equino- 
cepliali:  Hi  liomines  certis  temporibus  in  (•i('(mias  transfor- 
mantur  et  apud  nos  (piotannis  foetum  faciunt.  In  den 
Kvangiles  des  <i)ueu(»uilles,  mtuvelle  ed.,  Paris  1850,  S.  *,)H, 
lieisst  es:  de  vous  dy  pour  certain  que  le  cygoignes,  (pii  en 
Teste  se  tiennent  en  ce  pays  et  eu  yver  s"en  retnurnent  eu 
leur  pays,  (|ui  est  entour  le  mont  de  Syuay,  sout  par  delä 
creatures  coninie  mius.  Die  Litauer  sagen,  man  dürfe  einem 
Stnrcli  nichts  zu  Leide  thun,  denn  er  sei  anderwärts  ein 
Mensch  (v.  l'ettau  und  Temme,  Die  V(dkssagen  Ostpreussens, 
Lithauens  und  Westpreussens  S.  285).  Aus  dem  griecliischen 
Altertum  ist  durch  Aelian  De  natura  animaliuni  8,  2H  fol- 
gendes überliefert:  " A?,eiavSgog  6  Mvrdiog  qijotr,  tc7)v  jTe/jioycov 
Toi'c:  äiia  jitd'joayTag,  (hav  f/'c  yy/gag  dci  iy.(i)VT(Li,  jregiel&ovTag 
(irTorg  <hg  rag  ' i^xtarhiöag  njoarg  äj^ieijifiv  tu  f(())j  eig  ävdgomoi^ 
u()g(j  ij)',  y.(u  Fvoeßeidg  yc  rT/g  Fig  Tohg  yFivaf.ifrovg  ät^Aov  tovto 
Jayi-ir. 

8.  Das  von  K.  K  \v  1  a  m  p  i  o  s  in  seinem  Buche  •' O 
'A/((/.gai'Tog  i'jtoi  tu.  g6()a  riig  (irayn'rijßFinijg  ' E/Jj'iÖog  (St.  Peters- 
burg 1843),  S.  7() — 1M4  neugriechisch  und  russisch  mitgeteilte 
Märchen  T'  aßäraTi)  ri-gö  (Das  Unsterblichkeitswasser).  Ewlani- 
pios  hat  das  Märchen  im  »fahre  1828  auf  einer  Fahrt  von 
Psara  nach  Audros  ans  (h^n  .Munde  eines  Mannes,  den  seine 
Reisegefährten  y.rgn-  'AiiäganF  nannten,  aufgezeiclinet.  Dieses 
Märchen  erzählt,  wie  ein  K(inigssohn  auszieht,  um  für  seinen 
kraidven  Vater  das  Unsterblichkeitswasser  zu  holen,  welches 
sich  am  Ende  der  AVeit  hinter  zwei  hohen  Bergen  befindet, 
die  nacli  Art  der  Symplegaden  immer  auseinander-|gehen  und  1^04 
wieder  zusammenstossen  ^).  Unterwegs  tritft  der  Königssohn 
ein  schönes  Mädchen,  welchem  die  Mören  (fj  Moigaig)  in  der 

^)  In  mehreren  griechiseUen  Märchen  bei  v.  Hahn  (s.  das  Sach- 
register unter  Wasser)  befindet  sich  das  Wasser  des  Lebens  in  einem  sich 
rasch  öifnenden  und  schliessenden  Berg,  ebenso  bei  SakeUarios  no.  8. 
Vgl.  auch  AVenzig  Westslaw.  Märchenschatz  S.   14S. 


368  -^iii'  ilinH'lienforscliung'. 

dritten  Xarlit  nach  seiner  <ieburt  die  Kigeiiscliafteu,  Rosen 
zu  lachen  und  Pei'Ien  zu  weinen,  und  einen  unglückabwenden- 
den  Ring  verlieln^n  hatten.  Der  K(iuigssnhn  und  das  Mädchen 
verlieben  sich  in  einander,  und  mit  Hilfe  ihres  Riuges  gelingt 
es  ilim,  das   Wasser  zu  Inden. 

4.  Drei  .Alärclieu.  welche  .1.  A.  Huchon  in  seinem  IJuch 
,La  (irece  coutinentale  et  la  Moree.  Voyage,  sej(Uir  et  etudes 
hist()ri(|ues  en  1S40  et  1S41%  Paris  1843,  in  französischer 
Sprache  mitteilt  [:=  Legrand,  Cnntes  pop.  grecs  1881  p.  133. 
145.  161].  Er  verdankt  sie  der  Priuzessin  Sebastitza  Sutzo. 
Das  erste  Märchen  ,R()dia'  (S.  '263 — "267)  |ül)ers.  von  Adolf 
PxJtticher  in  der  Deutsclien  Rundschau,  7.  dahrg.  Heft  10. 
Juli  ISSl.  S.  129—33,  Misotakis  1.SS3  S.  64.  Legraml.  Coutes 
p.  lo3j,  gehört  zu  den  V(ui  mir  in  der  Anmerkung  zu  Gonzen- 
bacli  Nr.  2  [Zs.  d.  V.  für  Volksk.  6,  60]  zusammengestellten 
Märeheu,  uml  ich  hätte  es  in  dieser  Anmerkung  mit  auf- 
geführt, wenn  es  mir  damals  schon  bekannt  gewesen  wäre. 
Man  füge  auch  noch  De-Gubernatis  Le  Novelline  di  S.  Stefano 
Nr.  12  hinzu.  Der  in  mehreren  der  Märchen  vorkommende 
antwortende  Spiegel  ist  in  unserm  griechischen  Märchen,  in 
einem  der  ungedruckten  griechischen  Märchen,  wehdie  Herr 
Dr.  lieruhard  Schmidt  (in  dena)  gesammelt  hat  uml  veröffent- 
lichen wird  [1(S77  no.  17],  uiul  im  albanesischen  (Hahn 
Nr.  103)  durch  die  Sonne  ersetzt.  Zu  dem  letzten  Teil  des 
Märchens  von  der  schönen  Rodia  (Rodia  durch  eine  Zauber- 
uadel  in  einen  Vogel  verwandelt,  eine  ihrer  Schwestern  j 
i-t05  nimmt  ihre  Stelle  als  Königin  ein.  u.  s.  w.)  vgl.  mehrere  der 
V(ni  mir  zu  (iouzeid)ach  Nr.  13  zusauimengestellten  Märchen, 
nämlich  das  sicilianische  selbst,  das  rumänische,  das  pienmn- 
tesische,  das  wälschtiroler,  das  deutsche  aus  'Invd,  das  cata- 
lanisclu^  und  —  am  meisten  abweichend  —  das  des  Peuta- 
merone.  —  Mit  dem  zweiten  Märchen  ,Le  Dracophage- 
(S.  267—273)  [=  Misotakis  S.  152]  vgl.  Hahn  Nr.  25  [z. 
Teil  anders  no.  52]  und  die  and(M'n  von  mir  zu  (ionzenl»acli 
Nr.  2!)  [Zs.  (L  V.  f.  Y(dksk.  6,  70,  Schiefner,  Awar.  Texte 
uo.  4].  zusammengestellten  Märchen.  —  Das  dritte  Märchen 
.Le    petit    rouget    sorcier-    (S.    274 — 2(S0)    [=    Misotakis 


25.    Neohellenika  Aiialektü    1.  3g9 

S.  140]  ist  eine  Ver.sion  des  Märchens  von  dem  zersclmitteneu 
Fisch  und  den  Zwillingsbrüdern,  über  welches  man  meine 
Nachweise  zu  Gonzenbach  Nr.  39  und  40  nachsehe,  zu  denen 
noch  De-(üibernatis  Nr.  17  und  18  zu  fügen  sind.  Bemerkt 
sei  nocli,  dass  in  dem  ersten  Märchen  Nykteris,  die  Göttin 
der  Nacht,  vorkommt,  und  in  dem  zweiten  ein  weibliches 
Wesen,  ,qui  gouverne  le  jour  et  la  nuit,  en  tenant  dans  ses 
mains  deux  pelütons.  Tun  blanc  et  lautre  noir  qn'elle  devide 
successivement  ä  mesure  qn'elle  veut  produire  l'obscnrite  ou 
la  lumiere'.     Vgl.  Hahn  Nr.  52. 

5.  Das  vom  Grafen  Lontsi  aus  Zakynthos  in  der  Zeit- 
schrift für  dentsche  Mythologie  und  Sittenkunde,  Bd.  4,  Heft  3 
(Göttingen  1859),  S.  320 — 324,  in  deutscher  Sprache  mit- 
geteilte Märchen  ans  Zakynthos  ,Die  Gitroneujungfrau-.  Vgl. 
meine  Anmerkung  zu  (ionzenbach  Nr.   13. 

6.  Die  bekannte  reiche  Sammlung  J.  G.  v.  Hahns. 
Leider  ist  dem  am  23.  September  1S69  zu  Jena  viel  zu  früh 
verstorbenen  Manne  nicht  mehr  vergönnt  gewesen,  auch  die 
griecliisclieu  Texte  der  Märchen,  wie  er  beabsichtigte,  selbst 
herausgegeben,  es  steht  aber,  |  wie  ich  aus  bester  Quelle  uos 
weiss,  deren  Herausgabe  durch  eine  berufene  Hand  in  Aus- 
sicht.    [Pio,   NeoekXrjvixä   jxnQajiv&ia,   Kopenhagen   1879;    vgl. 

G.  Meyer,  Neugriechische  Studien  1,  43  (SB.  der  Wiener 
Akademie   130,  4.   1894).] 

7.  Die  vier  Märchen,  welche  K.  Simrock  als  , Anhang' 
zu  seinen  , Deutschen  Märchen'  (Stnttgart  1864),  S.  358 — 373, 
unter  der  Ueberschrift  .Neugriechische  Märchen  von  Kalliopi' 
in  deutscher  Sprache  mitgeteilt  hat.  Kalliopi  ist,  wie  mir 
Simrock  auf  meine  Anfrage  freundlichst  geschrieben,  der 
Name  der  Erzählerin,  nicht  aber  ein  Ortsname,  wie  ich  in 
meiner  Anmerkung  zu  Gonzenbach  Nr.  13  leichtsinnig  an- 
genommen. Kalliopi  war  aus  Argos  gebürtig  und  im  Jahre 
1846  in  einer  englischen  Familie  in  Neapel  Kiuderwärterin. 
Superintendent  Wolter  in  Bonn,  damals  Hauslehrer  in  jener 
Familie,  hat  die  Märcheji  aus  Kalliopis  Munde  aufgezeichnet. 
Es  sind  folgende  Märchen:  1.  Das  Töpfchen.  Vgl.  Hahn 
Nr.   34,   Vernaleken   Nr.   17,    Petermanns    Mitteilungen   1856, 

R.  Köhler  ,  Kl.  Schriften.  I.  24 


370  2ur  3Iärchenforschiing. 

S.  4()7  (Akwapim-Märclieu),  Dietrich  Nr.  8,  Meier  Nr.  22, 
Zingerle  2,  56,  Grimm  Irische  Elfenm.  S.  42,  Nr.  9  und  die 
zu  Gonzeubach  Nr.  52  von  mir  zusammengestellten  Märchen, 
wozu  noch  zu  fügen  T.  Gradi  Saggio  di  letture  varie  per  i 
giovani,  Toriuo   1865,   p.  181   und  De-Gubernatis  Nr.  21.  — 

2.  Der  närrische  Knecht.  Vgl.  Hahn  Nr.  34,  besonders  die 
Variante  aus  Kukuli,  und  Schott  Nr.  22.  —  3.  Die  drei 
goldenen  Aepfel.  S.  meine  Anm.  zu  Gonzeubach  Nr.  13.  — 
4.  Die  heilige  Paraskeue.  Man  s.  auch  Liebrechts  Anmer- 
kungen zu  diesen  vier  Märchen  im  Orient  und  Occident  3, 
378  f. 

8.  Acht  Märchen  aus  Kypros,  mitgeteilt  von  Athanasios 
Sakellarios  in  seinem  Werke  ,Tä  Kimgiaxd.  ^To^uoq  rgirog. 
'H  h  Kimgo)  ylCoooa,  Athen  1868,   S.  136—173  [2.  Aufl.  1891], 

1407  von  F.  Liebrecht  im  Jahrbuch  für  romanische  und  |  englische 
Litteratur  11,  S.  345 — 385  ins  Deutsche  übersetzt  und  mit 
kurzen  vergleichenden  Anmerkungen  versehen.  Das  dritte 
der  Märchen  (Der  Vater  und  die  drei  Töchter)  hat  D.  Com- 
paretti  italienisch  übersetzt  und  erläutert  in  A.  D'Anconas 
Ausgabe  von  ,La  Leggeuda  di  Vergogna  e  la  Leggenda  di 
Giudas   P^.dogna  1869,  S.  116  ff. 

9.  Fünf  Märchen,  in  Original  und  in  italienischer  Ueber- 
setzung.  in  Giuseppe  Morosis  ,Studi  sui  dialetti  greci  della 
Terra  dOtranto',  Lecce  1870,  S.  73 — 76.  Nr.  1  ist  eine  Vari- 
ante zu  der  i)ekannten  Anekdote  von  der  Frau,  die  für  den 
Tyrannen  Dionysius  betet.  Siehe  meine  Nachweise  in  diesen 
Blättern  18()9,  S.  766.  —  Nr.  2:  ein  Märchen  von  Ameise 
und  Maus.  [Maspons  ,Rondall.'  1,  no.  13.]  —  Nr.  3:  Märchen  von 
Trianniscia.    Vgl.  die  von  mir  im  Orient  und  Occident  2,  486  ft"., 

3,  350  [(»ben  230]  und  zu  Gonzeubach  Nr.  70,  71  zusammen  ge- 
stellten Märchen,  denen  noch  De-Gubernatis  Nr.  30  und 
Radioff,  Proben  der  Volkslitteratur  der  türkischen  Stämme  Süd- 
Sibiriens  1,  302  und  3,  332  hinzuzufügen.  —  Nr.  4:  Variante 
des  bekannten  Märchens  von  dem  Manne  und  der  Schlange 
oder  von  dem  Undank  der  Welt.  Siehe  meine  Nachweise 
zu  Gonzeubach  Nr.  (59.  |Vgl.  unten  S.  412  no.  6.]  —  Nr.  5:  un- 
bedeutendes kurzes  Märchen  von  Ziege,  Fuchs,  Wolf  und  Igel. 


25.    Neohelleiüka  Aiutlekta   1.  871 

Dies  sind  die,  mir  hekaunt  gewordenen,  vor  dem 
Erscheinen  der  NeoeAAijviy.a  ^AvnAty.rd  veröffentlichten  neu- 
griechischen Märchen. 

Wenden  wir  nns  nun  zu  den  Märchen  der  'Avähxra. 
Sechs  derselben  sind  von  A.  M.  Tatarakis  aufgezeichnet,  und 
zwar  fünf  von  der  Insel  Melos,  eins  ohne  Ortsangabe;  drei 
aus  dem  Pehtponnes  von  N.  G.  Politis,  die  drei  übrigen  von 
G.  Ch.  B.,  L.  A.  Belissarios  und  |  Sp.  P.  Lampros  ohne  Orts-  uos 
angäbe.  Den  einzehien  Märchen  sind  unter  dem  Texte  hie 
und  da  Wiu'terklärungen,  und  am  Ende  der  einzelnen  einige 
vergleichende  Bemerkungen  beigefügt,  die  jedoch  fast  nur  in 
Hinweisen  auf  Buchon,  Hahn  und  Sakellarios  bestehen.  P]s 
sind  folgende  Märchen: 

Nr.  1.  Tfjg  xaTO)  yfjg  6  äcphn^ig  [=  Legrand,  Contes  pop. 
grecs  1881  p.  1].  Der  erste  Teil  dieses  Märchens  ist  eine 
Variante  zu  Hahn  Nr.  73  (siehe  dazu  meine  Anm.  zu  Gonzen- 
hacli  Nr.  23);  mit  dem  zweiten  Teil  (die  Heldin  in  Männer- 
tracht im  Dienst  eines  Königs,  dessen  Gemahlin  sich  in  sie 
verliebt  und  abgewiesen  sie  verklagt  u.  s.  w.),  vgl.  Pentame- 
rone  4,  6,  Gonzenbacb  Nr.  9  und  das  Märchen  'Belle-belle 
ou  le  Chevalier  fortune'  der  (irätin  d'  Aulnoy,  über  welches 
Benfey  im  Ausland  185(S.  S.  1039  ff.  nachzusehen  ist.  — 
Nr.  2.  Ol  (^(hÖFxa  firjvFc;.  [=  Legrand  p.  11  =  Misotakis, 
Ausgewählte  griechische  Volksmärchen  1S(S3,  S.  109].  Vgl. 
Pentamer.  5,  2  [Bolte,  Archiv  f.  neu.  Sprachen  9s,  82.  Vgl. 
auch  Simrock  S.  35S,  no.  1,  insofern  hier  Winter  und  Sommer 
für  gut  erklärt  werden].  —  Nr.  3.  'O  nqh'Tjjg  6  TgtooQcTyyag. 
(Herr  Dreiweinbeere).  [=  Legraud  p.  15  :=  Misotakis  S.  37]. 
lune  Variante  des  Märchens  von  dem  gestiefelten  Kater, 
dessen  verschiedene  Fassungen  ich  zu  Gonzenbach  Nr.  65  zu- 
s'ammengestellt  habe,  wozu  seitdem  auch  noch  eine  in  Steeres 
Swahili-Tales  S.  13  (Sultan  Darai)  gekommen  ist.  In  der 
griechischen,  wie  in  andern  spielt  ein  Fuchs,  nicht  eine  Katze, 
die  Hauptrolle.  Herr  Dreiweinbeere  heisst  der  Schützling 
des  Fuchses,  weil  er  nichts  als  einen  Weinstock  besass,  der 
alle  Jahre  nur  eine  Traube  mit  drei  Beeren  trug.  So  nennt 
im    sicilianischen    Märchen    der   Fuchs    seinen  Schützling  von 

24* 


372  Zur  Märchenforschung. 

dem  Birnbaum,  den  er  besitzt,  'Conte  Piro'.  —  Nr.  4.  "H 
TCiTCivawa.  [=:  I.egrand  p.  77].  Vgl.  die  von  mir  zu  Gonzen- 
bach  Nr.  5  zusammengestellten  Märchen,  denen  auch  noch 
De-Gubernatis  Nr.  IG  hinzuzufügen  ist  [Schiefner.  Awar.  Texte 
no.  12,  Jagic  no.  52].  —  Nr.  5.  Td  xoQaxionxd.  (Die  Ge- 
heimsprache). [=  Legrand  p.  21  =  Misotakis  S.  95].  Vgl. 
1409  Sakellarios  |  Nr.  4  und  Gonzenbach  Nr.  1.  [Zs.  d.  V.  für 
Volksk.  6,  59,  Legrand,  Contes  p.  21,  Georgeakis  p.  101]. 
Zu  letzterem  vgl.  jetzt  auch  noch  das  Rätsel  bei  Pitre,  Canti 
popolari  siciliani  2,  Nr.  847,  welches  Liebrecht  vor  kurzem 
in  diesen  Blättern  (S.  (359)  mitgeteilt  hat.  —  Nr.  6.  "H 
ßaoiXiooa  xal  6  ägdjitjg.  (Die  Königin  und  der  Mohr).  [=  [We- 
grand p.  29].  In  diesem  Märchen  kehren  zwei  Bestandteile 
von  Nr.  5  —  die  Zerteilung  des  Huhns  durch  die  kluge 
Bauerntochter  und  die  Sendung  des  Königs  an  sie  —  fast 
ganz  wieder,  sind  aber  noch  mit  einem  andern  Rätselmärcheu 
verknüpft.  Wie  hier  die  Königin  die  Augen  ihres  von  ihrem 
Gemahl  getöteten  Buhleu  in  Ringe  fassen,  seine  Zähne  in 
Schuhe  einsetzen  und  aus  seinem  Schädel  ein  Trinkgefäss 
machen  lässt  und  dann  dem  König  ein  auf  diese  Umstände 
gegründetes  Rätsel  aufgiebt,  so  lässt  in  einem  italienischen 
Märchen  (Temistocle  Gradi,  La  Vigilia  di  Pasqua  di  Ceppo, 
Torino  1870,  S.  11)  eine  Königin  aus  dem  Schädel  ihres  von 
ihrem  Stiefsohn  erschlagenen  Geliebten  ein  Trinkgefäss  und 
aus  den  andern  Knochen  einen  Sessel  und  einen  Spiegel- 
rahmen machen  und  giebt  dann  dem  Stiefsohn  zu  erraten 
auf,  woraus  diese  Gegenstände  gemacht  seien  [oben  S.  350: 
Das  Rätselmärchen  von  dem  ermordeten  Geliebten].  —  Nr.  7. 
'H  ßaodoTiovXa  xal  6  roomunjc:.  (Die  Königstochter  und  der 
Hirt).  [=  Legrand  p.  89].  Ein  Hirt  erwirbt  die  Hand  einer 
Königstochter  dadurch,  dass  er  ihr  ein  oder  eigentlich  zwei 
Rätsel  aufgiebt.  die  sie  nicht  lösen  kann.  Vgl.  die  von  mir 
im  Jalirbuch  für  ronian.  f.itt.  7,  272  [oben  321]  mit  dem 
venezianischen  Märchen  Nr.  15  zusammengestellten  Märchen 
und  De-Gubernatis  Nr.  24.  [Zu  dem  Rätsel  des  Ungeborenen 
vgl.  Legrand,  G.  pop.  grecs  p.  50,  Andrews,  Romania  10,  244, 
Archivio  1,  188,   Comparetti  no.  49,  Wossidlo  1,  no.  980].  — 


25.    Neohellenika  Analekta  1.  373 

Nr.  8.  Tu.  airiyfiaTa.  [=  I^egraud  p.  47].  Ein  Rätselinürchen, 
dem  die  bekannte,  von  Plinius  H.  N.  7,  36,  Solinns  1,  124 
(mit  Berufung  auf  Solin  im  Libro  de  los  enxemplos  102), 
Festus  p.  209  pietati,  Valerius  Maximus  5,  4,  rom.  7,  ext.  1, 
Hyginus  Fab.  254  und  Nonnus  Dionys.  2(),  |  101  — 142  er-  uio 
zählte  Geschichte  von  der  Tochter,  die  ihren  Vater  oder 
ihre  Mutter  im  Gefängnis  sängt  nnd  so  vor  dem  Hungertod 
bewahrt,  zu  Grunde  liegt.  Ein  ebenfalls  anf  dieser  Geschichte 
beruhendes  Rätsel  in  dem  deutschen  Volksbuch  , Neuver- 
mehrtes Rath- Büchlein'  lautet:  , Durch  Seulen  gesogen,  ist 
Herren  betrogen,  dess  Tochter  ich  war,  dess  Mutter  bin  ich 
worden,  ich  hab  meiner  Mutter  einen  schönen  Mann  erzogen. 
Antwort:  Es  war  ein  Gefangener,  so  Hungers  sterben  sollte, 
den  säugte  seine  Tochter  durch  ein  Loch  einer  Seulen,  nnd 
ernährte  ihn'.  Auch  im  griechischen  Märchen  reicht  die 
Tochter  dem  Vater  durch  ein  Loch  der  Gefängniswand  die 
Brust.  LVgl.  Legrand  p.  XI,  (ieorgeakis  p.  108,  Pitre,  No- 
velline no.  5,  Vigo  p.  5S5,  no.  4083,  Busk  p.  322,  Bernoni, 
Indov.  no.  63,  Corazzini  ]>.  414:  ,La  bona  fia',  Archivio  1,  4G8, 
Giamb.  Basile  4.  23  no.  33,  Archivio  3,  73:  ,La  bona  fia', 
AVossidlo  1,  214  no.  9(58,  Kamp,  D.  F.  no.  850,  Sv.  Lands- 
mälen  2,  8,  17  no.  ^1)6,  Henderson,  Folk-lore  of  the  northern 
('ounties  of  England  p.  339,  Wolf,  Niederl.  Sagen  no.  529 
,Der  Mammelocker',  Wiedemann,  Aus  dem  Leben  der  Ehsten 
S.  279,  Oesterley  zu  Gesta  Rom.  c.  215  , Mutter  stillen', 
Köhler  zu  Girart  von  Rossillon,  Jahrb.  f.  roman.  Litt.  14,  25, 
.laques  de  Vitry  c.  238,  H.  Sachs  ed.  Goetze  23,  470.  587, 
Konrad  v.  Ammenhausen,  Schachzabelbuch  ed.  Vetter  V, 
8423—8564,  Zs.  f.  d.  Altert.  13,  495,  Th.  Agrippa  d'Anbigne, 
Les  Tragiques  1616  =  ed.  Laianne  1857  p.  17,  Bild  in 
E.  Mechlers  Catechismus  1561  Bl.  Kija].  Noch  bemerke  ich, 
dass  in  dem  Märchen  S.  42,  Z.  6  v.  n.  rov  ävÖga  Tyjg  fidvag 
f(ov  zu  lesen  ist,  nicht  t6  jxaidl  Tf]g  fidvag  juov.  —  Nr.  9.  '// 
jT6(jTai<;  Tcor  i.iey(lXo)v.  [=  Legrand  p.  53  =  Misotakis  S.  62]. 
Unbedeutendes  lehrhaftes  Geschichtchen.  —  Nr.  10.  T6 
::Ta(jaf(i'ß(  jov  oTrarov.  (Das  Märchen  vom  Bartlosen).  [=  Le- 
grand p.  57].     Variaute   zu   Hahn  Nr.  37,    über    welches   M. 


374  Zur  Märcheiifortschung. 

mau  meiue  ßemerkiingeu  in  Pfeiffers  Germama  11,  398  ff.  [zu 
Tristan  und  Isolde]  nachsehe.  [Unten  zu  Meyer,  Alban.  M. 
no.  13].  —  Nr.  11.  'O  yvtog  t;]^-  yJ]Qa>;.  Variante  zu  Hahn 
Nr.  15  und  54,  Vgl.  auch  Gonzenbaeh  Nr.  6  und  meiue 
Anmerk.  dazu.  Das  sicilianische  Märehen  steht  unserem  in 
einigen  Punkten  uäher  als  die  bei  Hahn.  [Beim  Farzen  eiueu 
Sohn  gebären:  Pio  p.  162,  Basile,  Peiitameroue  2,  3,  Coraz- 
zini  p.  424,  Irabriaui,  Conti  pomigl.  p.  22.  50,  Melusine  1,  41.] 
Wir  wenden  uns  nun  zu  dem  zweiten  Heft,  welches 
Volkslieder  enthält.  Vorausgeschickt  ist  von  N.  G.  Politis 
ein  Verzeichnis  von  bisher  erschieuenen  besonderen  Samm- 
lungen neugriechischer  Volkslieder  und  von  Bücheru  und 
Zeitschriften,  in  denen  einzelne  veröffentlicht  worden  sind. 
Der  Verf.  selbst  betrachtet  dies  Verzeichnis  nur  als  ein  vor- 
läufiges und  stellt  für  eine  spätere  Gelegenheit  ein  vollstän- 
1411  digeres  |  und  genaueres  in  Aussicht.  Die  Lieder  sind,  teils 
,öÄo)g  ävexdora  ,  teils  'dia(pegovTa  nno  rö)v  dedijjuooiei'juevü)}'  tv 
dtcKfogoig  ovÄAoyalg .  p]s  sind  Sl  au  der  Zahl,  und  zwar 
"AouaTa  y./,£(f'Tixd  Nr.  1  —  7,  Imooiy.ä  Nr.  S  — 10,  ÖojyijuuTiy.d 
Nr.  11 — 32,  igoniy.d  y.ai  lov  yooov  Nr.  33 — 62,  doreia  Nr.  63 — ßS, 
fwoo/jjyia  Nr.  69 — Sl.  Den  Liedern  sind  gelegentlich  einzelne 
Worterklärungen  und  Bemerkungen,  besonders  Verweise  auf 
bereits  veröffentlichte  Varianten  der  Lieder  beigefügt.  Zu 
Nr.  38  wäre  auf  Passow  Nr.  58S  und  ebenso  zu  Nr.  66  auf 
Passow  Nr.  623a  zu  verweisen,  und  so  mag  vielleicht  noch 
hie  und  da  ein  derartiger  Nachweis  nachzutragen  sein.  Es 
findet  sich  viel  Schr<nes  und  Interessantes  in  den  hier  ver- 
öffentlichten Liedern.  Ich  beschränke  mich  aber  darauf,  nur 
eins  der  interessantesten  hervorzuheben.  Es  ist  Nr.  16  (von 
der  Insel  Melos),  in  welchem  erzählt  wird,  wie  Mawjanos 
(Mavyiarck)  vor  dem  König  seine  Schwester  ihrer  Schönheit 
und  ihrer  Sittenstrenge  wegen  rühmt.  Der  König  wettet, 
er  werde  sie  doch  verführen,  und  er  setzt  seine  Krone  gegen 
Mawjanos  K(([)f  ein.  Mawjanos  Schwester  gewährt  dem  König 
scheinbar  eine  Nacht,  aber  eine  treue  Dienerin  nimmt  dabei 
ihre  Stelle  ein.  Nachdem  die  Magd  dem  Kr)uig  zu  Willen 
gewesen  ist,   schneidet   er  ihr  den  Huger  mit  dem  Ring  und 


25.    Neolielleiiika  Analekta    1.  ;^,75 

eine  Haarflechte  ab,  und  bringt  diese  dem  Mawjauos  als 
Wahrzeichen,  dass  er  seine  Schwester  verführt  habe.  Aber 
die  Schwester  erweist  durch  ihre  unversehrten  Hände  und 
Haarflechten,  dass  der  König  die  Wette  verloren  hat.  —  Die- 
selbe Geschichte  ist  noch  in  zwei  andern  neugriechischen 
Liedern  behandelt,  nämlich  in  einem  von  J.  L.  S.  Bartholdy 
in  seinen  Bruchstücken  zur  nähern  i  Kenntnis  des  heutigen  1412 
Griechenlands,  Berlin  18U5,  1,  404 — -140,  leider  nicht  im 
Original,  sondern  nur  in  metrischer  Uebersetzung  mitgeteilten 
Liede,  welches  er  von  einem  alten  Fischermeister  am  Nord- 
gestade des  Meerbusens  von  Arta  hatte  singen  hören,  und 
in  einem  zuerst  von  Zampelios  und  dann  aus  dessen  Samm- 
lung von  Passow  Nr.  474  und  von  Th.  Kind  in  seiner  Antho- 
logie neugr.  Volkslieder  S.  50  verött'entlichten.  [Jf/r/or  1,  551. 
3,  845,  Legrand,  Chansons  no.  136,  Jeanuarakis  no.  294, 
Köhler,  Littbl.  f.  germau.  u.  roman.  Phil.  1883,  -iTO  (Rochs, 
Veilchenroman)  und  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  6,  Gl  zu  Gonzen- 
bach  no.  7].  In  ersterem  heisst  der  Bruder  Mawrogeni 
(Schwarzbart),  in  letzterem  Mawrianos  (Mavgiarog).  Die  drei 
Lieder  verhalten  sich  der  Art  zu  einander,  dass  die  Lieder 
Bartholdys  und  Zampelios'  in  einigen  Versen,  bald  mehr, 
bald  weniger  wörtlich,  übereinstimmen,  das  Lied  Bartholdys 
aber  auch  mehrfach  mit  unserm  melischen  übereinstimmt.  — 
Bartholdys  Lied  Hess  Jacob  Grimm  in  den  Altdeutschen 
Wäldern  2,  181  ^'.  wieder  abdrucken  als  Paralelle  zu  dem 
von  ihm  zuerst  herausgegebenen  altdeutschen  Gedichte  Rup- 
rechts von  Würzburg  .Von  zwein  Kaufmannen'  (Altdeutsche 
Wälder  1,  35  ft'.,  v(ni  der  Hagen  (iesamtabenteuer  Nr.  68) 
und  zu  einer  von  ilim  mit  diesem  Gedichte  verglichenen  alt- 
wallisischen  Erzählung.  Letztere  Erzählung,  die  Grimm  aus 
Edw.  Jones  Relics  of  the  welsh  Bards,  2,  19.  20,  im  Auszug 
mitteilte,  liegt  jetzt  in  vollständiger  Uebersetzung  aus  den 
Mahinogion  der  Lady  Charlotte  Guest  vor  im  Anhang  der 
von  San-Marte  herausgegebeneu  Uebersetzung  vdu  Tliomas 
Stephens'  Geschichte  der  wälschen  Litteratiir  vom  12.  bis 
zum  14.  Jalirliundert,  Halle  1864,  S.  532  ft'.  Von  der  Hagen 
(Gesamtabenteuer.    Bd.  3.    S.  XCIV  f.)  vergleicht  noch  Jacob 


376  ■^^i'  Märchenforschiing. 

Ayrers  ,Comedia  vou  zweien  fürstlichen  Räteu,  die  alle  beede 
1413  umb  eines  Gewetts  willen  umb  ein  Weib  bulten  |  und  aber 
an  derselben  Statt  mit  zweien  unterschiedlichen  Mägden  be- 
trogen worden'.  —  Aber  auch  eine  einzelne  Stelle  unseres 
melischen  Liedes  giebt  Anlass  zu  einer  vergleichenden  Be- 
merkung. Es  heisst  von  der  Schwester  des  Mawjanos,  als 
sie  hört,  dass  der  König  die  Wette  gewonnen  zu  haben  sich 
rühmt : 

xai   \ujiaivei  xi    hToXiL,ovvTav  TgeTg  juegnig  xal  rgelg  vi'xraig, 
ßdvei  tÖv  fjho  jtqoomjto  xn\  to  rftyyaQi   OT)jßi], 
xai  Tov  xoodxov  to   q^Tegö  ßdi'i-i  xafinQcxpQvÖi. 

[JfMor  3,  34(i.] 

Bartholdy  hat  vielleicht  ganz  dieselben  Verse  vor  sich 
gehabt  und  nur  in  seiner  freien  Uebersetzung  die  drei  Tage 
und  Nächte  weggelassen: 

Sie  wechselt  eilig  das  Gewand,  schmückt  bräutlicli  ihren  Leib, 
Ihr  Antlitz  glänzt  wie  Sonnenpracht,  ihr  Busen  wie  der  Mond, 
Wie  Rabenfedern  wölben  sich  ums  Aug  die  hohen  Braun. 

Die  drei  Verse  finden  sich  nun  ebenso  in  einem  andern 
Liede  unserer  Sammlung  (S.  lOG,  in  Nr.  44,  ebenfalls  aus 
Melos) : 

'  Efißrjxe  XI    eoJOAiQovTav  rgnc;  ' fiigag  xcu   rgelg  vv^raig, 
ßdrfi  Tor   vjho  jtqooojjto  xnl  to  cpeyyaQi   on'jd)], 
xai  TOV  xoodxov  to  fpTeQO  ßdvFi  xafiaQoqgvÖi. 

Und  die  zwei  letzten  Verse  finden  sich  auch  noch  in 
andern  Liedern.  In  Liedern  nämlich,  mit  welchen  die  Knaben 
am  S.  Basilios-  oder  Neujahrstag  und  am  ersten  Mai,  in  den 
Nachbarhäusern  Geschenke  heischend,  herumziehen,  wird  die 
Hausherrin  unter  anderem  auch  also  angesungen  (Passow 
Nr.  295,  V.  14—16  und  310,  V.  23—25,  vgl.  auch  Nr.  294, 
V.  24—27) :  | 

1414  Kvgn    ii    ovTng   ixivi]ntg,   yd   ,-7ac  nTijv   txxhjnia, 

ßdvetg  TOV  iJAto   jtqÖocüjto  xal  to  q^eyyaqi  OTtph], 
xal  TOV  xogdxov    to  (fTego  ßdvfig  xa/tagoqgvdi 

(auch :    yanayocfgvöi). 


25.    Neolielleniku  Aiialekta  1.  ;-]77 

Und  in  einem  erzählenden  Liede  (Passow  Nr.  438,  V.  24. 
25)  will  eine  Frenndin  die  andere  anffordern,  sich  recht  schön 
zu  machen,   und  thut  dit\s  mit  tlen  Worten: 

Bah   Tor   fjÄior  jtqoocotto)'  xai   to   qeyyaQi   OTFidog, 
xn)   Tov  xoQflxov  To  cpTEQOv  ßäX^  ya'tTai'oqQvdi. 

Die  drei  Verse  unseres  Liedes  von  Mawjanos  gehören 
also  zu  jenen  typischen  Versen,  die,  ursprünglich  natürlich 
für  ein  bestimmtes  Lied  gedichtet,  in  verschiedenen  Liedern, 
nicht  immer  passend,  angewendet  werden.  So  passt  in 
unser  Lied  der  Vers 

xal " fijiairpi  xi    ^OToXH^owrav  rgelg  fjfugatg  xal  rgelg  vvj^Taic; 
eigentlich    durchaus   nicht,    da    die    Schwester    keine    Zeit   zu 
verlieren  hat,  um  ihren   Bruder  zu  retten,   wie  denn  auch  in 
dem  von  Zampelios  veröffentlichten  [Jede  nichts    von    dieser 
Zögerung  vorkommt.   —  AAas  endlich  noch  den  Vers 
'Bdvei  TOV  fjho  ttqoocojto  xai  to  cpeyydgi   OT)']&t]^ 
insbesondere     betrifft,    so    vergleiche    man    die    Worte    eines 
römischen  Ritornells,  welche  ein   Liebender  an  seine  Geliebte 
richtet  (Römisclie  Ritornelle.     (iesammelt  und  herausgegeben 
von  C.  Blessig,  Leipzig   1860,  S.  8): 

Porti  la  luiia  in  petto,  il  sole  in   fronte   — 
u]nl   folgeiule,    eine    sclnine    Jungfrau   schildernde    Verse    der 
finnischen    Kalewala    (Rune    10,    V.  89  ff.    der    Uebersetzung 
von  A.  Schiefner) : 

Von  den  Scliläfen  strahlet  Mondlieht, 
Von  den  Brüsten  Licht  der  Sonne, 
Von  den   Hehnltern  Lieht  des  Bären, 
Von  dem  Rüeken  sieben  Sterne. 

[Vgl.  Schreck,  Finnische  Märchen  S.  25.  83.  Sii.  88.  102. 
106.  Am  Ur-Quell  1,  S.  57.  60.  Prato,  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  6,  24.] 

Und    hiermit    scheiden    wir   mit    vielem   Danke   und   mit  14^5 
den  besten  Wünschen   für   ihren  weiteren  Fortgang  von    den 
NeoeXlrjvixä  'AvdXexTa.     Es   sind    einige  fernere  Hefte    bereits 
erschienen,  uns  aber  noch  nicht  zu  Gesicht  gekommen. 


378  Zur  Mäichenforscliung. 


26.    Bernhard  Schmidt,  Griechische  Märchen. 

Griechische  Märchen,  Sagen  und  Volkslieder. 

Gesammelt,  übersetzt  und  erläutert  von  Bernhard  Schmidt. 
Leipzig,  B.  G.  Teubner  1877.    [111],  L^sa,  [2]  S.    s».    Mk.  6. 

(Jenaer  Litteraturzeitung  1878,  30') — 807.) 

305  In  diesem,  vom  Verfasser   schon   im    ersten  Teile  seines 

Werkes  ,Das  Volksleben  der  Neugriechen  und  das  hellenische 
Altertum'  (Leipzig  LS7L)  versprochenen  Buch  erhalten  wir 
25  Märchen,  14  Sagen  und  70  Lieder,  letztere  sowohl  in 
griechischer  Sprache  als  auch  in  deutscher  üebersetzung  im 
Versmass  der  Originale,  die  Märchen  und  Sagen  nur  in 
Üebersetzung.  Weitaus  die  meisten  Märchen  und  Sagen  hat 
der  Verfasser  auf  der  Insel  Zakynthos  von  einem  am  Aus- 
gang des  Knabenalters  stehenden  Zakynthier  sich  erzählen 
lassen  und  griechisch  niedergeschrieben,  die  übrigen  sind  ihm 
aus  Steiri  im  alten  Phokerland,  aus  dem  parnasischen  Aräch!)ba, 
aus  Kallipolis  imd  Lesbos  von  griechischen  Freunden  mit- 
geteilt worden.  Die  Lieder  —  es  sind  17  Myrologien  im 
engeren  Sinne,  d.  h.  eigentliche  Totenklagen,  22  Lieder  von 
Charos  und  der  Unterwelt,  4  Hochzeitslieder,  16  Liebeslieder 
und  11  Lieder  verschiedenen  Inhalts,  und  sie  sind  bald  von 
grösserem  Umfange,  bald  von  geringerem  und  geringstem 
(2  Zeilen)  —  hat  er  auf  den  Inseln  Zakynthos,  Kephalonia 
und  Ithaka  grösstenteils  unmittelbar  aus  dem  Munde  des 
Volkes  niedergeschrieben,  nur  einen  kleinen  Teil  erhielt  er 
durch  schriftliche  Mitteilung. 

Der  Verfasser  hat  S.  5  der  Vorrede  sich  in  für  mich 
schmeichelhafter  Weise  darauf  berufen,  dass  ich.  da  mir  die 
Märchen  und  Sagen  von  ihm  im  Manuskript  vorgelegt  worden 
waren,  sie  sämtlich  als  der  Veröffentlichung  wert  bezeichnete, 
und  dasselbe  glaube  ich  jetzt  auch  von  sämtlichen  Liedern 
sagen  zu  dürfen.  Aber  der  Wert  des  Buches  liegt  nicht 
allein  in  den  Märchen,  Sagen  und  Liedern  selbst,  sondern 
auch  in  der  inhaltreichen  , Vorrede'  (S,  1 — 62)  und  den  ge- 
haltvollen    .Anmerkungen'     (S.    221 — 83).       Erstere     enthält 


2(;.    Soliiiiidt,  Uriecliisohe  Märohen.  379 

ausser  Mitteilungen  über  die  Entstehung"  der  Sammlung  und 
über  die  Gesichtspunkte  und  (Irundsätze,  nach  welchen  der 
Verfasser  als  Sammler,  Herausgeber  und  Uebersetzer  ver- 
fahren ist,  zuvörderst  reiche  Nachweise  über  die  bisherigen 
Veröffentlichungen  von  neugriechischen  Märchen,  woran  sich 
Krörterungen  über  das  Verhältnis  der  heutigen  griechischen 
Märchen  zu  der  alten  griechischen  Mythologie  und  darüber, 
dass  schon  im  Altertum  Volksmärchen  vorhanden  waren, 
schliessen.  Sehr  richtig  führt  der  Verfasser  aus,  dass  die- 
jenigen neugriechischen  Märchen,  in  welchen  nur  einzelne 
Züge  altgriechischer  Mythen,  die  auf  den  Verlauf  der  Er- 
zählung keinen  wesentlichen  Einfluss  haben,  vorkommen, 
keineswegs  aus  dem  hellenischen  Altertum  zu  stammen 
brauchen,  sondern  jüngere  und  eingewanderte  Erzählungen 
sein  können,  in  welche  aber  ältere  im  Volke  noch  fortlebende 
p]rin:ierungen  eingedrungen  sind,  während  es  allerdings  auch 
neugriechische  Märchen  giebt,  welche  eine  altgriechische 
Mythe  geradezu  zur  rirundlage  haben,  also  als  Märchen  alt- 
griechischer Herkunft  anzusehen  sind.  iVIärclien  letzter  Art 
sind  freilich  bisher  nur  sehr  wenige  nachgewiesen,  so  iu 
unserer  Sammlung  Nr.  4  ,Der  König  mit  den  Bocksediren', 
eine  Umgestaltung  der  Mythe  von  König  Midas  und  seinem 
Barbier,  und  Nr.  28  ,Die  siebenköpfige  Schlange',  eine  Um- 
gestaltung der  Mythe  von  Theseus  und  ^'om  Minotauros.  — 
Besonders  wertvoll  sind  sodann  S.  20 — 48  der  Vorrede,  auf 
welclien  der  Verfasser  alles  dasjenige,  was  er  an  neu- 
griechischen Volkssagen  in  der  ihm  zugänglichen  Litteratur 
vorgefunden  und  notiert  hat,  in  einem  allgemeinen  Ceber- 
blick  zusammengestellt  hat,  wobei  jedoch  alle  diejenigen  aus- 
geschlossen sind,  welche  bereits  im  ersten  Teile  des  , Volks- 
lebens der  Neugriechen'  mitgeteilt  oder  erwähnt  sind  oder 
im  2.  Teil  angeführt  werden  sollen,  und  ausserdem  diejenigen, 
welche  mit  Sagen  der  vorliegenden  Sammlung  verwandt 
sind  und  daher  in  d<Mi  Anmerkungen  zu  diesen  ihre  Stelle 
gefunden  hai)en. 

Den  Schluss    der   Vorrede    l)ilden  zwei  Antikritiken;    die 
erste  längere  (S.  4(5 — (il)    ist   gegen  C.  AVachsmuths  Anzeige 


380  '^iii'  Märchenforschung. 

des  1.  Teils  des  , Volkslebens  der  Neilgriechen'  in  den  Göt- 
tingiselien  gelehrten  Anzeigen  v.  J.  1872,  St.  7,  die  andere 
(S.  61  f.)  gegen  A.  Dörings  Anzeige  im  Philologischen  Anzeiger 
6,  510 — 14,  gericlitet.  Letztere  hätte  nach  meiner  Ansicht 
t'üglicli  ganz  unberücksiclitigt  bleiben,  erstere  aber  in  einem 
etwas  minder  gereiztem  Tone  beantwortet  werden  können.  — 
Wenden  wir  uns  nun  zu  den  , Anmerkungen'  (S.  221 — 83), 
so  hat  der  Verfasser  in  den  zu  den  Märchen  und  zu  den 
Sagen  ausser  sonstigen  Erläuterungen  die  anderwärts  ver- 
öfl'entlichten  griechisclien  Märchen  und  Sagen  sehr  sorgfältig 
verglichen,  in  einzelnen  Fällen  auch  ilim  bekannte  Märchen 
anderer  Völker  berücksichtigt  und  öfters  auf  meine  Anmer- 
kungen zu  L.  Gonzenbachs  sicilianischen  Märchen  verwiesen. 
Dm  Anmerkungen  zu  (ten  I^ied^rn  aber  enthalten  neben 
sachlichen  Erläuterungen  und  Vergleicliungen  mit  andern 
griechischen  Liedern  besonders  auch  viele  selir  dankenswerte 
sprachliche  Erklärungen.  —  Möge  es  mir  nun  vergönnt  sein, 
einige  Einzelheiten  lietreffende  Anmerkungen  hier  beizufügen. 
Das  S.  3  erwähnte  vortrefflich  erzählte  TIuQafivdi  Tfjq 
306  ' AXovjtovg  yjird  Tijr  ylwooar  Tdiy  iratdiojv  besitze  |  ich  in  der 
"ExÖooig  7T£jiijTTf].  "Ev^Adyvaig,  ix  rov  rvjToyQa(f€(ov'EQjuov  1872', 
und  habe  es  im  Archiv  für  slavische  Philologie  1,  279  [unten 
S.  41-3  no.  (')]  erwähnt.  —  Zu  S.  7,  Anm.  1  bemerke  ich,  dass 
das  griechische  Märclien  Nr.  K!  in  der  Hahnschen  Sammlung 
mit  der  ,Histoire  de  Rei)sinKr  in  den  von  Petis  de  la  Croix 
unter  dem  Titel  ,Les  müh'  et  un  jours'  übersetzten  per- 
sischen Erzählungen  fast  durclivveg  so  sehr  übereinstimmt, 
dass  ein  enger  Zusammenhang  zwischen  beiden  Erzählungen 
unbedingt  anzunehmen  :ist.  —  Zu  der  S.  24.  Anm.  1,  be- 
sprochenen griechischen  Sage  von  dem  März,  der  vom 
Februar  einen  Tag  borgt,  linden  sich  Parallelen  in  Sicilien, 
Spanien,  Frankreich,  der  romanischen  Schw<'iz,  Irland,  Schott- 
land und  England.  Aber  nur  in  Griechenland  borgt  der 
März  vom  Februar,  anderwärts  borgen  der  Februar  vom 
März  und  der  März  vom  April,  und  nicht  blos  einen  Tag 
sondern  drei.  Man  sehe  Paul  Meyers  Aufsatz  ,Les  jours 
demprunt'    in   der  Romania  3,  294 — 97,   H.   Vaschalde,    Nos 


26.    Schmidt,   (ri-iccliisclie  Märchen.  381 

peres.  Proverbes  et  iiiaxinies  [)o[)ulaire,s  du  Vivarais,  Mont- 
pellier 1S75,  ]).  23,  (I.  Pitre,  II  giorno  clei  morti  e  le  stvenne 
(lei  fanciiilli  in  Sieilia,  p.  17  [Pitre  Prov.  sie.  '^,  40.  4,  847. 
Tirab(»sehi,  Prov.  bergam.  p.  98.  Ortoli  p.  1.  Coelho,  Revista 
(rethuol.  Caballero  p.  116.  Syllogos  in  Konstantinopel  1874/75, 
p.  348  b.  Denbam,  Proverbs  1846  p.  37  (Percy  Soc.  20,  3). 
Grant,  Janiieson  (bei  Hampson).  Romania  13,  170.  18,  107. 
26,  98.  Melusine  7,  169.  255.  Zs.  f.  rom.  Phil.  13,  330.  (UX). 
Zs.  f.  Volksk.  1,  23.  2,  81.  Sauve  p.  107],  R.  Chambers, 
Populär  Rhymes  of  Seotland,  Edinburg  1870,  p.  368,  Notes 
and  <^ueries,  4.  Series  10,  523;  5.  Ser.  6,  18  [7.  Ser.  6,  186. 
309].  —  Die  S.  26  erzählte  Sage  aus  Hydra  erinnert  an  das 
Grimmsche  Märchen  Nr.  78  und  an  die  oft  erzählte  Geschichte 
von  der  halben  Decke  (vergl.  Von  der  Hagen,  Gesammt- 
Abenteuer,  Bd.  2,  S.  LVff.,  und  H.  Oesterleys  Nachweise  in 
seiner  Ausgabe  von  J.  Paulis  Schimpf  und  Ernst,  zu 
Cap.  436).  Zu  dem  ebendaselbst  erwähnten  ]walachiscben 
Märchen  verweise  ich  auf  meinen  Aufsatz  ,Eine  rfimische 
Sage'  in  J.  ^X.  Wolfs  Zeitschrift  für  deutsche  Mytliologie 
und  Sittenkunde]  2,  110 — 13,  wo  ich  das  walachische  Mär- 
chen mit  Festus  p.  334  ed.  0.  Müller,  Pseudo-Callisthenes  2, 
39 — 40  und  einer  Erzählung  des  Bischofs  Ratherins  zusammen- 
gestellt habe.  Man  vergl.  auch  A.  Mnssafia  in  den  Sitzungs- 
berichten der  phil.-histor.  Klasse  der  Wiener  Akademie,  64, 
606,  und  H.  Oesterley  in  seiner  Ausgabe  des  D(dopathos  des 
Johannes  de  Alta  Silva,  S.  XX.  [Jaques  de  Vitry  ,Exempla 
ed.  Crane  no.  288.]  —  Wie  in  der  S.  32  angeführten  Sage 
aus  Akarnanien  die  Zauberin  Kultschina  ihre  Schuhe  ver- 
kehjrt  anlegt,  um  ihre  Verfolger  zu  täuschen',  so  lässt  aus 
demselben  Grunde  in  einer  von  A.  Schiefner  mitgeteilten 
indischen  Erzählung  ein  Jüngling  sich  Schuhe  mit  zur  Ferse 
gekehrten  'Spitzen  machen  (Melanges  asiatiques  8,  168). 
In  vielen  deutschen  Sagen  (s.  A.  Kuhn,  Sagen,  Märchen  und 
Gebräuche  aus  Westfalen,  1,  77,  Anmerkung  zu  Nr.  67),  und 
in  einer  ossetischen  (s.  A.  Schiefuer  in  den  Melanges  asiati- 
ques 5,  683)  [Veckenstedt  S.  16,  Nr.  52  (vgl.  S.  31,  Nr.  97). 
Bartsch  1,   305.  314.  318.  329.  442]  werden  von  Verfolgten 


|-{,S2  Zur  Märchenforsohung. 

den  Pferden  die  Hufeisen  verkehrt  angesehlagen.  —  Wenn 
nach  den  S.  38  angeführten  Liedern  Digenis  stirl)t,  weil  er 
einen  Hirsch  getötet  hat,  der  auf  dem  Geweih  ein  Kreuz, 
auf  dem  Kopf  einen  Stern  und  zwischen  den  Schultern  die 
Panagia  hatte,  st»  erinnert  dies  an  dentche  Sagen  vom  wilden 
Jäger,  der  auf  einen  ein  Kruzifix  zwischen  dem  Geweih 
tragenden  Hirsch  geschossen  hat.  S.  A.  Knhn  in  der  Zeit- 
schrift für  deutsche  Philologie  1,  90 f.  und  94.  —  Zu  S.  42f. 
bemerke  ich,  dass  Vittorio  Imbriani  iu  der  Zeitsclirift  11  Pro- 
pugnatore,  Vol.  7.  parte  1,  p.  385,  aus  dem  in  Deutschland 
jedenfalls  seltenen,  lH-21  zuerst  erschienenen  ,ltinerario  da 
Napoli  a  Lecce'  von  (iiuseppe  Ceva-(irimaldi  eine  ins  Ita- 
lienische übersetzte  Tdtenklage  aus  den  griechischen  Kolo- 
nieen  von  Capo  di  Leuco  mitgeteilt.  S.  43  verweist  der  Verf. 
auf  die  Myrologien  in  .Lelekas  ArijjoTixi]  ^AvDoXoyia,  Athen 
1852,  S.  35'.  Mir  liegt  eine,  wie  es  scheint,  sehr  erweiterte 
Ausgabe  vor:  zlijfWTixi]  ' Av&oXoyia  vrro  MijaijA  ^.  Ae2.exo^<. 
'Er  ^Äöijvaig,  ix  Tcor  7neoj)]QUO)'  Nty.okdov  'PovoonovXov  1868. 
8".  224  Seiten.  Lud:  Jiifiorixrjs  AriioÄoyiag  //fj>oc  devTsgoy, 
vjTo  Mi/ui^X  Z.  Äe/Jxov.  Ibid.  lS(i9.  8^.  27  Seiten.  Im 
1.  Teil  finden  sich  auf  S.  151  — 160  unter  dem  Titel  ^fMvmoi 
xal  x?MväfioC  Totenklagen.  Der  Verf.  der  Anthologia  heisst 
übrigens  nicht  Lelekas,  sonderu  Ai^Aexog  (s.  S.  158  und  221 
des  1.  Teils).  —  In  der  Anmerkung  ( S.  224)  zu  dem  4.  Mär- 
chen ,Der  König  mit  den  PuH-ksohren'  erinnert  der  Verf. 
u.  a.  auch  an  das  serbische  Märchen  bei  Wuk  (Nr.  39)  , Kaiser 
Trojan  hat  Ziegenohren\  Es  scheint  ihm  aber  unbekannt 
geblieben  zu  sein,  was  auch  ich  erst  ilurch  AV.  Tomaschek  in 
der  Zeitschrift  für  die  österreichischen  Gymnasien,  1877, 
S.  ()79,  gelernt  hal)e,  dass  schon  nach  byzantinischer  Sage 
Kaiser  Trajan  Bocks(diren  hatte.  Wir  lesen  nämlich  in  des 
Johannes  Tzetzes  Ghiliaden,  2,  Histor.  34,  V.  95 ff.: 
'iJria  dk  Tgafavor  '/Jyovaiv  eyeir  Todyov 
"Otieq  avrög  ovy  £VQi]xa  ygnq)äig  eyyeyQafifitvov 
"H  reo  ix  fiovrjg  dxofjg  igäv  nvcbv  ev&ioog' 
'Oxsvrixog  yäg  6  ävrjQ  dixi]v  avrcöv  rcöv  rgäycoi', 
Kar  OJ'J'^TOK  fiFiijoy/To   xa)   rag  roKivrag  fti^f'ig' 


26.    Schmidt,  Griechisclie  Märchen.  3g3 

"//  TM  OToaTereir  xar'  eyßQO>r  xara.  övoßdTdyr  tÖtto)}', 
Tcp  jLtovov  h'MTtonoßat  '^P<i)]ii)]g  iy&Qobi;  jvyydveiv 
Xai'gei  ydg  Tgdyog  roig  xo)jfivoig  xal  rulg  öroßdroig  TOJioig. 
Auf  die  in  diesen  Versen  enthaltenen  wunderlichen 
Erklärungsversuche  des  Tzetzes  ist  kein  Wert  zu  legen.  Aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  hat  es  eine  Version  der  Sage  von 
König  Midas^)  gegehen,  wonach  Midas  Bocksohren  —  nicht 
Eselsohren  —  hatte,  ja  vielleicht  war  dies  die  ursprünglichere 
Sage  (s.  B.  Schmidt  a.  a.  ().):  diese  Sage  wurde  aber  auf 
Kaiser  Trajan,  an  den  sich  auch  andere  Sagen  geknüpft  haben, 
(so  die  in  vorliegendem  Werk  S.  31.  Anm.  '1  erwähnte), 
offenbar  wegen  des  Gleichklangs  vim  Tgaiavog  und  Tgdyog 
übertragen.  —  Zu  dem  Märchen  Nr.  11  bemerke  ich,  dass 
auch  in  sicilianischen  und  italienischen  Märchen  (s.  [oben 
S.  307  zu  Widter-AVolf  no.  9.  De  Nino  p.  167]  G.  Pitre,  Fiabe, 
Novelle  e  racconti  popolari  siciliaiii.  Vol.  1,  p.  290,  296, 
297)  der  Held  Dreizehn  oder  Dreizehner  heisst  (er  ist  hier 
der  jüngste  von  dreizehn  Brüdern  oder  der  Vater  von  drei- 
zehn Söhnen),  in  einem  baskischen  aber  (W.  Webster,  Basque 
Legends,  S.  195)  [Cer(|uand  uo.  61.  Finam(tre  no.  27.  ('arnoy, 
C.  franv.  p.  39.]  Vierzehn,  weil  er  so  stark  ist  wie  Vier- 
zehn, und  dass  in  zwei  piemontesischen  Märchen  {D.  Com- 
paretti,  Novelline  popolari  italiane,  no.  54,  (i.  Pitre,  Vol.  2, 
p.  188)  die  Kraft  eines  Königssohns  an  ein  goldenes  Haar 
auf  seinem  Haupt  geknüpft  ist,  welches  ihm  seine  Stiefmutter 
abschneidet  oder  ausreisst.  —  Das  Märchen  Nr.  25  ,Die  Sen- 
dung in  die  Unterwelt'  ist  eine  sehr  hübsche  eigentüm- 
liche Version  eines  weitverbreiteten  Schwankes,  der  sowohl 
in  neuerer  Zeit  vielfach  als  Volksmärchen  aufgezeichnet 
worden  ist  (s.  z.  B.  Schott,  Walachisclie  Volksmärchen,  Nr.  43, 
Wenzig,  Westslavischer  Märchenschatz,  S.  41,  Grimm,  Nr.  104, 


M  [^^gl-  Köhler,  Revue  Celtique  2,  507  (zu  2,  197),  J.  Grimm,  Kl. 
Schriften  4,  216,  Hagen,  Minnesinger  3,  113.  4,  .566.  734,  Du  Meril, 
Etudes  p.  432,  Villemarque,  Les  romans  de  la  Table  Ronde  1860  p.  81, 
Kuhnert,  Midas  in  Sage  und  Kunst.  Zs.  der  d.  morgenl.  Ges.  40,  549, 
Revue  des  trad.  pop.  1  237.  7,  356,  Archivio  3,  370,  Coelho,  Contos 
no.  50.] 


384  Zur  Märc'lienforscliung. 

Mülleiiliof,  Märchen  aus  Schleswig- Holstein,  Nr.  10,  Meier, 
Volksmärchen  aus  Schwaben,  Nr.  20,  Pröhle,  Kinder-  und 
Volksmärchen,  Nr.  50,  Zingerle,  Kinder-  und  Hausmärchen 
aus  Tirol,  Nr.  14,  Baring  Gould,  Household  Stories  Nr.  3,  As- 
björnsen  und  Moe,  Norske  Folkeeventyr,  Nr.  10,  Cerquand, 
Legendes  et  recits  populaires  du  Pays  basqne,  1,  53,  Melu- 
sine, 1,  133.  135.  352),  als  auch  seit  dem  IB.  .lahrhundert  in 
Dichtungen  und  Erzählungssammlnngen  uns  oft  begegnet  (s. 
H.  Oesterleys  Nachweise  zu  J,  Paulis  Schimpf  und  Ernst, 
Cap.  463^),  und  zu  W.  Kirchhofs  Wendunmut,  1,  138,  die 
ich  noch  vermehren  könnte).  [Bolte  zu  Frey  no.  61.  Cosquin 
no.  22.  Gredt  uo.  917.  Leopold,  Van  de  Scheide  tot  de 
Weichsel  1,  527.  North  Indian  Notes  and  Queries  5,  209, 
no.  618.]  —  In  dem  Lied  Nr.  20  kommen  folgende  Verse  vor: 

Kalcbg  Tove  lov  Xagovra !  xrlßtos  vd   yevTovjue, 

Nd  qm<;  t    äjrdxia  tov  Aayov,   OTfj&djiu  djrö  Tregdixi, 

Nd  7Tu~jq  xai  rgijrahjo  xgciol,  irov  nivovv  ot   dvTQeicojuh'oi. 

Damit  vergleiche    man    in    einem    kyprischen    Lied    bei 
A.  Sakellarios,  Td  KvjiQiaxd,  3,  12,  die  Verse: 

KaXcög  fjQxeq,  XihojiajTJTOv,  vd  cpdg,  vd  mfjg  jLDjTd  jiiag, 
Nd  (pd]]g  aÖQiv  tov  laov,  vd   cpäg  ö(pT6v  JTSQTixit', 
Nd  cpäg  aQxoxeQdfivov,  ifov  tqcT)v  dvTQSixcojuevoi, 
Nd  mf]g  yXvxxmorov  xQaaiv  oe  "yelav  tov  dvTQOvvov. 

307  Und    mit   geringen   Abweichungen   finden   sich   dieselben 

Verse  in  einem  andern  kyprischen  Liede,  S.  3.  Eine  möglichst 
vollständige  geordnete  Sammlung  derartiger  formelhaft  wieder- 
kehrender Verse  aus  dem  bisher  bekannten  neugriechischen 
Liederschatz  würde  sehr  anziehend  und  lehrreich  sein.  —  In 
den  ebenfalls  formelhaften  Versen  17  und  IS  in  dem  58.  Lied 
hätte  auf  meine  Zusammenstellung  in  den  Göttinger  gelehrten 
Anz.  1871,  S.  1413  [oben  376],  verwiesen  werden  können.  — 
S.  277  lautet  eine  Anmerkung  zu  V.  58  des  59.  Liedes:  ,Der  mir 
vorliegende  Text  des  Liedes,  welches  ich  auf  Kephalonia 
schriftlich  mitgeteilt  erhielt,    bietet  ßign,  ein  Wort,    das  mir 


')  ,Keller,  Erzähl.   275'  ist  zu  streichen. 


2t).    tSi'lmiiilt    (iriccliischc   Märchen,  Sagen   und    Volkslieder.      ;-]S5 

vollstiiiidii;  (liiukel  ist.  Die  Erklärung  .lviii|;\  welche  mir  ein 
(irieche  gab.  wird  allerdings  bestätigt  durcli  das  neuerdings 
im  '2.  Bande  der  Neo£Xh]vixa  'AvdkexTn  veröffentlichte  rhoood- 
Qiov  KeqaA)i}]viaq,  wo  S.  178  /ieoada/TvAtda  aufgeführt  und 
durch  diaqpoooiv  tldwy  (VtxjiOdötn  erklärt  wird'.  Es  ist 
dem  Verf.  entgangen,  das  (-ikja  das  venezianische  vera 
(ital.  viera).  Reif,  Ring,  ist.  Der  ^'erf.  meint,  ein  Wort  mit 
der  Bedeutung  Ring  passe  überhaupt  nicht  au  die  Stelle, 
worin  ich  ihm  nicht  beistimmen  kann,  und  hat  deshalb  ßega 
in  ßeQTfx  (Tasche)  ändern  zu  müssen  geglaubt.  —  Schliesslich 
spreche  ich  nocli  den  gewiss  von  sehr  vielen  geteilten 
Wunsch  aus,  dass  der  Verf.  uns  so  bald  als  möglich  mit  der 
Fortsetzung  seines  vortrefflichen  Werkes  über  das  Volksleben 
der  Neugriechen  beschenken  möge. 


27.   Anmerkungen  zu  Gustav  Me^er, 
Albanische  Märchen. 

(Archiv  für  Litteraturgeschiclite   12,  ".»2— 14S.      1884.) 

1.    Das  Mädchen  mit  der  Ziege 

(nach  E.  Mitkos,  [4/.ßariy.ij  Mt/.iana..     1878,  ]>.    I<i5  no.   1). 

Vgl.  Grimm,  KHM.,  no.  11  u.  141,  Hahn,  Griechische  9.-> 
und  albanesische  Märchen,  no.  1,  Basile,  Pentamerone,  V,  8, 
Gonzenbach,  Sicilianische  Märchen,  no.  4S  uml  4!),  De  Guber- 
natis,  Le  Novelline  di  Santo  Stefano,  no.  11,  Bernoni,  Fiabe 
popolari  veneziane,  no.  2,  Corazzini,  I  componimenti  minori 
della  letteratura  popolare  italiana,  S.  443,  no.  9  (Märchen 
aus  Benevent),  Busk,  The  Folk-Lore  of  Rome,  S.  40,  Melu- 
sine 1,  419  (Märchen  aus  der  Bretagne),  De  Gnbernatis, 
Zoological  Mythology,  1,  409  (rassisches  Märchen,  aus  Afa- 
nasjefts  Sammlung,  4,  45,  ausgezogen).     [Zs.  d.  V.  f.  Volksk. 

R.  K  ühler,  Kl.  Schritten.    I.  2') 


386  Zur  Märchenforsehung. 

t),  77,  Arfert,  Das  Motiv  von  der  imterschobenen  Braut. 
Diss.  Rostock  1897  S.  21.] 

Die  Ziege  des  albanischen  Märchens  müsste  nach 
Analogie  der  parallelen  Märchen  der  verwandelte  Bruder  des 
Mädchens  sein. 

2.    Die  Frjiu  und  der  Gev.atter 

(lAlitkus  110.   2). 

96  Vgl.  das  deutsche  Märchen  vom  alten  Hildebrand  ((irimm, 

KHM.,  Nr.  95,  Meier,  Volksm.  aus  Schwaben,  Nr.  11,  Korre- 
spondenzblatt des  Vereins  für  niederdeutsche  Sprachforschung 
4,  12.  50.  79.  6,  46)  und  ein  schwedisches  in  A.  Bondesons 
Halländska  Sagor,  Lund  ISSO,  Nr.  26.  In  diesen  Märchen 
wird  ein  Bauer,  dessen  Frau  mit  dem  Pfarrer  buhlt,  von 
seinem  Gevatter  oder  seinem  Knecht  oder  sonst  irgend  wem 
in  einem  Tragkorb  oder  dergleichen  in  sein  Haus  getragen 
und  wird  so  Zeuge  davon,  wie  Frau  und  Pfarrer  sich  er- 
lustigen. Nachdem  der  Pfarrer,  die  Frau  und  der  Gevatter 
je  zwei  auf  die  Umstände  bezügliche  Zeilen  gesungen,  thut 
dies  auch   der  Bauer  und  steigt  dann  aus  dem  Korb. 

3.    Die  drei  Oeselleii 

(Mitkos  110.  4). 

105  Wenn  die  Kutschedra  zur  Schonen  der  Erde   sagt:    „Be- 

obachte den -lüugling  aus  dem  Fenster,  wie  er  Wasser  trinken 
wird,  mit  der  Hand  oder  auf  den  Knien",  und  wenn  sie  dann, 
als  der  Jüngling  sich  auf  ein  Knie  niederliess,  sein  Haupt  an 
das  Becken  der  Quelle  legte  und  trank,  sagt:  „Vor  diesem 
Manne  habe  ich  Furcht,"  so  vergleiche  man  die  Stelle  im 
Buche  der  Richter  (Kap.  7),  wo  der  Herr  die  zehntausend, 
die  mit  Gideon  bei  dem  Brunnen  Harod  geblieben  sind,  um 
gegen  die  Midianiter  zu  kämpfen,  prüft.  Es  heisst  da  V. 
4 — 7  nach  Luthers  IJebersetzung :  Und  der  Herr  sprach  zu 
Gideon:  „Des  Volks  ist  noch  zu  viel,  führe  sie  hinab  ans 
Wasser,  daselbst  will  icli  sie  dir  prüfen,  und  von  welchem 
ich  dir  sagen  werden,  dass  er  mit  dir  ziehen  soll,  der  soll 
mit  dir  ziehen,   von  welchem  aber  ich  sagen  werde,    dass  er 


27.    Anmerkungen   zu  Gustav  JMeyer  ^'r.   2 — 4.  8<S7 

nicht  mit  dir  ziehen  soll,  der  soll  nicht  ziehen."  Und  er 
führte  das  Volk  hiiiah  ans  Wasser.  Und  der  Herr  sprach 
zu  Gideon:  „Welcher  mit  seiner  Zunge  des  Wassers  lecket, 
wie  ein  Hund  lecket,  den  stelle  besonders;  desselben  gleichen, 
welcher  auf  seine  Knie  fällt  zu  trinken."  Da  war  die  Zahl 
derer,  die  geleckt  hatten  aus  der  Hand  zum  Mund,  dreihundert 
Mann,  das  andere  Volk  alles  hatte  knieend  getrunken.  Und 
der  Herr  sprach  zu  Gideon:  „Durch  die  dreihundert  Mann, 
die  geleckt  haben,  will  ich  euch  erlösen  und  die  Midianiter 
in  deine  Hände  geben,  aber  das  andere  Volk  lass  alles  gehen 
an  seinen  Ort." 

4.    Der  zerschnittene  Fisch 

(Mitkob  no.   .">).    ''    ■<    ■     '  •''■   '       ''  ' 

Vgl.  meine  ^^achweise  im  Orient  u.  Occ.  2,  118  [oben  ITil],  io7 
zu  Gonzenbach  no.  39  und  40  und  zu  Blade,  Gentes  pop.  rec. 
en  Agenais,  S.  148,  die  von  Gosqnin,  Gontes  pop.  lorrains 
no.  5  (Romania  5,  33(5)  und  no.  37  (Romania  7.  563)  und 
die  von  W(dlner  zu  Brugmans  Lit.  .M.  no.  10  uiul  11  (Leskien 
und  Brugman,  Litauische  Volkslieder  und  Märchen,  S.  542). 
Ferner  vgl.  Pio,  Gontes  pop.  grecs.  S.  60  {:=  Hahn  no.  "23). 
Mijatovics,  Serbian  Folk-lore,  S.  256,  M.  Kremnitz,  Rumänische 
Märchen,  no.  17,  Goronedi  Berti,  Novelline  pop.  bolognesi,  | 
no.  16  (H  Propugnatore  8,  2,  465),  Visentini,  Fiabe  manto-  los 
vane,  no.  H),  Nerucci,  Novelle  pop.  montalesi,  no.  8  (^  Im- 
briani,  Novellaja  fiorentina,  no.  28),  Fiuamore,  Tradizioni  pop. 
abrnzzesi,  1,  no.  22,  Gaballero,  Guentos,  S.  27,  Goelho,  Gontos 
populäres  portuguezes,  no.  52,  Sebillot,  Gontes  pop.  de  la 
Haute-Bretagne,  no.  18,  Grundtvig,  Danske  Folketeventyr, 
no.  8,  Kamp,  Danske  Folkeieventyr,  no.  13,  Baltische  Monats- 
schrift, Bd.  23,  Riga  1874,  S.  343  (drei  lettische  Versionen 
des  Brüderm.,  mitgeteilt  von  A.  Bielenstein).  Die  Gleichheit 
der  Brüder  fehlt  in  dem  alb.  M.,  und  natürlich  fehlen  auch 
die  damit  zusammenhängenden  Vorgänge. 

Eigentümlich  dem  alb.  M.  ist,  dass  der  erste  gefangene 
Fisch  sagt,  er  sei  das  Schicksal  des  Fischers.  Zu  den  Worten 
„Ach,   wie   lange  habe  ich  geschlafen!"    und   der  Antwort  s. 


3g8  2ii'"  ^lärclienforsfhung. 

man  meine  Nachweise  bei  Sehiefner.  Awarische  Texte  S.  XV, 
die  ich  jetzt  noch  sehr  vermehren  könnte.  x\uch  in  Nr.  3 
fragt  der  wieder  zum  Leben  erwachte  Held;  „Ach.  wie  lange 
habe  ich  geschhifen'.-'  merkt  aber  dann  gleicli  selbst,  dass  er 
nicht  geschlafen  hat. 

5.    I)er  Zauberer  und  sein  Schüler 

(3Iitkos  no.  li). 

jjQ  Vgl.   zunächst    Halm   Nr.  6S   und   Nr.   45^).     Andere   zu 

vergleichende  M.  s.  in  meiner  Aum.  zu  einem  italienischen 
M.  im  Jahrb.  für  rnnian.  l.itteratur  -S.  256  [oben  S.  330],  in 
Cosquins  Anm.  zu  seinen  Contes  pop.  lorrains  Nr.  12  (Ro- 
mania  7,  216  und  9.  418)  niulj  in  Wollners  Anm.  zu  Brug- 
mans  litauischen  M.  Nr.  9.  Ausserdem  vgl.  noch  V.  Po- 
gatschnigg,  Märclien  aus  Kärnten,  Nr.  9,  in  der  Carinthia 
1865,  S.  438  (kinderloser  Kaufmann:  Sohn  dem  Teufel  ver- 
sproclien:  verbotener  Stall;  J^sel  hat  Fleisch,  Bär  Heu  vor 
sich;  auf  der  Flucht  Auswerfen  von  einem  Tuch,  einer  Peitsche, 
einem  Kampel,  die  zu  Eisfeld,  AVald,  gläsernem  Berg  werden); 
Prym  und  Socin,  Syrische  M.,  Nr.  5S  (kinderlose  Leute:  Sohn 
einem  Dämon  versprochen;  in  einem  Zimmer  ein  Pferd  und 
ein  Löwe,  vor  ersterem  Fleisch,  vor  letzterem  Gras),  Fina- 
more,  Tradizioni  pop(dari  abruzzesi,  1,  Nr.  18  (kinderloser 
König;  Sohn  dem  Teufel  versprochen;  verbotenes  Fenster, 
welches  in  die  Hölle  sieht:  verbotener  Kasten,  worin  Sieb, 
Seife,  Kämm,  die  auf  der  Flucht  gebraucht  werden:  verbotener 
Stall,  worin  ein  Pferd,  auf  dem  der  Königssohn  entflieht. 

().   Die  listige  Faule 

(Mitkos  no.  7). 

Vgl.  Grimm,  KHM..  Nr.  128,  wo  die  im  Gebüsch  ver- 
steckte faule  Frau  ilirem  Manne,  der  Haspelholz  hauen  will, 
zuruft : 

Wer  Haspelholz  haut,  der  stirbt, 

Wer  da  haspelt,  der  verdirbt. 

^)  Von  ersterem  ist  die  erste  Hälfte  (S.  33 — 36),  von  letzterem  der 
mittlere  Teil  zu   vergleichen. 


111 


27.    Anmerkungen  zu  Gustav  Meyer  Nr.  5 — 8.  8cS9 

7.    Die  Schöne  der  Erde 

(Mirkos  nu.   9). 

Zu  diesem  M.  verweise  ich  auf  meine  Anmerkung  zu  in 
(lonzenbach  no.  310  [Zs.  d.  V.  für  Volksk.  6,  70]  und  auf 
die  Cosquins  zu  seinen  Contes  pop.  lorrains,  no.  11.  in  der 
Romania  5,  363  und  10.  ÖOG,  wozu  noch  nachzutragen  sind 
De  Gubernatis,  Zoological  Mythology.  1.  288  (M.  aus  Osimo 
in  den  Marken),  Coronedi  Berti,  Novelline  popolari  bolognesi, 
no.  9  (im  Propugnatore  7,  1,  409),  Nerucci,  Novelle  popolari 
montalesi,  j  no.  57,  Finamore,  Tradizioni  popolari  abruzzesi,  118 
Vol.  I  (Novelle),  no.  30.  Einige  hergehörige,  bisher  aber 
nicht  berücksichtigte  litterarische  Erzeugnisse  gedenke  ich 
später  eingehend  zu  besprechen,  zur  Zeit  bin  ich  es  aus  ge- 
wissen (rrütuU^n   noch   nicht  im  Stande. 

S.    Die  sieben  Brüder  mit  den  Wundergaben 

(:\[itk(.s  no.   10). 

Vgl.  Dozon  Nr.  4.  Pio  S.  104,   Basile,  Pentamerone,   1,  5,  122 
Sclmeller,  Märchen  und  Sagen  aus  Wälschtirol,  Nr.  31. 

Alle  diese  M.  beginnen  damit,  dass  eine  Laus  oder  — 
im  Pentamerone  —  ein  Floh  von  einem  Könige  oder  einer 
Königstocliter  gefunden,  verwahrt  und  gefüttert  wird.  Zu 
ausserordentlicher  Grösse  herangewachsen,  wird  (bis  Tier  ge- 
tötet, uiul  dann  wird  das  getötete  Tier  oder  dessen  al)gezogene 
Haut  den  Freiern  der  Königstochter  vorgelegt,  und  nur  den 
soll  oder  will  sie  heiraten,  der  das  Tier  errät.  Der  Teufel 
oder  —  im  Pentamerctne  —  ein  Uorco  löst  die  Aufgabe  und 
führt  die  Königstochter  mit  sich  fort.  In  den  drei  erstge- 
nannten Märchen  befreien  7  mit  wunderbaren  Eigenschaften 
begabte  Brüder  die  Kömigstochter ;  in  dem  Tiroler  thun  es 
4  Männer,  die  nicht  Brüder  sind.  —  In  Dozons  albanischem 
M.  haben  die  7  Brüder  folgende  Eigenschaften:  1  hört  bis 
in  die  weiteste  Entfernung:  "2  vermag  durch  seinen  Befehl 
die  Erde  zu  öffnen:  3  kann  eiijem  etw^as  unbemerkt  ent- 
wenden: 4  wirft  einen  Sclmh  bis  ans  Ende  der  AVeit:  5  brauclit 


')  Zeile    3    der  Anmerk.    ist     14'J    (statt    193)    und    158    (statt   188) 
zu  lesen. 


390  Zur  Märchenforscliung. 

nur  zu  sagen,  dass  ein  Tliiirm  da  sein  soll,  und  alsbald  ist 
er  da;  6  schiesst  jeden  Gegenstand  aus  höchster  Höhe  herab; 
7  fängt,  selbst  wenn  etwas  ans  dem  Himmel  herabfällt,  es 
mit  seinen  Händen  auf.  — '■  Von  den  7  Brüdern  des  griechi- 
schen M.  hört  1,  wenn  er  sein  Ohr  an  die  Erde  legt,  was  in 
der  Unterwelt  vorgeht;  2  hebt  mit  seinen  Händen  die  schwerste 
Last  empor;  3  kann  einen  Schlafenden,  ohne  dass  ders  merkt, 
berauben:  4  trägt  auf  seinen  Schultern  die  schwerste  Last; 
5  klopft  mit  der  Hand  auf  die  Erde,  und  alsbald  steht  ein 
Thurm  von  Eisen  da;  6  trifft  mit  seinem  Pfeile,  w;is  er  will; 
7  fängt  in  seinen  Armen  auf,  was  vom  Himmel  fällt.  —  Im 
Pentamerone  hört  1  dreissig  Meilen  weit:  "2  macht,  wenn  er 
spuckt,  ein  grosses  Seifenmeer;  8  macht,  wenn  er  ein  Stück- 
chen Eisen  hinwirft,  ein  Feld  von  geschliffenen  Scheermessern; 

4  macht,  wenn  er  ein  Spänchen  hinwirft,  einen  dichten  Wald; 

5  macht,  wenn  er  Wasser  auf  die  Erde  spritzt,  einen  gewal- 
.    tigen  Strom;    6  wirft  einen  Stein    hin,  und  ein  fester  Thurm 

steht  da;  7  trift't  eine  Meile  weit  mit  seiner  Armbrust.  — 
Im  Tiroler  M.  sieht  1  sehr  scharf;  2  hört  sehr  scharf;  3  hebt 
geräuschlos  Thore  aus:  4  geht  so  leise,  dass  ihn  der  mit 
dem  scharfen  Gehör  kaum  hört. 

Zwei  von  G.  Pitre,  Fiabe,  Novelle  e  Racconti  popolari 
siciliani,  1,  19(5  f.  und  197  f.  nur  im  Auszug  mitgeteilte  M., 
in  denen  7  mit  wunderbaren  Eigenschaften  begabte  Brüder 
eine  Königstochter  von  einem  Zauberer,  den  sie  hat  heiraten 
müssen,  befreien,  habe  ich  oben  nicht  mit  genannt,  weil  sie 
nicht  wie  die  obigen  beginnen,  vielmehr  wird  in  ihnen  der 
Zauberer  der  Mann  der  Königstochtm-,  weil  er  einen  Graben 
zu  überspringen  oder  eine  sehr  schwere  Kugel  sehr  hoch  zu 
werfen  im  Stande  gewesen  ist. 

Es    giebt    TU)ch    zahlreiche,    zum    Teil    ähnliche    M.    von 

Brüdern    mit   wunderbaren   Eigenschaften,    die    eine   geraubte 

123  Ju]igtVau  wieder  j  gewinnen;  da  sie  aber  den  obigen  M.  ferner 

stehen,    so  genüge  hier  ein  Verweis  auf  meine  Anmerkung  zu 

einem  si-rbischen  M.  im  Archiv  f.  slav.  Phil.  5,  37  [unten  S.  43<S]. 

Ebenso  giebt  es  au(  h  noch  niancln^  M..  die  damit  be- 
ginnen,  dass  die   Hand   einer  Kiinigstochter    nur  dem   zu   Teil 


27.    AnincM-kungeii   zu  Griistav   Meyer  Nr.  8 — 11.  391 

werden  soll,  der  errät,  dass  die  Haut,  womit  ein  Kasten 
überzogen  oder  eine  Trommel  überspannt  ist  oder  woraus 
ein  Paar  Seiiulie  gemacht  sind  oder  die  über  die  Thür  ge- 
nagelt ist,  von  einer  Laus  oder  einem  Floh  oder  einer  Wanze 
ist;  der  weitere  Verlauf  dieser  M.,  von  denen  nur  Beispiels 
halber  Gonzenbach  Nr.  22  und  Blade,  Contes  pop.  rec.  en 
Armagnae,  S.  11  genannt  sein  mögen,  hat  mit  den  obigen 
nichts  zu  thuii. 

Schliesslich  sei  noch  bemci'kt,  dass  die  Brieftaube  unseres 
all).  M.  auch  in  dem  griechischen  und  dem  wälschtiroler  vor- 
kommt, bei  Pitre  1,  197  aber  der  Brief  einer  Schwalbe  an- 
vertraut wird.     [Ifhiov  1,  296. j 

9.    Die  närrische  Frau  des  Holzhauers 

(Mitkos  no.   11). 

Vgl.    den    ersten    Absatz    meiner   Anm.    zu    (ionzenbach  124 
Nr.    H7    [Zs.   d.    V.    für    Volksk.    H,    78]    uiul   Cosqnins    Anm. 
zu   seinen  Contes  pop.  lorrains  Nr.  57   (lies:    5S)   in  der  Ro- 
mania  9,  889. 

Wenn  die  Frau  für  Goldstücke  Töpfe  kauft  und  ihnen 
dann  den  Boden  ausschlägt  und  sie  im  Zimmer  aufhängt,  so 
vgl.  Grimm  Nr.  59,  Schneller,  M.  und  Sagen  aus  Wälschtirol, 
Nr.  5(),  Wenzig,  Westslavisciun'  Märchenschatz,  S.  41.  Bei 
Haltrich,  Deutsche  Volksm.  i  aus  dem  Sachsenlande  in  Sieben-  i25 
Itürgen,  Nr.  65  (62),  zerschlägt  die  Frau  die  gekauften  und 
an  die  AVand  geliängten  Tfipfe,  weil  sie  dem  letzten  nicht 
Platz  machen  wollen.  P)ei  Kamp,  Danske  Folkeminder,  S.  137, 
Nr.  361,  und  bei  Möller,  Folkesagn  etc.  fra  Bornholm,  S.  56, 
lässt  sie  den  Wagen  V(dl  Tö[»fe  nicht  abladen,  sondern  um- 
stürzen, so  dass  die  Töpfe  mitürliidi  alle  zerbrechen. 

10.    Die  neidische  Königstochter 

(in  Porös  von  Keinhold  aufgezeichnet). 

11.    Das  Mädclien  im  Kasten 

(in  Hydra   von   Heinhokl  aufgezeiclinet). 

Nahe  verwandt  ist  die  sogenannte  Crescentia-Sage,  jene  132 
in  den  abendländischen  Litteraturen  des  Mittelalters  und  auch 


3J)2  Zui'  Märchenforschiuig. 

133  im  Orient  |  uns  begegnende  Ges(;hi<'lite  von  der  trenen  Fran, 
die  zuerst  von  ihrem  in  sie  verliebten  Scliwager  und  später 
auf  ihrer  Flucht  von  andern  abgewiesenen  Liebhabern  fälsch- 
lich angeklagt  oder  in  Verdacht  gebracht  wird  und  bei  der 
schliesslich,  da  sie  Krankheiten  zu  heilen  vermag,  alle,  die 
sich  an  ihr  vergangen  haben  —  auch  ihr  Mann  —  zusammen 
kommen^).  [Lidzltarski,  Gesch.  aus  den  ueu-;n-amä.  Hdschr. 
1896,  S.  93.] 

Man  vgl.  ferner  das  griechische  M.  von  der  Insel  Astro- 
palja  (dem  alten  Astypalea)  bei  Pio  S.  143.  Nr.  7.  welches 
von  einer  Jungfrau  erzählt,  die,  von  einem  .luden,  den  sie 
nicht  erhört  hat,  l)ei  ihren  Eltern  verleumdet,  von  ihrem 
Bruder  getötet  werden  soll,  al)er  am  Leben  gelassen  wird 
und  flieht,  später  als  Gemahlin  eines  Königs  abermals  in 
Folge  falscher  Beschuldigung  Hieben  muss  und  in  einem 
Kaffeehaus  Diener  wird,  wo  dann  zufällig  auf  einmal  Eltern, 
Bruder,  Gemahl  und  die  verschiedenen  Personen,  die  sie 
fälschlich  verklagt  haben,  zusammen  kommen.    [Spitta  no.  6.] 

Wie  in  unserm  albanischen  M.  der  Kasten  mit  den 
Worten  zum  Kauf  ausgeboten  wird:  „Wer  ihn  kauft,  wird 
es  bereuen,  und  wer  ihn  nicht  kauft,  wird  es  wieder  be- 
reuen," so  werden  in  einem  andern  albanischen  M.  bei 
Dozon  (Nr.  11  der  Lebers.)  und  in  zwei  griechischen  ^\. 
{Nfoelhpnxä  \ivaAey.Ta,  1,  1,  Nr.  4,  und  Pio  S.  05)  ebenfalls 
Kasten  mit  denselben  oder  fast  ganz  gleichen  Worten  aus- 
geboten. In  andern  M.  (vgl.  Archiv  für  slavische  Philologie 
f),  78)  wird  dem  Melden,  der  gewisse  Gegenstände  findet  und 


')  Man  vergl.  ülier  die  Crescentia-Sag-e  besonders  A.  Mussatias  in 
dem  üezemberheft  des  Jahrgangs  1865  der  Sitzungsberichte  der  phil.- 
histor.  Klasse  der  kais.  Altademie  der  Wissenscliaften  entlialtene  und 
auch  besonders  abgedruckte  Abliandlung  „Ueber  eine  italienische 
metrische  Darstellung  der  Crescentiasage"  (Wien  1861!)  und  E.  Rohde 
Der  griechische  Roman  und  seine  Vorläufer,  S.  58-t.  Den  orientalischen 
Versionen  ist  noch  hinzuzufügen  ein  tatarisches  M.  in  W.  Radioffs 
ProV'en  der  Volkslitteratur  der  türkischen  Stämme  Süd-Sibii'iens  4, 
141  (Das  Weib  als  Fürst).  Fast  ganz  mir  der  (lescliichte  der  Repsima 
in  1001  Tag  stimmt  das  griechische  M.  aus  Epirus  bei  Pio  S.  66,  Nr.  21 
=  Hahn  Nr.   16. 


27.     Atuiierkuiiijcn   zw  Grusttiv    Meyer  Nr.   11 — 12.  393 

sie  an  .sirh  uiiniut.  von  seinem  Rosse  gesagt:  „Wenn  dn  es 
nimmst,  wirst  dn  es  berenen:  wenn  dn  es  nicht  nimmst, 
wirst  dn  es  ancli  berenen."  In  einem  rumänischen  M.  (M. 
Kremnitz.  Hnmänische  Märchen,  Leipzig  1882.  S.  224)  wird 
einem  anf  eine  gewisse  Frage  geantwortet:  „Wenn  dn  es 
weisst,  du  es  Iiercust:  wenn  dus  nicht  weisst.  dus  auch  be- 
reust.'' [Lerch.  F(n-schniigen  über  die  Knr(h'n  1,  33.  1857. 
Lidzl)arski  S.  1)4.] 

I.)ensell)en  iSefehl.  (Kmi  in  uiiserni  M.  der  IvTtnig  giebt. 
dass,  wer  l)eim  Anblick  seines  an  allen  Qnelleu  angebrachten 
Bildes  seufze,  in  den  königlichen  Palast  gebracht  werde, 
giebt  auch  in  einem  griechischen  M.  V(ui  Astypalea  bei  Pio 
S.  12(),  \r.  ().  ein  König,  der  [  ebenso,  wie  der  KTuiig  des  i:^4 
albanischen  M.,  eine  verkleidete  Frau  ist.  in  Bezug  auf  ein 
Bild,  anf  dem  sie  einen  T(dl  ihrer  (beschichte  hat  malen  und 
das  sie  an  einer  Quelle  hat  aufhängen  lassen.  [Lerch  1.  37. 
Lidzbarski  S.   102.] 

1*2.    Der  Pope  und  seine  Frau 

(in  Hydra    von   KeinhoUl  ant'gezeiclniet). 

Der  erste  Teil  des  M.  bis  zur  Verkleidung  des  be-  i:36 
trunkenen  Popen  ist  eine  eigentümliche  Version  der  bekannten 
alten  und  weitverbreiteten  Erzählung  von  dem  Ehemanne, 
der  vermittelst  einer  geheimen  Thür  oder  eines  Loches  oder 
eines  unterirdischen  Ganges,  die  sein  Hans  mit  dem  Nachbar- 
hans verbinden,  um  seiue  Frau  betrogen  wird.  Vgl.  über 
diese  Erzählung  Dunlop-Liel)recht  S.  197,  DAncona  in  seiner 
Ansgabe  der  „Novelle  di  Giovanni  Sercam bi",  S.  2<S5  (zn 
Nov.  13),  \V.  Bacher  in  der  Zeitschrift  der  Deutschen  Mor- 
genli.ndischen  (iesellschaft  30,  141.  und  F.  Liebreclit.  Zur 
Volkskunde,  S.  127.  Von  Volksmärchen  gehören  hierher 
Hahn  Nr.  29,  worauf  schon  DAncona  a.  a.  0.  hingewiesen, 
ferner  Radloft"  4,  393.  Prym  und  Socin.  Syrische  Sagen  n.  M., 
Nr.  11,  und  Busk,  The  Folklore  of  Rome.  S.  399.  Letzt- 
genanntes M.  steht  der  Novelle  in  Versen  „Re  Barbadicane 
e  Grazia''  von  dem  berüchtigten  D.  Batacchi  j  sehr  nahe.  Auch  137 
eine  Wiener  Haupt-  und  Staatsaction  (Karl  Weiss.  Die  Wiener 


394  Zur  Märchenforschung. 

Haupt-  und  »Staatsactioiieii,  Wien  1854,  S.  75  ff.  Xr.  6),  Kotze- 
bues  Lustspiel  „Die  gefährliche  Nachbarschaft"  und  Platens 
„Der  Thurm  mit  sieben  Pforten"  behaudebi  den  Stoff. 
[E.  Zarncke,  Rhein.  Museum  30,  1,  Christof.  Armeno,  Reise 
der  Söhne  Giaffers,  herausg.  von  Fischer  und  Bolte,  1896, 
S.  219.    Gramberg  iu  Dietrichs  Braga  9,  49.     1828]. 

13.    Der  Jüngling  und  der  Bartlose. 

(Jixniik,  Zur  alhaiiischen   S])racheiikunde   ISSl,   S.  6.) 

142  Vgl.    Dozon    Nr.    12,     Neoelhp'ixd    'AvaleHia    1,    1,    46, 

Nr.  10  =  Legrand,  Contes  populaires  grecs,  S.  57  (M.  aus 
dem  Pelopomies),  Hahn  Nr.  37  (M.  aus  Epirus),  [Archivio  2, 
481,  Visentini  no.  5,  Jecklin  1,  132],  F.  Franzisci,  Cultur- 
Studien  über  Volksleben,  Sitten  und  Bräuche  in  Kärnten, 
Wien  1879,  S.  99  (M.  aus  dem  Glantale  in  Kärnten),  Cos- 
quin,  Contes  populaires  lorrains.  Nr.  3  (Romania  5,  94),  Jagic, 
Südslavische  M.,  Nr.  la  und  b  (Archiv  für  slav.  l^hil.  1,  270 
[unten  S.  407]),  Luzel,  Veillees  bretonnes,  Morlaix  1879,  S.  148, 
und  Cinquieme  Rapport  sur  une  mission  en  Basse  Bretagne 
(Extrait  des  Archives  des  missions  scientifiques  et  litteraires, 
3.  Serie,  T.  1),  S.  2,  Comparetti.  Novelle  popolari  italiane,  no.  5. 

Alle  diese  M.  sind  Versionen  eines  und  desselben  M., 
welches  man  bezeichnen  kann  als  das  M.  von  dem  Sohne 
oder  Paten  eines  Königs,  der,  als  er  sich  zu  dem  Könige  be- 
geben will,  unterwegs  von  seinem  Diener  oder  (iefährten  ge- 
zwungen wird,  mit  ihm  die  Rollen  zu  tauschen,  dann,  nach- 
dem er  zuvor  auf  Anstiften  des  Betrügers  verschiedene  schwere 
Unternehmungen  hat  ausführen  müssen,  von  jenem  getötet, 
von  der  schönen  Jungfrau  aber,  die  er  an  den  Königshof 
hatte  bringen  müssen,  wieder  belebt  wird  und  nun.  durch 
seinen  Tod  und  sein  Wiederaufleben  eines  dem  Betrüger  ge- 
schworenen Eides  entbunden,  den  Betrug  entdeckt. 

Die  älteste  Form  des  Einganges  des  M.  ist  wohl  wie  in 
dem  M.  aus  dem  Peloponnes  und  in  dem  einen  serbischen 
die  gewesen,  dass  ein  König  oder  Kaiser  auf  einer  Reise  beim 
Ue bernachten  seiner  Wirtin  (einer  AVitwe)  oder  der  Tochter 
seines  Wirtes  beigewohnt  und   ihr  l)eiiii  Al)schied  gesagt  hat, 


27.    Annierkung'en  zu  Gustav  Meyer  Nr.   13.  395 

sie  solle,  falls  sie  einen  Sohn  znr  AVeit  bringe,  denselben, 
wenn  er  herangewachsen  sei,  zn  ihm  schicken.  In  Dozons, 
Cosqnins  und  Luzels  M.  ist  der  König  nicht  der  Vater,  son- 
dern der  Pate  des  Helden.  In  dem  kärntnerischen  M.  ist  der 
Held  der  Sohn  eines  Hauptmanns  und  seiner  Frau,  und  der 
Hauptmann  hat  noch  vor  seiner  Geburt  ins  Feld  ziehen 
müssen:  der  herangewachsene  Sohn  zieht  aus,  den  noch  immer 
nicht  zurückgekehrten  Vater  aufzusuchen.  Noch  mehr  ent- 
stellt sind  das  epirotische,  das  andere  serbische  und  das  ita- 
lienische M.  In  ersterem  ist  der  Held  der  Sohn  eines  Kaisers 
und  seiner  Gemahlin,  der  Kaiser  muss  aber  auf  lange  Zeit 
verreisen;  in  dem  letztern  ist  der  Held  ebenfalls  ein  legitimer 
Königs-  oder  Kaisersohn,  der  nicht  seinen  Vater  aufsuchen, 
sondern  einen  andern  K(inig  oder  Kaiser  besuclien  will. 

Der  Betrüger  ist  in  den  griechischen,  dem  einen  ser- 
bischen und  dem  kärntnerischen  ein  Bartloser,  in  dem  loth- 
ringischen ein  Buckliger,  in  dem  einen  bretonischen  ein 
Cacou  ^),  und  eine  Warnuug  vor  derartigen  Menschen  —  in  U3 
dem  bretonischen  auch  vor  Lahmen  —  geht  voraus.  Es  liegt 
hier  die  alte  weitverbreitete  Scheu  vor  ^lenschen  von  auf- 
fallendem oder  entstelltem  Aeusseren  vor. 

Was  die  Art  betrifft,  wie  der  Rolleutausch  erzwungen 
wird,  so  bedroht  in  Dozons  M.  der  Betrüger  den  Paten  des 
Königs,  der  in  eine  Schlucht  hinab  zu  einer  Quelle  gestiegen 
ist.  von  oben  mit  einem  schweren  Steine.  In  dem  M.  aus 
dem  Peloponnes  droht  der  Bartlose,  den  Brunnen,  in  den  der 
Königssohn  hinabgestiegen  ist.  mit  einer  Steinplatte  zuzu- 
decken. In  dem  epirotischen.  dem  einen  serbischen  und  dem 
kärntuerischen  wird  der  Zwang  dadurch  ausgeübt,  dass  der 
Bartlose  den  Jüngling  nicht  wieder  aus  dem  Brunnen  herauf- 
ziehen will.  In  dem  lothringischen  und  den  beiden  bre- 
tonischen M.  hat  sich  der  Betrüger  des  Pferdes  des  Jünglings 
—  und  zwar  in  den  bretonischen,  während  der  Jüngling  ab- 


M  „Les  Cacous  ou  Caqiieux  etaient  des  especes  de  parias,  d'iu- 
dividus  liors  de  la  soeiete  et  qui  exeroaient  ordinairement,  en  Bretagne, 
le  uietier  de  oordiers.  On  les  eont'oud  assez  souveut  avec  les  lepreux." 
Yeillees  bretonues  S.    1.^1. 


396  Zur  Märchenforsohung. 

gestiegen  ist  und  ans  einer  Quelle  trinkt  —  bemächtigt.  In 
dem  italienischen  M.  drolit  der  Gefährte  den  Königssohn  zu 
erschiessen,  und  in  dem  einen  serbischen  endlich  gewinnt  er 
dem  Königssohn  listig  einen  Ring  ab,  an  dem  ihn  der  Kaiser 
als  seinen  Sohn  erkennen  soll. 

In  Dozons  M.,  in  den  griechischen,  dem  kärntnerischen 
und  dem  lothringischen  muss  der  Jüngling  dem  Betrüger 
einen  Eid  schwören,  und  zwar  schwört  er  in  dem  albanischen 
und  den  griechischen,  nur  dann  oder  erst  dann  wolle  er  den 
Betrug  entdecken,  wenn  er  gestorben  und  wieder  auferstanden 
sei^);  in  dem  kärntnerischen  muss  er  schwören,  nichts  zu 
verraten,  so  lange  er  lebe,  und  in  dem  lothringischen,  erst 
drei  Tage  nach  seinem  Tode  jemanden  zu  sagen,  dass  er  der 
Pate  des  Königs  sei.  In  allen  diesen  M.  betrachtet  sich  der 
Jüngling  dann,  nachdem  er  von  dem  Betrüger  getcitet,  von 
der  schönen  Jungfrau  aber  wieder  lebendig  gemacht  worden 
ist,  seines  Eides  entbunden.  —  In  den  serbischen,  den  bre- 
tonischen und  dem  italienischen  M.  ist  der  Schwur  weg- 
gefallen, trotzdem  sind  aber  in  den  serbischen  und  dem 
italienischen  die  Tötung  und  Wiederbelebung  des  Helden  ge- 
blieben. 

Unter  den  Aufgaben,  die  der  Held  in  den  verschiedenen 
Versionen  des  M.  auf  Anstiften  des  Betrügers  auszuführen 
hat,  ist  die  wichtigste  die  Herbeischaft'ung  einer  schönen 
Jungfrau,  an  die  sich  dann  wieder  die  Herbeischaffung  von 
Tote  erweckendem  Wasser  knüpft.  Dadurch  schliesst  sich 
das  M.  an  das  weitverbreitete  alte  M.  von  der  goldhaarigen 
Jungfrau  und  den  Wassern  des  Lebens  und  des  Todes  an 
(siehe  meine  Anmerkung  zu  (ionzenbach  Nr.  <SH,  2,  und  die 
Cosf|uins  zu  seinen  Coutes  lorrains  Nr.  73  in  der  Romania  10, 
177).  [Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  6,  172.]  \ 
144  Wenn  in  unserm  albanischen  M.  die  Tochter  des  Schahs 

den  Brautwerbern  erst  übergeben  w^erden  soll,  wenn  jeder 
300  Schüsseln  Speisen  isst  und  wenn  einer  von  ihnen  die 
Reiter  des  Schahs  überholt,  und  wenn  dann  die  beiden  unter- 


^)  In    dem    M.   aus    dem   Pt4ii])()inies    lieisst    es:    y.ni    ry.aiif    tÜv  uoho 
jrwg   (i  .Tfi)üf(i)   y.ni   yroicxo,   totf   ra   rii    iiaoTro/jofo. 


27.    Aiiiiierkuiigen  zu  (hishiv   Meyer  Nr.   13.  )^!)7 

wegs  mitgeuomineueu  wimderhar  begabten  Menschen  helteml 
eintreten,  so  vgl.  Hahn  Nr.  ()3,  Pio  S.  •21-J,  Jagie  Nr.  7  (Ar- 
chiv für  shivisclie  Philol.  1,  •J80)  und  ferner  (lonzenbach  Nr.  74 
und  die  Parallelen  in  der  Anmerkung  dazu,  die  jetzt  iu)cli 
vermehrt  werden   kr)nnten.     [Zs.   d.   V.  f.   Volksk.  (5,   KiS.] 

Zu  dem  nur  in  unserm  albanischen,  nicht  in  den  paral- 
lelen M.  vorkommenden  Zug,  dass  ein  Adler  dem  Helden 
sich  dankbar  erweist,  weil  er  eine  Sclilange,  welche  die 
jungen  Adler  fressen  wollte,  getötet  hat,  vergl.  die  von  mir 
bei  Schiefner,  Awarische  Texte,  S,  18  und  von  Cosqnin  in 
der  Romania  S,  ,i8ß — 581)  (zu  Contes  lorrains  Nr.  52)  zu- 
sammengestellten M.  und  ausserdem  noch  Stokes.  Indian  Fairy 
Tales,  S.   18-2  u.  288,  und  Dozon  Nr.  5. 

Die  Aufgabe,  einen  grossen  Haufen  Körner  in  kurzer 
Zeit  zu  sortieren,  mit  ihrer  Lösung  durch  dankbare  Ameisen, 
kommt  nicht  mir  in  allen  Versionen  unseres  M.  mit  Aus- 
nahme des  einen  serbischen  und  des  italienischen  —  vor, 
sondern  auch  in  zahlreichen  andern  M.  Bekanntlich  muss 
Psyche  schon  in  dem  M.  des  Apulejus  die  Aufgabe  lösen, 
und  auch  ihr  helfen  Ameisen,  aber  nicht  aus  Dankbarkeit, 
sondern  nur  aus  Mitleid.  In  manchen  M,  sind  an  Stelle  der 
Ameisen  andere  geeignete  Tiere  getreten.  Vgl.  Cosquin  in 
der  Romania  10,  140 — 142  (zu  den  Contes  lorrains  Nr.  65). 
[Pitre,  Nov.  tose.  p.  78,  117,  Archivio  3,  H6i),  Schulenbnrg, 
AVend.  V.  p.  21]. 

Wegen  der  an  einander  S(.-hlagenden  Berge,  in  deren 
Mitte  sich  das  Unsterblichkeitswasser  befindet,  siehe  man 
meine  Nachweise  bei  Schiefner,  Awarische  Texte,  S.  25,  und 
die  Wollners  bei  I^eskien  u.  Brugmann,  Litauische  Volks- 
lieder u.  M.,  S.  54!)  f.,  ferner  Ralston,  Rnssian  Folk-tales, 
S.  236,  Dozon  S.  92  und  131  i).  Mikh.sich,  Märchen  der  Zi- 
geuner der  Bukowina,  Nr.  11. 

Schliesslich  bemerke  ich  noch,  dass  es  noch  eine  andere 
Märchengruppe  giebt,  in  der  ein  Diener  einen  Prinzen  unter- 
wegs zwingt,  mit  ihm  die  Rolle  zu  tauschen,  die  aber  übrigens 

')  Nach  letzterer  Stelle  befindet  sich  die  Tote-erweckendeSchwalben- 
milch  zwischen  zwei  sich  ött'nenden  und  schliessenden  Bero-en. 


^-]98  Zur  Mäi'cheiifürschimg. 

sowohl  im  Eingang"  als  im  weitern  Verlanf  von  der  liier  be- 
sprochenen Gruppe  durchaus  verschieden  ist. 

14.    I)i<^  dankbaren  Tiere. 

(Jarnik   1881,   S.   13.) 

148  Man  vergl.  die  von  mir  im  Archiv  für  slav.  Phil.  5,  27  und 

40  (in  meinen  Anmerkungen  zu  den  südslavischen  M. 
Nr.  41  und  47)  [unten  S.  437  und  440]  besprocheneu  M.  und 
ausserdem  noch  Dozon  Nr.  9  und  10,  das  von  Dozon  S.  219  im 
Auszug  mitgeteilte  cyprische  M.,  Brugman,  Litauische  M., 
Nr.  29,  wozu  Wollner  in  der  Anm.  auf  zahlreiche  slavische 
Parallelen  verweist,  und  das  von  A.  Socin  in  der  Zeitschrift 
der  Deutschen  Morgenländischen  Gesellschaft  36,  29  im 
arabischen  Original  und  in  Uebersetznng  mitgeteilte  M.  aus 
Märdin. 


28.  Ungarische  und  walaehisehe  Märehen. 

(Zeitschrift  für  deutsche  Mythologie  2,   113—114.     1855.) 

Bd.  1,  S.  370  dieser  Zeitschrift  ist  die  ungarische  Mär- 
chensammlung von  Stier  in  mit  Reclit  anerkennender  Weise 
kurz  besprochen.  Uns  ist  nur  aufgefallen,  dass  Herr  Stier, 
der  in  den  Anmerkungen  verwandte  deutsche  Märclien  lier- 
beizieht,  nicht  darauf  verfallen  ist,  die  Märchen  der  benach- 
barten Walachen  anzusehen.  Wir  Iial)eii  dies  getlian  und 
folgendes  gefunden. 

Das  Märchen  Nr.  1  bei  Stier  ,die  drei  Königskinder' 
ist  in  mehreren  Zügen  mit  dem  walachischen  ,Petru  FiritschelP, 
Nr.  10  bei  Schott,  dasselbe.  Die  verbündeten  treuen  Tiere 
(Fuchs,  Wolf,  Bär),  die  Tötung  des  vielköpfigen  Drachen,  die 
Ermordung  des  Drachentöters  im  Schlafe  —  im  walachischen 
durch  einen  Zigeuner,  im  ungarisclien  durch  den  roten  Ritter  — , 
und  die  Wiederbelebung  mit  Hilfe  der  treuen  Tiere  kommen 
in    beiden    Märchen  vor.     Wenn    sich    der    Drachentöter    im 


28.    UngarisL'lie   iiiid   walachisclie   ^lärclicii.  899 

uugarisclieii  Märclieu  durch  die  tleii  Draclu'ii  aiisgehroclu'ueii 
Zälme  legitimiert,  so  tliut  er  dies  im  walachisclieii  diiruh  die 
ausgescimittene  Zunge,  gerade  wie  Peleiis  in  der  griechischen 
Sage  (Apollodor  3,  813)  und  Tristan  (Gottfried  von  Strass- 
burg  Tr.  \).  '2'2S ,  "JH  und  2&2 ,  39  ed.  Massmann).  Im  wa- 
lacliischenlMärchen  hat  derDraclie  zwölf  Köpfe,  imun-jgarischen  lu 
Märchen  sieben,  welche  Zahl  die  Ungarn  besonders  zu  lieben 
scheinen. 

Das  uiigarisclie  Märchen  ,der  Traum'  (Nr.  2  bei  Stier) 
entspricht  im  wesentlichen  dem  walachischen  .der  weisse  und 
der  rote  Kaiser'  (Nr.  9  bei  Schott),  ebenso  das  ungarische 
Märchen  (Nr.  1"2)  ,des  Bettlers  G  eschenk'  dem  walachischen 
(Nr.  20)  .die  drei  Wundergaben'.  Die  drei  Pomeranzen 
(Nr.  13  bei  Stier)  haben  gemeinsame  Elemente  mit  dem 
walachischen  Märchen  (Nr.  25)  ,die  Ungeborne,  Ungesehene', 
nämlich  die  wunderliare  Braut,  ihre  Beziehung  zu  Apfel  und 
Quelh\  <lie  Zigeunerin,  die  Verwandhuig  der  Braut,  das  end- 
liche (ilück.  In  Bezug  auf  die  am  Schlüsse  des  ungarischen 
Märchens  vorkommenden  Metamori)hosen  ist  ein  anderes  wa- 
lachisches  .Märchen  (Nr.  S)  ,die  goldenen  Kinder'  zu  ver- 
gleichen. 

Der  ungarische  J^isenlaci  (Nr.  15)  ist.  insofern  er  seine 
in  der  (iewalt  von  Drachen  befimllichen  Schwestern  rettet, 
dem  walachischen  AVundersohne  der  Kaiserin  (Nr.  1)  älinlich. 
Das  ungarische  kleine  Zauberpferd  endlich  (Nr.  3)  erinnert 
an  ein  ähnliches  Pferd  im  walachischen  Märchen  Juliana 
Kosseschana  (Nr.  IT). 

Gewiss  werden  auch  die  hoffentlich  bald  erscheinenden 
Märchen  aus  der  Bukowimi  vielfache  Analogieen  mit  den 
walalachischen  und  ungarischen  bieteii.  So  erinnert  der  in 
dieser  Zeitsclirift  1,  44  vorkommende  heilige  Sonntag,  in 
einem  romanischen  Märchen  aus  der  Bukowina,  an  die  hei- 
ligen Mütter  Mittwoch,  Freitag  und  Sonntag  in  Schotts  Samm- 
lung (S.  299  und  341). 


4()()  Zur  MiirchenfoiisL'luing. 

29.   Contes  des  paysans  et  des  patres  slaves. 

Traduits    cii    tVaiu/ais   et   ra|)i)i'()clie.s    de    leur    source    iudieniie 

})ar    AlexaiKlrc   ClHidzkd,    Charge    du    cdiirs    de    laiii;ue    et 

litterature    slave   au  College    de  Franee.     Paris.    L.    llacliette 

et  Comp.   1S64.  IV   u.  4l,X)  S.  in  Octav. 

(Gröttinger  gelelirte   Anzeigen   ISHH,  1112—1120.) 

1112  Vorstehendes  Buch    scheint   l)isher   in   Deutschland    ganz 

unbekannt  geblieben  zu  sein,  und  zwar  ganz  unverdienter 
Weise,  weshalb  gegenwärtige  Anzeige  desselben  noch  nicht 
zu  spät  kommen  wird.  Der  allgemein  gehaltene  Titel  „Märcben 
slavischer  Bauern  und  Hirten"  kTtujite  zu  der  Aniuihme 
verleiten,  als  enthalte  es  Märchen  aller  oder  doch  der  meisten  | 

ili.s  slavischen  Vrdker:  de  mist  al)er  nicht  so.  Es  enthält  vielmehr 
nur  (drei)  czechische,  (acht)  shtwakische  und  (zehn) 
polnische  Märchen.  Die  czechischeu,  S.  ."il  le  soleil  ou  les 
trois  cheveux  ddr  du  vieillard  \'sevede,  S.  77  la  vierge  aux 
cheveux  ddr  und  S.  -JS.")  1  ojseau  du  tVu.  siud  uach  Auf- 
zeichnungen Karl  daromir  lu'bens  (Mai.  Prag  IS.3S,  1S,')9, 
1860)  übersetzt  und  waren  uns  Deuts('hen  schon  durch  die 
Uebersetzung  in  Alfred  Waldaus  Brdimischem  Märchenl)uch, 
Prag  18(50,  S.  587,  13  u.  131,  bekannt.  Die  s]owakis(dien 
Märchen  sind  aus  der  Sainuilnng  übersetzt,  welche  eine  Dame 
Bozeiia  Nemec  (mit  weililicher  Endung:  Nemcova)  unter  dem 
Titel  Slovenske  Poliadki  a  Povesti  (Slow.  Mär(dien  und  Er- 
zählungen) 18.')8  zu  Prag  herausgegeben  hat.  Bereits  Jos(^f 
Wenzig  in  seinem  westslavischen  Märcdienschatz  Leipzig  1857, 
und  A.  Waldau  a.  a.  O.  Iiaben  mehrere  Märchen  nach  den 
Originalen  dieser  Dame  ül)ersetzt;  Chodzko  hat  aber  l)is  auf 
zwei,  S.  15  les  douze  inois  und  S.  :>  )  le  reve,  welche  auch 
von  Wenzig  S.  20  u.  S.  10  übei'setzt  sind,  grade  nur  solche 
übersetzt,  wehdu^  uns  liisher  in  keiner  deutschen  Uebersetzung 
l)ekauut  waren.  Die  polnisclien  Märcheu  eudli(di,  sind  der 
Sammlung  entnommen,  welche  Glinski  unter  dem  Titel 
,Baiarz  Polski'  1858  zu  Wilna  herausgegeben  liat.  d'apres  le 
recit    oral    ih's    villageois    rutheues    du    district    lituani(Mi    (h' 


29.    Cliodzku,  Contes  des  paysans  et  des  ])ätres  slaves.  401 

N(iV(»i;r(»(lek.  i)ays  iiiital  de  Mickiewicz.  (»u  le  graud  |toete 
aimait  ä  piiiser  ses  premieres  inspirations."  Hr.  Cli.  scheint 
der  erste  zu  sein,  der  Märehen  dieser  Samnilung  in  eine 
iiiclit  slaviselie  Sprache  ül)ersetzt  hat.  Ref.  wenigstens  erinnert 
sicli  niciit,  bisher  etwas  über  dieselbe  oder  ans  ihr  gehört 
oder  gelesen  zu  haben.  Nach  dem  Citat  S.  103  muss  die 
(ilinskische  Sammlung  wenigstens  4  |  Bände  umfassen,  und  nu 
somit  kann  nur  ein  sehr  kleiner  Teil  derselben  übersetzt  sein. 

Zu  bedauern  ist,  dass  Hr.  Ch.  diesen  übersetzten  Märchen 
niclit  auch  noch  Märchen  anderer  slavischer  Völker,  namentlich 
der  Serben  und  der  Russen,  beigefügt  iuit.  Bekanntlich  hat 
Wuk  Stephanowitsch  Karadschitsch  sehr  schöne  serbische 
Volksmärchen  gesammelt,  die  uns  Deutschen  durch  die  Ueber- 
setzung  seiner  Tochter  Wilhelmine  zugänglich  gemacht  worden 
sind,  und  in  Russland  sind  —  abgesehen  von  früheren  durch 
A.  Dietrich  und  J.  N.  Vogl  verdeutschten  Aufzeichnungen  — 
in  neuerer  Zeit  durch  Afanasjew  und  Cliudjakow  reiche 
Schätze  gehoben,  wovon  bisher  leider  nur  einiges  wenige 
von  A.  Schiefner  in  Benfey's  Ur.  u.  Ucc.  11,  174,  Ö^JJ,  111,  1)3 
und  von  Gustave  Chavannes  in  seinem  sehr  lesenswerten 
Aufsatze  .Die  russischen  Volksmärchen'  in  dem  Sammelwerk 
,Die  Wissenschaften  im  19.  Jahrhundert-,  Bd.  9,  S.  <S9— 132 
übersetzt  ist.  Hr.  Cli.  spricht  auffallenderweise  S.  37.3  in 
seinem  .Epilogue'  nur  von  den  Heldenliedern,  nicht  von  den 
Prosamärchen  der  Serben. 

Ueber  das  Verhältnis  der  Uebersetzung  zu  den  Originalen 
kann  Ref.,  dem  die  letzteren  verschlossen  sind,  nicht  urteilen. 
Aus  der  Uebereinstimmung  aber  mit  der  deutschen  uebersetzung 
der  auch  von  Wenzig  (»der  Waldau  übersetzten  Märchen 
ergiebt  sich,  dass  diese  treu  übersetzt  sein  müssen,  und  auch 
die  übrigen  machen  ganz  den  Eindruck,  als  seien  sie  treu 
übersetzt. 

Herr  Ch.  hat  aber  die  Märchen  nicht  bloss  übersetzt, 
sondern  auch  wie  der  Titel  sagt,  ,rapproches  de  leur  source 
indienne'.  Diese  Quelle  ist  die  indische  Mythologie,  aus 
welcher  der  Vf.  in  zahlreichen  Noten  mit  Belegen  aus  den 
französischen  üebersetzungen  desRig-Veda.  Ramayana,  Maha- 

R.  Kühler,  Kl.  Schriften  I.  26 


402  '^ii'"  ^lärclifiifoiscluiiis;'. 

hliarata.  Bagli;ivat-Puniiia  (von  Laiiglois.  Fauche,  Foucaux. 
Pavie,  Buniouf)  viele  Namen,  Gestalten,  Züge  uiul  Anschauungen 
der  Märchen  herleitet.  Wir  wollen  und  können  nicht  in  das 
Einzelne  eingehen  und  bemerken  nur,  dass  der  \i.,  dem 
Benfey's  Untersuchungen  unbekannt  sind,  gleich  sn  numcheii 
aiulern  l\l;"irclie]it"(»rschern  nur  zu  geneigt  ist,  in  aUen  Märchen 
entstellte    Urinythen   zu   sehen. 

Auf  die  so  anziehende  und  für  die  Krforscliung  des 
Ursprungs  (K'r  \'(flks-Mäi'chen  nnerlässliche  Vergleichung  der 
Märchen  anderer  Nationen  hat  sich  der  Vf.  nicht  eingelassen. 
Nur  zwei  oder  dreinuil  erinnert  er  an  shivische  Varianten, 
und  S.  51  vergleicht  er  ein  Grimmsches  Märcihen,  dessen 
Uebereinstimmung  er  sicli  dadurch  erklärt,  (hiss  W.  Grimm 
eine  grosse  Zahl  vini  Märchen  in  Erdmaiiusdorf  in  Schlesien 
—  also  auf  ursj)rüuglicli  slavischem  G(d)iet  —  gesamundt 
habe,  was  jedoch  ein  ai'gei-  Irrtum  ist.  W.  (irimni  hat  keine 
Märchen  in  Erdmannsdorf  gesamnudt,  sondern  nur  das  kurze 
Vorwort  zur  (>.  Aufl.  der  Märchen  dort  geschrieben,  nml 
spezitdl  das  von  Iln.  Cli.  M'iglichene  Märchen,  welches  bereits 
in   der    I.   Ausg.   staml.   ist  aus   Hessen. 

M(ige  es  mir  gestattet  sein,  auf  den  folgenden  Seiten 
zu  den  einzelnen  Märchen  die  mir  bekannten  verwandten 
Märchen  kuiz  nachzuweisen.  Ich  beginne  mit  den  czechischen 
IMärchen.  Mit  dem  .von  den  drei  (nddhaaren  (\i'i<  A'seved' 
(S.  Hl)  vgl.  UKiii  das.  wie  oben  bemerkt,  auch  von  Chodzko 
angeführte  Grimmsche  Märchen  Nr.  "ii),  zu  welchem  W.  (irimm 
in  den  Anniei-kungen  viele,  aber  m»cli  nicht  alle  Varianten 
luichgewiesen  hat.  [Unten  zu  riagic  no.  ;')(!]  —  Zu  dem  .von 
derdungfrau  mit  den  G  oldhaaren'  (S.  77)  sind  zu  ver- 
lud gleichen  das  jüdische  Märchen  bei  Grimm  KHM.  3,  111, 
Pr(ihle  Märchen  für  die  ringend  Nr.  18,  (irimm  Nr.  17  und 
V.  Hahn  Griechische  nml  albauesische  Märchen  Nr.  H7.  —  Zu 
dem  .vom  lMMiei'vo<;el-  (S.  '285),  welches  nach  S.  2<S(i  sich 
hei  allen  Slaven  Hndet,  vgl.  (irimm  Nr.  57  und  meine  ße- 
nu'rkungeu  im  ( h-.  u.  Orr.  2,  ()8(5  zu  Campbells  gacdischen 
Märchen   Nr.   4(!   [oben   S.   2(')5]. 

Von  {\en  slovakischen  Märchen  ist  .Conversations  avec 


2!).    t'liodzko,  Contes  des^  paysaus  et  des  ])atres  slaves.  403 

les  tlieiix  oii  iiii  voyage  (laus  le  suleil  et  daus  la  lime*  (S.  95) 
mir  i'iue  Variante  des  czechischen  Märchens  von  den  drei 
(loldliaareu  des  Vseved,  und  eine  andre,  aber  fast  ganz 
gleic'lie  slowakische  Aufzeichnimg  von  Dexuer  ist  von  Wenzig 
S.  36  übersetzt.  —  Zu  dem  Märchen  des  douze  mois'  (S.  15) 
vgl.  (irinini  Nr.  13.  —  .La  veillee  ou  riiomme  large,  Thonime 
long  et  rhomme  aux  yenx  de  braise'  (S.  177)  findet  sich 
aiudi  czechis(di  bei  Erben  und  übersetzt  bei  Wenzig  S.  130 
und  bei  Waldau  S.  325,  und  man  vgl.  über  dieses  Märchen 
Benfey  im  Ausland  1<S5<S,  S.  1020  tt".  1038  tf.,  10(i7  ff.,  zu 
dessen  Nachweisen  man  noch  Curtze  Volksüberlieferungen 
aus  Waldeck  S.  75  und  Kuhn  Wästfälische  Sagen  etc.  II,  23*.) 
hinzufüge.  —  'Kinkach  .Martinko'  (S.  340)  ist  eine  hübsche 
Variante  zu  Grimm  Nr.  55.  —  Das  Märchen  ,Le  temps  et 
les  rois  des  elements'  (S.  8)  erinnert,  insofern  der  Held 
seine  ihm  geraubte  Frau  unter  hundert  ihr  ganz  gleichen 
Frauen  heraus  erkennen  muss,  an  ein  anderes  slowakisches, 
von  Ch.  nicht  übersetztes  .Alärchen  bei  Waldau  S.  248  (s. 
besonders  S.  265)  und  an  Vernalekeji  österreichische  Kinder- 
und  Hausmärchen  Xr.  4!).  Die  Aufgabe  eine  bestimmte 
Jungfrau  unter  mehreren  ganz  ähnlichen  heraus- 
zuerkenne u  begegnet  übrigens  auch  in  dem  erwähnten 
böhmischen  Märchen  von  der  Jungfrau  mit  den  (ioldhaa-|ren  1117 
(Ch.  S.  i)0)  und  in  den  Parallelen  bei  Pröhle  und  v.  Hahn, 
ferner  bei  Ch.  S.  300,  Straparola  V,  1,  (irimm  KHM  Nr.  62, 
Schönwerth,  Aus  der  Oberpfalz  2.  223  [Kuhn.  Westf.  Sg.  2, 
249]  und  schon  in  einem  Märchen  Sonnidevas,  s.  Or.  u.  Occ. 
2.  113  [oben  173].  —  Zu  den  übrigen  slowakischen  Märchen 
S.  1  de  roi  du  temps',  S.  53  'le  reve"  und  S.  62  ,renfaut 
perdu"  weiss  ich   keine   Parallelen  anzuführen. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  den  polnischen  Märchen.  Das 
scdiöne  Märchen  oder  die  schöne  Legende  (S.  103)  von  dem 
Räuber  Maday  war  schon  in  zwei  polnischen  Varianten 
bekannt,  bei  K.  W.  AVoycicki  Polnische  Volkssagen  und 
Märchen  (Aus  dem  Polnischen  von  F.  H.  Lewestam,  Berlin 
1839)  S.  74  und  bei  Haupt  und  Schmaler  Volkslieder  der 
Wenden  2,  315,  aber  die  (TÜnskische  Fassung  ist  die  schönste 

26* 


404  2ur  Märchenforscliung. 

imd  reichste.  Dieselbe  Legende  wird  mit  meiir  oder  weniger 
Abweichungen  auch  bei  den  Wenden  in  der  Lausitz,  in  Li- 
tauen, in  der  Walachei,  in  Siebenbürgen,  in  Dänemark  und 
mehrfach  in  Deutschland  erzählt,  wie  ich  gelegentlich  anderswo 
nachweisen  werde.  —  [Bartsch,  Schles.  Provinzialbl.  n.  F.  4, 
26  no.  4  (1865).  Karlowicz,  Wisla  2,  804.  3,  102,  300,  602 
(1888—89).  Archiv  f.  slav.  Phil.  12,  497.  Brugman  no.  45. 
Naake,  Slavonic  fairy  tales  p.  220.  Notes  &  Queries  6.  Ser.  10, 
63  (Kriza  18:  , Stephen  the  murderer').  Folk-lore  Journal 
2,  34.  Skattegraveren  4,  103  (Cypri  bisp).  Jahn,  Vra.  aus 
Pommern  1,  no.  61.  Peters,  Aus  Lothringen  S.  167.  Toppen 
S.  123  Anm.  Schulenburg,  Wend.  Vs.  S.  60  (Barabas);  Wend. 
Volkstum  S.  13.  Baader  S.  301  =  Simrock,  g.  Gerhard 
S.  38.  Schambach-Müller  S.  320  no.  63  (Barrabas).  Schön- 
werth  3,  35.  Meier  no.  16  (Matthes).  Birlinger  1,  344. 
Sepp,  Altbayr.  Sagenschatz  S.  592.  Elsäss.  Neujahrsbl.  1846. 
230.  Pogatschnigg,  Cariuthia  1865,  402.  Schleicher  S.  75. 
Haltrich  S.  167  no.  28.  Schott  no.  15.  F.  Müller,  Rom- 
sprache 1,  172  üo.  3.  Ralston  p.  376.  Diederichs,  Russ. 
Revue  17,  139.  Grundtvig  2,  49  (Midians  Bett).  Luzel,  5. 
rapport  p.  37.  Grimm,  Irische  Elfenm.  S.  XXXV.]  —  ,L'hi- 
stoire  du  prince  Stugobyl  et  du  Chevalier  invisible"  (S.  193) 
ist  mit  geringer  Abweichung  dasselbe  Märchen  wie  das  rus- 
sische vom  starken  Bulat  bei  Dietri(^h  Russische  Volksm. 
Nr.  10  und  bei  Vogl  Die  ältesten  Volksm.  der  Russen  S.  55; 
abweichender  ist  das  griechische  Märchen  Nr.  37  bei  v.  Hahn, 
in  welches  zugleich  dns  oben  erwähnte  Märchen  von  der 
Jungfrau  mit  den  Goldhaaren  verwebt  ist.  —  Zu  dem  Manchen 
,resprit  des  stepp  es'  (S.  205),  welcher  Titel  sich  übrigens 
nur  auf  den  unwesentlichen  Eingang  bezieht,  vgl.  man  das 
russische  Märchen  bei  Dietrich  No.  2  und  Vogl  S.  1,  wo 
ebenfalls  das  Wunderpferd,  die  alte  Hexe  und  der  Zauberer 
Katschei  (Kostschei),  dessen  Leben  an  ein  in  mehreren  in 
1118  einander  geschachtelten  Gegen-|ständen  steckendes  Ei  auf  einer 
fernen  Insel  geknüpft  ist.  Zu  letzterem  Punkt  vgl.  meine  Be- 
merkungen im  Gr.  u.  Occid.  2,  101  [oben  S.  159].  Die  alte  |;ute 
Hexe   Schaga  in   ihrer  Hütte,    ,posee    sur  une  patte  de  coq. 


29.    Chodzko,  Contes  des  paysans  et  des  patres  slaves.  405 

comme  .sur  uu  pivüt  tournaiit%  kommt  auch  iu  dem  später 
zu  erwähuenden  Märchen  vom  Prinzen  mit  der  goldenen 
Hand  vor  und  in  einem  von  Chavannes  a.  a.  0.  S.  HO  mit- 
getheilten  russischen  Märchen.  —  ,L'imperissable-  (S.  249) 
ist  trotz  verscliiedenem  Eingang  und  vielen  Abweichungen 
im  Einzelnen  doch  wesentlich  dasselbe  wie  ein  böhmisches 
Märchen  bei  Waldau  S.  'MS  (nach  Kosjin  z  Radostowa). 
Auch  Campbeils  gaelisches  Märchen  Nr.  17,  welches  ich  im 
Or.  u.  Occ.  "2, 300  [oben  19')]  besprochen  habe,  ist  eine  freilich  noch 
stärker  abweichende  Darstellung  desselben  Stoffs.  Wenn  in 
den  polnischen  Märchen  der  Held  und  seine  Brüder  von 
ihrer  (ieburt  jede  Stunde  um  sechs  Wochen  wachsen,  so  dass 
sie  iiacli  zwei  Jahren  erwachsen  sind,  so  findet  sich  ein 
solches  schnelles  Wachsen  nach  Stunden  öfter  in  den 
russischen  Märchen,  s.  Dietrich  S.  1,  70,^115,  144.  [Rh.  Mus. 
1875,  219].  Auch  die  Schilderung  der  in  diesem  Märchen 
als  böses  Wesen  auftretenden  alten  Schaga  findet  sich  rus- 
sisch, s.  Chavannes  a.  a.  0.  S.  96  f.  und  111  ff.  und  v. 
Busse  Fürst  Wladimir  und  dessen  Tafelrunde  S.  109.  — 
,Le  pleur  des  perles'  (S.  315)  ist  eine  sehr  schöne  Variante 
zu  (irimm  Nr.  135,  —  Mit  dem  Märchen  ,1a  paresse,  (S.  331) 
stimmt  bis  auf  unbedeutende  Kleinigkeiten  genau  überein 
das  russische  Märchen  Nr.  13  bei  Dietrich,  und  mit  ihnen 
vgl.  mau  Basiles  Pentamerone  1,  3,  (irundtvig  Gamle  dauske 
Minder  i  Folkemunde,  ny  Sämling,  S.  308,  v.  Hahn  Nr.  8 
und  das  Oldenwälder  Märchen  in  Wolfs  Ztschr.  f.  deutsche 
Mythol.  1,  3<s.  Das  polnische  und  das  russische  Märchen 
sind  I  in  sofern  entstellt,  als,  während  in  den  übrigen  der  ill& 
Dümmling  wünscht,  dass  die  Prinzessin,  die  ihn  ausgelacht 
hat,  ein  Kind  bekommen  möge,  in  diesen  beiden  gar  nichts 
vom  Lachen  der  Prinzessin  vorkömmt  und  der  Dümmling 
wünscht,  dass  die  Prinzessin  sich  in  ihn  verlieben  inöge, 
wozu  der  weitere  Verlauf  nicht  recht  passt.  —  'La  nappe 
nourriciere,  la  verge  fouetteuse,  la  ceinture  qui  devient  l'eau 
et  le  chapeau  fulminant"  (S.  349)  gehört  zu  Grimm  No.  54. 
Ein  eigentümlich  schöner  Zug  des  polnischen  Märchens  ist 
der.   (hiss   der   Dümmling   mit    einem   Baumstumpf    im  AVald 


406  Z^ii'  Märclienforschung. 

inniges  Mitleiden  hat  und  ihm,  da  alle  andern  Bäume  Mützen 
von  grünen  Laub  haben,  .seine  eigene  Mütze  aufsetzt  und 
schenkt,  wofür  eine  alte  Eiche,  deren  Sohn  jener  Baum  ist, 
ihm  dann  das  Tischtuch  schenkt.  Schön  ist  auch,  dass  aus 
den  Blutstropfen  des  unter  dem  Fenster  der  Prinzessin 
getödteten  Helden  ein  Apfelbaum  rasch  emporwächst,  von 
welchem  ein  Apfel  in  das  Zimmer  der  Prinzessin  fällt  und, 
von  ihren  Tliränen  benetzt,  wieder  zum  Menschen  wird.  — 
Verwandt  mit  diesem  Märchen  und  zum  Teil  mit  dem  von 
Fortunats  Söhnen  und  ähnlichen  (vergl.  meine  Nachweise  im 
Orient  und  Occidenti'.  12.3  [oben  1S(5])  ist  S.  148  de  tapis  volant, 
le  bonnet  invisible,  la  bagne  aurifere  et  le  baton  assommeur'. 
Drei  der  AVunschdinge  gewiimt  der  Held  durch  List,  indem 
drei  Teufel  sich  um  dieselben  streiten  und  ihn  auffordern 
die  Teilung  für  sie  vorzunehmen,  —  ein  vielfach  vorkom- 
mender Zug,  über  welchen  man  meine  Nachweise  zu  dem 
loten  Volksmärchen  ans  Venetien  im  7ten  Bande  des  Jahr- 
buchs für  romanische  Literatur  [oben  S.  308]  vergleiclie.  — 
1120  Zu  den  l»eiden  Märchen  |  ,Le  nain'  (S.  125)  und  Te  prince 
de  la  main  d'or'  (S.  225)  als  ganzen  weiss  ich  keine  Par- 
allelen: im  einzelnen  bestehen  sie  grossenteils  ans  geläufigen 
Märchenmotiven.  In  dem  erstgenannten  Märchen  kommt  der 
eigentümliche  Zug  vor.  (hiss  der  Held,  um  einen  Hasen  aus 
den  Klauen  einer  grossen  Eule  zu  befreien,  einen  Toten- 
schädel, der  im  Weg  liegt,  ergreift  und  damit  die  Eule  tot 
wirft,  worauf  der  Schädel  zu  sprechen  anfängt  und  ihm 
erzählt,  dass  er  einem  Selbstmörder  gehört  habe  und  von 
Gott  verurteilt  sei,  so  lauge  im  Kot  herumzurollen,  bis  er 
einem  Geschöpf  Gottes  das  Leben  gerettet  habe,  was  nun 
nach  777  Jahren  geschehen  sei.  Wenn  in  demselben  Märchen 
der  Prinz  durch  die  Ohren  des  Wunderpferdes  kriecht  und 
dadurch  übermenschliche  Stärke  gewinnt,  die  er  später  nach 
wiederholtem,  aber  umgekehrtem  Durchkriechen  wieder  ver- 
liert, so  ist  zu  bemerken,  dass  derartiges  wunderbares  Durch- 
kriechen durch  die  Ohren  der  Zauberpferde  in  den  rus- 
sischen Märchen  häufig  ist.  s.  Dietrich  S.  47  und  185  und 
Chavannes  S.  102.  105  fi"..    115.   [Brugnnin  S.  858.  Kaiston  25S. 


29.    Chudzko,  C'untes  des  paysaiis  et  des   patres  slavcs.  407 

Gliuski  1.  44.  47  Slj.  Es  scliciut  dies  eiu  den  poliiisclieii  und 
russischen  3Iiu'elien  ganz  eigener  Zug.  Der  Riesenkcipf  unseres 
^[ärchens  endlicli.  vor  welchem  ein  gewisses  Schwert  liegt, 
kommt  ebenfalls  in  einem  russischen  Märchen  bei  Dietrich 
S.  236  und  Vogl  S.  -247  vor.  —  Zu  dem  noch  übrigen  Märchen 
vom  Prinzen  mit  der  (loldhand  nur  zwei  Bemerkungen.  Das 
wunderbare  Knäuel,  das.  wenn  man  es  hinwirft,  einem 
den  ^Yeg  weist,  begegnet  nns  auch  bei  Grimm  Nr.  49.  Wenzig 
S.  107.  Busse  S.  115,  Dietrieh  S.  :y2  und  in  1001  Nacht,  s. 
Benfey  Pantschat.  I.  4SS.  [Grundtvig  no.  16  S.  204.  Kamp, 
DF.  p.  299.  Maurer  S.  99.  277.  813.  Poestiou  S.  146,  251. 
Nord  und  Süd  no.  17.  Krauss  1.  no.  82  (Apfel).  Folk-lore 
Journal  1,  316.  Folk-lore  Kecord  2,  186  (Kugel).  Sebillot 
1.  185  (Kugel).  Ortoli  p.  184,  311.  Prato  p.  36.  De  Niuo 
no.  13  p.  73.  Spitta  p.  17.  19.  130  (Kugel).  Knoop  no.  15 
(Kngel).  Peters  .  aus  Lothringen  S.  182  (Kugel).]  Das 
Märchen  schliesst,  ebenso  wie  das  oben  besprochene  .le  tapis 
volanf,  damit,  dass  der  Held,  um  die  Hand  der  (ieliebten 
zu  erhalten,  sechs  von  ihr  gegebene  Rätsel  lösen  muss. 
Die  zw("ilf  Rätsel  der  Ixdden  Märchen  sind  übrigens  einfache 
Volksrätsel,  wie  sie   überall  vorkommen. 

AVir  schliessen  unsere  Anzeige  mit  aufrichtigem  Dank 
für  die  allen  Freunden  der  Märchenlitteratur.  welche  der 
slavischen  Sprachen  nicht  mächtig  sind,  gewiss  loKliwillkom- 
mene  Gabe  des  Herrn  Chodzko. 


30.  Anmerkungeil  zu  V.  Jagic, 
Aus  dem  südslavischen  Märchenschatz, 

(Archiv  für   slavische   Philologie   1,    267—289:    nu.   1  —  15;  2,   614—641: 
no.  16—35-,  5,  17—79:  no.  36—58.  —   1876—1880.) 

1.  Ein  Prinz  niid  ein  Araber  (=  Neger). 

(a.    Yqjinuric,    Serbische   Volksmärchen.     1869.     Xr.  1.  —   I).    Stefanovic, 
Serbische  Volksmärchen.    1821.    Nr.  7.) 

Viil.  Hahn,  griechische  Märchen  Nr.  87  und  yeot/jjjny.a  272 
ärdhy.Ta  1.  40.  \r.  l'>.      In    beiden  serbischen    und  dem  2,rie- 


40^  Zur  Märehenforjohung^. 

ohisrhen  M.  sind  zwei  auch  gesondert  vorkommende  Märrhen 
vereint,  s.  meinen  Aufsatz  in  der  Germania  11,  387  ff.,  beson- 
ders S.  308 — 4iK>.  nnd  meine  Bemerkung  zu  Gonzeubach. 
sirilianische  M.,  Nr.  83.  II.  [>Iijatovies  ]>.  189.  Bulgarisch  im 
.\n  hiv  ö,  79.     Oben  S.  394  zu  Meyer  Nr.  13.] 

Wenn  in  dem  zweiten  serbischen  Manchen  ein  Mäd- 
i'hen  nur  den  heiraten  will,  der  sieh  so  versteckt,  dass 
sie  ihn  nicht  finden  kann,  so  vgl.  man  die  von  mir  in 
A.  S<*hiefners  awarischen  Texten.  S.  IT  (m  Nr.  1^  msammen- 
gestellten  Märchen.  [Im  Charakter  des  bei  Hahn  gr.  M. 
Nr.  18  mitgeteilten  M.  w^ird  vom  Coso  (=  der  Bartlose. 
o  aTar6g\  erzählt  in  einem.  Vila  18t>7.  Nr.  14.  p.  717.  mit- 
getheilten  M.,  w^elches  später  bespr»»chen  werden  wird.] 

*2.   Der  Igel  und  der  Fuchs  oder  der  falsche  Schwur. 

(iVo>jiDOTii5  Nr.  2.» 

2TS  Vgl.  die  Fabel  ..Der  Fuchs  und  der  Igel-  Nr.  13  in  der 

Sammlung  von  Plohl-Herdvigov  (Varasdin  18H8V  wo  siih 
der  Fuchs  rühmt.  7 7 fachen  Verstand  zu  besitzen,  während 
der  Igel  nur  3fachen  hat.  Und  diH'h  als  sie  in  eine  Wolfs- 
grube hineinfielen,  wusste  eher  der  Igel  Rat  zu  geben.  Er 
meinte,  zuerst  solle  der  Fuchs  ihn  beim  Ohr  packen  und 
hinauswerfen,  dann  werde  er  ienen  beim  Sk-hweif  henuit- 
ziehen.  Der  Fuchs  folgte  den  Rat  und  warf  den  Igel 
hinaus,  dieser  jedoch  lachte  jenen  aus.  dass  er  sich  mit 
77  fächern  Verstände  hatte  betrügen  lassen.  Inzwischen  kam 
der  Bauer  und  nahm  den  Fuchs  gefengen.  [Krauss  1.  Nr.  13. 
Inten  zu  Schiefner  Nr.  7.] 

Das  Schworen  beim  Eisen  i eiserner  Falle"»  kehrt  in 
einer  anderen  Fabel  der  Plohlschen  Sammlung  Nr.  14  wieder, 
welche  zu  Nr.  13  [unten  4"*3  Nr. "28]  des  Anhanges  der  Wuksihen 
Sammlung  mitgeteilt  werden  wird.  Ferner  in  der  Tierfabel 
ans  Bosnien,  welche  Neusatzer  Danica  18l>8  p.  5t.X>  erschienen 
ist.  wo  Fuehs,  Wolf  und  Bär  in  Gesellschaft  Wintervorräte 
sammeln:  als  zur  Teilung  der  Beute  geschritten  ward,  fand 
mau  das  meiste  aufgezehrt.  Mau  beschuldigt  den  Fuchs. 
doeh  er  beschwort  seine  rnschuld  beim  Eisen.    Seinem  Bei- 


lin.     A  Miiirrl\  uii^c'ii    /.\i    \'.   .lauii-    Nr.    I       I!. 


40}) 


spiclr  will  (Irr  l>;ii-  l'(ili;cii.  er  li:iiit  ;iImi-  mit  der  T;it/o  S(» 
lict'tii;  aufs  l-liscii.  dass  rr  ucraimcii  wird.  [Kraiiss  I.  Nr.  '21.  'J, 
Nr.  •_'.'►.  (Iiiiiiin.  K'.'iiiliait  l-'ncli-  >.  lAWI.  ('('\.  \'(diit.  Vscii- 
Urimiis   S.    lAWIII    und   .".trj.l 


:{.    Dil'  tiM'ulos«'  Mutler. 

(  \'  iiiiiuiN  ir    N  r    :!. ) 

hics  M.  i<\  t'iiic  iiiaiii^idliat'lt'  iiliciliidr itc  l'"a,v.^iiiiL;  i'iiics  214 
writvi'ri)rcitctrii  M..  wtddh's  man  das  M.  \(in  dem  (iliicks- 
\nH('|  ncnni'n  kann,  \  ul.  das  M.  \(ini  Nduid  llctticni^  in 
dem  liii'kisilii'n  Tut  i-Nanndi.  üImts.  \(m  Iniscn.  Lcip/i;;  IS,')?. 
II.  "-".Mir..  da>  M.  ..Lidsc;in  jauni'-  do  (iratcn  (  ay  Ins  ( < 'aliiiict 
des  l'\'es.  '24.  i'dTlV.  <>rnvri's   hadincs  s.   ."{.'{(I.   \<^\,   (irimni. 

Kini.  ;!.  ;'.i'7>.  Ilalm.  Ciic.liisrjic  M..  \\-.  :U\.  Wnk.  \u|kMn. 
(Irr  Scrlicn.  Nr.  "Jii.  Ilaltricli.  hriitxin'  \'(dksni.  an.^  dem 
Süclisrnlandi'  in  SichcnWiir^cn.  Nr.  i>.  Mikld.^ii-ji.  .M;ir(  Ikmi  nml 
l/ii'dcr  (Irr  /iucunrr  drr  UnkuwiiKi  (  I  dirr  dii'  Mnndartcn 
lind  W  ai!dr|-iini;('ii  drr  /i^riimr  l'.iirnpas.  I  i.  Nr.  li.  he  (liiitcr- 
iiatis.  /()(dni;ical  M\tlhdii^\.  '.  ."117  1..  "_'.  ."Ml  I'.  I  leider  nur  /u  •JTf) 
kiir/er  .\n>ziii;  ans  .\t'aiia>ie\  s  riissiseliem  M.  .'>.  Nr.  .");i). 
[At'anasjeN  s.  Nr.  •_'('..  ClindjakdV  I.  Nr.  ■_'.'.  und  2i>:  ."..  Nr.  Il!> 
(in  rnss.  M.  \>\  es  hald  eine  l''.iite  mit  i:(ddenein  Va.  hald 
eine  \\  iinderlieiine.  \\(d(die  statt  l'äer  sidlistuliin/.i'iide  Meine 
leiiti].  hietrieh.  Iv'iis>ise|ie  \'.dksiii..  Nr.  ü.  Iva(ll(dl'.  riidieii 
der  \'nlk>litteratnr  der  tiirki>clieii  Stinnme  Süd  -  Sihirieiis.  I. 
177  (f..  (iaal.  .M.  <ler  Mauyaren.  s.  j'.i.MI'..  Waldan.  K.lliniisehes 
Märelienliiieli  .  S.  :i  )ir..  (iriniin.  KIIM,  Nr.  \22  (\ul.  aiidi 
Nr.  (i  I  lind  ilas  I  Iriielist  liek  in  der  \  iiiiierkiniL;  da/.n  i.  I'n'dile. 
M.  fiii-  die  Jimeiid.  Nr.  IS.  /iii-<M-|e.  KIIM.  ans  Siiddentseli- 
laiid.  S.  •_'(;)  11'..  |;n>k.  The  I'idk-h.re  ,d'  Umn.'.  S.  IICIV.  Ln/e| 
liat  das  M.  |l.e  |ietit  niseaii  a  lOenl'  dUrl  aneli  in  der  lli'e- 
taL;ne  ueriindeii.  alier  iimdi  iiiclit  \  er(dreiitli(dit.  Stdullnt  |. 
IUI.  II.  ('(isi|niii  1.  7.'i.  \iseiitini  im.  .".;;.  |)e  Niiin  im.  "_' I . 
inilniani.  (  niiti  |Mniiiul..  deeklin  I.  11'.'.  i,i\  i^stad -Snndheri; 
im.  1 ;;  I  |\(i|i!'  niid  Kliii;(d ).    Spitta  im.  '.'.    Sdcin.  /A'itsclir.  d.  dtseli. 

1 -^^enj.    in's.   .">(;.    •2'.\X.     S(diiet'iier.      Ind.    Kv/..    S.    (uC).      Steel 

and     Teni|de     im.     IC.       I /id/.iiarski     S.    •_'.');!.       Üaissac     im.    (!. 


410  '^ur  Märclienforschung. 

Stumme,  M.  der  Sdiluli  1895  S.  119  no.  15.  Polivka,  Ar- 
chiv f.  slav.  Phil.  19,  26^  no.  16.  Zs.  d.  Y.  f.  österr.  Volksk. 
•2,  222  110.  78.] 

Unser  serbisches  M.  und  das  griechische  stehen  sich  wohl 
unter  allen  am  nächsten  und  würden  wahrscheinlich  noch 
mehr  übereinstimmen,  wenn  das  serbische  besser  ül)erliefert 
wäre. 

Ganz  eigentümlich  ist  unserni  serbischen  M.  der  Zug 
von  dem  Spielen  mit  'den  Aepfeln  und  der  dabei  den  Eltern 
unbemerkt  erwiesenen  Ehrfurcht.  ■ 

4.    Lebt  Marko  Kraljevic  noch? 

(Vojinovic  no.  -t.) 

27.Ö  Zu    dem  Teil    des   M.,    wo    der  Held   sich   in  den  Sarg 

legt,  um  dessen  Mass  zu  probieren,  und  so  gefangen  wird, 
siehe  die  Anmerkung  zu  \r.  9. 

Wenn  dann  im  serbischen  M.  der  Held  den  Schwanz 
eines  Wolfes  durch  ein  Loch  in  den  Sarg  hereinzieht  und 
der    Sarg  so  vom  Wolf    fortgeschle[)pt  wird,    bis   er    emilich 

276'zertrüinmert\vird,  so  vgl.  man  das  Lügen-  märchen  im  35.  Kapitel 
der  „werklichen  Historien  Hans  Clauerts"^)  und  ein  unga- 
risches Lügenmärchen  in  Gaals  ungarischen  Y(dksm.,  übers, 
von  Stier,  Nr.  IS.  In  beiden  M.  wird  einer  von  Räubern  in 
ein  Fass  gesteckt  und  erhascht  durch  das  Spundloch  den 
Schwanz  eines  Wolfes,  der  nun  das  Fass  fortzieht.  In  dem 
ungarischen  M.  zerfällt  endlich  das  Fass,  der  losgelassene 
Wdlf  entHitdit.  und  der  Held  des  M.  ist  frei.  In  dem  deut- 
schen M.  begegnet  der  die  Tonne  tortschleppende  Wolf  einem 
Fuhrmann,  der  erst  den  Wolf  todt  und  dann  die  Tonne  ent- 
zweischlägt, in  einer  Novelle  Francesco  Sacchettis  (Nr.  17) 
[Bülow,  Novellenbuch  8.  531]  hält  ein  junger  Mensch,  der 
sicli  in  ein  Fass  versteckt  hat,  ebenfalls  den  in  das  Spund- 
loch geratenen  Schwanz  eines  Wolfes  fest,  der  Wolf  zieht  das 
Fass  fort,  wird  alter  endlich  von  dem  F<iss  erschlagen.     1  Krem- 


M    Vergl.   üImt  dieses  Volksliiirli  Goeilekes  (Ti-uiidriss  zur  (feseliichte 
■r   (leiitselieii    Dielitiin--    1,   421.      |Neu(lruek   von   Kälise    1882.] 


;{().     A  niiH'ikuiiüiMi   zu  V.  Jagic  Xr.   8 — 5.  411 

iiitz  HO.  1"-'.  Kollaiid.  I*";iiiii<'  pop.  1.  14'-l.  ■\lehis.  1,  IM).  Im- 
hriani.  ('dilti  poui.  p.  i'NT.  (iniiilKirg  S.  80.  Vgl.  aucli 
Kraiissl.no.  42.  Gittee-Lemoiiiep.  1Ö4.  Reuter,  Werke  1.  •JIU.] 
(Das  weitere  Gespräcli  des  (Jreises  (=  Marko  Kraljevic) 
mit  dem  Fremden  gehört  dem  Sagenkreis  von  den  Helden, 
Kaisern  etc.  au.  welche  nicht  gestorben  sind,  sondern  irgendwo 
geheim  uud  versteckt  fortleben.  Vgl.  darüber  zuletzt  die 
Abhaudluug  Pr(d'.  Vesidovskis  im  Journal  des  Min.  der  Volks- 
aufkl.  IST.')  unter  dem  Titel:  Versuche  zur  Kiitwicklungs- 
geschichte  der  cliristl.  Legende  (russisch).  Was  speciell  die 
Sage  vom  Fortleben  des  Kraljevic  Marko  betrifft,  so  vgl. 
darüber  ausser  s.  v.  Marko  Kraljevic  im  Vukschen  Wörter- 
buch (oder  auch  sein  Buch  ,,Zivot  i  obicaji''  p.  "240)  noch 
eine  schöne  Erzählung  aus  Bosnien,  mitgetheilt  in  Danica 
IS(ii).  p.  (;3— G4.) 

5.    Die  Heirat  der  zwölf  Brüder. 

( V(i,'inovic  uo.  b.) 

Einer  Parallele  zu  dem  ganzen  M.  erinnere  ich  mich  nicht,  .j^g 

Zu  dem  Teil  des  M.  wo  die  Zaui)erin  elf  ihrer  Töchter 
statt  der  elf  Jünglinge  tötet,  vgl.  den  Anfang  von  Xr.  9 
und  meine  Anmerkung  dazu. 

AVie  in  nnserm  M.  die  rochter  der  Zauberin,  welche  der 
jüngste  geheirathet  hat,  eine  Feder  von  der  goldenen 
Henne  ihrer  Mutter  mitgenommen  ,  hat,  und  wie  dann  der  979 
Fürst  des  Landes  diese  Feder  sieht  und  von  dem  jüngsten 
verlangt,  dass  er  die  Henne  herbeiscdiaft'e,  so  nimmt  in  dem 
von  Miklosich  mitgetheilten  Zigeuner-Märchen  Nr.  9  Tropsen, 
der  mit  drei  Brüdern  bei  einer  Zauberin  übernachtet  und 
veranstaltet  hat.  dass  sie  ihre  Trichter  anstatt  der  Brüder 
tötet,  eine  Feder  von  einem  Vogel  der  Zauberin  mit  sich 
und  muss  dann  auf  Befehl  seines  Herrn,  der  die  leuchtende 
Feder  sieht,  den  Vogel  holen. 

Weim  im  Anfang  des  M.  Pfähle  mit  Menschenköpfen 
besteckt  vorkommen,  so  vgl.  man  Wnk  Nr.  4.  23.  Haltrich, 
M.  aus  dem  Sachsenlande  in  Siebenbürgen.  Nr.  3S  (=  Grimm, 
KHM  Nr.   191).    Schiefner.    Awarisehe  Texte,    S.  4.    (32.  Ral- 


412  Zur  Märclienforschung. 

stoii,  Riissian  Folk- Tales,  S.  93.  [Schott  Nr.  187,  188. 
Hahn  Mr.  2-2.] 

Auf  einige  andere  Einzelheiten  des  M.  unterlasse  ich  es 
diesmal  näher  einzugehen.  [Zu  dem  kupfernen,  silbernen 
und  goldenen  Rosse,  vgl.  Ausland  1857,  1021)  (rumänisch). 
Kreutzwald  S.  170.  Schreck  S.  139.  —  Dieselben  drei  Metalle 
begegnen  häufig  in  dieser  Folge.  Bäume:  unter  Nr.  43. 
Grundtvig  GdM.  2,  31.  Asbjörnsen-Moe  Nr.  19.  Poestion, 
Lappl.  M.  Nr.  21.  Sebillot,  Contes  1,  no.  3.  Kremnitz  246, 
251,  278.  Wuk  S.  181.  Brücke:  Kremnitz  S.  160.  Rad- 
ioff 4,  398 — 400.  Schlesisches  Volkslied  im  Deutschen  Museum 
1852,  2,  165.  Sc  bloss:  Luzel,  5.  rapport  p.  11.  Romero 
p.  130.  Ralston  p.  75,  237  (auch  Edelstein).  De  Guber- 
natis,  Zool.  Myth.  1,  296;  Florilegio  73.  Schiefner,  Ind.  Erz. 
Nr.  46,  S.  476.  Dsanglun  S.  241,  271.  Soge-Bundel  S.  40—44. 
Kamp,  D.  F.  298.  Berntsen  1,  101.  Müllenhoff  Nr.  15. 
Haltrich  Nr.  11,  24.  Zingerle  2,  326,  96.  Deecke,  Lüb. 
Gesch.  Nr.  84  (Mast).  Bartsch  1,  268.  326  (Sarg).  Zs.  f. 
dtsch.  Phil.  8,  100  (Schlüssel).  Asbjörnsen  Nr.  51  (Rüstung). 
Gonzenbach  Nr.  9  (Sessel).  Godin  S.  126.  179  (Dach.  Kugel). 
Cosquin  Nr.  43  mit  Anm.  Visentini  Nr.  5.  Roum.  F.  T.  69. 
Comparetti  Nr.  22  (Kristall,  Silber,  Gold).  Corrazzini  Nr.  19. 
(Silber,  Gold,  Diamant).  Brugman-Leskien  541, 555  (ebenso).  Zs. 
f.  d.  Alt.  29,  447  (russisch:  ist  Gold,  Silber  oder  Kupfer  das  Wert- 
vollste?)] 

(>.  Der  Segen  des  li.  Sabbas  oder: 
Ohne  dich  soll  man  nicht  das  Urteil  sprechen  können. 

(Yojinovic  no.  6.) 

279  Eine  ganz  eigentümliche  Fassung  einer  bekannten,    weit- 

verbreiteten Fabel  [Schlange  lösen],  über  welche  man  meine 
Anmerkung  zu  Gonzenbach,  Sicilianische  Märchen,  Nr.  69 
nachsehe.  Meinen  dortigenNachweisen  füge  ich  jetzt  noch  hinzu : 
Haltrich,  Zur  deutschen  Tiersage,  S.  35,  Nr.  29  [Märchen  Nr.  87], 
Asbjörnsen,  Norske  Folke-Eventyr,  Ny  Sämling,  Nr.  95,  Deulin, 
Contes  du  roi  Cambriuus,  3.  ed.,  Paris  1874,  p.  141,  Com- 
paretti, Novelle  popolari  italiane.  Vol.  I,  Nr.  67,  Pitre,  Fiabe, 
novelle  e  racconti   popolari  siciliani,    Nr.  273,  Morosi,    Studi 


30.    Aiinierkungcn  zu  V.  Jagic  Nr.  5 — 7.  413 

8ui  dialetti  greci  della  terra  dOtraiito,  Leere  1<S7<),  S.  75, 
Nr.  4,  loanilidis,  ^loTogla  xa)  nranoTix))  TgaTTFCovrioq ,  Kon- 
stantiüopel  1870,  S.  '2{M\,  Scliiefner,  Aiisfülirlieher  Beri(;lit 
über  V.  Uslars  Kürinisehe  Studien,  St.  Petersburg,  187H, 
(Memoires  de  l'Academie  Imperiale  des  Sciences  de  St. 
Petersbourg,  Vlle  Serie,  Tome  •20,  Nr.  2),  S.  91,  Nr.  3, 
Bastian,  Geographische  und  ethnoh)gische  Bilder,  S.  239  und 
278.  Die  Fabel  ist  auch  ganz  vortrefflich  in  einem  neu- 
griechischen Volksbuch  erzählt,  welches  mir  in  folgender 
Ausgabe  vorliegt :  UaQafwß^i  rrjg  dXovjrovg  \  xara  tijv  yXomaar 
T(7)v  jiaidicov,  CO  Jigoasredr]  xal  ßixgoj'  n  dii]yr]jLia  6  BovQxoXaxag. 
"Exdooig  TZEfXTxrr].  "Ev'Aß'tp'aK;,  ex  tov  TVJToyQfKpsiov'EQfiov,  1872. 
Wann  dies  Volksbuch  zuerst  erschienen  ist,  weiss  ich  nicht. 
[Köhler,  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  6,  166  zu  uo.  69,  Krohn.  Mann  und 
Fuchs  1891  S.  38,  Jacobs,  Indian  f.  t.  1892  no.  9,  Decourde- 
manche,  Fahles  turques  1882  no.  40,  Joos  1,  no.  77,  Hörl, 
Bacchusia  1677  p.  4— 2(1,  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  6,  339 
(Pedersen  uo.  7).] 

7.    Der  kluge  Jägersohii  und  die  neidischen  Minister. 

(Vojinovif   nu.  7.) 

Vgl.  Hahn,  Griechische  M.,  Nr.  63,  ein  von  J.  Pio  in  der  20 
Tidskrift  for  Philologi    og   Pädagogik,    7.  Jahrgang,   Kopen- 
hagen   1866,   S.    67  ff.,    aus   Syra  mitgeteiltes   Märchen,    und 
Wuk,    serbische    M.,    Nr.    12.      Die    griechischen    M.    stehen 
unserm  serbischen  M.  näher  als  das  bei  AVuk. 

Man  s.  auch  meinen  bereits  oben  zu  Nr.  1  zitierten 
Aufsatz  in  der  Germania  11,  389  ff'.,  wo  ich  S.  401  das  M. 
aus  Wuks  Sammlung,  und  meine  ebenfalls  bereits  zu  Nr.  1 
zitierte  Bemerkung  zu  Gonzeubach,  sicilianische  M.,  Nr.  'S3, 
II,  wo  ich  das  M.  ans  Hahns  Sammlung  besprochen  habe. 
[Köhler,  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  6,  172  no.  83.  —  Zu  dem  in 
den  Trog  des  Ungeheuers  gegossenen  Branntwein  vgl.  Wuk 
S.  101,  Grimm  3,  121,  Gaster,  Mag.  f.  d.  Litt,  des  Ausl. 
1879,  613  zu  Ispirescu  p.   103.     Unten  zu  Jülg  S.  93.] 


414-  2iir  Märcheiifurscluiut;'. 

H.    EinniJil  hat  mich  die  Mutter  i^eboreii. 

(Vojiuuvic  iiu.  8.) 

281  Zu  dem  Schluss  des  M.  vgl.  Halm,  Griechische  M.,  Nr.  70. 

In  dem  griechischen  M.  giebt  ein  Prinz  einem  Drachen  einen 
einzigen  Schwertschlag.  Darauf  bittet  ihn  der  Drache:  Gieb 
mir  noch  einen  Schlag,  damit  ich  rasch  verende!  Er  aber 
sprach:  Meine  Mutter  hat  mich  nur  einmal  geboren.  Da  zer- 
platzte der  Drache,  weil  ihm  der  Jüngling  keinen  weiteren 
Schwertschlag  gab.  [Liebrecht,  Z.  Volksk.,  S.  334,  R.  Köhler, 
Melusine  5,  37:  ,Ne  frapper  qu'un  seul  coup']. 

S).    Die  ueitlischeii  Brüder. 

(Vojiiiovic  HO.  9.) 

283  Mau    vergleiche    die    von    mir    zu    Schiefner,    Awarische 

Texte,  S.  X — Xll  (zu  Nr.  3)  besprochenen  M.,  ferner  Pitre, 
Fiabe,  novelle  e  racconti  popolari  siciliani,  Nr.  33  u.  35, 
Miklosich,  Märchen  u.  Lieder  der  Zigeuner  der  Bukowina, 
Nr.  9,  Ralston,  Russian  Folk-Tales,  S.   148. 

Wenn  in  unserem  M.  der  jüngste  Bruder  gemästet  wird 
und  dann  gebraten  werden  soll,  listiger  Weise  aber  die  Mutter 
des  Drachen  in  den  Kessel  stösst,  so  sind  von  den  ver- 
wandten M.  zu  vergleichen:  Pitre  Nr.  33  u.  35,  Hahn  Nr.  3. 
und  zwar  besonders  Variante  4,  Hylteii-Gavalliiis  und  Stephens 
Nr.  3,  A,  und  das  in  der  Anmerkung  dazu  mitgeteilte  M. 
aus  Dybecks  Runa,  Asbjörusen  und  Moe  Nr.  1,  Grundtvig  1, 
210.  Ferner  vergl.  man  folgende  mit  unserm  sonst  unver- 
wandte M. :  Wnk  Nr.  35,  Haltrich  Nr.  37,  Wittstock,  Sagen 
u.  Lieder  aus  dem  Nösner  Gelände  (Bistritz  1860)),  S.  25, 
Ralston  S.  165,  Haupt  u.  Schmaler,  Volkslieder  der  Wenden, 
2,  173,  Peter,  Volkstümliches  aus  Oesterreichisch-Schlesien,  2. 
165,  Grimm  Nr.  15,  Hylten-Cavallius  und  Stephens  Nr.  2, 
Russwurm,  Sagen  aus  Hapsal  etc.,  Nr.  96,  Radioff,  Proben 
der  Volkslitteratur  der  türkischen  Stämme  Süd-Sibiriens,  1,307 
(siehe  auch  S.  XIII),  Steere,  Swahili  Tales,  S.  385. 

Man  s.  auch  meine  Anmerkungen  zu  Nr.  4  und  5. 

Der   letzte    Teil   unseres  M.    —    die  Befreiung  der  Prin- 


30.    Ann)erkuiii;eii   zu  V.  Jagic  >«'r.   8     11.  415 

zessiii  aus  dem  Suhlaugeihschldss  —  kouiint  in  den  verwandten 
M.  nicht  vor. 

10.    Der  grösste  Spitzbube  von  der  Welt. 

(Yujinuvic  iio.  10.) 

Vergl.  Grimm  Nr.  19'_\  AVolf,  Deutsche  IMärcheu  und  284 
Sagen.  Nr.  ö.  Kuhn  und  Schwartz,  Norddeutsche  Sagen  etc., 
S.  -ii)-,  Schanibach  und  Müller,  Niedersächsische  Sagen  und 
Märchen,  S.  31t),  Vernaleken,  Mythen  und  Bräuche  aus 
Oesterreich,  S.  "27,  (irundtvig,  Gamle  danske  Minder,  3,  6S, 
Asbjörnsen  und  Moe,  Norske  Folkeeveutyr,  Nr.  34,  Arnasou, 
Icelandic  Legends,  translated  by  Powell  and  Magnusson,  "2, 
()09,  Lootens.  Oude  Kindervertelsels  in  den  Brugschen  Tong- 
val,  S.  43,  De  (iubernatis.  Novelline  di  S.  Stefano,  Nr.  29, 
Straparola.  Piacevoli  Notti,  1.  2,  Cenac  Moncant,  Ccmtes  po- 
pulaires  de  la  Gascogne,  S.  99,  Blade,  Contes  et  Proverbes 
recueillis  eu  Armagnac,  S.  Ifi,  Campbell.  Populär  Tales  of 
the  West -Highlands,  Nr.  40  (Orient  und  Occident  2.  677). 
[Ölten  S.  255  u.  305  zuWidter-Wolf  no.  9,  (.'osquin  no.  70.  Luzel, 
Veillees  bret.  p.  21<S,  Fleury  p.  167,  Webster  p.  140,  Fina- 
more  no.  24,  Prato,  (Ui  ult.  lavori  p.  23,  Hansen,  Zs.  d. 
Ges.f.  schleswig-holst.  Gesch.  7,  217,  Brugman  no.  37,  Krauss  1, 
no.   55]. 

In  fast  allen  diesen  M.  finden  wir  die  erste  Probe  des 
serbischen  M.  in  mehr  oder  weniger  ähnlicher  Weise  wieder. 
Der  zweiten  Aufgabe  des  serbischen  M.  entspricht  die  eine 
bei  Asbjörnsen,  wo  der  Braten  vom  S])iess  gestohlen  werden  285 
soll,  aber  die  Art  der  Lösung  ist  ganz  verschieden.  Die 
dritte  Aufgabe  —  Entwendung  eines  Ringes  —  kommt  bei 
Grimm  und  De  (üibernatis  vor,  aber  ebenfalls  in  anderer 
Weise  geh'ist. 

11.    Der  Teufel  und  sein  Freund. 

(Vojinovid  no.  11.) 
Dieses  M.  erinnert  an  die  Erzählungen,    in  denen  einer,  9^5 
dem    die   Aufgabe    gestellt    ist,    gleichzeitig    seinen    besten 
Freund  und  seinen  ärgsten  Feind  zu  bringen,  seinen  Hund 


41(1  Zur  Märchenforsohung-. 

und  seine  Frau  bringt.  Siehe  die  reiche  Zusammenstellung 
von  Erzählungen  dieses  Inhaltes  bei  A.  Mussafia,  lieber  eine 
altfranzösische  Handschrift  der  k.  Universitätsbibliothek  zu 
Pavia,  Wien  1870  (Sonderabdruck  aus  dem  6-1.  Bande  der 
phil.  histor.  Sitzungsberichte  der  kaiserl.  Akademie  der  Wissen- 
schaften), S.  r>(S  tt".  1).     [Vgl.  unten  S.  4()ö  zu  no.  55]. 

12.    Schatarbegs  Paläste. 

(Yojinovic  no.  12.) 

286  Eine    Variante    des    berühmten    M.    vom    gestiefelten 

Kater,  von  welchem  ich  zahlreiche  Versionen  in  meinen  An- 
merkungen zu  (ronzenbach  Nr.  65  und  zu  Schiefner,  Awa- 
rische  Texte,  S.  XVI,  Nr.  (5  zusammengestellt  habe,  denen  auch 
noch  Pitre,  Fiabe,  novelle  e  racconti  popolari  siciliani,  Nr.  8(S  und 
ein  M.  aus  Languedoc  in  der  Revue  des  langues  romanes  3,  396 
hinzuzufügen  sind. 

13.    Der  Meister  und  der  Geselle. 

(Vojinovic  no.  13.) 

28  Zu   dem   Eingang    vergleiche    man  das  von  Schiefner  im 

Bulletin  de  l'Academie  Imperiale  des  Sciences  de  St.  Peters- 
bourg  1"2,  205  =  Mehmges  asiatiques  5,  170  bekannt  ge- 
machte ossetische  Märchen  vom  Häuptlingssohn  Mäuseohr. 
In  diesem  hat  sich  Mäuseohr  während  eines  Hagelwetters  in 
einen  hohlen  Baum  verkrochen  und  ist  ganz  trocken  ge- 
blieben; nachher  begegnet  er  einem  durchnässten  Teufel, 
der  ihm  ein  zauberkräftiges  Blatt  verspricht,  wenn  er  ihm 
erkläre,  weshalb  er  so  trocken  geblieben  sei. 

(In  einem  im  serb.  dalm.  Mag.  1S66,  p.  <S1  mitgeteilten 
M.  hat  ein  Zigeuner  seine  Kleider  dadurch  tro('ken  erhalten, 
dass  er  sie  in  ein  Bündel  zusammenwickelt,  auf  einen  Stein 
gelegt  und  sich  darauf  gesetzt  hat.    Ihm  begegnete  der  Teufel 


')  Die  S.  67  erwähnte  hierher  gehörende  Erzählung  von  Merlin 
siehe  bei  Aniador  de  los  Rios,  Historia  critica  de  la  literatura  espaiiola' 
5,  60  und  3.o9.  Vergl.  auch  Jahrbuch  für  ronian.  und  englische  Litte- 
ratur  12,  295:  Zu  der  altspanischen  Erzählung  von  Karl  d.  Gr.  und 
Sibille. 


30.    Aiiiiif rkmii^en   zu   V.  Ja<;i('  Xr.    12  — 15.  4.]^7 

uiul  wollte  auf  jedeu  Fall  wissen,  wie  jener  trorken  geblieben 
war.  Der  Zigeuner  liess  sich  zunächst  vom  Teufel  nach 
Hause  tragen  u.  s.  w.)  [Decourdemanche,  Sottisier  de  Xasr- 
Eddin  Hodja  187S  no.  i^^]. 

Wenn  der  Zauberer,  um  sich  an  einem  Weibe  zu  rächen, 
alle  Feuer  in  der  Stadt  aushischt.  und  nur  au  jenem  Weibe 
Feuer  entzündet  werden  kann,  so  ist  die  bekannte  Sage  vom 
Zauberer  Virgilius,  die  auch  von  einem  Zauberer  Heliodor 
und  von  dem  griechischen  Kaiser  Leo  dem  Philosophen  er- 
zählt wird,  zu  vergleichen.  Siehe  Coniparetti,  Virgilio  nel 
medio  evo  2,  106  und  111  ff. 

Auch  der  Schluss  unseres  M.  erinnert  an  die  Sage  vom 
Tode  des  Virgil.  Siehe  meine  Bemerkung  in  der  Revue  cel- 
tique  1,  l'S'S  [=  oben  S.  140]  und  Coniparetti  a.  a.  0.  2,  156  ff. 

14.  „Wer  was  thut,  alles  für  sich/' 

(Yojinovic  uo.  14.) 

Ich  verweise  zu  diesem  M.  auf  A.  Webers  Aufsatz  „Ueber  288 
eine  I^jisode  in  Jaimini-Bhärata)  in  den  Monatsberichten  der 
Berliner  Akademie  lS(i!),  S.  10 — 1<S  und  S.  377 — 8S7.  und 
A.  Veselovskis  Aufsatz  „Die  Gründung  ('onstantinopels'-'  in 
der  Russischen  Revue,  hgg.  von  C.  Röttger.  Bd.  6,  S.  181 — -202. 
Von  den  in  diesen  beiden  Aufsätzen  zusammengestellten 
Märchen  und  Dichtungen,  denen  man  noch  Baring-Gould, 
Household-Stories,  Nr.  6  beifüge,  steht  Hahn.  Griechische  M.. 
Nr.  "20  dem  serbischen  am  nächsten.  [Romania  6,  161.  Dozou 
no.   13,    Krauss  2,  no.  88.  64]. 

15.  Zauberhaftes  Au-  uud  Loshiudeu. 

(Yojinovic  no.   15.) 

Vergl.  Hahn,  griechische  M.,  Nr.  IK».  „Häuschen,  dem  289 
ein  Mohr  in  den  Mund  speit",  und  das  von  Schiefner  in  dem 
Bulletin  de  TAcademie  Imperiale  des  scieuces  de  St.  Peters- 
bourg  12,  205  =  Melanges  asiatiques  5,  170  bekannt  ge- 
machte ossetische  „Märchen  von  dem  Häuptlingssohn  Mäiise- 
ohr-'.  In  diesen  beiden  parallelen  M.  lassen  Häuschen  und 
Mäuseohr  eine  F'rau  mit  aufgehobenen  Kleidern  einherschreiten 

R.  Köhler,  Kl.  Schriften.  I.  27 


4iy  Zur  Märchenforschun^. 

und  mehrere  Personen  an  einander  haften.  Händchen  hat 
von  einem  Mohren  die  (labe  erhalten,  dass  alles,  was  er 
sagen  werde,  geschehen  solle,  Mäuseohr  aber  von  einem  Teufel 
ein  Blatt,  welches  er  blos  umzuwenden  braucht,  damit  ge- 
schieht, was  er  will.  (Einige  Aehnliclikeit  mit  dem  vor- 
liegenden serb.  M.  hat  das  unter  Nr.  13  in  Vila  (Belgrad 
1867,  p.  703)  erschienene,  wo  ein  Schäfer  mit  seiner  Flöte 
alles  zum  Tanzen  bringt.  Das  M.  wird  später  mitgeteilt  und 
besprochen  werden.)     [Grimm  no.  (U   „Die  Goldgans".] 

IG.    Bas  Celik. 

(Yuk  Stefano vic  Karadzic,  Serbische  Märchen,  2.  Aufl.  1870  S.  185.) 

618  „Bas    Celik"    findet   sich   in   englischer    Uebersetzung   in 

dem  Buche  ,Serbian  Folk-Lore.  Populär  Tales,  selected  and 
translated  by  madam  Csedomille  Mijatovics.  Edited.  with  an 
intrdduction  by  the  Rev.  W.  Denton',  London  1874,  S.  14()f. 
(,Bash-Clialek-.  or  .True  Steel*. )    [Krauss  1,  no.  34]. 

„Bas  Celik"  und  „Der  rote  Wind"  (Vila  18(;<s,  447) 
sind  Versionen  des  M.  von  den  Tierschwägern.  Vgl.  be- 
sonders J.  A.  Buchon,  La  (irece  contineutale  et  la  Moree 
•  S.  '2(u  („le  Dracophage")  [^  Legrand  p.  145],  Hahn,  Grie- 
chische M.  Nr.  25,  Ralston,  Russian  Folk-Tales  S.  85  und  9S, 
Schief ner,  A warische  Texte  Nr.  4.  [Cos(iuin  no.  40,  Dozon 
no.  15.]  Ausserdem  vgl.  ein  ungarisches  M..  das  ich  in  zwei 
Fassungen  kenne,  nämlich  in  der  bei  Maihith,  Magyarische 
Sagen.  Märclien  und  Erzählungen  "2,  133  und  in  der,  welche 
Miss  Busk.  The  Folk-Lore  of  Rome  S.  I(j7  auszüglich  mitteilt. 
[Gaal-Stier  no.  1.  Tsaganelli  no.  2.]  Zwar  kommt  in  dem 
ungarischen  M.  nichts  von  der  Tierschwägerschaft  vor,  aber 
übrigens  bietet  es  viele  Uebereinstimmungen,  so  das  Suchen  des 
Feuers,  das  Binden  der  Morgendämmerung,  die  Begegnung 
mit  den  Riesen,  die  schlafende  Königstochter  —  bei  Mailath 
auch  die  Anspiessung  der  Schlange,  welche  eben  die  Königs- 
tochter beissen  wollte  —  die  Entführung  der  Gattin  des 
Helden  durcli  den  Zwergenkönig  und  ihre  Wiedergewinnung, 
naehdem  sie  von  dem  Zwerg  erfragt  hat.  wo  seine  Stärke 
sich  befindet. 


;{().    AiimerkunKtMi   zu  V.  Jagic  Xr.   lö— 21.  419 

Wie  in  dem  serb.  M.  Ras  Oelik  dem  Helden  drei  Leben 
schenkt,  sn  verspricht  in  einem  russischen  parallelen  M. 
(Ralston  S.  98)  Koshchei  für  seine  Befreiung  .to  save  him 
from  three  deaths\ 

17.    Cela  =  der  tilatzkopf. 

(Yuk). 

Vgl.    die    von    mir   im  Jahrbuch   für  romanische  u.  eng-  eio 
lisclie  Litteratur  8,  256  [=  oben  S.  330]  zusammengestellten 
M.    Das  serbische  M.  ist  offenbar  unvollständig  erhalten;  wir 
erfahren    nicht,    wer   Cela   von   Haus   aus  ist  und  wie  er  zu 
dem  Drachenpferd  gekommen. 

18.    Der  eiserne  Mann. 

(Vyiik).     [=   Krauss  2,  no.   147.] 

[Zum  ganzen  M.  vgl.  Ausland  1880,  S.  -257:  Der  Eisen-  tj20 
mann.     (Zigeunermärchen  aus  Rumänien).] 

Zu  deui  Anfang  vgl.  das  indische  M.  bei  Benfey,  Pan- 
tschatantra  1,  2()1,  Hahn  Nr.  07,  Woycicki,  Polnische  Volks- 
sagen u.  M..  S.  101,  Chavannes.  Die  russischen  Volksm..  in 
„Die  Wissenschaften  im  19.  dahrh."  9,  107  und  das  finnische 
M.  bei  Beauvois,  Contes  populaires  de  la  Norvege,  de  la 
Finlande  et  de  la  Bourgogne,  S.  180.  In  allen  diesen  M. 
schiessen  Prinzen  Pfeile  al),  und  wo  die  Pfeile  hinfallen, 
sollen  sie  ihre  Braut  finden,  oder,  wie  es  im  russischen  M. 
heisst.  wer  ihnen  die  Pfeile  wiederbringt,  soll  ihre  Gattin 
werden.  Auf  diese  Weise  erhält  der  eine  Prinz  im  indischen 
und  im  griechischen  M.  eine  Aeffin,  im  russischen  und  im 
finnischen  einen  Frosch,   im   polnischen  eine  Kröte  zur  Frau. 

19.  Fisch  als  Pate. 

(Vuk).     [=  Krauss  2,  no.   144.] 

20.    Die  Schwiegertochter  der  Kaiserin  ein  Schaf.        *  21 

(Vuk).     f=:^   Krauss  2,  iio.   142.] 

21.    Wilen-Berg. 

(Vuk).     [=  Krauss  1,  no.  85.] 


420  ^^^^  Märc'henfurschung. 

2'i.    Ein  Mädchen  als  Vogel. 

(Vuk). 

622  Dies  M.  ist  ins  Englische  übersetzt  von  Frau  Mijatovics 

a.  a.  0.  S.  119.     [Krauss  2,  no.   140.] 

28.    Ein  Kaiser  wollte  seine  Tochter  heiraten. 

(Yuk).     [=  Krauss  2,  no.   188.] 
A^arianten  bei  Mikerlicic  S.  23  und  Valjavec  no.   12. 

624  Vergl.  die  von  mir  zu  Gonzenbach,  Sicilianische  M.,  Nr.  38, 
zusammengestellten  M.,  ferner  De  Gubernatis,  Le  Novelline 
di  S.  Stefano,  Nr.  3,  [Rivista  1,  86,  Archivio  1,  190.  2,  21  u. 
27],  Pitre,  Fiabe  etc.,  Nr.  43,  Busk,  The  Folk-Lore  of  Rome, 
S.  66,  84,  90,  Comparetti,  Novelline  popolari  italiane  1, 
Nr.  57,  [=  Nerucci  no.  11,  Imbriaui,  Nov.  fior.  p.  158,  Fina- 
raore  no.  3,  De  Niuo  no.  17],  Maspons  y  Labros,  Lo  Ron- 
dallayre  1,  Nr.  26,  Luzel,  Cinquieme  rapport  sur  une  mission 
en  Basse-Bretagne,  S.  35,  Ralston,  Russian  Folk-Tales,  S.  159 
u.  161,  [Cosquin  no.  28,  Bartsch  1,  479,  Legrand  p.  217, 
Webster  \).  165  (158),  Dozon  no.  6,  Brugmau  no.  24,  Mas- 
pons 2,  no.  1(),  Consiglieri-P.  no.  Ki.  Köhler,  Zs.  d.  V.  f. 
Volksk.  6,   75  zu  no.  38]. 

Der  Goldstern  auf  der  Stirn  findet  sich  in  dem  paral- 
lelen b(ihmischen  M.  bei  Waldau,  Böhmisches  Märchenbuch, 
S.  502,  ein  goldenes  Kreuz  auf  der  Stirn  bei  Vernaleken, 
Oesterreichische  Kinder-  u.  Hausm.  Nr.  33. 

Das  Kleid  aus  Mäusefellen  kommt  bei  Waldau  a.  a.  0. 
nnd  bei  Zingerle,  Kinder-  u.  Hausm.  aus  Süddeutschland, 
S.  231,  vor.  (Vgl.  auch  die  Prinzessin  Mäusehaut  in  der 
ersten  Ausgabe  der  Grimmschen  KHM.  Nr.  71). 

Wie  in  dem  serbisclien  M.  jedes  der  drei  Kleider  so  fein 
ist,    dass    es    in    eine    Nussschale    geht,    so    tliut    bei   Grimm 

625  ^r.  65  Allerleirauh  ihre  drei  Kleider  |  in  eine  Nussschale.  In 
anderen  M.  kommen  wunderbare  Nüsse,  Mandeln  u.  a.  vor, 
aus  denen,  wenn  man  sie  öffnet,  kostbare  Kleider  u.  a.  her- 
vorgehen. 

Zu  der  List  der  Kaisertochter  mit  dem  Bad  und  dem 
Plätschern   der  Enten   vgl.  das  sicilianische  M.   bei  Pitre,    wo 


80.    Aiinu-rkungeii   zu  V.  Jagic  !Xr.  22 — 23.  421 

den  Euten  zwei  durch  ein  Baiul  verbiiudeue  Tauben  ent- 
sprechen, deren  eine  in  dem  Wassergefiiss  festgebunden  ist. 
[Irnbriani]. 

Den  vorgeblichen  Städte nameu  der  serbischen  M.  ent- 
sprechen in  mehreren  der  parallelen  M.  ähnliche  vorgebliche 
Länder-  oder  Städtenamen,  nämlich  bei  Miss  Busk  S.  87  u. 
88:  Frustinaia  (Peitschenland),  Stivalaia  (Stiefelland),  Schiaffaia 
(Ohrfeigenland);  C<iniparetti:  Batti-paletta  in  sulle  ginocchia 
(Aschenschaufelschlag  an  die  Knie),  Batti-sferza  in  sulle  spalle 
(Peitschenschlag  auf  die  Schultern).  Batti-molle  in  su"  piedi 
(Feuerzangenschlag  auf  die  Füsse):  De  Gubernatis:  Battimolle, 
Battigranata  (Besenschlag).  Battipaletta;  Vernaleken:  Besen- 
wurf, Bürstenwurf,  Kaniniwurf;  Campbell,  Populär  Tales  of 
the  West  Highlands  1,  "225:  Königreich  der  zerbrochenen 
Waschbecken,  Leuchterland.  [Bartsch:  Stiefelschmeiss,  Bürsten- 
schmeiss:  Brugman:  Stiefel-,  Messer-,  Handtuchschloss;  De 
Nino:  Monte  Stivale.  M.  Paletta,  M.  Tenaglia;  Finamore: 
So"  dde  stuvele  mije  "n  ghepe-chieva;  Archivio  1.  190: 
Batti-stivali,  B.  briglia.  B.  paletta;  ebd.  1,  196:  Batti-paletta; 
B.  molli.  B.  sella;  ebd.  1,  197:  Batti-paletta,  -moUi.  -soffiare. 
Picchia-staffa.  -frusta.  -briglia;  ebd.  1.  198:  Frusta.  Pedata, 
Schiaifo;  ebd.  '2,  "21:  Idda  di  li  fiietti,  -briddi,  -sproui;  ebd. 
2,  "27:  Ziddäi  di  r'  ij)roui.  -ri  seddi,  -ri  fuetti;  Corazzini  p.  437: 
Battistivali.  Battecanzetta.  Batteattaccaglie;  ebd.  p.  488:  ,da 
quel  paese,  che  quando  i  nomina  d'andare  a  la  festa,  i  da 
il  baston  zo  per  la  testa';  Ortoli,  p.  98:  Royaume  de  bride, 
deperon.  de  cravache;  Consiglieri-P. :  Land  of  the  boot.  -the 
towel,  -the  Walking  strick;  Branca  no.  37:  terra  la  bota, 
-verdasca,  -toalha;  Webster  p.  161:  Beaten  with  the  slipper; 
Legrand  p.  220:  (ii'ilville.  Ecruvillonville.  Bolineville.  — 
Halliwell.  Nursery  rhymes  p.  25.  .Kind  Sir,  if  the  truth  I 
must  teil,  At  the  sign  of  the  Basin  of  Water  (Broken-Ladle, 
Broken-Skimmer)  I  dwelP.  Child  8.  17G  (Catskin's  Garland: 
vgl.  Folk-Lore  Record  3,  1).  Grimm  KHM.  ^  no.  71:  'aus 
dem  Lande,  wmi  man  den  Leuten  die  Stiefel  nicht  an  den 
Kopf  wirft']. 

Ich  verweise  ferner  auf  folgende  nicht  eigentlich  parallele. 


422  Zur  Märchenfursc'hung. 

aber  verwandte  M. :  Schueller,  Sageu  u.  M.  aus  Wälsclitirol. 
Nr.  24:  Palettada  (Asclienschaufelschlag),  Mojettada  (Feuer- 
zaugeuschlag);  Asbjöruseu  und  Moe,  Norske  Folke-Eventyr, 
Nr.  19:  AYaschlaud,  Handtuchlaud,  Kammland;  Gliuski,  Ba- 
jarz  Polski  3,  141.  143.  146:  aus  dem  Land,  wo  sie  den 
Mägden  Wasser  in  die  Augen  schütten:  aus  der  Stadt,  wo 
sie  den  Mädchen  Sand  in  die  Augen  werfen;  aus  dem 
Palast,  wo  sie  die  Mägde  mit  der  Peitsche  ins  Gesicht  schlagen: 
Woycicki,  Polnische  Volkssagen  u.  M.,  S.  124:  aus  der  auf- 
gehobenen Peitsche,  aus  dem  goldenen  Ring:  Hahn  Nr.  14: 
Walgerholz,  Schüreisen. 

24.    Drei  Ringe. 

(Vuk).     [=  Krauss  2,  iiu.   1:^6.] 

25.    Die  l)öse  Schwiegermutter. 

(Vuk).     [=  Kraubs  2,  no.   148.] 

627  Vgl.  die  von  mir  in  Schiefners  Awarischen  Texten  S.  XXI 
(zu  Nr.  12).  und  in  der  Zeitschrift  Melusine  1,  213  zusammen- 
gestellten M.     [Unten  S.  4G3  zu  no.   02.] 

26.    Abermals  die  böse  Schwiegermutter. 

(Vuk). 

628  Zu  dieser  Vcir.  vergl.  Mijatovics  S.  238,  Gaal-Stier,  Un- 
garische Volksm.,  Nr.  7.  Ausland  1858,  S.  118  (rumänisch), 
Schott.  Walachische  M..  Nr.  8,  Haltrich,  Deutsche  Volksm. 
in  Siebenb.,  Nr.  1.  Miklosich,  Zigeuner-M.  Nr.  1.  [Kremnitz 
no.  3.] 

27.    Die  drei  Kaisersöhue. 

(Yuk).     1=  Krauss  2,  no.    i;:54.] 

630  Vgl.  die  von  mir  bei  Schiefner,  Awarische  Texte,  S.  XIX 

(zu  Nr.  inj  zusammengestellten  M.  [Maspons  y  L.  2,  39  manadet 
descombretas].  —  Wegen  der  zwei  die  Stadt  mit  den  Händen 
auskehrenden  3Tädchen,  welchen  der  Prinz  zwei  Besen  giebt, 
und  des  das  Wasser  mit  ihren  Haaren  emporziehenden  Mädchens, 
\V('1(  liiMU    der  Prinz  ein   Seil   "iebt.    seh.'   man   in   meiner  Au- 


30.    Aniiierkungeii  zu  Y.  Jagic   Nr.  23--28.  423 

merkuiiu,  zu  G(»iizenb;u-Ii  Nr.  13  den  vierten  Absatz  auf  S.  212 
[Knliler.  Zs.  d.  V.  f.  V<dksk.  ÖfiS.  Jf/mtr  1,  160]  und  füge 
uoeli  hinzu  De  Gubernatis.  Novelline  di  S.  Stefano.  Nr.  2 
(Frau,  die  das  AVasser  mit  den  Haaren  lieranszieht  und  ein 
Seil  bekömmt;  Frauen,  die  mit  der  Zunge  kehren  und  einen 
Besen  erlialten:  Frau,  die  den  Backofen  mit  ihren  Brüsten 
reinigt  und  ..due  involti''  erhält),  Imbriani.  La  Novellaja 
tiorentiun.  2.  Ausg.  Nr.  16  (Bäckerin.  die  den  Backofen  mit 
den  Händen  reinigt  und  Lai»i)en  und  Kidirbürste  erhält), 
Hahn,  Nr.  4!)  (Drakäna.  die  mit  ihren  Brüsten  den  Backofen 
reinigt  und  mit  ihren  Armen  das  Brot  liineinschiebt)  und 
Nr.  KH)  (Sonnenschwestern,  die  den  Backofen  luit  ihren 
Brüsten  auswischen  und  statt  der  OfVnschaufel  die  Hände 
brauchen). 

•28.  Der  lebendij^gescliiintlene  Bock. 

(Yuk).  [=  Krause  1,  uo.  21.] 
Vgl.  Vernaleken.  Oesterreichische  Kinder-  und  Haus-  (;3i 
märclien,  S.  116  (Nr.  22)  und  S.  0-I6.  und  <irimm.  KH.M., 
Nr.  36.  [Firmenich  2,  227,  CoS(juin  no.  47,  Coellio  no.  3. 
Morosi  no,  ö  =  Legrand  181,  Imbriani  N.  F.  no.  42  n.  Anm., 
Pitre  Nov.  pop.  tose.  no.  49.]  In  dem  von  Vernaleken  (Nr.  22) 
aus  dem  südlichen  BöhnnMi  mitgeteilten  M.  hat  ein  Bnuer 
Sc4ner  lügnerischen  Ziege  wegen  seiiu'ii  zwei  Srdinen, 
seiner  Tochter  und  seiner  Frau  den  Kopf  abgesclilageu  und 
will  daiiw  die  Ziege  schlachten,  die  ;il)er  mit  geschorener 
Haut  und  mit  einem  Messer  im  Hals  entkommt  und  in  ein 
Fnclisloch  flieht,  den  Fuclis  und  eine  Kuh  verjagt.  al)er  von 
einer  Ameise  ans  dem  Loch  getrieben  wird.  In  der  von 
Vernaleken  in  den  Anmerkungen  (S.  346)  auszüglich  gegeltenen 
Tiroler  Variante  entflieht  die  boshafte  Ziege,  mit  mehreren 
Messern  im  Hals,  in  eine  Bärenhöhle;  Bär.  Fnclis  und  Wolf 
fürchten  sich  vor  ihr.  aber  eine  Ameise  vertreibt  sie.  In 
dem    Grimmschen    M.^)    schert    ein  Schneider    seiner   Ziege, 


^)  Das  M.  von  der  Ziege  ist  hier  mir  Einleitung  und  Schluss  von 
dem  bekannten,  aber  sonst  nur  für  sich  vorkommenden  M.  vom  Tisehchen- 
deckdich,  Goldesel  und  Knüppelausdemsack. 


424  ^^"'  Märchenforsehuiig. 

(lereDtwegen  er  seine  drei  Söliiie  Verstössen  hat,  den  Kopf 
glatt  nnd  jagt  sie  fort;  sie  flieht  in  eine  Fnchshöhle  nnd 
trotzt    dem   Fnclis    nnd   dem  Bär,    weicht   aber   einer  Biene. 

Endlich  gehört  aber  noch  znm  Teil  hierher  ein  von 
Afanasjew  anfgezeichnetes  nnd  von  Schiefner  ins  Dentsche 
übersetztes  M.  (in  der  Zeitschrift  „Das  Inland",  Jahrg.  1S61, 
Nr.  21,  nnd  darans  wiederholt  von  C.  Sallnninn,  Dentsches 
Lesebnch,  1.  Tl.,  Reval  1875,  S.  SO).  Dieses  M.,  welches 
eine  Variante  des  M.  von  den  Hansti(M'en  im  Waldhanse 
(s.  meine  Anm.  zn  (ionzenbach  Nr.  (Jlj)  [Zs.  d.  Y.  f.  Volksk. 
6,  165,  Bolte,  Zs.  f.  vgl.  Littges.-h.  7,  454.  11,  G*!]  ist, 
beginnt  damit,  dass  ein  Herr,  der  für  einen  Pelz  noch  ein 
halbes  Hammelfell  braucht,  einem  seiner  Hammel  das  Fell 
auf  einer  Seite  abziehen  lässt.  Der  halb  ges(-hnndene  Hammel 
flielit  noch  mit  anderen  Tieren  vom  Hofe  seines  Herrn,  nnd 
sie  leben  in  einer  Hütte  im  AValde.  Ein  Wolf  nnd  andere 
Waldtiere  suchen  sie  vergeblich  daraus  zu  vertreilien,  endlich 
aber  vertreibt  der  Igel  mit  seinem  Stacliel  den  Hammel,  dem 
seine  Genossen  folgen. 

Znm  Schluss  des  M.  der  Plolilscheu  Sammlung  vgl.  oben 
1,  273,  Nr.  2  [oben  S. 


29.  Die  Junten  Werke  gehen  iiiclit  verloreii. 

(Vuk).   [=  Krauss  2,  no.   133.] 

632  Dies  M.,  welches  sich  in  englischer  Uebersetzung  iu   der 

Sammlung  der  Frau  Mijatovics  S.  96  (,(io()d  deeds  are  never 
lost')  findet,  ist  eine  Version  des  bekannten  M.  von  dem 
für  seine  Beerdigung  dankbaren  Toten,  aber  entstellt, 
insofern  der  dankl)are  Tote  durch  einen  Engel  ersetzt  ist, 
der  den  Helden  für  die  Loskaufung  der  Königstochter  nnd 
der  armen  Bauern  belohnt.  Man  s.  über  das  M.  von  dem  dank- 
baren Toten  meine  Zusammenstellungen  in  derCJermania  3,  199, 
im  Orient  und  Occ.  2,  322  und  3,  93  [oben  S.  5.  220].  in  der 
Revue  critique  dhistoire  et  de  litterature  1868,  Nr.  52,  S.  414, 
zu  Gonzenbach  Nr.  74  nnd  in  W.  Försters  Ausgabe  des  Ric-hars 
li  bians,  Wien  1874,  S.  28.  Meinem  Freunde,  Professor  Hugo 
Weber  in   Weimar,    verdanke    ich    seitdem   iu»ch   die  Kenntnis 


HO.    Aiinierkun,i;oii   zu  V.  Jiigic  Nr.   28—29.  425 

auch  zweier  litaiii.sclier  M.  von  dem  daukliareu  Toten,  die  ich 
nach  8eiiiei'  Uebersetzimc,  hier  im  Auszug  gel)e.  Das  eine 
ist  im  russiseheu  Litauen  —  in  Kmlrejawischken  im  Kreis 
Retowo  in  Zenuiiten  —  aufgezeichnet  und  von  L.  (leitler 
in  seinen  Litauischen  Studien.  Prag  1S7().  S.  21 — 23.  mit- 
geteilt: das  and(M'e  ist  im  preussischeii  Uta  neu  aufgezeichnet 
und   lumdschriftlich   im    Besitz  AVel)ers. 

Der  Inhalt  des  erstgenannten  M.  ist  folgender:  Ein  König 
liatte  drei  Sfthne.  von  denen  er  einen  nicht  leiden  konnte. 
Er  gali  ihm  daher  di'eihundert  <loldstncke  und  Hess  ihn  damit 
gehen.  \v(diin  es  ihm  getiel(\  Auf  die  Frage  des  Sohnes, 
W(diin  er  gehe]i  solle,  wiid-cte  der  König  mit  der  Hand  und 
sagte:  Dahin!  Der  Krniiu,ssolin  ging  nun  imnuM'  gerade  aus 
in  der  von  seinem  \'ater  angedeuteten  Hichtung  und  kam 
endlich  auf  einen  Kirchhof.  Hier  traf  er  drei  Männer,  die 
eben  damit  l)eschäftigt  waren,  einen  Toten,  der  ihnen  drei- 
hundert <ioldstücke  schuldig  war.  wieder  auszugraben,  um 
ihn  dann  zu  verbrennen.  Nachdem  der  Krmigssohn  sie  ver- 
gel)lich  fnssfällig  gebeten  liatt(\  dies  nicht  j  zu  thun,  bezahlte  633 
er  mit  seinem  (ield  ihnen  die  Schuld  (Ws  Toten.  Hierauf 
trat  er  in  die  Dienste  eines  alten  Kaufmanns,  der  ihn  lieb 
gewann  und  ihm  sein  gajizes  A'ermögen  hinterliess.  Als  er 
nun  einmal  in  Handelsgeschäften  auf  dem  Me(n'e  fuhr,  wurde 
sein  Schiff  durch  den  Sturm  an  eine  Insel  getrieben,  auf  der 
er  drei  ebenfalls  V(nii  Sturm  daliin  verschlagene  Königstöchter 
traf,  deren  eine  er  mit  sich  nalim  und  heiratete.  Inzwischen 
hatte  der  König  mich  allen  Seiten  hin  vornehme  Roten  aus- 
geschickt, um  die  verlorenen  Töchter  zu  suchen.  AVer  sie 
fände,  sollte  sicli  eine  derselben  zur  Gemahlin  wählen  und 
ein  Vierteil  des  Königreichs  erhalten.  Der  eine  der  Boten 
kam  in  die  Stadt,  wo  jener  Königss(din  als  Kaufmann  lebte, 
und  sah  dort  die  Königstochter.  Er  kaufte  vielerlei  bei  dem 
Kaufmann  und  lud  ihn  mit  seiner  Frau  auf  sein  Schiff"  zum 
Mittagessen.  Als  sie  auf  dem  Schiff  waren,  Hess  der  (iesandte 
heimlich  davonsegeln.  stiess  daim  den  Königssohn  ins  Meer 
und  zwang  die  Königstochter  zu  schwören,  niemandem  zu 
sagen,  dass  sie  vei-heiratet  sei.    Als  er  mit  der  Köingstochter 


426  Zi'i'  Märcheiiforsohung. 

bei  ihrem  Vater  angelangt  war,  erhielt  er  den  vierten  Teil 
des  Reiches,  und  l)ald  S(dlte  aueh  die  Hochzeit  mit  der 
Königstochter  stattfinden.  Aber  der  Königssohn  war  nicht 
ertrunken,  vielmehr  war,  als  er  ins  Meer  gestossen  worden 
war,  plötzlich  ein  Mann  in  einem  Kahn  gefahren  gekommen 
nnd  hatte  ihn  gerettet  und  ans  Ufer  gebracht.  Der  Manu 
sagte  ihm,  er  sei  die  Seele  jenes  Toten,  den  er  für  die  drei- 
hundert G(ddstücke  losgekauft  hatte,  und  belehrte  ihn,  wo 
seine  Frau  sei  und  wie  er  sie  wiedergewinnen  könne.  Der 
Königssohn  ging  in  die  Stadt,  wo  seine  Frau  sich  befand, 
und  gab  sich  ihr  heimlich  zu  erkennen.  Als  nun  der  für 
die  Hochzeit  der  Königstochter  mit  dem  Vornehmen  bestimmte 
Tag  herangekommen  war  und  alle  Gäste  versammelt  w^aren 
und  in  die  Kirche  fahren  wollten,  sagte  die  Königstochter: 
„An  welchem  Unglückstage  war  es?  an  jenem  Tage  verlor 
ich  den  Schlüssel  zu  meinem  Schränkchen,  in  welches  ich, 
als  ich  in  der  Dienstbarkeit  war,  die  allerkostbarsten  Ding(3 
zu  legen  pflegte;  aber  heute  habe  ich  ihn  unvermutet  wieder- 
gefunden. Deshalb,  (hi  ich  nicht  weiss,  was  zu  thun,  frage 
ich  Euer  Liebden,  wie  ich  mich  benehmen  soll.  Muss  ich 
den  alten  Schlüssel  gebrauchen  oder  den  neuen,  den  ich  an 
der  Stelle  des  ersten  habe  machen  lassen?"  Alle  antworteten: 
„Den  ersten!"').  Da  sagte  die  Königstochter  durchs  Fenster 
zeigend:    „Sieh,  da  ist  mein  erster  Mann,  aber  dieser  (indem 


^)  Diese  Frage  von  dem  alten  und  neuen  Schlüssel  kuninit 
sonst  nicht  in  den  parallelen  M.  von  dem  dankbaren  Toten  vor,  dagegen 
in  vielen  anderen  M.,  so  auch  in  einem  litauischen  bei  Schleicher,  S.  (i. 
[Grrimm  no.  67;  in  der  1.  Ausgabe  S.  277  no.  59  (Prinz  Schwan),  :^  •', 
167,  Kuhn-Schwartz,  Nd.  S.  p.  :352,  Müllenhoff  S.  390.  403,  Wolf,  Hm. 
S.  216  =  Vernaleken,  Km.  S.  243  =  (iaal,  M.  der  Magyaren  S.  173, 
Montanus  1,  331,  Simrock,  Der  gute  Gerhard  S.  139,  Schambach-Müller 
S.  256  no.  1,  Russwurm,  Eibofolke  2,  274,  Kristensen,  1,  no.  3,  Fleury 
p.  149,  Troude  et  Milin  j).  257,  Luzel,  Rapports  p.  187  ,1/homme-pou- 
lain';  5.  rapport  p.  28  ,Lliiver  et  le  roitelet'.  La  princesse  Troiol,  Le 
loup  gris,  L'homme-crapaud,  La  sirene  et  l'epervier.  Pradere,  La  Bre- 
tagne poetique  p.  119,  (Villemarciue,  Barzaz-Breiz  "  ]).  492),  Webster 
p.  41,  Coelho  no.  73  (Consiglieri-Pedroso  no.  9),  Braga  no.  24.  96,  Ralston, 
Songs  p.   356,  Zs.  f.  österr.    Volkskunde   3,  31.  235,  Lemke  2,   143.    203.] 


30.    Anmerkungen   zu  Y.  Jagic  Nr.   29.  427 

.sie  auf  den  Vdriieliinen  deutete)  ist  der  zweite !•'  Und  sie 
erzählte  alles,  wie  es  ihr  ergangen.  Da  wurde  der  Vornehme 
hingerichtet,  der  Königssohn  aber  erhielt  den  vierten  Teil 
des  Reiches  und  wurde  zum  Nachfolger  des  Königs  bestimmt. 
Das  andere  litauische  M.  erzählt:  Der  Sohn  eines  Fürsten, 
der  zu  nichts  taugte  und  den  sein  Vater  mit  einem  Schiff 
v(dl  Weizen  ausgeschickt  hatte,  sein  (ilück  zu  versuchen, 
kam  in  eine  Stadt,  wo  überall  an  den  Ecken  geschrieben 
stand:  „Gerechtes  Gericht".  Die  Strassen  waren  menschenleer 
und  wie  ausgestorben,  plötzlich  aber  stiess  er  auf  grosse 
Schweine,  die  einen  Mann  zerrissen.  Er  zog  sein  Schwert, 
erschlug  die  Schweine  und  liess  den  Toten  ehrenvoll  begraben. 
Dann  begab  er  sich  zum  Könige  der  Stadt  und  fragte,  was 
das  für  eine  (ierechtigkeit  sei.  dass  Menschen  auf  der  Strasse 
von  Schweinen  zerrissen  würden.  Der  König  erwiderte,  jener 
sei  einem  etwas  schuldig  gew'esen  und  habe  nicht  l)ezahleu 
können,  darum  sei  er  von  den  Schweinen  zerrissen  worden. 
Der  Fürstensohn  bezahlte  die  Schuld  und  kehrte  zu  seinem 
Schiff  zurück.  Hier  fand  er  zwei  sclnine  Frauen,  die  der 
Schiffer  geraubt  hatte  und  für  die  er  dem  Schiffer  das  ganze 
Schiff"  mit  dem  Weizen  gab.  Er  kehrte  zu  seinem  Vater 
zurück,  der  sehr  böse  war.  aber  ihm  doch  nach  einem  Jahre 
wieder  ein  Schiff  mit  Waren  gab.  Die  eine  der  Frauen, 
die  eine  Königstochter  war,  gab  ihm  ihren  Ring  mit,  uml  ihr 
Bild  wurde  vorn  am  Schiff'  j  angebracht.  Er  kam  in  die  Stadt  (i34 
des  Vaters  der  Kiinigstochter,  ihr  Rild  am  Schiff"  wurde  erkannt, 
und  der  König,  dem  er  alles  erzählte  und  den  Ring  der 
Tochter  übergab,  versprach  ihm  die  Tochter  zur  (iemahlin 
zu  geben  und  ihn  zu  seinem  Nachfolger  zu  machen,  wenn 
er  sie  ihm  zurückl)rächte.  Von  einigen  Grossen  begleitet, 
kehrte  er  nachhause  zurück  uml  holte  die  Königstochter. 
Auf  der  Fahrt  zum  Körnig  aber  stiess  ihn  eines  x\bends  einer 
der  (irossen  ins  Meer.  Er  ertrank  aber  nicht,  sondern  gelangte 
auf  eine  kleine  Insel,  wo  er  zwei  Jahre  lang  von  Fischen 
lebte.  Da  kam  eines  Abends  ein  Mann  herangerudert,  dessen 
Hände  und  Füsse  abi^efressen  waren,  und  erzählte  ihm.  dass 
im  näclisten  Monat  die  KönilListochter  jenen  Grossen  heiraten 


428  Zur  Märchenforschung. 

solle,  dass  er  ilm  aber  übers  Meer  bringen  werde,  wenn  er 
ihm  seinen  erstgeborenen  Sohn  verspräche.  Der  Fürstensohn 
that  dies  nnd  wurde  in  jene  Stadt  gebracht,  wo  er  am 
Hochzeitstage  den  Grossen  entlarvte  nnd  selbst  die  Königs- 
tochter heiratete.  Als  er  einen  Sohn  bekam,  erschien  sein 
Retter  nnd  verlangte  ihn,  erlaubte  ihm  aber  auf  sein  grosses 
Bitten,  den  Sohn  15  Jahre  zu  behalten.  Als  diese  vergangen 
w^aren  und  der  Fürstensohn  seinen  Sohn  an  die  verabredete 
Stelle  brachte,  fand  er  jenen  bereits  dort.  Dieser  gab  sich 
ihm  als  der  Geist  jenes  von  den  Schweinen  zerrissenen  nnd 
von  ihm  begrabenen  Mannes  zu  erkennen  und  liess  ihn  seinen 
Sohn  behalten. 

30.  Die  Prinzessin  und  der  Scliweinliirt. 

(Vvik).    [=  Krauss  2,  no.   131.] 

635  Vergl.    ein    anderes    serbisches    M.    bei    Frau    Mijatovics 

S.  173  (nach  der  Vorrede  zu  schliessen,  aus  den  Bosnjacke 
narodne  pripovijetke,  Sissek  1870)  und  Miklosich,  M.  der 
Zigeuner  derBukowina,  Nr.  7.  [Vgl.  unten  S.  464  no.  54,  Schulen- 
burg, Wend.  Volkss.,  S.  (16,  Wend.  Volkstnm  S.  42,  Brug- 
man  S.  53(),  Kristensen  1,  no.  12j.  In  dem  erstgenannten 
lässt  sich  die  Königstochter  von  einem  Hirten  vier  Lämmer 
geben  und  entblösst  dafür  nacheinander  ihre  beiden  Schul- 
tern, auf  deren  jeder  sie  einen  Stern,  ihren  Hals,  auf  dem 
sie  einen  Mond,  und  ihre  Brust,  auf  der  sie  eine  Sonne  hat. 
Als  dann  die  Königstochter  dem  zur  Gemahlin  gegeben  wer- 
den soll,  der  diese  geheimen  Male  kennt,  und  der  Hirt  sie 
angegeben  hat,  behauptet  ein  Zigeuner,  er  habe  die  Zeichen 
auch  gewusst.  Darauf  giebt  der  König  jedem  siebzig  Piaster, 
womit  sie  in  die  Welt  ziehen  sollen,  nnd  wer  damit  in  Jahres- 
frist das  meiste  erworben,  soll  die  Prinzessin  erhalten,  u.  s.  w. 
—  In  dem  Zigeunermärchen  hat  die  Kaisertochter  auf  der 
Stirn  eine  Sonne,  auf  dem  Busen  einen  Mond,  auf  dem  Rücken 
Sterne.  Um  drei  junge  Ferkel  von  einem  jungen  Schweine- 
hirten zu  erhalten,  entblösst  sie  sich  dreimal,  so  dass  dieser 
die  Zeichen  sieht.  Aber  auch  ein  Kaisersohn,  ihr  Liebhaber, 
kennt  die  Zeichen,  nnd  da  also  beide  Anspruch  an  die  Kaiser- 


80.    Aiinit-rkmiueii   zu  V.  .liii^ie    Nr.   2!)  -  38.  429 

toclitiT  haben,  bestimmt  der  Kaiser  auf  den  Hat  seiner  Mi- 
nister, (lass  die  Prinzessin  niul  die  beiden  Freier  in  einem 
Bette  schlafen  sollen  „et  qui  tenebit  eam  in  complexu,  ille 
dncet  eam".  Der  Hirt  hat  sich  Snssigkeiten,  Aepfel  nnd 
Brot  mit  ins  Bett  genommen  und  isst.  Anf  die  Frage  der 
Prinzessin,  was  er  esse,  sagt  er  zuerst  „Meine  Lippen!",  dann 
„Meine  Nase!",  endlieh  „Meine  Ohren!"  und  giebt  jedesmal 
davon  der  Prinzessin  zu  kosten.  Die  Prinzessin  ruft  „Gott! 
wie  süss!",  woranf  der  Kaisersohn  allemal  sagt:  „Meine  sind 
noch  süsser!"  und  sich  Lippen,  Nase  und  Ohren  abschneidet 
und  der  Prinzessin  darbietet,  die  sie  aber  wegwirft.  Noch 
in  der  Nacht  stirbt  der  Kaisersohn  und  wird  aus  dem  Bett 
gestossen,  und  am  Morgen  findet  die  Kaiserin  den  Hirten 
und  ihre  Tochter  einander  in  den  Armen  liegend.  [Bei  Dozon 
Rapports  sur  une  mission  litt,  en  Macedoine  p.  57  hat  die 
Samovila  ,le  soleil  sur  la  face,  la  lune  sur  la  poitrine,  les 
etoiles  sur  les  vetements'.  Prato,  Zs.  d.   V.  f.  Volksk.  .">,  ;^)77.] 

31.    Der  Basilicuinstrauss. 

(Viik).     [=  Krauös   1,  iio.   73.] 

Vergl.  Basile,  Pentamerone  1,  2  („La  Mortella",  d.  i.  die  63« 
Myrte)    und    das   mehr   abweichende    sicilianische  M.    „Rosa- 
marina" bei  Pitre  Nr.  87.     [Pitre,  Nov.  pop.  tose.  no.  6.] 

In  einem  neugriechischen  M.  (Halm  Nr.  "21)  bittet  ein 
Ehepaar  Gott  um  ein  Kind,  und  wäre  es  auch  nur  ein  Lor- 
beerkern. Aus  dem  Lorbeerkern  wird  ein  Lftrbeerbaum.  in 
dem  ein  schönes  Mädchen  sich  befindet,  wehthes  schliesslich 
einen  Prinzen  heiratet.  Der  Verlauf  ist  aber  von  dem  ser- 
bischen, dem  neapolitanischen  und  dem  sicilianischen  M.  ganz 
verschieden. 

32.  Das  Heilmittel  gegen  Hexerei. 

(Yuk).     [=  Kraiiss  2,  no.   l'M).] 

33.  Ein  Kind  wie  ein  Pfefterkorn. 

(Vuk). 

In    dem   serbischen  M.   bei   Frau  Mijatovics   S.   12;3  ('Sir  638 
Peppercorn')    bitten    Eltern,    die    ihre    drei    Söhne    verloren 


430  ^'^ii"  ^liirchent'orsc'liung. 

haben,  Gott  um  einen  neuen  Sohn,  und  wäre  er  nicht  grösser 
als  ein  Pfei^'erkorn ;  übrigens  aber  ist  dies  M.  nur  teilweise 
ähnlich. 

Wenn  der  Held  in  unserem  M.  der  ihn  verfolgenden 
Schlange  ein  Stück  Fleisch  von  seinem  eigenen  Fuss 
hinwirft,  so  vergl.  man  meine  Aum.  zu  (ionzenbach  Nr.  (il, 
ferner  Pitre  2,  209.  235.  24<s.  Mijatovics  S.  141,  Schiefner, 
Awarische  Texte  Nr.  2.  [Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  6,  KU.  Blade  1, 
190.  202.] 

In  Bezug  auf  das  Ausschneiden  der  Sclilangenzungen 
vergl.  meine  Anm.  zu  (ionzenbacli  Nr.  40,  zu  der  ich  jetzt 
noch  manche  Zusätze  machen  könnte.  [Zs.  d.  V.  f.  Volksk. 
6,  75.] 

34.    Der  Traiiin. 

(Vuk).     [=  Knuiss  2,  iio.   129.] 

640  Zu  dem    ersten  Teil   des  M.    (bis  zur  Verheiratung   mit 

der  Königstochter)  vgl.  zwei  magyarische  M.  in  Erdelyis 
Sammlung  1,  4()(1,  und  4,  269,  von  denen  ich  tlas  erste  aus 
der  Cebersetzung  in  Stiers  Ungarischen  Sagen  und  Märchen, 
Nr.  2,  das  zweite  aus  r)enfeys  auszüglicher  Mitteilung  im 
Ausland  1859,  S.  569  [=  Kl.  Schriften  3,  199]  kenne,  ferner 
ein  rumänisches  M.  bei  Schott,  Nr.  9,  und  ein  hürkanisches 
bei  Schiefner,  Ausführlicher  Bericht  über  Baron  F.  von  Uslars 
hürkanische  Studien,  1872,  S.  99.  In  diesen  M.  wird  ein 
Jüngling,  weil  er,  wie  vorher  seinem  Vater  oder  seiner  ]\lutter, 
so  auch  einem  König  oder  Kaiser  seinen  Traum  nic]it  er- 
zählen will,  eingesperrt  oder  eingemauert,  schliesslicli  aber 
der  Gemahl  der  Tochter  des  Kaisers  oder  Königs,  naclulem 
er  mehrere  von  einem  feindlichen  Fürsten  gestellte  Fragen 
und  Aufgaben  gelöst  hat.  Das  hürkanische  M.  stimmt  inso- 
fern besonders  mit  dem  serbischen,  als  in  ihm  der  Jüngling 
Nachts  aus  seinem  Gefängnis  in  das  Gemach  der  Tochter  des 
Sultans  geht  und  ihre  Liebe  gewinnt  und  so  sie  fernerhin 
Naclits  besucht;  in  dem  ungarischen  und  dem  rumänischen 
bringt  die  Prinzessin  dem  eingesperrten  oder  eingemauerten 
Jüngling  Nachts  Nahrung. 


:!0.    Aiiiia'rkun>;L'n   zu  Y.  Jagic  ^h•.  83     3»;.  43]^ 

Wie  in  dem  serbischen  M.  der  -lüngling  einen  \\'urt"s[)ie8S 
über  die  Stadtmauer  wirft,  so  zieht  in  dem  von  Stier  über- 
setzten ungarischen  M.  der  eingemauert  gewesene  -lüngling 
einen  von  dem  Tatarenkönig  in  die  Mauer  desSchh)Sses  geschlen- 
derten ungeheuren  Pfeil  heraus  und  schleudert  ihn  ins  Ta- 
tare nlager  zurück. 

Zu  dem  zweiten  Teil  des  serl)ischen  M.  (die  Lösung  der 
v(ui  den  Türken  gestellten  Aufgaben  mit  Hilfe  des  Hörers, 
des  Läufers,  des  Werfers,  des  Essers  und  des  Trinkers)  vgl. 
man  die  von  mir  in  meiner  Anmerkung  zu  Gonzenbach  Nr.  74 
und  im  flahrbuch  für  romanische  und  englische  Litteratur  1'2, 
412  besprochenen  !\1.,  ferner  Asbjörusen,  NorskeFolke-Eventyr, 
Nr.  79,  Friis,  Lappiske  Kventyr  og  Folkesagn,  Nr.  21,  deutsch 
von  Liebrecht  in  der  Germania  15,  1S4,  und  Radioff,  Proben 
4,  460.    [Oben  S.  397.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  6,   168  zu  no.  74.] 

85.  Der  heilig:e  Sabbas  und  der  TeiifeL 

(Yuk).     [=  Kraus   2,  no.   1.33. J 

Vgl.  die  V(»n  mir  bei  Filade,  Contes  populaires  recueillis  ti4i 
en  Agenais.  S.  l.M.  zusammengestellten  M.  Das  serbische 
M.  hat  manches  eigentümliche.  Wie  in  ihm  der  Teufel  von 
einem  Heiligen  überlistet  wird  so  auch  im  wälschtiroler 
(Schneller  Nr.  2:  St.  Johannes  und  der  Teufel).  [Blade  3, 
159  (LSSH),  Carnoy  p.  62,  Sebillot  1,  284;  Trad.  1,  328, 
Rolland  1.  150.  Revue  des  langues  rom.  2S.  47,  Webster  p.  43, 
Braga  no.  Sl,  Germania  26,  123,  Korrbl.  f.  siebenb.  Landesk. 
]S^6.  i')><.  Krauss  2,  no.  153,  Kristensen  4,  no.  399,  Bondeson. 
Halläudska  sagor  no.  17,  p.  70:  Sv.  fs.  no.  47,  Nvrop.  Sv. 
landsm.  2,  CVl.  Certeux-Carnoy    1.  55  f.] 

36  (Stefanovic  1871  no.  1).   Ein  Vater  und  seine  zwei  Söhne. 

[^^   Kraiisö  2,  uo.   (51.] 

Zu   dem   letzteren  M.  [Stojanuvic  no.   13]  vgl.    das   mäh-  18 
risch-walachische    M.    (aus    Kuldas    Sammlung)    bei    Weuzig. 
Westslavisclier  Märchenschatz,  S.  86,  wo  der  Freund  des  von 
seinen    verheirateten    Töchtern     schlecht     behandelten    Alten 
diesem  bei  dem  auf  seinen  Rat  veranstalteten  Gastmahl  eine 


43'2  Zur  Märchenforschung. 

Truhe  bringt,  die  angeblich  voll  (iekl,  in  der  That  aber  voll 
Seherben  ist,  und  die  bekannte  Geschichte  vom  Kolben  im 
Kasten.    (H.  Oesterley  zu  Pauli,  Sehini[)f  und  Ernst,  Kap.  485.) 

•H  (Stef.  H).    Radovan  und  Slavojka. 
j9  38  (Stef.  4).    Die  Hirten  und  das  alte  Weib. 

39  (Stef.  ;-)).    Die  Ooldkeller. 

21  Man  vgl.  [Pio  no.  10,  S.  159  =  Misotakis  S.  71,  Hahn 
no.  45,  Prym-Socin  no.  32,  Kremnitz  no.  6  (statt  Augen  Seele 
von  den  Elfen  geraubt)]  ferner  folgende  M.: 

1.  Serbian  Folk-lore.  Populär  Tales  selected  and  trans- 
lated  by  Madam  Csedomille  Mijatovics^),  London  1874,  S.  248 
bis  55:  The  Dream  of  the  Kings  Son,  aus  den  in  Sissek  er- 
schienen bosnischen  Volksmärchen  —  s.  (d)en  Bd.  1,  S.  268, 
Nr.  6  —  übersetzt.  In  diesem  Märchen  müssen  drei  Königs- 
söhne eines  Morgens  ihrem  Vater  ihre  Träume  erzählen.  Der 
Jüngste,  der  geträumt  hat,  er  habe  sich  seine  Hände  ge- 
wasciien  und  dabei  hätten  seine  Brüder  ihm  das  Waschbecken 
und  seine  Mutter  das  Handtuch  gehalten,  der  König  aber  habe 
ihm  das  Wasser  ül)er  die  Hände  gegossen,  wird  wegen  dieses 
Traumes  von  seinem  erzürnten  Vater  Verstössen.  Er  findet 
in  einem  Wald  in  einer  Höhle  einen  blinden  Alten,  bei  dem 
er  bleibt  und  das  Essen  besorgt,  während  der  Alte,  auf  einer 
grossen  Ziege  reitend,  seine  Ziegenherde  auf  die  Weide  treibt. 
Eines  Tags  aber  bleibt  der  Alte  zu  Hause  und  schickt  ihn 
auf  die  Weide,  nachdem  er  ihn  gewarnt  hat,  den  neunten 
Berg   zu   betreten,    sonst  würden    die  Vilen   ihm   die   Augen 

22  herausnehmen,  wie  sie  ihm  selbst  gethau.  Der  Königs-jsohn 
betritt  natürlich  trotztlem  den  neunten  Berg,  und  alsbald 
umringen  ihn  die  Vilen.  Er  schlägt  ihnen  vor,  mit  ihm  um 
die  Wette  über  einen  Baum,  den  er  gespalten  und  in  dessen 
Spalt  er  einen  Keil  gesteckt  hat,  zu  springen,  und  wenn  sie 

')  So  heisst  die  Dame,  eine  geborne  Engländerin,  nicht  Mijatovies^ 
wie  auf  dem  Haupttitel  und  auf  der  Kückseite  des  Schmutztitels  ge- 
druckt ist. 


3(>.    Aiiiiiorkiuiü-iii   zu  y.  Jjmic   Xr.  H7 30. 


433 


uiclit  diwiWn'v  spriiiy,.,!   k.iimt.'ii.  s,.llteii  sie  ilmi  seine  Alicen 
lassen.      Die    Vileii    sind    dazn    l.ereit.    und    es    oeli„gt    ihm, 
gleich    die    erste    Vila.     wie    sie    über    den     Banm    .springen 
will,    durch    das   Herausschlagen    des   Keils    in   den    Spalt ''zu 
klemmen,   und    er  lässt  sie  nur  unter   der  Bedingung   wieder 
frei,  dass  er  seine  Augen  behalten   darf  und  dass  der  blinde 
Alte  wieder  sehend  werde.     Die  Vilen  geben  ihm  ein  Kraut, 
wodurch  der  Alte  sein  Gesicht  wieder   erhält.     Am   nächsten 
Morgen   giebt   der    Alte,    ehe    er   auf  die    Weide    geht,    dem 
Königssohn    die  Schlüssel    zu  acht  Kammern  der  Höhle,   ver- 
bietet ihm  aber   die   neunte,    über   deren   Thür   der  Scldüssel 
hängt,    zu    öffnen.      Trotzdem    öffnet    der    Königssohn    diese 
Kammer    und    findet    darin   ein    goldenes   Ross.    ein   goldenes 
Windspiel    und    eine    goldene   Henne    und    goldene    Küchlein. 
Kr   flielit    auf   dem    Ross    und   nimmt  Windspiel,    Henne    und 
Küchlein  und  ausserdem  —  auf  Geheiss  des  Rosses  —  einen 
Stein,  etwas  Wasser  und  eine  Schere  mit.    Der  Alte    verfolgt 
ihn  auf  seiner  grossen  Ziege,  und  der  Königss.dm  muss  des- 
halb auf  Gehei.ss  des  Ro.sses  den  Stein.    (hi.s~Wa.sser   und   die 
Schere    nacheinander    auswerfen.     Aus    tleni    Stein    wird    ein 
Berg  und  aus  dem  Wasser  ein  Strom,  wodurch  der  Alte  auf- 
gehalten wird,   an  der  hingeworfenen  Schere  aber   vei-wundet 
sich  die  Ziege,  und  der  Alte  mu.ss  deshalb  seine   Verfolgung 
aufgeben.     Er   ruft    dem  Königssuhn    zu.    er   möge   zwei  Esel 
kaufen  und  mit   deren  Haut  Ross   und  Hund   verhüllen,    weil 
man  ihn  sonst  ihretwegen  töten  würde.    Henne  und  Küchlein 
hat  der  Königssohn  in  einen  Sack  gesteckt.    Er  kcmmt  end- 
lieh unerkannt  in  das  Reich  seines  Vaters.    Dieser  hatte  einen 
breiten  und  tiefen  Graben  graben  lassen  und  die  Hand  seiner 
Tochter    dem    versprochen,    der   mit   seinem    Ross    über    den 
Graben   setzen   würde,    aber   niemand   hatte    dies    bisher,    ob- 
schon  bereits  ein  Jahr  verflossen  war.    gewagt.     Der  Königs- 
sohn führt  den  Sprung  aus,  aber,  da  er  äi-mlich  gekleidet  Ist 
und  sein  Ross  ein  Esel  zu  sein  scheint,   lässt   ihn   der  König 
mitsamt  Ross  und  Hund  in  den  tiefsten  Kerker  werfen.    Anl 
nächsten  Morgen  finden  die  ausgeschickten  Diener  anstatt  des 
armen  Mannes    und    des  Esels   einen  .schöngekleideteii    Jung- 

R.  Köhler,   Kl.  Schriften  I.  28 


434  ^^^^  Märclieiiforscliung. 

ling  und  die  goldenen  Tiere  im  Kerker.  Der  König  holt  ihn 
selbst  aus  dem  Kerker  und  giesst  ihm  AVasser  ülier  seine 
Hände,  während  die  Königin  das  Handtuch  und  die  Prinzen 
das  Waschbecken  halten.  „Jetzt  ist  mein  Traum  erfüllt!'-'  ruft 
der  Königssohn  und  giebt  sich  zu  erkennen  ^). 

2.  J.  T.  Naake,  Shivonic  Fairy  Tales,  London  1(S74, 
S.  232 — 37:  The  Wicked  Wood-Fays  (From  the  Bohemian). 
Hier  tritt  ein  armer  Knabe  Yanechek  (Janitschek)  bei  einem 
Alten  ohne  Augen  in  Dienst  als  Ziegenhirt.  Der  Alte  ver- 
bietet ihm  die  Ziegen  auf  einen  gewissen  Hügel  zu  treiben, 
da  dort  die  „flezinky"  (Wicked  Wood-F'ays)  zu  ihm  kommen 
und  ihm  im  Schlaf  die  Augen  ausreissen  würden,  wie  sie 
einst  dem  Alten  es  gethan.  Janitschek  treibt  aber  doch  die 
Ziegen  auf  den  Hügel,  und  dort  erscheinen  ihm  nacheinander 
drei  schöne  Mädchen.  Er  verschmäht  den  Apfel,  den  ihm 
die  eine  zum  Essen,  und  die  Blume,  die  ihm  die  andere 
zum  Riechen  bietet,  weil  er  weiss,  dass  er  dann  einschlafen 
würde,  und  als  ihn  die  dritte  kämmen  will,  zieht  er  einen 
verborgen  gelialtenen  Zweig  von  einem  Dornbusch  hervor 
und  schlägt  sie  damit  auf  die  Hand,  wodurch  sie  nicht  von 
der  Stelle  kann,  und  bindet  ihr  die  Arme  damit.  Dasselbe 
thut  er  mit  den  beiden  anderen  auf  ihr  Geschrei  wieder- 
kommenden Mädchen.  Dann  holt  er  den  Alten  herbei  und 
fordert  von  den  AValdmädchen  dessen  Augen.  Die  älteste 
führt  ihn  in  eine  Höhle,  wo  ein  Haufe  Augen  liegt,  und  giebt 
23  ihm  ein  Paar.  Aber  als  er  sie  dem  Alten  einge-|setzt  hat, 
ruft  dieser:  „Das  sind  nicht  meine  Augen,  ich  kann  nur  Eulen 
sehen!"  Janitschek  warft  das  Mädchen  ins  Wasser  und  erhält 
dann  von  dem  zweiten  zwei  Augen,  nach  deren  Einsetzung 
der  Alte  erklärt,  er  könne  nur  Wölfe  sehen.  Auch  dies 
W'aldmädchen  wird  von  »lanitschek  ins  Wasser  geworfen.  Mit 
den  Augen,  die  ihm  nun  das  jüngste  Waldmädchen  giebt, 
kann  der  Alte  nur  Hechte  sehen,   und  deshalb    soll  auch  sie 


')  In  Bezug  auf  den  Inlialt  des  Traums  des  Königssohnes  vergl. 
man  die  von  mir  in  der  Melusine  1,  384  [oben  S.  145]  zusammen- 
gestellten M.     (Man  beachte  dazu  die   „Errata"  auf  S.  592.) 


HO.    Anmerkungen   zu  Y.  Jagic  Xr.  39.  435 

ins  Wasser  geworfen  werden,    aber  sie  bittet  nm  (imule  und 
giebt  dem  Alten  seine  richtigen  Augen  wieder. 

3.  Schott,  AValachische  Märchen  Nr.  10.  In  diesem 
übrigens  nicht  hierher  gehörigen  M.  ^)  kommt  folgende  Epi- 
sode vor,  die  ohne  weiteres  herausgenommen  werden  kann: 
Der  Held  des  Märchens,  Petru,  kommt  zu  einer  blinden 
Alten,  deren  Schafe  er  hütet.  Trotz  ihrer  Warnung  vor  einer 
AValdschlucht,  in  der  die  Drachen  bansen,  die  ihr  das  Augen- 
licht geraubt,  treibt  er  doch  die  Schafe  dahin  mnl  bläst  auf 
seiner  Hirtenpfeife.  Die  Drachen  kommen  heran  nnd  bitten 
ihn,  sie  auch  so  schön  blasen  zu  lehren.  Er  verspricht  dies 
zu  thun,  spaltet  eine  Eiche,  klemmt  einen  Keil  hinein  und 
heisst  dann  die  Drachen  ihre  Krallen  in  den  Spalt  stecken, 
indem  er  vorgiebt,  sie  würden  dann,  so  wie  sie  auf  ein  ge- 
gebenes Zeichen  die  Klauen  wieder  herauszögen,  eben  so  gut 
wie  er  die  Pfeife  spielen  können.  Die  Drachen  stecken  ihre 
Klauen  in  den  Spalt,  Petru  zieht  den  Keil  heraus  und  zwingt 
die  so  gefangenen  Drachen  ihm  zu  sagen,  wie  die  Alte  ihr 
Augenlicht  wiedererhalten  kann.  Sie  muss  sich  dreimal  in 
einem  nahen  Milchteich  die  Augen  waschen. 

4.  Miklosich.  Zigeuner- Märchen,  Nr.  '2.  In  diesem  M., 
einer  Variante  zu  dem  eben  angeführten  walachischen,  kommt 
der  Held  zu  einem  blinden  Alten  und  seiner  ebenfalls  blinden 
Frau,  deren  zehn  Schafe  er  weiden  soll.  Der  Alte  warnt  ihn, 
nach  rechts  auf  den  Acker  der  „Zene^'  zu  treiben,  da  sie  ihm 
Sdiist  auch  wie  den  Alten  die  Augen  herausreissen  würde. 
Am  dritten  Tag  treibt  er  doch  auf  den  Acker  der  Zene  und 
bläst  auf  seiner  Fbite.  Eine  Zena  kommt  und  fragt  nach 
seinem  Spiel.  Plötzlich  zerbricht  er  mit  seinen  Zähnen  die 
Flöte,  als  die  Zena  gerade  im  besten  Tanzen  ist.  Um  an- 
geblich eine  neue  Flöte  zu  machen,  geht  er  mit  der  Zena  zu 
einem  Ahornbaum,  haut  mit  einem  Beil  hinein  und  fordert 
sie  auf.  aus  dem  Spalt  das  Mark  herausholen.  Als  sie  ihre 
Hand  hineingesteckt  hat,  zieht  er  das  Beil  heraus,  und  sie 
ist  gefangen.    Er  zwingt  sie  nun  ihm  zu  sagen,  wo  die  Augen 


')  Es  ist  eine  Variante [^zu  unserer  Nr.  42  unten. 

28* 


436  2"*'  Märelienforschung. 

der  beiden  Alten  sind  und  wie  sie  ihnen  wieder  eingesetzt 
werden  müssen.  Als  die  Alten  ihre  Augen  wieder  haben, 
reiten  sie  auf  einem  IJoek  und  auf  einem  Schaf  zu  ihren  Ver- 
wandten. 

AVenn  in  unserem  serbischen  M.  der  Alten  ein  Katzen- 
auge eingesetzt  wird,  so  miisste  nach  Analogie  des  tschechi- 
schen und  anderer  sonst  verwandter  M.,  in  denen  Menschen 
Tieraugen  statt  Meuscheuaugen  eingesetzt  werden  ^).  die 
Alte  eigentlich  irgendwie  merken,  dass  sie  ein  Tierauge  er- 
halten hat. 

Es  ist  auch  noch  an  eine  Episode  eines  teleutischen  M. 
bei  Radloft"  1,  31  ff.  zu  erinnern.  Hier  kommt  der  Held  zu 
einem  blinden  alten  Ehepaar.  Trotz  der  Warnung  des  Alten 
reitet  er  auf  dem  grossen  Weg  nach  Sonnenuntergang  und 
trifft  den  Unhold  Ker  Jutpa,  den  er  tötet  und  in  dessen 
Innerem  er  unter  anderem  einen  silbernen  Kasten  findet.  In 
dem  Kasten  liegen  die  Augen  der  beiden  Alten,  und  er  setzt 
sie  ihnen  wieder  ein. 

40  (Stef.  6).    Der  türkische  Pascha  und  der  dum  nie  Peter. 

26  Vergl.   dazu   meine   Bemerkungen  im  Orient  u.  Occident 

•2,  ()(SHf.  [=  oben  S.  ■2()"2],  im  Jahrbuch  für  romanische  und  eng- 
lische Literatur  8,  250  [oben  S.  32()],  in  der  Melusine  1,  473 
[oben  S.  141)]  und  in  der  Zeitschrift  für  romanische  Philologie 
3,  156 f.  und  die  E.  Cos(|uins  in  der  Romania  7.  558  ff",  (zum  36. 
seiner  lothringer  Märchen).  Den  Parallelen  ist  noch  hinzu- 
zufügen Imbriani,  La  Novellaja  fiorentina.  Nr.  48.  [Ortoli  204. 
Visentini  no.    11.] 

Wenn  am  Schluss  unseres  Märchens  die  Käuber  sich 
zählen  u.  Peter  sich  dabei  auslässt  u.  s.  w.,  so  vergleiche 
man  meine  Anmerkung  in  der  Zeitschrift  für  romanische 
Philologie  3,  312  f.  zu  einem  in  der  Romania  S,  252  mit- 
geteilten picardischen  Märchen  (S.  313,  vorletzte  Zeile, 
lies:   „die  Third  Series  seiner  Sammlung'')  [=  obeu  S.   112  f.]. 


')   Vgl.  Grimm  KHM  jS'r.    lls    und  <lie   Anmerkung  dazu   und  Mai- 
lath,  Magyarische  Sagen   u.  s.  w.  "J,  2\'2. 


30.    Anmerkungen  zu  A'.  Jayic  Nr.  :5!i— 43.  437 

Wenn  iu  dem  M.  der  Sammlung  des  Prof.  Valjavec  der 
Diener,  der  den  Laib  Brot  ganz  zurückbringen  soll,  das 
Weiche  aus  der  Mitte  herausschneidet,  die  Rinde  aber  ganz 
nach  Hause  bringt,  so  vergleiche  man  A.  Coelho,  Contos 
populäres  portuguezes,  IJsboa  1S70,  Nr.  28  (Kinder  dürfen 
ein  Brot  essen,  aber  nicht  zerschneiden)  und  E.  Veckenstedt^ 
Wendische  Sagen,  S.  161,  171  und  218  (die  Kuchen  der 
Ludki    dürfen    gegessen   werden,    sollen   aber  ganz  bleiben). 

41  (Stef.  S\    Draacojlo  imd  Dragaiia. 

[^  Krauss  2,  nu.   84,] 

Zu  der  Erwerbung  des  Wunscli  tuches  vgl.  unten  [S.  440]  27 
Nr.  47  und  die  Anerkennung  dazu. 

Wenn  dann  Hund  und  Katze  das  gestohlene  Tuch  wieder 
erlangen,  es  [Dozon  p.  220  u.  no.  10.]  aber  auf  dem  Rück- 
wege ins  Meer  fallen  lassen,  so  vgl.  Hahn,  Griechische  M., 
Nr.  0.  Radlotf,  Proben  1.  85  u.  3,  895,  Schneller,  M.  aus 
Wälschtirol.  Nr.  44.  A.  Coelho,  Contos  populäres  portuguezes, 
Nr.  17.  Absjörnsen.  Norske  Eolke-Eventyr.  Nr.  83.  endlich 
auch  die  feruestehende  13.  Erzählung  des  Siddhi-kür.  [Brug- 
man  no.  29.   Leger  no.   15,  oben  S.  39s  no.   14.] 

42  (Stef.  9).     Sisan-Mazan  und  der  Ellenbart-Spaiiuelioch. 

Zu  vorstehenden  M.  verweise  ich  auf  meine  Anmer-  3a 
kungen  zu  zwei  italienischen  Märchen  im  Jahrbuch  für  ro- 
manische Litteratur,  7.  24  ff.,  und  8,  246  [oben  S.  292  u.  32(5], 
zu  Gonzenbach  Nr.  58  [Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  6,  163]  und  zu 
Schiefners  Awarischen  Texten  Nr.  2,  und  auf  E.  Cosquins 
Anmerkungen  zu  Nr.  1  und  52  seiner  Contes  populaires 
lorrains  in  der  Romania  5,  87  ff.  und  8.  5S3  ff".  [Krauss  2, 
no.   139]. 

Sehr  bemerkenswert  ist  im  M.  von  Sisan-Mazan  die  mit 
drei  Seelen  begabte  Mutter,  die  ihre  Seelen  ihrem  auf  wunder- 
same AVeise  entseelten  Sohn  und  dessen  Gefährten  einhaucht. 

48  (Stef.  10).   Ein  kupferner,  silberner  und  goldener  Baum. 

Vgl.  ein    von  F.  Ubert  im  Ausland    1857,  S.    1028,  mit-  33 
geteiltes    rumänisches    M.    aus    Siebenbürgen.    In  diesem  M. 


438  '^ui'  MärcUenforscliung. 

verspricilt  ein  K(inig  demjenigen,  der  aus  der  Krone  eines 
bis  in  die  Wolken  reichenden  Baumes  ein  Blatt  herabhole, 
seine  Tochter  und  die  Hälfte  seines  Reiches.  Ein  gewisser  Mann 
gelaugt  durch  eine  wunderbare  goldene  Axt,  die  er  als  Knabe  von 
Christus  geschenkt  bekommen  hat  und  die  ihn,  nachdem  er 
sie  in  den  Baum  gehauen  und  sich  an  dem  Stiel  mit  beiden 
Händen  fest  gehalten  hat,  emporzieht,  in  die  Krone  des 
Baumes,  wo  er  in  einem  Schloss  eine  schöne  Jungfrau  findet. 
Er  bringt  dem  König  drei  Blätter,  heiratet  aber  nicht  die 
Königstochter,  sondern  jene  Jungfrau.  [Üeber  die  Reihe  Kupfer, 
Silber,  Gold  oben  S.  .  .  no.  5.| 

44  (Stef.  11).    Ein  redemies  Schaf. 

34  Dies  M.  ist    zum   grössten  Teil  folgenden  M.  von  einem 

in  ein  Lamm  oder  Schaf  oder  Reh  verwandelten  Bruder  und 
einer  Königin  gewordenen  Schwester  sehr  ähnlich:  Gonzen- 
bach  Nr.  48  und  49,  De  Gubernatis,  Novelline  di  Santo 
Stefano,  Nr.  11,  Bernoni,  Fiabe  jxtpolari  veneziane,  Nr.  2, 
Corazzini,  1  componinienti  minori  della  letteratura  popolare 
italiana,  S.  44H,  Hahn,  griechische  M.,  Nr.  1,  (irimm,  KHM., 
Nr.  11.  Auch  ein  bretonisches,  von  Luzel  in  der  Melusine 
1,  41i)  mitgetheiltes  M.  „Les  neuf  freres  metamorphoses  en 
nioutons  et  leur  soeur"  ist  zu  vergleichen  [Zs.  d.  V.  f.  Volks- 
kunde 0,  77]. 

45  (Stef.  1-2).    Die  Plejaden. 

36  Dem  M,  aus  Voca  steht  ganz  nahe  das  von  Frau  Mijatovics, 
Serbian  Folk-Lore,  S.  123  ff.  aus  der  Sisseker  Sammlung 
übersetzte  M.   „Sir  Peppercorn'-'. 

46  (St(f.   13).     Abermals  die  Plejaden. 

37  (Vgl.  die  von  Benfey  im  Ausland  1858,  Nr.  41  ff 
[=1  Kleinere  Schriften  3, 94],  von  mir  im  Jahrbuch  für  romanische 
u.  engl  Litteratur  7,  30  [oben  S.  298]  und  von  A.  Wesselofsky 
in  seiner  Ausgabe  von  Giovanni  da  Prato,  11  Paradiso  degli 
Alberti,  Vol.  1,  Parte  2,  S.  238— 2C0,  zusammengestellten  M., 
und  ausserdem  Gonzeubach  4."),  Pitre  1,  19(;  (II  Mago  T;iragna) 
und  197  (Isette  fratelli),  Gomparetti,  Novelliiu'  popohiri  italiani. 


30.    Anmerkungen  zu  V.  Jagic  Nr.  -13-^-16.  439 

Nr.  19,  Tendlaii,  Fellmeiers  Abende,  Fraukf.  a.  M.  l<sr)6, 
S,  16,  Griiiultvig,  Daiiske  Folke-Eveutyr,  Nr.  17,  uiul  Bastian, 
Geograpliisclie  iiiid  etlmologische  Bilder,  Jena  1873,  S.  265 
(aus  einer  siamesischen  Märcliensammlnng)  [oben  S.  389  no.  8. 
Krauss  1,  no.  3'2.  33,  Aelriov  l'ßdü,  Luzel,  Contes  pop.  3,  312, 
Sebillot  Contes  p.  1  no.  8,  Dozon  no.  4,  Pio  212  =  Misotakis 
S.  20,  Pitre,  Nov.  pop.  tose.  no.   10.] 

Dem  Drachen  mit  der  feinen  Spürnase  in  dem  serbischen 
M.  entspricht  [in  den  .parallelen  M.  ein  Mensch,  der  dnrch 
scharfen  Geist  oder  dnrch  scharfes  Gehör  oder  Gesicht  oder 
durch  Rechenkunst  (im  (Siddhi-kür)  oder  Astrologie  oder 
Zauberei  oder  Kenntnis  der  Vogelsprache  (bei  Morlini, 
Straparola,  Basile)  oder  durcli  eine  Brille  (im  jüdischen  M. 
iru  -hilirbuch  7,  33  und  'bei  Tendlau)  entdeckt,  wo  die  ge- 
raubte Jungfrau  sich  befindet. 

Ein  Meisterschütze  und  ein  Meisterdieb  kommen  in  den 
meisteil  parallelen  M.  vor. 

Wie  im  serbischen  M.  der  eine  Drache  ein  ausgezeichneter 
Maurer  ist,  der  einen  festen  Turm  rasch  baut,  so  kann  in 
dem  sicilianischen  M.  der  eine  Bruder  mit  einem  Faustschlag 
(Gonzenbach)  oder  „appuntando  lil  dito  sul  pavimento" 
(Pitre  S.  19S)  einen  eisernen  oder  ehernen  Turm  hervor- 
bringen. 

Dem  Drachen,  der  im  Fangen  unübertroft'en  ist.  ent- 
spricht im  russischen  M.  bei  Dietrich  S.  33  der  Bruder,  der 
einen  von  seinem  Bruder  geschossenen  Vogel  aufzufangen 
versteht,  und  im  jüdischen  der  Bruder,  der  mit  der  Rechten 
einen  Mühlstein  so  hoch  in  die  Luft  werfen  kann,  dass  ihn 
niemand  melir  sieht,  und  ihn  mit  der  Linken  wieder  auf- 
fängt. 

Sehr  merkwürdig  ist  die  Aehnlichkeit  des  Schlusses  des 
dänischen  M.  bei  Grundtvig  a.  a.  0.  mit  unserm  serbischen. 
Der  König  wusste  nicht,  welchem  der  sechs  Brüder  er  die 
Prinzessin  geben  sollte,  und  auch  die  Prinzessin  |  wusste  nicht,  ös 
welchen  sie  vorziehen  sollte.  „Da  aber  unser  Herr  (iott 
nicht  wollte,  dass  unter  den  Brüdern  Zwietracht  entstände, 
so    Hess   er  alle   sechs   Brüder  und    die   Prinzessin    in    einer 


440  ^ur  Märchenforschung. 

und  derselben  Nacht  sterben  und  nalim  sie  und  setzte  sie  als 
Sterne  an  den  Himmel.  Es  ist  das  sogenannte  Siebengestirn. 
Der  Stern,  der  am  hellsten  glänzt,  ist  die  Prinzessin,  aber 
der  matteste  ist  der  Meisterdieb." 

47  (Stef.  14).    Der  Schulkiiabe  und  die  junge  Schlange. 

40  Vgl.    insbesondere  Hahn,    (Iriechisclie  M.,   Xr.  i>,    ferner 

Sciineller,  M.  aus  Wälscbtirol,  Nr.  44.  Asbjornsen,  Norske 
F(dke-Eventyr.  Nr.  63,  Grundtvig,  Danske  Folke-Eventyr,  2, 
Nr.  3  und  ein  Märchen  aus  dem  Akwapim-Lande  in  Peter- 
manns Mitteihmgen  1856,  S.  470.  [Vgl.  (tben  S.  398  zu 
Alban.  M.  no.  14,  Veckenstedt  S.  147,  Pogatschnigg  no,  5, 
(Friis  no.  "JO  =  Poestion  no.  "23),  Dozon  no.  9  u.  10  u.  S.  219, 
Brugmaii  iio.  29].  In  allen  diesen  M.  kommt  ein  Jüngling 
in  den  Besitz  eines  Zauberringes  oder  eines  anderen  ma- 
gischen Gegenstandes,  erlangt  mit  Hilfe  desselben  die  Hand 
einer  scliönen  vornelimen  Jungfrau,  meist  einer  Königstochter, 
verliert  dann  durcli  die  Treulosigkeit  seiner  Frau  den 
Talisman,  gewinnt  ihn  aber  endlicli  wieder.  Von  diesen 
M.  unterscheideil  sich  das  bekannte  M.  der  Tausend  und 
einen  Nacht  von  Aladdin  uiul  der  Zauberlampe  uml  dessen 
zahlreiche  europäische  Seitenstücke,  die  ich  hier  nicht  auf- 
zählen will,  dadurch,  dass  in  iinien  die  Frau  des  Helden 
niclit  untreu  ist  und  dass  er  den  Talisman  nur  infolge  ihrer 
Unkenntnis  oder  ihrer  Unül)erlegtheit  oder  ganz  (dine  ilire 
Schuld   verliert. 

In  dem  griechischen  M.,  welches  unserem  serl)isclien  be- 
sonders nahe  steht,  hat  ein  Junge  eine  Schlange  vom  Tode 
errettet,  und  sie  fordert  ihn  auf,  sie  zu  ihren  Eltern  zu 
bringen  und  von  ihrem  Vater  zum  Lohn  dessen  Siegelring 
zu  verlangen.  Wenn  man  an  dem  Siegelring  leckt,  so  er- 
scheint ein  schwarzer  Mann  und  führt  jeden  Befehl  aus. 
Als  der  Jüngling  durch  seine  Mutter  beim  König  um  die 
Hand  seiner  Tochter  anhalten  lässt.  muss  er  ein  Schloss 
bauen,  das  grösser  ist,  als  das  des  Königs,  und  dann  die 
Strasse  zwischen  beiden  S(,'hlössern  mit  Ciold  pflastern.  Seine 
Gemahlin  entlockt  ihm  später  sein  Geheimnis,  entwendet  ihm 


HO.    Aiiincrkungen   zu  Y.  Jagic  ^'r.   47 — 4.s.  441 

dann  den  Ring  und  flielit  mit  einem  Schwarzen,  den  sie  liebt, 
auf  eine  Insel  im  Meer.  Die  Art,  wie  der  junge  Mann  den 
Ring  wiedererlangt,  ist  durchaus  versdiieden  von  unserem 
serbischen  Märchen,  welches  in  diesem  Teil  auch  von  allen 
anderen  oben  angeführten  M.  sich   unterscheidet. 

Wenn  in  unserem  und  dem  griechischen  M.  der  -liing- 
ling  auf  Anweisung  der  geretteten  jungen  Schlange  sich  von 
dem  Schlangenkönig,  ihrem  Vater,  den  Zauberring  als  Be- 
bdinung  tM'bittet,  so  vergl.  man  dazu  den  Anfang  von  Nr.  41. 
[Steel-Temple  no.  '2H].  In  einem  anderen  griechischen  Märchen 
(Ausland  18H'2,  Nr.  61,  S.  24l')  verlangt  eine  Schlange,  die 
ein  Mann  vom  Tode  gerettet  und  ins  Reich  der  Sclilangen 
gebracht  hat,  von  ihrer  Mutter,  der  Schlangenkönigin,  einen 
Wunderring  für  ihren  Retter.  In  einem  Swahili-M.  I»ei  Steere, 
Swahili-Tales.  S.  408  rettet  eine  junge  Frau  eine  Schlange 
vom  Tode  und  erbittet  sich  dann  auf  ihre  Anweisung  v(ni 
deren  Vater  den  Wunschring.  Vgl.  auch  noch  Schiefner, 
Awarische  Texte.  S.  W  (aus  dem  Kandjur)  |^  Ralstim,  Ti- 
betan  Tales  no.  ö]  und  Radlotf.  Proben.  1.  88  u.  4,   16-_>. 

48.    (Stef.  15).    Ylatko  und  der  djinkbare  Tote. 

Vgl.  das  von  mir  in  A.  Sclii(^fn(n"s  Uebersetzung  im  43 
(h'ient  uiul  Occident  8.  -Ki  [=  oben  S.  -l]  mitgeteilte  gross- 
russische M.  aus  Chudjakows  Sammlung  M.  ein  Zigeuner-M. 
bei  Paspati.  Etudes  sur  les  Tschinghianes  ou  Bohemiens  de 
1  Empire  Ottoman,  S.  200,  und  ein  armenisches  in  Haxt- 
hauseiis  Transkaukasia.  1,  S^o  (auch  ])ei  Benfey,  Pantscha- 
tantra.   1.  21i>  und  in  Pfeiffers  Germania  8.  •202). 

In  dem  grossrussis(  hen  M.  zieht  Hans  mit  HOO  Ru- 
beln in  die  Welt.  In  (Muer  Stadt  sieht  er,  wie  einem  ge- 
fangenen ungläubigen  die  Adern  ausgezogen  werden.  Er 
kauft  ihn  für  seine  HOO  Rubel  los,  führt  ihn  zu  einem  Priester 
und  lässt  ihn  taufen.  Am  dritten  Tag  stirltt  der  Unglück- 
liche   an    seinen    Wunden,    nachdem    er    gebeichtet   und   das 


^)  Auf    die    eigeutüinliche  sibirische   Gestaltung    des  russischen  M. 
in  Radlotfs  Proben  1,  329,  brauchen  wir  nicht  einzugehen. 


442  2ur  Märchenforschung-. 

Abendmahl  empfangen  hat,  und  wird  mit  allen  Ehren  be- 
graben. Hans  zieht  weiter  und  sieht  mit  einem  Mal  einen 
Engel,  der  vom  Himmel  herabkommt  und  sich  ilim  nähert. 
Der  Engel  bietet  sieh  Hans  als  Oheim  an:  was  sie  erwerben, 
wollen  sie  teilen,  und  Hans  solle  thun,  was  er  ihm  befehle. 
Sie  kommen  in  eine  Stadt.  Hans  geht  auf  den  Markt,  um 
sieh  als  Arbeiter  zu  verdingen.  Der  König  siebt  ihn  und 
fragt  ihn,  ol»  er  sein  S(  hwiegersohn  werden  wolle.  Hans  ist 
dazu  bereit,  nachdem  er  den  Oheim  erst  gefragt  hat.  AVie 
die  Leute  sagen,  hat  die  Königstochter  schon  sechs  Männer 
gehabt  und  alle  erwürgt.  Die  Hochzeit  wird  gefeiert,  und 
als  das  Paar  in  das  Scblafgemach  geht,  legt  der  Oheim  sich 
an  der  Schwelle  nieder.  Als  das  Paar  eingeschlafen  ist, 
kommt  ein  Drache  geflogen,  und  der  Oheim  schlägt  ihm  mit 
dem  Säbel  das  Haupt  ab.  Nach  zwei  Monaten  will  Hans 
seine  Heimat  besuchen.  Unterwegs  kebren  sie  in  einem 
Räuberbaus  ein,  aber  der  Oheim  erschlägt  und  verjagt  in 
der  Nacht  die  Räuber,  und  am  Morgen  finden  sie  viel  (lold, 
welches  sie  mitnelimen.  Als  sie  an  die  Stelle  kommen,  wo 
der  Oheim  dem  Hans  zuerst  erschieuen  war,  sagt  der  Oheim, 
sie  mttssten  sich  nun  trennen,  und  da  sie  ausgemacht  bätten, 
alles  zu  teilen,  wollten  sie  auch  die  Frau  teilen.  Er  zersägt 
die  Frau  in  zwei  Hälften,  und  aus  ihrem  Innern  kommen 
junge  Drachen  geflogen.  Er  reinigt  und  wäscht  die  Fin- 
geweide der  Frau  und  l)esprengt  sie  mit  AVasser,  worauf 
sie  wieder  lebendig  dasteht.  Er  erklärt  dann  dem  Nefit'en, 
dass  er  ihn  auf  allen  AVegen  und  Stegen  bescliützt  habe,  weil 
er  ihm  gehorsam  gewesen  sei.  Danu  nehmen  sie  Abschied 
von  einander.  —  Dass  der  Engel  hier  den  Geist  des  dank- 
baren Toten  vertritt,  ist  klar. 

In  dem  —  nicht  gut  erhaltenen  —  Zigeunermärclien 
sieht  ein  K(inigssohu,  wie  Juden  einen  Toten  ausgegraben 
baben  uml  schlagen,  weil  er  ihnen  12  Piaster  schuldet.  Der 
Königssohn  bezahlt  die  12  Piaster.  Der  Tote  folgt  ihm  und 
bietet  sich  ihm  als  Genossen  an.  p]r  fiihrt  ihn  in  ein  Dorf, 
wo  eine  Jungfrau  ist,  der  schon  mehrere  Männer  in  der 
Hocbzeitsnacbt  gestorben  sind.     Der  Königssohn  hält  mit  ihr 


3U.    Aimierkungon   zu  Y.  Jagic  Nr.   4S.  443 

Hochzeit,  und  der  Tote  geht  mit  ins  Brautgemaeh.  Um 
Mitternacht  sieht  er  einen  Drachen  aus  dem  Munde  der 
—  schlafenden  —  Frau  kommen,  er  zielit  seinen  Degen  und 
sclilägt  ihm  seine  drei  Köpfe  ab.  Sie  kehren  zum  Vater 
des  Königssohnes  zurück.  Sie  teilen  die  erworbenen  Reich- 
tümer, aber  der  Tote  verlangt  an(;Ii  die  Teilung  der  Frau. 
¥jY  ergreift  und  biiidet  sie  und  zückt  seinen  Degen;  sie  öffnet 
den  Mund  und  schreit,  und  aus  ihrem  Munde  fällt  der  Dra(;lie. 
Der  Tote  zeigt  nun  die  von  ihm  abgehauenen  Drachenköpfe, 
giebt  sich  zu  erkennen  und  verschwindet. 

lii  dem  armenischen  M.  findet  ein  reicher  Mann  in 
einem  Walde  Männer,  die  einen  Toten,  der  ihnen  Geld  schuldig 
geblieben,  an  einen  Baum  aufgehangen  haben  und  entsetzlich 
schlagen.  Er  bezahlt  die  Schuld  des  Toten  und  begräbt  ihn. 
Jahre  vergehen,  und  er  veraruit.  Ein  reicher  Mann  bietet  ihm 
seine  Tochter  an.  der  schon  fünf  Männer  in  der  Hoclizeits- 
nacht  gestorben  j  waren.  Er  bittet  um  Bedenkzeit.  Während-  44 
dem  kommt  ein  Mann  zu  ilim  und  bietet  sich  ihm  als  Diener 
an,  er  verlangt  keinen  Lohn  und  keine  Kost,  aber  die  Hälfte 
von  seinem  künftigen  Hab  und  (int.  Sie  werden  einig,  und 
der  Diener  rät  ihm  zu  der  Heirat.  In  der  Hochzeitsnacht  stellt 
sich  der  Diener  mit  einem  Schwert  ins  Brautgemach.  Als 
die  Neuvermählten  eingescldafen,  kriecht  eine  S(dilange  aus 
dem  Munde  der  Braut  hervor,  der  Diener  haut  ihr  den  Kopf 
ab  und  zieht  sie  heraus.  Nacli  einiger  Zeit  verlangt  er  die 
Teilung  alles  Hab  und  (iuts,  auch  der  Frau.  Sie  wird,  den 
Ko[)f  nach  unten,  aufgehangen,  um  von  dem  Diener  mitten 
durch  gespalten  zu  werden.  Da  gleitet  eine  Schlange  aus 
ihrem  Munde  heraus.  Der  Diener  sagt,  es  sei  die  letzte 
Schlange  und  sein  Herr  könne  nun  ohne  Gefahr  mit  seiner 
Frau  leben.  Dann  giebt  er  sich  als  den  Geist  jenes  Toten 
zu  erkennen  und  verschwindet. 

Diese  M.  bihlen  eine  besondere  Gruppe  der  M.  von  dem 
dankbaren  Toten  (s.  oben  [S.  424]  meine  Anm.  zu  Nr.  "21)). 
Wir  ki'iuuen  sie  zum  Unterschiede  von  den  andern  M.  viui 
dem  dankl)aren  Toten  kurz  bezeichnen  als  die  M.  von  dem  Toten 
und   von  der  liraut  mit  den  Schlangen  oder  Drachen  im  Leibe. 


444  ''^iii'  Märclienforsclunig. 

Die  von  dem  dankbaren  Toten  wirklich  ausgeführte  oder 
wenigstens  vorbereitete  Halbierung  der  Frau,  die  wohl 
auch  in  unserem  serbischen  M.  ursprünglich  anzunehmen  ist, 
hat  zum  Zweck,  die  noch  im  Leib  der  Frau  befindlichen 
lebenden  Schlangen  oder  die  kopflosen  toten  Schlangenleiber 
zu  entfernen ').  In  andern  M.  von  dem  dankbaren  Toten 
hat  die  von  ihm  verlangte  Teilung  der  Frau  ein  anderes  Motiv. 
S.  meine  Anmerkung  zu  Gonzenbacli  Nr.  74 '•^).  [Zs.  d.  V.  f. 
Volksk.  6,  16S]. 

Wegen  der  Probe  mit  dem  Apfel  —  in  dem  M.  von 
Vlatko  —  verweise  ich  auf  meine  Anmerkung  zu  Gonzen- 
bach  Nr.  90  und  füge  noch  hinzu  Webster.  Bas(jue  Legends, 
S.  -iO-J.     [Zs.  d.   V.  f.   Volksk.  C,  i)73.1 

49  (Stef.  KV).     Der  Prinz  und  die  drei  Schwäne. 

46  Von  den  zahlreichen  M.,  in  denen  der  Held  einer  dämo- 
nischen Jungfrau,  die  sich  in  einen  Vogel  (meist  Schwan 
oder  Taube)  zu  verwandeln  vermag,  ihr  Gewand  oder  ihren 
Schleier  oder  sonst  etwas  raubt  und  sie  dadurch  zwingt, 
sein  AVeib  zu  werden,  bis  sie  sich  ihr  F^igentum  wieder  ver- 
schafft und  verschwindet,  worauf  er  sie  zu  suchen  auszieht 
und  sie  auch  endlicli  in  ihrer  Heimat  findet  und  —  nachdem 
er  dort  verschiedene  Aufgaben  gelöst  hat  —  wieder  mit  ihr 
vereint  wird,  seien  folgende  hier  genannt,  in  denen,  wie  im 
serbischen,  der  (ilasberg  oiler  der  gläserne  Berg  die  Heimat 
der  »lungfrau  ist:  Zingerle,  Kinder-  und  Hausmärchen  aus 
Tirol,  Nr.  37,  Simrock,  Der  gute  Gerhard  und  die  dankbaren 
Toten,  S.  68,  =  Deutsche  Märchen,  Nr.  G5,  Vernaleken, 
Oesterreieliische  Kinder-  und  Hausmärchen,  Nr.  4<S  und  50, 
Hoffmeister,  hessische  Volksdichtung,  S.  58  [Berntsen  2,  no.  18 
d'Ancdna,  Poemetti  popolari  1S87  p.  69.]   In  einem  griechischen 

47  M.  bei  Hahn  Nr.  15'^)  ist  zwar  |  nicht  von  dem  gläsernen  Berg, 

*)  Vgl.  auch  ein  elistiiisohes  M.  von  einer  bezauberten  Prinzer^sin 
in  Kletkes  Märchensaal,  2,  60. 

^)  Daselbst  ist  S.  250,  Z.  18  natürlich  „Treue"  statt  „Frau^'  zu 
lesen. 

')  Dies  griechische  M.  gehört  zu  einer  besonderen  Gruppe  der  M. . 
von   der  verlorenen  und  wiedergewonnenen  Schwanenjnngfrau.    S.  meine 


15(1.   Anni('rkiiiii;rii   zu    \.  Jai;ic  Nr.   4^i     .')().  44') 

aber  vdii  der  yUisenieu  Stadt  die  Rede,  und  in  dem  l)üli- 
misclieu  bei  Waldau.  Böhmisclies  Märchenbuch,  S.  ■24<s.  ent- 
spricht dem  gläsernen  Berg  der  goldene  Berg,  in  dem  pol- 
nischen bei  (ilinski.  Bajarz  Polski,  4,  (SO,  der  ku})ferne.  und 
in  zwei  ihrem  Inhalt  nach  auch  hierher  gehörenden  birmani- 
schen Dramen  (('os(piin  in  der  Komania  7,  53()  [==  Contes 
pop.  de  Lorraine  2,  19]  und  A.  E.  Wollheim  Chevalier  da 
Fonseca,  Die  National -Litteratur  sämtlicher  Völker  des  Orients, 
•2,  853)  der  silberne  Berg. 

Wo  der  Glasberg  u.  s.  \v.  liegt,  erfährt  der  Held  meist 
erst  nach  langem  Herumfragen  bei  den  Herrschern  über 
die  Tiere  oder  bei  Sonne,  Mond  und  Winde.  Ein  Herrscher 
über  die  Wolken,  deren  eine  den  Glasberg  kennt,  kommt  wie 
in  dem  einen  M.  bei  Mikulicic,  so  auch  in  dem  hessisciien 
bei  Hotiuieister  vor. 

50  (Stef.  17).     Das  kluge  Mädchen. 

Man  vgl.  Vuk,  no.  25,  Chudjakoff,  Welikorusskija  Skazki  ."so 
(d.  i.  Grossrussische  M.),  Moskau  ISGO,  no.  6  ^),  Haltrich  no.  45 
(46),  Grimm,  no.  94,  Pröhle,  M.  für  die  dugend.  no.  49. 
Zingerle,  KHM.  aus  Tir(d,  no.  27.  Golshorn,  M.  und  Sagen. 
no.  26,  Kehrein,  Vidkssprache  und  Volkssitte  im  Herzogtum 
Nassau,  2,  99,  G.  Nerucci,  Sessanta  novelle  popolari  nionta- 
lesi,  no.  8  (vorher  schon  bei  V.  1.  [d.  i.  V.  Imbriani],  Due 
Habe  toscane,  Xapoli  1876,  S.  11),  [und  no.  15,  (vorher  schon 
bei  Gomparetti  no.  69)]  Comparetti,  Novelline  popolari  italiane. 
no.  43  (M.  aus  Barga,  Provinz  Lucea),  Corazzini,  l  componi- 
menti  minori  della  letteratura  popolare  italiana.  S.  4S2  ( M. 
aus  Bergamo).  Pitre,  Fiabe  siciliane.  no.  s,  Kevue  des  langues 


Anmerkung  zu  Gonzenbach  Xr.  6  [Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  (i,  Hl|,  wo  man 
Zeile  9  ,.A8em"  lese  und  noch  folgende  31.  liinzufüge:  NFos'/.hjriy.a  'Ard- 
IsxTa,  Bd.  1,  Heft  1,  Nr.  11,  Pitre  Nr.  ,^0  und  d<is  tatarische  bei  Radiott" 4, 
318,  dessen  Held  Zyhanza  der  Dschanschah  der  1001  Xacht  ist.  Vgl. 
noch  Cosquin  in   der  Romania  7,  534  [no.   .32]. 

^)  Eine  vollständige  wörtliche  Uebersetzung  dieses  M.,  von  welcliem 
Ralston,  Russian  Folk-Tales,  S.  31,  nur  den  letzten  Teil  im  Auszug  mit- 
geteilt hat,  verdanke  ich   einem  Freunde. 


446  ^^"'   MjircluMiforscIiung'. 

rouiaiies,  3,  402  (M.  iiu.s  Laiigiicdoc),  Cerquarid,  Legendes  et 
recits  populaires  du  pay.s  basqae,  no.  73,  Kennedy,  Fireside 
Stories  of  Ireland,  S.  91.  [Grundtvig  2,  no.  10,  Bondeson 
HO.  71,  De  Nino  no.  16,  Pitre,  INov.  pop.  to,s(-.  no.  15,  Riviere 
p.   159.] 

In  allen  diesen  M.  wird  ein  Mädchen  geringer  Heri^nuft 
von  einem  König  oder  irgend  einem  angesehenen  Mann,  der 
ihre  grosse  Klugheit  vorher  mehrfach  erprobt  hat,  geheiratet. 
Nach  einiger  Zeit  soll  sie  aber  wieder  nach  Hause  zurück- 
kehren, und  zwar  in  der  Mehrzahl  der  M.,  weil  sie  einem 
Mann,  gegen  den  ihr  Mann  in  einem  Rechtsstreit  ganz  un- 
natürlich entschieden  hatte,  Anweisung  gegeben  hatte,  ihrem 
Manne  die  Widernatürlichkeit  seiner  Entscheidung  durch  ein 
ebenso  widernatiirli(;hes  unmögliches  Beginnen  anschaulich  zu 
machen.  Da  sie  aber  das,  was  ihr  am  liebsten  ist  oder  was 
ihr  am  meisten  gefällt  —  im  baskischeu  M.  so  viel  als  vier 
Männer  tragen  kiinnen  mit  si(!h  nehmen  darf,  so  nimmt 
sie  ihren  Mann  mit  sich,  der  durch  zu  vieles  von  ihr  veran- 
lasstes Trinken  oder  durch  einen  ihm  von  ihr  beigebrachten 
Schlaftrunk  in  tiefen  Schlaf  versunken  ist  ^). 

Es  gehören  auch  noch  hierher  Visentini,  Fiabe  manto- 
vaue,  Nr.  36,  welches  M.  mit  der  Heirat  des  Königs  und  der 
klugen  Fischerstochter  abschliesst,  ein  wendisches  M.  bei 
Veckenstedt,  Wendische  Sagen,  Märchen  und  abergläubische 
Gebräuche,  S.  330,  in  welchem  auch  die  Heirat  fehlt,  und 
Sclileiclier,  Litauische  M.,  S.  3  [Brugman  no.  34],  in  welchem 
zwar  die  Heirat  und  auch  der  Rechtsstreit  vorkommen,  aber 
die  Verstossung  fehlt.  ] 
51  In    den    meisten    dieser   M.    wird    dem   klugen   Mädchen 

von   dem   König    oder  von   wem    es   sonst   ist  aufgegeben, 


^)  "Wie  bereits  von  Grrimra  zu  Nr.  94  beniei'kt  ist,  kommt  auch  in 
einer  talmudischen  Erzählung  vor,  dass  bei  einer  Scheidung  eine  Frau 
das  Beste  im  Haus  mit  sich  nehmen  sollte  und  daher  iluen  Mann,  als 
er  trunken  war,  in  ihres  Vaters  Haus  tragen  liess.  Vgl.  A.  Tendlau, 
Das  Buch  der  Sagen  und  Legenden  jüdischer  Vorzeit,  3.  verm.  Aufl., 
Frankfurt  a.  M.  1873,  S.  49f.  und  358,  wo  Midrasch  Jalkut  Cap.  17  als 
Quelle  angegeben  ist. 


HO.  Aumerlvungen   zu   V.  Jagic  Nr.  50.  4.4.7 

unter  gewissen   scheinbar  unmöglichen,   weil  sich  gegenseitig 
ansschliessenden    Bedingungen   zu    ihm    zu    kommen.      Ich 
lasse  diese  Bedingungen  und  ihre  Krtullung   hier  folgen. 
Gj.  K.   Stefanovic:  weder  zu  Fuss,  noch  zu   Ross, 

weder  auf  dem  Weg,  noch  auf  Seitenwegen, 
weder  angekleidet  noch  unangekleidet, 
weder  mit  Jagdbeute,  noch  ohne  Jagdbeute, 
weder  im  Hemde,  noch  ohne  Hemde. 
Das   Mädchen    hüllt   sich    in    ein    Fischernetz,    setzt   sich 
auf  einen  Esel,   hat    ein   Hemd    im   8choss,   woran   sie   näht, 
und  bewegt  sich  vorwärts  nach  dem  Faden  ihrer  Naht.    Indem 
sie    die   zwei  Hasen,    die   sie   bei   sich  hat,   vor  den  Hunden 
laufen  lässt,  kommt  sie  mit  und  ohne  Jagdbeute. 
Mikulicic :  weder  zu  Fuss.  n(»ch  reitend, 
weder  angezogen  noch  nackt. 
Der   Vater   des    klugen   Mädchens   wickelt   sich   auf  den 
Rat  seiner  Tochter  in  ein  Fischernetz  und  setzt  sich  auf  einen 
kleinen  Esel,  so  dass  seine   Füsse  die  Erde   berühren. 
Stojanovic:  weder  zu  Fuss,  noch  zu  Wagen, 

weder  auf  dem  Wege,  noch  ausserhalb  des  Weges, 
weder  nackt,  noch  angezogen. 

Das  Mädchen  hüllt  sich  in  ein  Fischernetz,  setzt  sich  auf 
einen  Bock,  welchen  sie  mit  Baststrick  zügelt,  und  zieht  auf 
auf  der  Strasse  zwischen  dem  Fahrgeleise,   in   der  Mitte,   wo 
die  Richtung  der  Deichsel  läuft,  dahin. 
Chndjakoft':  nicht  zu  Fuss,  nicht  zu  Ross, 

nicht  im  Schlitten,  nicht  im  Wagen, 

nicht  nackt,  nicht  bekleidet, 

weder    mit    einem     (Jeschenk,     noch     mit    einem 

Gegengeschenk  ^). 
Das  Mädchen  hüllt   sich    in  ein  Fischernetz,    kommt   auf 
Schneeschlittschuhen    und    überreicht    dem    Wojewoden    eine 
Taube,  die  aber,  indem  das  Mädchen  sie  loslässt,  davonfliegt. 


^)  Doch  wohl,  nach  der  Auflösung  und  nach  der  Aufgabe  in  dem 
siebenbürgischen  M.  zu  urteilen,  eigentlich:  weder  mit  einem  Geschenk 
noch  ohne  ein  Greschenk. 


44(S  ^ur  Märcheiit'orsc'liiuig'. 

Haltricli:  nicht   gefahren,    nicht    gegangen  und  nicht  geritten, 
nicht  angekleidet  und  nicht  nackt, 
nicht  ausserhalb  dem  Wege  und  nicht  im  Wege, 
mit  etwas,  das  ein  Geschenk  und  kein  Gesclienk  ist. 
Das  Mädchen  wirft  ein  Fischgarn  über  sich,   setzt   einen 
Fuss   auf  den  Rücken   eines    Bockes    und    schreitet   mit    dem 
andern  auf  dem  Roden  im  Fahrgeleise.    Zwischen  zwei  Teller 
hat  sie  zwei  kleine  Wespen  gelegt,    die    natürlich   fortfliegen, 
als  der  König  den  einen  Teller  aufhebt. 

Grimm:  nicht  gekleidet,  nicht  nackend, 
nicht  geritten,  nicht  gefahren, 
nicht  in  dem  Weg,  nicht  ausser  dem  Weg. 
Das  Mädchen  wickelt  ein  Fischgarn   um    sich,   bindet  es 
einem  Esel   an   den  Schwanz    und    lässt   sich   so   von   ihm    in 
dem  Fahrgleise  fortschleppen,  so  dass  sie  nur  mit  der  grossen 
Zehe  auf  die  Erde  kommt. 

Pröhle:  nicht  reitend,  nicht  fahrend  und  nicht  gehend, 
nicht  bekleidet  und  nicht  nackt, 
nicht  bei  Tage  und  nicht  bei  Nacht  ^).  | 

52  Das  Mädchen  hüllt  sich  in  Borke,  spannt  einen  Bock  vor 

einen  zweiräderigen  Karren,  tritt  mit  einem  Fuss  auf  den 
Karren,  mit  dem  andern  auf  den  Schwanz  des  Bockes  und 
kommt  so  bei  Anbruch  des  Tages  zum  König. 

Zingerle:  unangekleidet  und  doch  nicht  nackt, 
nicht  bei  Tage  und  nicht  bei  Nacht, 
niclit  auf  Strassen  und  nicht  auf  Seitenwegen. 
Das  Mädchen  lässt  den  AVeg  bis  zur  Stadt  mit  Brettern 
belegen,  wirft  sich  ein  Fischernetz  um  uiul  geht  in  der  Abend- 
dämmerung über  den  Bretterweg  in  die  Stadt. 


*)  Nach  der  indisciheu  8age  war  dem  Dämon  Yritra  zugesichert, 
nicht  durch  Trockenes  und  nicht  durcli  Feuchtes,  nicht  durch  Steine 
und  nicht  durch  Holz,  nicht  durcli  Geschoss  und  nicht  durch  Messer, 
und  nicht  bei  Tag  und  nicht  bei  Nacht  getötet  zu  werden.  Indra 
brachte  ihn  deshalb  in  der  Dämmerung  init  Schlamm  um  (Benfey  im 
Ausland   1H.')9,  S.  591)  [=  Kl,  Schriften  8,  214]. 


HO.    AimRrkvmt;i'n   zu    V.  Jaii,'ic  Nr.  50.  449 

Colsliorii:    iiiclit  hei  Tage  und  iiiclit   hei  Nacht, 
nicht  gegangen  und  nicht  gefahren, 
nicht  gehuifen  nnd  nicht  geritten, 
nnd  sie  soll  Zeug  anhaben  und  keins. 
Das  Mädchen  nia(dit  sich  aus  Nesseltuch,  das  kein  Zeug 
und  auch   was  ist,  ein  Kleid,   legt   sich  darin   auf  einen   Esel 
und  kommt  so  Schlag  Mittags  an  einem  Mittwoch  oder  Sonn- 
abend —  das  sind  keine  Tage  —  zum  Amtmann. 
Veckenstedt:  nicht  bei  Tage  und  nicht  bei  Nacht, 

nicht  in  Kleidern  und  auch  nicht  nackt, 
niciit  zu  Fuss  nnd  nicht  zu  Pferde. 
Das  Mädchen  hüllt  sich  an  einem  Mittwoch  in  ein  Fisch- 
netz und  setzt  sich  auf  einen  Bock. 
Schleicher:  weder  nackt,  noch  bekleidet, 

weder  zu  Pferd,   noch   zu  Fuss.   noch   zu  Wagen, 
weder  auf  dem  Wege,   noch   auf  dem  Fusspfade, 

noch  neben  dem  Wege, 
im  Sommer  und  zugleich  im   Winter. 
Das  Mädchen    hängt   sich    ein    Netz    um,    setzt    sich    auf 
einen  Bock  und  reitet  immer   im  Fahrgeleise   zu   dem  Herrn 
und  stellt  sich  in  den  Wagenschnppen  zwischen  einen  Wagen 
und  einen  Schlitten^). 

Nerucci:  ue  digiuna  ne  satolla, 

ne  ignuda  ne  vestita, 

ne  di  giorno  ne  di  notte, 

ne  a  piedi  ue  a  cavallo. 

Das  Märchen  hat  nur  ein  weiches  Ei  gegessen,  ist  im 
Hemd  und  hält  ein  Netz  um  sich,  tritt  mit  einem  Fuss  auf 
den  Rücken  einer  Ziege  und  kommt  so  in  der  Morgen- 
dämmeruns'  beim  Könio;  an. 


')  In  dem  grossrussischen  M.  kommt  vor,  dass  dor  Wojewode  das 
kluge  Mädchen,  nachdem  sie  zu  ihm  unter  den  oben  mitgeteilten  Be- 
dingungen gekommen  ist,  selbst  am  andern  Tag  besucht  und  sie  fragt, 
wo  er  sein  Pferd  anbinden  s(dle.  Sie  antwortet:  „Binde  es  zwischen 
Sommer  und  Winter!"  und  meint  damit  zwischen  Schlitten  und  Wagen, 
die  vor  dem  Hause  standen. 

R.Köhler,    Kl.  Schritten.    I.  29 


450  ^^^^'  ^lärfhenforsohuug. 

Corazzini:  gne  iiüda  gnu  estita. 
gue  a  pe.  gne  a  caäl. 
gne  per  Tos,  gne  per  la  poita. 
Das  Mädchen  wickelt  sich  nackt  in   ein  Netz,    legt   sich 
wie  eine   Last  auf  eine  Ziege  und  kommt   diurli   den  Garten 
zum  Palast  des  Königs. 

[Visentini:  ne  nuda  ne  vestita. 

ne  per  vie  ne  per  sentieri. 

ne  a  piedi  ne  a  cavallo. 

e  standu  ne  fimri  ne  dentro  del  palazzo. 

Das  Mädchen  entkleidet  sich  und  hüllt  sicli  in  ein  Netz 
und  steigt  rittlings  (monta  cavalcioni)  auf  ein  Schaf  —  ist 
)3  also  weder  zu  Fuss  ^och  zu  Pferd,  und  berührt  weder 
Strasse  noch  Fusspfad  — :  am  Palast  angekommen,  lässt  sie 
das  Schaf  die  Schwelle  halb  überschreiten,  und  so  ist  sie 
weder  ausserhalb  inicli  innerhalb  des  Palastes. 

Revue  des  lanü;ues  runuuies;  ni   primo  ni    sadoulu    id.   i.  ui  u 

jeun  ui  rassasiee). 
ni  bestido  ni  nudo. 
ni  ä  pe  ui  a  cabal. 
ni  per  cami  ni  per  carieiro  (d.  i. 
ni   {i;ir  chemiu  ni   par  mute). 

Das  Mädrhen  ass  täsHi^'h  zwei  Teller  Hirse,  an  diesem 
Taii"  nur  einen.  Sie  zog  ein  Hfunl  ;in.  liess  alier  die  eine 
Schulter  nackt.  ..Se  mettet  sur  uu  carras  e  marchet  la  mitat 
sul  cami  e  lautni  dins  le  bal.  un  pe  cau.ssat  e  l'autre  des- 
caus;  atalet  un  ase  e  uno  cabro  al  carras  e  partisquef 
(=  ^EUe  sassit  sur  un  trainenu  et  7n;irch;i  un  pied  sur  le 
chemin.  un  pied  dans  le  fosse:  un  ji'iimI  iliausse  et  lautre 
dechausse.      VM^-  y   attela    un   anr-   et   une   chevre.    et   partit"*). 

(_"er(|uaii(l:    nii-lit    bt-i   Tau   und   nidit   bei   Nacht, 
nicht   bekleidet  und  nicht  entkleidet, 
nicht  zu  Fuss  und  nicht  zu  Pferd. 
Das   Mädchen    hüllt  sicli   in   ein  Zieuenfell.   setzt  sich    auf 
eine   Zieue   und    kninnit   Schhiu   Mittt-rnai/ht   am   Schloss  an. 


od.    Aiiiiierkiinirfn   za   V.  Jaijic   Nr.  5U.  451 

Kennedy:  neitlier  witli  yoiir  clotlies  uor  withoiit  them, 

iieitlier  riding  in  car  üor  eoacli.  iior  on  a  beast's  back, 
nor  carried  in  any  way.  uor  Walking  oii  your  t'eet. 
Das  Mädflien  hüllt  sieh  nackt  in  ein  Fischernetz  und 
bindet  dies  an  den  Schwanz  eines  Esels,  "and  she  was  neither 
carried,  nor  riding.  nor  Walking,  but  staudiug  ou  her  two  big 
toes  in  the  net.  and  guiding  and  whipping  the  poor  assol, 
that  was  dragging  her  along  very  mueh  against  his  will". 

Die  Aufgabe,  nicht  bekleidet  und  nicht  unbekleidet, 
nicht  zu  Fuss  und  nicht  zu  Pferd  und  dergl.  zu  kommen, 
begegnet  uns  aber  auch  in  anderen  sonst  nicht  parallelen 
Märchen  und  Sagen. 

In  der  Ragnar-Lddbniks-Saga  (Kap.  -A;  verlaugt  Kagnar, 
dass  Kraka  (Aslaug)  -zu  ihm  komme  weder  bekleidet  noch 
unbekleidet,  weder  gespeiset  noch  nüchtern,  nicht  allein,  und 
doch  solle  sie  auch  kein  Mensch  begleiten.  Kraka  hüllt  sicli 
nackt  in  ein  Fischnetz  und  lässt  ihr  langes  Haar  darüber 
fallen,  geniesst  ein  wenig  f>auch  [vgl.  Bondeson]  und  lässt 
den  Hund  ihrer  Ptiegemutter  mit  sich  laufen. 

Xacli  schwedischer  Sage  will  Koni?  Frey  oder,  uacli 
andern  Angaben,  Sigtrud  die  Disa.  die  Tochter  eines  seiner 
Ratgeber,  zu  Rate  ziehen,  wenn  sie  zu  ihm  kommt 

nicht  zu  Fuss  und  nicht  zu  Pferde, 

nicht  zu  Wagen  und  nicht  zu  Wasser. 

nicht  bekleidet  und  nicht  unbekleidet. 

nicht  in  einem  Jahr  und  nicht  in  einem  Monat, 

nicht  bei    läge  und   nicht  bei  Nacht. 

nicht  bei  zunehmendem  und  nicht  bei  abnehmenden  Monde. 
Sie  spannte  zwei  Jünglinge  vor  einen  Schlitten  und  Hess 
nebenan  einen  Bock  führen,  über  den  sie  das  eine  Bein  legte, 
während  das  andere  im  Schlitten  stand,  nnd  dabei  war  sie 
mit  einem  Netz  bekleidet.  Sie  kam  am  dritten  Tage  vor  dem 
Weihnachtstag.  an  einem  der  Tage,  die  nicht  zum  Jahre  selbst 
gerechnet  werden,  bei  Vollmond  imd  in  der  Dämmerung. 
(Afzelius.  Vcdkssagen  und  Volkslieder  aus  Schwedens  älterer 
und  neuerer  Zeit,  übersetzt  von  Ungewitter.  1.  83.  Rndbeck, 
Atlantic»"  Pars  2,  205.)     [Braga  no.  57.] 

29* 


452  ^ii'"  Märflieiifui-ficluing. 

lii  einem  iiorwegischeu  M.  (Asbjörusen  Nr.  68)   will  ein 
Königssohn  ein   Mädchen,    mit    dem    er    ein    Liebesverhältnis 
gehabt  hat,  nnr  heiraten,  wenn  sie  zn  ihm  komme  | 
54  nicht  im  Wagen  fahrend  und  nicht  reitend. 

nicht  gehend  und  niciit  im  Schlitten  fahrend^), 

nicht  hungrig  und  nicht  satt, 

nicht  nackt  und  nicht  begleitet. 

nicht  bei  Tag  und  nicht  bei  Nacht. 

Das  Mädchen  geniesst  drei  Gerstenkörner,  hüllt  sich  in 
ein  Netz,  setzt  sich  auf  einen  Schafbock,  so  dass  die  Beine 
auf  die  Erde  reichen,  und  bewegt  sich  so  vorwärts  und  kommt 
im  Zwielicht  zum  Konigssohn. 

In  einem  hessischen  M.  bei  Wolf.  Hausmärchen,  S.  IIG, 
soll  eine  Königstochter  zu  ihrem  Mann,  einem  Schäferssohu, 
kommen 

nicht  nackend  und  niciit  l)ekleidet, 

nicht  gegangen,  nicht  gefahren  und  nicht  geritten. 
Sie  wickelt  sich  in  ein  Fischgarn  und  kriecht  auf  allen  Vieren. 
In    einem    schwäbischen    M.    bei    Meier    Nr.  28    befiehlt 
ein  Herzog  dem  Müller  Hans  ohne  Sorgen  zu  ihm  zu  kommen 

nicht  bei  Tag  und  nicht  bei  Nacht, 

nicht  nackt  und  nicht  bekleidet. 

nicht  zu  Fnss  und  nicht  zu  Pferd. 

Auf  den  Rat  seines  Mahlknechts  reitet  er  am  Mittwoch 
auf  einem  Esel,  ein  Fischgarn  umgehängt,  zum  Herzog. 

Aus  einer  Handschrift  des  15.  Jahrhunderts  habe  ich  im 
Weimarischen  Jahrbuch  ö,  889  ein  deutsches  Rätsel  mitge- 
teilt, worin  gefragt  wird,  wie  man  es  anfangen  müsse,  wenn 
man  zu  seiner  Geliebten  kommen  solle 

weder  bei  Tag  oder  bei  Nacht, 

w'eder  ob  der  Erden,  noch  unter  der  Erden, 

weder  nackt,  noch  angelegt  (d.  i.  angezogen,  bekleidet). 


^)  Im  Original :  ikke  kjöronde  og  ikke  ridende, 
ikke  gaaende  og  ikke  ageiide. 

Kjürc  wird,  wie  mir  mein  hocliverehrter  Freund  P.  Clir.  Asbjürnsen 
mitgeteilt  hat,  haujjtsiu'hlirli  vom  Faliren  im  Wagen,  age  mehr  vom 
Fahren   im  Schlitten   üehraudit. 


30.    Aiimerkuiii;on   zu   V.  Jagic  Xr.  50.  458 

Die  Antwort  ist,  man  solle  am  Mittwoch  kommen,  mit 
einem  Beine  anf  einem  Esel  sitzen  und  mit  dem  andern  auf 
der  Erde  gehen,  einen  mit  der  AVnrzel  ausgegrabenen  Baum 
auf  den  Kopf  setzen  und  ein  Fischgarn  anthun. 

Die  zu  Lyon  1619  erschienenen  „Questions  enigmatiques" 
enthalten  (S.  37)  ein  von  mir  ebenfalls  im  Weimarischen 
Jahrbuch  a.  a.  0.  340  mitgeteiltes  Rätsel,  wonach  einst  ein 
grosser  Herr  einem  seiner  ünterthanen  befahl,  zu  ihm  zu 
kommen 

ne  a  pied,  ne  a  cheval, 

ne  par  la  voye,  ne  par  le  chemin. 

ne  nud,  ne  vestu. 
und  seinen  Freund  und  seinen  Feind  mitzubringen  [vgl. 
Romania  10,  27].  Der  Mann  kam  auf  einem  Esel,  en  menant 
le  dict  asne  par  les  ornieres  des  chemins,  war  nur  mit  einem 
Fischernetz  bekleidet  und  brachte  seine  Frau  und  seinen 
Hund  mit  sich. 

In  dem  von  (üulio  ("esare  Croce  ^)  verfassten  berühmten 
Volksbuch  „Le  sottilissime  astuzie  di  Bertoldo''  befiehlt  ein- 
mal König  Alboin  dem  Bertoldo,  am  folgenden  Tag  zu  ihm 
zu  kommen,  ma  che  non  fosse 

ne  nudo,  ne  vestito. 
Bertoldo  erscheint  in  ein  Fischernetz  gewickelt. 

In    einem    finnischen    M.    in    Salmelainens    Sammlung    3, 
101,  stellt,  wie  A.  Schiefner  im  Vorwort  zu  Radioffs  Proben 
der  Volkslitteratur  der   türkischen  |  Stämme  Süd-Sibiriens  1,  55 
S.  XIII,  mitteilt,  ein  König  einem  Häuslerknaben  die  Aufgabe, 
zur  Stadt  zu  kommen: 

weder  bei  Tage,  noch  bei  Nacht, 

weder  auf  dem  Wege,  noch  am  Rande  des  Weges, 

weder  zu  Ross,  noch  zu  Fuss, 

weder  bekleidet,  noch  nackt. 

weder  innerhalb,  noch  ausserhalb. 


')  Ueber  diesen  interessanten  Bologneser  Volksdicliter  (geb.  1550, 
gest.  1609)  hat  neuerdings  Olindo  Guerrini  ein  wertvolles  Buch  „La 
vita  e  le  opere  di  G.  C.  Crooe",  Bologna  1879,  veröffentlicht. 


454  Zur  Märchenforscliung. 

Der  Knabe  geht  in  der  Morgendämmerung  zur  Stadt  auf  dem 
Boden  eines  Grabens,  au  einem  Fuss  ein  Sieb,  au  dem  andern 
eine  Bürste,  in  ein  Ziegeufell  gehüllt,  und  setzt  sich  auf  die 
Thür  der  Vorhalle,  das  eine  Bein  nach  innen,  das  andere 
nach  aussen  haltend. 

In  einem  tatarischeu  Märchen  bei  Radioff  a.  a.  0.,  1,  60, 
sagt  ein  Brautvater  zu  dem  Vater  des  Freiers: 

Mit  Pelz  komme  nicht,  ohne  Pelz  komm  auch  nicht! 
Den  Weg  betritt  nicht,  vom  Wege  weich  nicht  ab! 
Ohne  Pferd  k(imm  nicht,  mit  einem  Pferd  komm  auch  nicht! 
Nach   der  Weisung   seines    Sohnes   zieht   der  Alte   einen  aus 
einem  Netz   genähten]  Pelz   an   und   reitet   auf   einem  Stocke 
auf  dem  Rande  des  Weges. 

In  einem  andern  tatarischen  M.  bei  Radloft'  4,  201  ver- 
liebt sieb  ein  Fürst  in  eine  kluge  und  schöne  Frau  und  be- 
fiehlt ihrem  Manne  —  bei  Strafe  des  Todes  oder  der  Ent- 
lassung seiner  Frau  —  zu  ihm  zu  kommen 

nicht  auf  dem   Wege  und  nicht  ausserhall)  des  Weges, 
und   dann   weiter: 

nicht  zu  Pferd,  nicht  ohne  Pferd, 

nicht  mit  einem  Rock,  nicht  ohne  Rock. 

Auf  den  Rat  seiner  Frau  kommt  der  Mann  das  erste  Mal 
auf  dem  Rande  des  Weges  gegangen,  und  das  zweite  Mal 
auf  einem  Stock  geritten'  und  in  einem  aus  einem  Netz  ge- 
machten Rock. 

In  einer  von  A.  Schiefner   aus  dem   tibetischen  Kaudjur 
übersetzten  indischen  Erzählung  (Melanges  asiatiques  7,  685) 
befiehlt  König  Dshanaka  dem  Pürna,  er  solle  ilim  Reis  unter 
gewissen  Bedingungen  zubereiten  und  schicken  lassen.    Unter 
diesen  Bedingungen  kommen  auch  die  folgenden  vor: 
nicht  auf  dem  Wege  uud  nicht  ausser  dem  Wege, 
nicht  reitend,  aller  auch  nicht  zu  Fusse. 
Nach    Mnliaushadas,    des    Sohnes    Pürnas,    Angabe    niuss    der 
Bote,   der   den  Reis   dem  Köuii;    bringt,    mit   einem   Fuss   auf 
dem  Weg   und   mit    dem    aiuleni   neben   dem  Weg    neben    uud 


30.    Anmerkungen  zu   V.  Jagic  Nr.  50.  455 

an   einem    Fiiss   einen    Schnh   tragen,    au   dem   andern    nnbe- 
scliulit  seiu^). 

Vergessen  wir  aucli  niclit  der  Aufgabe,  halb  geritten 
und  halb  gegangen  zu  ivommen,  in  den  Gesta  Romanorum, 
Kap.  124,  in  Johann  Paulis  Sehimpf  und  Ernst,  Kap.  423, 
und  in  dem  Sehwank  des  Hans  Saehs  „der  Heeker  mit  den 
drei  seltsamen  Stücken"  (Gedichte,  2.  Bueh,  4.  Teil)  -).  In 
den  Gesta  Romanorum  wird  die  Aufgabe'*)  gebist,  indem  der 
Betroffene  über  den  Rücken  |  seines  Hundes  das  rechte  Bein  f)Q 
legt,  als  ob  er  ritte,  mit  dem  linken  aber  auf  der  Erde  geht, 
bei  Pauli  und  Hans  Sachs,  indem  er  mit  dem  rechten  Fuss 
in  den  Stegreif  seines  Pferdes  tritt  und  sich  an  den  Zügel 
hält  und  mit  dem  linken  Fussj  geht.  In  letzterer  Weise 
wollte  auch  ein  Teil  der  Schildbürger  das  Gebot  des  Kaisers 
von  Utopien,  ihm  halb  geritten  und  halb  gegangen  entgegen 
zu  kommen,  erfüllen,  indem  jeder  von  ihnen  einen  Fuss  im 
Stegreif  haben  und  mit  dem  andern  auf  dem  Bdden  gelien 
sollte:  andere  aber  meinten,  man  solle  sicli  in  zwei  gleiche 
Haufen  teilen  und  der  eine  sollte  reiten,  der  andere  gehen; 
und  noch  andere,  deren  Ansicht  durchdrang,  meinten,  man 
solle  dem  Kaiser  auf  Steckenpferden    entgegenreiten  ^).    denn 


')  Also  wie  in  dem  M.  aus  Languedoc. 

-)  Es  sind  dies  verschiedene  Fassungen  jener  bekannten  Erzählung, 
in  welcher  ein  Unterthan  seinem  Herrn  zu  gleicher  Zeit  seinen  grössten 
Feind  und  seinen  grössten  Freund,  in  mehreren  Fassungen  auch  seinen 
besten  Diener  und  seinen  besten  Lustigmacher  vorführen  soll,  und  dem- 
zufolge seine  Frau,  seinen  Hund,  seinen  Esel  und  seinen  kleinen  Sohn 
bringt.  Man  vgl.  über  diese  Erzählung,  der  wir  soeben  auch  in  den 
Questions  enigmatiques  begegnet,  A.  Mussafia,  Ueber  eine  altfranzösische 
Handschrift  der  k.  Universitätsbibliothek  zu  Pavia,  Wien  1870,  S.  58  ff. 
=  Philol.-histor.  Sitzungsberichte  der  Wiener  Akademie  (Jahrg.  1870, 
Märzheft),  Bd.  «4,  S.  602  ff.  [vgl.  oben  S.  415  zu  no.  11]. 

■')  „quod  al  curiam  regis  pedester  et  equester  pariter  i.  e.  semie- 
quitans  et  semiambulans  veniret"  heisst  es  im  Original ;  in  der  fran- 
zösischen Uebersetzung  (Le  Violier  des  histoires  romaines,  chap.  148): 
„qu'il  iroit  ä  luy  moitie  a  eheval  et  moitie  a  pied  ensemblement^ ;  in 
der  altdeutschen  (Cap.  28):  „daz  er  auf  den  hof  des  küuiges  halber 
chom  geritten  und  halber  gegangen". 

*)  Die  Nürnberger  antworteten  den  Boptingern  auf  ihre  Frage,  wie 


456  ^ur  Märchenforsehung. 

man  sage.  Steckenreiten  sei  halb  gegangen.  (Von  der  Hagen, 
Narrenbuch,  S.   101  und  131  f.) 

Endlieh  gedenke  ich  eines  M.  bei  Campbell,  Populär 
Tales  of  the  West  Higlilands  3,  40.  Darnach  hat  sich  Grainne, 
Fionns  Gemahlin,  in  Diarmaid  verliebt  und  fordert  ihn  auf, 
mit  ihr  zu  entfliehen,  aber  Diarmaid  erwidert  (nach  Campbells 
Uebersetzung):  „I  will  not  go  with  thee;  I  will  not  take  thee 
in  softness,  and  I  will  not  take  thee  in  hardness:  I  will  not 
take  thee  without,  and  1  will  not  take  thee  within;  1  will 
not  take  thee  in  horseback,  and  1  will  not  take  thee  on  foot." 
Darauf  kam  (irainne  eines  Morgens  zu  Diarmaids  Haus  auf 
einem  Bock  geritten,  und  als  er  herauskam,  stand  sie  zwischen 
beiden  Seiten  der  Tbür  und  sagte  zu  ihm:  „I  am  not  without, 
I  am  not  within,  I  am  not  on  foot.  and  1  am  not  on  a  horse, 
and  thou  must  go  witli  me.'' 

Soviel  über  die  Aufgal>e,  nicht  so  und  nicht  so,  oder 
weder  so  noch  so  zu  kommen. 

Wenden  wir  uns  nun  zu  einigen  andern  Einzelheiten 
unserer  südslav.  M. 

Wenn  zwei  derselben  mit  der  Frage  eines  Königs  be- 
ginnen, wie  viel  sein  Bart  wert  sei,  worauf  das  kluge 
Mädchen  in  dem  einen  antwortet  „Soviel  als  die  Monate  Juli, 
August  und  September",  und  in  dem  andern  „Soviel  als  drei 
Regen  im  Jahre",  so  vergleiche  man  Vuk  Nr.  "25,  wo  der 
Kaiser,  nachdem  er  die  Klugheit  einer  Tochter  eines  armen 
Mannes  schon  durch  mehrere  Aufgaben  und  ein  Rätsel  M  er- 
probt hat.  auf  seine  Frage,  wie  viel  sein  Bart  wert  sei,  von 
dem  Mädchen  die  Antwort  erhält  „Soviel  als  drei  Regen  zur 
Sommerszeit-',  und  das  M.  aus  Languedoc,  welches  damit  be- 
ginnt, dass  ein  König  bekannt  machen  lässt,  wer  erraten 
könne,  wie  viel  sein  Palast  wert  sei,  solle  sein  Brot  erhalten, 
und  wenn  es  ein  Mädchen  sei,   wolle   er  es   heiraten,   worauf 


sie  den  Kaiser  eiiipfangen  sollten,  sie  seien  halb  geritten,  halb  gefahren. 
Die  Bopfinger  kauften  aber  in  Nördlingen  sogenannte  hölzerne  Messgäul. 
Birlinger,  Volkstümliches   aus  Schwaben  1,  485. 

')  Was  man  am  weitesten  höre?     Den  Donner  und  die  Lüge. 


36.    An  111  erklinge  11  zu   V.  Jagic  Xr.  50.  457 

eine  Kühlerstochter    antwortet,    ein  Tau    (uno  rousinadu)    im 
Monat  August  sei  mehr  wert  als  der  Palast. 

Mit  (lern  Anfang  des  slovenischen  M.  stimmen  das  gross- 
russisehe,    das  Tiroler  bei  Zingerle  a.  a.  0.    und   das   nieder- 
sächsische bei  Colshorn  a.  a.  0.     Alle   vier  M.   beginnen  da- 
mit,   das    zwei    Männer    einen    Rechtsstreit    haben,    und    der 
Richter  ihnen  drei  Rätsel  aufgiebt,   damit   der,   welcher  sie 
richtig  löst,   gewonnen  haben  scdl.     Der  eine  löst   sie   falsch, 
dem  andern   sagt   seine  Tochter  die   richtigen  Lösungen.     Es 
sind  aber  die  Rätsel  mit  den  richtigen  Lösungen  die  f(dgenden: 
Im  slovenischen  M.:  Was   ist   das   Schnellste?    Die   Gedanken. 
Was  ist  das  Süsseste?   Der  Morgenschlaf. 
Was  ist  das  Kostbarste?    Die  Erde.  | 
Im  grossrussischen  M.:  57 

Was  ist  geschwinder  als  Alles?    Der  Gedanke. 
Was  ist  in   der  Welt   das  Fetteste?    Die  Erde,    weil   sie   alle 

Erzeugnisse  hervorbringt. 
Was    ist   das   Lieblichste    in   der  Welt?    Der   Schlaf,    denn   da 
ruhen  alle  Sorgen. 
Im  Tiroler  M.: 
Was  ist  das  Schönste  auf  der  Erde?    Der  Frühling. 
Was  ist  das  Stärkste  auf  der  Erde?    Der  Erdboden. 
Was  ist  das  Reichste  auf  der  Erde?    Der  Herbst. 

Im  niedersächsischen  M.: 
Was  ist  fetter  als  Fett?    Der  Erdboden,  dejin  aus  ihm  kommt 

alles  Fett,  und  in  ihn  geht  alles  zurück. 
Wie  schwer  ist  der  ^lond?    Der  Mond    hat   vier  Viertel,   und 

vier   Viertel  sind  gerade  ein  Pfund. 

AVie  weit   ist   der  Weg   zum  Himmel?    Nicht   länger   als   eine 

gute  Tagereise,    denn    es   steht    in    der  Bibel:    Heute 

wirst  du  mit  mir  im  Paradiese  sein. 

Was    die    falschen    Löisungen    betrifft,    so    meint   in    dem 

slovenischen  M.    der   Reiche,    das    Schnellste    sei   der   Schuss, 

das  Süsseste  Zucker  und  Honig,  das  Kostbarste  Silber  und  Gold. 

In  dem  grossrussischen  M.  antwortet  der  eine,  ein  Pferd 

von    ihm    sei    das    Schnellste,    ein    Ochse    von    ihm    sei    das 

Fetteste,  das  Weib  das  Lieblichste.    Ganz  ähnlich  im  Tiroler 


45s  Zur  Märchenfurscliung. 

M.:  „Das  Schönste  ist  mein  Weib,  das  Stärkste  sind  meine 
Oclisen,  das  Reichste  bin  ich  selbst."  Im  niedersächsischen 
M.  lanten  die  falschen  Antworten:  „Drei  Pfund  Fett  sind 
fetter  als  ein  Pfund;  der  Mond  wiegt  halb  so  viel,  als  wenn 
er  voll  ist;  wie  w-eit  der  Himmel  ist,  kann  der  Amtmann 
selbst  erfahren,  wenn  er  dort  ankommt." 

Dieselben  Rätsel  wie  im  grossrussischen  M.  ^)  kommen 
auch  in  dem  nassauischen  M.  bei  Kehrein  a.  a.  0.  vor  (was 
am  süssesten,  was  am  fettesten  und  was  am  geschwindesten 
ist),  doch  werden  sie  dort  nicht  von  einem  Richter  zwei 
Prozessierenden  aufgegeben,  sondern  von  einem  König  einem 
Bauern,  der  zu  viel  von  des  Königs  Feld  weggezackert  hat. 
Auch  hier  giebt  des  Bauern  Tochter  ihrem  Vater  die  richtigen 
Lösungen  (der  Schlaf,  die  Erde,  die  Gedanken). 

Auch  in  dem  siebenbürgisch -sächsischen  Märchen  bei 
Haltrich  a.  a.  (>.  kommen  drei  Rätsel  vor,  w^elche  das  kluge 
Mädchen  löst.  Der  König  giebt  sie  einer  ganzen  (Gemeinde 
auf,  die  über  den  Eingang  ihrer  neuen  Kirche  hatte  schreiben 
lassen:  „AVir  leben  ohne  Sorgen,"  und  die  kluge  Tochter 
eines  armen  Burghüters  sagt  ihrem  Vater  die  xAuflösungeu. 
Die  Rätsel  sind,  welches  der  schönste  Klang,  der  schönste 
Sang  und  der  schönste  Stein  sei,  und  die  Auflösungen:  der 
Glockeuklang,  der  Fngel  Gesang,  der  Weisen  Stein. 

Wie  in  dem  slovenischen  M.  der  Richter  dem  klugen 
Mädchen  gekochte  Eier  zum  Ausbrütenlassen  schickt 
und  sie  ihm  dagegen  gekochte  Hirse  zum  Säen,  so  schickt  in 
dem  litauischen  M.  der  Herr  dem  Mädchen  ebenfalls  gekochte 
Eier  und  sie  ihm  gekochte  Gerste.  Auch  bei  Vuk  Nr.  25 
schickt  der  Kaiser  dem  Mädchen  gekochte  Eier  zum  Aus- 
brüten, sie  al)er  lässt  ihren  Vater  gekochte  Bohnen  säen  und 
dem  vorüberkommenden  Kaiser,  der  sich  darüber  wundert, 
sagen,  gekochte  PJohnen  könnten  eben  so  gut  aufgehen,  als 
aus  üekochten  Eiern  Küchlein  kommen.     In    dem   grossrussi- 


')  [Vgl.  die  nordostjakisfhen  Räti<el  no.  35 — 38  bei  Ahlquist  S.  20: 
,Ein  Fettes:  Die  Erde.  Ein  Leichtes:  Der  Verstand.  Ein  Süsses:  Der 
Öc'liliif.  Ein  Wolilschmeckendes:  Das  Salz'.  E.  Schmidt,  Schnell  wie  der 
Gedanke;   Euphorion   1,  47.    Wossidlo   1,  225   no.  974 :  ,Was  ist  süss?'] 


80.    Aunierkungen   zu   V.  Jagic  Xr.   50.  459 

sehen  M.  dagegen  schickt  (h'r  Wojewode  dem  klugen  Mädchen 
keine  gekochten,  sondern  nngekochte  Eier,  verlangt  aber,  dass 
sie  daraus  bis  morgen  Küchlein  ausbrüte.  Sie  lässt  ihm  am 
Morgen  sagen,  die  Küchlein  würden  bald  ausgebrütet  sein 
und  müssten  mit  Frühsaathirse  gefüttert  werden,  er  möge 
einige  Hirsenkörner,  die  sie  ihm  schicke,  säen  und  hiinien 
einer  halben  Stunde  wachsen  und  reifen  lassen. 

Wenn  in  dem  M.  der  Jugendzeitschrift  Bosiljak  der 
Kaiser  dem  Mädchen  ein  Bund  Flachs  schickt,  um  daraus 
für  ihn  und  sein  Heer  Hemden  zu  machen,  und  sie  ihm  da- 
gegen eine  Nadel  schickt,  um  daraus  Hufeisen  für  seine 
Reiterei  machen  zu  lassen,  so  liegt  hier--  andern  Parallelen 
gegenüber  —  wohl  eine  |  Entstellung  vor.  Bei  Vuk  Nr.  "25  .^e 
[vgl.  Grundtvig]  nämlich  schickt  der  Kaiser  dem  Mädchen  ein 
Bündel  Leinen,  um  ihm  daraus  Segel  und  Taue  und  alles, 
was  man  an  einem  Schiffe  braucht,  zu  verfertigen:  sie  aber 
schickt  ihm  dagegen  ein  Stück(dien  Holz,  woraus  er  ihr  erst 
einen  Rocken,  eine  Spindel  und  einen  Webstuhl  schnitzen  solP). 
In  dem  siebenbürgischen  M.  soll  das  Mädchen  dem  König  aus 
zwei  Fäden  ein  Hemd  und  ein  Paar  Lnterhosen  machen,  sie 
aber  schickt  ihm  zwei  Beseidiölzchen,  um  ihr  daraus  erst  einen 
Webstuhl  und  ein  Spulrädchen  zu  machen.  In  den  italieni- 
schen M.  bei  Nerucci,  Comparetti  und  Corazzini  soll  aus  einer 
geringen  Menge  Flachs  eine  grosse  Menge  Leinwand  verfertigt 
werden,  das  Mädchen  schickt  aber  dem  König  drei  oder  vier 
Agen  aus  dem  Flachs  und  verlangt,  dass  ihr  daraus  ein  Web- 
stuhl gemacht  werde.  Ganz  anders  ist  die  Sache  bei  Chud- 
jakoff:  hier  schickt  der  Wojew^ode  dem  Mädchen  Garn,  woraus 
sie  bis  morgen  Leinwand  weben  und  ein  Hemd  nähen  soll; 
das  Mädchen  schickt  ihm  am  Morgen  Leinsamen  und  lässt 
ihm  sagen,  das  Hemd  sei  fast  ganz  fertig,  er  solle  aber  den 


')  Auch  in  (Ilt  russischen  Lebende  von  Petrus  und  Fevrunia  ver- 
langt ersterer  von  letzterer,  sie  solle  ihm,  während  er  im  Bad  sitzt, 
aus  Flachs  Hemd,  Hosen  und  Handtuch  verfertigen,  wogegen  sie  ihm 
ein  kleines  Holzscheit  schickt,  um  ihr  erst  daraus  einen  Webstuhl  zu 
machen.  Siehe  AYesselofskys  Aufsatz  im  Journal  d.  Min.  der  Volksauf- 
kläruni;-  1S71,   Xr.   4,  2.  Abt.  95— U'2.  namentlich  S.  98. 


460  2^11'  ^lärchenforsehung. 

Leinsamen  säen  binnen  einer  halben  Stunde  davon  gesponnene 
Fäden  ihr  bringen. 

Wenden  wir  uns   zu   dem  Rechtsstreit  in  unseren  M. 

Wie  es  sich  in  dem  serbischen  M.  um  ein  Kalb  handelt, 
das  zu  Stuten  gelaufen  ist,  und  in  dem  slovenischen  um  ein 
Füllen,  das  zu  einer  Kuh  gelaufen  ist,  so  handelt  es  sich  bei 
Grimm,  Pröhle  und  Kennedy  um  ein  Füllen,  das  zu  Ochsen 
gelaufen  ist,  und  bei  Colshorn  um  ein  Eselfüllen,  das  von  der 
Eselin  zu  dem  Esel  eines  andern  Bauern  gelaufen  ist.  Wenn 
dagegen  in  dem  M.  bei  Stojanovic  der  Lahme  und  der  Blinde 
sich  streiten,  ob  das  in  der  Nacht  geborene  Füllen  von  der 
Stute  des  Blinden  oder  von  dem  Wagen  des  Lahmen  her- 
rührt, so  vergl.  man  die  M.  bei  Haltrich,  Nerucci,  Comparetti, 
('er(|uand.  Schleicher.  Bei  Haltri(;h  hal)en  ein  Ochsengespann 
und  ein  Stutengespann  eines  Nachts  neben  einander  gestanden, 
am  Morgen  findet  sich  ein  Füllen  unter  dem  Ochsenwagen, 
und  der  Herr  des  letzteren  behauptet,  es  komme  von  seinem 
Wagen.  Bei  Nerucci  hat  eine  Kuh  eines  Bauern,  als  sie 
Nachts  an  den  Wagen  eines  andern  Bauern  gebunden  war, 
ein  Kall)  bekommen,  welciies  der  Herr  des  Wagens  am 
M(n'gen  beansprucht.  Bei  Comparetti  sind  zwei  Bauern,  der 
eine  mit  einer  trächtigen  Eselin,  der  andere  mit  einem  Hand- 
wagen, eines  Sonntags  an  eine  Kirche  gekommen,  als  es  ge- 
rade zur  Messe  läutete,  und  deshalb  hineingegangen,  nachdem 
der  eine  seine  Eselin  an  den  Wagen  des  andern  gebunden 
liatte;  während  der  Messe  bekiunmt  die  Eselin  ein  Junges, 
u.  s.  w.  Bei  Cer({uand  hat  das  Schaf  eines  Hirten  zufällig 
auf  dem  Felde  in  den  Karren  eines  ackernden  Bauern  ge- 
lammt. Bei  Schleicher  heisst  es  ganz  kurz,  es  seien  drei 
Leute  gewesen,  einer  hätte  eine  Peitsche,  der  andere  einen 
Wagen,  der  dritte  eine  Stute  mit  einem  Fohlen  gehabt,  und 
um  das  Fohlen  hätten  sie  gestritten,  indem  der  eine  gesagt 
hätte:  „Das  ist  das  Fohlen  meiner  Peitsche,"  der  andere: 
„Das  ist  das  Fohlen  meines  Wagens,"  der  dritte:  „Das  ist 
das  Fohlen  meiner  Stute."  Bei  Chudjakotl"  endlich  hat  ein 
Bauer  von  einem  andern  dessen  trächtige  Stute  geliehen,  um 
Rüben  vom  Felde  zu  holen,  und  hat  sie  dann  die  Nacht  noch 


30.    Anmerkungen   zu   V.  .lagie   >i'r.   .')().  4(;l 

bei  sic-Ii  helialtcii:  während  der  Naelit  wirft  sie  ein  Füllen, 
welches  der  Entleiher  nieht  heransgieht,  indem  er  behanptet. 
eine  Hübe  auf  dem  AVagen  sei  lebendig  geworden  und  gtdnire 
also  ihm  M.  , 

Wie  in  dem  M.  bei  Stojanovic  die  Fürstin  den  Streitenden  59 
sagt,  der  Fürst  sei  anfs  Feld  gegangen,  nni  die  Frösche,  die 
seine  Hirse  frässen,  mit  Asche  nnd  Bohnen  aus  Hollunder- 
geschosseu  zu  schiessen,  wie  hierauf  der  Lahme  einwendet, 
die  Frösche  frässen  ja  keine  Hirse  und  man  könne  sie  nicht 
mit  Asche  und  Bohnen  erschiessen.  nnd  wie  ihm  die  Fürstin 
erwidert,  ein  Wagen  könne  auch  kein  Junges  bekommen,  so 
sagt  ähnlich  imsiebenbürgischenM.  die  Königin  den  Streitenden, 
ihr  Gemahl  sei  im  Kornfeld  und  schiesse  Fische,  und  giebt 
dann  dem  Mann  mit  dem  Ochsenwagen  auf  seine  Frage,  wie 
im  Kornfelde  Fische  sein  könnten,  zur  Antwort:  „So  gut.  wie 
ein  Ochsenwagen  ein  Füllen  w^erfen  kann!" 

Alit  dem  slovenischen  M.,  in  welchem  der  im  Rechts- 
handel unterlegene  Mann  auf  den  Hat  der  klugen  Frau  des 
Richters  auf  einen  Berg  gehen  und  dort  thun  muss.  als  ob 
er  fische,  sind  in  dieser  Beziehung  die  M,  bei  Pröhle.  (A)ls- 
horn,  (irimm,  Keiniedy,  ('oniparetti  [Grundtvig,  Bondeson] 
und  Cerquand  zu  vergleichen.  In  den  beiden  erstgenannten 
wird  auf  einem  Berg,  in  dem  letztgenannten  in  der  Kirche, 
in  den  übrigen  auf  der  Strasse  gefischt.  Während  in  den 
übrigen  M.  der  Fischende  selbst  dem  über  sein  Beginnen  ver- 
wunderten K(inig  u.  s.  w^  eine  Antwort  giebt,  wie  die.  dass 
es  eben  so  möglich  sei.  auf  dem  Lande  Fische  zu  fangen, 
als  das  eine  Kuh  ein  Füllen  werfen  könne  und  dergl.,  ist  es 
in  dem  M.  bei  Pröhle  wohl  minder  gut  die  Königin,  die  die 
Antwort  giebt.  In  dem  litauischen  M.  ist  die  Sache  über- 
haupt anders  gewendet.  Hier  muss  die  kluge  Frau  auf 
W\insch  ihres  Mannes,  der  selbst  keinen  Rat  weiss,  den  Streit 
schlichten  und  führt  deshalb    die  Streitenden  auf  einen  Bers: 


')  Auch  bei  Pitre  hat  ein  Gevatter  dem  andern  seine  trächtige 
Stute  zu  einer  Reise  geliehen,  und  die  Stute  bekommt  nnterw^^  eirr 
Junges,  welches  der  Gevatter  nicht  herausgeben  will,  da  die  Stute  es 
bekommen  habe,  als  sie  in  seinen  Händen  gewesen  sei. 


462  Zur  Märchent'orsfhung. 

inid  lieisst  sie  da  mit  einem  Netz  fischen,  und  da  .sie  das 
nicht  können,  sagt  sie  zu  ihnen:  ,,So  wenig  ihr  auf  dem 
Berge  fischen  könnt,  so  wenig  kann  eine  Peitsche  ein  Fohlen 
haben  und  ein  Wagen  auch  niclit,  sondern  nur  einzig  und 
allein  eine  Stute  kann  ein  Folilen  haben." 

Bei  Pitre  und  Nerucci  muss  der,  dem  sein  Füllen  oder 
Kalb  durch  den  König  abgesprochen  worden  ist,  auf  den  Rat 
der  Königin  nicht  auf  dem  Lande  jfischen,  sondern  im  sici- 
lianischeu  M.  laut  um  Hilfe  rufen,  weil  die  Fische  aus  dem 
Meere  kämen  und  auf  <len  Berg  fliegen,  und  in  dem  toscani- 
schen  einen  See  mit  einem  durclilöcherten  Löffel  ausschöpfen 
wollen.  Letzteres  Beginnen  findet  sich  ganz  ähnlich  auch  in 
dem  M.  bei  Corazzini;  dort  ist  es  aber  ein  Hirt  des  Königs, 
der  immer  keinen  Lohn  erhält  und  der  deshalb  auf  den  Rat 
der  Königin  mit  einem  Sieb  aus  dem  Meer  schöpfen  und  dem 
verwunderten  K(inig  sagen  muss.  er  verdiene  dabei  eben  so 
viel  als  bei  seiner  Arbeit  für  den  KTmig. 

Zu  dem  Vukschen  M.,  insofern  darin  der  Bauer,  der 
durch  das  Urteil  des  Kaisers  sein  Kalb  verloren  hat,  auf  den 
Rat  der  Kaiserin  Hecht  und  Karpfen  bei  dem  Kaiser  ver- 
klagt, weil  sie  seine  Hirse  gefressen,  zu  dem  M.  bei  Mikulicic, 
insofern  (hiriii  der  unschuldig  zum  Tode  Verurteilte  auf  den 
Rat  der  Königin  vor  dem  (lericlit  gekochte  Bolnien  pHanzt, 
und  zu  dem  M.  in  der  Zeitsclirift  Bosiljak,  insofern  der  Kaiser 
darin  ein  Kalb  einer  armen  Frau  für  ein  Reh  ansieht  und 
es  erschiesst,  und  die  arme  Frau  auf  den  Rat  der  Kaiserin 
Brennesseln  drischt  und  dem  Kaiser  auf  seine  Frage  erwidert, 
die  Brennessehi  könnten  eben  so  gut  Korn  sein,  wie  ein  Kalb 
ein  Reh,  weiss  ich  keine  Parallelen  [H.  Sachs,  Fabeln  ed. 
Goetze  2,    XXI 1   zu  no.  338,   Bolte    zu  Frey  S.  279,  no.   11]. 

Schliesslich  erinnere  ich  an  Benfeys  Aufsatz,  welcher  in 
der  Zeitschrift  „Das  Ausland".  Jahrg.  1859,  Nr.  20,  21,  22, 
24  und  25,  erschienen  und  betitelt  ist  „Die  kluge  Dirne. 
Die  indischen  Märchen  von  den  klugen  Rätsellösern  und  ihre 
Verbreitung  über  Asien  und  Europa"  [=  Benfey,  Kleinere 
Scliriften  3,  156 — 222],  In  diesem  Aufsatz  leitet  Benfey  be- 
kanntlich   die   europäischen   M.    von    der   klugen   Dirne,    von 


30.    Aiini<'il<uni;eii  zu   V.  Jai;ic  Nr.  50  —  52.  463 

denen  ilini  damals  |  nur  die  Fassungen  bei  (irimin,  Colsliorn,  «o 
Vnk    Nr.  "iö-    Haltricli    und    Schleiclier    vorlagen,    aus    einem 
indisclien  M.  von  der  klugen  nnd  scharfsinnigen  Vicakha,  der 
iSciiwiegertochter  eines  Ministers,  her. 

51  (Stef.   IS).    Einem  Mä«lchen    blülit  eine  Böse  anf  dem 
Kopfe,   liinter    ihr    wächst   Gras   nnd    anf  diesem    Grase 

weidet  ein  goldenes  Pferd. 

Vgl.  Wenzig,  Westslawischer  Märchenschatz,  S.  45  (böli-  ei 
misches  M.).  Ausland  1S58,  S.  90  (rumänisches  M.),  Hahn, 
griechische  M.,  |Nr.  "iS,  Mailäth,  Magyarisclie  Sagen  etc.,  2, 
209,  Comparetti,  jNovelline  popolari  italiaue,  no.  25,  Gradi, 
Saggio  di  letture  varie  per  i  giovani,  S.  141,  Pitre.  Fiabe  etc., 
no.  |()2,  Maspons  yi  LabriKS,  Lo  Rondallayre,  3,  114,  Cosqnin, 
Contes  pop.  lorrains,  no.  85  (Romania  7,  552). 

In  allen  diesen  M.  —  mit  Ausnahme  des  böhmischen 
und  des  lothringischen  —  hat  die  Heldin  ähnliche  vvuiulerbare 
Eigejischaften  wie  in  unsern  beiden  slavischeii.  und  in  allen 
werden  ihr  die  Augen  ausgestochen  und  nachher  wieder- 
gekauft ^). 

Es  giebt  noch  viele  übrigens  ähnliche  M..  in  denen  aber 
das  Ausstechen  und  Wiederkaufen  der  Augen  fehlt.  S.  zu 
Gonzenbach  no.  8;^  und  34  und  zu  IMtre  no.  62  [Zs.  d.  V.  f. 
Volksk.  <;.  72.     Oben  S.   12H  zu  Blade   1,  226]. 

52  (Stef.    19).     Brnder    nnd  Schwester,  beide   goldhaarig 

nnd  silberzäh nig. 

ich  verweise  auf  meine  Anmerkungen  oben  Bd.  2,  S.  627  64 
und  628  [=  oben  S.  422  zu  no.  25.  26]. 

Der  schönen  Djuzelgina,  die  der  Bruder  seiner  Schwester 
holt  und  die  dann  die  Wahrheit  au  den  Tag  bringt,  ent- 
sprechen die  Schöne  des  Landes  (Hahn,  Nr.  69,  V.  1),  die 
Tzitzinäna  {Neoe/d.  'Arnhxjd  1.  1,  Nr.  4)  [oben  S.  372]  und 
die  schöneJeseusulchar  (Schiefner,  Awarische  Texte,  Nr.  12). 

^)  In  dem  italienischen  M.  bei  Comparetti  werden  ausserdem  die 
Hände,  in  dem  böhmischen  die  Hände  undFüsse  abgeschnitten,  in  dem  loth- 
ringischen die  Hände  undFüsse  abgeschnitten  und  die  Zähne  ausgebrochen. 


4(54  '^ii''  ililrcluMifür.schuni;'. 

53  (Stet.  iO).     Veljko  Lovic  uiitl  Kusljo. 

66  Dies    M.    hat    ziiiii  Teil   Aeliuliclikeit    mit   Nr.   58    unten, 

welches  man  nebst  meinen  Anmerkungen  vergleiche  [Bartsch 
1,  483  ,Clara\vunde^]. 

Die  List,  durch  welche  die  Kaiserstochter  entführt  wird, 
indem  der  Entführer,  als  Kaufmann  verkleidet,  sie  auf 
sein  Schiff  lockt,  um  seine  Waren  zu  besehen,  kommt 
auch  in  dem  verwandten  serbischen  M.  bei  Vuk  Nr.  12  vor, 
in  dem  deutschen  M.  vom  getreuen  Johannes  bei  (irimm 
Nr.  G  und  in  dessen  Parallelen  im  Pentamerone  4,  9  und 
Waldaus  böhmischem  Märchenbuch  S.  407,  in  dem  russischen 
M.  von  den  sieben  Simeonen  bei  Dietrich  Nr.  3  und  in  dem 
altdeutschen  Gedicht  von  Kudrun  ((i.  und  7.  Aventiure). 
[Wollner  zu  Brugman  S.  r)36.  Köhler,  Anz.  für  d.  Altert. 
9,  •243.  253.  255.] 

Wenn  Lovic  das  Schloss  der  Prinzessin  und  dann  die 
von  ihr  ins  Meer  geworfenen  Sclilüssel  dazu  herbei- 
schaffen muss,  so  vgl.  man  Waldau,  Böhmisches  Märchen- 
buch, S.  39(5,  Luzel,  Quatrieme  Rapport,  S.  183  und  S.  201, 
und  Veillees  bretonnes,  S.  169 — 174,  Cosrpiin,  Contes  po|)u- 
laires  lorraius  [1,  49j.  no.  3  ( Romania  5.  94). 

54  (Stet.  21).     Veljko  und  Daiiiika. 

ßg  Ich  verweise  auf  meine  Anmerkung  oben  [S.  428]  zu  Nr.  30 

und  auf  de  Gubernatis,  Le  Novelline  di  Santo  Stefano,  Nr.  28. 
In  letzterem  M.,  welches  ich  früher  vergessen  hatte  anzu- 
führen, soll  nur  derjenige  die  Hand  der  Tochter  des  KTmigs 
von  Portugal  erhalten,  der  errät  „ciö  ch'  ella  aveva  addosso". 
Ein  Bauerbursche  Mammaciuco  treibt  sein  mit  seiner  Jacke 
ganz  verhülltes  Schwein  am  Schloss  vorüber.  Die  Prinzessin 
sieht  es  und  will  wissen,  was  es  sei.  Mammaciuco  enthüllt 
aber  das  Schwein  erst,  nachdem  auch  die  Prinzessin  sich  vor 
ihm  ganz  entkleidet  hat.  Er  begegnet  hierauf  einem  Signore, 
der  an  den  Hof  will,  um  das  Rätsel  zu  lösen,  und  verkauft 
ihm  das  Geheimnis,  dass  die  Prinzessin  drei  Goldhare  an  sich 
habe.  Sodann  kleidet  er  sich  als  Signore  und  erscheint  eben- 
falls  am  Hofe.     Während  jener  nur  hat  sagen  können,    dass 


30.    Aninerkuni;<'n   zu    V.  .Titi;ic   Nr.  53     56.  4().') 

die  Prinzessin  drei  (ioldhaare  an  sich  habe,  (dine  angeben  zu 
können  an  welcher  Stelle,  sagt  Mammaeiueu.  dass  sie  die 
(loldhaare  unter  der  rechten  Brust  hat.  Der  Hof  entscheidet 
nun,  dass  die  Prinzessin  sich  zwischen  beide  Bewerber  zu 
Bett  legen  und  dass  der,  dem  sie  am  Morgen  zunächst  liege, 
sie  zur  Frau  bekommen  solle.  Mammaciuco  beschmutzt  des- 
halb die  Stiefel  seines  Mitbewerbers,  und  der  üble  (leruch 
veranlasst  die  Prinzessin,  sich  von  letzterem  ab  und  ersterem 
zuzuwenden.     [Ungar.  Revue  1886,  481.] 

55  (Stef.  -2-2).  Upravda  und  Krivdii  (Gerechtigkeit  und 
Ungerechtigkeit). 
Vgl.  die  von  mir  im  Jahrbuch  für  romanische  und  eng-  (;« 
lische  Litteratur  7,  6  fl".  [=  oben  S.  281  Nr.  l]^)  und  von 
Cosquiu  in  der  Romania  5,  345  ff.  [no.  7]  zusammengestellten 
M.  und  ausserdem  noch  Zingerle,  Kinder-  und  Hausmärchen 
aus  Tirol,  '2.  verm.  Aufl.,  Nr.  13,  und  Kinder-  und  Haus- 
märchen aus  Süddeutschland,  S.  ")3  und  31!),  das  von  R.  Hansen 
in  der  Zeitschrift  der  Gesellschaft  für  Srhleswig-Hulstein- 
Lauenburgische  Geschichte  7,  233  mitgeteilte  dithmarsische 
M.,  Pitre,  Fiabe  Nr.  65,  Cerquand,  Legendes  et  recits  popu- 
laires  du  Pays  basqne,  1,  51,  Coelho,  Contos  populäres  portu- 
guezes,  Nr.  20.  Luzel,  Yeillees  bretonnes,  S.  25S  und  281, 
Miklosich,  Zigeuner-M.,  Nr.  12,  und  Beiträge  zur  Kunde  der 
Zigeunermundarten,  4,  3.  AVie  Ralston  in  dem  von  der 
Folk-Lore  Society  herausgegebenen  Folk-Lore-Record,  Vol.  1, 
S.  91,  angiebt,  finden  sich  in  Afanasjevs  russischer  Märchen- 
sammlung sieben  Versionen  unseres  Märchens.  [Goldschmidt 
S.  Gl.]  Das  mailändische  M.  in  Imbrianis  Novellaja  fiorentina 
S.  601   gehört  zum  Teil  auch  hierher. 

56  (Stef.  23).     Wer  einmal  iinglücklich  ist,  ist  in  der  That 

unsrlücklich. 

Ich    behalte    mir    für    eine    andere    Gelegenheit    die    Be-  74 
sprechung  aller  der  zahlreichen  hier  in  Frage  kommenden  M. 

^)  S.  9  habe   ich  Mailäth,   Magyarische  Sagen  und  Märclien,  8.   157 
zitiert;    ich  hatte   damals    nur  die   erste  Aufhige  (Brunn   1825)    vor  mir; 
R.  Kühler,  Kl.  Schriften.  I.  30 


4()()  ^^11'  Märchenfurschung. 

vor  [Köhler,  Aufsätze  1894,  S.  99,  ,Vum  (ilück  und  Unglück'] 
und  zähle  an  dieser  Stelle  nur  diejenigen  auf,  die  dem  bei 
Valjavec  besonders  nahe  stehen,  nämlich  Waldau,  Böhmisches 
Märchenbuch,  S.  5<S7,  =  Chodzko,  Contes  des  paysans  et  des 
patres  slaves,  S.  31^)'  Glinski,  Bajarz  polski,  3,  178,  Grimm, 
KHM.,  ^Y.  29,  Meier,  Volksm.  aus  Schwaben,  Nr.  79,  Pröhle, 
M.  für  die  Jugend,  Nr.  8,  Curtze,  Volksüberlieferungen  aus 
Waldeck,  M.  Nr.  14,  (irnndtvig,  (Jarale  danske  Minder,  1,  159, 
Nr.  -214,  und  169,  Nr.  215,  Asbjörnsen  und  Moe,  Norske 
Folkeeventyr,  Nr.  5,  Nicolovius,  Folklifwet  i  Skytts  Härad  i 
Skäne.  2.  iipplagan,  Lund  18G8,  S.  37,  Archiv  für  wissen- 
schaftliche Kunde  Russlands  16,  236  =  Grässe,  Märchenwelt, 
S.  169  (finnisches  M.  aus  Salmelainens  Sammlung),  A.  de 
Trueba,  Guentos  de  vivos  y  muertos,  3.  edicion,  Madrid  1879, 
S.  123  (El  yerno  del  rey),  Gaal- Stier,  Ungarische  Volksm., 
Nr.  17.  In  allen  diesen  M.  kommt,  wie  in  dem  bei  Valjavec, 
eine  Briefvertauschung  vor,  in  Folge  deren  ein  Jüngling 
geringer  Herkunft  der  Schwiegersohn  eines  Königs  oder  doch 
eines  vornehmen  oder  reichen  Mannes  wird.  Er  wird  dann 
von  dem  Schwiegervater,  der  ihn  verderben  will,  ausgesendet, 
Haare  oder  Federn  des  Teufels,  des  Alten  Allwissend,  eines 
Riesen,  eines  Drachen,  eines  gewissen  Vogels  zu  holen  oder 
an  den  Teufel  oder  ein  anderes  Wesen  eine  Frage  zu  richten, 
unterwegs  aber  wird  er  noch  von  anderen  Personen  gebeten, 
ihnen  auf  gewisse  Fragen  Antwort  zu  verschaffen.  [Scham- 
bach-Müller, no.  2  und  3,  Goldschmidt,  Russ.  M.,  S.  147, 
Wlislocki  no.   10,  Bolte.  Altpreuss.  Monatsschr.  35,  149.] 

57  (Stet.  24).     Die  Versucliuiig  und  Belohnung  des 
Grerechten. 

[—  Krauss  2,  no.  101.] 


in  der  zweiten  Auflage  (Stuttgart    und  Tübingen   18.87)   steht    das  frag- 
liehe M.   (Die  Brüder)  Bd.  1,  S.   1B9. 

')  Das  tschechische  Original  hat,  wie  Chodzko  angiebt,  K.  Erben 
zuerst  in  dem  Prager  „Ma'i"  auf  das  Jahr  1860  veröftentlicht  und  dabei 
zugleich  die  zahlreichen  slavischen  Varianten  verglichen.  Erben  hat 
es  dann  auch  in  seine  18(i5   zu   Frag  erschienene  Sammlung  von   hundert 


30.    Anmerkungen   zu   V.  Ja^ic  Nr.  .tO     58.  4(17 

58  (Stef.  '2b).     Die    vicruiMlzwanzii»'    an    einem    Tage    ge- 
borenen Brüder. 

hl  diesen  beiden  M.  [von  denen  das  zweite  auch  bei  77 
Kraiiss  1,  no.  80  zn  finden  ist,]  haben  wir  Elemente  zweier 
zuweilen  verbundener  Märciien,  nämlich  1.  des  M.  von  dem 
Jüngling,  der  mit  seinen  Brüdern  bei  einem  dämonischen 
Wesen  übernachtet  und  dnrch  Vertauschnng  der  Lagerstätte 
oder  der  Kopfbedeckungen  oder  dergleichen  veranlasst, 
dass  jenes  Wesen  seine  eigenen  Töchter  statt  der  fremden 
Jünglinge  nmbringt,  der  dann  auf  Befehl  eines  Herrschers 
demselben  AVeseu  mehrere  Gegenstände  entwenden  nnd  zuletzt 
es  selbst  herbeischafifen  muss^),  nnd  "2.  des  M.  von  der  gold- 
haarigen -lungfrau,  die  ein  Jüngling  einem  König  holen 
muss,  schliesslich  aber  selbst  zur  Gemahlin  erhält-). 

Am  nächsten  steht  in  manchen  Beziehnngen  nnsern  beiden  78 
M.  ein  Zigenner-M.  bei  Miklosich  Nr.  9.  In  diesem  sind 
vier  Brüder  bei  einem  Herrn  anf  ein  Jahr  in  Dienst  getreten 
und  haben  sich  jeder  ein  Pferd  als  Lohn  bednngen.  Nach 
Ablauf  des  Jahres  wählen  die  älteren  gute  Pferde,  Tropsen, 
der  Jüngste,  aber  ein  kleines  Füllen,  welches  ihm  gesagt  hat, 
er  solle  es  sich  ausbitten.  Das  Füllen  wird,  nachdem  es  noch 
einmal  au  seiner  Mutter  getrunken,  ein  gewaltiges  Koss.  Die 
vier  Brüder  kommen  zu  einer  alten  Zauberin  mit  vier  Töchtern, 
die  sie  heiraten  wollen.  Die  Alte  thut,  als  sei  sie  es  zufrieden, 
"  will  aber  Nachts  den  Brüdern  die  Köpfe  abschneiden;  da  je- 
doch Tropsen  sich  und  seinen  Brüdern  die  Hüte  abgenommen 
und  sie  den  Mädchen  aufgesetzt,  so  schneidet  die  Alte  letzteren 
die  Köpfe  ab.    Hierauf  entfliehen  <lie  Brüder,  nachdem  Tropsen 


slavischen  Volksniärehen  aufi^enoninien  und  daraus  hat  es  E.  Teza  u.  d.  T. 
.1  tre  capelli  d'oro  del  Nonnu  Satutto"  (Bologna  18(Ui)  übersetzt  und 
erläutert. 

')  S.  meine  Anmerkung  zu  Schiefner,  Awarisehe  Texte,  Xr.  3  und 
oben  [S.  414]  zu  Nr.  9,  wo  man  noch  hinzufüge  AVebster,  Basque  Legends, 
S.  16  und  77,  u.  Coelho,  Contos  pop.  portuguezes,  Xr.  21. 

-)  Es  genüge  hier  auf  meine  Anmerkung  zu  Gonzenbaeh  Nr.  83,  11, 
und  auf  die  Cosquins  zu  Nr.  3  seiner  Contes  lorrains  (Eomania  5,  94) 
hinzuweisen. 

30* 


4.ßS  2^''  Märt'henforschung. 

eine  Feder  eines  goldenen  Vogels  der  Alten  gegen  den  Willen 
seines  Rosses  mitgenommen  hat.  Sie  treten  bei  einem  Grafen 
in  Dienst.  Tropsen  steckt  seine  Feder  in  die  AVand,  nnd  sie 
dient  ihm  als  Lenehte.  Seine  neidischen  Brüder  melden  dies 
dem  Grafen  nnd  stiften  dann  an,  dass  der  Graf  verlangt, 
Tropsen  solle  ihm  den  goldenen  Vogel  der  Alten  holen. 
Tropsen  führt  dies  mit  Hülfe  seines  Rosses  aus  und  holt 
ebenso  dann  dem  Grafen  die  Jungfrau  vom  Grunde  der 
Donau.  Die  Jungfrau  verlangt  nun,  dass  auch  ihre  Ross- 
heerde  aus  der  Donau  herbeiges<'hafft  werde,  und  als  Tropsen 
sie  mit  Hülfe  seines  Rosses  geholt  hat,  muss  er  die  Stuten 
melken  und  in  ihrer  siedenden  Milch  baden.  Sein  Ross 
bläst  die  Milch  külil,  und  Tropsen  steigt  ans  dem  Kessel 
noch  scliöner  hervor,  als  er  schon  war.  Nun  steigt  auch 
der  Graf  hinein,  kommt  aber  darin  um,  und  die  Jungfrau 
heiratet  Tropsen. 

Das  Bad  in  der  siedenden  Stutenmilch,  die  vom 
Ross  des  Helden  kühl  geblasen  wird,  kommt  auch  in  einem 
verwandten  rumänischen  M.  bei  Schott  Xr.  17  vor.  In  einem 
anderen  verwandten  rumänischen  M.  in  der  Revue  linguis- 
tique  5.  248  muss  sich  der  Held  in  einem  mit  Ziegenmilch 
gefüllten,  von  selbst  kuchenden  Kessel  baden,  aber  sein  Ross 
wiehert,  und  der  Kessel  kocht  nicht.  [Veckenstedt,  S.  233, 
Wollner  zu  Brngman  no.  5  p.  527,  528,  529,  532,  536,  Siedendes 
Oel:  Archivio  3,  370,  Ofen  im  A£?.tiov.]  In  einem  tata- 
rischen M.  bei  Radioff  4,  373  ist  an  die  Stelle  der  Milch 
siedendes  Wasser  getreten,  in  w-elchem  der  Held  unverletzt 
bleibt,  weil  er  sein  Ross  neben  den  Kessel  gebunden  hat. 
In  den  sicilianischen  M.  bei  Gonzenbach  Nr.  83  und  Pitre 
Nr.  39  entspricht  ein  Kalkofen,  in  dem  der  Held  unverletzt 
bleibt,  weil  er  sich  mit  Schaum  seines  Rosses  bestrichen. 
Vgl.  auch  Halm,  (Griechische  M.  Nr.  63.  Bei  Schiefner, 
Awarische  Texte,  Nr.  1,  S.  8,  wird  ein  tiefer  Brunnen  mit 
der  Milch  roter  Kühe  angefüllt,  in  den  nur  der  alte  König 
springt,  um  sich  zu  verjüngen,  aber  untersinkt  und  ertrinkt. 

Wie  in  unserem  M.  das  Ross  des  Helden,  als  er  ver- 
schiedene Gegenstände    findet,   zu   ihm   sagt:    ,,Wenn   du  es 


30.    Aniuerkiuiueii   zu  V.  Jagic  Nr.  58.  469 

nimmst,  so  wirst  du  es  bereueu:  nimmst  du  es  aber 
nicht,  so  wird  es  dir  leid  sein!"  so  spricht  das  Ross  auch  in 
den  oben  erwähnten  M.  bei  Schott  Nr.  17,  als  der  Held  eine 
goldene  Krone,  in  der  Revue  linguistique  a.  a.  0.,  als  er  ein 
goldenes  Band,  und  bei  Sciiiet'ner  S.  5,  als  er  einen  Gold- 
flaum liegen  sieht.  [Vgl.  Kremnitz  S.  224:  ,Wenn  du  es 
weisst.  du  es  bereust,  wenn  du  es  nicht  weisst,  da  "s  auch 
bereust.-  Firdosi  und  Nizami  (bei  Spiegel,  Eran.  Altertums- 
kunde 2.  59().  G14):  .Wer  von  den  Steinen  des  Weges  mit 
sich  nimmt,  wird  es  el)enso  bereuen  wie  die,  welche  sie 
liegen  lassen."  Pseudd-Kallisthenes  2,  40.  41.]  Oben  in  Nr.  20 
warnt  das  Ross  den  Helden,  den  Giddvogel  zu  schiessen,  von 
dem  er  (hinn  drei  Federn  nimmt.  In  einem  verwandten  bre- 
tonischeii  M.  bei  Luzel.  Veillees  hretonnes,  S.  152,  findet 
Petit-Louis  eine  leuchtende  Pfauenfeder,  und  in  einem  zweiten 
parallelen  bretonischen  M.  bei  Luzel,  Quatrieme  Rapport, 
S.  190.  findet  Gwilherm  eine  goldene  Locke,  in  beiden  warnt 
das  Ross  den  Helden,  Feder  oder  Locke  aufzuheben.  [Dozon 
no.   12,   Brugman   S.   532.   Je?aior  1,   304.1 

Wie  in  dem  zweiten  unserer  M.  das  Ross  des  Helden 
zum  Schutz  vor  dem  gewaltigen  Ross,  das  es  in  die  Gewalt 
des  Helden  liringen  soll,  in  neun  Biiffelhäute  genäht  wird, 
so  wird  bei  Luzel,  Quatrieme  Rapport.  S.  199,  das  Ross  in 
20  Ochsenhäute  eingenäht,  bei  Schott  a.  a.  O.  werden  ihm 
drei  Büftelhäute  aufgepiclit.  und  bei  Radioff  a.  a.  0.  S.  382 
werden  dreissig  Pferdefelle  über  seinen  Nacken  gelegt.  In 
dem  erwähnten,  nicht  ganz  gut  iil)erlieferten  Zigeuner-M. 
kommt  das  Aufpichen  von  12  Fellen  auf  den  Rücken  des 
Rosses  auch  vor.  aber  nicht  an  der  rechten  Stelle.  [Brugman 
S.  530,  Hahn   1,  1(39  no.  22.] 


31   NE  FRAPPER  QU'ÜN  SEUL  COUP. 

(Melusine   5,  37—38.      ISliu.) 

1.  Dans  une  conte  serbe,  publie  en  allemaud  par  M.  Jagic  37 
(Archiv  f.  slav.  Philologie,    1,    1876,  p.  281  no.  8),  un  avor- 


470  ^^"'  Märchenforschuug. 

ton  haut  d'un  empaii  puursiiit  uu  hoiniiie  qiii  seu  allait  une 
niiit  du  mouliii  ehez  lui.  L'homme  lui  donne  uii  fort  coup 
de  räteau.  „Frappe  eneore  une  fois",  dit  l'avorton,  mais 
rhomnie  repond:  „ma  mere  m'a  enfante  une  fois".  Ij'avor- 
ton  etait  le  Diable,  et  il  creva  de  colere,  parce  que  riiomme 
n'avait  pas  voulu  frapper  eneore  une  fois. 

2.  Dans  ma  note  sur  ce  eonte  [oben  S.  414]  je  n'avais  fait  de 
rapprocliement  qu'avec  un  eonte  grec  de  Halm  (Grieehische 
Märchen  no.  70).  La  un  prince  donne  un  coup  d'epee  ä  un 
dragon,  et  le  dragon  lui  dit:  „Donne-moi  eneore  un  coup, 
afin  que  je  meure  vite."  Mais  le  prinee:  „Ma  mere  ne  m'a 
enfante  qu'une  fois."  La-dessus  le  dragon  creva,  parce  que 
le  prince   ne  voulut    pas   lui  donner    uu  second    coup  d'epee. 

3.  Quelques  annees  plus  tard,  Liehrecht  s'occupant  de 
ce    theme   dans   son    livre  Zur  Volkskunde,    p.  333,    ecrivait: 

„C'est  un  trait  frequent  dans  les  legendes  qnun  uouveau 
coup  frappe  ou  tire,  ä  sa  demande.  sur  un  etre  fantastique, 
detruit  Feütet  du  premier:  aussi  ce  uouveau  coup  est-il  refuse 
par  celui  a  (jui  on  le  demande.  Aiusi  dans  les  contes  nor- 
vegiens  d'Asbjoernsen  (Norsk  Huldre-Eveutyr,  3e  ed.,  p.  192) 
le  tireur  Pierre  tire  trois  fois  a  la  tete  uu  troll  (lutin  ou 
etre  fantastique),  et  celui-ci  lui  dit:  „Tire  eneore  une  fois." 
Mais  Pierre  etait  trop  malin  pour  le  faire,  car  ce  coup  serait 
revenu  sur  lui-meme. 

„Dans  une  legende  islandaise  publice  par  Arnason  (T.  1, 
p.  14»),  un  certain  Svein  traverse  un  fantome  avec  son  cou- 
telas.  Celui-ci  a  l'air  d'en  avoir  peu  de  souci  et  dit  seule- 
ment:  „Retire  et  frappe  eneore  une  fois."  —  „Garde  ce  que 
tu  as"  repond  Svein,  et  le  fantume  s'eloigne.  —  Autre 
legende  du  meme  ouvrage  (T.  1.  p.  023):  Thorleif  qui  s'entend 
en  magie,  veille  sur  uue  jeune  fille  que  menace  un  fantome. 
Une  nuit  (|u'ii  sc  tieut  pres  de  soii  lit.  il  cherche  en  bas 
avec  soll  long  coutcnu.  et  sur  la  pointe  de  celui-ci  il  ramene 
uu  meiiihrc  humaiii.  „Frappe  eneore  u\\('  fois".  dit  uue  voix 
de  dessous  terre.  „Un  scul  chritiinent  sufdt  m  ('h;i(|ne  fois", 
repnnd  Thorleif. 


31.    Ne  fra])per  qii'uii  seul  ooup.  471 

„Daus  iiiie.  legende  (rAmruin,  daus  Mülleulioff  (Sagen 
etc.  der  Herz.  Schleswig-Holstein,  Kiel,  1845,  no.  297),  un 
liomme  frappe  une  sorciere  qni  est  montee  sur  ses  epaules; 
eile  est  forcee  d'en  descendre,  mais  eile  lui  dit  d'abord: 
„Encüre  un  coup!"  Et  riiomme  repond:  „Je  m'en  garderai 
bien!"  Au  jour  suivant  il  se  montra  que  la  sorciere  etait 
sa  fiancee;  et  un  second  coup  l'aurait  guerie." 

Puis  Liebrecht,  apres  avoir  cite  les  contes  serbe  et  grec, 
termiue  ainsi:  „Ce  trait  se  rencontre  donc  dans  le  nord 
comme  dans  le  sud  de  l'Europe." 

Depiiis,  jai  retrouve  six  contes  qui  appartienneut  ä  ce 
cycle  et  je  vais  les  resumer: 

4.  Dans  un  coute  turc  traduit  eu  alleniaud  par  Ignace  | 
Künos  (Ungarische  Revue,  1S88,  p.  KU),  Atola,  fils  d"un  38 
cheval.  jette  a  terre  un  dev  (genie)  qu'il  a  grievenient  blesse 
d'un  coup  de  lance.  Le  dev  lui  dit:  „Si  tu  es  un  homme, 
donne-moi  un  second  coup  dans  le  flanc!"  Atola  repond  — 
comme  les  heros  des  cimtes  grec  et  serbe:  „Ma  raere  ne 
m"a  enfante  ([uune  fois."  11  savait  qu'un  second  coup  de 
lance  remettrait  le  dev  sur  pied. 

5.  Le  heros  d'un  coute  kurde,  Hasanek,  a  coupe  la  tete 
ä  un  dev  d"un  coup  de  l'epee  apparteiumt  a  celni-ci.  La 
tete  dit:  „Donne  un  second  coup."  Mais  (juelquuii  qui 
connait  les  devs  a  fait  la  le(;on  ä  Hasanek  et  celui-ci  repond: 
„Je  ne  donne  pas  un  second  coup,  car  le  heros  n"a  qn'une 
parole."  (P.  Lerch,  F'orsch.  über  die  Kurden  etc.,  Ire  partie, 
Saint-Petersbourg,   1857,  p.  57). 

6.  Dans  un  coute  arabe  d'Egypte,  Mohammed  lavise  part 
pour  tuer  le  taureau  de  la  vallee  noire.  Quand  il  la  trouve, 
il  lui  porte  un  coup  du  poignard  que  lui  a  donne  une  ogresse. 
Le  taureau  lui  dit:  „Frappe  encore  une  fois."  Mais  Moham- 
med, style  par  Logresse,  n'en  fait  rien,  et  repond:  „Le  coup 
de  la  jeunesse  ne  se  repete  pas".  La-dessus  le  taureau 
tombe  et  meurt.  Si  Mohammed  avait  frappe  un  second  coup, 
il  aurait  ete  tue  par  le  taureau.  La  merae  histoire  lui 
arrive   avec   le   taureau   de    la    vallee  rouge.     Les  deux   tau- 


472  Zur  Märchenforschung. 

reaux  sont  les  lils  du  Sultan  des  Genies.    (Spitta-Bey.  Contes 
arabes,  Paris,  1883.  p.   17—19.) 

7.  Dans  un  conte  kabyle  un  fils  de  roi  trappe  uii  ogre 
avec  un  poignard  rpie  celui-ci  lui  a  donne:  „Kncore  un  coup!" 
dit  logre.  Mais  le  fils  de  roi  a  appris  d'une  des  femmes  de 
logre  qu'il  ne  devait  frapper  quun  coup  avec  le  poignard; 
autrement  Togre  ne  mourrait  pas  et  le  tuerait.  11  dit  donc 
a  l'ogre:  „Secoue  la  tete."  L'ogre  le  fait,  et  sa  tete  tombe, 
une  moitie  ä  gauche  et  l'autre  raoitie  ä  droite  (J.  Riviere, 
Recneil  de  Contes  kabyles,  Paris,   1882,  p.  241—242). 

8.  Dans  un  conte  lapon,  un  Lapon  lutte  avec  un  stallo 
(genie);  il  est  sur  le  point  de  succoraber  et  detre  tue  par 
le  stallo.  La  femme  <lu  Lapon  vient  alors  en  cachette,  et 
frappe  le  stallo  par  derriere,  dun  coup  de  hache  entre  les 
deux  epaules.  Le  stallo  se  retourne  et  dit  a  la  femnie: 
„Frappe  encore  une  fois."  Mais  le  Lapon  crie :  „Ne  le 
frappe  plus  et  laisse-le  comme  il  est,  mais  arrache-le  de 
moi!"  La  femme  fait  ainsi.  le  stallo  tombe  sur  le  dos  et 
meurt  (Qvigstad  et  Sandberg,  Lappiske  Eventyr  etc.,  Kristiania, 
1887,  p.   L58). 

9.  Dans  le  mabinogi  (recit)  gallois  de  Pwyll.  })rince  de 
Dyved,  Arawn,  roi  d'Annwyn,  charge  Pwyll  de  combattre  en 
son  lieu  et  place  contre  le  roi  Hafgan  et  il  dit  ä  son  rem- 
pla(;ant:  Hafgan  ne  survivra  pas  au  coup  ((ue  tu  lui  donueras; 
mais  s"il  te  prie  de  lui  donner  un  second  coup,  ne  le  fais 
pas,  quelles  que  soient  ses  priores;  car,  lors<|ue  jai  agi  ainsi 
moi-merae,  il  a  combattu  avec  moi  le  second  jour  aussi  bien 
(|ue  le  premier.  (San  Marte ,  en  appendice  k  sa  traduction 
(allemande)  de  Thistoire  de  la  litterature  galloise  de 
Th.  Stephens,  Halle,  1864,  p.  429—430.  —  Les  Mabinogion, 
traduits  par  J.   Lotli.  Paris,  1889,  t.   I,  p.  32—35.) 

[Vgl.  Melusine  6,  28.  8,  23,  Basset,  Etudes  sur  la  Zenatia 
du  Mzab  1892  =  Publ.  de  l'ecole  des  lettres  dAlger  12 
p.  152.  Stumme,  Mirchen  der  Schluh  1895  S.  154:  Houwäru 
1895  S.   123.] 


32.    Der  undankbare  Sohn   un<l  die  Kröte.  473 

32.    Der  undankbare  Sohn  und  die  Kröte. 

Ein  kroatischer  oder  serbischer  Text,  mitgeteilt  von  I^-ofessor 
Danicic,  mit  Bemerkimgeu  von  Dr.  R.  Köhler. 

(Archiv  fiir  islavisehe   Pliilolo»-ie  8,  21.")  — 219.     1878.) 

Die  älteste  mir  bekannte  Ueberlieferimg  der  Geschichte  2X6 
von  dem  nndaukbaren  Sohn  und  der  Kröte  findet  sich  in  dem 
Boniim  universale  de  apibus  des  im  13.  Jahrhundert  lebenden 
Thomas  von  Cantimpre  (Cantipratanus).  falls  nicht  etwa  eine 
noch  nngedruckte  franzTtsische  Erzählung  in  Versen  älter  ist. 
Den  Inhalt  der  letzteren  giebt  A.  Tobler  im  Jahrbuch  für 
romanische  und  englische  Litteratur,  7,  411  also  an:  „Ein 
pflichtvergessener  nndankbarer  Sohn,  der  seines  Vaters  Bitte 
um  Speise  abgeschlagen  hat,  wird  dadnrch  bestraft,  dass  das 
grösste  Stück  Fleisch  der  Schüssel  ihm  als  Kröte  an  die  Lippe 
springt^)." 

Die  Erzählung  in  dem  genannten  Werke  des  Thomas  von 
Cantimpre  aber  (Lib.  II,  cap.  7.  §  4)  lautet:  \ 

In  Normanniae  partibus  vir  admodum  dives  erat,  sed  217 
ignobilis.  Hie  filium  liabel)at  unicum  et  dilectum,  quem 
delicate  educaverat  ad  robur  viri.  Convenit  ergo  patrem 
miles  quidam  nobilis  cum  amicis,  dicens:  Filia  est  nobis  de- 
cora  uimis  et  prudens,  })er  (piani.  si  tibi  placuerit.  posteritas 
tua  exaltari  poterit  et  juvari.  Hanc  filio  tuo  dabimus  in 
iixorem,  hoc  tamen  modo,  ut  cedas  possessionibus  nniversis, 
et  filius  tibi  et  matri.  quamdiu  advixeritis,  abundantissime 
providebit.  Casus  enim  diversi  sunt,  in  quibus  filins  tuus 
posset,  te  in  possessione  manente,  haereditate  frustrari.  Hoc 
patre  andiente  et  haerente  sub  dubio,  ab  amicis  tandem  com- 
pulsus  est,  etsi  inente  pavidus.  cedere  cunctis  bonis.  Peractis 
ergo  nuptiis.  filius  et  uxor  ejus  anno  quidem  priino  honoravit 
parentes.  victum  copiosius  ministravit,  sed  secundo  minus  et 
tertio  inverecundius  quam  decebat.     Quarto  autein  anno,  sug- 

M  Vul.  in  Betreff  dieser  Erzählung  auch  A.  Weber,  Handschrift- 
liche Studien  auf  dem  Grebiete  romanischer  Litteratur  des  Mittelalters, 
1,   10  (16),  21   (16),  26   (28),  29  (22),  34  (:S6). 


474  2ur  Märcheiitorscliung'. 

gereute  iixore,  filius  pareutibiis  j^iiis  domimculam  parvam  in 
opposito  domus  siiae  constitiiit.  ut  minus  esset  iudecentia 
sennm  juvenibus  onerosa,  ibiqne  eis  secretius  insufficienter 
necessaria  ministrarent.  Pertulit  ergo  senex  pater  ibidem 
cum  nxore  deerepita  non  modicam  egestatem,  et  vix  interdum 
(btmum  filii  audebat  intrare,  sed  per  clientuliim  mandabat  ea, 
quibiis  carere  nun  poterat.  L-na  aiiteni  diernm  accidit,  ut 
mater,  ex  opposito  domus  suae  visa  auca  infixa  verui  in  domo 
filii,  diceret  viro  suo:  Me  t'eminam  magis  decet  paueis  esse 
contentam,  tu  autem  vadas  ad  domum  filii  et  saltem  semel 
esurientem  aninium  saties  de  auca,  ([uam  ibidem  vidi  esui 
praeparatam.  Hoc  audito,  senex  innixus  baculo  properabat 
ad  domum  filii,  sed  mox  ut  eum  filius  vldit,  aucam  retraxit 
ab  igne  et  clam  al)Scondit.  statiuKpie  patri  obvius.  quid  quae- 
reret,  in(|uislvit.  Et  mox  factum  pater  notans  dissimulavit  et 
rediit  ad  domum  suam.  Filius  igitur  puellae  pr^ecipit,  nt  mox 
aucam  reponat  ad  ignem.  Nee  mora.  ubi  pnella  in  thalamo 
aucam  vidit,  bufonem  maximum  aucae  pectori  haerentem  in- 
venit.  Ea  ergo  clamante,  accurrit  junior  dominus,  nisusque 
bufonem  excutere,  ut  violenter  institit.  bufo  ab  auca  resiliens 
faciem  adeo  fortiter  conantis  invasit.  ut  nnlla  arte  vel  con- 
silio  deponi  posset.  aut  excuti,  sed  sie  multis  annis  hominis 
nequitiam  inhaerendo  punivit.  Et  erat  illud  supremi  stuporis 
miraculum.  et  si  quando  monstri  illius  pars  ali(iua  taugebatur, 
ac  si  percuteretur  in  corde,  ita  h(tmo  sensibiliter  laedebatur. 
Gonterritus  igitur  mirabiliter  et  contritus  adiit  dioecesanum 
episcopum.  et  cum  omni  dolore  confessus  pro  poeniteutia  re- 
cepit  ab  illo,  ut  per  omnes  fines  Xormanniae  et  Galliae  civi- 
tates  revelata  facie  circuiret  et  ubique  narraret  populis 
eventum  rei,  ut  per  lioc  exemplum  sumerent  filii  lionorare 
parentes  et  discerent,  quam  periculosum  sit  et  nocivum  vicem 
non  rependere  laboribus,  quos  ipsi  parentes  filiis  impenderunt. 
Hunc  ergo  hominem  cum  bufonis  monstro  circumeuntem,  ut 
diximus.  frater  Joaimes  de  Magno  Ponte,  ordinis  praedica- 
toruui.  sicut  per  ipsum  nobis  relatum  est,  vidit  in  juventute 
Parisiis  palain  referentem  omnibus  et  monstrantem,  quod  j)r() 
iidionoratione  parentum  passus   fuerat  multis  annis   et   adliuc 


H2.    Der   uiidiuikbare   >io\n\   und   die  Kröte.  475 

secundum  Dei  voliintatein  pateretur.  Hunc  })ostea.  sed  iiou 
per  dictum  fratrem  -loaiinem.  aiidiviimis  saiietoruin  qiioriiiidani 
precibus  liberatuiu.  et  dispariiisse  subito  foedum  moüstrum. 
Die  Erzählung  des  Thomas  von  Cantimpre  ist  im  Original 
oder  in  Uebersetzung  in  manche  andere  mittelalterliche  Werke 
unverändert  übergegangen.  |  So  in  das  Speculum  exemplorum  2U 
(in  civitate  Argentina  1487.  distinctio  5.  84)  und  in  eine 
deutsche  Sammlung  von  Predigtmärchen  (Franz  Pfeiffer,  Alt- 
deutsches Uel)ungsbuch,  Wien  1S66,  S.  194).  Aus  Thomas 
hat  nachweislich  Johannes  Herolt  (Discipuhis)  in  seinem 
Werke  de  eruditione  Christifidelinm  (in  dem  Abschnitt  de 
quarto  praecepto)  geschöpft,  aber  bei  ihm  verwandelt  sich 
ein  Stück  des  Bratens,  als  es  der  Sohn  in  den  Mund  führen 
will,  in  eine  Kröte  ^).  Andere  mir  bekannte  spätere  Fas- 
sungen der  Erzählung  haben  wieder  andere,  aber  immer  un- 
wesentliche Abweichungen  von  Thomas.  In  einer  Fassung  in 
dem  „Seelen  Trost"  (Frommanns  Deutsche  Mundarten.  1.  'ilG) 
wird  ein  Schmied  gerufen,  der  den  „grossen  breiten  Wurm", 
der  dem  Sohn  ins  Gesicht  gesprungen  ist,  mit  Zangen  herab- 
reissen  soll,  der  Wurm  aber  sieht  ihn  so  schrecklich  an.  dass 
er  vor  Furcht  zu  Boden  fällt  und  erklärt,  das  sei  kein  Wurm 
sondern  der  böse  Feind,  weshalb  der  böse  Sohn  mit  dem 
Wurm  liegen  blieb  und  starb.  In  Johannes  Paulis  Schimpf 
und  Ernst.  Kaj).  4o7 -).  in  Luth(M-s  Tischreden  (hgg.  von 
K.  E.  Förstenninn.  1.  •JOB)  und  in  Wilhelm  K'irchhofs  Weiuhin- 


^)  A.  Hondorf,  Promptuariuni  Exomidoriini,  Historien-  und  Exenipel- 
buph  2,  Eisleben  1599,  62,  eitiert  nicht  Herolts  obengenanntes  Werk, 
sondern  seine  oft  gedruckten  Sermones  de  tempore  [et  sanctis  cum 
Promptuario  exemplorum],  ohne  nähere  Angabe,  wo  sich  da  die  Ge- 
schichte finde.  [Etienne  de  Bourbon  1877  no.  16H,  Crane,  Mediaeval 
Sermon-books  p.  77.  Hist.  litt,  de  France  23,  193,  Bütner,  Epitome  bist. 
1.596  Bl.  497,  Lautenberger  1617  in  Birlingers  Alemannia  4,  264,  Zanacli, 
Histor.  Erquickstunden  4,  1,  547,  Horst,  Dänionom.  2,  479,  Roxburghe 
Ballads  ed.  by  Chappell   2.   74  (1874).] 

'-)  Aus  Pauli  haben  die  Brüder  (trimm  die  P^rzählung  in  ihre 
Kiniler-  und  Hausmärchen  als  Nr.  145  aufgenommen,  und  zu  dieser  Xr. 
der  Grimmschen  M.  bemerkt  E.  du  Meril,  Etudes  sur  (luelques  point ; 
d'arche(dogie    et    d'histoire    litteraire,    Paris    1862,   S.    473,   man   erzähle 


476  Zur  Märclienforschung. 

mut,  5,  110,  wird  ausdrücklich  gesagt,  aus  dem  versteckten 
Braten  sei  eine  Kröte  geworden,  während  bei  Thomas  die 
Kröte  auf  dem  Braten  sitzend  gefunden  wird.  In  einer  fran- 
zösischen Moralite  des  16.  Jahrhunderts,  die  unsere  Geschichte 
behandelt  (s.  Parfait,  Histoire  du  Theatre  frau^ois,  3,  153  if.) 
versteckt  der  Sohn  eine  Pastete,  und  als  er  sie  dann  auf- 
schneidet, kommt  eine  Kröte  heraus.  Auf  Weisung  seines 
Bischofs  geht  der  Sohn  zum  Papst,  der  ihn  von  der  Kröte 
befreit  und  ihm  aufgiebt,  sich  die  Verzeihung  seiner  Eltern 
zu  erwerben.  Ob  der  von  Ph.  Wackernagel,  Bibliographie  zur 
Geschichte  des  deutschen  Kirchenliedes  im  1(5.  Jahrhundert, 
S.  71  [Goedeke  Grdr.  ^  1,  316,  53],  bibliographisch  beschriebene 
Meistergesang  „Ein  schons  lied  in  de^  Nachtigals  seuften  don 
von  der  krotten  und  von  dem  Romer,  der  seinem  sun  sein 
hab  und  gut  übergab'-'  (Nürnberg  1509),  ausser  dem,  dass 
er  den  Schauplatz  nach  Rom  verlegt,  noch  besondere  Ab- 
weichungen hat,  weiss  ich  nicht. 

Neben  dieser  Geschichte  von  der  Kröte,  die  dem  undank- 
baren Sohn  ins  Gesicht  springt,  giebt  es  aber  nun  auch  eine 
im  übrigen  ganz  gleiche,  nicht  minder  alte  (ieschichte,  wo- 
nach eine  Schlange  den  Hals  des  Sohnes  umwindet.  Der 
ältere  Zeitgenosse  des  Thomas  von  Cautimpre.  Cäsarius  von 
Heisterbach,  erzählt  sie  in  seinem  Dialogus  miraculorum 
(6,  22)  und  in  seinen  Homilien  (1,  p.  141).  Hiernach  ver- 
steckt ein  Sohn  —  juvenis  ((uidam  saecularis  de  Moseila,  si 
bene  memiui  nomine  Henricns  —  vor  seiner  Mutter,  die  ihm 
all  ihr  Hab  und  Gut  abgetreten  hat  und  die  er  dann  aus 
dem  Hause  gestossen  hat,  ein  gebratenes  Huhn,  dass  er  mit 
seiner  Frau  essen  wollte.  Als  dann  der  Kasten,  worein  das 
219  Huhn  gethau  worden  war,  geöffnet  wird,  findet  man  in  |  der 
Schüssel  an  Stelle  des  Huhns  eine  Schlange,  und  wie  der 
Sohn  sich   niederbeugt,    springt   sie    eni})or    und    schlingt  sich 


(lies  Märclieii  luu-li  in  ilcr  Nurmaiidif.  |H(iiiiaiiiii  10,  2,  Melusine  1,403. 
8,  10,  Luzel,  Legendes  ehret.  2,  179,  Hynians,  Les  images  pop.  flaniandes 
au  16.  siecle  1870,  j).  20,  Braga  no.  170,  Pröhle,  :\I.  f.  d.  Jug.  no.  43. 
Schulenhurg,  Wend.  Volkss.  S.  292,  Becker-Roose-Thiele,  Litau.  u.  preuss. 
Vülkssagen   1S47   JS.   107  no.   37.] 


H'2.    Der  iiiidiiiiUharc   Sdlui   und  die   Kröte.  477 

um  seinen  Hals,  ('iiiu  comedente  comedit.  et  (|uotiens  ei  siib- 
traliebautur  cibaria  vel  adhibebantiir  ali(iua,  ([uibiis  deponi 
deberet.  instrumenta,  ita  cdlluni  hominis  strinxit.  ut  intumes- 
cente  faeie  oculi  de  sedibus  suis  moverentur.  ,,flam"  —  so 
schliess't  Cäsarius  die  Erzählung  —  „tredecim  anni  sunt  elapsi 
plus  minus,  ex  quo  ista  eontigerunt.  Nam  ductus  est  idem 
Henricus  in  carruca  per  provinciam  nostram  ad  diversa  sanc- 
torum  limina,  et  viderunt  eum  multi.  Quem  praedi(;ta  mater, 
poenae  ejus  compatiens,  materno  affectu  sequebatur." 

Diese  Erzählung  des  Cäsarius  findet  sich  ziemlich  treu 
übersetzt  in  dem  oben  genannten  „Seelentrost''  (Deutsche 
Mundarten,  1,  215),  der  also  sowohl  die  Erzählung  von  der 
Schlange  als  die  von  der  Kröte  enthält,  und  kurz  zusammen- 
gezogen in  des  Engländers  Johannes  Bromyard  (j  1419)  Summa 
praedicantium  (F,  V,  •2'2):  A.  Hondorf  a.  a.  0.  citiert  sie,  und 
Joannes  Maulius  giebt  sie  in  seinen  Locorum  commuuium 
collectanea,  Francofurti  ad  Moenum  156S,  S.  226,  mit  einigen 
unwesentlichen  Aenderungen. 

Schliesslich  bemerke  ich  noch,  dass  Legraud  d'Aussy, 
Fabliaux,  3.  edition,  Paris  1829,  4,  126,  und  H,  Oesterley  in 
seiner  Ausgabe  von  Paulis  Schimpf  und  Ernst,  S.  524,  einige 
Citate  über  die  Geschichte  von  der  Kröte  geben,  die  ich  nicht 
vergleicheu  kann^). 


33.  Vergleichende  Bemerkungen  zu  dem 
litauischen  Märehen  von  dem  hstigen 
Menschen  und  dem  dummen  Teufel. 

(Mitteilungen  der  litauisidieu  litterarisehen  Gresellschaft  1,  Heft  3, 
S.  164—166.     1880.) 

In    dem    oben    S.    88 — 88    [von   Jurkschat]    mitgeteilten 
litauischen  Märchen  von  dem  listigen  Menschen  und  dem 


^)  Das  Citat  Oesterleys  „Aeerra  pliilol.  6,  63"  ist  zu  streichen,  da 
dort  sich  andere  Geschichten   von  undankbaren  Kindern  finden. 


478  ^^1'"  ^Iiii'<'lit;iitui'8cliuug. 

dummen  Teufel  kenue  ich  folgende  Seitenstücke  ^) :  ein 
mährisch-walacliisches  in  J.  Wenzigs  Westslavischem  Märchen- 
schatz S.  164,  eins  aus  der  Bukowina  in  J.  W.  W(dfs  Zeit- 
schrift für  deutsche  Mythologie  und  Sitteiikunde  1 ,  LSO, 
165  eins  in  J.  Haltrichs  |  Deutschen  Volksmärchen  aus  dem 
Sachsenlande  in  Siebenbürgen  Nr.  28  (—  27  der  1.  Ausgabe), 
eins  in  A.  Peters  Volkstümlichem  aus  Oesterreichisch-Schlesien 
2,  190  und  eins  bei  F.  Schönwerth,  Aus  der  Oberpfalz  8,  75. 
Die  vier  ersten  Märchen  haben  —  bei  aller  sonstiger  Ver- 
schiedenheit von  einander  und  von  dem  litauischen  —  das 
miteinander  und  mit  dem  litauischen  gemein,  dass  in  ihnen 
ein  oder  mehrere  Teufel  einen  Menschen  zum  Wettlaufen 
und  zum  Wettringen  auffordern,  und  dass  der  Mensch  den 
Teufel  wegen  des  Wettlaufens  zunächst  an  seinen  kleinen 
Sohn  (bei  Wenzig  und  Peter)  oder  Enkel  (bei  Haltrich)  oder 
Bruder  (in  Wolfs  Zeitschrift),  womit  er  einen  Hasen  meint, 
verweist  und  wegen  des  Wettringens  an  seinen  alten  Gross- 
vater oder  Knecht  (bei  Peter),  womit  er  einen  Bären  meint. 
In  dem  oberpfälzischen  Märchen  fehlt  das  Wettringen,  aber 
neben  dem  Wettlaufen,  wobei  sich  der  Mensch  ausbedingt, 
dass  sein  Alter,  d.  h.  ein  Hase,  mitlaufen  darf,  kommt  — 
ganz  wie  im  litauischen  —  auch  das  Wettklettern  vor, 
worin  der  Junge  des  Menschen,  d.  li.  ein  Eichhörnchen,  gewinnt. 
Wenn  dann  in  dem  litauischen  Märchen  der  Teufel  den 
Menschen  noch  zu  einem  zweiten  Wettlauf,  nämlich  um  den 
Torfbruch  herum,  auffordert  und  der  Mensch,  um  sich  an- 
geblich das  Laufen  zu  erschweren,  dabei  ein  Pferd  zwischen 
die  Beine  nimmt,  d.  h.  darauf  reitet,  und  auf  diese  Weise 
siegt,  so  ist  hierin  nur  das  mährisch -walachische  Märchen 
vergleichbar,  in  ihm  trägt,  nachdem  zwei  andre  Teufel  schon 
im  Wettlaufen  und  Wettringen  unterlegen,  ein  dritter  Teufel 
ein  Pferd  dreimal  auf  dem  Rücken  im  Wald  herum,  muss 
jedoch  dabei  auszuruhen:  der  Mensch  aber  trägt  das  Pferd 
nicht  auf  dem  Rücken,  sondern  zwischen  den  Beinen,  d.  li. 
er  reitet  darauf,  und  braucht  natürlich  nicht  auszuruhen. 

^)   [Eine    andre    litauische    Fassung    gab  Bassanovic    1886    in    den 
,Mitteilungen'  2,  M(\.\ 


3)3.    A  Olli   listii^en   Menschen   uiul   (Inniincu   Tenfel.  579 

Wie  das  litauische  Märchen  mit  einer  Erb  teil  iing 
zwischen  den  Brüdern  beginnt,  so  auch  das  aus  der  Bukowina; 
aber  die  Erbschaften  und  die  Art,  wie  der  Jüngste,  der  das 
wenigste  geerbt  hat,  mit  dem  Teufel  zusammentrifft,  und  was 
er  ihm  alsbald  vorlügt,  alles  dies  ist  in  beiden  Märchen  ganz 
verschieden. 

Wenn  in  dem  litauischen  Märchen  der  Mensch  dem  Teufel 
sagt,  er  wolle  mit  dem  Faden  einen  Teil  des  Waldes  um- 
schlingen und  ausreissen,  so  ist  dazu  der  erste  Teil  des 
siebenbürgischen  Märchens  zu  |  vergleichen,  in  dem  der  Held,  ig6 
der  von  den  Teufeln  vorgeschickt  worden  ist,  eine  Eiche  aus- 
zureissen  und  in  die  Hölle  zu  bringen,  ein  grosses  Seil  nimmt 
und  vorgiebt,  er  wolle  damit  gleich  den  ganzen  Wald  um- 
binden, ausreissen  und  nach  Hause  schaffen;  und  ebenso  wird 
noch  in  verschiedenen  andern  Märchen  von  listigen  Menschen, 
welche  Teufeln,  Riesen  oder  andern  dämonischen  Wesen  un- 
geheure Stärke  vorspiegeln,  erzählt,  dass  sie  thun,  als  ob  sie 
mit  einem  Seil  einen  ganzen  Wald  umreissen  wollten. 

ich  erlaul)e  mir,  diesen  Bemerkungen  noch  den  Wunsch 
anzuschliessen,  dass  die  in  den  , Mitteilungen'  zur  Veröffent- 
lichung kommenden  litauischen  Märchen  auch  fernerhin  mit 
deutscher  L'ebersetzung  versehen  werden  mögen,  damit  sie 
auch  den  gleich  mir  des  Litauischen  nicht  mächtigen  Märchen- 
freunden zugänalich  sind. 


34.  Eine  litauische  Sage  und  das  deutsehe 
Volksbuch  von  Fortunatus. 

(Mitteilungen  der  litauischen  literarischen  Gesellschaft  2,  148 — 149.   1884.) 

In  E.  Veckenstedts  Mythen,  Sagen  und  Legenden  der 
Zamaiten  "2,    57  findet  sich  eine  Sage  folgenden  Inhalts: 

Ein  Bauer,  der  unterwegs  verwundet  worden  war  und 
blutend  und  allein  am  Wege  lag,  betete  zu  dem  Wegegott  um 


_j.,S()  Zur  Mäi-L'heiiforocliung. 

Hilfe.  Alsbald  kam  eine  Frau,  verband  iliii  und  beute  die 
149  Wunde  mit  Zaubermitteln  und  sagte  dann  j  zu  ihm:  „Ich  bin 
Laima,  die  Herrin  des  Glückes;  der  Wegegott  hat  mich  ge- 
sandt, dir  zu  helfen.  Hier  hast  du  auch  eine  Börse,  in 
welcher  du  stets  (ield  finden  wirst,  nur  musst  du  alle  Jahre 
an  diesem  Tage  ein  armes  Mädchen  ausstatten."  Der  Bauer 
fand  nun  immer  Geld  in  der  B(irse,  Ins  er  an  einem  Jahrestag 
unterliess,  ein  Mädchen  auszustatten,  worauf  die  Börse  ihre 
wunderbare  Eigenschaft  verlor. 

Eine  auffallende  üebereinstimmung  mit  dieser  Sage  bietet 
das  bekannte,  alte  deutsche  Volksbuch  von  Fortunatus  ^). 
Darin  (K.  Simrock,  Die  deutschen  Volksbücher  3,  89)  er- 
erscheint dem  Fortunatus  einst  in  einem  Walde  in  der  Bretagne 
eine  schöne  Frau,  giebt  sich  ihm  als  Fortuna  zu  erkennen 
und  fordert  ihn  auf,  eine  von  ihren  sechs  Gaben,  nämlich 
Weisheit,  Reichtum,  Stärke,  Gesundheit,  Schönheit  und  langes 
Leben  sich  zu  wählen.  Da  er  den  Reichtum  wählt,  giebt  sie 
ihm  einen  Säckel,  in  welchem  er,  so  oft  er  hineingreife,  zehn 
Goldstücke  finden  werde.  Auf  seine  Bitte,  Fortuna  möge  für 
dieses  Geschenk  auch  von  ihm  etwas  verlangen,  verlangt  sie, 
er  solle  sein  Lebtag  immer  an  diesem  Tage  —  es  war  der 
erste  des  Brachmonats  (Simrock,  S.  Iö3)  —  drei  Dinge  um 
ihretwillen  thun,  nämlich  1.  den  Tag  feiern,  '2.  an  ihm  kein 
ehlich  AVerk  vollbringen  und  3.  an  ihm  eine  arme,  mannbare 
Jungfrau  zum  Zweck  ihrer  Verheiratung  ehrlich  kleiden  und 
mit  400  Goldstücken  beschenken. 

Man  wird  nicht  anders  können  als  eine  Einwirkung  des 
deutschen  Volksbuchs  auf  die  litauische  Sage  annehmen 
müssen.  Ich  weiss  nicht,  ob  das  in  so  manche  Sprache  über- 
setzte Volksbuch  auch  ins  Litauische  oder  ins  Polnische  je 
übersetzt  worden  ist.  Darüber  werdenLeser  dieser  „Mitteilungen'-' 
Auskunft  geben  können.  Wenn  es  aber  auch  keine  solche 
Uebersetzungen  geben  sollte,  so  wird  doch  immerhin  der  In- 


')  Man  vergleiche  über  das  Volksbuch  den  tretfliclien  Artiktd 
„Fortunatus"  von  J.  Zacher  in  der  Allgemeinen  Encyklopädie  von  Ersch 
und  Gruber,   1.  Sektion,  16.  Teil,  Leipzig  1847,  S.   178—187. 


84.    Fortimatiis.  4,m 

halt  des    (leutr^clieu  Volksbuchs   durch   den  Verkehr  mit   deu 
Deutschen  in   Litauen  bekamit  geworden  sein  können  M. 


35.    Nasr-eddins  Schwanke. 

(Orient  und  Occident   1,  481—448.     764     7H5.     1862.) 

Vor  einigen  Jahren  ist  ein  Büchlein  erschienen,  das  ge-  431 
rade  in  dem  Kreise  derer,  die  es  besonders  anziehen  muss, 
völlig  unbekannt  geblieben  zu  sein  scheint;  ich  meine  die- 
jenigen, welche  den  Ursprung  und  die  Verbreitung  von  Mär- 
chen, Novellen  und  Schwänken  zu  erforschen  haben.  Möge 
es  mir  vergönnt  sein  durch  diese  Zeitschrift,  in  deren  Bereich 
jenes  Buch  recht  eigentlich  gehört,  die  Aufmerksamkeit  auf 
dasselbe  zu  lenken.     Sein  Titel  lautet: 

„Meister  Nasr-eddins  Schwanke  und  Käuber  und  Richter. 
Aus  dem  türkischen  Urtext  wortgetreu  ül)ersetzt  von  Wilh. 
von  Camerloher,  und  resp.  Dr.  W.  Prelog,  Mitgliedern  der 
Morgenländischen  Gesellschaft  in  Konstantinopel.  Mit  einem 
Titelkupfer.  Triest,  Buchdruckerei  des  österreichischen  Lloyd. 
In  Kommission  bei  A.  V.  Geisler  in  Bremen.  1(S57.  VI  und 
1-2  Seiten  kl.  8." 

Das  türkische  Büchlein  von  Nasr-eddins  Thaten  und  Ein- 
fällen, das  uns  hier  nach  einem  Konstantinopolitanischen 
Drucke  vom  Jahre  1849  übersetzt  ist,  ist  —  wie  der  Ueber- 
setzer  in  dem  Vorwort  bemerkt  —  in  türkischen  Landen  wie 
kein  anderes  verbreitet  und  ein  Lieblingsbuch  von  Alt  und 
Jung.  Ueberall  hört  man  auch  seine  derben  Spässe  selbst 
von  Kindern  erzählen. 

Die  Vorrede  giebt  uns  leider  nichts  Näheres  über  Nasr- 
eddin   und    wie   weit   seine  Existenz    geschichtlich  beglaubigt 


*)  [Inzwischen  ist  von  verschiedenen  Seiten  die  Echtheit  der  von 
Yeckenstedt  gesammelten  Ueberlieferungen  angefochten  worden;  vgl. 
Bezzenberger,  Altpreuss.  Monatsschrift  22,  158 — 346,  Brückner,  Archiv 
für  slav.  Philol.   9,   1,  Karlowicz,  Melusine   5,   121.] 

R.  Kühler,  Kl.  Schriften  I,  31 


4^2  Zur  MärcheiifurrjL'huiig. 

432  ii^t-  an.  Aus  ]  den  Sdiwänken  selbst  geht  liervor,  dass  er  in 
Kleinasien  zur  Zeit  Sultan  Ala-eddins  f  IHOT  und  Timurleuks  f 
140-1:  lebte.  Er  hat  den  Titel  Hodsclia  d.  h.  —  wie  der  Ueber- 
setzer  S.  i  bemerkt  —  Meister,  Lehrer,  Volkslehrer  mit  Recht 
und  Pflicht  des  Predigtamtes  in  den  Spreugels -xAIoscheen.  Der 
vielbelesene  Flögel  führt  den  TSasurreddin  Chodscha  aus  Jengi- 
Scheher  oder  Neapolis  als  Hofnarren  Kaiser  Bajazets  I.  auf 
((leschichte  der  Hofnarren  S.  176  ff.).  Flögel  hat,  wie  er 
selbst  sagt,  aus  de  la  Croix  Geschichte  des  osmauischen  Reichs, 
deutsch,  Frankfurt  1769,  1,  150  geschöpft,  de  la  Croix  zum 
Teil  aber  wieder  aus  Kantemirs  Geschichte  des  osmauischen 
Reichs,  deutsch,  Hamburg  1745,  S.  76.  In  der  vorliegenden 
Uebersetzung  der  Schwanke  Nasreddins  kommt  aber  Bajasid 
nicht  vor.  Hammer  erwähnt  in  seiner  Geschiehte  des  osma- 
nischen  Reiches  1,  186  (auch  5,  236)  Akschehr  —  auch  in 
unsern  Schwänken  Nr.  3,  26  und  54  vorkommend  —  als  Nasr- 
eddins  Grabstätte  und  erzühlt  in  einer  Anmerkung  (1,  629) 
die  Geschichten  aus  Kantemir. 

[Lieber  Nasr-eddin  haben  ferner  gehandelt:  <ioethe  in  den 
Erläuterungen  zum  Westöstlicheu  Divan  (Werke  4,  30(5.  352 
ed.  Hempel).  —  Barker.  A  reading  book  of  the  turkish 
language.  1S54.  —  »1.  F.,  Khoja  Nasr-ed-din  Effendi.  Garten- 
laube 1864,  no.  3,  S.  3S  f.  —  Ethe,  Essays  und  Studien  1872, 
S.  234 — 254:  ,Ein  türkischer  Fulenspiegel."  —  Decourdemanche, 
Les  plaisanteries  de  Nasr-Eddin  Hodja;  Paris  1876  (126  no.).  — 
Decourdemanche,  Sottisier  de  Nasr-Eddin  Hodja;  Bruxelles 
1878  (321  no.).  —  Murad  Efendi  (=  F.  v.  Werner),  Nassr- 
eddin  ('hodja.  Ein  osmanischer  Eulenspiegel;  Oldenburg  1878 
(29  gereimte  Historien).  —  Mehemed  Tewfik,  Die  Schwanke 
des  Xassr-ed-din  und  Buadem,  übers,  von  Müllendorff;  Leipzig 
1890  (Reclams  IJniversalbibl.  71  ~[-  1'^'*  ii<^>-)-  —  Moulieras, 
Les  fourberies  de  Si  Djeh'a.  Gontes  kabyles  recueillis  et 
traduits;  Paris  1892  (60  no.  mit  wertvollen  Litteraturnach- 
weisen).  —  M.  Ilartmann,  Schwanke  und  Schnurren  im  isla- 
mischen Orient.  Zs.  d.  V.  für  Volkskunde  5,  40  —  67  (181)5).  — 
Casanova,  Qara-Qouch:  Memoires  publ.  par  la  mission  archeol. 
franv.    au  Caire  6,    447 — 491   (1893;    vgl.   Basset,    Revue    (h^s 


35.    Xasr-oddiiis  Scliwänko.  4«^3 

trad.  pop.  i>,   l"i<S).   —    Basset,  Etüde  sur  la  Zeiiatia  du  Mzah 
lSl)-2,   p.    \0-2.   107.   109.    172.    175. 

Kroatisch:  Nasradiu  iliti  Bertoldo  i  njegova  pritaiika 
doinisljatost,  liiiiiheiiost  i  lukavstiiia.  U  Zadrii  1857.  120  S. 
S ".  —  Runiäiiisch:  Aiitüu  Pann,  Näsdräväniile  im  Nastratiu 
Hogea  culese  si  versiiicate.  Biicuresti  185:1  87  S.  8  ^  (Gaster, 
Literatura  populara  romana  1883,  S.  KU.  Gaster,  Chresto- 
mathie roumaine  2,  3()4.  1891).  Vgl.  Ispirescu,  Snuve  sau  Po- 
vesti  Populäre,  2.  Ed.  Bukarest  1875  (Gaster,  Magaziu  für 
die  Lit.  des  Auslandes  1871),  564.  580.  595.  013).  —  Grie- 
chisch: YJ  Naotgadiv  Xcovr^ag.  Aup/rjfiaia  avTOv  äoreln  y.al 
rrFgiegya.  Athen  1872.  Vgl.  das  naxische  Märchen  uo.  33 
in  den  NeoFÄ).)]vixd 'AvdÄexTa  2,  103 — 108  (1874):  'O  XaoTgadlv 
XÖT'Cag.] 

Wünschenswert  wäre  es  auch  gewesen  zu  erfahreu.  ob 
es  verschiedene  Ausgaben  der  Schwanke  giebt,  welche  Schwäuke 
von  älterer,  welche  von  jüngerer  Ueberlieferung  sind.  Leber 
diese  und  so  manche  andere  sich  aufdrängende  Frage  giebt 
uns  die  gar  zu  kurze  Vorrede  keine  Auskunft.  Sie  teilt  uns 
eben  nur  mit,  wie  ausserordentlich  beliebt  die  Schwanke  sind 
um!  dass  der  Uebersetzer  das  Buch  „als  charakteristische 
(,>uelle  der  Kenntnis  uiul  Erkenntnis  türkischen  Wesens''  über- 
setzt und  unbeschnitten  der  Oett'entlichkeit  übergeben  hat. 

Die  Schwanke  selbst  sind  125  an  der  Zahl,  Handlungen 
und  blosse  Einfülle  und  Aeusserungen  eines  teils  einfältigen 
und  närrischen,  teils  witzigen  nnd  schalkhaften  Menscheu. 
Weini  daher  der  Uebersetzer  in  dem  Vorwort,  ebenso  wie 
Hammer  a.  a.  O.  und  Wilhelm  Schott,  der  am  2.  Mai  1853 
in  der  Berliner  Akademie,  wie  wir  aus  den  Monatsberichten 
derseli)en  wissen,  einen  leider  nicht  gedruckten  Vortrag  über 
Xasreddin  gehalten  hat  ^),  den  Nasreddin  den  türkischen 
Eulenspiegel  nennen,  so  passt  diese  Bezeiclinung  nicht.  Eulen- 
spiegel ist  stets  ein  durchtriebener  Schalk,  der  nie  etwas  Ein- 
fältiges   oder  Dummes  ]  sagt   oder   tliut.   sondern    stets    wohl  _,j3 

')    Hoffentlich    wird    dieser   Vortrag-    des     berühmten    Akademikers 
nicht  für  immer  ungedruckt  bleiben   [s.   unten  H.  504]. 

'dl* 


^>^ij.  Zur  Märchenforsclmng. 

berechnete  Streiche  und  Possen  mit  vollem  Bewusstseiu  aus- 
führt, um  andre  zu  necken  und  zu  verspotten.  Nasreddin 
dagegen  ist  ein  echter  Narr,  d.  h.  ein  Gemisch  von  grenzen- 
loser P^infalt  und  Dummheit  und  von  Geist  uml  Witz,  etwa 
—  wenn  man  einen  Deutschen  vergleichen  will  —  wie  ('laus 
Narr. 

AVir  treften  nun  unter  den  Schwanken  des  Türken  manche, 
die  uns  auch  anderwärts  her  bekannt  und  zum  Teil  älter  als 
Nasreddin  sind. 

Nasreddin  mag  trotzdem  eine  historische  Person  gewesen 
sein,  und  manche  der  ihm  beigelegten  Einfälle  und  Handlungen 
mögen  ihm  wirklich  angehören,  dagegen  sind  aber  auch  — 
wie  dies  immer  und  überall  geschieht  —  andere,  ursprüng- 
lich ihm  nicht  angehörende  auf  ihn  übertragen,  ihm  angedichtet 
worden,  und  zwar  nicht  etwa  bloss  ursprünglich  türkische, 
sondern  auch  solche,  die  den  Türken  von  andern  Völkern, 
bekannt  wurden,  wofür  einzelne  ursprünglich  türkische  wieder 
dem  Auslände  zugeflossen  sein  mögen. 

Ich  hebe  nun  einige  Schwanke  heraus,  die  mit  Schwänken 
anderer  Völker  mehr  oder  minder  verwandt  sind. 

[No.  1  (=  Murad  Efendi  no.  3  =  Müllendorff  no.  30  = 
Decourdemanche  1878  no.  1.  Moulieras  p.  19.  Hartmanu 
Zs.  5,  65):  Nasreddius  kurze  Predigt.  —  Vgl.  Widmann, 
Peter  Leu  no.  18  (Bobertag,  Narrenbuch  S.  135).  Laienbuch 
cap.  20.  Kurzweil.  Zeitvertreiber  1668  S.  80.  Asbjörnsen 
no.  82  (Auswahl  S.  286).  Kamp,  D.  Fm.  no.  42.  Ispirescu 
p.  18.] 

[No.  y  (=  Murad  Efendi  no.  16,  Müllendorft  no.  iyH^ 
Decourdemanche  no.  41,  Moulieras  p.  35):  Die  Zeitrech- 
nung vermittels  der  Steinchen  im  Topfe  kehrt  bei  Ispirescu 
p.  86  wieder  und  erinnert  an  den  Besenkalender  in  Wick- 
rams  Rollwagen  no.  47;  vgl.  auch  Frey  no.   14.] 

Nach  Nr.  10  [=  Murad  no.  4.  Decourdemanche  no.  20. 
Moulieras  p.  31]  antwortet  Nasreddin  auf  die  Frage,  was 
mit  dem  alten  Monde  geschehe,  wenn  der  neue  scheine: 
,Man  zerbricht  ihn  und  macht  Sterne  daraus.'  Ein  ander 
mal  (Nr.   109)  meint  er,  aus  den  alten  Monden  würden  Blitze 


35.    Nasr-eddins  Schwanke.  4(S5 

gemacht.  Die  erstere  Antwort  erinnert  an  den  Glauben  auf 
der  Insel  Sylt,  dass  die  alten  Jungfern  nach  ihrem  Tctde  aus 
den  alten  Sonnen  Sterne  schneiden  müssen  (Müllenhoff  Sagen, 
Märchen  und  Lieder  der  Herzogtümer  Schleswig,  Holstein 
und  Lauenburg  S.  359).     [Unten  S.  505.] 

Die  Geschichte  Nr.  23  [Moulieras  p.  37,  Decourdemanche 
no.  57]  vom  Meister,  der  neben  einem  plätschernden  Brunnen 
immer  fort  zu  pissen  meint,  kommt  in  Bebeis  facetiae  (über 
111  no.  1G7)  von  einem  Betrunkenen  vor:  Quidam  ebrius, 
dum  noctu  juxta  a(iuas  ex  canalibus  proflueutes  minxisset, 
cum  labentis  aquae  strepitum  et  murmura  audiisset,  continua 
nocte  stetit,  credens  se  urinam  emittere  et  illius  strepentis 
sonum  audire.  Von  Claus  Narren '^)  heisst  es  (S.  446  der 
Frankfurter  |  Ausgabe  von  1587):  Claus  schorlet  oder  bronzet  4R4 
im  Regenwetter  au  eine  Wand  und  meinet,  sein  AVasser 
trütte.  weil  das  Dach  oder  die  Rinne  treuflete,  und  wolte 
nicht  abtreten,  bis  einer  zu  im  trat  und  dergleichen  sich 
stellete  und  wider  davon  ging,  da  höret  Claus  auf  und  Hess 
es  bleiben.  [Beroalde  de  Verville,  Moyen  de  parvenir,  eh.  39: 
Passage.     Tallemant  des  Reaux,  Historiettes  10,   171  (ISlil).] 

[No.  31  (==  Decourdemanche  no.  IS.  Moulieras  no.  32 
p.  31).  Beim  Nahen  des  Jüngsten  Tages  schlachten  die 
Schüler  das  Schaf  Nasr-eddins,  und  dieser  verbrennt  ihre 
Kleider.  Vgl.  Schiefner,  Kürinische  Studien  1873  S.  90. 
(Mem.  de  l'acad.  de  St.  Petersbonrg  Serie  7,  20,  no.  2)]. 

Ebenso  wie  nach  Nr.  47  [^  Deconrdemanche  no.  92. 
Moulieras  p.  43.]  Nasreddin  in  Kurdistan,  als  er  sich  in 
Gegenwart  von  Kurden  vergessen  hat,  sagt:  ,Was  verstehen 
Kurden  von  türkischen  Winden!',  so  entschuldigt  sich  eine 
deutsche  Magd  in  Gegenwart  von  Franzosen  (Kurtzweiliger 
Zeitvertreiber,  herausgegeben  durcli  C.  A.  M.  von  W.  1(5(58, 
S.  279j.     [Lyrum  Lamm  no.  348.] 

[No.  35  (=  Ethe  S.  247.  Mnrad  no.  1.  Decourdem.  no.  111; 
Moulieras   p.    45.    Hartmann    Zs.  5,   56.      Griechisch    p.    13): 

')  Vgl.  über  Claus  Narr  Flögeis  Geschichte  der  Hofnarren,  S.  283  ff., 
Lappenbergs  Ulenspiegel  S.  382,  und  die  verschiedenen  deutschen 
Litte  raturgeschichten. 


4rSG  Zur  Märchent'orschung. 

Ein  Kessel  gebiert  und  stirbt.  Vgl.  Lerch,  Kurden  1,  10. 
Schiefner,  Hürkanisehe  Studien  1872  S.  97  (Mem.  de  Taead. 
7,  17  no.  8).  Stumme,  Tunisische  Märchen  2,  130.  Büttner, 
[.ieder  der  Suaheli  1894  S.  88.] 

Merkwürdig  ist  Nr.  49  [=  Dec.  no.  175.  Griech.  p.  14. 
Moulieras  p.  53],  die  ich  hier  vollständig  mitteile.  Eines 
Tages  stieg  der  Meister  auf  einen  Baum  und  fing  an  den 
Ast,  auf  welchem  er  sass,  abzuschneiden.  Ein  Mensch,  der 
unten  vorbeiging,  rief:  He,  Mann,  was  machst  du?  Du  wirst 
nun,  so  wie  der  Zweig  gefällt  ist,  herabfallen.  Der  Meister 
gab  diesem  keine  Antwort,  und  wirklich  fiel  er,  als  das  Holz 
durchschnitten  war,  plötzlich  herab.  Sofort  stand  er  auf, 
lief  hinter  dem  Menselien  drein  und  sagte:  He,  Mann,  du 
hast  gewusst,  dass  ich  falh:'n  werde,  du  wirst  auch  wissen, 
wann  ich  sterbe!  —  und  packte  ihn  am  Collet.  Der  Mensch 
konnte  sich  nicht  los  maclien  und  sprach:  Pack  deinem  Esel 
eine  schwere  Last  auf  und  treibe  ihn  eine  Anhöhe  hinauf; 
wo  er  das  erste  mal  farzt,  fährt  die  Hälfte  deiner  Seele  aus; 
wo  das  zweitemal,  da  entfährt  sie  ganz  und  gar,  und  es 
bleibt  dir  keine  Seele  mehr!  Der  Meister  machte  es  so  und 
legte  sich  auf  dem  Phitze,  da  es  das  zweite  mal  gewesen,  hin 
und  sagte:  Siehe,  nun  bin  ich  gestorben!  und  blieb  liegen. 
Sogleich  versammelten  sich  die  Leute  um  ihn,  brachten  eine 
Tragbahre,  legten  ihn  darauf  und  sagten:  Lasstuns  ihn  nach 
Hause  bringen.  Als  sie  auf  dem  Wege  an  eine  kotige 
Stelle  gekommen  waren,  sagten  sie:  Wie  werden  wir  hier 
hinüber  kommen?  und  sprachen  unter  einander.  Sogleich 
streckte  der  Meister  seinen  Kopf  iuis  der  Bahre  und  sagte: 
Als  ich  noch  am  Leben  war,  ging  ich  immer  auf  diesem 
Wege  da  hinüber.'  Man  vergleiche  hiermit  eine  indische 
Erzählung,  welche  A.  Weber  aus  dem  indischen  Werke 
,Bharatakadvätrinvikä'  |d.  h.  die  zweiunddreissig  (Geschichten) 
von  den  Bettelmiinchi'u]  in  den  Monatsberichten  der  Berliner 
Akademie  lcS(;(),  S.  71  f.  [=  Indische  Streifen  1.  249.  Vgl. 
Thorburn,  Hanin'i  1S7()  p.  20().  Stokes,  Indian  Fairy  Tales 
p.  80,  Archivio  2,  550.  Pitre,  Fiiibe  8,  144  no.  158.  Sebillot, 
Revue  des  trad.  pop.  9,  888  Le  troisieme  pet  de  Läne]  über- 


I 


35.    Nasr-eddiiis  8clivvänkL'.  4S7 

setzt  hat.  Sie  lautet:  ,lii  Elakapura  wohnten  viele]  Bettelmöuche  435 
P^iner  von  ihnen,  Namens  Dandaka,  ging  einst,  als  die  Regen- 
zeit kam,  in  den  Wald,  um  für  seine  Zelle  einen  Pfosten  zu 
holen.  Dort  sah  er  an  einem  Baum  einen  weit  hervor- 
gebogenen Ast  und  stieg  hinauf,  um  ihn  abzuhauen,  und 
zwar  setzte  er  sich  auf  denselben  Ast  und  begann  ihn  an 
der  Wurzel  abzuhauen.  Da  kamen  einige  Wandersieute  des 
Wegs,  sahen,  was  er  machte,  und  sprachen:  ,He,  Mönch, 
erster  aller  Dummköpfe !  Du  musst  doch  nicht  einen  Ast 
abhauen,  auf  dem  du  selbst  sitzest!  Denn,  wenn  du  es  so 
machst,  so  wirst  du,  wenn  der  Ast  bricht,  herunterfallen  und 
sterben.'  Darauf  gingen  die  Leute  ihres  Wegs.  Der  Mönch 
aber  beachtete  ihre  Rede  weiter  nicht,  blieb  sitzen,  hieb  den 
Ast  ab,  und  als  derselbe  herabfiel  zur  Erde,  fiel  er  auch  mit 
nieder.  Da  dachte  er  in  seinem  Geiste:  ,Jene  Wanderer 
waren  in  der  That  einsichtsvoll  und  wahrheitredend,  weil 
alles  so  eingetroifeu  ist,  wie  sie  gesagt  haben:  folglich  muss 
ich  auch  tot  sein!'  Darauf  lilieb  er  auf  der  Erde  wie  tot 
liegen:  er  sprach  nicht,  stand  nicht  auf  und  atmete  nicht. 
Die  Leute,  die  in  der  Nähe  waren ,  richteten  ihn  zwar  auf, 
aber  er  stand  nicht:  sie  suchten  ihn  zum  Reden  zu  bringen, 
aber  er  sprach  nicht.  Da  Hessen  sie  den  andern  Mönchen 
sagen:  ,Euer  (ienosse  Damlaka  ist  heruntergefallen  und  ge- 
storben.' Da  kamen  die  M(in(he  in  Menge  herbei,  und  als 
sie  sahen,  dass  er  wie  tot  war,  hoben  sie  ihn  auf,  um  ihn 
zu  bestatten.  Als  sie  nuji  alle ,  ihn  mit  sich  fortnehmend, 
ein  Stück  Wegs  gegangen  waren,  da  kam  eine  Stelle,  wo 
der  AVeg  vor  ihnen  nach  zwei  Richtungen  sich  teilte.  Da 
sagten  die  einen:  ,Wir  müssen  links  gehen'.  Die  andern 
aber  sagten:  , Rechts'.  So  zankten  sie  sich  alle,  und  es  wollte 
zu  keiner  p]ntscheidung  kommen.  Da  sagte  der  auf  der 
Tragbahre  befindliche  Mönch:  ,He,  zankt  eucli  nicht!  So  lange 
ich  am  Leben  war,  habe  ich  mich  immer  an  den  linken  Weg 
gehalten.'  Da  sagten  einige:  ,Er  hat  immer  die  Wahrheit 
ges]3rochen.  Alles,  was  er  sagte,  ist  immer  wahr  gewesen. 
Drum  lasst  uns  links  gehen !'  Drauf  gingen  sie  alle  auf 
dem   linken   Wege    weiter.      Da    sprachen   Wandersieute,    die 


k 


^<i,^  Zur  Märchenfursfliung. 

da  standen:  .He.  ihr  Mönche,  ihr  seid  gar  zu  grosse  Dumm- 
köpfe, dass  ihr  diesen  zu  verbrennen  geht,  während  er  noch 
lebt'.  Sie  antworteten:  ,Er  ist  ja  tot!'  Die  Wandersieute 
aber  sprachen:  ,Er  kann  doch  niclit  tot  sein,  da  er  noch 
spricht!'  Da  setzten  sie  die  Bahre  zur  Erde,  und  er  erzählte 
4:3(;  ihnen  unter  heiligen  Beteue-  ;  rungen  alles  von  der  Einsichtig- 
keit der  AVandersleute  an  u.  s.  w.  Darauf  lilieben  die  andern 
ganz  unschlüssig  stellen,  und  es  kostete  den  Leuten  grosse 
Mühe  sie  zur  Erkenntnis  zu  bringen,  bis  sie  endlich  heim- 
gingen. Auch  Dandaka  stand  nun  auf  und  ging  seines  Wegs, 
nachdem  er  von  den  Leuten  tüchtig  ausgelacht  war-.  —  Weber 
bemerkt  a.  a.  0.  S.  69  zu  dieser  Erzählung :  ,Eine  andere 
orientalische  Recensiou  dieser  Erzählung  ist  mir  nicht  bekannt: 
der  Kern  derselben,  das  Abhauen  des  Astes  durch  den  darauf 
sitzenden  Simpel,  ist  eine  bei  uns  oft  wiederholte  Geschichte, 
die  sich  aber  auch,  oft  genug  ereignet  liaben  mag,  wie  ich 
denn  auch  selbst  einmal  wirklich  Augenzeuge  des  identischen 
Vorgangs  gewesen  bin',  [v.  d.  Hagen,  ^Sarreuburh  S.  177, 
Hansen,  Zs.  f.  schleswig-liolst.  Gesch.  7,  223  no.  4.  Am  Ur(|uell 
4,72.  100].  lu  unserer  türkischen  Erzählung  findet  sich  also 
eine  andere  orientalische  Recensiou.  In  der  indischen  Recen- 
sion  fehlt,  wie  man  sieht,  der  umstand,  dass  der  Narr  dem 
Vorübergegangenen  nachläuft  und  ilin  fragt,  wann  er  sterben 
werde;  vielmehr  hält  er  sich,  sobald  er  herabgefallen  ist,  für 
tot,  weil  die  Vorübergehenden  ihm  gesagt  haben,  er  werde 
herabfallen  und  sterben. 

Es  gibt  al)er  noch  eine  orientalische  Erzählung,  nämlich 
eine  taniulische,  die  freilich  nur  mit  dem  Anfange  unseres 
türkischen  Schwankes,  aber  dabei  genauer,  als  jene  indische 
Erzäliluiig,  stimmt.  Ein  Schüler  des  Par;imarta  fällt  hieruacli 
trotz  der  AVa.rnung  eines  vorübergehenden  Brahmanen  von 
einem  Aste,  auf  dem  er  sitzt  und  den  er  abhaut.  Da  er 
deshalb  den  Brahmaoeu  für  besonders  kundig  der  Zukunft 
hält,  läuft  er  ihm  eilig  nach  und  fragt  ihn,  wann  sein  Meister 
sterben  werde.  Jener  antwortet,  weil  ihm  gerade  nichts 
anderes  einfällt:  .Ein  kalter  Hinterer  ist  ein  Zeichen  des 
Todes!-     Hierauf  verläuft   die    Geschichte    auf   eine   uns  hier 


35.    Jfasr-eddins  Schwanke.  4.,S9 

nicht  beriilireude  Art.  (Siehe:  Fahrten  iiiul  Abenteuer  Gim- 
pels und  Compauie.  Ein  tamulisches  Reise-  und  Scherz- 
märchen. Nacherzählt  von  J.  G.  Th.  Grässe.  Dresden  1859. 
S.  56).  In  diesem  tamulischen  Schwanke  haben  wir  wie  im 
türkischen  die  Frage  des  Herabgestürzten  nach  der  Zeit  des 
Todes,  obschou  nicht  nach  der  des  eigenen,  und  eine  darauf 
gegebene  scherzhafte  Antwort  [Brockhaus,  Her.  d.  sächs. 
Gesch.  d.  Wiss.  "i:  1S50.  Oesterley,  Zs.  f.  vrgl.  Littgesch.  1.54]. 
Am  genauesten  jedoch  mit  der  ersten  Hälfte  des  tür- 
kischen Schwankes  stimmt  ein  litauische  s  Märchen  (Schlei- 
cher, Litauische  Märchen,  Sprichworte,  Rätsel  und  Lieder 
S.  41),  das  freilich  auch  weiterhin  dann  einen  ganz  andern 
Verlauf  nimmt,  j  Es  lautet:  .Es  war  einmal  ein  Taglühner,  437 
der  hatte  einen  Sohn,  und  der  liess  sich  einen  kleinen  Wagen 
machen  und  kaufte  sich  eine  schimmelfarbene  Stute.  Er 
fuhr  nun  in  den  Wald,  stieg  auf  einen  Baum  und  liieb  Aeste 
zu  Besen.  Als  er  auf  dem  Baume  war  und  Aeste  abhieb, 
kam  ein  Kaufmann  gefahren  mit  viel  Ware,  der  sagte  zu 
ihm:  ,Du  wirst  vom  Baume  fallen'.  Der  Kaufmann  war  noch 
nicht  weit  gefahren,  da  fiel  jener  auch  wirklich  vom  Baume. 
Er  setzte  nun  dem  Kaufmann  nach,  und  als  er  ilm  eingeholt 
hatte,  fragte  er  ihn:  ,AVeun  du  wusstest.  dass  ich  vom  Baume 
fallen  würde,  so  musst  du  auch  wissen,  wann  ich  sterben 
werde,  und  das  sollst  du  mir  sagen-.  Der  Kaufmann  sagte: 
,Wenn  deine  Stute  zum  dritten  Male  einen  streiclien  lässt, 
dann  stirbst  du-.  Damit  fuhr  er  weiter,  und  jener  ging  wieder 
an  die  Arbeit.  Als  er  genug  Besen  gemacht  hatte,  lud  er 
seinen  Wagen  voll  und  fuhr  von  dannen.  Die  Stute  ging 
nicht  schnell  genug,  er  hieb  ihr  eins  auf,  und  sie  liess  einen 
streichen  —  da  ward  er  schon  unwolil.  Da  gab  er  der  Stute 
zum  zweiten  Male  einen  Hieb,  und  sie  liess  einen  zweiten 
streichen  —  da  legte  er  sich  schon  auf  den  Wagen  nieder. 
Da  kamen  die  Kaufleute  auf  einem  Frachtwagen  gefahren, 
die  hatten  viel  teuere  Ware;  da  kam  der  Besenbinder  gerade 
an  einen  kleinen  (iraben,  über  den  die  Stute  nicht  hinüber 
wollte:  er  gab  ihr  einen  Hieb,  und  sie  liess  den  dritten 
streichen;  da  fiel  er  rücklings    vom    Wägelchen  uiul  war  tot. 


4i)()  Zur  Märchenforsclumg. 

Die  Kaufleute  liefen  herbei  ,Was  ist  das?  Was  ist  dir  ge- 
scheheu?'-  Er  war  und  blieb  aber  tot.  —  Der  weitere  Ver- 
lauf des  MärcKens  gehört  einem  ganz  andern  Märchenkreise, 
der  eine  ausführliche  Behandlung  verdient,  dem  vom  listigen 
Bauern,  an.  Die  Kaufleute  tragen  nämlich  den  Besenbinder 
für  tot  in  ein  Wirtshaus,  wo  er  aber  auf  einmal  sich  wieder 
aufrafft  und  nun  die  Kaufleute  mehrfach  anführt  und  um 
ihr  Geld  betrügt.  Natürlich  gehören  diese  beiden  Teile  nicht 
eigentlich  zu  einander;  der  Besenbinder,  der  die  Kaufleute 
betrügt,  ist  ein  sehr  listiger  Bursche;  der  aber  vom  Baume 
fällt  und  den  zukunftskundigen  Kaufleuten  nachläuft  und  die 
Zeit  seines  Todes  von  ihnen  wissen  will,  ist  ein  einfältiger 
Narr.  Wenn  im  ]itauis(then  Märchen  nicht  ausdrücklich  ge- 
sagt ist,  dass  der  Besenbinder  auf  dem  Ast  sitzt,  den  er 
abhaut,  so  mag  dies  eben  geschehen  sein,  um  den  später 
4SS  so  schlauen  Besenbinder  nicht  von  Anfange  an  gar  zu  I  ein- 
fältig erscheinen  zu  lassen.  Wie  kommt  dann  aber  der  Kauf- 
mann dazu,  ihm  seinen  Sturz  vdrauszusagen?  Wir  haben  hier 
eins  von  den  vielen  Beispielen  in  der  (ieschichte  der  Märchen, 
Novellen  u.  s.  w. ,  wie  bei  Verbindung  zweier  nicht  zu- 
sammen gelnirender  Stoffe  oft  jeder  einzelne  entstellt  und 
getrübt  wird.  Höchst  wahrscheinlich  verlief  das  litauische 
Märchen,  das  dem  türkischen  so  nahe  steht,  dass  es  selbst 
die  scherzhafte  Bestimmung  der  Todeszeit  ganz  ähnlich  hat, 
ursprünglich  in  gleicher  Weise  wie  jenes.  —  Dass  Menschen 
einen  Ast  abhauen  oder  absägen,  auf  dem  sie  sitzen,  wird 
öfters,  wie  auch  Weber  bemerkt,  als  Zeichen  der  Dummheit 
in  deutschen  Schwänken  erzählt,  ohne  jedoch  weiteres  daran 
zu  knüpfen,  so  z.  B.  von  einem  Witzenbürger  (von  der 
Hageus  Narrenbuch  S.  477)  und  von  dem  Ammann  der  Horn- 
usser  im  Aargau  (Birrcher  das  Frickthal,  Aarau  185i),  S.  13). 
[Unten  S.  505.  Webster  p.  (ii).    Oben  S.  135  zu  Blade  3,   l-i3.] 

[No.  51  (=  Murad  no.  lM)  =  Decourdem.  no.  301;  Mou- 
lieras  p.  ()7):  Der  Regen,  der  dem  einen  Schwiegersöhne 
nützt,  sehadet  dem  andern.  Ist  völlig  die  äsopische  Fabel 
narijg  yju  Dvynjmeq  (no.    1(56   ed.   Halm).] 

Der   Schluss   der   54sten    Erzählung,    [==  Murad    no.  27. 


3ri.    Xasr-eddins  yclnväiiko.  491 

JMmilieras  p.  81  iio.  20.  Decourdem.  no.  19J  wie  der  Meister 
eineu  -luden  vor  (iericht  nicht  nur  um  sein  geliehenes  Geld, 
sondern  auch  um  einen  Pelz  und  ein  Maultier  betrügt,  die 
er  eben  erst  von  ihm  geborgt,  stimmt  mit  dem  Schlüsse  des 
Grimmschen  Märchen  [no.  7]  ,der  gute  Handel',  desgleichen 
mit  der  "iOsten  Novelle  des  Sabadino  delli  Arienti  (Dunlop 
S.  271)  und  mit  der  ISten  des  Timoneda,  welche  Liebrecht 
zu  Dunlop  a.  a.  0.  vergleicht  [Revue  des  trad.  po[).  ISDl, 
UH.   Polivka,  Archiv  f.  slav.  Phil.   19,  245  no.   19]. 

[No.  55  (=  Ethe  S.  242.  Murad  no.  17.  Miillendortl" 
no.  52.  Decourdem.  no.  21.  Monlieras  p.  81.  Griech.  p.  19): 
Kleider  küssen,  weil  nur  diese  bei  den  Leuten  Ansehen 
verschaffen.  Vgl.  Pauli  no.  41(1.  Kühler,  Zs.  d.  V.  f.  Volks- 
kunde (),  74  und  Jahrb.  f.  roman.  Litt.  14.  425  zu  Papanti, 
Dante  p.   157.] 

[No.  {)'A  (=:  Murad  no.  2S.  Decourdem.  no.  243.  Mon- 
lieras p.  (iL  Griech.  p.  4) :  Lsel  als  Richter.  Vgl.  Bolte, 
Zs.  d.  Ver.  f.  Volkskunde  7,  93.  Tliorburn,  Baunü  1<S7(3, 
p.  20S.J 

In  Nr.  65  [=  Ethe  S.  243.  Murad  no.  5.  Müllendorff 
no  12.  Griech.  S.  4.  Decourdem.  no.  235.  Moulieras  no.  29, 
p.  ()0j  wird  erzählt,  wie  Nasreddin  einst  einem,  der  seinen 
Esel  borgen  will,  erklärt,  der  Esel  sei  nicht  da.  Plötzlich 
schreit  aber  der  Esel  im  Hause,  worauf  jener  sagt:  .He, 
Meister,  du  sagst,  der  Esel  sei  nicht  hier,  er  schreit  ja 
drinnen'.  Da  antwortet  der  Meister:  ,Was  bist  du  für  ein 
sonderbarer  Mensch,  da  du  einem  Esel  glaubst,  mir  aber, 
einem  Graubarte,  nicht  glauben  willst  ?'  Dieselbe  Geschichte 
befindet  sich  in  Timonedas  Sobremesa  y  alivio  de  caminantes. 
parte  IL  no.  (52  (Novelistas  anteriores  ä  Cervantes,  Madrid 
1850,  pag.  LS2).  Daselbst  sagt  der  Herr  des  verläugneten 
Esels:  Necia  condicion  es  la  vuestra,  compadre;  que?  mas 
credito  tiene  el   asno    (|ue  yo  ?  —  Asi    nie    paresce.  Pues 

entrad  [)or  el.  [Büttner  1S94  S.  S7,  Kirchhof  3,  139,  Baraton, 
Poesies  diverses   1705.] 

Dem  Anfang  des  eben  erwähnten  Grimmschen  Märchens, 
wo  der  Bauer  den  Fröschen  Geld  in  den  Teich  wirft,  ist  der 


492  ^"*'  ^lärcheuforschung. 

69ste  Schwank  Nasreddins  insofern  ähnlich,  als  der  Meister 
Fröschen  ebenfalls  eine  Handvoll  Geld  in  den  See  wirft, 
freilich  nicht  um  es  zu  zählen,  sondern  um  sich  Honigteig 
439  dafür  zu  kaufen.  In  |  den  Anmerkungen  (3,  19)  erinnert 
Grimm  daran,  dass  auch  Bertoldino  die  Frösche  beschwichtigt, 
indem  er  Goldstücke  nach  ihnen  wirft.  [Bei  Moulieras  no.  38 
verkauft  Si  Djeha  seinen  Ochsen  an  die  Eule,  deren  Ruf  er 
ebenso  missversteht.] 

Der  TOste  Schwank  [=  Murad  no.  22.  Decourd.  no.  58. 
Hartmann  5,64.  Moulieras  p.  39]  von  Nasreddin,  der  drei 
Fragen  christlicher  Mönche  (Wo  ist  der  Mittelpunkt  der 
Welt?  Wie  viel  Sterne  sind  sichtbar?  Wie  viel  Haare  hat 
mein  i^art?)  beantw^ortet,  ist  ein  neues  Beispiel  zu  den  zahl- 
reichen Erzählungen  von  .den  drei  Fragen",  die  uns  zunächst 
immer  an  Bürgers  Kaiser  und  Abt  erinnern.  Ich  mag  hier 
nicht  näher  auf  dieses  reiche  Kapitel  eingehen  und  ver- 
weise nur  auf  Hollands  Nachweise  in  Kellers  Fastnachts- 
spielen S.  1490  und  in  seiner  Ausgabe  der  Schauspiele  des 
Herzogs  -Julius  S.  896  und  auf  Pröhle,  G.  A.  Bürger,  sein 
Leben  und  seine  Dichtungen,  Leipzig  1856,  S.  115  flf.^\ 
[Oben  S.  267  zu  Campbell  no.  50.  Pauli  no.  55.  ('hild  no.  45. 
Moulieras,  Locpiian  herbere  1890  p.  LIX.  LXllI.  ßraga, 
Contos  trad.  2.86  no.   1()0.      Gaster,    Lit.  pop.   rom.    p.  167.] 

Dazu  füge  ich   noch    vier,    wie    es   scheint,    weniger  be- 

i/^^^-"-'''^     kannte  Beliandlungen.     Teofilo  Folengo  (1491 — 1544)  erzählt 

im  8ten  Gesänge  seines   burlesken   (iedichts  Orlandino,   dass 

Rainer  einem  Abt  in  Sutri  vier  Fragen  aufgibt.     Rainer  sagt 

(Strophe  38  und  39)  : 

]\Ia  perche  siete    un  spirito   diviuo, 

(iiial  piii  nou  ebbe  (il  voglio   dir),  Platune, 

Oerco  saper  da  voi,  quanto  e  vicino 

II  Ciel  da  terra  in  ogni  regione, 


^)  Zu  der  Frage  in  , Kaiser  und  Abt':  "Wie  viel  der  Kaiser  wert 
sei,  vergleiche  man  die  von  mir  mitgeteilten  Rätsel  im  "Weimarisolien 
Jalirbueh  5,  35-1  f. 


i 


35.    Nasi-eddiiis  Sclnväuke.  493 

Dioo  V  empireo  supra  '1  cristalliiio, 
Vostra  Eocellenzia  intenda  il  mio  senuuno : 
Oltra   di  questo,  dite  giustaiueiite, 
Quaiito  e  dall'  Oriente  all'  Oecidente. 

Due  cose  giunte  a  queste  intender  anco 
Desidero,  Monsignure  Griffarosto: 
Dite  (piacendo  a  voi)  ne  piü  ne  manco 
Qiiante  son  gocce  d'aequa,  c'  ha  l'angosto 
Adviaco  mar  insino   al  lido  Franeo, 
Pigliando  il  Greco  col  Tirreno   accosto. 
Ultini  am  eilte,  buoii   servo  di  Dio, 
Vorrei  sajjer,  quäl  or  e  il  peiisier  mio. 

Der  Koch  Marcolfs  des  Abtes  zieht  deu  Ornat  seines  Herrn 
an  und  begil)t  sich  zu  Rainer,  dem  er  die  Fragen  folgender- 
massen  beantwortet.     Auf  die   erste    antwortet   er  (Str.   64): 

Og'gi  voi  iiii  faceste  il  primo  assalto, 
eil'  io  narri  quanto  il  Ciel  da  terra  dista, 
Presto  rispondo,  che  gli  e  solo  un  salto, 
Provandol  seiiza  il  probo  del  Seotista: 
II  Diavolo  cascaiido  gia  giü  d'alto, 
Quaiido  privollo  Dio  dell'  alma  vista, 
Senza  di  tanti  Astrologi  la  cura, 
Vi  tolse  giustain  eilte  la  misura. 

Die  Antwort  auf  die  zweite  Frage  lautet  (Str.  65): 

Perclie  dall'  Oriente  all'  Oecidente 
Una  giornata  fa,  se'l  Sol  non  mente. 

Auf  die  dritte  (Str.  66) : 

Quanto  alla  terza  anibigua  dimanda, 
Ch'  e  di  saper  quant'  acque  siano  in  mare, 
Rispondo,  che  se  ai  fiumi  si  comanda, 
Con  lui  non   debban  l'oude  sue  meschiare, 
Yoglio  che  in  polve  il  corpo  mio  si  spanda, 
Se,  quante  gocce  son,  non  so  contare; 
Perche  come   potrei  torvi  misvira, 
Senza  levar  de'  fiumi  la  mistura? 

Auf  die  vierte  Frage  endlich  antwortet  der  Koch,  Rainer 
denke,  er  sei  Abt. 

Hiernächst  füge  ich  noch  eine  Erzählung   aus  dem  oben 
erwähnten    , Kurzweiligen   Zeitvertreiber'    1668,    S.  70    hinzu. 


^g^  Zur  MilrcliL'ut'urseluuig. 

Danach  soll  ein  Gefangener  nnr  dann  freigelassen  werden, 
wenn  er  der  Königin  sagt:  wie  viel  sie  wert  sei,  was  das 
Zentrnm  der  AVeit  sei.  und  was  sie  gedenke.  Ein  Bauer 
tauscht  die  Kleider  des  Gefangenen  und  sagt  der  Königin, 
sie  sei  29  Silberlinge  wert:  dann  macht  er  einen  Kreidepuidvt 
auf  den  Tisch  und  erklärt,  dies  sei  der  Mittelpunkt  der  AVeit, 
wers  nicht  glaube,  möge  nachmessen.  Drittens  sagt  er  der 
Königin,  sie  denke,  er  sei  der  Gefangene.  In  den  P^rzählungen 
des  Sieur  d'Ouville  (f  165()  oder  1657)  findet  sich  die  (ie- 
schichte  mit  vier  Fragen  (L'elite  des  contes  du  Sieur  d'Ouville, 
a  la  Haye  1703,  1,  -296).  [=  Recreations  fr.  1658,  1,  292 
=  1681,  1,  207,  Wolf  in  AVagners  Archiv  1,  328  (1874).] 
Ein  Edelmann  befiehlt  seinem  Pfarrer,  der  für  einen  Wahi-- 
sager  gilt,  weil  er  etwas  von  Astrologie  versteht,  ihm  zu 
441  sagen:  Ou  est  |  le  milieu  du  monde?  Ce  que  je  vaux.  Ce 
que  je  pense.  Ce  que  je  croy.  Der  Müller  verkleidet  sich 
für  den  Pfarrer,  führt  den  Edelmann  ins  Feld  und  giebt 
irgend  einen  Punkt  für  den  Mittelpunkt  der  AA'elt  an.  Eltenso 
beantwortet  er  die  zweite  und  vierte  Frage  in  der  bekannten 
V\^eise.  Auf  die  dritte  aber  antwortet  er:  Ma  foi,  je  gagnerai, 
raonsieur,  (jue  vous  pensez  plus  a  vötre  profit  qu'  au  mien, 
et  par  ce  moyen  je  croy  avoir  satisfait  a  vötre  demande. 

F^ndlich  führe  ich  noch  P)althasar  Schupps  Schriften 
(Frankfurt  1701)  1,  S.  91  f.  an.  wo  der  treffliche  Schupp  er- 
zählt, dass  einst  ein  König  von  Frankreich  den  faulen  Mönchen 
eines  Klosters  aufgegeben  habe,  ihm  zu  sagen,  wie  viel  Sterne 
am  Himmel  seien,  wie  viel  er  wert  sei  und  was  er  im  Sinne 
habe.  Der  Müller  des  Abts  zieht  dessen  Kleider  an  und  be- 
giebt  sich  zum  Kiinig,  dem  er  auf  die  erste  Frage  antwortet, 
es  seien  99  7()7  0O0  Sterne,  wenn  ers  nicht  glauben  wolle, 
möge  er  hinauf  steigen  und  sie  selbst  zählen.  Die  Antworten 
auf  die  beiden  andern  Fragen  sind  die  bekannten.  [Ganz 
ähnlich  Peter  der  Grosse  und  das  kummerlose  Kloster, 
Erman  a.  a.  0.] 

Die  71.  Geschichte  [=  Murad  no.  24,  Decourd.  no.  61, 
Moulieras  p.  37,  Griech.  p.  7]  erzählt,  dass  der  Meister  einst 
dem    Timurlenk    eine    Pflaume    schenkte    und    dafür    ein 


;i5.    Xasr-edilins   Schwanke.  4-U5 

Geldgeschenk  erhielt.  Dadurch  gereizt,  wollte  er  nach  einiger 
Zeit  dem  Fürsten  rote  Kühen  hringen.  unterwegs  aher  rät  ihm 
jemand  lieber  Feigen  zu  schenken.  Er  befolgt  diesen  Rat 
und  bringt  dem  Fürsten  einige  Pfund  Feigen.  Sofort  giebt 
Tiniur  den  Befehl,  die  Feigen  dem  üeberbringer  au  den  Kopf 
zu  werfen.  Während  dies  geschieht,  dankt  Nasreddin  laut 
Gott,  und  zwar  —  wie  er  auf  Befragen  erklärt  —  dafür,  dass 
er  nicht  die  Rüben  gebracht  habe,  die  ihm  den  Kopf  zer- 
schlagen haben  würden.  —  Etwas  anders  wird  diese  Ge- 
schichte in  Kantemirs  Geschichte  des  osmanischen  Reichs, 
und  darnach  von  de  la  Croix  und  von  Flögel  Geschichte  der 
Hofnarren  S.  176  f.  erzählt.  [Hammer,  Hist.  de  l'empire 
Ottoman  '2,  464.  1840.]  Hiernach  sollte  Nasreddin  als  Abge- 
ordneter der  Stadt  Jengi-Scheher  dem  Timurlenk  Früchte 
zum  Geschenke  bringen.  Seine  Frau  empfiehlt  ihm  hierzu 
Quitten,  er  aber  nimmt  Feigen.  Als  er  sie  dem  Timur  über- 
reicht hat.  lässt  der  sie  ihm  einzeln  an  den  Kopf  werfen, 
und  bei  jedem  Wurfe  ruft  Nasreddin  aus:  Gott  sei  gedankt! 
Auf  Tiniurs  Frage  sagt  er  (hmn,  dass  er  Gott  dafür  danke, 
dass  er  nicht  dem  Rate  seiner  Frau  gefolgt  sei  und  Quitten 
gebracht  hal)e,  die  ihm  den  Kopf  zerschmettert  haben  | 
würden  ^).  —  Aehnlich  ist  eine  hebräische  Erzählung  (Sagen  442 
der  Hebräer.  Aus  den  Schriften  der  alten  hebräischen  Weisen. 
Aus  dem  Englischen  des  Heinnin  Hurwitz,  Leipzig  1826, 
S.  69  if.).     F]in   Greis    in  Galiläa  erhält    vom  Kaiser   Hadriau 

')  Hieran  reiht  sich  hei  Kanteiiiir  eine  weitere  Geschichte,  die 
Flügel  el)ent'alls  mitgeteilt  hat.  Nasreddin  bringt  dem  Timurlenk  einen 
Wagen  voll  Gurken,  wird  aber  vom  Thürhütcr  erst  vorgelassen,  nachdem 
er  ihm  die  Hälfte  dessen,  was  er  dafür  bekommen  werde,  versprochen 
hat.  Timurlenk  befiehlt  dem  Zudringlichen  für  die  500  Gurken  500  Stock- 
schläge zu  geben,  Kasreddin  weist  aber  die  Hälfte  dem  Thürhüter  zu. 
Flögel  erinnert  dabei  an  die  195.  Novelle  des  Sacchetti,  über  die  und 
ähnliche  Geschichten  man  Dunlop-Liebrecht  S.  257  vergleiche.  Zu 
Liebrechts  Nachweisen  füge  man  Niederhöffers  Mecklenburgs  Volks- 
sagen 3,  196,  wo  die  Geschichte  von  Wallenstein  und  einem  Güstrower 
Pferdeliirten  erzählt  wird.  [Oesterley  zu  Pauli  no.  Hl 4,  Grundtvig  2,  208, 
Gasalicchio  2,  no.  46,  Cardonne,  Melanges  1,  185,  AVeil  1001  Nacht  4, 
70,  Büttner  1894  S.  86.] 


^96  Zur  Märt'henfor.scluing. 

besonderer  UiiLStäride  wegen  für  einige  wenige  Feigen  eine 
reiche  Belohnung.  Als  dies  seine  geizige  Frau  hört,  veran- 
lasst sie  ihren  Manu,  dem  Kaiser  einen  ganzen  Sack  voll 
Feigen  zu  bringen.  Der  Kaiser,  über  die  Zudringlichkeit  er- 
zürnt, lässt  sie  dem  Schenker  an  den  Kopf  werfen.  Nach 
Hause  zurückgekehrt  sagt  der  Mann  zu  seiner  Frau:  , Grosses 
und  vieles  Glück  hab  ich  gehabt.  Ein  grosses  Glück  war  es 
für  mich,  dass  icli  zu  dem  Kaiser  Feigen,  und  keine  Pfirsichen 
trug,  denn  sonst  hätten  sie  mich  vielleicht  gesteinigt.  Und 
viel  Glück  war  es  für  mich,  dass  die  Feigen  reif  waren,  weil 
ich  sonst  meinen  Kopf  nicht  wieder  heim  gebracht  hätte.' 
[Melusine  1,  279,  D'  Ouville,  Elite  1,  48.] 

[No.  74  (=  Murad  no.  25,  Decourdemanche  no.  244). 
Unterschied  zwischen  Timur  und  einem  Sopha.  Vgl.  Gladwin, 
The  persian  moonshee,  story  52,  Sandrub,  Delitiae  no.  107, 
De  La  Monnoye,  Oeuvres  2,  163.] 

Der  75.  Schwank  Nasreddins  [=  Murad  no.  15,  Müllen- 
dorff  no.  39,  Hartmann  5.  (53",  Griech.  p.  2;>.  Moulieras  p.  27, 
186,  38,  Decourdem.  no.  ()2]  ist  der  4.  Novelle  des  6.  Tages 
des  Boccaccio  bis  auf  die  letzte,  anders  gewandte  Antwort 
Nasreddins  fast  gleich.  Schon  F.  W.  Val.  Schmidt  hat  in  den 
Beiträgen  zur  Geschichte  der  romantischen  Poesie  S.  63  zu 
der  Novelle  Boccaccios  bemerkt:  , Dieser  Spass  ist  entlehnt 
(nach  der  handschriftlichen  Nachricht  eines  verstorbeneu 
Orientalisten)  aus  dem  Nussreddin  Hatscha,  welcher  zur  Zeit 
des  Timurlenks  in  Anatolien  lebte;  nur  macht  der  Koch  bei 
Nussreddin  den  Witz  mit  einer  Ente,  bei  Bocc.  mit  einem 
Kranich.'  Andere  occidentalische  Fassungen  des  Schwankes 
siehe  bei  Dunlop- Liebrecht  S.  237.  [Pauli  no.  57,  Coelho 
no.  54,  Wodami  S.  149  =  Wolf,  D.  M.  no.  32,  Schiefner, 
Rhampsinitsage:  Mel.  asiat.  6,   164.] 

[No.  77  (=  Ethe  S.  247,  Müllendorff  no.  38,  Decourde- 
manche no.  73,  Moulieras  p.  40.  Griecliisch  p.  10).  Nasr- 
eddin  verliert  bei  einem  nächtlichen  Streit,  den  er  schlichten 
will,  seine  Bettdecke.  Vgl.  Pitre,  Proverbi  sicil.  4,  337 : 
,Tutta  la  sciarra  e  pri  la  cutra.'] 

Der  81.  Schwank  [=  Ethe   S.  243,   Decourdem.   no.  32, 


35.    Niii^r-tHldins  Scliw  iiiikc.  497 

Griecli.  |).  1<).  Moulieras  p.  83]  ist  die  alte  und  weit  ver- 
breitete (ieschichte  vom  aiigefülirten  Diebe,  der  sieb  am 
Mondstralil  b  erablassen  will.  Vgl.  die  Nacbweise  bei 
Schmidt.  Petri  Alfonsi  disci-jplina  clericalis  S.  156,  Dunlop-  443 
Liebrecbt  S.  195  f.  und  484  und  Benfey  Pantscbatantra  1, 
77  f.  Aueb  Hans  S;icbs  (Werke,  Nürnberg  1579,  5,  37()  d) 
[=z  Fabeln  ed.  (ioetze  no.  331 J  bat  die  Gescbicbte  nach  dem 
Bucbe  der  Wei.sbeit  als  Schwank  bearbeitet.  [( laster.  Lit.  pop. 
rom.  p.   166,  Gesta  Rom.  no.   136.] 

[No.  97.  Nasreddin  speist  die  ungeladenen  Gäste  mit 
Brei.  Vgl.  Ispirescu  p.  3,  auch  Decourdemanche  no.  47  und 
Moulieras  no.  IS,  p.  36,  Prato  Revue  des  trad.  pop.  2,  563.] 

[No.  105  (=  Decourdemanche  no.  313,  Moulieras  p.  68): 
Mein  Horoskop  ist  ein  Bock  (statt  Ziege).  Vgl.  Kirchhof  1, 
244:  Hammel  Gottes,  statt  Lamm  Gottes.] 

Der  HO.  Schwank  [=  Decourd.  no.  290,  Griecb.  p.  29, 
Moulieras  p.  65]  erzählt,  wie  Nasreddin  einen  Beutel  mit  Geld 
verbergen  will,  ibii  deshalb  an  die  Spitze  einer  Stange  bindet 
und  die  Stange  auf  einem  Hügel  seines  Gartens  aufpflanzt. 
Ein  Dieb  hat  ihn  beobachtet,  nimmt  den  Beutel  herab,  be- 
schmiert die  Spitze  der  Stange  mit  Mist  und  steckt  sie  wieder 
an  ihren  Platz.  Als  der  Meister  später  sein  Geld  braucht 
und  es  nicht  findet,  dagegen  aber  den  Rindermist  sieht,  sagt 
er:  ,Ich  habe  ausgesprochen:  auf  diese  Stange  kommt  kein 
Mensch  herauf,  von  hier  nimmt  niemand  das  Geld:  wie  ist 
nun  auf  die  Spitze  derselben  ein  Rind  heraufgekommen?  Das 
ist  fürw^ahr  eine  curiose  Geschichte!  Gott  sei  ihm  gnädig!' 
Derselbe  Schwank  wird  noch  heute  in  der  Eifel  erzählt 
(Schmitz  Sitten  und  Sagen  des  Eitler  Volkes  1.  304).  Die 
Bauern  eines  wegen  seiner  Schildbürgerstreiche  bekannten 
Dorfes  sollen  einst  die  Gemeindekasse  in  den  Gipfel  der 
hohen  Dorflinde  gesteckt  haben.  Als  sie  später  Geld  brauchen 
und  den  Beutel  herunter  holen,  finden  sie  statt  des  Geldes 
Kuhkot  darin.  Sie  hätten  aber  den  Verlust  des  Geldes  gern 
verschmerzt,  wenn  sie  nur  hätten  begreifen  können,  wie  es 
einer  Kuh  möglich  gewesen  auf  den  Baum  zu  kommen  und 
das  Schelmenstück  auszuführen.  —  Auch   Claus  Narr  a.  a.  0. 

K.  Köhler,  Kl.  Schritten.     I.  :^2 


4.J^)S  '^iii'  3Iärclieufor.beliung. 

S.  154  wundert  sich,  als  ihm  jemand  in  seine  Schuhe  Pferde- 
mist gethan,  wie  das  Pferd  habe  hinein  kommen  können. 
[Eyering  1,  591,  Bolte,  Zs.  f.  vgl.  Litt.  Gesell.  7,  -i:Q{)  f., 
Waas,  Die  Quellen  Boners,  Giessen  1897.] 

[No.  115  (Moulieras  p.  33).  Die  Thränen  nicht  durch 
die  heisse  Suppe  hervorgerufen,  sondern  durch  traurige 
Gedanken.     Vgl.  Pauli  no.  iu'2.] 

Nach  dem  124.  Schwanke  [=^  Decourd.  no.  28,  Moulieras 
p.  33]  wähnte  der  Meister  einst,  als  er  den  Mond  in  einem 
Brunnen  sich  spiegeln  sah,  der  Mond  sei  in  den  Brunnen  ge- 
fallen, und  holte  Haken  und  Stricke,  um  ihn  herauszuholen. 
Ebenso  wollte  einst  ein  Kiebinger  in  Schwaben  den  Mond, 
den  er  im  Neckar  sah,  mit  einem  Netze  herausfischen  (Meier 
Schwäbische  Sagen  S.  3G1).  Aehnliches  wird  von  den  Büsu- 
mern  in  Holstein  erzählt  (Müllenhoff  Sagen  .  .  .  Schleswigs, 
Holsteins  und  Lauenburgs,  Nr.  111).  Auch  Claus  Narr  (a.  a.  0. 
S.  478)  wähnt,  die  Sterne,  die  er  im  Wasser  sich  spiegeln 
sieht,  würden  ersaufen;  ja,  derselbe  soll  sogar  geglaubt  haben 
selbst  ins  Wasser  gefallen  zu  sein,  als  er  sein  Bild  darin  sah 
(S.  4(55).  Philo  (Barthol.  xVnhorn)  in  seiner  Magiologia 
(Augustae  Rauracorum  1(175,  S.  (J99)  erzälilt,  dass  Bauern 
444  einen  Esel  aus  einem  Bache  |  hätten  trinken  sehen,  in 
welchem  der  Mond  schien.  Als  (hirauf  der  Mond  von  Wolken 
bedeckt  war,  hätten  sie  gedacht,  der  Esel  habe  ihn  ver- 
schluckt, und  hätten,  um  den  Mond  zu  befreien,  das  Tier  ge- 
tötet und  aufgeschnitten.  [Oben  S.  90  zu  Cenac  Moncaut 
p.  130,  Blade  3,  142,  Ortoli  [).  252,  Ispirescu  p.  103,  L. 
Vives  zu  Augustinus  de  civ.  dei  1(320  p.  3(55  (Notes  and 
Queries  (i,  12.  490),  Scliiefuer,  Melanges  asiat.  8.  1<S0 
no.  34  =  Ralston,  Tibetan  Tales  1882  no.  45.  —  Monden- 
sticher;  (Jurieuse  Reisebeschreibung  Androphili  1735,  S.  780, 
Dunger,  Rundäs  187(t,  S.  24(5  f.,  Notes  and  (lUieries  4,  4,  570: 
Moonrakers.] 

Dies  sind  die  Schwanke  Nasreddins,  zu  denen  ich  ver- 
wandte bei  aiuleru  Vrdkern  anzuführen  im  Staude  I)in.  Andere 
werden  noch  an(hn'e  Hilden.  Vorläulig  aller  werden  diese 
Beispiele    genügen    darzuthun,    dass    mau    bei    Untersucliung 


35.    ^'asr-eddins  öcliwäukL".  4.9;) 

nach     ür.spniiig    und    Verbreitung    oewisser    Schwanke    diese 
türkische  Saininlnng  nicht  unberücksichtigt   hissen  darf. 

Den  Schwanken  Nasreddins  ist  noch  eine  Erzählung 
,vom  Räuber  und  vom  Richter'  beigefügt,  die  —  wie  der 
Uebersetzer  bemerkt  —  der  Konstantinopolitanischen  Stein- 
druck-Ausgabe jener  Schwanke  seit  .Fahren  aks  Saum  für 
jede  Seite  beigeschrieben  zu  werden  pHegt.  Ob  die  ganze 
Erzählung  von  dem  jungen  Manne,  der  aus  Not  einen  Raub 
zu  begehen  beschliesst.  diesen  an  einem  Richter  ausführt, 
dabei  aber  durch  seine  Korangelehrsamkeit  und  Klugheit  dem- 
selben so  gefällt,  dass  er  seine  Tochter  zur  Frau  bekommt, 
sonst  noch  vorkommt,  weiss  ich  nicht,  wohl  aber  kann  ich 
dies  von  einem  Teile  derselben  nachweisen.  Der  Räuber 
speist  bei  dem  Richter  und  wird  von  ihm  aufgefordert,  eine 
Gans,  drei  Mühner  und  fünf  Eier  passend  zu  verteilen.  Der 
Räuber  zerlegt  nun  zuerst  die  (Jans  dergestalt,  dass  er  dem 
Richter  den  Kopf,  der  Hichterin  den  Hals,  den  beiden  Kindern 
die  Flügel  und  den  beiden  Dienern  die  Füsse  giebt,  sell)st 
aber  den  Rumpt  behält.  Er  erklärt  diese  Verteilung  dann 
so:  .Du,  Landesrichter,  bist  das  Haupt,  und  dir  gebührt  der 
Kopf:  was  dein  Weib  betrifft,  so  bist  du  ihr  Geliebter,  sie 
beugt  dir  den  Nacken,  ihr  gebührt  der  Hals;  die  zwei  Kinder 
sind  deine  Flügel,  ihnen  gab  ich  also  die  Flügel:  deine  zwei 
Diener  sind  Tag  und  Na(dit  vor  dir  auf  den  Füssen,  ihnen 
gebühren  die  Füsse  der  Gans.  Was  mich  betritt't,  ich  bin 
fremd,  niemand  gehört  mir,  also  muss  der  Rnmpf  der  Gaus 
mir  gehören,  deini  ich  habe  weder  Weib  noch  Kind  noch 
Diener,  ich  bin  ein  Mensch  ohne  Arme,  Flügel  und  Füsse'. 
Als  der  Räuber  dann  die  drei  Hennen  verteilen  soll,  giebt  er 
(Kinder  und  Diener  sind  weggegangen)  eine  Henne  der 
Richterin,  sich  selbst  aber  zwei,  und  erklärt:  ,Die  Henne  ist 
eins  und  ihr  beide  dazu  macht  drei,  ich  bin  eins  und  die 
zwei  Hennen  dazu  macht  drei.'  |  Von  den  Eiern  giebt  er  sich  -tib 
eins,  dem  Richter  eins  und  der  Richterin  drei.  ,AVir  beide," 
sagt  er  zum  Richter,  , haben  jeder  schon  von  INatur  zwei  Eier, 
eins  dazu  macht  drei;  dein  Weib  aber  hat  von  früher  keins, 
darum  hab'  ich  ihr  drei  gegeben'.    [S.  Benfeys  Nachtrag  S.  504.] 

'62* 


500  ^^1^'  Märchenforscliung. 

Hiermit  vergleiche  mau  folgende  hebräische  Erzählung 
(Sageu  der  Hebräer.  Aus  den  Schriften  der  alten  hebräischen 
Weisen.  Aus  dem  Englischen  des  Heimann  Hurvvitz.  Leipzig 
1826,  S.  142  ff. )  [Carmoly,  Le  jardin  enehante  no.  11].  Ein 
junger  Hebräer  soll  sich  als  Sohn  und  Erbe  seines  verstorbenen 
Vaters  bei  einem  Freunde  dieses  letztern  durch  drei  sinn- 
reiche Dinge  legitimieren.  Die  eine  Probe  gehört  nicht 
hierher,  wohl  aber  die  beiden  andern.  Der  Jüngling  soll  bei 
Tische  5  Hühner  verteilen,  während  die  Tischgesellschaft  aus 
dem  Hausherrn,  dessen  Frau,  zwei  Söhnen,  zwei  Töchtern 
und  ihm  selbst  besteht.  Er  behält  zwei  Hühner  für  sich  und 
giebt  den  übrigen  je  ein  halbes.  Später  erklärt  er  dem 
Hausherrn:  ,Da  ich  fünf  Hühner  unter  sieben  Leute  nicht 
vollkommen  der  Menge  nach  verteilen  konnte,  that  ich  es 
doch,  dass  eine  gleiche  Zahl  herauskam.  Denn  dn,  dein 
Weib  und  ein  Huhn  that  drei,  deine  Söhne  und  ein  Huhn 
that  ebenfalls  drei,  und  zwei  Töchter  mit  einem  Huhn  thaten 
wieder  drei,  und  zwei  Hühner  mit  mir  thaten  wieder  drei'. 
iMnn  soll  er  am  Abend  derselben  (iesellschaft  einen  Ka,|)auii 
zerlegen.  Da  giebt  er  dem  Herrn  den  Kopf,  der  Frau  was 
er  im  Unterleibe  fand,  den  Töchtern  die  Flügel,  den  Söhnen 
die  Beine,  das  Uebrige  behält  er.  Er  erklärt  sich  darüber 
dann  also:  ,Der  Kopf  ist  der  vornehmste  Teil  des  Körpers, 
und  darum  gab  ich  ihn  dir  als  Herrn  des  Hauses.  Ich  legte 
deinem  Weibe  vor,  womit  das  Hnhn  gefüllt  ist,  zum  Zeichen 
ihrer  Fruchtbarkeit.  Die  beiden  Söhne  sind  die  Stützen 
deines  Hauses,  und  so  gab  ich  ihnen  die  des  Kapauns.  Deine 
Töchter  sind  mannbar,  du  wünschest,  dass  sie  bald  davon 
rtiegen  mögen,  und  so  gab  ich  jeder  einen  Flügel.  Ich  selbst 
kam  in  einem  Bote  und  will  wieder  in  einem  Bote  heim, 
und  behielt  darum  das  Gerippe'  [Grünbaum  p.  428,  Köhler 
zu  Gonzenbach  no.    1   und  Zs.  d.  Y.  f.   Volksk.  6,  ^^'i)]. 

Man  sieht,  die  Verteilung  der  Hühner  geschielit  im  türki- 
schen und  im  hebräischen  Schwanke  in  ganz  gleicher  Weise, 
die  des  Kapauns  oder  der  Gaus  in  ganz  ähnlicher.  Während 
im  türkischen  zwei  Kinder  und  zwei  Diener  vorkommen, 
linden  wir  im  hebräischen  zwei  Söhne  und  zwei  Töchter,  des- 


35.  Nasr-eddins  Schwanke.  501 

hall)  mus.ste  die  Erklärimg  etwa.s  auder.s  ausfallen.    Die  Frau 
erhält  im  Tür-  ki.schen  den  Hals,  im  Hebräischen   das  Innere  446 
des  Unterleibs.    Endlich  ist  in  beiden  Erzählungen  verschieden 
erklärt,  warum  der  Zerleger  für  sich  den  Rumpf  behält. 

Die  Teilung  des  Kapauns  oder  dergleichen  begegnet  uns 
aber  auch  deutsch.  Aus  einer  der  hel)räischen  Erzählung 
ziemlich  nahestehenden  Quelle  muss  Philipp  Harsdörffer 
geschöpft  haben.  In  seinem  Nathan  und  Jotham:  Das  ist 
geistliche  und  weltliche  Lehrgedichte,  Nürnberg  Ki^O  (2.  Teil, 
.lotham  11,  S.   151)  lesen  wir: 

Die  Zerlegkunst. 

,Die  Zerlegkunst  war  auf  eine  Zeit  zu  (iast  gebeten  und 
zerschnitt  ein  Hun.  wie  gebräuchlich,  teilte  es  auch  folgender 
(iestalt  aus:  Dem  Hausvater  gab  sie  das  Haubt  mit  dem 
Halse,  dem  Weib  das  Eiugeweid,  den  zweyen  Söhnen  die 
zween  Schenkel  und  Füsse,  den  zweyen  Töchtern  die  zween 
Flügel,  und  behielt  den  Leib  oder  die  Krippen  für  sich.  Auf 
Befragung  hat  sie  diese  Austheilung  also  verantwortet:  Dem 
Haubt  in  dem  Hause  gebührt  das  Haubt  und  der  Hals,  sowol 
wegen  dess  Gehirns  und  Verstandes,  als  wegen  der  Sorge  für 
die  Nahrung.  Dem  AVeiI)e,  welche  Kinder  traget,  und  alle 
Hausglieder  mit  Speise  versorget,  habe  ich,  mit  solchem  Ab- 
s(dien  das  Eiugeweid  zugeleget,  den  T("»chtern,  aber,  die  aus 
dem  Hause  fliegen  und  sich  anderweit  verheurathen,  hal)e  ich 
die  Flügel  gegeben,  und  den  beiden  Söhnen,  als  Säulen  des 
Hauses,  die  zween  Füsse.  Das  Gerip  habe  ich  für  mich  be- 
halten, zu  bedeuten,  dass  ein  Arbeiter  seines  I^ohns  werth, 
und  das  ein  jeder  von  den  Werken  seiner  Hände  essen  soll. 
Mit  dieser  sinnreichen  Deutung  war  der  Hausw'irth  sehr  wol 
zufrieden  und  hielt  es  für  der  Zerlegkunst  beste  Prob'. 

Harsdörffer  weicht  von  (b^r  hebräischen  Erzählung  in  der 
Auslegung  des  Gerippes  und  in  dem  Umstände  ab,  dass  der 
Herr  ausser  dem  Haupte  auch  den  Hals  erhält. 

In  zwei  Punivten  genauer  mit  dem  türkischen  Schwanke 
kommt  die  Erzählung  in  Johann  Paulis  Schimpf  und  Ernst 
(Frankfurter  Ausgabe   15S8,  S.  -23)  [=:  ed.  Oesterley  no.  58] 


502  Zur  MärchenforSL'hung. 

überein.  Hiernach  bat  ein  Edelmann  seinen  Beicbtvater  zu 
Gast  geladen  und  fordert  ihn  auf,  einen  Kapaun  zu  zerlegen. 
Anfangs  will  der  Mönch  nicht:  .leb  kann  nichts  damit,  wer 
wolt  mich  lehren  Httner  zerlegen?'  Auf  weiteres  Drängen 
447  erklärt  er  dann:  ,Muss  ich  ihn  zerlegen,  |  so  will  ich  nach  der 
Schrift  zerlegen'.  Hierauf  teilt  er  dem  Edelmann  den  Kopf, 
der  Frau  den  Kragen  (Hals),  den  Töchtern  die  Flügel,  den 
Söhnen  die  Schenkel  und  das  üebrige  sich  selbst  zu.  Als  ihn 
dann  der  Edelmann  fragt,  wo  es  geschrieben  stehe,  dass  man 
einen  Kapaun  also  zerteilt,  antwortet  er:  , Junker,  in  meinem 
Haupt  steht  es  also  geschrieben.  Ihr  seid  das  Haupt  in 
eurem  Hans,  darum  hat  encb  billich  das  Haupt  von  dem 
Kappen  zugebört.  Mein  gnädige  Frau  ist  die  nächst  nach 
euch,  und  das  nächst  nach  dem  Haupt,  billich  bat  ihr  der 
Kragen  zugehört.  Und  den  Jungfrauen  gehören  die  Flügel 
zu,  die  fliegen  in  ihren  Sinnen  hin  und  lier,  und  haben  Sorg, 
was  sie  für  Männer  überkommen  und  wie  sie  versorgt  werden, 
darum  haben  ihnen  von  Rechts  wegen  die  Flügel  zugeliört. 
Und  den  zweien  Söhnen  gehören  die  zw^eeu  Schenkel  zu, 
darum  dass  auf  ihnen  das  ganz  Geschlecht  stehet,  und  die 
Schenkel  tragen  den  ganzen  Kappen,  darum  gehören  ihnen 
die  Schenkel  zu.  Nun  ist  es  ein  Ungestalt  an  einem  Vogel, 
der  weder  Kopf,  noch  Kragen,  noch  Flügel,  noch  Schenkel 
hat,  und  ein  Mönch  in  einer  Kutten  hat  den  Schnabel  auf 
den  Rücken,  darumb  so  hat  der  Kappe  mir  zugelnirt'. 

Hier  erhiUt  also  wie  in  der  türkischen  Erzälilung  die 
Frau  den  Hals,  wenn  auch  nicht  aus  demselben  Grunde,  des- 
gleichen kommt  die  Art,  wie  der  Mönch  rechtfertigt,  dass  er 
den  Rumpf  behalten,  der  türkischen  Erzählung  näher  als  den 
andern. 

Endlich  habe  ich  noch  einen  Schwank  von  Hans  Sachs 
,der  Münnich  mit  dem  Capaun'  anzuführen  (Werke,  Nürnberg 
1590,  -2,  4.  72 d)  [Fabeln  ed.  Goetze  no.  21,").  Meistergesang. 
s.  Or.  und  Occ.  2,  ß7(i.  AVünsche,  Zs.  f.  vgl.  Littgesch.  11,  oC], 
welcher  am  4.  .\ugust  ]5,^)S  gedichtet  ist.  Darnach  speist 
ein  Mönch  bei  einem  Edehnauii  .in  Raierland,  von  gutem 
Stamm,   docli   unnciianut-.      Der  Kibdmaim   l.'nt   ihm.   um  ihm. 


H5.    Nasr-eddiiis  Srlnväiike.  503 

,(larmit  eine  Reverenz  zn  tluiu',  einen  Kapann  vor.  anf  dass 
er  ihn  ,nach  Gebühr  höflich  und  gar  artlich'  zerlege.  Nachdem 
der  Mönch  sich  entschuldigt  liat,  dass  er  nicht  viel  Geprängs 
und  Höflicldvcit  könne  und  deslialb  den  Kapann  nur  nach  der 
alten  AYeise  zerlegen  werde,  ,wie  maus  zerlegt  vor  alten 
Tagen',  zerlegt  er  ihn  ebenso  wie  der  Mönch  bei  Pauli.  Dann 
erklärt  er,  dem  Edelmann  habe  er  den  Kopf  gegeben  als  dem 
Haupte,  der  Frau  den  Kragen,  weil  sie  für  Haus  und  Küche 
nnd  allen  Vorrat.  ,was  man  muss  haben  in  den  Kragen",  sorge, 
den  Söhnen  die  Füsse,  weil  anf  ihnen  der  Stamm  und  das 
Geschlecht  1)eruhe,  den  T(('htern  die  Flügel.  | 

weil  sie  in  Lieb  sind  rund  und  Üück,  448 

wo  sie  geschmückt  mit  Reverenzen 

sind  bei  der  Pklelleut  Hoftänzen. 
Den  ,gestümmelten  Böttig'  habe  er  sell)st  als  ein  armer 
Manu  genommen,  der  selbst  das  nngeschaffenst  sei,  im   Lande 
hin  und  her  fliege,  ein  Vogel  und  doch  nicht  flück,  mit  dem 
Schnabel  auf  dem  Rücken,  wie  eine  Gans  barfuss. 

Hans  Sachs  hat  manche  Schwanke  ans  Paulis  Buche,  das 
seit  1522  in  vielen  Ausgaben  erschien,  entlehnt,  aber  in  diesem 
Falle  mag  er  doch  einer  andern  Quelle  gefolgt  sein,  da  er  — 
wie  man  sieht  —  in  der  Erklärung  der  Verteilung  nicht 
immer  genau  mit  f^auli  stimmt.  Wenn  bei  ihm  die  Frau  den 
Hals  erhält,  weil  sie  für  die  Nahrung  sorgt,  so  trifft  diese 
Auslegung  mit  Harsdr»rtfer  überein,  wo  jedoch  nicht  die  Frau, 
sondern  der  Herr  auch  den  Hals  bekommt. 

Hiermit  scheiden  wir  von  den  türkischen  Schwanken  mit 
lebhaftem  Danke  gegen  die  l)eiden  Uebersetzer,  die  uns  die- 
selben zugänglich  gemacht  haben.  Leider  ist  der  Uebersetzer 
der  (Jeschichte  vom  Räuber  und  Richter,  Dr.  Prelog,  wie  wir  • 
S.  5()  des  Büchleins  erfahren,  während  des  Drucks  am  9.  Mai 
1855  zu  Pera  am  Typhus  verstorben. 
Weimar.  December   ISiiM. 

Zn  S.  440  der  Beantwortung  der  o.  Frage  vgl.  meinen 
Aufsatz  im  .Ausland'  1859  S.  489,  511  und  590  [=  Benfey, 
Kleinere  Schriften  3,   17S.  210]. 


504  2^^''  Märchenl'orsclumg. 

Zu  S.  445  bemerke  ich,  dass  die  Verteilung  der  fünf 
Eier  wesentlich  ebenso  in  dem  Peregrinaggio  di  tre  giovani 
figlivoli  del  Re  de  Serendippo,  Venetia  1557,  erscheint  (vgl. 
für  jetzt  Pantschatantra  1,  S.  125  und  , Ausland*  1859  S.  568; 
ich  werde  dieses  interessante  Buch  später  genauer  behandeln) 
[Orient  und  Occident  3,  '2(^4.  Wetzel,  Reise  der  Söhne  (iiaffers 
ed.  Fischer  und  Bolte  1896  S.  207.  Montanus,  Gartengesell- 
schaft no.   14  ed.  Bolte]. 

Theodor  Benfey. 

764  Zu  Nasreddins  Seh  wanken. 

In  meinem  Aufsatze  über  Nasreddins  Schwanke  in  dieser 
Zeitschrift  1,  S.  432  erwähnte  ich  einen  bisher  ungedruckten 
akademischen  Vortrag  über  dieselben  von  AAllhelm  Schott 
und  si)rach  die  Hoft'nung  aus,  dass  dersellie  nicht  für  immer 
ungedruckt  bleiben  möge.  Herr  Professor  Dr.  Schott  hat  nun 
die  (lüte  gehabt  mir  folgendes  darüber  zu  schreiben,  was  ich 
mir  ei-laube  liier  mitzuteilen: 

,Was  ich  vor  einigen  dahren  auf  Grund  einer  kleinen 
und  zum  Teil  sehr  schlechten  Auswahl  der  Schwanke  (in  einer 
Art  Sammelsurium  unter  den  Dietzischen  Handschriften)  in 
einer  Klassensitzung  der  Akademie  vortrug,  verlohnte  den 
Abdruck  nicht,  und  besitze  ich  nur  noch  eine  Abschrift  des 
türkischen  Textes  jener  Auswahl,  sichrere  Schwanke  sind 
überaus  unwitzig  und  unsauber  bis  zum  Ekel:  einer  der 
witzigsten  ist  derjenige,  worin  das  personifizierte  Aggregat 
jener  St-liwänke  oder  der  verkörperte  Brennpunkt,  an  den 
sie  gleich  Krystallen  anschliessen,  die  erste  Bekanntschaft  mit 
dem  Ei-oberer  Timur  macht,  bei  dem  er  sich  für  einen  (iott 
der  Erde  ausgiebt.  Von  Timur  aufgefordert  die  enggeschlitzten 
Augen  seiner  tatarischen  Odaliks  zu  erweitern,  entschuldigt 
er  sich  (himit.  dass  er  als  Gott  der  Erde  nur  über  die  Regionen 
vom  Gürtel  abwärts  Gewalt  habe'.    [Decourdemanche  no.  293.] 

Dieser  hübsche  Schwank  findet  sich  in  der  Camerloher- 
schen  Uebersetzung  nicht. 

Ich  benutze  diese  Gelegenheit  noch  zu  zwei  Nachträgen 
zu  meinem  Aufsatze. 


I 


35.    Nasz-eddins  Schwanke.  505 

Zu  Nasreddins  Behauptung  (Nr.  10),  das,s  aus  dcu  alten 
Monden  Sterne  gemaclit  werden,  hätte  icli  an  eine  Stelle  in 
Heinrich  Heines  Scln-iften  erinnern  können.  Derselbe  (Nach- 
träge zu  den  Reisebildern.  Hamburg  1831,  S.  98)  lässt  eine 
ir-|ländische  Dame  sagen:  .Als  ich  noch  klein  war,  in  Dublin,  765 
und  zu  Mutters  Füssen  sass,  früg  ich  sie  einst,  was  man  mit 
den  alten  Vollmonden  anfange.  Liebes  Kind,  sagte  die 
Mutter,  die  alten  Vollmonde  schlägt  der  liebe  Gott  mit  dem 
Zuckerhammer  in  Stücke  und  macht  daraus  die  kleinen  Sterne.' 
[.Aus  den  alten  .Alonden  lässt  unser  Herr  Gott  halt  die  Sternl 
schnitzen.'  heisst  in:  Alberns  Gschnack  und  boshafte  Nacli- 
redn  von  meinn  Landsleutn  den  bravn  Gestreichern,  gsammelt 
von  den  Schanzl- Barbier  in  AVien.  Hersfeld  1834,  S.  50, 
no.  ()6.  —  Reinisch,  Die  Nuba-Sprache  1,   175).   1879.] 

Zu  Nr.  4!)  habe  ich  vergessen  ein  Märchen  der  Sachsen 
in  Sie1)enbürgen  (Haltrich  Nr.  66)  anzuführen.  In  diesem 
zieht  ein  junger  Mann,  dem  Frau,  Schwiegermutter  und  Vater 
Beweise  von  grosser  Narrlir-it  gegeben  haben,  aus.  um  zusehen, 
ol)  es  noch  Dümmere  gebe,  und  findet  verschiedene  weit  düm.mere 
Leute.  Unter  andren  tritt't  er  einen,  der  einen  Ast,  auf  dem  er 
sitzt,  absägt.  Er  ruft  ihm  vergeblich  zu.  er  werde  herunter- 
fallen. Der  Narr  fällt  wirklich  herunter  und  läuft  nun  jenem 
nach  und  fragt  ihn.  da  er  (MU  Prophet  sei,  nach  der  Zeit 
seines  Todes.  , Macht  euch  nur  schnell  auf  nach  Hause'  — 
ist  die  Autwort  —  ,denn  bis  euer  Pferd  dreimal  von  hinten 
bläst,  seid  ihr  tot!'  Der  Arme  geriet  in  nicht  geringe  Angst, 
band  schnell  sein  Pferd  vom  Baume,  schwang  sich  darauf 
und  trieb  es  mit  den  Sporen  heftig  an.  Das  aber  liess  gleich 
in  der  Angst  einen  fahren.  ,Ach!  das  ist  schon  einmal'  rief 
er  und  trieb  es  noch  ärger  an.  Bald  Hess  es  wieder  einen. 
,Das  ist  schon  zweimal'  rief  er  bestürzt,  und  die  Haare 
standen  ihm  zu  Berge.  Er  spornte  das  Pferd  noch  mehr,  da 
liess  es  den  dritten.  ,Das  ist  dreimal!'  sprach  er;  ,ach,  jetzt 
bist  du  tot!'  Er  stieg  ruhig  ab  und  legte  sich  nieder  an  den 
Weg.  Der  Fremde  aber  hatte  ihm  aus  der  Ferne  zugesehen, 
kam  zu  ihm  und  sprach:  ,Was  ist  mit  euch?  was  macht  ihr?- 
„Ach  (iott,  ach   Gott,    ich  bin  tot  und  muss  jetzt  hier  li.'gen 


506  ^11''  Märchenforschuiig'. 

1111(1  liiu  SO  hungrig.  Seid  so  gut,  lielier  Manu,  und  geht  und 
sagt  meiner  Frau,  sie  solle  mir  zu  essen  bringen!  Denn  das 
wird  sie  doch  einsehen,  dass  ich  Toter  nicht  nach  Hause 
kommen  kann."  Der  Mann  dachte:  ,Der  ist  noch  viel  dümmer 
als  deine   Leute  daheim!'  und  ritt  weiter. 

Dieses  siebeubürgisclie  Märchen  steht  dem  türkischen 
Schwanke  und  auch  dem  von  mir  angeführten  litauischen 
selir  nahe. 

[Seit  dieser  Aufsatz  erschien,  sind  noch  viele  andere 
Sammlungen  von  Nasr-eddin-Geschicliten  in  türkischer,  ara- 
bischer, berberischer  und  andern  Sprachen  bekannt  geworden, 
die,  an  Umfang  und  Inhalt  sehr  verschieden,  auch  manche 
altbekannten  Schwanke  auf  den  türkisclien  Spassmacher  über- 
tragen. So  erscheint  bei  D  eco  urd  ein  auch  e  iio.  7'2  die  aus 
Athenäus  herstammende  List  des  Philoxenos,  der  die  kleinen 
Fische  auf  der  Tafel  des  Dionysios  über  den  Tod  seines 
Vaters  befragt  (Moulieras  p.  40.  Müllendorff,  Ruadem,  no. 
LT.  Pauli,  Anh.  no.  7.  Hermes  '2\.  818.  '2ö.  4(;i)V.  no. 
<S4  die  Geschichte  vom  Eselsei  (Moulieras  p.  42,  Frey  ed.  Holte 
S.  214):  110.  8S  der  Arzt  und  seine  Schüler  (Clitella)  aus 
Poggios  lateinischen  Facetien,  die  ja,  wie  die  von  Decourde- 
manche  übersetzten  , Fahles  turques'  (1S82)  lehren,  im  IG.  Jahr- 
hundert von  türkischen  Autoren  gelesen  und  übertragen 
wurden  (Moulieras  p.  48):  no.  12G  Poggios  ,Vivum  sepnl- 
crnm'  (Fncetiae  179S  1,  140.  Moulieras  p.  47);  no.  208  des- 
selben ,Fabula  Mancini'  (Facetiae  1,  68.  Bolte  zu  V.  Schu- 
mann no.  24  und  Frey  S.  2S2);  no.  218  seine  , Mulier  demersa' 
Moulieras  p.  56)^);  no.  278  sein  ,Aureum  soinuium'  (Frey 
no.   77);  no.  128  des  Schneiders  Traum  von  der   I^appenfahne 

^)  Uebei-  diese  Fabel  von  der  ertriuikenen  bösen  Frau,  die  ihr 
Mann  stromaufwärts  sucht,  vgl.  Oesterley  zu  Pauli  no.  142  und 
Kirchhof  4,  186,  Keller,  Erz.  aus  altdtsch.  Hss.  S.  204,  Liebrecht,  Orient 
und  Occ.  :?,  :{7<)  zu  Sinirock  no.  61,  Etienne  de  Bourbon  no.  244.  299. 
lloniulus,  aj)p.  .'jS,  Barth,  Fabulae  Aesopicae  5,  20,  AMtry  Xr.  227, 
Germania  ;{,  420.  5,  48.  28,  422,  Lundorf  1,  Nr.  87,  Ebeling,  Taubmann  1882 
S.  :S22,  Yademecuni  für  lustige  Leute  2,  Nr.  16;  Firmenich  2,  253.  Zs. 
f.  dtscli.  Phil.  24,  33:^,  Chasse-chagrin  1679  p.  139,  Adam,  Les  patois 
lon-iiiiis  issl    |).  i:;«.),   15(ui(b_'son,  Sv.  Fs.  Nr.  37.   38  Nvro}),  Sv.  landsm.   2. 


35.    Nasr-cddins  Scliwiuike.  507 

(IL  Sachs,  Fab.  u.  Scliwäuke  ed.  Goetze  no.  334.  Bolte  zu 
Frey  S.  256,  Aura.) ;  no.  148  der  Rescliluss  der  Mäuse,  der 
Katze  eine  iSclielle  anzuhäugeu  (Moulieras  p.  49.  Pauli  no. 
634) ;  uo.  174  die  Wette  des  Ehepaars  wegen  des  Thürzumachens 
(Moulieras  p.  52.  ßolte,  Das  Danziger  Tlieater  1895,  S.  226. 
Zeitschrift  für  vergl.  Litteraturgeschichte  11);  no.  222  die 
auf  dem  Kopfe  des  Richters  erschhigene  Fliege  (Moulieras  p. 
57.  Pauli  no.  673);  no.  269  der  Schüler  aus  dem  Paradiese 
(Frey  uo.  61);  no.  26  die  Yerl)reniunig  eines  von  Ungeziefer 
wimmelnden  Hauses  (\a\.  Schumann  no.  1,  Frey  S.  276. 
Deutsche  Mundarten  2,  547.     Menghin,  Südtirol  S.   166)]. 

In  der  V(in  Moulieras  (p.  21 — 23)  excerpierten  ara- 
b  i  s  c  h  e  n  Fassung  begegnen  mehrere  Ehebruchsnovellen  aus  dem 
Sindbadbuche,  darunter  auch  das  ,Weib  im  Brunnen'  (Boccaccio 
7,  4,  Ispirescu  p.  37);  in  der  b  er  berisch  en  Sammlung  von 
Moulieras  erscheint  als  Nr.  22  die  schon  in  der  Disciplina 
clericalis  auftauchende  gesprächsweise  Mitteilung  von  allerlei 
den  Angehörigen  des  Fragers  zngestossenem  Unglück  (Moulieras 
p.  24)  ^);  no.  23  Aristoteles  von  Phyllis  gezäumt  und  geritten 
(Moulieras  p.  19,  Müllendortt",  Bnadem  no.  99);  Nr.  36  und 
46 — 50  Teile  des  Märchens  von  List  und  Leichtgläubigkeit  usw. 

In  der  von  Murad  L^fendi  nachgebildeten  türkischen 
Sammlung  enthält  Nr.  23  die  aus  den  (iesta  Romanorum  im. 
106  bekannte  Erzählung  vom  Traumbrod;  Nr.  9  (:—  Müllen- 
dorf no.  3),  der  verwunschene  Esel,  ist  die  weitverbreitete 
Geschichte  von  dem  listigen  Diebe,  der  (h^n  Bauer  einen 
Esel  stiehlt  und  dann  vorredet,  er  sei  zur  Strafe  seiner  Sünden 
auf  eine  Zeit  in  jenen  Esel  verwandelt  worden.  Varnhagen 
(Longfellows  Tales  of  a  wayside  iun  und  ihre  (Quellen  1884 
S.  124)  bespricht  eine  Novelle  von  Michele  Colombo  (1794), 
ein  Gedicht  Pirons  (Oeuvres  8,  323  =  Poesies  badines  1885 
p.  73)  und  eine  Erzählung  Longfellows  ,The  monk  of  Casal- 
maggiore'.    Weitere  Bearbeitungen  des  Schwankes  sind:   1001 


')  Vgl.  noch  t'raiie  zu  Jaoques  de  Yitrv  no.  205.  Thorburn, 
Banm'i  ]).  ISri  ,A  "(uid  liar',  Hammer,  Rosenöl  2,  274,  lllade  1S67  ji.  37. 
,La  bi.^ito  düu  bourdile',  Anastasins  (iriin,  Grediclite  1844  8.  316  ,Bütenart', 
Bulte,  Zs.  d.   V.  f.   V,  Ikskunde  7,  '.i9-\ 


508  ^"*'  ^lärchenforsclmng. 

Naclit  übers,  von  Weil  4,  64.  Certeux-Carnoy,  [/Algerie  tra- 
ditionelle 1,  49.  Basset,  Revue  des  trad.  po}).  9,  130.  10, 
626.  Villot,  Moeurs  des  indigenes  de  lAlgerie  1888  p.  12(). 
Sachau,  Felliclii-Dialekt  von  Mosul  no.  4  (Abb.  der  Berliner 
Akademie  1895).  Retif  de  la  Bretouue,  Les  contemporaiues 
36,  332  (1784):  Nouv.  221  ,La  baillive  et  la  procureuse- 
fiscale,  5.  conte:  Le  voleur  ane-par  penitence.  Cbapelot, 
Contes  balzatois  1871  p.  27.  Sebillot,  Revue  des  trad.  pop. 
11,  633.  Pitre  3,  146  no.  151.  4,  402.  Arcbivio  4,  390. 
5.  205.  hnbriani,  Conti  pomigl.  p.  78.  Lor.  Pignotti,  Nov. 
4  ,11  veccbio  e  l'asino'.  Coelbo  no.  6(').  Vademecuni  für 
lustige  Leute  1,  no.  43  (1767)  ,Der  Eseldieb'.  Firmenich  1, 
303.  531.  Simroc-k,  M.  no.  12.  Pröble,  KVM.  no.  3.  Wolf, 
DMS.  no.  33;  Niederld.  Sagen  S.  702.  Der  Bär  2.  117  (1<S76). 
K.  Braun-Wiesbaden,  Zeitgenossen  2,  282  (1S77)  .Der  Ochs 
und  der  Kapuziner'.  Sachs.  Hausfreund  (siebenbürg.  Kalender) 
1862,  101  ,Der  Müller  und  sein  Esel'.  Westfäl.  Bauern- 
kalender 18'Sl,  107.  Gredt,  SagenschiUz  des  Luxemburger 
Landes  1885,  S.  641  no.  1215.  Leopold,  Vau  de  Scheide 
tot  de  Weichsel  2,  85  (l,s<S2j.  Zeitschr.  für  Volkskunde  2, 
265  (1889):  albanesisches  Märchen.  Eine  Variante,  in  der 
statt  des  Esels  ein  Mehlsack  erscheint,  in  den  Münchener 
Fliegenden   Blättern     106,   47    (1897)   ,Der    gefoppte    Bauer'. 

In  der  g riech  isclien  Bearbeitung  findet  sich  auf  S.  18 
die  Faliel  von  der  Eichel  und  dem  Kürbis.  Vgl.  Tabarin, 
Oeuvres  ed.  Aventin  2,  175  (1858).  La  Fontaine,  Oeuvres  2, 
197  ed.  Moland  1S72  =  Fahles  9,  3  ,Le  gland  et  la  citrouille'. 
Cats,  Wercken  165S,  Invallende  (iedachteu  S.  40  ,Van  een 
pompoen  en  eycke'.  Gleim,  Fabeln  17(S6  S.  175  =  Werke 
3,  425  (ISII).  J.  B.  Michaelis,  AVerke  2,  41  (1791):  ,Der 
Bauer  unter  der  Eiche'.  J.  A.  Schlegel,  Fabeln  und  Er- 
zählungen 1769  S.  27  ^  Neue  Reitr.  zum  Vergnügen  des 
Verstandes  und  AVitzes  3,  151.  The  Pleasing  Instructor  p. 
365  ,The  Atheist  and  Acorn'.  Knowles,  Folk-tales  of  Kashmir 
p.  321. 

Der  türkische  Name  Chodja  ist  in  dvn  arabisrhen  Be- 
arbeitiiiii;eii     in    den    gut    arabischen    Dschuhä    umgewaiulelt 


85.    Nasr-eddins  8rli wanke.  509 

worden:  daher  .staiiimen  Formen  wie  Dscliauha  (I^einiseh,  Die 
Nuba-Spraclie  1,  162.  "236.  Stumme,  Tunis.  Märchen  2,  126; 
Houwära  no.  6;  Ztsehr.  dvv  deutsch,  morgenl.  Ges.  48,403), 
Dschochi  (Lidzbarski  S.  240),  (lohä  (Soein,  Arab.  Sprich- 
wörter 1878  S.  3  no.  38.  Prym-Socin,  Tür  'Abdin  S.  XXV), 
(lalian  (maltesisch:  Archivio  14,  458),  Si  Djeh  a  (Moulieras), 
Giu;^a  im  Albanischen,  Giucca,  Ciucco  im  Toscanischen,  Giufa 
im  Sicilianischeu  (Pitre,  Nov.  pop.  tusc.  p.  195.  Köhler,  Zs. 
d.  V.  f.  Yolksk.  6,  73  zu  Gonzenbach  no.  37)]. 


36.   Jülg,  Mongolische  Märchen. 

Die  neun  Nachtrags-Erzählungen  des  Siddhi-Kür  und  die  Ge- 
schichte des  Ardschi -Bordschi  Chan.  Eine  Fortsetzung  zu 
den  „Kalmükischen  Märchen."  Aus  dem  Mongolischen  über- 
setzt mit  Einleitung  und  Anmerkungen  von  Prof.  Dr.  Bern- 
hard 'lülg.  Innsbruck.  Verlag  der  Wagnerschen  üniversi- 
täts-Buchhandlung.     1868.     8«.  XVI  und  132  S. 

(Göttinger  gelehrte  Anzeigen   1868,   192»!— lii:31.) 

Gleichzeitig  mit  dem  grössern  Werk  „Mongolische  Märchen-  1926 
Sammlung.  Die  neun  Märchen  des  Siddhi-Kür  nach  der  aus- 
führlicheren Redaction  und  die  (ieschichte  des  Ards(thi-Bordschi 
Chan.  Mong(disch  mit  deuts(dier  üebersetzung  und  kritischen 
Anmerkungen  herausgegeben  von  B.  .lülg''  (Innsbruck  1868, 
Preis  5  Thaler)  ist  die  obige  Einzelausgabe  der  deutschen 
üebersetzung  erschienen,  ebenso  wie  früher  neberx  der  grossen 
Ausgabe  des  kalmükischen  Siddhi-Kür  (Leipzig  1866)  die 
üebersetzung  auch  einzeln  erschienen  war,  wofür  die  jener 
Sprachen  unkundigen  und  sie  nicht  zu  erlernen  gewillten 
Märchen-  und  Sagenforscfier  dem  Herausgeber  zu  besondrem 
Danke  verpflichtet  sind.  Den  Märchen  geht,  wie  schon  der 
Titel  anzeigt,  eine  Einleitung  voraus,  und  erläuternde  dankens- 
werte Anmerkungen  folgen.     Die  Vergleichung    der  Märchen 


51Q  Zur  Märciienfurrichung. 

mit  denen  anderer  Völker  glanbte  der  Hr.  Heransgeber  (s. 
S.  VH),  „einige  gelegentliche  Hinweisnngen  in  den  Anmer- 
kungen abgerechnet,  anch  diesmal  —  wie  bei  demkalmükischen 
Siddhi-Kür  —  bewährteren  Forschern  auf  diesem  Gebiete 
überlassen  zu  müssen."  Ref.  erlaubt  sich  in  dieser  Bezieh- 
ung einige  Bemerkungen  bfizufügeu.  wie  sie  sich  ihm  bei 
der  ersten  Lektüre  der  ^lärchen  ergeben  haben.  Sie  machen 
1927  natürlich  keinen  Anspruch  auf  V()ll-|ständigkeit,  werden  aber 
genügen,  um  zu  zeigen,  wie  wichtig  diese  Publikation  für 
die  vergleichende  Märchenforschung  ist. 

Die  14.  Erzählung  des  Siddhi-Kür,  „die  Knotennase", 
in  welcher  ein  Armer  (leister  belauscht  und  einen  ihnen  ge- 
hörenden \A'unschsack  entwendet,  worauf  sein  habsüchtiger, 
reicher  l^ruder  sich  an  eben  denselben  Ort  begiebt,  al)er  von 
den  (ieistern  bemerkt  wird,  die  ihn  für  den  Dieb  des  Sackes 
halten  und  ihm  zur  Strafe  seine  Nase  lang  ziehen  nnd  neun 
Knoten  hineinknüpfen  —  diese  Erzählung  erinnert  an  die  von 
mir  im  .lahrI)U('h  für  romanische  und  englische  Litteratur  7.  (i 
[oben  281]  besprochenen  Märchen  von  den  beiden  Brüdern,  deren 
einer  ein  (iespräcli  von  (leistern,  Hexen  oder  Tieren  belauscht 
und  daraus  ihm  sehr  nützliche  (lelieimnisse  erfährt,  während 
der  andere,  der  sich  später  ebenfalls  an  denselben  Ort  begiel)t, 
von  den  über  die  Entdeckung  ihrer  Geheimnisse  erzürnten 
Geistern,  Hexen  oder  Tieren  bemerkt  und  getötet  oder  ge- 
blendet wird.  —  Die  19.  Erzählung  „der  arme  Weber 
und  die  indische  Königstochter"  erinnert  im  ganzen 
an  das  Märchen  vom  tapfern  Schneiderlein  (Grimm  IvHM 
Nr.  20)  und  die  /ahlreichen  ähnlirlien  Märchen.  Wenn  der 
Weber,  der  ein  feindli(;hes  Heer  besiegen  soll,  von  seinem 
Ross,  das  er  nicht  zu  lenken  versteht,  in  ein  Dickicht  ge- 
tragen wird  und  sich  dort  an  einen  Baum  anklammert  und 
denselben  dabei  umreisst.  worin  die  Feinde  ein  Zeichen  über- 
menschlichen Heldentums  sehen,  so  kömmt  fast  ganz  dasselbe 
in  dem  Hindu -Märchen  „der  starke  T(ipfer"  (Old  Deccan 
Days;  or,  Hindoo  Fairy  Legends,  current  in  Southern  India. 
Collected  from  oral  tradition  by  M.  Frere,  Lond(ni  iSficS, 
Nr.    16)    vor.      In    dem    holländischen    Märchen     von     klein 


yt).    Jüly,   Mongiilisclie   .Märihcu.  ,j  [  1 

Kcibisie  I  (Grimm  KHM.  3,  33)  und  in  den  wiilsclitiroler  vom  i928 
starken  Schuster  (Schneller  Nr.  53  und  54)  kdmnit  ebenfalls 
dieser  Zug  vor,  nur  ist  an  die  Stelle  des  Baumes  ein  Inilzernes 
Kreuz  getreten.  [Hansen,  Zs.  d.  (ies.  f.  schleswig-holst.  Gesch. 
7,  •225.  Schönwerth  2,  287.  Zingerle  2,  15.  Veckenstedt, 
Arch.  der  Berl.  Gesellschaft  für  Authrop.  1877,  S.  103  = 
Wend.  Sagen  S.  71.  Gdsquin  1.  100.  2,  353.]  Mit  den 
dem  Weber  gestellten  Aufgaben,  einen  Fuchs  und  9  Dämonen 
zu  töten,  vergleicht  sich  in  den  Märchen  vom  tapfern  Schneider 
u.  dgl.  der  Fang  des  Ebers  und  des  Einhorns  und  die  Tötung 
der  Riesen.  —  Die  21.  Erzählung  „das  plane  sc  limie  dende 
Bettelpaar"  gehört  zu  den  von  Benfey  Pautschat.  1,  500  f. 
besprochenen  Schwänken,  denen  mau  Udch  Sclineller  Märchen 
und  Sageu  aus  Wälschtirol  Nr.  47  beifüge.  —  Zur  22.  Er- 
zählung „der  König  mit  den  Eselsohren",  einer  merk- 
würdigen Version  der  griechischen  Sage  vom  Midas,  verweist 
Jülg  auf  das  irische  ^lärchen  vom  König  [jabi-adli  Lidngseach 
mit  den  Eselsohren  und  auf  das  serbische  vom  Kaiser  Trojan 
mit  den  Ziegenohren.  \'gl.  aber  auch  noch  die  w^eiteren 
Nachweise  von  Liebrecht  zu  Ihinlop  Anm.  153  und  im  flahrb. 
für  roman.  u.  engl.  Litt.  3,  86  und  von  Du  Meril  Etudes 
sur  (juelques  points  darcheologie  S.  432.  —  Die  23.  Erzäh- 
lung hatte  Beufey  nach  Schiefners  Mitteilung  bereits  im 
2.  Bande  seines  l^intschatantra  S.  532  als  Nachtrag  zu  der 
von  ihm  im  1.  Bande  §  92  besprocheneu  Märchengruppe  von 
dem  Verbrennen  der  Tierhülle  im  Auszug  bekannt  ge- 
macht. Hiernach  hatte  Liebrecht  schon  im  Jahrb.  für  roman. 
u.  engl.  Litt.  3,  83  —  und  später  in  der  Germania  12,  82 
—  auf  eine  merkwürdige  Lebereinstimmung  der  mongolischen 
Erzählung  mit  dem  ägyptischen  Märchen  von  Satu  und  Anepu 
aufmerksam  gemacht.  In  beiden  erregen  auf  einem  Fluss 
hergescliwommene  Haarlocken  einer  schönen  Frau  in 
einem  König  das  Ver-, langen  nach  der  unbekannten  Eigen-  1929 
tümerin  der  Haare,  gleichwie  in  der  Tristansage  und  in  den 
von  mir  in  der  Germania  1 1 ,  389  ft".  verglichenen  Märchen 
die  von  Vögeln  fallen  gelassenen  Haare  einer  Unbekannten 
gleiches  verursachen,     [ünteu   zu   Schiefner,   Aw.    Texte    Nr. 


193L 


^\->  Zur  Märchenforschung. 

14.]  Wenn  in  dem  moiioolischeii  Märchen  (S.  54)  ein  Mann 
in  die  Verbannung  geschickt  wird  mit  dem  Verbot,  nicht 
eher  zurückkommen  zu  dürfen,  als  bis  er  eiu  paar  steinerne 
Stiefel  abgetragen,  so  erinnert  dies  an  europäische  Märchen, 
wo  eiserne  Schuhe  durchgelaufen  werden  müssen,  ehe  die 
verlorene  Gattin  wiedergefunden  wird.    Siehe  Pentamerone  5, 

4,  V.  Hahn  Nr.  25,  73,  102,  das  venezianische  Märchen  Nr.  12 
im  Jahrb.  für  roman.  Litt.  7,  249  [oben  31(5],  Wuk  Nr.  10, 
Pröhle  KM.  Nr.  31,  Wolf  HM.  S.  lys  (in  letzterem  wird  die 
Gattin  gesucht).     [Unten  zu  den  awar.  Texten  Nr.   14.] 

Wenden  wir  uns  nun  zum  Ardschi- Bordschi.  Die  Er- 
zählung vom  veruntreuten  Edelstein  (S.  (i9)  findet  sich 
mit  unwesentlichen  Abweicliungen  unter  den  von  Francis 
Gladwin  in  seinem  Persian  Mooushee  herausgegebenen  per- 
sischen Erzählungen  (Nr.  14).  In  der  Erzählung  von  Vi- 
kramäditjas  Geburt  geniesst  die  kinderlose  Königin  einen 
gewissen,  von  einem  Lama  gesegneten  Brei:  den  übrig  ge- 
bliebenen Bodensatz  isst  eine  Dienerin;  Königin  und  Dienerin 
bekommen  dann  Söhne,  die  später  eng  verbundene  Freunde 
werden.  So  geniesst  in  dem  italienischen  Märchen  von  Mela 
und  Buccia  (Weimarische  Beiträge   zur  Littcratur  und  Kunst 

5.  196)  [=:  Köhler,  Aufsätze  S.  27  f.]  eine  Königin  einen 
Apfel,  dessen  Schale  ilire  Kammerfrau  isst:  nach  9  Monaten 
bringen  beide  Knaben  (Mela  und  Buccia)  zur  AVeit,  die  in 
treuster  Freundschaft  heranwachsen.  [Cos(juin  zu  no.  5.] 
S.  93  wird  erzählt,  dass  auf  Vikramäditjas  Rat  beim  Heran- 
nahen des  Heeres  der  Schim-|nus  400  Gefässe  voll  Branntwein 
aufgestellt  werden,  über  welche  die  Schimnus  herfallen  und 
sich  völlig  berauschen,  in  welchem  Zustand  sie  dann  er- 
schlagen werden.  So  berauscht  in  der  griechischen  Sage 
Bakchos  ein  indisches  Heer,  indem  er  ein  Gefäss  Weines  auf- 
stellt oder  gar  einen  Fluss  in  Wein  verwandelt  (s.  des  Ref. 
Schrift:  Ueber  die  Dionysiaka  des  Nonnus  von  Panopolis 
S.  '28  u.  71).  Man  vgl.  auch  die  List  des  Cyrus  gegen  die 
Scythen  bei  Justin  1,  8  und  die  Erzählung  der  Gesta  Roma- 
norum Cap.  88.  [Oben  S.  413  zu  Jagic  Nr.  7.  Helvicus  2, 
97.     Weil,    Bibl.    Legenden    S.    235.      Goedeke,    Mittelalter 


36.    Jülg,  Mongolirtc'he   Märchen.  513 

S.  10-2.  Orient  u.  Occ.  1,  346.  Heidelhg.  Jahrb.  18(58.  311. 
Iviebreclit.  Zur  Volkskunde  S.  72.  Folk-lore  Record  1,  122. 
GriniDi  KHM.  Nr.  13(>  der  älteren  Aufl.  Guerrini,  Croee 
p.  -iO-i,  158.  H.  Müller,  Au.s  Davos  1875  S.  27.  Schneller 
S.  213.  Hahn  Nr.  63.  Pio  p.  215.  Ae'/aiov  1,  305.  Legraud 
p.  64.]  —  Zu  der  Geschichte  vom  weisen  Papagei  (S.  loil) 
war  auf  Benfey  Pantschat.  1.  246 — 249  zu  verweisen,  wo  die 
P^rzählung  besprochen  ist.  (Zu  der  von  Benfey  gegebenen 
Uebersetzung  ans  der  Gukasaptati  vgl.  AV.  Pertsch  in  der 
Zeitschrift  der  Deutschen  morgeuländischen  Gesellschaft  21, 
519,  Aum.  1).  Weit  genauer  aber  als  die  von  Benfey  ver- 
glichenen Erzählungen  der  (.'ukasaptati  und  des  persischen 
und  türkischen  Tuti-Nameh  stimmt  mit  der  mongolischen 
Geschichte  eine  Episode  in  dem  Hindu-Märchen  „die  Wande- 
rungen des  Yicram  Maharajah''  in  den  schon  oben  erwähnten 
„Old  Deccan  Days"  (S.  114),  welche  höchst  interessante 
Sammlung  icli  demnächst  zu  besprechen  gedenke,  wobei  ich 
auf  diese  Geschichte  zurückkommen  werde.  —  Die  letzte  Er- 
zähliiüg  des  Ardschi-Cordschi  „der  falsche  Eid-'  (S.  111) 
hatte  Hr.  Prof.  Jülg  schon  früher  als  „ein  Seiteustück  zum 
Gottesgericht  in  Tristan  und  Isolde"  besonders  herausgegeben. 
Jetzt  verweist  er  in  der  Anmerkung  auf  die  Anzeigen  jener 
Specialansgabe  von  F.  Eiebrecht  in  den  Heidelberger  Jahrb. 
l'S66,  Nr.  59,  und  von  ('omparetti  in  der  Revue  critique  1867, 
Nr.  12:  er  hätte  aber  nuch  noch  auf  die  Anzeige  Beufeys  in 
diesen  |  Blättern  1867,  St.  17,  und  auf  die  des  Ref.  im  Eitter.  1931 
Centralblatt  1867,  Nr.  35,  verweisen  können.  In  Bezug  näm- 
lich auf  die  im  Anfange  der  mongolischen  Erzählung  vor- 
kommende Zeichenspraehe  vergleicht  Benfey  in  jener  An- 
zeige die  erste  Erzählung  der  Vetälapankavinvati  in  Eassens 
Anthol.  sanscr.  ed.  Gildemeister  S.  6.  wo  der  Prinz  die  von 
der  Geliebten  gemachten  Handbewegungen  nicht  versteht, 
während  sie  sein  (lefährte  auslegt.^  und  Ref.  liat  auf  seinen 
Aufsatz  „Rosenplüts  Disputaz  eines  Freiheits  mit  einem  Juden" 
in  Pfeiffers  Germania  4,  4S2  ff.   hingewiesen. 


R.  Kühler,  Kl.  Schriften  I.  33 


514  ^^i^'  ^färclienforschung. 


37.   Steere,  Swahili  Tales. 

Swahili  Tales  as  told  by  iiatives  of  Zanzibai'.  With  an  Engiisli 
translatioii.  By  Edward  Steere^),  LL.  D.,  Rector  of  Eittle 
Steepiiig.  Lincoliishire,  and  Chaplaiu  to  Bishop  Tozer.  London: 
Bell  &  Daldy,  York  Street,  Covent  Garden.    IST;).  8".  XVI  und 

504  Seiten. 

(Göttinger  gelehrte  Anzeigen   1870,   1(3.^H — 1H63.) 

165(>  Dieses  Buch  enthält  ausser  einigen  Spruch vv(irtern.  Rätseln 

und  Gedichten  die  weiter  unten  aufgezälilten  Märchen  und 
und  Fabeln,  sämtlich  in  Suaheli-Sprache  und  in  englischer 
Uebersetzung.  Der  Herausgeber  hat  sie  in  Sansibar  als  Mis- 
sionär gesammelt.  „The  following  tales",  sagt  er  im  Vor- 
wort S.  V,  „were  taken  down  in  the  first  place  as  a  help  to 
mv  own  endeavours  tu  master  the  language  of  Zanzibar,  and 
are  now  printed  chieÜy  as  a  help  to  those  who  are  to  follow 
me  in  the  Sfime  work.  1  have  tried  thereforc  to  make  the 
trauslation  as  literal  as  possibjc  ....  All  the  tales  are  printed 
exactly  as  they  were  related-'.  Die  Wichtigkeit  dieser  Samm- 
lung in  sprachlicher  Rücksicht,  die  sich  noch  mehr  nach  dem 
Erscheinen  des  am  Ende  des  Vorworts  angekündigten  Hand- 
l»uchs  der  Suaheli-Sjn-ache  herausstellen  wird,  niuss  ich  andern 
zu  beurteilen  ü1)erlass('ii.  Ich  will  nur  vor  allem  die  Auf- 
merksandvcit  der  Frennde  der  vergleichenden  Märchenkunde 
auf  die  Sauinilung  lenken. 

Die    Suaheli    —    über    die    man   Näheres    in    Th.    Waitz 
Anthropologie    der  Naturvölker  '2,    HBH  ff.    und  4'i'2  f.  und  in 

16.57  von  der  Deckens  Rei-|sen  in  Ost- Afrika,  bearbeitet  von 
0.  Kersten,  1,  lö  ff.  hndet  —  sind  ein  Misch volk  aus  Ehi- 
geboreuen  und  Arabern,  welche  letztere  vor  den  Portugiesen 
schon  Jahrhunderte  lang  die  Ostküste  Afrikas  beherrschten 
und  wieder  seit  KiilS  anf  Sansibar  die  herrschende  Klasse 
bilden.     Aber  nicht  l)los  Araber  uiul  Suaheli   l)ewohnen   San- 


M    IBiscliof  steere,    geh.    ISi'S,  f   27.   Aug.    1SS2    zu   Zauzihar.      Vgl. 
TriihnerV    Heronl   X.  S.    Vol.   :?,  -.14.1 


37.    SteiM'e,   Swaliili   'I'ales.  515 

silmr.  In  ciiiciii  der  Mi'irclicii  licisst  es  (S.  -I'A'A):  ,,lii  tlie  towii 
arc  vve  Arabs,  thcre  nre  Kiir()|)ea.tis,  there  ai'c  Hauvaiis  also, 
thei'e  are  llindees  also,  tliere  arc,  too.  all  tlic  poor  that  are 
111  it",  (1.  h.  iiHcli  den  Krläiiternugcn  des  Hg.  (S.  500):  1.  Die 
Araber  und  die  lialb-arahisclieii  Suaheli,  2.  die  Ba,iivaiieii, 
(1.  li.  heidnische  Inder,  besonders  ans  Katscli,  -i.  die  Hindi, 
d.  h.  inuluiinedanische  Inder.  4.  die  Enropäer,  etwa  HO  oder  40, 
5.  die  Neger-Sklaven  und  Freigelassenen.  Nach  einem  andern 
]\I.  (S.  ;>]7  uiul  ;^'Jo)  kommen  dazu  noch  Komorianer  von 
der  Insel  Angasija  oder  (iross-Komoro,  vgl.  v.  d.  Decken 
S.  <S7.  Unter  diesen  Verhältnissen  ist  es  sehr  begreiflich, 
dass  wir  nnter  (h^n  Snaheli-lMärchen  s(dche  finden,  die  uns 
ans  arabischen  oder  indischen  Quellen  bekannt  sind.  Wir  linden 
aber  auch  Märchen,  die  mit  europäischen,  bisher  noch  nicht  bei 
Arabern  oder  Indern  nachgewiesen  übereinstimmen.  Vielleicht 
sind  manche  dieser  Märchen  asiatischen  l'rs])rnngs,  wenn  er 
auch  noch  nicht  erwiesen  ist.  und  die  Suaheli  haben  sie  ans 
Asien  erhalten.  Nicht  ininniglich  erscheint  es  mir  al)er 
andrerseits,  dass  manche  dem  Verkehr  mit  JMiro[)äern,  ganz 
besonders  mit  den  Portugiesen,  die  zweilinndert  dahre  San- 
sibar beherrschten,  entstammen. 

Die  einzelnen  Märchen  und  Fabeln  sind  nun  die  folgenden. 
The  Story  of  tlie  AVashermaii's  Donkey.  (S.  ;j. )  Dii- 
(iescliicht(^  vini  (b'in  Ks(d,  [  der  kein  Herz  und  keine  (»hren  i658 
hat  [Oesteidey  zu  (iesta,  Rom.  SH;  [{oinulus  app.  4i).  Ecbasis 
captivi  ed.  Voigt  p.  57.  Hochholz.  Zs.  f.  dtscli.  IMiil.  1.  ISI. 
Scherer,  Kl.  Schriften  1,  l.s-_>.  Keidel,  Zs.  f.  vgl.  Littgesch.  7. 
•J()  f.  Tawney.  Kathä  Sarit  Sägara  2,  (S5.  St<'inschneider. 
Zs.  der  d.  morgenl.  des.  '27.  '>(>'■>.  Scjiiefner.  Kürin.  Studien  lS7o. 
S.  !)5.  Krohn,  -lournal  de  la  soc.  iinno-ougrienne  (i,  loj.  ein- 
gesclilossen  in  die  Hahmenerzälilung  von  dem  Haitische  und 
dem  Affen,  der  sein  Hei'z  auf  dem  liaum  gelassen  hat. 
S.  Benfey  l^nitschat.  1.  420  ff.  und  4;!0  ff.  [Thorbnru. 
Hannii  p.  219.  Steel  and  Tem})le  no.  21,  JMide.  Tawney, 
Kathä  Sarit  Sägara  2,  S4.  Folk-Lore  -lournal  o,  12cS.  (iriftis, 
riapanese  Fairy AVorld  1S,S7,  p.  15y.  Langegg  l.o45.  I)rauns(j4. 
(laster,    Monatssclir.  f.   (Ies(di.   d.  diidentuins  oO.    .   .   .    Nr.   8. 

3:!* 


')\Q  Zur  Märchenforsohung'. 

Liebrecht.  Zur  Volksk.  8.  122.]  Beiuerktniswert  ist,  dass  im 
Sualieli-Märclien  ein  Hase  oder  ein  Kaninchen  (s.  S.  VllI  der 
Vorrede)  den  Löwen  und  den  Esel  betrügt.  Anch  in  zwei 
andern  Märchen  dieser  Sammlnng,  in  zwei  Betschuanen- 
Märchen  (Bleek,  Reineke  Fnchs  in  Afrika,  Weimar  1S70, 
S.  75:  Zeitschrift  der  Deutschen  morgenländischen  Gesell- 
schaft 16,  471),  in  einem  woloffischen  (Bleek  S.  144)  und  in 
einem  Bari-Märchen  (mitgeteilt  von  Mitterrntzner  in  derselben 
ebengenannten  Zeitschrift  21,  221  und  in  seinem  Werk  über 
die  Sprache  der  Bari)  ist  der  Hase  das  listige  Tier.  —  Sultan 
Darai  (S.  13).  Von  diesem  Märchen,  welches  eigentlich  erst 
S.  50  beginnt,  indem  das  Vorhergehende  mit  dem  Folgenden 
nur  ganz  äusserlich  lose  zusammenhängt,  sagt  der  Heraus- 
geber S.  VIII:  „Sultan  Darai"  is  in  its  lirst  part  like  all  tales 
of  stepmothers,  and  in  its  last  curiously  like  „Puss  in  boots". 
Ich  habe  die  bisher  bekannten  Varianten  des  M.  vom  ge- 
stiefelten Kater  —  sämtlich  aus  Europa  bis  auf  eine  aus  Sibirien 
in  meiner  Anmerkung  zu  Laura  (ionzeiibachs  Sicilianisohen 
Volksm.  Xr.  05  [Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  0,  l(i5]  zusammen- 
gestellt. An  die  Stelle  der  Katze  ist  in  einigen  M.  ein  Fuchs, 
auch  ein  Hund,  im  Suaheli-M.  eine  Gazelle  getreten.  Eigen- 
tümlich dem  Suaheli-M.  ist  das  P^nde,  wonach  der  Sultan 
Darai,  der  durch  di(^  Gazelle  Sultan  geworden  ist,  zur  Strafe 
seiner  Undankbarkeit  —  er  lässt  die  (jiazelle,  ohne  sich  um 
sie  zu  bekümmern,  sterben  und  dann  in  einen  Brunnen 
werfen  —  eines  Morgens  sich  wieder  iu  seiner  frühern  Heimat 
1659  und  in  seiner  Armut  ]  findet.  —  An  Indian  Tale  (S.  141), 
welche  Erzählung  ich  sonst  nicht  nachweisen  kann.  —  The 
History  of  Mohammed  the  Lauguid  (S.  151),  aus 
lOOlNacht,  wie  auch  Steere  S.  VI  bemerkt.  S.  in  der  Breslauer 
Uebersetzung  im  13.  Bande  die  Geschichte  des  Abu  Muham- 
med  Alkeslan,  in  Weils  Uebersetzung  2,  365:  Geschichte 
des  trägen  Abu  Muliammed.  —  Sultan  Majnün  (S.  19*J). 
Nachdem  sechs  Söhne  des  Sultans  nicht  haben  verhindern 
können,  dass  ein  grosser  Vogel  die  eben  reif  gewordenen 
Früchte  eines  Dattelbaums  des  Sultans  in  der  Nacht  frisst, 
indem    fünf   der   Prinzen    einschliefim    und    der    sechste    sich 


37.    Hteere,  Swahili  Tales.  517 

leiclitsinnig  vom  Baum  entfernte,  vvat^ht  eudlieh.  als  die 
Datteln  wiederum  reif  geworden,  der  jüngste  Sohn,  der  bisher 
nur  in  der  Küche  sich  aufgehalten  hatte  und  deshalb  vom 
Sultan  verachtet  war.  Er  bleibt  wach  und  ergreift  den  Vogel 
an  einem  Flügel  und  lässt  ihn  nicht  eher  los,  als  bis  ihm 
der  Vogel  eine  Feder  von  sich  anbietet,  durch  deren  Ver- 
brennung der  Prinz  ihn  jederzeit  herbeirufen  k(inne.  Der 
zweite  Teil  des  Märchens  erzählt  dann,  wie  derselbe  Prinz 
eine  menschenfressende  Katze  endlich  erlegt,  nachdem  er  vor- 
her verschiedene  andre  Tiere,  die  er  dafür  gehalten,  (Hund, 
Zibethkatze,  Zebra.  Nashorn.  Elefant)  get(idtet  hat.  Die 
beiden  Teile  des  M.  stehen  in  gar  keinem  Zusammenhang; 
wahrscheinlich  bestand  ein  solcher  früher  dadurch,  dass  der 
Prinz  im  zweiten  Teil  jenen  Vogel  durch  Verbrennung  der 
Feder  herbeirief,  um  sich  von  ihm  irgendwie  helfen  zu  lassen. 
Zu  dem  ersten  Teile  vgl.  man  den  Anfang  der  von  mir  zu 
Gonzenbach  Nr,  64  zusammengestellten  Märchen,  —  Goso, 
the  Teacher  (S.  ■JS7).  Die  Schüler  des  Goso,  deren  herab- 
gefallene Frucht  eines  Kalabassen -Baumes  erschlagen  hatte, 
suchen  den.  der  jene  Frucht  herabgeworfen.  Zuerst  ergreifen  1660 
sie  den  Südwind  und  beschuldigen  ihn,  aber  der  Südwind  sagt: 
,.lf  l  was  the  chief,  should  1  be  stopped  by  a  mud  wall?" 
Sie  wenden  si6  han  die  Lehmwand,  aber  diese  weist  sie  an 
die  Ratte,  die  Ratte  an  die  Katze,  die  Katze  an  den  Strick, 
der  Strick  an  das  Messer,  das  Messer  an  das  Feuer,  das 
Feuer  an  das  Wasser,  das  Wasser  an  den  Ochsen,  der  Ochse 
an  die  Zecke,  die  Zecke  im  die  Gazelle,  welche  letztere  in 
der  That  die  Frucht  herabgestossen  hatte.  Indem  die  Schüler 
jeden  neuen  Angeschuldigten  anreden  und  dabei  immer  mit 
denselben  Worten  die  Reihe  der  vorher  Angeschuldigten  auf- 
zählen, sagen  sie  endlich  zur  Gazelle:  „You  are  the  gazelle 
which  eats  the  tick,  and  the  tick  sti(-ks  to  the  ox,  and  the  ox 
driiiks  de  water  aiul  the  water  puts  out  the  fire,  and  the  fire  con- 
sumes  the  knife,  and  the  knife  cuts  the  rope,  and  the  rope  ties 
thecat,  and  the  cat  eats  the  rat,  and  the  ratbores  through  the  mud 
wall,  and  the  mud  wall  stops  the  south  wind,  and  the  south 
wind   threw    down    the    calabash,    and   it   Struck   our  teacher 


,")|g  Zur  irärclioiit'orscluuig. 

(loso:  von  should  not  do  it."  —  Tlie  gazelle  held  its  tongiie, 
without  saying  a  word.  And  thev  said:  „This  is  the  one  that 
tlirew  down  the  calabash,  and  it  strnck  our  teaclier  Goso, 
and  we  will  kill  him."  And  tliey  took  the  gazelle  and  they 
killed  it.  —  Steere  sagt  S.  YIIl  der  Vorrede:  Goso  the  Teacher 
is  absnrdly  after  the  pattern  of  the  Honse  that  Jack  bnilt. 
Deutsche  Leser  werden  an  den  bekannten  Spruch  vom  Herren, 
di'r  den  Jokel  (däkek  .lochen)  ausschickt,  denken.  Dieser 
und  ähnliche  in  Deutschland  und  ganz  Europa  verbreitete 
Sprüche  scheinen  bekanntlich  einem  jüdischen  Osterlied  zu 
entstammen  (s.  meinen  Aufsatz  in  der  Germania  5,  4(53  tif".). 
16(31  Die  Reihe:  |  Feuer.  Wasser,  Ochse,  kommen  wie  im  Suaheli-M. 
so  schon  im  jüdischen  Osterliede  und  in  vielen  der  Nachbil- 
dungen vor.  In  Bezug  auf  die  Aufeinanderfolge:  Wind, 
Lehmwand,  Maus,  vergleiclie  man  das  imlische  Märchen  von 
der  in  ein  Mädchen  verwandelten  Maus  (Benfey  Pantschat, 
L  o7/i  ff..  -2,  2()"2  ttV),  wo  Wind.  Berg,  Maus  auf  einander 
folgen.  In  der  französisclien  Fassung  dieses  Märchens  bei 
Marie  de  France  Fable  H4  ist  an  die  Stelle  des  Berges  ein 
steinerner  Turm  getreten,  und  in  der  altdeutschen  Umbildung 
des  Märchens  von  der  ^laus  in  das  von  dem  freienden  Kater 
(s.  Germania  2.  4X4)  haben  wir  die  Keilie:  Wind,  Steinhans, 
Maus.  Katze.  —  Seil  dear,  dont  seil  clieap  (S.  297). 
Diese  Erzählung  erinnert  an  die  von  mir  zu  Gonzenbach 
Nr.  50  [Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  (J,  KU]  zusammengestellten.  — 
The  Hare,  the  Hyaena,  an  the  Lion  (S.  297).  Auch  in 
diesem  Tiermärchen  erscheint  der  Hase  als  sehr  listig.  — 
The  Story  of  Hasseebu  Kareem  ed  Deeu  and  the  King 
of  the  Suakes  (S.  333).  Diesem  M.  liegt,  wie  auch  Steere 
p.  VI  der  Vorrede  erinnert,  ein  M.  der  lUOl  Nacht  zu  Grunde: 
Weils  Uebersetzung  4,  103.  Hammer- Zinserling  1,  301.  — 
The  Kites  and  the  Crows  (S.  3(i5).  Nach  der  indischen 
Fabel  von  dk^n  Eulen  und  dei-  Krälic  S.  Benfey  Pantschat.  1.  338. 
—  The  Hare  and  the  Lion  (S.  ,')71).  Abermals  vom  listigen 
Hast'u.  —  TheSj)irit  wlio  was  clieated  l)y  theSnItan's 
Sou  (S.  3S1).  Zum  ersten  Teil  v^l.  die  von  mir  im  Jahr- 
buch  für   romanische   Litteratur  s.    2.")()  ff",   [üben  S.  330]    zu- 


37.    Steere,  Swaliili   Tales.  ,j  1  y 

sjiinmeiigestellteii  M.  Im  Siialicli-M.  fehlt  das  Verbot  des 
Oettuens  des  einen  Zimmers.  Zum  Sclilnss,  wie  der  Dämon 
umkommt,  vgl.  Haltrich  Nr.  87.  Wuk  \r.  85,  Hylten-Cavallius 
Nr.  2,  Grimm  Nr.  15,  Peter  Volkstümliches  aus  Oestereichisch- 
Schlesien  2,  1G5,  {  Russwurm  Sagen  aus  Hapsal  Nr.  96.  Haupt  i662 
und  Sehmaler  Wendische  Volkslieder  2,  173.  Radloff  Proben 
der  Volkslitteratur  der  türkis(-hen  Stämme  Süd-Sibiriens  1, 
306,  Nr.  13.  [AVittstock,  Sagen  aus  dem  Nösner  Gelände  1860, 
S.  -25.     Godin  S.  3<;.     Ralston   ]>.   165,   16S.     Coelho  Nr.  28.] 

—  P)lessing  or  Property  (S.  393).  Eine  ganz  eigentüm- 
liche Gestaltung  des  M.  von  dem  ^lädchen  ohne  Hände 
(s.  darüber  meine  Anmerkung  zu  Gonzenbach  Nr.  2-1  [Bean- 
manoir,  Oeuvres  ed.  Suchier  1.  LXVj).  Wenn  im  Anfang  des 
M.  der  sterbende]  Vater  die  Kinder  fragt:  „Will  you  have 
blessing  or  property?'^  so  vgl.  Campbell  Populär  Tales  of 
the  West  Highlands  Nr.  13,  16  und  17  und  Chambers  Populär 
Ivhymes  of  Scotland,  3d  ed.,  S.  239,'  wo  Mütter  ihre  Kinder 
wählen  lass:^ii  zwischen  dem  grossen  oder  gaiizim  Kuchen 
mit  ihrem  Fluche  und  dem  kleinen  oder  halben  mit  ihrem 
Segen.  AVenu  im  Anfang  des  M.  das  Mädchen  von  dem 
Verleilien  ihres  Kochtopfes  und  Mörsers  lebt,  so  vgl.  den 
Anfang  von  Straparola  11,   1  und  Asbjörnseu  und  Moe  Nr.  28. 

—  The  Clieat  and  the  Porter  (S.  413).  Auch  dieser 
kurzen  Erzählung  liegt  nach  Steere  (p.  VI  der  Vorrede)  eine 
Erzählung  der  1001  Nacht  zu  (!ruude.  die  ich  jedoch  in 
Lanes  englischer  Uebersetzung  nicht  finde  und  <lie  ich  auch 
in  den  deutschen  Liebersetzungen  nicht  gefunden  habe.  — 
The  Ape.  the  Lion,  and  the  Snake  ( S.  425).  Eine 
Variante  des  bekannten  M.  von  den  dankbaren  Tieren  und 
dem  undankbaren  3Ienschen,  über  welches  Benfey  Pantschat.  1, 
192  ft".  gehandelt  hat.  Bemerkenswert  ist.  dass  das  Suaheli-M. 
mit  den  Gesta  Romauorum  c.  119  im  besondern  insofern 
übereinstimmt,  als  in  beiden  die  dankbaren  Tiere  dieselben 
sind.  —  T(»bacco  ( S.  415).  Die  einfältigen  Bewohner  v(m 
Pc Uli )a  essen  den  Tabak.  —  The  Lioness  and  tbe  Ante- 
lope  (S.  435).  Die  Antilope  hält  eine  Löwin,  die  sie  an- 
greift, da  I  durch  zurück,  dass  sie  ihr  zuruft:  Welcome  cousin!  iges 


520  ^111'  ^lärchenlorschung. 

—  Liongo  (S.  -441).  Sage  von  einem  starken  und  listigen 
Mann,  der  nur  getötet  werden  konnte  durch  einen  Stich 
mit  einer  kupfernen  Nadel  in  den  Nabel. 

S.  VII  der  Vorrede  erwähnt  Hr.  Steere,  dass  der  verstorbene 
langjährige  französische  Konsul  auf  Sansibar,  M.  Jablonsky, 
eine  grosse  Anzahl  Suaheli- Märchen  in  polnischer  Sprache 
aufgezeichnet  hatte.  Ob  diese  Sammlung  nocli  vorhanden 
ist,  sagt  Hr.  Steere  nicht.  Es  wäre  jedenfalls  sehr  schade, 
wenn  sie  der  AVissenschaft  verloren  wäre  oder  verloren  ginge. 


38.   Steele,  Kusa  Jataka^^a. 

An  Eastern  Love-Story.  Kusa  .lätakaya,  a  Buddhistic  Legend: 
rendered.  for  the  first  time,  into  English  verse.  from  the 
Sinhalese  Poem  of  Alagiyavanna  Mohottäla,  by  Thomas  Steele, 
Ceylon  Civil  Service.  London:  Trübner  and  Co..  (iO  Paternoster 
Row.   1871.    Xll  und  260  Seiten.    8^ 

(Göttintfer  gelehrte  Anzeigen  1872,   1205 — 1225.) 

1206  Das    uns   hier   in    englischer    Lebersetzung    vor-jliegende 

singhalesische  Gedicht  ist  von  Alagiyavanna,  der  als  einer 
der  besten  Dichter  Ceylons  gilt,  verfasst,  und  zwar,  wie  uns 
der  Dichter  selbst  im  Prolog  und  im  Epilog  des  Gedichts 
mitteilt,  im  Jahre  1532  der  Aera  König  Sakas  (d.  i.  im 
Jahre  1610  unserer  Zeitrechnung)  und  auf  Veranlassung 
Menikhamis.  der  Gemahlin  Attanayakas,  eines  vornehmen 
Singhalesen,  in  dessen  Diensten  der  Dichter  als  Sekretär 
(Mohottäla)  stand.  ,The  translation*  —  sagt  der  üebersetzer 
S.  IX  —  .reads  stanza  for  stanza  with  the  original,  which  con- 
sists  of  six  hundred  and  eighty-seven  stanzas  of  four  lines 
each,  all  four  rhyming  alike,  with,  not  unfre(juently,  double 
rhymes  in  the  middle  of  the  lines.  The  translation  is  in 
many  places  necessarily  freer.  Old  Ballad  Measure  has  been 
chosen  as  the  one  best   adapted  to   convey  the  spirit   of  the 


88.    Steele,  Kusa  Jatakaya.  r)21 

original,  and  as  affording  room  for  amplifying,  where  neees- 
.sary,  int«  iMiglisli  vei\se,  the  remarkable  eompression  wliicli 
occasionally  distinguishy  Sinhalese  poetry'.  Der  Inhalt  des 
Gedichtes,  welches  anf  dem  Ku(;a-Jätaka,  einer  jener  Pali- 
Legenden  über  die  550  frühern  p]xistenzen  Bnddhas,  bernht, 
ist  folgender:  In  der  Stadt  Knsavati  im  Lande  Malala  in 
Dambadiva  lebte  König  Okavas  mit  seiner  Gemahlin  Silavati 
lange  Zeit  kinderlos.  Endlich  verkündet  Sakra  (Indra)  der 
Kiiiiigin,  sie  werde  einen  hässlichen  nnd  versti'uidigen  nnd 
einen  schönen  nnd  tliörichten  Sohn  bekommen,  nnd  fragt 
sie,  welcher  der  Erstgeborne  sein  soll.  Die  Königin  erwidert, 
der  hässliche  nnd  verständige  solle  es  sein.  So  wird  znerst 
Kusa  —  eine  Verkörperung  Bnddhas  —  nnd  nach  ihm 
Jayanpati  geboren.  Herangewachsen  und  von  seinen  Eltern 
gedrängt,  sich  zu  vermählen,  nnd  anfangs  seiner  Hässlich-lkeit  1207 
wegen  widerstrel)end.  trägt  er  endlich  einem  geschickten 
Goldschmied  auf.  ein  goldenes  Franeubild  zn  verfertigen,  und 
verfertigt  gleichzeitig  selbst  ein  solches.  So  schön  das  Werk 
des  Goldsclimieds  ausfällt,  so  steht  es  der  von  Kusa  ver- 
fertigten Bildsäule  nach;  denn  diese  ist  so  schön  und  natür- 
lich, dass  der  Goldschmied,  als  er  sie  sieht,  nicht  in  das 
Gemach  zn  gehen  wagt,  da  er  glanbt,  die  Braut  des  König- 
sohns sei  darin.  Kusa  erklärt  nun  seiner  Mutter,  wenn  man 
eine  Königstochter  fände,  die  dem  von  ihm  verfertigten 
goldneu  Bilde  ganz  gleiche,  so  sei  er  bereit  sie  zn  heiraten. 
Alsbald  werden  die  Minister  mitsamt  der  goldenen  Statue 
ansgesandt.  In  allen  Städten  sollen  sie  die  Statue  an  öffent- 
lichen Plätzen  aufstellen  und  Acht  haben,  ob  man  nicht  beim 
Anblick  des  Kunstwerks  etwa  sage:  Die  und  die  Königs- 
tochter gleicht  diesem  Bilde.  Lange  ziehen  die  Minister  ver- 
geblich umher,  überall  hören  sie  nur.  wie  das  Volk  beim 
Anblick  der  Statue  sich  äussert,  nur  eine  (iöttin  könne  so 
schön  sein.  Endlich  kommen  sie  in  die  Stadt  Sagala  -  -  das 
ZdyynXa  der  Griechen,  bekannt  als  Residenz  des  Yavana- 
Königs  Melinda  (Menander),  140  v.  Chr..  wie  A.  Weber  in 
seiner  Anzeige  unseres  Buchs  im  Lit.  Centralbl.  D^Tl,  Nr.  31 
bemerkt.     Dort  residiert  Madu,  der  König  tles  Landes  Madu- 


522  ^^^''  ^JSrclienfurschung. 

rata,  Vater  von  acht  Töchtern,  deren  älteste  die  wunderschöne 
Prabavati  ist.  Die  Minister  haben  vor  Tagesanbruch  die 
Statue  in  der  Nähe  des  Köuigsschlosses  aufgestellt.  Bald 
nach  Sonnenaufgang  kommt  die  alte  Pflegerin  der  Prabavati 
mit  mehreren  Dienerinnen  ans  dem  Schloss,  nni  Wasser  zum 
Bad  der  Prinzessin  zu  holen.  Wie  die  Alte  die  goldene  Figur 
erblickt,  so  macht  sie.  in  der  Meinung,  es  sei  Prabavati.   ihr 

1208  hef-|tige  Vorwürfe,  dass  sie  ohne  ihr  Wissen  allein  den  Palast 
verlassen  habe,  und  giebt  ihr  zuletzt  einen  Schlag  anf  die 
Wange,  wobei  sie  denn  erkennt,  dass  sie  nicht  die  Prinzessin 
selbst,  sondern  nur  ein  ihr  ganz  gleiches  Bild  vor  sich  hat. 
So  haheji  endlich  die  (iesandten  die  gesnchte  Königstochter 
gefunden.  Sie  halten  alsbald  bei  dem  König  nni  ihre  Hand 
an,  und  die  Werbung  wird  angenommen.  Nachdem  sie  nach 
Kusavati  zurückgekehrt  und  deu  glücklichen  Erfolg  ihrer 
Sendung  gemeldet  haben,  reisen  bald  darauf  Kusas  Eltern 
nach  Sagala,  um  die  Braut  zu  holen.  Als  die  Königin  die 
Brant  sieht,  steigt  in  ihr  die  Befürchtung  auf,  die  s-chöiie 
Prabavati  werde,  wenn  sie  den  hässlichen  Kusa  sehe,  sich 
nicht  entschliesseu  können,  seine  (iemahlin  zu  werden.  Sie 
giebt  deshalb  vor.  in  ihrer  Familie  sei  es  alter  fester  Brautth, 
dass  die  Braut  dem  Bräutigam  vermählt  werde,  ohne  ihn  ge- 
sehen zu  ha  heu.  nnd  dass  das  vermählte  Paar  nur  im  Dunkel 
der  Nacht  bei  einander  sein  dürfe;  erst  wenn  die  junge  Frau 
sich  guter  Hoffnung  fühle,  höre  diese  Beschränkung  auf. 
Prabavati  ist  bereit,  sich  diesem  Brauch  zu  fügen,  und  reist 
mit  dem  Königspaar  nach  Kusavati.  Bald  nach  der  Vermäli- 
lung  dringt  Kusa,  dem  sein  Vater  die  Königsheri'schaft  bei 
seiner  Vermählung  überlassen  hat.  in  seine  Mutter,  ihm  de- 
legenheit  zu  verschaffen,  Prabavati  heimlicli  zu  sehen.  Die 
Königin  gestattet  ihm,  dass  er  sich  einmal  als  P^lephanten- 
wärter,  das  andere  Mal  als  Stallknecht  verkleidet  und  so  seine 
Gemahlin  seh(Mi  kann.  Prabavati,  welche  ebenfalls  ihren 
Gemalil  heindich  zu  sehen  wünscht,  wird  von  ihrer  Schwieger- 
mutter getäuscht,  indem  ihr  sclniner  Schwager  ihr  gezeigt 
wii'd.     Eines   Tagt\s   aber,    als    Prabavati   in    den    Lustgärten  | 

l2o;i  herumwaiidclt.  giebt  Kusa.  der  sich  vei'steckt  hat.  sich  ihr  zu 


:^f^.    Steelo,   Kusa  JiitaUava.  523 

erk<^'mieii.  Entsetzt  üher  seine  Hässli(,'likeit.  erklärt  Prabavati. 
seine  (iemaliliu  nicht  bleiben  zu  kiinnen.  und  kehrt  zu  ihren 
KItcru  zurück.  KTuiii;-  Kusa  konnte  die  Entferuung  seiner 
(ieniahlin  nicht  ertragen  und  folgte  ihr  bakl  nach  Sagala. 
Dort  trat  er  zuerst  als  Spielmann,  als  Töpfer,  als  Kranz- 
flechter  auf.  ohne  Prabavati  sehen  zu  können,  endlich  ward 
er  Gehilfe  des  königlichen  Kochs  und  faud  als  solcher  Ge- 
legenheit, sie  wiederiiolt  zu  sehen  und  zu  sprechen,  aber  es 
gelang  ihm  nicht,  auch  nur  ein  freundliches  Wort  von  ihr  zu 
erhalten,  vielmehr  erklärte  sie  immer  wieder  von  neuem,  er 
sei  zu  hässlich.  als  da.ss  sie  mit  ihm  leben  könne.  So  ver- 
gingen sieben  Monate,  und  Kusa  war  im  Begriff,  wieder  heim 
zu  kehren,  da  naht  göttliche  Hilfe.  Der  Götterkönig  Sakra 
veranstaltete  es,  dass  sieben  Nachbarkönige  falsche  Briefe  er- 
hielten, in  denen  König  Madn  jedem  von  ihnen  seine  Tochter 
Prabavati  zur  Gemalilin  anbietet.  Die  sieben  Könige  machen 
sich  alsbald  —  jeder  mit  einem  gewaltigen  Heere  —  auf,  die 
Braut  zu  holen.  König  Madu  weiss  kein  anderes  Mittel,  alle 
sieben  Könige,  die  mit  Krieg  drohen,  zufrieden  zu  stellen,  als 
wenn  er  Prabavati  in  sieben  gleiche  Stücke  zerschneiden  lässt 
und  jedem  Ki'inig  ein  Stück  giebt.  Schon  werden  hierzu  An- 
stalten getroffen,  da  entdeckt  Prabavati  ihrer  Mutter  die  An- 
wesenheit Kusas.  Als  Kömig  Madu  dies  erfährt,  erweist  er 
sofort  seinem  Schwiegersohn  die  gebührenden  Eliren,  und 
Prabavati  erfleht  von  ihrem  Gemahl  Verzeihnng  und  Kettung. 
Kusa  verzeiht  der  reuigen  Gemahlin  und  bloss  durch  drei- 
maliges Rufen,  er  sei  König  Kusa  —  welches  Rufen  freilich 
wie  hunderttausend  Donner  klang  —  jagte  ]  er  die  sieben  1210 
fleere  in  die  Flucht  und  nahm  die  Könige  gefangen.  Kraft 
eines  wunderbaren  Edelsteins,  den  der  (iöttterkruiig  dem 
Sieger  um  den  Hals  hängt,  wird  Kusas  Hässlichkeit  in  gött- 
liche Schönheit  verwandelt.  Nachdem  Kusa  die  sieben  Könige 
und  die  sieben  Schwestern  Prabavatis  mit  einander  vermählt 
hat.  kehrt  er  mit  der  nun  glücklichen  Prabavati  in  sein  Reich 
zurück. 

Dies    ist   die    Geschichte  Kusas    und  Prabavatis.    wie    sie 
das  sinuhalesische  Gedicht  erzählt.     Gedenken  wir  aber  auch 


524  '^^^^'  ^iärchenforschung. 

noch  der  die  Geschichte  einfassenden  Rahmenerzählung  (Str. 
22 — 79  und  (579 — 684)  und  der  in  Str.  380 — 356  enthaltenen 
Episode  über  eine  frühere  Existenz  Kusas  und  Prahavatis. 
Nach  der  Rahmenerzählung  hat  Buddha  selbst,  vom  Himmel 
hernieder  gestiegen,  den  Mönchen  eines  berühmten  buddhis- 
tischen Klosters  die  Geschichte  Kusas  erzählt,  und  zwar  um 
einen  Mönch  dieses  Klosters,  der  sich  von  Frauenliebe  hatte 
überwältigen  lassen,  dadurch  zu  entschuldigen,  dass  also  auch 
Buddha  selbst  in  einer  früheren  Geburt  leidenschaftlich  ge- 
liel)t  habe.  Kusa  aber  und  Prabavati  waren,  wie  die  er- 
wähnte Episode  erzählt,  in  einem  früheren  Leiten  Schwager 
und  Schwägerin  in  einem  Dorfe  gewesen.  Einst  hatte  die 
Schwägerin  die  für  ihren  Schwager  bestimmten  Reiskuchen 
einem  Itettelnden  Pasemuni  (eine  Art  heiliger  Asceten)  als 
Almosen  geschenkt,  der  zurü<'kgekehrte  Schwager  aber  war 
ihm  nachgeeilt  und  hatte  sie  ihm  wieder  abgenommen.  Die 
Schwägerin  war  darüber  sehr  betrübt  und  brachte  dem  Mönch 
einen  Krug  voll  frischer  geklärter  Butter.  Aber  auch  der 
Schwager  bereute  sein  Benehmen  und  gab  dem  Pasemuni  die 
1211  Reiskuchen  zurück.  Zum  Lohn  für  diese  letztere  Gutthat 
wurde  er  als  Königssohn  Kusa  wiedergeboren,  aber  zur  Strafe 
für  die  vorausgegangene  Uebelthat  mit  Hässlichkeit  begabt. 
Die  Schwägerin  wurde  als  Prabavati  wiedergeboren. 

Weder  der  englische  Lebersetzer  des  Kusa  Jatakaya. 
noch  die  Gelehrten,  die  bisher  seine  Cebersetzung  öffentlich 
besprochen  haben  —  ich  meine  Albrecht  Weber  im  Litte- 
rarischen Centralblatt  1871,  Nr.  31,  Leon  Feer  in  der  Aca- 
demy  1S71,  Nr.  33  und  in  der  Revue  critique  187'i,  Nr.  1, 
Felix  Liebrecht  in  den  Heidelberger  Jahrbüchern  187-2,  Nr.  14 
—  haben  bemerkt,  dass  es  eine  tibetische  Variante  der 
Kusa-Legcnde  giebt.  Sie  hndet  sich  in  dem  von  Isaak  -lacob 
Schmidt  im  Original  und  mit  Uebersetznng  herausgegeben 
tibetischen  Werk  ,Dsauglun.  oder  der  Weise  und  der  Thor' 
(St.  Petersburg  1843)  im  13.  Kai)itel  (S.  91  ff.  der  ueber- 
setznng). [Aus  dem  Kandjur  ist  eine  andre  tibetische  Version 
übersetzt  bei  Schiefner,  Awar.  Texte  1873  S.  XLVI  =  Ralston, 
Til)etan  Tales  1882  no.  2  ,Kusa  dataka\]     Hiernach  herrschte 


38.    Steele,  Kusa  Jatakaya.  5-25 

eilist  ein  König  Maliäscliakuli  in  Dscliaml)U(lvi|).  l^r  hatte 
keinen  Soliii,  was  ilini  vielen  Knmmer  inaelite.  Da  erbarmte 
sich  endlich  Dschadschiii,  der  Kehcrrscher  der  (ITitter.  seiner 
lind  brachte  ihm.  als  Arzt  verkleidet,  vielerlei  im  Schnee- 
gebirge gesammelte  Arzneien,  welche  in  ^lilch  gekocht,  von 
den  Gemahlinnen  des  KTtnigs  genossen  werden  sollten.  Die 
Nebengemahliimen  nahmen  die  Arznei,  aber  die  Hanptge- 
mahlin,  welcher  der  Geruch  der  Arznei  nnangenehm  war  nnd 
welche  keinen  Glanben  daran  hatte,  verschmähte  sie.  Bald 
daranf  fühlten  sich  die  Nebengemalilinnen  schwanger.  Da 
sich  noch  der  Bodensatz  der  Arznei  vorfand,  so  Hess  ihn  die 
Hanptgemalilin  schnell  anfkochen  nnd  trank  ihn,  woranf  auch 
sie  bald  schw^anger  wnrde.  Die  Xel»eugemahlinuen  gebaren 
nnn  am  Ende  ihrer  Monate  jede  einen  |  Sohn  von  grosser  1212 
Schönheit,  und  endlich  gebar  anch  die  Hanptgemahlin  einen 
Sohn,  aber  von  solcher  Hässlichkeit,  dass  er  Dongdnm  (Holz- 
klotz) genannt  wurde.  Als  die  Prinzen  herangewachsen 
waren,  verheirateten  sie  sicli,  nur  Prinz  Dongdnm  inclit.  Nach 
einiger  Zeit  grift"  ein  benachbarter  König  das  Reich  an  und 
schlug  die  Brüder  Dongdums  mit  ihrem  Heer  in  die  Fhudit, 
da  zog  Dongdnm  allein,  nur  mit  der  Trompete  und  dem 
Bogen  seines  Grossvaters  versehen,  dem  Feind  entgegen  nnd 
sobald  er  in  die  Trompete  blies,  deren  Ton  donnergleich  war, 
Hob  der  Feind.  Wegen  dieses  Sieges  fassten  der  KTmig  und 
die  Königin  erst  Zuneigung  zu  ihrem  Sohn  und  beschlossen 
auch  ihn  zu  verheiraten.  Der  KTtnig  Hess  für  ihn  um  die 
schöne  Tochter  des  Königs  Lischiwatscha  werben,  wobei  einer 
seiner  schönen  Söhne  für  Dongdnm  ausgegeben  wnrde.  Die 
Werbung  wurde  angenommen,  und  die  Braut  feierlich  von 
dem  Schwiegervater  eingeholt.  Prinz  Dongdnm  aber  durfte 
sich  ihr  nicht  bei  Tage  zeigen,  sondern  nur  die  Nächte  bei 
ihr  zubringen.  Nach  einiger  Zeit  unterhielt  sich  Dongdums 
(Jemahlin  mit  ihren  Schwägerinnen  und  rühmte  die  Tapfer- 
keit und  Stärke  ihres  Gemahls  und  die  Zartheit  seiner  Haut. 
Da  erwiderten  die  Schwägerinnen,  ihr  Mann  sei  äusserst  häss- 
lich  und  einem  Holzklotz  gleich.  In  der  folgenden  Nacht 
zündete  Dongdums  Gemahlin,   als   er  eingeschlafen  war,  eine 


52H  "^^^i"  ^liii'clienforsclumg. 

Lampe  an,  und  als  sie  nun  seine  Hässliclikeit  sah,  entsetzte 
sie  sich  und  Üoh  auf  der  Stelle  zurück  in  ihr  Vaterland. 
Als  Prinz  Dongdum  dies  am  Morgen  erfuhr,  folgte  er  in  ihr 
Vaterland  nach.  Während  er  sich  dort  —  wie  es  scheint, 
incognito  —  aufhielt,  kamen  sechs  Könige  mit  ihren  Heeren, 

1218  und  jeder  ver-jlangte  die  Tochter  des  Kfinigs  Lischiwatscha 
zur  (lemahlin.  König  Lischiwatscha  hielt  Rat  mit  seinen 
Ministern,  und  einer  schlug  vor,  die  Prinzessin  in  sechs  Stücke 
zu  zerhauen  und  jedem  der  Könige  eins  zu  geben,  ein  andrer 
aber  meinte,  der  König  solle  bekannt  machen,  wer  die  sechs 
Könige  besiege,  solle  die  Hand  der  Prinzessin  und  die  Hälfte 
des  Reichs  erhalten.  Lischiwatscha  folgte  dem  letzteren  Vor- 
schlag. Als  die  öffentliche  Bekanntmachung  geschehen  war, 
zog  Prinz  Dongdum  mit  seinem  Bogen  und  seiner  Trompete 
den  sechs  Königen  entgegen.  Beim  blossen  Klang  der  Bogen- 
sehne und  der  Trompete  waren  die  feindlichen  Heere  vor 
Schreck  gelähmt,  worauf  Dongdum  den  sechs  Königen  die 
Köpfe  abschnitt,  ihre  Heere  aber  in  seine  Dienste  nahm.  So 
erhielt  Dongdum  KTmig  Lischiwatschas  Tochter  zum  zweiten 
Mal  zur  (lemahlin  und  kehrte  mit  ihr  in  sein  Land  zurück. 
Auf  sein  Befragen,  warum  sie  ihn  verlassen,  erklärte  sie,  sie 
habe  es  gethan,  weil  er  so  überaus  hässlich  sei,  und  sie  ge- 
glaubt habe,  er  sei  kein  Mensch.  Der  Prinz  nahm  einen 
Spiegel,  und  als  er  seine  Hässlickkeit  gesehen  hatte,  ging  er 
in  einen  Hain  und  wollte  sich  töten.  Da  erschien  ihm 
Dschadschin.  der  Beherrscher  der  (iötter,  und  gab  ihm  einoi 
Schönheit  verleihenden  Talisman,  den  er  beständig  an  seinem 
Scheitel  tragen  sollte.  Als  Dongdum  in  seinen  Palast  zurück- 
gekehrt war,  erkannte  ihn  natürlich  seine  (iemahlin  nicht,  er 
bewies  ihr  aber,  durch  Ab-  und  Wi(b'ranlegen  des  Talismaus, 
dass  er  wirklich  Dongdum  sei.  und  beide  lebten  nun  in  Ein- 
tracht. Der  Name  Dongduni  wurde  aber  in  der  -Folge  in 
Siilaschan  (skr.  Sulötschana?)  verwandelt. 

1214  Diese     (leschichte    des     Prinzen    L)ongdum    er-, zählt     im 

Dsangluii  Luddha  dem  König  Sugtschan  njiugpo,  in  dessen 
Gegenwart  er  vorher  sechs  Irrlehrer  besiegt  hatte,  und  er- 
klärt ihm,  die  sechs  Irrlehrer  seien  früher  jene  sechs  Könige 


B!S.    Öteele,   Kusu    J;itak;»ya.  527 

und  er  selbst  Prinz  Dongdum  gewesen.  Auf  die  Frage  des 
Königs,  dureli  welche  früher  begangene  Handlung  Dongdum 
so  gross  und  mächtig  und  doch  dabei  so  hässlich  geworden 
sei,  antwortet  Buddha,  Dongdum  und  seine  (iemahliii  seien 
in  einem  früheren  Leben  ein  (»elmüller  niul  seine  Frau  ge- 
wesen. Der  Oelmüller  habe  einst  einem  an  l'nterleibsbe- 
schwerden  leidenden  und  deshalb  um  <  »el  bittenden  heiligen 
Anachoreteu  unter  Schmähworten  nur  den  Abfall  von  Gel 
gegeben,  die  dazu  gekommene  Frau  al)er  habe  dies  wieder 
gut  gemacht,  indem  sie  dem  Heiligen  gutes  Oel  gab  und 
auch  in  ihrem  Manne  Reue  erweckte,  sodass  fortan  der 
Heilige  das  ihm  nötige  Oel  von  ihm  erhielt.  AVeil  der  Oel- 
müller den  Heiligen  geschmäht  und  ihm  den  Abfall  von  Gel 
gegeben,  ward  er  als  sehr  hässlich  wieder  geboren,  weil  er 
dies  Benehmen  aber  alsbald  bereut  und  gutes  Oel  geschenkt 
hatte,  ward  er  als  Königssohn  wiedergeboren,  wie  seine  Frau 
für  ihre  Outthat  und  Ehrfurcht  gegen  den  Heiligen  als  Königs- 
ttichter. 

Da  (las  Kusa-dataka  noch  nicht  herausgegeben  oder 
übersetzt,  iidch  auch  nur  auszugsweise  Ijekannt  gemacht  ist, 
so  k(innen  wir  nicht  be|iau[)ten,  aber  wir  dürfen  für  walir- 
scheinlich  halten,  dass  der  singhalesische  Dichter  an  der  Kr- 
zählung  selbst  nichts  oder  wenig  geändert  haben  wird.  Wenn 
die  tibetische  Erzählung  auch  aus  dem  Kusa-Jataka  her- 
stammt, so  hätte  letzteres  (hinn  freilicli  im  Tibetischen  nicht 
unbedeutende  Veränderungen  erfahren.  Es  ist  aber  wcdil 
auch  nniglich,  dass  das  Kusa-Jataka  |  und  die  tibetische  Er-  1215 
Zählung  unabhängig  von  einander  aus  einer  gemeinsamen 
Quelle  geflossen  sind. 

S.  198  erzählt  der  englische  Lebersetzer  gelegentlich  in 
eim^r  Anmerkung,  der  König  Bhuw'aneka  Bahn  VH.  von  Ceylon 
(1534 — 42)  habe  eine  goldene  Statue  seines  Adoptivsohns 
mit  einer  Gesandtschaft  nach  Lissabon  geschickt,  um  die 
Hilfe  der  Poi-tugiesen  zu  erbitten,  der  Prinz  sei  in  Lissal»on 
in  eftigie  getauft  worden,  und  die  (iesandtschaft  mit  portu- 
giesischen Hilfstruppen  nach  Ceylon  zurückgekehrt.  Wenn 
dazu  aber  Herr  Steele  bemerkt :    .The  sending  of  the  golden 


^^S  ^'^"'  Märclienforscliung. 

statiie  t(»  Europe  may  have  siiggested  one  of  the  maiii  iiicideuts 
<if  th'iM  poem-,  so  irrt  er  ganz  gewiss.  Icli  zweiHe  kaum,  dass 
alles,  was  von  der  goldenen  Statue  in  dem  (iedicht  erzählt 
wird,  sich  sclion  im  Kusa-Jataka  vorfindet;  sollte  dies  aber 
nicht  der  Fall  sein,  so  wird  Alagiyavanna  aus  andern  älteren 
Dichtungen  geschöpft  haben.  [Bild  einer  gesuchten  Braut  in 
Schiefner,  Ind.  Erz,  Mel.  asiat.  8,  303  =  Ralston,  Tibetan  Tales 
p.  191. j  Sehr  merkwürdig  stimmt  in  Bezug  auf  die  Statue 
und  was  damit  zusammenhängt  mit  uuserm  Gedicht  eine  Er- 
zählung übereiu,  die  uns  bis  jetzt  nur  in  dem  altfranzösichen 
Dolopathos  vorliegt,  hoffentlich  aber  bald  auch  durch  Oesterley 
im  lateinischen  Original  verliegen  wird.  Im  Dolopathos  (V. 
10224  ff'.)  lässt  nämlich  ein  junger  Römer,  der  keine  Lust 
zum  Heiraten  hat,  um  dem  ewigen  Zureden  seiner  Ver- 
wandten und  Freunde  ein  Ende  zu  machen,  von  einem  Bild- 
hauer ein  sehr  schönes  Frauenbild  verfertigen  und  erklärt, 
nur  diejenige  zur  Frau  nehmen  zu  wollen,  die  dem  Bilde 
gleiche.  Er  stellte  hierauf  das  Bild  auf  einem  Pfeiler  vor 
seinem  Hause  auf.  Eines  Tages  kamen  Fremde  vorbei,  aber 
als  sie  das  Bild  sahen,  blieben  sie  stehen,  verneigten  sich 
1216  vor  1  demselben  und  grüssten  es  ehrerbietig.  Auf  Befragen 
des  jungen  Römers,  der  alles  gesehen,  erklärten  die  Fremden, 
das  Bild  sei  einer  Dame  in  Griechenland,  der  sie  für  er- 
wiesene Wohlthaten  zu  grossem  Danke  verpilichtet  seien, 
ganz  ähnlich,  und  deshalb  hätten  sie  es  so  ehrerbietig  ge- 
grüsst.  Vielleicht  hielten  ursprünglich  in  einer  älteren  Fassung 
dieser  Erzählung  die  Fremden  das  Bild,  durch  dessen  Na- 
türlichkeit getäuscht,  für  die  griechische  Dame  selbst  und 
grüssten  es  deshall). 

Wie  Herr  Steele  sagt,  wird  Alagiyavanna  von  seinen 
Landleuten  als  einer  ihrer  ausgezeichnetsten  Dichter  auge- 
sehen. Auch  wir,  die  wir  nur  nach  der  üebersetzung  ur- 
teilen können,  können  nicht  verkennen,  dass  wir  einen  Dichter 
von  Empfindung  und  Phantasie  vor  uns  haben,  der  anschau- 
lich und  lebendig  zu  erzählen  und  glänzend  und  farbenreich 
zu  schildern  versteht,  freilich  zuweilen  aber  auch  breit  und 
schwülsti«--  wird. 


38.    Bteele,  Kusa  Jatakaya.  529 

Die  der  Uebersetzuiii;  nachfolgenden  erlänternden  Noten 
(S.  193 — "231)  werden  vielen  Lesern  gleich  dem  Referenten 
ganz  willkommen  sein,  wenn  sie  ancli  für  den  gründlichen 
Kenner  nichts  Nenes  bieten  mögen.  Zn  zwei  Stellen  ver- 
misst  Referent    eine    erUuiternde   Note.     Wir  lesen   Str.  128 : 

Thus  w'hen  that  fair-eyeil  ladv  sore  aft'liction's  fire  endured, 
The  fflory  of  her  worth   and  grace  erelong  relief  procured: 
The  king  of  Gods'  cohl,  roeky  throne  gkiwed  bright  with  sudden 

heat, 
And  red  as  redhot  iron  bhides,  so  hot  becanie  the  seat. 

129:  1217 

As  Sakra  with  his  tliousand  eyes  gazed  over  every  land, 
The    hapless    Queen,     witli     lieart    distraught,    he    saw    dejected 

stand,  u.  s.  w. 

Und  später  St.  528 : 

By  virtue  of  King  Kusa's  worth  and  high  desert  —  the  Lord 
Who  praotised  ten  high   attributes,  required  of  One  adored, 
And  who,  as  Buddha,  afterwards  brought  heavenly  joy  to  nien  — 
Through  his   desert  tlie  rocky   seat  of  Sakra  gb)wed   again. 

529 : 

Then  Sakra,  with  his  thousand  eyes,  his  thousand  eyes  divine, 
Looked   fortli  upon  the    world  of  nien    with    eountenance    benign. 
And  saw  the  Lordly  One   worn-out  with  weariness  and  eare, 
At  not  abtaining  his  behned,  sweet  Prabavati  fair. 

Der  in  diesen  Strophen,  die  zngleich  als  Probe  der  eng- 
lischen Uebersetzung  dienen  mögen,  sich  zeigende  (ilaube, 
dass  der  kalte  Felsensitz  des  Götterkönigs  Sakra  oder  Indra 
plötzlich  glühend  heiss  wird,  wenn  treftliche  Menschen  leiden, 
hätte  wohl  eine  Anmerknng  verdient.  In  einer  bnddhistischen 
Legende,  welche  Fr.  Spiegel  in  seinen  Anecdota  Palica  1. 
13  ff.  im  Original  und  in  üel)ersetzung  bekannt  gemacht 
hat,  findet  sich  folgende  entsprechende  Stelle  (S.  44  f.) 
[Bastian,  Die  Völker  des  östlichen  Asien,  1.  434]:  ,Als  Kfiuig 
Dhamraasodhaka,  (der  das  (lesetz  Buddhas  sucht),  sein  schönes 
Reich  den  Räten  überlassen  hatte,  so  ging  er  in  den  AVald 
das  vortreffliche  Gesetz  suchend.  |  In  dem  Augenblicke  aber,  1218 
als  er  in  den  Wald  ging,    zeigte   sich  durch    die   Büsserkraft 

R.  Kühler,  Kl.  Schriften  I.  34 


^30  ^^'^'  ^liii'L'lienfüi'sc'himg. 

des  Erhabenen  der  Sitz  Indras  glühend.  Da  dachte  der 
Götterkünig:  Wahrlieh  mein  Marmor.sitz  ist  heiss  geworden, 
was  ist  denn  wohl  die  Ursache?  Als  der  Götterkönig  auf 
die  AVeit  sah,  erblickte  er  den  grossen  König  Dhannnaso- 
dhaka,  der  ganz  Indien  durchsucht  und  keinen  Gesetzlehrer 
gefunden  hatte,  in  dem  Zustande  eines  in  den  Wald  ge- 
gangenen^  Auch  hier  tritt  nun  Indra  wie  in  den  beiden 
Stellen  unsres  Gedichts  helfend  ein.  Spiegel  bemerkt  dazu 
S.  67:  .Bekanntlich  nehmen  die  Brahmanen  gleichfalls  eine 
Rückwirkung  der  starken  Busse  auf  ludra  an.  Im  Buddhis- 
mus hat  sich  jedoch,  wie  man  sieht,  die  Sache  etwas  anders 
gestaltet". 

Den  ,Notes'  hat  Herr  Steele  noch  drei  wertvolle  Zugaben 
folgen  lassen,  zunächst  S.  232 — 40  einige  interessante  Mit- 
teilungen unter  dem  Titel  ,Buddhistic  and  otlier  remains  in 
Hambantota  District'.  Dieser  District,  in  welchem  der  Verf. 
Verwaltungsbeamter  ist,  liegt  im  südlichen  Teile  Ceylons. 
Nach  örtlicher  Ueberlieferung  war  diese  Gegend  ehemals  so 
diclit  bevölkert,  dass  ein  Eiciihörnclien  von  einem  Haustirsi 
zum  andern  springend,  ohne  den  Erdboden  zu  berühren,  von 
Mägama,  der  Hauptstadt  des  Districts,  bis  Anurädha})ara  im 
Norden  der  Insel  gelangen  koinite.  Geradeso  pflegte  man 
bei  uns  von  einem  grossen  Walde  zu  sagen:  das  Eichhorn 
springe  Meilen  lang  über  die  Eichen  fort.  S.  das  (irimmsche 
Wörterbuch  H,  Sl. 

Die  zweite  Zugabe,  S.  241 — 4(1,  sind  zwanzig  in  eng- 
lische gereimte  Verse  verschiedener  Art  übersetzte  sin- 
ghalesisclie  Epigramme,  welche  dem  ,Pratyasataka'  (Century 
of  Maxims),  einer  Anthologie  aus  verschiedenen  Dichtern, 
1219  eütnom-|men  sind.  ,When,  or  by  wbom'  —  sagt  Herr  Steele  — 
,tl]is  anthology  was  compiled,  is  not  known.  It  bears  evidence 
of  borrowing  from  tlie  Hitopadesa'. 

Die  dritte  Zugabe  endlich,  S.  247 — r)7,  bilden  vierzehn 
,Siiilial('se  Stories^,  von  denen  leider  nicht  gesagt  ist, 
ob  sie  Büchern  oder  mündlicher  Ueberlieferung  entnommen 
sind.  Die  erste  Geschichte  How  to  restore  speech 
to  a  dumb'  (S.    247)    ist   eine    Variante    des    Märchens    von 


aS.    SttH'lc,   Kusa   Jatakaya.  531 

der  sclnveigsaiiu'ii  Xaniii-Dnkiiii  iiiid  von  der  lebendig  ge- 
wordenen liölzernen  Frau  im  mongolischen  Ards(dii-nordschi 
(S.  9U  der  Üehersetzung  von  Jülg).  —  Die  zweite  (Jescliichte 
•Tlie  Pandit  and  tlie  She-Fieud-  (S.  "248),  sclnm  in  den 
, Notes'  (S.  '21 -S)  etwas  kürzer  aus  den  datakas  erzählt,  hat 
folgenden  Inhalt.  Eine  Yakinni  (d.  i.  eine  hexenartige, 
menschenfressende  Frau,  vgl.  auch  A.  Webers  Indische  Skizzen 
S.  111)  hat  einer  badenden  Frau  ihr  Kind  geraubt,  wird 
aber  von  der  Mutter  eingeholt,  und  beide  begeben  sich  zn 
lUiddha,  der  damals  gerade  als  ein  Pgrosser  andit  auf  P^rden 
weilte,  und  jede  der  Frauen  erhebt  Ansprüche  auf  das  Kind 
als  auf  das  ihre.  Buddha,  der  die  Yakinni  gleich  an  ihren 
roten  und  nicht  zwinkernden  Augen  erkennt,  zieht  eine  Linie 
auf  dem  Boden  und  stellt  die  Yakinni  auf  die  eine,  die 
Mutter  auf  die  andere  Seite.  Dann  muss  die  erstere  das 
Kind  an  den  Beinen,  die  letztere  es  an  den  Armen  fassen, 
und  beide  sollen  nun  so  das  Kind  über  die  Linie  zu  sich  zu 
ziehen  siudien.  uml  diejenige,  der  dies  zuerst  gelingt,  soll 
als  die  Mutter  anerkannt  werden.  Die  wirkliche  Mutter  wird 
dann  daran  erkannt,  dass  sie  dem  Kinde  durch  das  Ansich- 
reissen  Schmerz  und  Schaden  anzuthun  fürchtet.  [Benfey, 
Ein  Teil  des  mongol.  Ardschi-B.  und  Stücke  des  Pantschat. 
in  Singhalesischen  —  (iött.  Nachrichten  1873,  S.  404 — 407 
=  Kleinere  Schriften  3.2;)2].  —  Diese  (leschiclite,  bei  der  \ 
natürlich  jeder  Leser,  glei(,-h  Herrn  Steele  (S.  218),  sofort  122(]» 
an  das  Urteil  Salomos  im  ersten  Buch  der  K(inige  3, 
IC)  fi".  denkt,  wird  fast  ganz  übereinstimmend,  aber  kürzer 
im  tibetischen  Dsanglun  (S.  344  der  Schmidtschen  Ceber- 
setzung)  also  erzählt:  ,Es  waren  aber  ausserdem  noch  zwei 
AVeiber  da,  welche  si(di  um  einen  Knaben  stritten,  deren 
Recht  der  König  Dseipa  (eine  Verkörperung  Buddhas)  in 
scharfsinniger  Weise  erkannte,  indem  er  den  beiden  Weibern 
l)efald:  „Jede  von  euch  beiden  fasse  (bis  Kind  an  einer  Hand 
und  ziehe  es  an  sich  !  Welche  es  bemeistert,  die  soll  es  (als 
ihr  eigenes)  mitnehmen".  Demgemäss  zerrte  diejenige,  welche 
nicht  Mutter  des  Kindes  war.  dasselbe  ohne  Mitleid  und  ohne 
Besorgnis  ihm  Schaden  zuzufügen    mit  aller  Gewalt   an  sich, 

:!4* 


532  ^ui'  Märcheiifor«cliung. 

wogegeu  die  wahre  Mutter,  obgleich  sie  stärker  war,  —  (in 
der  singhalesischen  Erzählung  ist  die  Yakinni  die  stärkere) 
—  aus  Liebe  zum  Kinde  und  um  ihm  nicht  zu  schaden,  nur 
schwach  zog.  Der  König  erkannte  alsbald  (die  Wahrheit) 
und  sprach  zu  der  Frau,  die  heftig  gezogen  hatte:  „Es  ist 
nicht  dein,  sondern  das  Kind  der  andern:  gestehe  es  ehrlich"! 
worauf  das  Weib,  welches  sachte  gezogen  hatte,  das  Kind 
als  ihren  Solm  mitnahm'.  —  In  einem  andern  tibetischen, 
ebenfalls  aus  Indien  stammenden  Werke,  im  Vinaya  (s.  Ben- 
feys  Mitteilung  im  Ausland  1859,  S.  487  [=  Kl.  Schriften 
8,  169.  S<diiefner,  Mel.  asiat.  8,  527]  und  in  seinem  Pantschat. 
Bd.  2,  S.  544)  nimmt  sicii  ein  Mann ,  der  von  seiner  Frau 
keine  Kinder  hatte,  noch  eine  Frau,  mit  der  er  einen  Sohn 
zeugt,  den  sie  aus  Furcht  vor  der  ersten  Frau  dieser  schenkt. 
Nach  dem  Tode  des  Mannes  streiten  beide  Frauen  um  den 
Sohn,  da  mit  demselben  der  Besitz  des  Hauses  verknüpft 
1221  ist.  Die  kluge  Vicäkhä  heisst  beide  Frauen  den  |  Knaben  mit 
aller  Kraft  an  sich  ziehen.  Die  wahre  Mutter  werde  vor- 
sichtig ziehen,  um  ilen  Sohn  nicht  zu  verletzen,  auch  sollte 
man  Anstalt  machen,  die  unrechte  Mutter,  wenn  sie  zu  stark 
zöge,  mit  einer  Gerte  zu  schlagen.  —  Das  von  Stanislas  dulien 
übersetzte  chinesiehe  gerichtliche  Drama  ,Huei-lan-ki'  (Ge- 
schichte des  mit  Kreide  gezogenen  Kreises)  behandelt  eben- 
falls den  Rechtsstreit  einer  Hauptgemahlin  und  einer  Neben- 
gemahlin um  den  Sohn  der  letzteren  und  hat  seineu  Titel 
von  dem  Kreise  den  der  Statthalter  Pao-Tching,  vor  den  zu- 
letzt dnr  Handel  kommt,  mit  einem  Stück  Kreide  auf  dem 
Boden  ziehen  liisst  und  in  welchen  er  den  Knaben  hinein- 
stellt, damit  ihn  dann  beide  Frauen  gleichzeitig  an  sich  zu 
ziehen  versuchen  sollen.  (Man  s.  über  dieses  Drama  W.  Schott 
im  Magazin  für  die  Litteratur  des  Auslandes  1860,  S.  201, 
und  Kleins  Geschichte  des  Dramas  3,  460  ff.)  --  Für  sich 
steht  eine  von  Scdiott  a.  a.  O.  S.  431  aus  einem  chinesischen 
Werke  (iDie  Lampe  des  Unstern  Hauses')  mitgeteilte  Er- 
zählung. Auch  hier  streiten  Ehefrau  und  Kebsweib,  indem 
beide  gleichzeitig  geboren  haben,  erstere  aber  einen  Sohn, 
letztere  eine  Tochter,   nnd  das  Kebsweib  sich  den  Sohn  unter- 


38.    Bteele,  Ku^^a  Jatakaya.  533 

gesclioben  hat.  Die  wahre  Mutter  wird  liier  daran  erkannt, 
dass  sie,  als  scheinbar  das  Kind  auf  Befehl  des  Richters  ins 
Wasser  geworfen  wird,  ihm  nachspringt,  um  es  zu  retten.  — 
AVährend  Benfey  (Ausland  1859,  S.  487  =  Kl.  Sehr.  3,  171 
Pantschatantra  2,  544,  Orient  und  Occid.  2,  17()j  geneigt 
ist,  diis  Salomonische  Urteil  ans  Indien  herzuleiten,  sieht 
A.  Weber  in  seiner  oben  erwähnten  Anzeige  des  Steeleschen 
Buchs  vielmehr  in  der  indischen  Erzählung  ,eine  weitere  Spur 
jener  occidentalischen  Einflüsse,  an  denen  ja  die  Pali-Litteratur, 
weil  sie  eben  aus  den  j  Volkskreiseu  ges('höpft  hat,  glück-  1222 
lieber  Weise  weit  reicher  ist  als  die  wesentlich  auf 
priesterlichem  Boden  erwachsene  brahmanische  IJtteratur". 
[Salomos  urteil  in  Pegu :  Douce,  lllustrations  of  Shake- 
speare p.  551.  Pulle,  ün  progenitore  indiano  del  Bertoldo 
1888  p.  24  (Studi  ed.  dalla  Univ.  di  Padova  3,  no.  11). 
Rhys  David,  Jataka  p.  XIV,  XVI.  North  Ind.  Notes  and  Queries 
8,  175.  5,  209.  Academy  1887,  no.  79G.  Gladwin, 
Persian  moonshee  1801  no.  1.  Liguana,  Pompei  e  le  novelle 
indiane  (Actes  du  (>.  congres  des  Orientalistes  3,  121.  1885). 
Crane,  Ital.  pop.  T.  38-2.  Jacobs,  Folklore  Oongress  Report 
1891  p.  96.]  —  Wenden  wir  uns  nun  zu  den  übrigen  sin- 
ghalesischeu  Erzählungen.  The  Tumpaua  fool  (S.  249). 
Ein  Einw^ohner  von  Tumpana  —  ,the  peo[)le  of  wich  are  not 
very  bright  or  clever-  --  findet  unterwegs  im  Walde  eine  schöne 
Quelle  und  läuft  schnell  nach  Hause,  um  seine  Nachbarn,  die 
an  Wasser  Mangel  leiden,  zu  rufen,  damit  sie  die  Quelle 
ausgraben  und  mit  sich  nehmen.  Herr  Steele  bemerkt  dazu: 
,A  story  almost  precisely  the  same  is,  Mr.  Campbell  of  Islay 
informs  the  writer.  current  in  tlie  Highlands,  being  told  of 
men  of  Assynt.  (Andere  Erzählungen  von  Narrenstreichen 
der  Einwohner  von  Assynt  s.  in  J.  F.  rami)beirs  Populär 
Tales  of  the  West  Highhinds  2,  382  [oben  2G()]).  —  The  golden 
pumpkin  (S.  250).  Ein  Mann  gab  einem  Freunde  einen 
goldenen  Kürbiss  aufzuheben  und  erhielt  einen  messingnen 
zurück.  Das  Gold,  sagte  der  Freund,  habe  sich  in  Messing 
verwandelt.  Der  Eigentümer  des  Kürbisses  l)eruhigte  sich 
scheinbar  bei  dieser  Erklärung,  entführte  aber   nach    einiger 


534  ^^11'  Märclienfurschung-. 

Zeit  den  Knaben  jenes  Frenndes  und  brachte  dem  Vater  an 
seiner  Stelle  einen  Aflfen  zurück,  indem  er  sagte,  der  Knabe 
sei  in  einen  Affen  verwandelt  worden,  wie  der  goldene  Kür- 
biss  in  einen  messingenen.  Vgl.  Pautseliat.  1,  21  und  die 
verschiedenen  von  Benfey  §.  101  und  Oesterley  zu  Kirch- 
hofs Wcndunmut  1,  191  aufgezählten  Bearbeitungen.  [Holte 
zu  Val.  Schumann  no.  11;  Frey  S.  "279.]  Unsere  singhale- 
sische  p]rzählung  steht  der  Bearbeitung  in  der  3ten  Nacht 
des  Papagaienbuchs  Naclischebis  (siehe  W.  Pertsch  in  der 
Zeitschrift  der  deutschen  morgenländischen  Gesellschaft 
1223  "21,  517,  Iken  S.  25,  Rosen  1,  (w)  insofern  be-  \  sonders 
nahe,  als  hier  für  die  Söhne  des  Betrügers  junge  Bären  sub- 
stituirt  werden,  wälirend  im  Pantschatantra  und  sonst  ein 
Vogel  den  Knaben  des  Betrügers  geraubt  haben  soll,  — 
The  faithful  mongoose  (S.  250).  Variaute  zu  Pantschat. 
5,  2.  S.  dazu  Benfey  §  201  nebst  Nachtrag  in  Bd.  2,  S.  547 
und  Oesterley  zu  Pauli  257  und  Kirchhof  7,  109.  Steele  er- 
innert nur  an  die  welsche  Geschichte  von  Llewelyu  und  dem 
treuen  Hund  Gelert.  —  The  wity  crane  outwitted  (S.  251). 
Variante  zu  Pantschat.  1,  7.  S.  dazu  Benfey  §  GO.  Aus  der 
siamesischen  Bearlieitung  des  Pantschatantra  findet  sich  die 
Fabel  im  Orient  und  Occident  3,  172.  —  The  cobra  and 
the  polanga  (S.  252).  Geschichte  von  dem  Ursprung  der 
Feindschaft  zwischen  diesen  beiden  Schlangenarten.  —  Cutting 
off  one'snose  to  spite  an  enemy  (S.  253).  Einem  Nase- 
losen beim  Antritt  einer  Reise  zu  begegnen  gilt  als  böses 
Omen.  Ein  Mann  schnitt  sieh  deshalb  die  Nase  ab,  um  einem 
Feinde  dies  böse  Omen  zu  bereiten.  Daher  die  sprichwört- 
liche Redensart,  die  als  Ueberschrift  gesetzt  ist.  ,To  this 
may  perhaps  be  traced  the  origin  of  the  common  English 
saying:  Cutting  oft'  one's  nose  to  spite  one's  face!'  —  The 
braggarts  (S.  253).  Hübsche  Variante  zu  Pantschat.  5,  (5. 
Vgl.  auch  die  Fabel  vom  Fuchs  mit  seinem  Sack  voll 
Listen  und  von  der  Katze.  S.  Iknfey  Panschat.  Bd.  L  S.  31() 
und  Oesterleys  Romulus  S.  94.  [Benfey.  Nachr.  1874,  407 
=  Kleinere  Sehr.  3,  324.  Wright,  Latin  stories  no.  62.] 
—  The  Queen  and  the  jackal  (S.  254).    Vgl.   Pantschat.  4, 


38.    Steolo,  Kusa  Jiitakaya.  535 

8  und  die  16.  Nacht  in  Nachscliebis  Papageienbiiche,  s.  Pertseli 
a.  a.  0.  S.  525,  Iken  S.  54,  Rosen  2,  4.  —  The  rat  and 
the  garandiya  (S.  255).  Ein  Mann  ting  eine  Schlange  nnd 
eine  Ratte  nnd  steckte  beide  in  ein  Getass,  iiber  das  er  ein 
siebenfach  übereinander-|gefaltetesTnchfest  ])and.  Die  Sehhinge  1224 
wollte  die  Ratte  fressen,  aber  diese  stellte  ihi*  vor,  sie  würde 
dann  doch  gefangen  bleiben  niul  wahrscheinlich  endlich  Hnngers 
sterben,  sie  möchte  sie  lieber  am  Leben  lassen  und  auf  ihrem 
Kopfe  in  die  Höhe  heben,  damit  sie  —  die  Ratte  —  das 
Tuch  durchnage.  Die  Schlange  hob  die  Ratte  hierauf  in  die 
Höhe,  und  diese  nagte  auch  die  sieben  I^agen  des  Tuches 
durch,  aber  so,  dass  nur  sie  selbst  hiudurchkonnte,  die  Schlange 
aber  gefangen  blieb.  [Benfey  a.  a.  0.  S.  407:  S.  255  The 
rat  and  the  garandiya  hängt  mit  dem  Abschnitt  des  ursprüng- 
lichen Sa nscrit -Werkes  über  Politik  zusammen,  welches  Pan- 
tschat.  1,  §  219,  S.  514ft'.  besprochen  ist;  darauf  beruht  auch  die 
kurze  Fassung  in  Bliartriharis  Nitigatakam  Stroplie  2,  82.]  — 
The  cranes,  the  cobra,  and  the  mongoose  (S.  255). 
Vgl.  Hitopadesa  4,  5  und  Paiitschat.  1,  20.  —  How  to  outwit 
a  thief  (S.  25(1).  [Einige  Aehnlichkeit  bietet  Sulzbach  S.  98.] 
Ein  Mann,  dem  ein  Kästchen  mit  Juwelen  gestohlen  war, 
hatte  einen  bekannten  Dieb  in  Verdacht,  ohne  ihn  überfuhren 
zu  können.  Der  Richter,  an  den  er  sich  wendete,  sagte  ihm, 
er  solle  eine  Zeit  lang  sich  ruhig  halten,  dann  aber  Klage 
erheben,  als  habe  der  Dieb  einen  weissen  Ochsen,  von  dem 
doch  bekannt  war,  dass  er  dem  Dieb  wirklich  gehörte,  ihm 
gestohlen.  Der  Bestohlene  that  dies,  und  als  dann  der  Dieb 
und  der  Bestohlene  mit  ihren  beiderseitigen  Zeugen  des  Ochsen 
wegen  vor  Gericht  verhandelten,  schickte  der  Richter  lieimlich 
im  Namen  des  Diebes  einen  Boten  an  dessen  Frau,  mit  dem 
Auftrage,  die  Frau  möge  ihm  das  gestohlene  Juwelenkästcheu 
schicken,  um  den  Richter  damit  zu  bestechen.  Die  Frau 
ging  in  die  Falle,  und  so  kam  der  Diebstahl  heraus.  — 
Cunning  beats  strength  (S.  257).  Wette  zwischen  Löwe 
und  Scliildkröte,  ganz  ähnlich  dem  bekannten  Wettlauf  zwischen 
Hasen  und  Igel.  S.  Anm.  zu  Grimm  KHM,  Nr.  187,  wo 
auch   noch    hinzuzufüaen   eine    Betschuanen-Fabel   von  Stein- 


536  2^^  Märchenforschung. 

1225  bock  und  Schildkröte  (Ausland  1S5S,  S.  232)  |  und  eine  sia- 
mesische von  dem  Vogel  Phaya  Karuth  und  der  Schildkröte 
(Orient  und  Occid.  3,  497).  —  Dies  sind  die  von  Herrn  Steele 
mitgeteilten  singhalesischen  Erzählungen,  und  er  beschliesst 
sie  mit  folgenden  Worten:  ,01dworld  household  stories  are 
very  plentiful  in  Ceylon.  The  foregoing  may  be  of  interest  as 
showing  liow  rieh  a  field,  one  little  harvested  yet,  lies  open 
to  the  gleaner.  When  it  is  remembered  tliat,  l)esides  the 
aboriginal  wild  race,  the  Veddahs,  the  Island  is  the  home  of 
Sinhalesa,  au  Aryan  race  from  the  upper  Valley  of  the  Ganges, 
of  Tamils,  of  Moors,  the  deseendants  of  the  ancient  Arab 
navigators  who,  as  Sinbad  avouches,  voyaged  offen  to  Serendib, 
of  Malays,  not  to  mention  Parsis,  Chinese,  Kaffirs  from 
Eastern  Africa,  Maldivians,  Bengalis,  and  many  others,  men 
of  widely  diverse  descent  and  creeds,  the  abundance  of,  so 
to  speak,  unwrought  folk-lore  will  be  readily  recognised.  It 
is  the  writer"s  hope,  should  the  present  venture  meet  with 
favour  and  acceptance,  to  öfter  a  larger  and  more  varied 
selection  to  the  reader  hereafter'. 

Wir  hoft'en  und  wünschen,  dass  Herr  Steele  uns  recht 
bald  mit  dieser  in  Aussicht  gestellten  Sammlung  erfreue. 
Möge  er  aber  ja  nicht  versäumen,  bei  jeder  einzelnen  Er- 
zählung sorgfältig  Auskunft  zu  geben,  ob  sie  mündlicher 
Uelterlieferung  oder  Büchern  entnommen  ist.  Für  jetzt  scheiden 
wir  von  ihm  mit  bestem  Danke  für  den  Genuss  und  die  Be- 
lehrung, die  wir  aus  seinem  —  Dank  dem  Hrn.  Verleger  audi 
äusserlich  anmutenden  —  Buche  geschöpft  haben. 


39.    A.  Schiefner,  Awiirische  Texte  Nr.  1.  537 


39.  A.  Schiefner,  Awarische  Texte.') 

(Memoire«    de    rAcademie    Imperiale    des    Sciences    de     St.    Fetersbourg 
7.  Serie,  Tome   19,  no.  (3,  p.  IV— XXVI.   1873.) 

1.  Das  Meerross^). 

Der  Inhalt  dieses  Märchens  lässt  sieh  in  Knrzem  so  zu-  iv 
sammenfassen:  Drei  Königssöhne  ziehen  aus,  um  das  von 
ihrem  Vater  im  Traum  gesehene  Meerross  zu  suchen;  sie 
kommen  an  drei  Wege  und  einen  Stein  mit  einer  auf  diese 
AVege  bezüglichen  Inschrift,  der  jüngste  schlägt  den  gefähr- 
lichsten Weg  ein:  er  kömmt  in  den  Besitz  des  Meerrosses 
und  einer  Tochter  des  Meereskönigs,  auf  der  Heimfahrt  trifft 
er  seine  Brüder  in  Not  und  Elend  als  Brot-  und  Fleisch- 
verkäufer und  nimmt  sie  mit  sich ;  unterwegs  veranstalten 
sie  aus  Neid,  dass  er  in  einen  Brunnen  fällt,  und  kehren 
allein  zu  ihrem  Vater  zurück;  durch  das  ihnen  entflohene 
Meerross  wird  aber  jener  aus  dem  Brunnen  herausgezogen. 
Hierzu  vergleiche  man: 

1.  Den  kirgisischen  Büchergesang  von  Hämra  und  seinen 
zwei  Brüdern  bei  Radioff,  Proben  3,  518—597.  Die  drei 
Brüder  ziehen  ans,  um  die  Nachtigall  zu  suchen,  die  ihr 
Vater,  der  König  Kusrau  in  Misir.  im  Traum  gesehen  hat 
(S.  535).  Sie  kommen  zu  drei  Wegen  und  einem  mit  der 
Schrift  (S.  540): 

Wer  den  mittleren  Weg-  g'eht,  kehrt  heim. 

Wer  den  untern  Weg  geht,  der  kehrt  nicht  heim. 

Was  auf  dem  oberen  Wege  geschieht,  weiss  Gott. 

Die  älteren  Brüder  schlagen  den  mittleren  Weg  ein, 
Hämra    den    unteren.      Mit    Hilfe   einer    Peri   Korluk   erlangt 


I 


')  [Anton  Schiei'ner,  geb.  1817  zu  Reval,  gest.  IH.  Nov.  1880.  Vgl. 
Wiedemann,  Russ.  Revue   IH.] 

-)  Diejenigen  Märciiensammlungen,  die  im  'd.  Bande  der  Grimm- 
schen Märchen  und  hinter  meinen  Anmerkungen  zu  Laura  Gonzenbachs 
Sicilianisehen  Märchen  verzeichnet  sind,  eitlere  ich  meist  ganz  kurz 
nur  mit  dem  Namen  des  Sammlers,  neuere  Sammlungen  eitlere  ich  mit 
ausführlicherem  Titel. 


538  Zur  Märchenforsehung. 

Hämra  die  Nachtigall  (S.  565).  Auf  der  Heimfahrt  trifft  er 
in  einem  Wirtshause  seine  Brüder  als  Diener  des  Kochs  (S. 
58"2),  bezahlt  ihre  Schulden  (S.  584)  und  zieht  mit  ihnen 
weiter.  Unterwegs  stechen  sie  ihm  die  Augen  aus  und  werfen 
ihn  in  einen  Brunnen  (S.  586).  Die  Nachtigall,  die  sie  ihrem 
Vater  bringen,  verkündet  diesem  nach  einiger  Zeit  Hämras 
(jeschick  (S.  591).  Mit  den  Klagen  der  Eltern  um  Hämra 
schliesst  das  (iedicht,  ist  aber  offenbar  unvollständig,  Wo- 
zu hätte  Hämras  Geliebte  Korluk  ihm  (S.  580)  ein  Büschel 
Haare  gegeben,  das  er  im  Fall  der  Not  ergreifen  und  da- 
durch sie  herbeirufen  sollte?  In  dem  vollständigen  Gedichte 
A'  hat  Hämra  ohne  Zweifel  die  Peri  her-|beigerufeu,  ist  von  ihr 
aus  dem  Brunnen  gebracht  und  wieder  sehend  gemacht  worden, 
und  hat,  nach  Hause  zurückgekehrt,  die  verräterischen  Brüder 
entlarvt. 

2.  Das  griechische  M.  Nr.  72  l)ei  Hahn.  Hier  suchen 
die  Königssöhne  für  ihre  neuerbaute  Kirche  die  Nachtigall, 
die  an  der  Kanzel  hängen  und  schlagen  soll,  wenn  der  Priester 
das  Evangelium  liest.  Sie  kommen  zu  drei  AVegen  und  einer 
Säule  mit  der  Inschrift: 

Wer  diesen  Weg  zieht,  der  kann  davon  komuien. 

Wer  jenen  Weg  zieht,  der  muss  umkommen. 

AVer   den  dritten  W(-g   zieht,    der   wird    ganz   gewiss    nicht 

wieder  kommen  ^). 

Der  jüngste  schlägt  den  dritten  Weg  ein  und  erlangt 
durcli  den  Rat  einer  dankbaren  Viper  die  Nachtigall.  Auf 
der  Rückfahrt  befreit  er  seine  in  Elend  geratenen  Brüder. 
Diese  stürzen  ihn  in  einen  Brunnen  und  kehren  mit  der 
Nachtigall  zu  ihrem  Vater  zurück.  Kaufleute  ziehen  den 
jüngsten  Königssohn,  durch  sein  treues,  den  Brunnen  nicht 
verlassendes  Pferd  aufmerksam  oemarlit.  wieder  heraus. 


')  In  einem  andern  griet-hischen  M.  (Hahn  Xr.  70),  welches  übrigens 
zu  einem  andern  Kreis  gehört,  kommen  drei  Königssöhne  zu  drei  Wegen 
und  drei  Steinen  mit  folgenden  Inschriften: 
Wer  diesen  Weg  geht,  der  kommt  davon. 

Wer  diesen  Weg  geht,  der   kditunt  vielleicht  davon,  vielleicht  auch  nicht. 
Wer  diesen  Weg  ueht,  der  kommt   niciit  davcm. 


H9.    A.  Schiefner,  Aw:u-isclu>  Texte  Xr.   1.  539 

3.  Grimm  ^h^  57,  Wolf  Haiism.  S.  -iSO,  Ziugerle  Sagen, 
Märchen  und  Gebräuche  aus  Tirol  .S.  446  =  Kinder-  und 
Hausmärchen  aus  Tirol,  "2.  vermehrte  Auflage  Gera,  1870, 
Nr.  49,  Asbjörusen  Nr.  <S3,  Waldau  S.  131  =  Chodzko  S. 
255,  Glinski  1.  15,  Vogl  Volksmärchen  der  Russen  Nr.  2, 
Wolfs  Zeitschrift  2,  889  (aus  der  Bukowina),  Schott  Nr.  26, 
Ilaltrich  Nr.  7.  Radloft'  4,  146.  [Campbell  no.  46.  Kennedy 
p.  47.  Cosquin  no.  19  ,Le  petit  bossu'.  Sebillot,  Contes  pop. 
de  la  H.  Bretagne  1,  1  und  3,  no.  15  (entstellt);  Litt.  or.  p.  56. 
Carnoy,  Romania  8,  234  no.  6  ;  vgl.  oben  110.  Cerquand  no.  101 
(entstellt).  Webster  p,  182.  Visentini  no.  12  (Hexe  statt 
des  Fuchses).  Archivio  3,  233  (Fuchs  =  dankbarer  Toter), 
373.  551.  Romero  no.  10.  Madsen  p.  3.  Germania  27,  104. 
Friis  no.  44  =  Poestion,  Lappl.  M.  no.  53.  Wigström  1, 
261  (Fuchs  =  dankbarer  Toter).  Brugman  no.  6,  7.  8.  Ralston 
p.  286.  Leger  no.  19.  Kremnitz  no.  IS.  Riviere  p.  231 
(Alte  statt  des  Fuchses).  Lidzbarski  S.  45.]  Alle  diese  M. 
sind  verschiedene  Versionen  eines  und  dessHll)en  M.,  welches 
man  „das  M.  von  den  drei  K  önigs söhnen,  die  nach  dem 
goldenen  Vogel  ausziehen,  und  von  dem  hilfreichen  Fuchs 
oder  Wolf-'  nennen  kann.  In  fast  allen  diesen  M.  —  nur 
nicht  in  dem  tatarischen  bei  Radiott"  —  üben  die  älteren 
Brüder  an  dem  glücklichen  jüngsten  auf  der  Heimfahrt  Ver- 
rat. Bei  (irinim  und  bei  Haltrich  werfen  sie  ihn  in  einen 
Brunnen,  aus  dem  ihn  der  Fuchs  mit  seinem  Schwänze  wieder 
herauszieht.  In  Wolfs  Hausm.  werfen  sie  ihn  gebunden  in 
eine  Löwengrube,  aus  der  ihn  der  Bär  —  der  hier  die  Stelle 
des  Fuchses  oder  Wolfs  der  übrigen  ^I.  versieht  —  rettet. 
In  dem  norwegischen  M.  werfen  sie  ihn  in  einem  Fass  ins 
Meer,  und  der  Fuchs  schleppt  das  Fass  ans  Land.  In  den 
übrigen  M.  töten  sie  ihn,  der  Fuchs  oder  Wolf  aber  belebt 
ihn  wieder.  Bei  Grimm  und  Zingerle  hat  der  jüngste  vorher 
erst  seine  verschuldeten  Brüder  vom  Galgen  losgekauft,  bei 
Haltrich  hat  er  sie  als  Kellner  und  Stallknechte  angetrott'en 
und  losgekauft.  Die  drei  Wege  und  die  Inschrift  kommen 
nur  in  dem  polnischen,  dem  russischen  und  dem  sibirisclien 
M.  vor.  In  dem  polnischen  M.  kommen  die  drei  Brüder  zu 
drei  Wegen  und  einer  Tafel,  auf  welcher  steht: 


540  ^ur  Märchenforschung. 

Kto  pojedzie  prosto, 
Spotka  sie  z  chtosta  | 
Yi  Za  grzech,  ktory  iiczyni; 

Kto  sie  uda  w  prawo, 
Ten  zaplacze  Izawo, 
Bo  przeciw  bratu  zawiiii ; 
A  kt(»  w  lewo  pojedzie, 
Bedzie  nie  w  jednej  biedze, 
I  z  rak  swoich  braei  zginie. 
lu   dem    russischen   M.  kommen    nicht  alle   drei  Brüder, 
sondern  nur  der  jüngste  zu  drei  Wegen  und  zu  einem  Pflock 
mit  der  Inschrift: 

Wer  den  Weg  gerade  aus  zieht,  wird  hungrig  und  kalt  werden; 
Wer  zur  Rechten  zieht,  wird  lebendig  und  gesund,  aber  sein 

Pferd  des  Todes  sein: 
Wer   zur    Linken    zieht,    wird    ermordet  werden,    aber    sein 

Pferd  wird  lebendig  bleiben. 
Der  Prinz  schlägt  den  Weg  zur  Rechten  eiu. 

In  dem  tatarischen  M.  kouimen  die  Kiinigssöhne  zu  drei 
Wegen  und  einem  Pfahl,  auf  wehheu  geschrieben  ist: 
Der  Mensch,  der  rechts  geht,  wird  sehr  reich  werden; 
Der  Mensch,  der  auf  dem  mittleren  AVege  geht,  wird  ziemlich 

reich  werden; 
Der  Mensch,  der  links  geht,   wird  nicht  heimkehren. 
Der  jüngste  geht  links. 

In  dem  M.  der  1001  Nacht  (Breslauer  Uebersetzung, 
Bd.  10)  von  dem  Prinzen  Hassan  und  dem  grünen  Vogel, 
das  auch  hierher  gehört,  fehlen  die  beiden  Brüder,  aber  drei 
Wege  und  die  Inschrift  kommen  auch  hier  vor.  Hassan  kommt 
zu  drei  Wegen  und  einer  Pyramide,  auf  deren  drei  Seiten 
steht:  „Weg  der  Glückseligkeit",  „Weg  der  Reue",  und  „Wer 
diesen  Weg  einschlägt,  kehrt  vermutlich  nie  wieder".  Letzteren 
schlägt  der  Prinz  ein. 

4,  Das  von  Dietrich  Nr.  1  und  von  V(»gl  S.  119  über- 
setzte russische  M.  vom  Zarensohn  Ljubim  und  dem  be- 
flügelten Wolf.  In  diesem  M.  ziehen  die  beiden  altern  Söhne 
eines    Zaren   aus,    um   sich    Frauen    zu   holen.      Da   sie   nicht 


39.    A.  SrlüefiKM-,  A\varii<che  Texte  Nr.  1.  54I 

zurückkehren  und  iiicht.s  von  sich  hören  hissen,  sucht  der 
jüngste  Sohn  l.juhim  sie  auf.  Kr  kommt  zu  drei  Wegeu 
und  einer  Säule  mit  der  Inschrift: 

Wer  auf  die  rechte  Seite  geht,  der  wird  satt  sein,  aber 
sein  Ross  wird  hungern  (gesättigt  werden,  aber  sein  i'ferd 
wird  verhungern  —  nach  Vogl): 

Wer  gerade  aus  geht,  der  wird  selbst  Hunger  leiden, 
aber  sein  Ross  wird  satt  sein  (Vogl:  selbst  verhungern,  aber 
sein  Pferd  wird  gesättigt  werden): 

Wer  auf  die  linke  Seite  geht,  der  wird  von  dem  ge- 
flügelten Wolf  getötet  werden. 

Ljubim  zieht  links  und  überwältigt  den  geflügelten 
Wolf  und  gelangt  mit  dessen  Hilfe  in  den  Besitz  des  leben- 
digen und  toten  Wassers  und  einer  schönen  Prinzessin.  Er 
findet  seine  Brüder  erschlagen  und  belebt  sie  wieder.  Aus 
Neid  hauen  sie  ihn  in  Stücke,  aber  der  Wolf  belebt  ihn 
wieder.  | 

5.  Hahn  Nr.  51:  Drei  Königssöhne  suchen  den  von  einem  vii 
Drakos  ihrem  Vater  geraubten  Zauberspiegel.  Der  jüngste 
erlangt  den  Spiegel  und  eine  schöne  Jungfrau.  Auf  der 
Rückfahrt  trift't  er  seine  Brüder  unterwegs  so  herunterge- 
kommen, dass  der  eine  Ochsen,  der  andere  Schweine  hütet. 
Er  bezahlt  ihre  Schulden  und  nimmt  sie  mit  sich,  wird  aber 
von  ihnen  in  einen  Fluss  gestürzt,  aus  dem  er  sich  jedoch 
wieder  ans  Land  rettet. 

().  Endlich  vergleiche  man  die  M.  von  drei  Königs- 
söhnen, die  ich  unten  zu  Nr.  10  beigebracht  habe.  Auch 
in  diesen  M.  üben  die  altern  Brüder  an  dem  jüngsten  Verrat, 
und  zwar  in  den  meisten,  nachdem  er  sie  eben  erst  durch 
Bezahlung  ihrer  Schulden  frei  gemacht  —  in  manchen  vom 
(Jalgen  losgekauft  —  hat.  In  dem  schwäbischen  M.  werfen 
sie  ihn  in  eine  (Jrube,  in  dem  ungarischen  in  einen  Brunnen, 
in  den  übrigen  verfahren  sie  auf  andere  uns  hier  nicht  weiter 
angehende  Weise. 

Das  sind  die  mir  erinnerlichen  M.,  die  mit  dem  awa- 
rischen  M.,  in  soweit  wir  dessen  Inhalt  oben  zusammengefasst 
haben,  sich  vergleichen  lassen.    Das  awarische  M.  enthält  aber 


54"2  Zur  Märcheni'orschung. 

noch  eine  Episode  von  dem  gefiiii denen  (roldflaum  und 
von  der  Gewinnung  der  Tochter  des  Meerkönigs,  von  der 
dieser  Goldfiaum  herrührt.  Hierzu  vergleiche  man  das  wala- 
chische  M.  Nr.  17  bei  Schott.  Hier  findet  Prinz  Petrn  eine 
goldene  Krone,  nnd  sein  Pferd  sagt  zu  ihm:  „Wenn  dn  sie 
nimmst,  wird  es  dich  reuen,  nnd  wenn  du  sie  nicht  nimmst, 
wird  es  dich  ebenfalls  renen."  Ein  alter  König  verlangt  dann 
von  Petru,  dass  er  ihm  die  Besitzerin  der  gefundenen  Krone, 
die  Prinzessin  .luliana  Kosseschana,  schaffe.  Petrn  führt  dies 
ans,  die  Prinzessin  will  aber  den  alten  König  nicht  eher 
heiraten,  als  bis  er  sich  in  der  Milch  von  wilden  Stuten  ge- 
badet habe.  Der  Prinz  muss  diese  Milch  schatten,  und  der 
König  kommt  in  der  heissen  Milch  nm.  Dass  das  Bad  den 
König  angeblich  verjüngen  soll,  ist  im  walachischem  M.  ver- 
gessen.    [Vgl.  oben  S.  467  zn  Jagic  no.  58.] 

Die  Episode  des  awarischen  M.  nnd  das  w^alachische  M. 
gehören  zu  dem  Märchenkreis  von  der  goldhaarigen  Jun g- 
fran,  die  ein  Jüngling  einem  alten  König  holen  mnss,  schliess- 
lich al)er  selbst  zur  (iemahlin  erhält.  S.  darüber  meine 
Nachweise  zu  Gonzenbach  Nr.  83,  2.  [Zs.  d.  V.  für  Volks- 
kunde ().   172.] 

Wenn  im  awarischen  nnd  im  walachischen  M.  das  Ross 
dem  Helden  anf  seine  Frage,  ob  er  den  Goldflaum  oder  die 
Krone  nehmen  solle,  antwortet,  es  werde  ihm  leid  thnn  oder 
ihn  renen,  wenn  er  sie  nehme  und  wenn  er  sie  nicht  nehme, 
so  vergleiche  man  das  sonst  nicht  parallele  neugriechische  M. 
Nr.  4  in  dem  ersten  Hefte  des  ersten  Bandes  der  NeoeXhjvixn 
''AvdhxKi  (Athen  1870)^),  wo  (S.  21)  ein  Jude  ein  Kästchen 
feil  l)ietet  mit  den  Worten:  „Wer  es  nimmt,  wird  es  be- 
reuen, und  wer  es  nicht  nimmt,  wird  es  auch  bereuen." 
[Pio  p.  9;^>  =  Misotakis  S.  20.     Oben  S.  468  zu  Jagic  no.  58.] 

Wenn  am  Schluss  des  awarischen  M.  das  Mädchen  ihre 
Flechten  abschneidet  nnd  daraus  ein  (iO  Ellen  langes  Seil 
windet,  mit  welchem  das  Ross  seinen  Herren  aus  dem  Brunneu 


\)    Mau    ündet    eine    Besprechung    dieses    Heftes    von    mir    in    den 
Cröttingis<'lien  gehdirten  Anzeigen  1S71,  Ötück   36   [=  oben   S.   :^65|. 


39.    A.   Si'hiefiier,  Awarische   Texte  ^'r.   1  —  2.  543 

zieht,  so  vergleiche  man  eine  Stelle  in  dem  Heklengesang  von 
Siuläi  Märgäu  l)ei  Kadloff  •_>,  627.  [Sebillot  ;3,  no.  15,  Rad- 
\oü'  4,  397,  Child  1,  401).J  Hier  will  Südäi  Märgäns  Gemahlin 
ihren  Gemahl  aiüs  der  (irnbe,  in  die  |  ihn  seine  Schwäger  ge-  viii 
stürzt  haben,  heranszielien.  Zuerst  lässt  sie  seines  Rosses 
Schweif  in  die  Grube  hinab,  aber  er  ist  3  Klafter  zn  kurz; 
dann  lässt  sie  ihr  eignes  Haar  hinab,  aber  es  ist  1  Klafter 
zu  kurz:  endlich  holt  das  Ross  ein  Mädchen  herbei,  dessen 
Haar  100  Klafter  lang  ist.  Das  Haar  erreicht  den  Südäi 
Märgän.  aber  das  Mädchen  vermag  ihn  nicht  heraufzuziehen. 
Erst  als  das  Haar  an  den  Sehweif  des  Rosses  gebunden  ist 
und  alle  drei  ziehen,  wird  der  Held  aus  der  Grube  gezogen. 

2.  Bährenohr. 
Eine  Version  des  M.  von  dem  Jüngling,  durch  den 
drei  Königstöchter  aus  unterirdischer  Haft  befreit  werden, 
der  selbst  aber  von  seinen  treulosen  Brüdern  oder  Ge- 
fährten unter  der  Erde  gelassen  wird,  bald  jedoch  wieder 
eni[)or  gelaugt,  die  Verräter  entlarvt  u.  s.  w.  S.  meine  An- 
merkung zu  Gouzenbach  Nr.  58.  |Zs.  d.  V.  f.  Yolksk.  6, 
163.]  Insbesondere  vergleiche  man  die  von  mir  im  Jahrbuch 
für  roman.  Litteratur  7,  25,  Zeile  13  ff.  [oben  S.  293]  zu- 
sammengestellten M.,  zu  denen  noch  hinzuzufügen  sind:  Cols- 
horn  Nr.  5,  Schneller  Nr.  39,  Zingerle  Kinder-  und  Haus- 
märchen  aus  Tirol,  2.  verm.  Aufl.,  Nr.  10.  [Cosquin  no.  1 
und  52,  Sebillot  Contes  2.  no.  26;  Litt.  or.  p.  81,  Archivio  3, 
537,  Pitre,  Nov.  tose.  no.  3.  De  Gubernatis,  Florilegio  p.  72, 
Coelho  no.  22,  Braga  no.  47,  IJomero  no.  19.  Legrand  p.  191. 
Dozdn  U(i.  5,  'O  tv  KoyoTavTtvojTO/.et  eÄhjr.  (fiXoXoy.  ovAAoyo^ 
G,  3()3:  'O  Finri'}]^  o  Aiovjcjlo}]^.  Oben  S.  437  zu  Jagi('*  no.  42, 
Brugman  no.  16  mit  Wollners  Anm.  Mijatovics  p.  123  .Sir 
Peppercorn,'  Schulenburg,  AVend.  Yt.  S.  30  (Kamp  no.  1).| 
In  alleu  diesen  M.  ist  der  Held  von  gewaltiger  Stärke,  aber 
nur  bei  Colshorn  und  in  dem  wendischen  M.  ist  er  der  Sohn 
eines  Bären,  weshalb  er  in  ersterem  Peter  Bär  heisst.  In 
dem  schwäbischen  M.  (BirUnger)  heisst  er  Hans  Bär,  es  ist 
aber   nicht   gesagt,    dass    ein   Bär   sein    Vater    ist.      In    dem 


544  ^"''  Märehenforschung. 

Tiroler  M.  heisst  er  Bärenliaiisel,  weil  ihn  eine  Bärin  gesäugt 
hat  ^).  In  den  meisten  M.  sind  die  (iefährten  des  Helden 
ebenfalls  von  besonderer  Stärke:  der  Tannendreher  und  der 
Felsenklipper  (Grimm),  der  Baumdreher  und  der  Steinzer- 
reiber  (Haltrich),  einer,  der  Bäume  umbricht,  und  einer,  der 
Bäume  mit  den  Wipfeln  zusammenbindet  und  dann  auf  ein- 
mal umreisst  (Haupt),  der  Steinspieler,  der  Eisenknüpfer  und 
der  Baumdreher  (Colshorn),  ein  baumausreissender  Kohlen- 
brenner und  ein  sieben  Mühleu  mit  seinem  Atem  treibender 
Müller  (Zingerle),  ein  baumausreissender  Riese  und  ein  viele 
Mühlen  mit  einer  Handkurbel  bewegender  Riese  (Schneller). 
In  dem  auch  zum  Teil  hierhergehörigen  M.  bei  Schott  Nr.  10 
sind  der  Holzkrummmacher  uiul  der  Steinreii>er  die  Ge- 
fährten. [Comparetti  no.  35,  Miklosich  no.  2,  Schreck  no.  3.J 
Wie  im  awarischen  M.  der  Baumschlepper  und  der  eine 
Mühle  auf  seinen  Knieen  drehende  Mensch,  als  Bärenohr 
ihnen  begegnet  und  sie  fragt,  was  sie  für  Kraftmensclien  | 
IX  seien,  ihm  antworten,  sie  hätten  keine  Kraft,  aber  Bäreuohr 
solle  kräftig  sein,  —  so  sagen  auch  bei  Colshorn  der  Stein- 
spieler, der  Eisenknüpfer  und  der  Baumdrelier  zu  Peter  Bär, 
den   sie    nicht   kennen,    sie    seien   stark,    aber   Peter    Bär   sei 


^)  In  einem  russischen  M.,  von  dem  ich  nur  den  Anfang  kenne 
(mitgeteilt  von  W.  Schott  in  Ernians  Archiv  22,  .090  und  in  den  Monats- 
berichten der  Berliner  Akademie  1866,  S.  252),  das  aber  vielleicht  über- 
liaupt  hierher  gehört,  lebt  die  Frau  eines  Popen  mit  einem  Landstreicher 
im  Wald  und  bringt  —  nach  Hause  zurückgekehrt  —  einen  Knaben 
zur  Welt,  der  wie  der  Held  des  awarischen  M.  Bärenohren  hat.  Er 
wäclist  —  was  in  russischen  M.  öfter  vorkommt  —  nicht  nacli  Jahren, 
sondern  nach  Stunden,  wie  der  Held  des  awarischen  M. ;  nach  Verlauf 
eines  Tages  ist  er,  als  sei  er  einen  Monat  alt,  und  nach  Verlauf  eines 
Monats,  als  sei  er  ein  Jahr  alt.  Man  nannte  ihn  Iwaschko  Biirenohr. 
Vgl.  auch  den  Hans  Bär  (Sohn  einer  Frau  und  eines  Bären)  bei 
Strackerjan  2,  326,  den  Bärensohn  (Sohn  einer  Frau  und  eines  Bären) 
bei  Wuk  Nr.  1  und  das  Bärenkind  (Sohn  eines  Priesters  und  einer 
Bärin)  bei  Hahn  Nr.  75  [Miklosich  no.  2  (Sohn  eines  Priesters  und 
einer  Stute),  Cerquand  no.  81,  Visentini  no.  32  ,CTiovanni  delT  Orso', 
Berntsen  1,  no.  12  ,Björnöre';  2,  no.  3  ,Hans  Björnson'  (1,  no.  30: 
Königstochter,  entstellt),  Ungarische  Revue  1887,  753.  Rassmann,  Dtsch. 
Heldensage   1,  360—365]. 


39.    A.  Scliiefiior,  Awarisohe  Texte  Nr.   2.  545 

noch  viel  stärker.  [Halm  in».  (i3,  Syllogos.  Pio  p.  212  = 
Misotakis  S.  20,  Mijatovies  p.  123,  Coellio  no.  22,  Berntsen  2, 
110.    3.] 

Wie  im  awarischen  M.  der  laiigbärtige  Zwerg  auf  einem 
Hasen  reitet,  so  auch  in  dem  erwälmten  M.  bei  Schott  und 
in  dem  slavonischen  vom  kleinen  Kerza  bei  Vogl  S.  211, 
welches  M.  zum  Teil  hierher  gehört.  Im  awarischeu  M.  ist 
es  ein  lahmer  Hase,  im  walachischeu  ein  halber,  im  slavo- 
nischen einfach  ein  Hase. 

Im  awarischeu  und  im  slavonischen  M.  (Vogl  S.  215) 
reisst  der  Hasenreiter  den  Baum,  in  dessen  Spalt  sein  Bart 
eingeklemmt  ist,  aus  und  entkommt  so,  den  Baum  mit  sich 
schleppend.  Im  litauischen  M.  (Schleicher  S.  134)  entkommt 
der  Zwerg,  indem  er  sich  den  in  den  Baumspalt  einge- 
klemmten Bart  mit  der  Wurzel  ausreisst.  [Miklosicli  uo.  2. 
Berntsen   1.  no.   12.  Rassmaun  1,  803.] 

Von  da  an.  wo  die  von  Bärensolin  befreite  Jungfrau 
von  den  Gefährten  emporgezogen  wird,  stimmt  das  awarische 
M.  mit  dem  griechischen  bei  Hahn  Xr.  70  sehr  überein. 
Wie  im  awarischeu  Bärenohr  in  die  Unterwelt  fällt,  weil  er 
trotz  der  AVarnung  der  Jungfrau  statt  auf  den  weissen  auf 
den  schwarzen  Hammel  gesprungen  ist,  so  sinkt  im  griechi- 
schen der  Held  noch  einmal  so  tief  in  die  Unterwelt  hinab, 
weil  er  das  schwarze  Lamm  statt  des  weissen  gefangen  hat. 
In  lieiden  M.  tötet  der  Held  dann  eine  Schlange  oder  einen 
Drachen,  die  eine  Quelle  hüten,  und  verlangt  dafür  als  Be- 
lohnung von  dem  uuterweltlichen  König,  in  die  Oberwelt  ge- 
bracht zu  werden,  worauf  ihn  der  König  zu  einem  Adlernest 
weist.  In  beiden  M.  tötet  hierauf  der  Held  eine  Schlange, 
welche  die  jungen  Adler  fressen  will,  und  wird  dafür  von 
den  alten  Adlern  auf  die  Oberwelt  getragen.  [Mijatovies. 
Dozon.  Comparetti  no.  35.]  Wie  er  im  awarischen  M.  unter- 
wegs dem  ihn  emportragenden  Adler,  der  Fleisch  verlaugt, 
aus  seiner  eignen  Lende  Fleisch  ausschneidet,  so  schneidet 
er  sich  im  griechischen  ein  Bein  ab.  In  beiden  M.  bemerken 
die  Adler  auf  der  Oberwelt,   dass  ihr  Schützling  hinkt,   und 

R.  Kühler,  Kl.  Schriften  I.  35 


546  ^^'"  Märohenforschiing. 

speieQ,  als  sie  die  Ursaclie  des  Hinkens  von  ihm  erfalireii, 
dass  Lendenstück  oder  das  Bein  wieder  aus. 

In  Betreff  dieses  letzteren  Zugs,  dass  der  Held  sicli  selbst 
Fleisch  abschneidet,  um  den  ihn  emportragenden  Adler 
unterwegs  zu  füttern,  und  dass  der  Adler  dies  Fleisch  dann 
wieder  ausspeit,  verweise  ich  auf  meine  Anmerkung  zu  Gonzen- 
bach  Nr.  61.  S.  auch  unten  zu  Nr.  8.  [Zs.  d.  V.  f.  Volks- 
kunde 6,  164,  Brugman  S.  556,  De  Gubernatis,  Florilegio 
p.  74,  Comparetti  no.  35,  Corazzini  no.   19.] 

Wie  im  awarischen  M.  S.  14  Bärenohr  zum  König  sagt: 
„Wenn  ich  das  nicht  bringe,  so  ist  der  Säbel  dein,  der 
Hals  mein,"  so  sagt  in  einem  serbischen  M.  (Wuk  Nr.  9) 
eine  Frau  zum  Kaiser:  „Hier  ist  dein  Schwert,  und  hier  auch 
mein  Kopf"  und  in  einem  griechischen  (NeoeUijvixd  \-ird- 
Xexxa  1,  IS)  ein  Mädchen  znm  König:  ,,Nd  ro  ojraßi  oov  rd 
xl  ö  ImiiKK  fif>r  y.rn  y.oy^e  f(f."  Aehnlicli  ist  es  auch,  wenn  in 
einem  M.  bei  Steere,  Swahili  Tales,  as  told  by  natives  of 
Zanzibar,  London  1870^),  S.  205,  217,  281,  Söhne  zu  dem 
Sultan,  ihrem  Vater,  sagen:  „Du  bist  das  Messer,  ich  bin  das 
Tier."  [Paris  und  Vienne.  Rosen.  Bulgar.  Volksdichtungen 
S.  231:  „Hier  mein  Haupt  und  dort  dein  Säbel."  Prym-Socin 
S.  252:  „Hier  ist  mein  Kopf  und  dort  ist  dein  Schwert." 
Radioff  -1,  201:  „Der  Kopf  ist  mein,  das  Schwert  ist  euer." 
Bio  p.   131.   142.    Zs.  d.  d.  morgenl.  Ges.  36,  245  (Märdin).] 

X  3.    Die  Kart  und  Tschilbik. 

Vgl.  Gonzeubach  Nr.  83,  Imbriani  La  novellaja  milanese, 
Bologna  1872,  Nr.  1  (=  II  Propugnatore,  Vol.  3,  P.  1,  pag. 
398  =  Imbriani,  Nov.  fior.  -p.  340:  ,E1  Tredesin'),  Hahn 
Nr.  3,  Luzel  Contes  bretons,  Quimperle  1870,  pag.  1,  Widter- 
Wolf  Nr.  9.  [Oben  S.  306  und  414  zu  no.  9,  Zs.  d.  V.  f. 
Volksk.  6,  171,  Luzel,  Contes  2,  231,  Carnoy,  Litt,  orale 
p.  241  =  Sebillot,  Contes  des  prov.  no.  9  (entstellt), 
Archivio    3,    372,    De    Nino    no.    30    (Tredecine),    Visentini 


')  Man  findet   eine  Besprechung   dieser  Märchen   von    niii'    in  den 
Güttingischen  gelehrten  Anzeigen   1870,  Stück  42   [oben  S.  51 4J. 


39.    A.  Scliieiiier,  Awarisclie  Texte  Nr.  2—3.  547 

no.  -t  ('Tredif'iiio),  Neriicci  no.  41  (OrluDdiiio),  If/r/or  1,  099: 
'O  <Pi()oevTh'OQ^  Keviie  de  1"  hist.  des  reliy.  K),  <S5  (I^e  Capitaiue 
Treize),  Vinsoii  p.  SO,  Webster  [>.  Ki  (Petit  Perro(iuet)  und  77 
(Malbrouck;  bes.  p.  78.  <s5j,  Coellio  im.  '1\  (,loäo  Pequeiiito), 
Cüellio,  Coiitos  iiac.  no.  16,  ßriigiiian  iiü.  5,  Riviere  p.  'J25.  281. | 

lii  dem  sieilianischen  M.  übernachtet  Caruseddu  mit 
seineu  zwei  älteru  Brüdern  bei  einem  Dragu  (Meusclienfresser). 
Der  Dragu  verschlingt  seine  eignen  schlafenden  Töchter,  deren 
Kopftücher  Caruseddu  sieb  und  seinen  Brüdern  umgebunden 
und  denen  er  die  Mützen  von  sich  und  seinen  Brü(kn-n  auf- 
gesetzt hat.  Caruseddu  tritt  darauf  mit  seinen  Brüdern  bei 
einem  König  in  Dienst  und  muss  auf  Anstiften  seiner  nei- 
dischen Brüder  dem  König  (bis  sprechende  Pferd  des  Dragu, 
dessen  Bettdecke  mit  den  goldenen  Clöckchen  und  endlich 
{[^n\  Dragu  selbst  herbeischaffen^). 

In  dem  mailandischen  M.  übernachtet  Tredesin  mit 
seinen  13  Söhnen  bei  einem  Mago  (MenschentVesser).  Der 
]\Iago  tötet  seine  eigniMi  Srdine,  (Ui  Tredesin  ihre  weissen 
J\lützen  mit  den  roten  seiner  STihne  vertauscht  hat.  Ein 
König,  zu  dem  Tredesin  hierauf  kommt,  fordert  ihn  auf,  ihm 
den  Papagei  des  Mago,  (Uinn  dessen  Bettdecke  mit  Glöckcben 
und  endlicli  den  Mago  selbst  zu  bringen. 

In  dem  einen  griec  bischen  M.  (Variante!)  legt  Skan- 
dalös drei  gohlene  Aepfel  von  den  Köpfen  der  drei  Kinder 
des  Drakos  über  sich  und  seine  (b'ei  altern  Brüder,  und  so 
schlachtet  die  Drakäna  ihre  eignen  Kindei'.  Skandalös  tritt 
dann  mit  seinen  Brüdern  l)ei  einem  Kiinig  in  Dienst,  schwän- 
gert die  Königstochter  und  muss  deshall)  dem  König  das 
Flügelpferd  des  Drakos,  dessen  Bettdecke  mit  den  Schellchen 
und  endlich  den  Drakos  selbst  bringen.  p]ine  andere  Version 
(Textmärchen)  erzählt,  dass  der  Schöne  mehrere  betrügerische 
Streiche  ausgeführt  hat,  und  dass  ihm  deshalb  der  König  be- 


')  In  Gonzenbach  Nr.  30  kommt  auch  vor,  dass  der  Held  des  M. 
auf  Anstiften  seiner  Brüder  dem  König  den  Säbel  des  Menschenfressers, 
bei  dem  er  aber  noch  nicht  gewesen  war,  und  dann  den  Menschen- 
fresser   selbst   bringen  muss   [Villemarque,   Barzaz-Breiz  10,    Merlin    3]. 

35* 


548  2ur  Märchenforschung. 

fiehlt,  das  Flügelpferd  des  Drakos,  bei  dem  der  Schöne  vor- 
her noch  nicht  gewesen  war,  die  Bettdecke  desselben  und 
endlich  ihn  selbst  zu  bringen.  In  einem  dritten  griechischeu 
M.  (Variante  2)  übernaclitet  Zenjos  mit  seinen  11  Brüderu 
beider  Lamia.  Zenjos  vertauscht  die  Decken  der  12  Töchter 
der  Lamia  mit  seiner  Decke  und  denen  seiner  Brüder,  und  so 
tötet  die  Lamia  ilire  Töchter.  Hierauf  treten  die  Brüder  bei 
einem  König  in  Dienst,  dem  Zenjos  auf  Anstiften  seiner  nei- 
dischen Brüder  die  leuchtende  Bettdecke  der  Lamia,  ihren 
Hengst  und  endlich  sie  selbst  bringen  muss.  In  einem  vierten 
M.  (Var.  3)  übernachten  9  Brüder  bei  der  Lamia,  die  eine 
blaue  Decke  über  iJire  Töcliter  und  eine  grüne  über  die 
9  Brüder  deckt.  Zozos.  tler  jüngste  der  9  Brüder,  ver- 
tauscht die  Decken,  und  die  fjamia  tiitet  ihre  Töchter.  Auf 
Anstiften  seiner  Brüder  muss  dann  Zozos  dem  König  das 
Pferd  der  Lamia,  dann  das  in  ihrem  Besitz  befindliche  Ding, 
welches  aus  Naclit  Tag  und  aus  Tag  Nacht  macht,  endlich  die 
XI  Lamia  selbst  |  bringen,  lu  einem  fünften  M.  endlich  (Vari- 
ante 4)  übernachtet  Kostanti  mit  seinen  beiden  illteru 
Brüdern  beim  Drakos  und  stiehlt  den  Ring  der  Drakäua. 
Nachher  muss  er  auf  Anstiften  der  Brüder  die  Diamantdecke 
des  Drakos,  dessen  Pferd  und  (ilocke  und  schliesslich  dm 
selbst  dem  König  bringen. 

In  dem  bretonischen  M.  übernachten  Allanic  und  ein 
Gefährte  bei  dem  Riesen  Goulaffre.  Goulaffre  tötet  seine 
beiden  Töchter,  deren  Mützen  Allanic  mit  seiner  und  seines 
Gefährten  Mütze  vertanscht  hat.  Auf  Anstiften  seines  Ge- 
fährten muss  Allanic  den  Halbmond  und  den  goldenen  Käfig, 
welche  Goulaft're  dem  König  geraubt  hatte,  dem  König  wieder 
holen  und  dann  den  Riesen  selbst  bringen.  [Sebillot  1, 
no.   19  ,La  Perle'  (entstellt).] 

In  dem  venezianischen  M.  muss  Tredesin,  der  jüngste 
von  13  Brüdern,  auf  Anstiften  einer  boshaften  Magd  für 
seinen  Herrn  die  Decke,  das  Pferd  und  den  redenden  Vogel 
des  grossen  Bären  und  endlich  diesen  selbst  stehlen. 

In  allen  diesen  M.  muss  also  der  Held  erst  zwei  oder 
mehrere    Gegenstände,     die     im    Besitz    eines    dämonischen 


39.    A.  Schiefiier,  Awarische  Texte  Nr.  3.  549 

Wesens  sincU),  dann  das  dämonische  Wesen  selbst  2)  herbei- 
schaffen, nnd  zwar  hat  in  fast  allen  M.  der  Held  früher 
einmal  im  Hause  jenes  dämonischen  Wesens  übernachtet  nnd 
durch  Vertauschung  der  Lagerstatt  oder  der  Decken  oder  der 
Kopfbedeckungen  oder  goldener  Aepfel  veranlasst,  dass  jener 
Unhold  seine  eigenen  Kinder  umbringt. 

Es  gibt  nun  aber  auch  M.,  in  denen  der  Held  oder  die 
Heldin  einem  dämonischen  Wesen,  bei  dem  sie  früher  einmal 
übernachtet  hatteu,  und  das  durch  sie,  wie  in  obigen  M., 
getäuscht  seine  eignen  Kinder  umgebracht  hatte,  mehrere 
kostbare  Gegenstände  entwenden,  nicht  aber  das  dämonische 
Wesen  selbst  herbeischaffen  müssen.  [Kamp  no.  271.  Bon- 
deson,  Sv.  F.  no.  3().  Berntsen  2,  no.  14.  Miklosich  no.  9. 
Folk-lore  Journal  2,  (SS.  Krauss  1.  no.  SO.  Jagic  no.  .')S  ^  oben 
8.  4()7.    Kaiston  p.   US.] 

In  einem  polnischen  M.  (Glii'iski  2,  5,  ins  Französische 
ül)ersetzt  von  Chodzko  S.  249)  übernachtet  Niezginek  (d.  h. 
der  Llnvernichtbare)  mit  1 1  Brüdern  bei  der  Baba  Jaga, 
deren  12  Töchter  sie  freien  wollen.  Niezginek  verstellt  die 
Betten,  in  denen  er  und  seine  Brüder  liegen,  und  die,  in 
denen  die  Töchter  der  Baba  Jaga  liegen,  und  so  werden  den 
12  Mädchen  von  dem  Znuberschwert  der  Hexe  die  Köpfe 
abgeschnitten.  Späterhin  muss  Niezginek  auf  Anstiften  seiner 
Brüder  einem  König  die  Gusla  und  das  Zauberscliwert  der 
Baba  Jaga  holen  [oben  S.  40.")]. 

Ein  tschechisches  M.  (Waldau  S.  36S)  stimmt  bei  aller 


M  feiner  dieser  Gegenstände  ist  in  allen  M.  mit  Ausnahme  des 
bretoniselien  eine  Bettdecke.  —  Wenn  Tscliilbik,  um  die  Bettdecke  der 
Kart  zu  stehlen,  vom  Dach  aus  mit  einer  langen  Lanze  die  Kart  mehr- 
mals sticht,  worauf  die  Kart  die  Decke  hinauswirft,  im  Wahne,  sie 
stecke  voll  Flöhe,  so  ist  nur  das  eine  griechische  M.  (Var.  4)  ähnlich, 
wo  der  Drakos  die  Bettdecke  vor  das  Fenster  hängt,  weil  Kostanti  durch 
das  Dach  drei  Schilfrohre  voll  Ungeziefer  auf  das  Bett  des  Drakos  ge- 
schüttet hat  [Miklosich  no.  9]. 

-)  In  dem  italienischen  und  dem  einen  griechischen  M.  legt  das 
dämonische  Wesen  sich  in  einen  Sarg,  in  dem  angeblich  sein  Feind  be- 
graben werden  soll,  um  zu  probieren,  ob  er  gross  genug  sei,  und  wird 
so  gefangen  [Gianandrea  p.  32]. 


550  Zur  Märchenforschuiig. 

Verschiedenheit  in  der  Ausführung  im  Grunde  mit  diesem 
polnischen  überein.  Prinz  Zalmir  und  seine  Brüder  über- 
nachten bei  einer  Hexe.  Zaiinir  verstellt  die  Betten,  und 
XII  die  Hexe  tütet  deshalb  ihre  |  7  Töchter.  Später  muss  Zalmir 
auf  Anstiften  seiner  Brüder  von  der  Hexe  einen  gewissen 
Vogel,  einen  Hund  und  ein  Fass  für  einen  König  holen. 

In  einem  gae lisch en  M.  (Campbell  Nr.  17)  übernachtet 
Maol  a  Chliobain  mit  ihren  beiden  älteren  Schwestern  im 
Hause  eines  Riesen.  Nachts  befiehlt  der  Riese  seinem  Burschen, 
die  Gäste  zu  töten,  aber  Maol  liat  ihre  und  der  Riesentöchter 
Halsbänder  vertauscht,  und  so  werden  die  Riesentöchter  ge- 
tötet. Später  fordert  ein  Pachter  (in  einer  Variante:  ein 
König)  Maol  auf,  ihm  des  Riesen  Kämme,  sein  Lichtschwert 
und  seinen  Bock  (in  Varianten:  seine  sprechende  Bettdecke 
und  seinen  sprechenden  goldenen  Hahn  und  seine  sprechende 
silberne  Henne,  oder:  sein  Gold  und  Silber,  ein  Lichtschwert, 
seinen  Bock,  seinen  Schild  und  seinen  Bogen  und  Köcher) 
zu   bringen  [oben  S.   1!).')]. 

Mit  dem  gaelischen  M.  stimmt  ein  irisches  M.  (P.  Kennedy 
The  fireside  stories  of  Ireland,  Dublin  1870,  S.  8).  Hier  ist 
Hairy  Ronchy,  die  jüngste  von  3  Schwestern,  die  Heldin, 
Die  Gegenstände,  die  sie  dem  Riesen  entwenden  muss,  sind 
eine  sprechende  goldene  Bettdecke,  ein  liichtschwert  und  ein 
Bock  mit  goldnen  Glocken  um  den  Hals. 

In  einem  schwedischen  M.  (aus  Dybecks  Runa  mit- 
geteilt in  der  Anmerkung  zu  Hylten-Cavallius  und  Stephens 
Nr.  8,  A)  setzt  Roll,  der  jüngste  von  8  Brüdern,  sich  und 
seinen  Brüdern  die  Hauben  der  Rieseutöchter  und  diesen 
die  Knabenmützen  auf,  und  so  teilet  der  Riese  seine  Töchter. 
Ein  König  fordert  nachher  Roll  auf.  ihm  die  goldene  Decke, 
die  AVeilinaclitsgans  und  das  über  7  Königreiche  leuchtende 
Holz  des  Riesen  zu  holen. 

Auf  Basiles  Pentanierone  3,  7.  Asbjörnsen  Nr.  1,  Hylten- 
Cavallius  Nr.  3,  Grundtvig  1,  11)4.  205,  [Kristensen  1,  no.  18, 
li).  Djurklou  ]).  1],  Kreutzwald-Löwe  Nr.  8  und  auf  das 
englische  M.  von  Jack  und  dem  Bohnenstengel  (Kletke 
Märchensaiil  2,    158)  gehe  icli   hier  nicht  näher  ein.     In  allen 


I 

I 


H9.    A.  Schiefiier,  Awarisiche  Texte  Nr.  3—4.  551' 

diesen  M.  entwendet  der  Held  oder  die  Heldin  einem  dämo- 
nischen Wesen  mehrere  kostbare  Besitztümer,  es  kommt  aber 
darin  weder  vor,  dass  das  dämonische  Wesen,  dnrch  den 
[leiden  oder  die  Heldin  getäuscht,  seine  eignen  Kinder  tütet, 
noch  dass  das  dämonische  Wesen  selbst  lebend  in  die  Gewalt 
des  Helden  oder  der  Heldin  gerät. 

Viele  der  in  dieser  ganzen  Anmerkung  genannten  M. 
stimmen  unter  sich  noch  in  besonderen  Einzelheiten  überein, 
die  ich  aber  au  dieser  Stelle  hervorzuheben  unterlasse,  da 
gerade  im  awarischeu  M.  diese  Züge  fehlen. 

4.  Der  schwarze  Nart. 

In  diesem  M.  sind  zwei  sonst  einzeln  vorkommende  M. 
verbunden,  nemlich  das  von  dem  Sohne,  der  drei  Näclite 
auf  dem  (Irabe  seines  Vaters  wacht  und  infolge  davon 
der  Gemahl  einer  Königstochter  wird,  und  das  von  den  Tier- 
schwägern. 

Von  dem  ersten  M.  habe  ich  die  mir  bekannten  Ver- 
sionen zu  Kreutzvvald-Löwe  Nr.  13  zusammengestellt,  die 
man  vergleiche.  [Bartsch  1.492.  Knoop  S.  192  no.  4.  Brug- 
mann  no.  4.  Verhdl.  der  Berliner  anthropol.  Gesellseh. 
1882,  268.     1888,  340.] 

Von  dem  M.  von  den  Tierschwägern  linden  sich  Ver- 
sionen bei  J.  A.  Buchon  La  Grece  continentale  et  la  Moree, 
Paris  1843,  S.  267  [=  Misotakis  S.  152J,  Hahn  Nr.  25, 
rionzenbach  Nr.  29,  |  Knust  Nr.  2,  Basile  Pentamerone  4,  XIII 
3  und  in  den  Volksmärchen  von  Musäus  (das  M.  „Die  drei 
Schwestern",  s.  Grimm  3,  325).  [Oben  S.  418  zu  Jagic  no.  16. 
Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  6,70  no.  29.  Pitre,  Fiabe  no.  16:  Novel- 
line pop.  tose.  no.  1.  2.  De  Gubernatis,  Florilegio  p.  212. 
Comparetti  no.  20  =  Crane  p.  342  =  Kaden  S.  134.  Fina- 
more  no.  23.  De  Nino  no.  20  (statt  der  Tiere  Veuto  Maggiore, 
Scirocco,  Sole).  Mai)ons  y  Labros  3.  no.  27.  Braga  no.  8. 
Romero  no.  1.  Coelho  n(».  16.  Mailäth  2,135.  Brugman 
no.  20.  Ralston  p.  85.  98.  Verhdlgen  der  anthropol.  (ies. 
in  Berlin  1882,  271  =  Russische  Revue  20,186.  23,158.  — 
Vgl.   auch   Cosquin  no.   40.     Wuk  no.  4.     Krauss  1,   no.  35. 


552  2^11'  Märchenfoi'^chung. 

79.  81.]  Von  diesen  M.  stimmt  das  von  Biichon  mitgeteilte 
griechische  am  meisten  mit  dem  awarischen  überein.  In  diesem 
griechischen  M.  befiehlt  ein  sterbender  König  seinen  drei 
Söhnen ,  nacli  einander  je  eine  Nacht  anf  seinem  Grabe  zu 
beten  und  seine  beiden  Töchter  den  ersten,  die  um  sie  werben, 
zu  geben.  Nachdem  der  älteste  Sohn  auf  dem  Grab  gebetet, 
kommt  ein  arm  und  elend  aussehender  Mensch  und  verlangt 
die  Hand  der  einen  Schwester.  Die  beiden  altern  Brüder 
wollen  sie  ihm  nicht  geben,  aber  der  jüngste  besteht  auf 
der  Erfüllung  des  väterlichen  Gebots.  Nachdem  der  zweite 
F^ruder  jtuf  dem  (irab  des  Vaters  gebetet,  kommt  ein  noch 
elenderer  Mensch  und  verlangt  die  zweite  Schwester,  die  er 
auch  erhält,  obwohl  die  beiden  älteren  Brüder  sie  ihm  nicht 
geben  wollen.  In  der  dritten  Nacht  betet  der  jüngste  Bruder 
auf  dem  Grab  des  Vaters.  In  der  Ferne  sieht  er  einen  hellen 
Glanz,  geht  ihm  nach  und  findet  40  Brachten,  die  einer  in 
einem  hohen  Turm  eingeschlossenen  Königstochter  nachstellen. 
Er  tötet  die  Drachen  und  wird  (iemahl  der  Königstochter. 
Nach  einiger  Zeit  entführt  ein  schwarzer  Zauberer  —  dem 
schwarzen  Nart  des  awarischen  M.  entsprechend  —  die  Neu- 
vermählte, worauf  der  Prinz  auszieht  sie  zu  suchen.  Unter- 
wegs trifft  er  iu  einem  Schloss  seine  älteste  Schwester  als 
Gemahlin  des  Königs  der  Vögel.  Der  König  der  Vögel  lässt 
alle  Vögel  zusammenkommen.  Ein  alter  lahmer  Adler,  der 
dem  hinkenden  Mausvogel  des  awarischen  M.  entspricht, 
kennt  den  Wohnort  des  schwarzen  Zauberers  und  bringt  den 
Königssohn  dahin.  Sie  treffen  die  Gemahlin  des  Prinzen  im 
Garten  des  Schwarzen  und  entfliehen  mit  ihr,  aber  der  Schwarze 
holt  sie  auf  seinem  geflügelten  Boss  ein  und  haut  den  Prinzen 
in  2  Stücke.  Der  Adler  trägt  die  beiden  Stücke  zum  König 
der  Vögel,  der  sie  zusammenlegt  und  mit  Unsterblichkeits- 
wasser begiesst,  so  dass  der  Prinz  wieder  lebendig  wird. 
Der  Prinz  zieht  weiter  und  tritt't  in  einem  zweiten  Schloss 
seine  zweite  Schwester,  als  Gemahlin  des  Königs  der  Tiere. 
Er  erfährt  von  diesem  Schwager,  wie  er  ein  dem  Flügelross 
des  Schwarzen  gleiches  Boss  erlangen  kann.  [Wuk  no.  4]. 
Ein    Berg    bringt    nemlich    alle    Jahr    ein    solches  Boss  zur 


39.    A.  Scliiet'iicr,  Awaiisclio   Texte  Nr.   4.  553 

Welt,  aber  es  ist  sehr  schwer  dem  Berg  zu  nahen  und  das 
Ross  zu  bändigen.  Der  Prinz  verschafft  sich  das  Ross  und 
entführt  damit  seine  (lemahlin  glücklich  dem  Schwarzen. 

in  dem  von  Hahn  mitgeteilten  griechischen  M.  empfiehlt 
ein  sterbender  König  seinen  drei  Söhnen,  darauf  bedacht 
zu  sein,  ihre  Scliwesterji  bald  zu  verheiraten  und  dann 
selbst  zu  heiraten,  dem  jüngsten  Sohn  sagt  er  noch  besonders 
heimlich,  er  habe  für  ihn  eine  Elfin  versteckt,  die  er 
sich  holen  solle,  wenn  seine  Schwester  und  Brüder  ver- 
heiratet seien.  Nach  dem  Tode  des  Königs  kommen  Löwe, 
Tiger  und  Adler  und  wollen  die  drei  Schwestern.  Die 
altern  Brüder  weisen  die  Freier  ab,  aber  der  jüngste 
gibt  ihnen  die  Schwestern.  Als  später  der  jüngste  Bruder 
die  verlorne  Elfiu  sucht,  kommt  er  unterwegs  zu  seinen 
Schwestern.  Diese  fragen  erst  ihre  Männer,  was  sie  anfangen 
würden,  wenn  ihre  Schwäger  kämen,  worauf  sie  antworten: 
„Die  altern  würde  ich  in  lauter  kleine  Kochstücke  zerreissen, 
den  jüngeren  auf  die  Augen  küssen",  [Jagic  no.  Ki.  Pogat- 
schnigg,  Carinthia  18G5.  399  no.  5]  —  welche  Erklärung  der 
im  awarischen  M.  |  („Die  älteren  würde  ich  an  einen  Brat-  XIV 
spiess  stecken,  dem  jüngsten  so  viel  ich  mag  Dienste  leisten") 
entspricht.  Der  Schwager  Adhn-  ruft  alle  Vögel  zusammen, 
und  ein  lahmer  Habicht  weiss,  wo  die  Elfin  weilt,  und  bringt 
den  Köinigssohn  zu  ihr. 

In  dem  siciliauischen  M.  befiehlt  ein  sterbender  König 
seinem  einzigen  Sohn,  er  solle  seine  drei  Schwestern  denen 
zu  Frauen  geben,  die  zuerst  vorüber  gehen  würden,  wenn 
drei  Nelkeuknospen  aufgeblüht  wären.  Die  Könige  der  Raben, 
der  wilden  Tiere  uml  der  Vögel  gehen  als  junge  vornehme 
Männer  vorüber  und  erhalten  die  drei  Königstöchter.  Als 
später  der  Bruder  die  schöne  Cardia  sucht,  kommt  er  unter- 
wegs zu  seinen  drei  Schwestern  und  gelangt  schliesslich  mit 
Hilfe  seiner  Schwäger  in  den  Besitz  der  schönen  Cardia. 

In  dem  von  Knust  aufgezeichneten  italienischen  M. 
soll  ein  junger  König  nach  dem  letzten  AVillen  seines  Vaters 
seine  drei  Schwestern  den  ersten  besten  geben,  die  um  sie 
anhalten  würden.     Ein  Kaminfeger,  ein  Kesselflicker  und  ein 


554  ^i^''  Märrheniorsohung. 

RegeDSchirmtrödler  verlangen  die  Königstöchter  und  erhalten 
sie.  Der  weitere  Verlanf  stimmt  so  ziemlich  mit  dem  sici- 
lianischen  M.  überein.  Sclilechte  üeberliefernng  ist  es,  wenn 
nnr  der  eine  Schwager  als  König  der  Tiere,  die  andern  nur 
als  seine   Brüder  bezeichnet  werden. 

In  Basiles  und  Musäus  M.,  die  unter  sicli  sehr  überein- 
stimmen, ist  der  Bruder  der  drei  Schwestern  erst  nach  ihrer 
Verheiratung  mit  den  drei  in  Tiere  ^)  verwünschten  Prinzen 
geboren  und  zieht,  als  er  herangewachsen  ist,  aus,  um  die 
Schwestern  aufzusuchen. 

Wenn  in  dem  awarischen  M.  die  drei  Brüder  Pfeile 
abschiessen,  um  da  zu  übernachten,  wo  diese  eindringen 
[Mailäth  2,135],  so  erinnert  dies  an  M.,  in  denen  Königssöhne 
Pfeile  abschiessen,  um  da,  wo  sie  hinfliegen,  eine  Gattin  zu 
suchen.  Siehe  Benfey  Pantschat.  1,  "261,  Hahn  Nr.  G7, 
[Ae/aiov  1,330],  Woycicki  S.  101,  Beauvois  S.  180  (fiunisches 
M.).  In  einem  russischen  M.  (Chavannes  S.  107)  schiessen 
drei  Zarensöhne  auf  Befehl  ihrt'S  Vaters  Pfeile  ab,  und  die 
Mädchen,  die  die  Pfeil(^  wiederbringen,  sollen  ihre  Gattinneu 
werden. 

Ein  sehr  eigentümlicher  Zug  des  awarischen  M.  ist  es, 
dass  der  Alte,  zu  deni  die  drei  Brüder  kommen,  ihnen  einen 
Schlauch  reicht,  den  sie,  um  gastliclie  Aufnalime  zu  finden, 
mit  Lügen  anfüllen  sollen,  und  den  die  beiden  altern 
Brüder  trotz  Lügen  und  Blasen  nicht  zu  füllen  vermögen,  in 
den  aber  der  jüngste  die  18  Schlangenohren  wirft.  Die 
Stelle  ist  in  ihrem  Zusammenliang  nicht  recht  klar,  jedenfalls 
erinnert  sie  an  das  M.  vom  Hasenhüter,  der  einen  Sack  oder 
mehrere  Säcke  (bei  Asbjörnsen:  eine  grosse  Brankufe)  voll 
Wahrheiten  oder  —  bei  Bechstein  und  Asbj(irnsen  —  voll 
Lügen  sagen  soll.  Siehe  Ammenmärchen  1,  138,  Wolf 
Hausm.  S.  142,  Bechstein  Nr.  37,  Kuhn  Westfäl.  M.  Nr.  7, 
Etlar  S.  130,  Asbjörnsen  Nr.  98,  Wenzig  S.  ()5.  [Krauss  1, 
no.  40  (eine  Mulde  voll  Worte  sprechen):  Deulin,  Contes 
dun  buveur  p.   173  (trois  sacs  de  malices)]. 

M  Bei  Masilc:  Falke,  Hirsch,  Deiidiin,  bei  Musäus:  Bär,  Adler, 
Dclnliin. 


39.    A.  Scliiefner,  Awarische  Texte  Nr.  4.  555 

Zu  der  Stelle  des  aAvariscIieu  M..  wo  die  Jungfrau  den 
zerstiiekten  Körper  des  »lüugliugs  iu  den  Quersack  und 
auf  sein  Ross  legt,  welches  ihn  zu  dem  Nart  trägt,  der  ihn 
wieder  belebt,  vergleiche  nuui  Sakellarios  Tri  KimgiaHa  3, 
173  (deutsch  im  Jahrb.  für  |  roman.  u.  engl.  Litteratur  11.  XV 
384),  Halm  Nr.  32,  Variaute  und  Nr.  Gö,  Variante  1  und  2, 
Wenzig  S.  153,  Ausland  1856,  S.  '21'2'2  (rumänisches  M.), 
Gonzenbach  Nr.  20  und  (w.  [Miklosich  no.  11.  (13).  Verhdl. 
der  Berliner  anthropol.  des.   1882,  271.] 

Wenn  der  wiederbelebte  Jüngling  sich  mit  den  Worten 
erhebt  „Ich  war  stark  eingeschlafen!"  und  der  Nart 
erwidert  „Du  warst  in  einen  unerweckbaren  Schlaf  versunken", 
so  vergleiche  man  Dietrich  S.  10:  Ach  wie  wir  lange  ge- 
schlafen haben!  —  Ihr  würdet  noch  lange  schlafen,  wenn 
ich  nicht  wäre.  S.  13:  Ach  wie  lange  ich  geschlafen  habe! 
—  Du  hättest  ewig  geschlafen,  wenn  ich  nicht  wäre.  [Vogl 
S.  43.  131,  133.  Ralston  p.  i)l.]  Wenzig  S.  153:  Ach  wie 
lange  hal)e  ich  geschlafen!  —  Du  hättest  in  Ewigkeit  ge- 
schlafen, wenn  ich  dich  nicht  aufgeweckt  hätte.  [Waldau  S. 
22,  148.]  Glii'iski  1,  33:  Wie  süss  habe  ich  geschlafen!  — 
Du  hättest  in  Ewigkeit  geschlafen  und  Gottes  Sonne  nie  mehr 
gesehen,  wenn  ich  dich  nicht  erweckt  hätte.  S.  14(1:  Ach 
wie  süss  habe  icli  geschlafen!  —  Du  schliefst  schon  den 
ewigen  unerweckbaren  Schlaf.  3.31:  AVie  süss  habe  ich  ge- 
schlafen! —  Du  hättest  in  Ewigkeit  gescldafen.  Salmelainen  1, 
148  (von  Schiefner  im  Bulletin  12,  385  angeführt) :  Oho  wie 
lange  habe  ich  geschlafen!  —  Noch  länger  hättest  du  ohne  mich 
geschlafen  [Ermans  Archiv  13,  585.  Schreck  S.  105.  127.] 
Ahlquist  Mordwinische  Grammatik  S.  102:  Ach  ich  hal)e 
lange  geschlafen!  —  Wenn  wir  dich  nicht  gefunden  liätten, 
würdest  du  für  immer  geschlafen  liaben.  Wolfs  Z.  für  d. 
Mythol.  2,  398  (M.  aus  der  Bukowina):  Ach  ich  habe  lange 
lange  geschlafen!  —  Du  hast  nicht  geschlafen,  sondern  deine 
Brüder  hatten  dich  getötet.  Diese  Beispiele  möge  genügen, 
lii  manchem  M.  kömmt  nur  der  Ausruf  des  vom  Tod  Er- 
weckten vor,  z.  B.  Wolf  D.  M.  n.  S.  S.  140:  So  fest  haben 
wir  noch   nie  geschlafen!    Hahn  Nr.    32.  Var. :    Ei  wie  lange 


556  2^11'  ^liii't'lieiiforscliung'. 

habe  ich  geschlafen!  Nr.  69:  Ach  wie  fest  haben  wir  ge- 
schhifen  und  wie  leicht  sind  wir  aufgewacht!  Gonzenbach 
Nr.  40:  Ach  wie  lange  habe  ich  geschlafen!  Radioff  3,  830: 
Ach  ich  habe  fest  geschlafen!  4,  97:  AVir  haben  lange  ge- 
schlafen! Chodzkü  bemerkt  zu  der  oben  angeführten  zweiten 
Stelle  aus  Glinski :  „Oh!  qne  j'ai  bien  dormi!  C'est  mot  pour 
mot  ce  (jue  disent  souveut  les  heros  Indiens  au  moment  oii 
ils  ressuscitent.  Voyez  la  legende  de  Savitri."  Man  ver- 
gleiche auch  Marie  de  France  Lai  d'Eliduc  V.  1066:  Dens, 
tant  ai  dormi.  [Dazu  Köhlers  Anmerkungen  1885  S.  CVIII 
Miklosich  no.  10:  „Mutter,  tief  habe  ich  geschlafen".  Halm 
"J,  274.  Schleicher  S.  59.  Oben  S.  387  zu  Meyer  no.  4.  Jones 
A:  Kropf  p.  58.  113.  Brugman  S.  400:  ,Ach  wie  hal)  ich  gut 
geschlafen!'-  , Schau  nur,  wo  du  dich  schlafen  gelegt  hast  und 
wo  du  jetzt  aufgestanden  bist!'  —  Ebd.  S.  428.  436.  Wollner, 
Volksepik  der  Grossrussen  1879,  S.  136:  .Habe  ich  aber  jetzt 
lang  geschlafen!"  Rumänisch  im  Mag.  f.  d.  Lit.  des  Ausl. 
1877,  518:  ,Ach  ich  habe  doch  lange  geschlafen!'  ,Du  würdest 
in  alle  Ewigkeit  geschlafen  haben'  .  .  .  Kremnitz  S.  211. 
Pio  p.  <S0.  Mdurier  p.  31:  , Malheur  ä  moi!  Comme  j'ai 
longtemps  dormi!'  Prym-Socin  S.  65:  ,Ah,  wer  hat  mich  aus 
diesem  langen  Schlafe  aufgeweckt?'  Schiefner,  Kalewala  S. 
80  f.  Stokes,  Ind.  F.  T.  p.  83.  Luzel,  Contes  bret.  p.  31: 
.Que  j'ai  donc  bien  dormi!'  ,Oui,  et  si  bien  dormi  (|ue,  saus 
mio  et  mon  onguent,  vous  ne  vous  seriez  jamais  reveille'. 
Ebd.  p.  79.  Luzel,  Revue  celt.  4,  43.S.  Sebillot  2,  117.  3, 
33:  ,Ah,  jai  dormi  bien  longtemps'.  Visentini  p.  45:  ,Dio 
mio,  ((uanto  lio  dormito'.  Giamb.  Basile  4,  20  b.  Pitre,  Fiabe 
2,  135;  Nov.  pop.  tose.  p.  63.  Keller,  Erzählungen  aus  alt- 
deutscheu  Hss.  1855  S.  375,  23:  ,AVie  ist  mir!  Wie  habeich 
also  lange  geslafen!' 

5.  Ohai. 

Eine  Version  des  weit  verbreiteten  M.  von  dem  Zauberer 
und  seinem  Lehrling  oder  Diener.  Vgl.  die  von  mir  in 
der  Revue  celtitpie  1,  132  (unter  III  =  oben  S.  138)  zusammen- 
gestellten M.,   zu  denen   noch  De-Gubernatis   Le  novelline  di 


39.    A.  8cliiofncr,   Awarisclie   Texte  Nr.  4     .">.  557 

Santo  Stefano,  Toi-iiio  LSIil).  no.  -ilP)  und  Hadloff  4,  157  hin- 
zuzufügen sind.  [Haltricli  -  uo.  14.  Ve(4<.enste(lt  S.  255.  257. 
Kristensen  2,  no.  4.  Bondeson  no.  (!.  Ein  Soge-Buiidel  S.  74. 
Krauss  2,  no.  lOi).  Mijatovies  p.  2(H).  215.  Brugman  S.  597. 
De  Gubernatis,  Florilegio  p.  207  (Erlenwein).  Pitre,  Otto 
Habe  no.  4;  Fiabe  no.  52.  Comparetti  no.  <))).  Pellizzari 
1,  111.  De  Nino  no.  '']b.  Visentini  no.  <S.  Braga  no.  !).  10. 
Coellio  no.  15.  J^hior  1,  H21.  Dozon  no.  Ki.  Spitta  no.  1. 
Langle,  Le  grillon  p.  <Si).     Vgl.  Cliild  2,  401  f.] 

Dem  Eingang  des  awarischen  M.,  wonach  der  nacldierige 
Zauberlehrling  durch  seinen  Vater  die  Tochter  des  Kiinigs 
zur  Frau  verlangt  und  der  König  erklärt,  er  solle  sie  er- 
halten, wemi  bei  ihm  eine  grössere  Kunstfertigkeit  als  bei 
einem  andern  Menschen  gefunden  j  werde,  ist  nur  der  Eingang  XVI 
des  M.  aus  S.  Stefano  ähnlich,  wo  ebenfalls  der  Jüngling  die 
Hand  der  Königstochter  verlangt  und  die  Königstochter  selbst 
ihm  erwidert:  Se  tu  fai  uu  rairacolo  piu  hello  di  (juesto,  io 
ti  sposo.     [Mijatovics  p.  215.] 

Wenn  im  awarischen  M.  der  Vater  des  -lünglings  sich 
ermüdet  auf  einen  Hügel  setzt  und  „Ohai''  ruft,  worauf  ein 
Mann  erscheint  und  fragt,  warum  er  ihn  gerufen  habe,  so 
kommt  in  den  parallelen  M.  [ausser  Ralston  p.  22(S;  Comparetti 
no.  G3  (Bene  mio)  JeXTior  1,  321  (14/,  äkoTl]  dieser  Zug  zwar 
nicht  vor,  wohl  aber  in  übrigens  nicht  verwandten  M.  Bei 
Gonzenbach  Nr.  23  erscheint  einem  Greis,  der  vor  Müdigkeit 
„Ohime''  senfzt,  der  Ohime,  und  Nr.  15  erscheint  bei  dem- 
selben Ausruf  der  König  Stieglitz.  Bei  Hahn  Nr.  73  und 
110  erscheint  auf  den  Ruf  „Ach"  ein  Mohr,  [Zs.  d.  V.  f. 
Volksk.  (3,  6S.] 

Wie  in  dem  awarischen  M.  der  Zauberlehrling  nach  dem 
Rate  der  Tochter  des  Zauberers  nach  jeder  Lehre  dem  Zauberer 
sagt,  er  verstehe  sie  nicht,  nnd  deshalb  endlich  vom  Zauberer 
fortgeschickt  wird,  so  antwairtet  in  dem  parallelen  serbischen 
M.  der  Lehrjunge  des  Teufels  auf  den  Rat  eines  alten  Weibes 


*)  Ich  habe  diese  Sammlung  in  den  Gröttinger  gelehrten  Anzeigen 
1870,  St.  32  besprochen  [=  oben  S.  344]. 


558  ^^^^'  ^läfolionforsolunig. 

dem  Teufel  immer,  er  liabe  noch  nichts  gelernt,  und  wird 
deshalb  auch  endlich  vom  Teufel  fortgeschickt.  In  dem 
parallelen  griechischen  M.  lernt  der  Jüngling  auf  den  Rat 
einer  Jungfrau  das  ganze  Zauberbuch  auswendig,  stellt  sich 
aber  vor  dem  Dämon,  als  lerne  er  nichts. 

6.    Hnkutschi  Chan. 

Eine  Variante  des  berühmten  M.  vom  gestiefelten 
Kater.  Zu  [den  von  mir  von  Gonzenbach  Nr.  65  nachge- 
wiesenen Fassungen^)  dieses  M.  sind  ausser  diesem  awarischen 
noch  hinzuzufügen:  NeoekXiiny.a  'AvdÄexTa,  Tonog  Ä,  (PvAlähiOr 
A\  no.  3  [töjlioi;  B,  p.  66  no.  '25],  Imbriani  La  novcllaja 
fiorentina,  Napoli  1871,  Nr.  8.  [=  2.  ediz.  1877  no.  10], 
Radioff  Proben  4,  358,  Steere  Swahili  Tales,  S.  13.  [Oben 
S.  416  zu  Jagic  no.  12.  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  6,  165.  Pitre 
no.  88  =  Crane  p.  347.  Pitre,  Nov.  pop.  tose.  no.  12. 
Finamore  no.  46.  De  Nino  no.  53.  Corazzini  no.  13.  Revue 
des  langues  rom.  3,  31)6.  Bergh  3,  lU.  Krauss  1,  no.  24.  25. 
Paasoueu,  Journal  de  la  soc.  finuo-ougr.  12,  138.  Lerch  1, 
83.  Polivka,  Archiv  f.  slav.  Phil.  19,  248  no.  <s.  (loldschmidt 
S.  los.  Riviere  p.  !)!).  Knowles  p.  186.  [.al  Behari  Day 
no.    18.] 

Dass  ein  Fuchs  die  Hauptrolle  spielt,  iiat  (Uis  awarische 
M.  mit  den  russischen,  dem  bulgarischen,  den  sibirischen,  dem 
finnischen,  dem  griechischen  und  dem  sicilianischen  überein: 
in  der  einen  norwegischen  Variante  (aus  Solöer)  und  in  zwei 
schwedischen  (aus  üpland  und  Westgothland)  ist  es  ein  Hund, 
in    dem    Suaheli    M.    ein    Gazelle,    sonst    überall    eine    Katze. 

Das  Leihen  des  Masses  zum  Geldmessen  und  das 
Steckenlassen  eines  Geldstückes  kommt  ausser  im  awarischen 
M.  auch  in  den  russischen,  in  dem  einen  sibirischen  (Radloft"  4. 
351»),  im  finnischen,  im  griecliischen  und  im  florentinischen 
vor;  in  dem  andern  sibirischen  M.  (Radioff  1,  272)  ist  eine 
Wage    an    die    Stelle    des    Maasses    getreten.      Das    Sichtot- 

^)  Schalte  daselbst  S.  242,  Z.  H>  v.  u.  ein  „Cliiuljakows  riissiselie 
M.  Lief.  3  Nr.  98:  Stepan  Bogatij"  und  lies  Z.  13  v.  u.  „den  russisclien" 
(statt:  dem  r.)  und  Z.   2  v.  u.  „der  russischen"   (statt:  des  v.) 


H9.    A.  Sfliiofncf,   A\v;irisclie  Texte   >{r'.   (i — 7.  55'.' 

stellen  des  Fuelises  oder  des  eutspreclieiideii  Tiers  kommt 
ausser  im  awarischeii  M.  aucli  im  biilgarisclieii.  im  siciliaiiisclieii, 
im  iieapolitanisclieii,  im  üoreutiiiischeii,  im  wclsc^litiroler  und 
im  Sualieli-M.   vor.     [De  Nino.  Revue  des  1.   roni.] 

7.  Der  schwarze  Fuchs.  XVII 

Vgl.  Haltrich  Nr.  3S  (von  W.  Grimm  in  die  7.  AuH.  der 
KHM  als  Nr.  IUI  aufgenommen),  Hahn  Nr.  61,  Schott  Nr.  IH. 
[Oben  S.  4:07  zu  -lagic  no.  1.  Sv.  Landsmälen  5,  1,  55  (Zs. 
f.  d.  Phil.  -22,  113).  Mourier  no.  6.  Mag.  f.  d.  Litt,  des  In- 
u.  Ausl.  1884,  374  (Fisch,  Hirsch,  Adler,  Schakal),  elxl.  2G7 
(Jonas.  Fisch)]. 

In  dem  siebenbürgische  n  M.  sind  ein  Rabe,  ein  Fisch 
und  ein  Fuchs  die  dankbaren  Tiere,  und  zwar  sind  sie 
dankbar,  weil  der  Jüngling  nicht  auf  sie  geschossen,  und  dem 
Fuchs  auch  noch  einen  Dorn  aus  dem  Fnss  gezogen  hat. 
Der  Rabe  steckt  den  Jüngling  in  eins  seiner  Eier,  der  Fisch 
verschluckt  ihn,  der  Fuchs  verwandelt  sich  in  einen  Krämer 
und  (ieu  .lüugling  in  ein  Meerhaschen,  welches  die  Königs- 
tochter dem  Krämer  abkauft  und  welches  ihr  unter  den 
Zopf  kriecht. 

In  dem  griechischen  M.  sind  die  dankbaren  Tiere  ein 
Fisch,  ein  Adler  und  ein  Fuchs.  Den  Fisch  hat  der  Jüngling 
auf  dem  Saude  gefunden  und  ins  Meer  gewälzt,  den  Fuchs 
hat  er  nicht  erscliossen,  den  Adler  hat  er  sich  ganz  auf  die- 
selbe AVeise  wie  der  Held  des  awarischen  M.  verpflichtet. 
Er  erhält  vou  den  Tieren  eine  Schuppe,  ein  Haar  und  eine 
Feder,  um  sie  im  Fall  der  Not  zu  verbrennen.  Der  Fisch 
nimmt  dann  den  Jüngling  in  seinen  Rachen,  die  Adler  tragen 
ihn  bis  zum  Himmel  hinauf,  der  Fuchs  gräbt  eine  Höhle  bis 
unter  den  Sitz   der  Prinzessin,    in  die  der  Jüngling   schlüpft. 

Im  walachischen  M.  sind  die  drei  Helfer  ein  Adler, 
dem  der  Scbweinehirt  den  lahmen  Flügel  verbunden  hat,  ein 
Fisch,  den  er  vom  Sand  ins  Wasser  geworfen,  und  der  Wald- 
geist, dem  er  seine  Not  klagt.  Der  Adler  trägt  ihn  über  die 
Wolken  empor,  der  Fisch  steckt  ihn  unter  seine  Schuppen 
und    taucht    bis    auf  den    Meeresgrund,    der  Waldgeist    ver- 


5(30  Zur  Märelienfor.^L'liung. 

wandelt    iliii    iii   eine    Rose    und    steckt   sie   der  Kaisevtocliter 
ins  Haar. 

Wenn  im  awarischen  M.  der  Jüngling  zum  Fuchs  sagt: 
„Wohlan  denn!  zerreisse  heute  den  Sack  deiner  Kunstgriffe'-', 
so  liegt  hier  eine  Anspielung  auf  die  —  bisher  allerdings, 
soviel  ich  weiss,  noch  nicht  im  Orient  nachgewiesene  —  Fabel 
vom  Fuchs  mit  dem  Sack  voll  Listen  zu  Grunde.  S. 
Grimm  Reinhart  Fuchs  S.  CLXXXVIII,  363.  42i>,  KHM.  Nr.  75 
nebst  Anmerkung.  Robert  Fahles  inedites  2,  "227,  Oosterley 
Romulus  S.  94.  [Hahn  no.91  (Fuchs  und  Igel).  Krauss  1,  no.  13 
(Fuchs  und  Igel).  Radioff  1,  215  (Fuchs  und  Kranich). 
Oben  S.  408  zu  Jagic  no.  2.     Voigt,  Ysengrimus  S.   138.] 

8.  Balai  und  Boti. 

Von  da  an.  wo  der  Königssohn  auszieht,  um  zu  erfahren, 
was  zwischen  Balai  und  Boti  vorgegangen  ist.  vergleiche  man 
die  von  Garcin  de  Tassy  in  der  Revue  Orientale  et  americaine 
4,  1 — 130  übersetzte  und  darnach  von  Liebrecht  im  Orient 
und  Occident  2,  91  ff.  auszugsweise  mitgeteilte,  aus  dem 
Persischen  stammende  hindustanische  Erzählung  und  das  vom 
Freiherrn  von  Haxthausen,  Transkaukasia  1,  320 — 327,  nach 
mündlicher  üeberlieferung  erzählte  persische  M.  (wiederholt 
in  Benfeys  Pautschat.  1,  445  ff'.). 

In  der  hindustanischen  Erzählung  giebt  die  Königstochter 
XYIII  ihren  Freiern  die  Frage  auf:  |  „Was  hat  Gül  (Rose)  dem 
Sanaubar  (Cypresse)  gethan?''  und  wir  erfahren  dann,  dass 
Sanaubar  ein  König  und  Gül  seine  Gemahlin  ist.  In  dem 
persischen  M.  fragt  die  Königstochter:  „Was  hat  die  Senoba 
dem  Gül,  und  was  hat  Gül  der  Senoba  gethan?'-'  Hier  ist 
Gül  ein  Knecht  Salomons  und  Senoba  Güls  Weib. 

Wie  im  awarischen  M.  der  Königssohn  von  einem  Adler 
zu  Baiais  Burg  getragen  wird,  so  wird  in  der  hindustanischen 
Erzählung  Almas  von  dem  Vogel  Simorg  in  das  Land  Sanaubars 
getragen,  und  zwar  tragen  in  beiden  Erzählungen  die  Vögel 
den  Königssohn  aus  Dankbarkeit  dafür,  dass  er  eine 
Schlange    getötet    hat.     die    die    Jungen    der   Vögel   fressen 


39.    A.  Schiefiier,  Awarische  Texte  Nr.   7—8.  561 

wollte  ^).  In  dem  pcisischeu  M.  gelaugt  der  Held  zu  Fuss  iu 
Salomous  Garten. 

Ganz  eigeutümlicli  dem  awari.sclieu  M.  ist  die  Wunscii- 
peitsehe  des  Balai,  und  dass  Balai  seiner  Erzählung  wieder- 
holt refraiuartig  die  AVorte  „AVenn  er  zurückkehrt,  werde  ich 
dem  Freunde  einen  Pfeil  nachsenden"  einschaltet  und  dann 
wirklich  dem  Königssohu  einen  Pfeil  nachsendet. 

Das  Alittel.  welches  Balai  anwendet,  um  sich  wach  zu 
halten,  nämlich  dass  er  sich  in  den  Daumen  sclmeidet  und 
Salz  darein  streut,  wendet  zwar  Sanaubar  in  der  liindusta- 
nischen  Erzählung  nicht  an;  allein  in  einem  andern  hindusta- 
nischen  Roman,  nämlich  in  dem  unten  S.  XIX  erwähnten 
Roman  von  Taj-ulmuluk  und  Bakawali,  schneidet  Taj-ulmuluk 
unter  fast  gleichen  Umständen  sich  iu  einen  Finger  und  streut 
Salz  darein  (S.  93  der  Uebersetzung  G<ircin  de  Tassys.) 
[Stokes,  Ind.  F.  F.  p.   174.     Brugman  S.  8ß4.  525:  Dornen.] 

Zu  dem  im  Eingang  des  awarischen  M.  vorkommendeTi 
Ringkampf,  in  welchem  die  Krmigstochter  ihre  Freier  dadurch 
besiegt,  dass  sie  ihren  Busen  entblösst.  vergleiche  man  ein 
Märchen  in  1001  Nacht  (Bresiauer  Uebers.  J5.  2 1(5.  J.  Scott 
Tales  etc.  1,  159),  wo  eine  Prinzessin,  die  nur  den.  der  sie 
im  Zweikampf  zu  Pferde  besiegt,  heiraten  will,  einen  Prinzen, 


M  Eben  deshalb  tragen  bei  Radlott'  4,  32  die  alten  Züziilü -Vögel 
und  daselbst  S.  117  die  Adler-Mutter  den  Helden  über  ein  grosses  Meer. 
[Stokes,  Ind.  F.  T.  p.  182.  288,  ».  Cosquin  zu  jio.  52].  Bei  Frere  Nr.  1 
tragen  die  jungen  vor  der  Schlange  geretteten  Adler  selbst  den  Helden 
in  eine  ferne  Gregend.  In  Nr.  2  unserer  awarischen  M.,  in  dem  in  der 
Anmerkung  dazu  angeführten  griechischen  M.,  bei  Haltrich  Nr.  17,  bei 
Yogi  Slavou.  Yolksni.  S.  110,  bei  Kadloff  3,  317  tötet  der  Held  in  der 
unterirdischen  Welt  eine  Schlange  oder  einen  Drachen,  welche  die 
Jungen  von  Adlern  oder  andern  grossen  Vögeln  fressen  wollen,  bei 
Gaal  M.  der  Magyaren  S.  101  beschützt  er  die  Eier  eines  Greifen  vor 
dem  Hagel,  bei  Yernaleken  Nr.  54  füttert  er  blos  junge  Adler,  und 
deshalb  wird  in  allen  diesen  M.  der  Held  von  den  alten  Yögeln  zur 
Oberwelt  emporgetragen.  In  Nr.  7  unserer  awarischen  M.  und  in  dem 
in  der  Anmerkung  verglichenen  griechischen  M.  tötet  ein  Jüngling 
ebenfalls  eine  Schlange,  die  junge  Adler  fressen  will,  und  wird  deshalb 
später  von  den  alten  Adlern  in  die  Lüfte  emporgetragen,  damit  ihn  die 
Königstochter   nicht  finden  soll. 

R.  Köhler,  Kl.  Schriften  I.  36 


^Q2  Zur  Märchenforschung. 

der  nahe  daran  ist,  sie  zu  besiegen,  endlich  doch  dadurcli  be- 
siegt, dass  sie  sich  plötzlich  entschleiert. 

9.  Bruder  und  Schwester. 

Vgl.  Hahn  Nr.  6d,  wo  aber    der  Bruder  schliesslich   die 

Schwester,    die    eine    Strigla    ist,    tödtet.      [JeATior    1,    809. 

Mijatovics  p.  "256.  Ralstouip.  170;  Academy  18S3,  June  p.  4:50c 

(ossetisch).     Seidlitz,    Ausland    18S3    no.    8,    5  (Karatschai).] 

XIX  10.   Das  Mädchen,  das  König  war. 

Vgl.  Grimm  Nr.  97,  Wolf  HM.  S.  54,  Meier  Nr.  5,  Sim- 
rock  Nr.  47,  Vernaleken  Nr.  52  und  53,  Zingerle  2,  225, 
Pröhle  KM  Nr.  29,  (sehr  entstellt),  Schleicher  S.  26,  Toppen 
S.  154,  Etlar  S.  1,  Hylten-Cavallius  Nr.  9,  Campbell  Nr.  9, 
Gonzenbach  Nr.  (M  und  das  ungarische  M.  aus  Merenyis 
Sammlung  bei  E.  Teza  I  tre  capelli  del  nonno  Satutto,  Bo- 
logna 18()().  S.  21.  [Oben  S.  422  zu  Jagic  no.  27.  Zs.  d. 
V.  f.  Volksk.  (').  1()5.  Brugman  S.  532  zu  no.  S.  Vecken- 
stedt  S,  75.  79.  211.  Philo  vom  Walde  S.  71.  Knoop  no. 
13.  15.  Bergh,  Sogur  S.  28:  Nye  Folke-eventyr  S.  20. 
(Soge-Bundel  S.  35).  Berntsen  1,  no.  1  (gehört  teilweise  zu 
Schiefner  no.  3).  Sv.  Landsmälen  5,  1.  67.  Kristensen  1, 
no.  24  (Prinsessen  i  Arabien)  und  25  (Prins  Karl);  vgl.  2, 
110.  18.  Finamore  no.  29.  Nerucci  no.  46.  Comparetti 
no.  37.  Ivdiuero  p.  91  (entstellt).  Kremnitz  no.  20. |  Alle 
diese  M.  sind  Varianten  eines  und  desselben  M.,  welches 
man  bezeichnen  kann  als  „das  M.*  von  den  drei  Königs- 
sölinen.  die  nach  einem  Heilmittel  für  ihren  Vater 
ausziehiMi,  und  von  der  schönen  .Jungfrau  (Königstochter, 
Fee),  mit  web-her  der  jüngste  der  Königssöhne,  während  sie 
im  Schlaf  liegt,  der  Liebe  pllegt."  Das  M.  findet  sich  auch 
als  dänisches  und  schwedisches  Volksbuch  von  dem  König 
von  F^ngland  und  seinen  drei  Söhnen  Artus.  Karl  und  Wil- 
helm —  auch  handschriftlicli  isländisch  — ,  s.  Nyerup  Almindelig 
Morskabsläsning  S.  227,  Bäckströin  Svenska  Folkböcker  2, 
Oefversigt  S.  7,  Hylten-Cavallius  och  Stephens  Svenska  Folk- 
Sagor  och   Aefventyr  S.    151   und   166.     Dem  hindustanischen 


39.   A.  Sehiefner,  Awarische  ^laichen   Xr.  9—11.  5(53 

von  (Jarciii  de  Tassy  übersetzten  Roman  „Taj-ulmuluk  und 
F.akavvali"  von  Nilial  Cli;in(U)  liegt  das  M.  ehenfalls  zu 
(irunde.  Auch  die  Erzäliluug  der  1001  Nacht  (Breslauer 
Uebersetzung,  Bd.  11,  185)  von  Aladin.  dein  Solin  des  Sultans 
von  Jemen,  und  seinen  zwei  ßrüdern  gehört  hierher.  [Cos(|uin 
1.  217  zu  no.   19.] 

Das  awarische  M.  hat  vieles  Eigentümliche. 

Wie  im  awarischen  M.  der  König  zu  dem  ältesten  Sohn 
sagt:  „Zu  der  Stelle,  zn  welcher  du  gelangt  bist,  bin  auch 
ich  in  der  Jugend  gelangt,  bevor  die  ans  Feuer  gestellten 
Mehlklösse  gar  wurden",  und  zu  dem  zweiten:  ,,Zu  der  Stelle, 
zu  welcher  du  gelangt  bist,  bin  auch  ich  in  der  Jugend  ge- 
langt, bevor  man  eine  Pfeife  ausrauchen  konnte",  so  sagt 
ähnlich  bei  Schott  Nr.  17  ein  König  zu  seinen  beiden  ältesten 
Söhnen:  „Wenn  ihr.  um  in  jene  Stadt  zu  gelangen,  ein  ganzes 
Jahr  gebraucht  habt,  so  könnt  ihr  n(M  li  nicht  heiraten:  denn 
ich  ritt  in  einem  hall)en  Tag  cUihiu". 

11.   Held  Xasnai. 

Vgl.  die  Erzäldung  in  des  Martin  Montanus  Wegkürzer, 
Strassburg  1557,  Bl.  18 — 25  (wiederholt  in  der  ersten  Aus- 
gabe des  (iriminschen  KHM.  Nr.  20,  1  =  „Sieben  auf  einen 
Streich  geschlagen!")  [Niederdeutsches  Jahrbuch  20.  185] 
(irimm  KHM..  2.  und  fidgende  Aufl..  Nr.  20  (Sieben  auf 
einen  Streicli!"),  Zingerle  2,  12  („Schneider  Freudenreich 
schlägt  siel)en  auf  einen  Streich!")  und  108  („Sieben  auf 
einen  Streich!"),  Schönwertii  2,  280  („Sieben  auf  einen  Schlag. 
wer  I  maclit  es  mir  nach?"),  Sutermeister  Kinder-  und  Haus-  XX 
märchen  aus  der  Schweiz.  2.  vermehrte  Aufl..  Aarau  1S73, 
Nr.  80  („Sibe  tödt  in  eim  Streich  ohni  Zorn!"),  das  von 
(iriinm  KHM.  3,  31  zum  Teil  abgedruckte  holländische  Volks- 
buch viin  Klein  Kobisje  („Ick  heet  Kol)isjen  den  oiiversagden, 
ick  sla  der  seven  met  eeneii  Slagir'),  das  M.   aus  der  Buko- 


*)  La  doctrine  de  l'amour  ou  Taj-ulniuluk  et  Bakawali,  ronian  de 
Philosophie  religieiise,  par  Xihal  Chand  de  Delhi,  traduit  de  l'Hindoustani 
par  M.  Garcin  de  Tassy.  Paris  1858  (Sonderabdruck  a>is  der  Revue 
d'Orient  von   1858.) 

36* 


5ß4  ^^^^'  ^li'fchenforschung. 

wiua  in  Wolfs  Zeitselir.  2,  203  („Sieben  Seelen  auf  einmal!"), 
Pröhle  KM  Nr.  47  („Ich  habe  neun  im  Unzorn  erschlagen!"), 
Vonbuu  Sagen  Voralbergs  Nr.  70  („Zehn  unter  einem  Streich  er- 
schlagen"), das  dänische  Volksbuch,  über  welches  Nyerup  Almin- 
delig  Morskabsläsning  S.  241  kurze  Nachricht  giebt  (der  Schuster- 
gesell tödtet  hier  15  Fliegen  auf  einen  Sclilag),  Kuhn  mär- 
kische M.  Nr.  11  („Rechts  zwölfe,  links  elfe!"  steht  auf  den 
beiden  Seiten  des  Hirschfängers  des  Schneiders),  Birlinger  1, 
356  („Vier  und  zwanzig  auf  einen  Schlag!"),  Grimm  KHM. 
erste  Ausg.  Nr.  20,  2,  („Neun  und  zwanzig  auf  einen  Streich !"), 
Meier  Nr.  37  („Ich  habe  ohne  Zorn  dreissig  totgeschlagen 
auf  einen  Streich!"),  Hahn  Nr.  23  („Mit  einem  Schlage  habe 
icii  vierzig  getötet!"),  Gaal-Stier  Nr.  11  („Ich  bin  der,  der 
liundert  auf  einen  Streich  todtgeschlagen  hat!").  Schneller 
Nr.  53  und  54  („Htuis  der  Starke,  welcher  hundert  und 
darüber  erschlagen  hat!  —  „Der  starke  Hans,  welcher  mit 
einem  Streich  sieben  verwundet  und  hundert  erschlagen  hat!"), 
Gonzenbach  Nr.  41  („500  Todtc  und  300  Verwundete"), 
Imbriani  La  novellaja  milanese,  Bologna  1872,  S.  25,  2(i,  27 
und  42  =  II  Propugnatore,  Vol.  3,  P.  2,  Pg.  200,  201,  202 
und  499  („lo  sono  il  ca])0  gnerriero  delle  mosche,  ([uattro- 
eento  n'ho  ammazate  e  Cinquecento  n'lio  fcrite!"  —  „(Jon  una 
mano  ne  masso  cin(|uecento".  —  „Cent  i  ho  mazzaa  e  cent  i 
ho  de  mnzzä."  —  „Giovanni  Vedino  nlia  nuizzaa  cincent  in 
d'on  colp  sol:  eont  pusee  ghen  fuss  sta;!,  cont  i)usee  ne 
averia  mazzaa.")  [Cosquin  no.  8.  Köhler,  Zs.  d.  V.  f.  Volksk. 
(),  IC)  zu  Gonzenbach  no.  41.  Bartsch  1,  501  no.  14  (Fünfzig 
auf  einmal).  Hansen,  Zts.  f.  schlesw. -holst.  Gesch.  7,  225 
no.  5  (24  Mann).  Pogatschnigg,  Carinthia  18()5.  356  no.  4 
(99).  Schuleuburg  S.  23  (7  Mann).  Veckenstedt  S.  214. 
Krauss  1,  no.  94  (50).  Goldschmidt  S.  130  no.  15.  Chavannes 
S.  123.  Naake  p.  22.  Miklosich  no.  3  (100  Seelen).  Im- 
briani, Nov.  fior.  no.  45.  De  Nino  no.  43  (200—365). 
Gianainlrea  no.  7  (Giuanni  Ben  forte,  che  a  cinque  cento  diede 
lamortej.  Hibl.delastrad.  esp.  1, 121  (Meta-siete-de-un-trompon). 
Braga  no.  79  (sete  de  una  vez).    Romero  no.   18  (Jorio  Gura- 


39.    A.  Scliiefner,  Awarische  Märchen  Nr.  11 — 12.  565 

mete  che  de   um  golpe  meton  sete).     Sv.   Laiidsm.    1884,  A, 
S.  26  (7).] 

In  allen  die.sen  M.,  mit  Ausnahme  des  M.  aus  der  Ober- 
pfalz, erschlägt  der  Held  des  M.  —  meist  ein  Schneider 
oder  ein  Schuster  —  eine  Anzahl  Fliegen  und  bringt  dann 
eine  darauf  bezügliche  Inschrift  an  seinem  Hute  dder  sonst 
wo  an  oder  rühmt  sich  auch  nur  mündlich  der  That.  Die 
betreffenden  AVorte  sind  jedem  der  M.  in  Parenthese  mit 
Gänsefüsschen  beigefügt,  nur  nicht  dem  dänischen,  da  Nyerup 
sie  nicht  angiebt.  In  dem  M.  aus  der  Oberpfalz  tötet  der 
Schneider  selbst  keine  Fliegen,  er  findet  nur  ein  rotes  Band 
mit  der  Inschrift  „Sieben  auf  einen  Schlag,  wer  macht  es 
mir  nach?"  und  bindet  es  sich  um. 

Fast  alle  M.  sind  auch  im  weiteren  Verlauf  dem  awa- 
rischen  ähnlich,  insofern  der  Fliegentödter  scheinbar  Proben 
von  grosser  Stärke  und  Tapferkeit  ablegt,  und  zwar  gegen 
wilde  Tiere,  Kiesen  und  feindliche  Heere,  wie  Held  Nasnai 
gegen  den  Drachen,  die  drei  Narten  und  das  ungläubige  Heer 
siegreich  ist. 

Wie  im  awarischen  M.  die  drei  Narten  unter  dem  Baum, 
auf  welchen  Nasnai  geflohen  ist,  in  Streit  geraten  und  sich 
selbst  erschlagen,  so  auch  die  drei  Riesen  [bei  Schulenburg] 
im  AYegkürzer  und  im  holländischen  Volksbuch,  aber  während 
die  drei  Narten  darüber  streiten,  ob  Nasnai  zu  fürchten  sei, 
geraten  die  drei  Riesen  dadurch  in  Streit,  dass  der  im  Baum 
über  ihnen  |  sitzende  Schneider  Steine  auf  sie  wirft  und  sie  XXI 
dadurch  aus  dem  Schlaf  erweckt,  und  sie  sich  nun  gegenseitig 
beschuldigen  geworfen  zu  haben. 

12.  Die  schöne  Jesensiilchar. 
Vgl.  das  M.  von  den  beiden  neidischen  Schwestern  in 
1001  Nacht,  Hahn  Nr.  69,  NeoeXX^iviyA  \4vdhxTa  1,1,  Nr.  4, 
Straparola  4,  3,  Imbriani  La  novellaja  fiorentina,  Napoli  1871, 
Nr.  6  und  e^iis,  Gonzenbach  Nr.  5,  De-Gubernatis  Nr.  16, 
Schneller  Nr.  26,  F.  Maspons  y  Labros  Lo  Rondallayre, 
quentos  populars  catalans,  Barcelona  1871,  Nr.  14,  (S.  60) 
und  Nr.  25  (S.  107),  Gaal  S.  390,  Pröhle  KM  Nr.  3,  Wolf  HM 


56ß  Zur  Märchenforsclumg. 

S.  16S,  Veriialeken  Nr.  34  =  Peter  2,  195),  Zingerle  2,  11-2 
uud  157,  Meier  Nr.  72,  Frominaun,  Die  deutschen  Mund- 
arten 4,  2G8,  Grimm  Nr.  96.  [Köhler,  Melusine  1,  213  = 
oben  S.  143,  zu  Jagic  no.  25  =  oben  S.  422,  zu  Blade  1, 
66  =  oben  S.  118,  Zs.  d.  V.  f.  Volksk.  6,  (50,  uo.  5,  Cosquin 
zu  no.  17,  Prato,  Quattro  novelline  pop.  no.  2,  Finamore  no.  39, 
Caballero  p.  71,  Dozon  no.  2,  Kristensen  1,  no.  23,  Ausland 
188,  747,  Lal  Beliary  Day  no.  li),  Riviere  p.  71,  Socin,  Zs. 
d.  dtsch.  morgenl.  Ges.  36,  259  (Zelt  :=  Himmel,  Teppich  = 
Erde,  gold-  und  silberlockiger  Sohn),  Spitta  no.   IL] 

AVeim  im  Eingang  des  awarisclieu  M.  der  König  drei 
Schwestern  belauscht,  von  deiieu  die  eine  sagt:  „Wenn  der 
König  mich  zur  Frau  ]iähme,  würde  ich  aus  einer  Wollflocke 
so  viel  Tuch  weben,  dass  man  damit  das  ganze  Heer  bekleiden 
könnte,"  die  zweite:  ,.lcli  würde  mit  einem  Maass  Mehl  das 
ganze  Heer  sättigen,"  die  dritte:  „Ich  würde  dem  König  einen 
Sohn  mit  Perlenzähnen  und  eine  Tochter  mit  goldenen  l^ockeu 
gebären"  [vgl.  Prato  1880  p.  9S  und  Zs.  d.  Y.  für  Volksk.  5, 
377],  —  so  stimmt  von  den  oben  genannten  M.  am  meisten 
das  sicilianisclie,  wo  der  König  hört,  wie  drei  Schwestern  beim 
Spinnen  sich  unterhalten  und  die  eine  sagt:  „Wenn  ich  den 
Königssoll n  zum  Manne  bekäme,  so  wollte  ich  mit  vier  Gran 
Brot  ein  ganzes  Regiment  sättigen  (Variante:  mit  einem  Stück 
Tuch  die  ganze  Armee  bekleiden),  und  es  sollte  noch  übrig 
bleiben."  die  zweite:  „Ich  wollte  mit  einem  Glas  Wein  einem 
ganzen  Regiment  zu  trinken  geben,  und  es  sollte  noch  übrig 
bleiben,"  die  dritte:  „Ich  wollte  ihm  zwei  Kinder  gebären, 
einen  Knaben  mit  einem  goldenen  Apfel  in  der  Hand  und 
ein  Mädchen  mit  einem  goldenen  Stern  auf  der  Stirn."  Bei 
Pröhle  sagt  das  eine  Hirtenmädchen  beim  Vorübergehen  vor 
dem  Königsschloss:  „Wenn  mich  der  König  zur  Frau  nähme, 
ich  w(jllte  allen  Soldaten  neue  Hemden  geben,"  die  zweite 
Schwester:  „Ich  w(dlte  ihnen  .lacken  und  Hosen  geben,"  die 
dritte:  „Ich  brächte  ihm  drei  Kinder  zur  Welt  mit  goldenen 
Kreuzen  auf  der  Stirn."  Bei  Zingerle  2,  158  sagt  die  eine 
von  den  drei  Töchtern  eines  Bauern,  bei  dem  ein  Ritter  über- 
nachtet:   „Wenn  ich  einen  so  sch(inen  IMuiui   bekiime,  müssten 


39.    A.  Schiefiier,  Awarisolie   Märchen  Nr.   12.  567 

meine  Kinder  werden  wie  Milch  und  Blut,"  die  zweite:  „Meine 
Kinder  müssten  lieblicher  aussehen  als  Schnee  und  Wein,"  die 
jüngste:  „Ich  müsste  Kinder  kriegen  so  schön  wie  weiss'  und 
rote  Rosen,  und  ihre  Haare  müssten  sein  wie  von  pnrem 
Golde!"  Bei  Straparola  hört  ein  Höfling,  wie  die  eine  von 
drei  BäckerstTtehtern  sagt:  „Se  io  havessi  il  maestro  di  casa 
del  re  per  mio  marito,  mi  dö  (|uesto  vanto,  che  io  con  un 
bicchiero  di  vino  satiarei  tutta  la  sua  corte,"  die  zweite: 
„E  i(i  mi  do  questa  lode  che  se  io  havessi  il  secretissimo 
(uxraeriere  del  re  per  marito,  farei  tanta  tela  con  un  fuso  del 
mio,  che  di  bellissime  e  sottilissime  camiscie  fornirei  tutta  la 
sua  Corte,"  die  dritte:  „Ed  io  mi  lodo  di  questo,  che  se  io 
havessi  il  re  per  mio  |  marito,  gli  farei  tre  hgliuoli  in  un  XXII 
medesimo  parto,  due  machi  e  una  femina,  e  ciascuno  de  loro 
haverebbe  i  capelli  giü  per  le  spalle  annodati  e  mischi  coa 
finissimo  oro  e  una  collana  al  colle  e  una  Stella  in  fronte." 
Bei  Imbriani  Nr.  (!  hört  der  Koch  des  Königs  drei  Schwestern 
sich  unterhalten,  die  eine  sagt:  „Se  Sua  Maestä  mi  desse  per 
moglie  al  suo  scudiero,  (pianto  sarebbon  meglio  le  cose!"  — 
die  andere:  „Oh  me,  se  mi  desse  al  suo  maestro  di  casa, 
quanto  gli  andrebbon  meglio  le  cose!"  —  die  jüngste:  „Oh, 
se  Sua  Maestä  mi  sposassi,  io  gli  farei  tre  figii:  due  maschi 
ed  una  femmina;  i  maschi  di  latte  e  sangue  e  i  capelli  d'oro, 
e  la  femmina  di  latte  e  sangue  e  i  capelli  d'oro  e  una  Stella 
in  fronte."  In  dem  M.  der  1001  Nacht  sagt  die  eine  der 
drei  vom  Sultan  belauschten  Schwestern:  „Ich  wünsche  mir 
den  Bäcker  des  Sultans  zum  Mann,  ich  wollte  mich  recht  satt 
essen  in  dem  Sultans-Brot,"  die  zweite:  „Ich  wünschte  die 
Frau  des  Oberkochs  des  Sultans  zu  sein,  da  würde  ich  leckere 
(ierichte  essen,"  die  jüngste:  „Ich  wünsche  die  Gemahlin  des 
Sultans  zu  sein,  ich  würde  ihm  einen  Sohn  schenken  mit 
goldenen  Haaren  auf  der  einen  und  silbernen  auf  der  andern 
Seite,  dessen  Tliränen,  wenn  er  weinte,  als  Perlen  aus  seinen 
Augen  fielen  und  dessen  Lippen,  wenn  er  lachte,  einer  Rosen- 
knospe glichen."  Bei  Hahn  Nr.  ()9  (aus  Syra)  belauscht  der 
Königssohn  drei  Schwestern,  die  eine  sagt:  „Ich  wollte,  ich 
hätte  den  Koch  des  Königs  zum  Mann,   um  von   allen    guten 


5ß3  Zur  Märehenforschung. 

Sachen  seiner  Tafel  zu  essen,"  die  zweite:  „Ich  wollte  lieber 
seinen  Schatzmeister,  damit  ich  Geld  vollauf  hätte,"  die 
jüngste:  „Wenn  ich  den  Sohn  des  Königs  zum  Mann  hätte, 
so  würde  ich  ihm  drei  Kinder  gebären,  Sonne,  Mond  und 
Morgenstern."  [Vgl.  Pitre  1,  330.]  In  der  Variante  aus  Epirus 
sagt  die  eine  Schwester:  „Ich  wollte,  ich  sässe  an  der  könig- 
lichen Tafel,  wie  sollte  es  mir  da  schmecken!'  —  die  zweite: 
„Ich  wollte,  ich  wäre  in  dem  königlichen  Schatze,  wie  viel 
Geld  wollte  ich  da  holen!"  —  die  dritte:  „Ich  wollte,  ich 
hätte  den  Königssohn  zum  Mann,  denn  ich  würde  ihm  dann 
ein  Knäbchen  und  ein  Mädchen  gebären,  so  schön  wie  der 
Morgenstern  und  Abendstern"  (Variante  aus  lüuböa:  „Ich 
wollte  ihm  drei  goldne  Kinder  gebären").  In  dem  M.  in  den 
NeoEkhjvtxä" ÄvdlexTa  sagt  die  eine  Schwester:  „Ich  wollte, 
ich  hätte  den  oijuitC^  des  Königs,  damit  ich  sein  Backwerk 
recht  heiss  essen  könnte,"  die  zweite:  „Ich  wollte,  ich  hätte 
den  Koch  des  Königs,  damit  ich  von  allen  Speisen  des  Königs 
essen  könnte",  die  jüngste:  „Ich  wollte,  ich  hätte  den  König, 
damit  ich  alles  Schöne  liätte,  ich  würde  ihm  auch  drei  Kinder 
gebären,  Sonne,  Mond  und  Stern."  Bei  Gaal  S.  390  wünscht 
die  eine  der  vom  König  belauschten  Bäckertöchter  den  Leib- 
kutscher des  Königs,  die  zweite  den  Jäger  des  Königs,  die 
dritte  sagt,  sie  wünsche  den  König  selbst  und  werde  ihm  drei 
Kinder  gebären,  jedes  mit  einem  Stern  auf  der  Stirn  und  mit 
goldeuen  Haaren.  Bei  De-Gubernatis  Nr.  16  sagt  die  älteste 
von  drei  Försterstöchtern:  „lo  sposerei  volentieri  il  cuoco 
del  re,"  die  zweite:  „E  io  il  palafreniere,"  die  dritte:  „Ed 
io  il  re,  e,  s"  ei  mi  pigliasse,  gli  farei  ad  un  parto  due  iigli 
ed  una  figlia,  con  una  Stella  sul  fronte  e  con  capelli  d'oro." 
Einer  der  Gendarmen,  die  auf  Befehl  des  Königs  die  Gespräche 
der  Leute  in  ihren  Häusern  behorchen  müssen,  meldet  dies 
dem  König.  In  dem  einen  katalonischeu  M.  (S.  107)  sagt 
eine  von  drei  Schwestern,  als  gerade  der  Königssohn  vorbei 
XXIII  geht:  „Wenn  ich  mich  verheiratete,  |  würden  meine  Kinder 
einen  Stern  auf  der  Stirn  bekommen."  In  dem  M.  aus  der 
Grafschaft  Mark  in  Frommanns  Deutschen  Mundarten  hört 
ein  König,    wie    ein  Mädchen    zu   andern  sagt:     „Wenn   mich 


39.    A.  Schiefner,  Awarische  Märchen  Xr.  12.  569 

der  König  nähme,  so  würden  wir  Zwillinge  bekommen,  einen 
Jnngen  mit  einem  goldenen  Stern  anf  der  ßrust  nnd  ein 
Mädchen  mit  einer  goldnen  Kette  um  den  Hals."  Bei 
Schneller  ISr.  26  und  Grimm  Nr.  96  sprechen  die  Mädchen 
nur  Wünsche,  aber  keins  eine  Verheissung  aus.  Bei  Schneller 
wünscht  die  eine  der  vom  König  belauschten  Schwestern  den 
Mundbäcker  des  Königs  znm  Mann,  die  zweite  den  Koch,  die 
dritte  den  Königssohn.  Bei  Grimm  hüten  drei  Schwestern 
ihre  Kühe,  und  als  der  König  mit  Gefolge  vorüber  znr  Jagd 
zieht,  weist  die  älteste  auf  den  König  und  ruft  den  Schwestern 
zu:  „Wenn  ich  den  nicht  kriege,  so  will  ich  keinen!"  Die 
beiden  andern  weisen  auf  die  beiden  Minister,  die  auf  beiden 
Seiten  des  Königs  gehen,  nnd  rufen  die  nämlichen  Worte. 

Ausserdem  vergleiche  man  zu  dem  Eingang  des  awa- 
rischen  M.  auch  noch: 

1.  Bechstein  Deutsches  Märclienbiich,  Leipzig  1845,  S.  '250 
(Der  Knabe  mit  den  goldenen  Sternlein).  Hier  belauscht 
ein  Graf  drei  Mädchen,  von  denen  die  eine  sagt,  wenn  der 
Graf  sie  zum  Weib  nähme,  so  wollte  sie  ihm  die  leckersten 
Speisen  kochen,  die  zweite,  sie  wollte  ihn  und  seine  Kinder 
recht  gut  warten  und  pflegen,  die  dritte,  sie  wollte  ihm  zwei 
Knaben  mit  goldnen  Sternlein  auf  der  Brust  gebären. 

2.  Folgende  unter  einander  parallele  M.:  Glinski  2,  46 
[Godiu  S.  1(35,  Schreck  no.  11],  Ermans  Archiv  13,  580  (fin- 
nisches M.)  und  das  russische  M.  in  Alexander  Puschkins 
Poetischen  Werken,  übersetzt  von  F.  Bodenstedt  1,  47.  In 
dem  polnischen  M.  sagen  drei  Schwestern:  „Wenn  mich  der 
König  zur  Frau  nähme,  würde  icli  mit  einem  Kloss  das  ganze 
Heer  speisen"  —  „Ich  würde  mit  einem  Faden  das  ganze 
Heer  kleiden"  —  „Ich  würde  im  ersten  Jahr  zwei  Söhne  ge- 
bären, jeden  mit  einem  Mond  auf  der  Stirn  und  mit  Sternen 
auf  dem  Kopf."  In  dem  finnischen  M.  sagen  die  Schwestern: 
„Ich  würde  aus  drei  Flachsfasern  für  alle  Bewohner  der 
Königsburg  Hemden  machen"  —  „Ich  würde  aus  drei  Weizen- 
körnern für  alle  Bewohner  der  Burg  Brot  backen"  —  „Ich 
würde  in  drei  Niederkünften  jedesmal  drei  Söhne  gebären." 
Bei  Puschkin  will  die  eine  Schwester,  wenn  sie  Zarin  würde. 


570  2ur  Märchenfurfichung. 

der  ganzen  Welt  ein  Fest  geben,  die  andre  der  ganzen  AVeit 
Leinwand  weben,  die  dritte  dem  Zaren  einen  Heldensohn 
gebären. 

3.  Folgende  unter  sich  parallele  M. :  Gaal- Stier  Nr.  7, 
Ausland  1858,  S.  118  (rumänisches  M.),  Schott  Nr.  8,  Halt- 
rich  Nr.  1.  [Oben  S.  42'2  zu  Jagic  no.  26,  vgl.  Archivio  3, 
372  no.  10.]  In  dem  ungarischen  M.  sagen  drei  Schwestern: 
„Ich  wollte,  wenn  mich  der  König  zur  Frau  nähme,  ihm  von 
einem  Wocken  Hanf  ein  Zelt  weben,  so  gross,  dass  alle  seine 
Soldaten  darunter  Platz  hätten"  —  „Ich  wollte  ihm  aus  einem 
Weizenkorn  einen  Kuchen  backen,  dass  alle  seine  Soldaten 
satt  davon  würden."  —  „Ich  wollte  ihm  Zwillinge  mit  gol- 
denen Haaren  gebären,  und  der  eine  sollte  einen  Stern  auf 
der  Stirn  haben,  der  andre  eine  Sonne,  und  beide  einen 
goldnen  Ring  an  dem  Arm."  In  dem  rumänischen  M.  im 
„Ausland"  sagen  drei  Schnitterinnen:  „Ich  würde  dem  Kaiser- 
sohn seinen  Hof  mit  einem  Laib  Brot  ernähren"  —  „Ich 
würde  ihm  seinen  Hof  mit  einer  Spule  Caru  kleiden"  —  „Ich 
würde  ihm  zwei  Knaben  mit  goldnen  Haaren  gebären."    Bei  | 

XXIV  Schott  kommt  nur  eine  Verheissung  vor,  ein  Mädchen  sagt: 
„Wenn  mich  dieser  Jüngling  zum  Weib  nähme,  würde  ich 
ihm  goldne  Kinder  gebären."  Noch  mehr  entstellt  ist  Haltrich 
Nr.  1,  wo  zwar  die  andern  Verheissungen  vorkommen,  aber 
die  des  goldnen  Kindes  —  die  wichtigste  —  fehlt.  Eine 
Magd,  welche  Hanf  zupft,  sagt,  als  der  König  vorüberreitet: 
„Wenn  mich  der  König  zum  Weib  nähme,  würde  ich  ihn  und 
seinen  ganzen  Hof  mit  meinem  Hanf  kleiden,"  eine  andere 
welche  Korn  schneidet,  sagt:  „Und  ich  würde,  wenn  er  mich 
zu  seiner  Köchin  machte,  ihn  und  sein  ganzes  Hans  mit 
meinem  K(n"n  ernähren."  Der  König  heiratet  die  erste,  und 
sie  gebiert  ihm  dann  zwei  Kinder  mit  goldnen  Haaren. 

4.  Curtze  Nr.  15.  Hier  sagt  eine  Wirtstochter,  wenn  der 
Prinz  sie  heirate,  wolle  sie  ihm  viel  tausend  Soldaten  stellen, 
die  zweite,  sie  wolle  ihm  viel  tausend  Tonnen  Gold  stellen, 
die  dritte,  sie  wolle  ihm  einen  Sohn  gebären,  der  solle  einen 
Stern  von  7  Zacken  vor  der  Stirn  haben  und  solle  sich  am 
Tag   7   mal   etwas   wünschen   krmnen. 


39.    A.  Schiefuer,  Awarisclie    Märchen  Xr.    12.  57| 

5.  Hahn  Nr.  11-2.  Die  älteste  von  drei  Schwestern  sagt: 
,,Weuii  ich  den  Konigssohn  znni  Mann  hätte,  würde  ich  sein 
ganzes  Heer  mit  einem  einzigen  Laib  Brot  ernähren,  nnd  es 
sollte  davon  noch  übrig  bleiben",  die  mittlere  sagt:  „Ich 
würde  sein  ganzes  Heer  mit  einer  einzigen  Spnle  Garn 
kleiden,  nnd  es  sollte  davon  noch  übrig  bleiben,"  die  jüngste: 
,,Weun  ich  ihn  hätte,  so  branchte  er  mich  nur  einmal  anzu- 
s-ehen,  und  ich  würde  davon  schwanger  werden,  nnd  ein  Kind 
gebären  und  denudch  -lungfrau  bleiben." 

Wenn  in  dem  awarischen  M.  die  unschuldige  Königin  in 
eine  Eselshant  gehüllt  an  das  Thor  gestellt  wird  und  jeder 
Ein-  und  Ausgehende  sie  anspeien  muss,  so  sind  hierin  am 
ähnlichsten  das  M.  von  den  zwei  neidischen  Schwestern  in 
1001  Nacht,  wo  die  Sultanin  an  der  Thür  der  Hauptmoschee 
in  einen  Verschlag  mit  einem  offenen  Fenster  gesperrt  wird 
und  jeder,  der  in  die  Moschee  geht,  ihr  ins  Antlitz  speien 
muss.  Gonzenbach  Nr.  5,  wo  die  Königin  in  einen  Verschlag 
am  Fuss  der  Treppe  des  Schlosses  gesteckt  wird  und  jeder, 
der  die  Treppe  hinauf  oder  hinunter  geht,  ihr  ins  Gesicht 
speien  muss,  und  Hahn  Nr.  69,  Variante  1,  wo  die  Königin 
am  Eingang  des  Schlosses  bis  an  den  Kopf  eingemauert  wird 
und  jeder  Vorübergehende  sie  auspeien  nnd  ins  Gesicht 
schlagen  muss.  [Prym-Socin  no.  NH  (Büffelhaut),  Socin,  Zs.  36, 
•259  (Kamelshaut).  Spitta  no.  1 1  (Treppe.  Anspeien,  Tier), 
Dozon  no.  -2.  Mijatovics  p.  240,  Pitre  1.  328.  330.  Kamp  1S79 
no.  6.  Joh.  de  Alta   Silva,  Dolopatlios  p.   75. j 

Der  Hirschkuh,  die  im  awarischen  M.  [und  bei  Pitre 
no.  36]  die  ausgesetzten  Kinder  ernährt,  entspricht  bei  Hahn 
Nr.  69  eine  Ziege. 

Wie  im  awarischen  M.,  als  das  goldlockige  Mädchen  sich 
im  Bach  badet,  eins  ihrer  goldnen  Haare  fortschwimmt, 
in  den  Krug  einer  Witwe  gerät  und  von  dieser  den  Frauen 
des  König  gebracht  wird,  so  schwimmen  in  einem  M.  im 
Siddhi-Kür  (Jülg  Mongolische  M.  S.  57).  als  sich  eine  schöne 
Frau  im  Fluss  badet,  einige  ihrer  wunderbaren  Haare  fort 
und  lileiben  endlich  an  dem  Schaumlöftel  einer  Magd  hängen, 
die  sie  dem  KTmig  überbringt.     Auch   in   dem  altägyptischen 


572  Zur  Märchenforsehung. 

M.  von  Satu  und  Anepu  schwimmt  eine  Haarflechte  von  der 
Frau  des  Satu  auf  dem  Flusse  daher  und  wird  von  einem 
königlichen  Beamten  bemerkt  und  aufgefangen  und  dem 
König  gebracht;  s.  Wolfs  Zeitschrift  für  deutsche  Mythologie  4, 
237  und  Liebrechts  Bemerkungen  in  der  Germania  12,  82 
und  in  den  Heidelberger  Jalirbüchern  186s,  S.  <sli).  [Cosquin  1, 
LXV  und  2,  302  zu  uo.  73,  Golther,  Studien  zur  Littgesch. 
M.  Bernays  gewidmet  1893,  S.  167,  Gaster,  Folk-lore  7,  232.]  | 
XXV  In  den  meisten  der  parallelen  M.  ziehen  die  Brüder  oder 

der  Bruder  aus,  um  ein  wunderbares  Wasser,  einen  wunder- 
baren Baum  und  einen  sprechenden  Vogel  zu  holen,  und 
werden  dabei  in  Steine  oder  steinerne  Bildsäulen  (Salzsäulen 
bei  Wolf)  verwandelt,  die  Schwester  zieht  ihnen  nach,  ge- 
langt in  den  Besitz  jener  Wunderdinge  und  entsteinert  die 
Brüder. 

Dem .  sprechenden  und  tanzenden  Apfelbaum  des  awa- 
rischen  M.  entspricht  bei  Straparola  der  singende  Apfel  und 
in  dem  neugriechischen  M.  in  den  NeoelXtjviy.a  \h'älex7a  der 
goldne  Apfel. 

Die  bald  an  einander  schlagenden,  bald  auseinander 
gehenden  Felsen  des  awarischen  M. ,  hinter  denen  der 
wunderbare  Apfelbaum  sich  befindet,  begegnen  uns  auch  in 
dem  neugriechischen  M. ,  welches  K.  Ewlampios  in  seinem 
Buch  '0  \4jiidQavT0'; ,  St.  Petersburg  1843,  S.  76 — 134,  mit- 
geteilt hat.  Hier  befindet  sich  das  Unsterblichkeitswasser 
hinter  zwei  derartigen  holien  Bergen^).  Natürlich  denkt  man 
auch  an  die  altgriechischen  Symplegaden. 

Wenn  in  dem  awarischen  M.  der  Bruder  nach  der  schönen 


*)  In  andern  neugriechischen  M.  befindet  sich  das  Wasser  des 
Lebens  in  einem  Berg,  der  sich  zu  gewisser  Zeit  rasch  öffnet  und 
rasch  wieder  schliesst.  Ö.  Hahn  Nr.  5,  Variante,  37,  65,  Variante  1 
und  2,  69,  Sakellarios  Nr.  8.  [Oben  S.  397  zu  Meyer  no.  13.  Ashior 
1,  313.  315.  Friis  no.  48  =  Poestion,  Lappl.  M.  no.  57.  Sebillot,  Contes 
3,  203.]  In  einem  slowakischen  M.  bei  Wenzig  S.  148  findet  sich  das 
Wasser  des  Lebens  in  einem  Berg,  der  sich  Mittags  rasch  öffnet  und 
wieder  schliesst,  und  das  des  Todes  in  einem  links  von  jenem  befind- 
lichen Berg,  der  sich  um  Mitternacht  rasch  ött'net  und  wieder  schliesst. 


39.    A.  »Scliiofiier,  Awarisohe   Märclieu.  573 

Jeseusulchar  auszieht,  am  L'fer  des  Flusses,  jenseits  dessen 
ilir  Palast  steht,  sie  dreimal  ruft  und,  da  sie  nicht  hervor- 
kömmt, nach  dem  ersten  Ruf  bis  zu  den  Knieen,  nach  dem 
zweiten  bis  zum  Herzen,  nach  dem  dritten  ganz  zu  Stein 
wird,  so  bieten  nur  die  "2.  Variante  zu  Hahn  Nr.  69  [Spitta 
no.  Hl]  und  das  M.  in  den  Neoe?Mjvixa.  ^ivdXexTn  Aehnli(;hes. 
In  letzterem  zieht  der  eine  Bruder  ans,  die  Tzitzinäna,  welche 
die  Sprachen  aller  Vögel  versteht,  zu  holen.  Er  kommt  vor 
ihr  Haus,  und  ruft  dreimal  „Tzitzinäna",  sie  ruft  dagegen 
allemal  ^^Mägfiaoo'-^,  und  nach  ihrem  ersten  Ruf  wird  er  bis 
zu  den  Knieen,  nach  dem  zweiten  bis  zu  den  Scheidceln,  nach 
dem  dritteji  bis  zur  Mitte  zu  Stein.  Da  verbrennt  er  einige 
Barthaare,  die  ihm  der  Mönch,  der  ihn  und  seine  (ieschwister 
aufgezogen  hat,  für  den  Notfall  gegeben  hat,  und  alsbald  er- 
scheint der  ^fönch  und  ruft  die  Tzitzinäna,  die  dem  Ruf  ge- 
horcht, den  Jüngling  und  alle  die  andern  am  Ufer  befindlichen 
entsteinert  und  dem  Jüngling  folgt.  In  dem  andern  grie- 
chischen M.  zieht  der  Bruder  nach  der  Schönen  des  Landes 
aus,  die  jenseit  des  trock,enen  Flusses  wohnt.  AVer  sie  holen 
will ,  dessen  Pferd  muss  (^rst  diesseits  des  Flusses  wiehern, 
und  wenn  sie  das  (lewieher  nicht  hört,  wird  er  mit  dem 
Pferd  zu  Stein.  Das  Pferd  des  Bruders  wiehert ,  al)er  die 
Scheine  hört  es  nicht;  es  wiehert  noch  einmal,  da  hört  es  die 
Schöne  und  fragt:  „Wer  ist  gekommen,  mich  zu  holen?"' 
Darauf  reitet  der  Jüngling  durch  den  Fluss  und  holt  sie,  und 
alle  die  Versteinerten  werden  wieder  lebendig. 

Dass  die  Scliwester  im  awarischen  M.,  als  sie  auszieht, 
ihren  Bruder  zu  suchen,  ihre  Schuhe  mit  Stahlsohlen  besclilägt 
und  einen  eisernen  Stab  in  die  Hand  nimmt,  ist  ein  Zug,  |  derxxvi 
in  keinem  der  parallelen  M.  vorkömmt,  wohl  aber  treffen  wir 
in  andern  M.  eiserne  Schuhe  und  Wanderstäbe  bei 
Wiinderungen  in  weite  Fernen.  Vgl.  Wuk  Nr.  10  („Von  nun 
an  siehst  du  mich  nicht  eher,  als  bis  du,  mich  suchend,  eiserne 
Schuhe  zerrissen  und  einen  eisernen  Wanderstab  zerbrochen 
hast"),  Pröhle  KM.  Nr.  31  („Du  wirst  erst  mit  mir  vereint 
werden,  wenn  du  einen  eisernen  Stock  und  einen  eisernen 
Schuh   abgelaufen  hast"),  Hahn  Nr.    102  („Lass  mir   3  Paar 


574  Zur  Märchenforsehung. 

eiserne  Schuhe  und  3  Stäbe  machen,  ich  will  durch  die 
ganze  Welt  ziehen,  bis  ich  ihn  gefunden"),  Nr.  25  („Wenn 
du  mich  finden  willst,  so  lass  dir  eine  eiserne  Krücke  und 
eiserne  Schuhe  machen").  In  andern  M.  fehlt  der  eiserne 
Stab,  und  nur  die  eisernen  Schuhe  sind  geblieben,  so  Pen- 
tamerone  5,  4  [=  Liebrecht  "2,  184]  und  Gonzenbach  Nr.  42: 
7  Paar  eiserne  Schuhe,  Imbriani  La  novellaja  milauese  Nr.  (i 
und  Hahn  Nr.  73:  3  Paar  eiserne  Schuhe.  Wolf  HM.  S.  198: 
eiu  Paar  eiserne  Stiefel,  Widter-Wolf  Nr.  12:  ein  Paar  Schuh- 
sohlen von  Eisen.  In  einem  kirgisischen  Heldeugesang  bei 
Radioff  3,  276  lesen  wir:  Kosykäm  zog  eiserne  Schuhe  an, 
nahm  einen  eisernen  Stab  in  seine  Hand.  In  einem  M.  des 
Siddhi-Kttr  (Jiilg  Mongolische  M.  S.  54)  lässt  ein  König  einem 
Mann  steinerne  Stiefel  anziehen  und  verbannt  ihn,  bis  er  diese 
Stiefel  abgetragen  habe.  [Consiglieri-Pedroso  no.  26  (Eisen- 
schuhe, müssen  genetzt  werden).  Pitre  2,  24S.  Imbriani, 
Nov.  fior.  -  no.  12.  De  Gubernatis  no.  14  (eiserne  Schuhe, 
Stab  und  Hut).  (Iradi.  La  vigilia  di  Pasqua  di  Ceppo  1870 
no.  2  (Schuhe.  Stäbe).  Braga  no.  30.  Bibl.  de  los  trad. 
esp.  1,  129.  187.  Rondallayre  2.  (il  (3  Paar  Schuhe).  Luzel, 
Rapport  186  (3  Paar  eiserner  Schuhe),  Dozon  p.  95  (3  Paar) 
Kremnitz  no.  .'>  (3  Paar  Sandalen  und  Eisenschuhe),  Com- 
paretti  no.  51  (7  Paar  Schuhe),  Corazzini  p.  419,  Archivio 
1,  533  (7  Flaschen  voll  Thränen.  7  Paar  Eisenschuhe,  Stab, 
Hut),  Archivio,  2,  404  (7  Paar  P^isenschuhe.  7  Stäbe,  7  Flaschen 
mit  Thränen),  Rondallayre  3,  153  (6  Paar  Eisenschuhe, 
3  Flaschen  mit  Thränen),  Ortoli  p.  8.  11  (7  Paar  Eisenschuhe 
und  3  Holzstäbe),  Archivio  3,  361.  3()3  (7  Paar  Elsenschuhe 
und  7  Frauenkleider).  AVebster  p.  39  (7  Paar  Schuhe,  6  von 
Leder  und  1  von  Eisen),  Castren.  Ethnolog.  Vorlesungen  über 
die  altaischen  Völker  1857  S.  194  (Stab  von  90  Klaftern 
Länge  und  90  Schuhsohlen),  Schulenburg  1882  S.  27,  Krauss, 
1.  no.  70.  37,  Passow,  Tragudia  romaika  no.  505,  7.  Crane 
p.  324.  142,  Prato,  Quattro  novelline  p.  160  f,  Sarnelli.  Posile- 
cheata  ed.  Imbriani  1885. 

So  bestimmen  Pilger    die   Länge    ihres   AVeges    nach  den 
zerschlissenen    Schuhen:    vgl.    Ragnar    Lodbroks-Sage 


39.    A.  Schiefner,  Awarisclu'  Märclit^ii    Nr.    12  — 15.  57ä 

Übers,  von  Kdzardi  ls,s(i  S.  HO  )  und  :>;>  >.  (irimm,  Reinhard 
Fnchs  S.  LX.  Voigt,  Ysengrimus  l<ss4  S.  14o  (B.  3,  V  ;'579). 
In  der  italienisc-lieu  Dichtung  ,Snperl)ia  e  niorte  di  Senso"  zeigt 
der  Tod.  der  den  Ritter  Wahn  endlich  in  (iestalt  eines  Flauem 
überlistet,  ihm  einen  Wagen  voll  abgenutzter  Schuhe,  die  er 
bei  der  Verfolgung  verl)raucht  habe  (A.  d'Ancona.  Poemetti 
popolari  italiani  1.SS9  p.  l-il;  dazu  Köhler  ebd.  p.  ^-tf.); 
ebenso  Ortoli  p.  '224:.  Schuchardt  bei  d'Ancona  p.  65.  Xerucci 
no.  8H,  Coniparetti  1,  no.  5ü.  Bei  Absteraius  (fab.  58.  Waldis 
2.  S4.  Hita.  copla  U46,  Grimm  KHM.  3,  142)  ist  an  Stelle 
des  Todes  der  Teufel  getreten,  der  dem  ihm  verfallenen  Sünder 
die  in  seinem  Dienste  zerrissenen  Schuhe  vorhält.  In  einer 
verbreiteten  Ortssage  fragt  der  Teufel,  der  einen  Felsen  herbei- 
schleppt, um  eine  nen erbaute  Kirche  zu  zerschmettern,  eine 
ihm  begegnende  alte  Frau,  wie  weit  es  bis  dahin  sei:  sie 
erwidert,  sie  komme  daher  und  habe  alle  die  Schuhe  unter- 
wegs zerrissen,  die  sie  auf  dem  Rücken  trage:  entmutigt 
lasst  der  RTise  deu  Bluck  faHeii  (Bensen.  Altertümer  von 
Kotenburg  (..  d.  Tauber  1.S41.  S.  74,  Merz.  Rothenburg  S.  119). 
Vgl.  Panzer  •_'.  57  (Vilseck);  Schönwertli  2.  •iO'i.  Schmitz. 
Sitten  des  Eitler  Volkes  2.  113  (Malmedy.  Remaculus):  E. 
de  la  Fontaine,  Luxemburger  Sagen  no.  312;  Liebrecht,  Ger- 
mania 7.  5U1,  Firmenich  1.  366  (Wenigem).  Djurklou  1860 
S.  62  (Oerebro.  Riese),  Hunt  1862  p.  309  {Shrewsbury.  Riese j: 
Rodenberg.  Ein  Herbst  in  Wales  S.  145,  Possart.  Morgenblatt 
1841.  no.  56^57  (Reso  in  Finnland.  Riese)]. 

15.  Der  Mensel)  und  der  Vogel. 
Die  vielverbreitete,  zuerst  im  Barlaam  und  Josaphat 
vorkommende  Fabel  von  den  drei  Lehren  des  Vogels.  Man 
sehe  die  reichen  Nachweise  Hermann  Oesterleys  in  seiner 
Ausgabe  der  Gesta  Romauorum,  Berlin  1872.  S.  739  (zu  Cap. 
167).  zu  denen  ich  nur  die  hebräische  Darstellung  in  Ibn 
Chisdais  Prinz  und  Derwisch,  21.  Pforte,  nachzutragen  habe. 
S.  W.  A.  Meiseis  Uebersetzuug  von  Ibn  Chisdais  Prinz  und 
Derwisch  (Stettin  1847  und  2.  umgearb.  Aufl.  Pest  1860). 
Auch  M.  Steinschneider,   Manna.    Berlin    1847,  S.    41  ff.,    und 


576  ^"'^  3Iär(-henforsehuiiij. 

A.  Tendlaii.  Fellmeier.«;  Al)en(le.  Frankfuit  a.  M.  1856.  Xr. 
21.  liaben  die  Fabel  aus  ..Prinz  und  Derwiscir'  übersetzt. 
[Grünbaum  S.  24:9;  dazu  Köhler  unten  S.  580.  Caxtons 
Aesop  ed.  Jacobs  18s0  1,  265.  E.  Kuhn.  Barlaam  1893 
S.  75.  Vitry  no.  2S.  Greoory  Bar  Hebraeus.  Stories  ed. 
Budge  1S97  no.  HS2.] 


40.  lieber  Grünbaum,  Jüdisch-deutsche 
Chrestomathie. 

Max  Grünbaum,  Jüdischdeutsche  Chrestomathie,  zugleicli  ein 

Beitrag    zur    Kunde     der    hebräischen    Litteratur.       Leii>zig, 

Brockhaus,   18S2.     XII   und  5S7  S.     8".  —   U  M. 

(Anzeiger  für  deutsches  Alt-rfuiii  9.  402     407.      188.S.) 

402  Grünbaunis  Jüdischdeutsche  Clirestoinatliie  herürksiehtigt 
nicht  die  gesamte  jüdischdeutsche  Litteratur.  sondern  nur  den 
allerdings  grössten  Teil  derselben,  der  aus  L'ebersetzungen 
hebräischer  Bücher  besteht  oder  seinen  Inhalt  vorzugsweise 
hebräischen  Büchern  entnommen  hat.  nicht  aber  die  L'eber- 
setzungen und  Bearl)eitungen  nichthebräischer  Bücher  und 
Stoft'e^).  Aus  der  jüdischdeutschen  Litteratur  in  der  ange- 
gebenen Beschränkung  giebt  die  Clirestomathie  zahlreiche, 
bald  mehr,  bald  weniger  umfängliche  Bruchstücke  und  Aus- 
züge,   und    zwar    sind    die    Texte   nicht    in   jüdischdeutscher 

403  Schrift,  sondern  —  mit  Ausnahme  der  zahlreich  vorkom-  men- 
den  hebräischen  Worte,  die  hebräisch  gedruckt  sind,  denen 
aber   immer  die    deutsche   Uebersetzung    beigefügt    ist  —  in 


^)  Die  Uebertragung  niclitliebräiseher  Schriften  in  die  jüdisch- 
deutsche Sprache,  sowie  die  jüdischdeutsche  Umgangssprache,  die 
jüdischdeutsche  Litteratur  in  den  slavisohen  Ländern  und  , anderes  mehr' 
hat  der  A'^erf.,  wie  er  S.  IX  f.  sagt,  in  einem  besonderen  Buche  behandelt, 
dessen  früheres  oder  späteres  Erscheinen  von  der  Aufnahme  der  Chresto- 
mathie abhängen  wird.     Hoffentlich  erscheint  es  recht  bald! 


40.    Grünliaiuii,  Jüdisch-deutsclie  Clirestuniatliie.  577 

lateinischer  Schrift  gednickt.  Für  den  (iermaiiisteii  ist  die 
Chrestomathie  vorzugsweise  in  sprachlicher  Beziehung  von 
grosser  Bedeutung,  indem  sie  ihm  Gelegenheit  gibt,  sich  auf 
die  bequemste  Weise  von  der  jüdischdeutschen  Sprnclie  eine 
nähere  Kenntnis  zu  verschaffen,  als  bisher  ohne  selbständiges 
Studium  der  jüdischdeutschen  Litteratur  möglich  war.  Abge- 
sehen von  dem  sprachlichen  Interesse,  auf  das  näher  ein- 
zugehen ich  andern  besser  überlasse,  bieten  die  mitgeteilten 
Texte  und  Auszüge  auch  inhaltlich  viel  Anziehendes  und  Be- 
lehrendes, und  insbesondere  ist  ihre  Lektüre  allen  denen  zu 
<3mpfehlen,  die  sich  für  Märchen  und  Erzählungen,  Parabeln 
und  Fabeln ,  Sprichwörter  und  Bilder  und  deren  Geschichte 
und  Verbreitung  interessieren.  Zu  einer  Anzahl  derartiger 
Texte  und  Auszüge  möge  es  mir  gestattet  sein  hier  einige 
Bemerkungen  mitzuteilen,  die  zum  Teil  Bemerkungen  des 
Verfassers  der  Chrestomatliie  ergänzen. 

S.  184.  Zu  der  aus  dem  Midrasch  Abchir  übersetzten 
Sage  von  Noah,  dem  der  Satan  beim  Pflanzen  des  Wein- 
stocks hilft,  indem  er  ein  Schaf,  einen  Löwen  und  ein 
Schwein  über  dem  Weinstock  schlachtet,  bemerkt  der  "N'er- 
fasser,  sie  finde  sich  ähnlich  in  Arnolds  arabischer  Chresto- 
mathie S.  53  (nach  Damiri).  Es  war  aber  vor  allem  zu 
erinnern,  dass  in  anderen  rabbinischen  Quellen,  die  J.A.Fabricius 
Cod.  pseudepigr.  vet.  fest.  1,  "275  anfülirt,  der  Satan  auch 
noch  einen  Affen  schlachtet,  und  es  war  darauf  liinzuweisen, 
(lass  die  Sage  auch  unter  den  Christen  weite  Verbreitung 
gefunden  liat.  Man  sehe  die  Nachweise  H.  Oesterleys  zu 
Gesta  Romanorum,  Kap.  159,  wo  Heidelb.  Jahrb.  18()1:  (statt 
ISßi^)  zu  lesen  ist,  und  denen  ich  noch  hinzufüge  x\ltd. 
Blätter  1,  41 2  Xr.  18  (Weiifsegen),  J.  Scheible,  Die  fliegenden 
Blätter  des  IG.  und  17.  Jahrhunderts  S.  135  —  42  (ein  kurz- 
weilig Gedicht  von  den  vier  unterschiedlichen  Weintrinkern). 
Job.  Martin  Usteri  Dichtungen,  Berlin  1831,  S.  33  (Briamel  vom 
Wyn),  G.  Brunet  zu  seiner  Ausgabe  des  Violier  des  Histojres 
Pomaines,  Paris  1858,  S.  371,  Victor  Hugo  Les  miserables, 
livre  6,  chap.  9,  A.  Wesselofsky  in  der  Russischen  Pevue 
13,  138 f.    [Meister  Stephans  Schachbuch  V.  2575 :  Weller.  Dich- 

R.  Köhler,  Kl.  Schriften  I.  37 


578  ^^^^^'  ^läroliciiforseliiuig. 

tuiigen  des  IG.  Jalirliiiiulerts  IST-l,  S.  4o;  Roset'eld,  Cliamus 
1599  Bl.  B6b:  Holzscliiiitt  zur  (ienesis  in  Coburgers  Bibel  1483, 
ein  andrer  von  Yirgil  Solis  (Bartsch  no.  256);  Strauch, 
Vjschr.  f.  Littgesch.  1,  83;  Tijdsehrift  voor  Noord-Nederhinds 
Muziekgeschiedenis  1,  194;  Vondel,  Werken  1,  276  (1855); 
Herder,  Werke  26,  367:  Shivische  Blätter  hsg.  von  Lnksic 
1,  408  (1865.  l^rben);  Bar-Hebräus,  Zs.  d.  morgen!.  Ges. 
40,  412;  Grünbaum  ebd.  41,652.] 

S.  201  bemerkt  der  Verfasser,  eine  mitgeteilte  Geschichte 
erinnere  an  ,das  Urteil  des  Schemjaka'"  bei  Chamisso  und 
ähnliche  Sagen  bei  Benfey  Pantschatantra  1,  394  f.  Ich  be- 
nutze diese  Gelegenheit,  um  auf  einen  Aufsatz  ,o  conto  do 
justo  juizo'  von  F.  Adolpho  Coelho  in  seiner  Revista  d'ethno- 
logia  e  de  glottologia,  fasc.  2—3,  Lisboa  1881,  S.  108—38, 
hinzuweisen,  in  welchen  der  ausgezeichnete  portugiesische 
Gelehrte  zahlreiche  Versionen  des  Märchens  mitgeteilt  und 
in  ihrem  Verhältnis  zu  einander  untersucht  hat.  Einige  Nach- 
träge wird  ein  späteres  Heft  der  Revista  bringen.  [Hartmann, 
Zs.  d.  \'.  f.  Volksk.  5,51;  Lidzbarski  S.  258;  Folk-lore 
dounial  1885,  339;  Ralston  Tibetan  Tales  p.  29;  Ortoli  p.  193: 
Madsen  p.  27.] 

S.  215  — 18.  Variante  der  von  Geliert  in  seinem  Gedicht 
Das  Schicksal  behandelten  Geschichte.  Der  Verfasser 
404  verweist  dazu  |  S.  218  auf  die  Aufsätze  von  Brockhaus  und 
von  Behrnauer  in  der  Zs.  der  deutschen  morgenläudischen 
Gesellschaft  14,  706  und  16,  762.  Man  vgl.  aber  auch 
Hammer  Rosenöl  1,  124,  J.  Perles,  Zur  rabbinischen  Sprach- 
und  Sagenkuude,  Breslau  1873,  S.  96,  und  G.  Paris  L'ange 
et  Termite.  Paris  1S80  ( Separatalxiruck  aus  den  Comptes- 
i'endus  des  seances  de  I'academie  dvs  ius('ri[)tions  et  heiles 
lettres  (W  Fanuee  1880).  S.  21  tt".  [Köhler,  Zs.  d.  V.  f. 
Volksk.  6.  173  no.  92:  0.  Rohde,  Rostocker  Diss.  1894; 
Zs.  f.  dtscli.  Phil.  28,  457:  Ratschky,  Gedichte  1791  S.  328 
(Parnell  übersetzt).] 

S.   218  —  22.      Abi-aham   niul   die  Götzen  bi  Ider.      Vgl. 
üeiifey    Pantschat.      1,    376  f,    ,1.    Landsberger,    Die    Fabeln 


40.     (iraiiliauiH,  .li'uliscli-dciitsclie    ('lircsttniiatiiic.  57i) 

des  Soplids   S.   ,")(;   und  \\.  Sucliirr  Denkmäler  [)roveiizalif>;clier 
Litteratur  iiiid  Sprache   1,  ()27   f. 

S.  -J-JT  (vgl.  aiicli  S.  1  (;:>).  Die  ägpti.schen  Frauen,  im 
Anblick  der  Scliönlieit  .Josephs  versunken,  schneiden  — 
statt  in  die  ihnen  vorgesetzten  Orangen  —  sich  in  die  Hände. 
Vgl.  meine  Aufsätze  in  der  (lermania  14,  '243  und  i^s,  11, 
und  eine  Stelle  in  dem  jüdischdentschen  Purimspiel  , Joseph' 
bei  F.  Chr.  B.  Ave-fvallemant  Das  deutsche  Gaunertum, 
;!.  Teil,  Leipzig   l.S(;-2,  S.  501  '). 

S.  241.  Parabel  von  den  drei  Freunden.  Vgl.  Oester- 
ley  zu  (iesta  Rom.  Kap.  238  nnd  Romanische  Studien  4, 
11   und  82.     [Vitry  no.   120]. 

S.  242.  Zu  dem  talmudischen  Sprichwort  in  jüdisch- 
deutscher  Uebersetzung  ,das  kemel  hat  sich  wein  herner  mit 
brengen,  aso  hat  man  ihm  die  obren  derzu  abgeschnitten' 
vgl.  die  Aesopische  Fabel  ,6  y.dfUjXog  xnl  Zevg'  nnd  dazu 
r.enfey  Pantschat.   1,  H02. 

S.  242.  Der  sterbende  Alexander  und  seine  Mutter. 
Vgl.  liierzu —  ausser  dem  was  der  Verfasser  S.  248  anführt  — 
M.  F.  Stern,  Zur  Alexandersage,  Wien  1861,  J.  Zacher 
Pseudocallisthenes  S.  179  ff,  W.  Racher  Nizämis  Leben  nnd 
Werke  S.  11!)  und  H.  Knust  Mitteilungen  aus  dem  Fskurial 
S.  48  f.  und  801.  [Kühler,  Aufsätze  S.  180.  Gregory  John 
Bar-Hebraeus,  Laughable  stories  ed.  by  Rudge  1897  no.  88. 
Diez,  Buch  des  Kabns  1811,  S.  (')24.1 

S.  245.  ,Wenn  alle  die  himel  parmit  weren,  un  all  die 
gemusich  röhren  federn  weren,  nn  all  die  wasser  tint  weren, 
is  nit  zu  derschreil)en  die  grosse  wunder  gottes.'  Vgl.  dazu 
meinen  Aufsatz  ,ünd  wenn   der  Himmel  war  Papier'    iji  Ben- 


')  Xiflit  allen  Lesern  dieser  Zeitschrift  wird  es  bekannt  sein,  dass 
in  dem  angeführten  Werk  S.  198 — 537  des  3.  Teiles  über  jüdischdeutsche 
Sprache  und  Litteratur  handeln  nnd  8.  319 — 512  des  4.  Teiles  ein  jüd- 
deutsches,  freilich  nur  die  hebräischen  und  fremdsprachlichen  Wörter 
verzeichnendes  und  erklärendes  Wörterbuch  enthalten.  Merkwürdig-, 
dass  Grünbaum  Ave-Lallemants,  der  zwar  kein  Sprachgelehrter  von 
Fach  ist,  dessen  jüdischdeutsche  Stadien  mir  aber  doch  recht  verdienst- 
lich  sclieinen,  gar  nicht  erwähnt. 

37* 


580  ^'^"'  Märchenforschung-. 

feys  Orient  imcl  Occident  "2,  544  ff,  zu  dem  ich  uodi  sehr 
viel  nachtragen  könnte.     [Ethnohjg.  Mitt.  aus  Ungarn  1,  ol-2.| 

S.  24(S.  Zu  der  Geschichte  von  dem  Habsüchtigen 
nnd  dem  Neidischen  vgl.  die  Nachweise  von  Oesterley  zu 
Pauli  Nr.  647,  denen  ich  noch  hinzufüge  Rabbi  Barachiae 
Nikdani  Parabolae  vulpium,  transl.  opera  R.  P.  M.  Hanel 
S.  J.,  Pragae  KJGl,  S.  377  (parabola  invidi  et  cupidi)  und 
S.  235  (parabola  duorum  simiorum  et  leonis),  Libro  di  novelle 
405  antiche,  Bologna  1868,  Nr.  15,  Goedeke  im  Orient  |  und  Occi- 
dent 1,  543  (Nr.  11),  F.  Adolpho  Coelho  Revista  d'etlino- 
logia  e  de  glottologia,  fascic.  2 — 3,  Msboa  1881,  8.  142, 
A.  Rosenberg  Sebald  und  Barthel  Behani,  Leipzig  1875,  S. 
128.     [Vitry  no.   196.     Bedier  Fablianx   p.  414.] 

S.  249.  Die  drei  Lehren  des  Vogels.  Der  Verfasser 
verweist  dazu  S.  251  auf  Ibn  Chisdais  Prinz  nnd  Derwisch, 
Kap.  21,  und  auf  Arnolds  arabische  Chrestomathie  S.  34  und 
erst  in  den  , Berichtigungen  und  Zusätzen'  (S.  587)  auch  auf 
Benfey  Pantschat.  1,  380.  Man  sehe  aber  auch  Oesterleys 
Nachweise  zu  Gesta  Romanorum  Kap.  1()7,  denen  noch  hinzu- 
zufügen sind  A.  Schiefner,  Awarische  Texte  Nr.  15,  mit  meiner 
Anmerkung  auf  S.  XXVI  [oben  S.  575 f.],  Scelta  di  facetie,  niotti, 
burle,  e  buft'onerie  di  diversi,  cioe  del  Piovano  Arlotto,  del 
Gonelia.  del  Barlacchia.  ed  altre  assai  di  diversi,  Vicenza 
1661,  S.  167,  Les  contes  et  faceties  d'Arlotto  de  Floreuce 
avec  introductit)n  et  notes  par  P.  Ristelhuber,  Paris  1873.  nr. 
38.     [E.  Kuhn,  Barlaam  1893  S.  75.] 

S.  251 — 53.  Die  hier  aus  dem  jüdischdentschen  Buche 
Simchas  hannefesch  (d.  i.  Seelenfreude)  mitgeteilte  Dar- 
stellung der  bekannten  Parabel  von  den  Jahreskönigen 
(vgl.  Gödeke  p]veryman,  Homulus  und  Hekastus  S.  11,  Ki 
und  205  und  Oesterley  zu  Gesta  Rom.  Kap.  224)  hat  das 
Eigentümliche,  dass  in  ihr  die  Bettler,  die  auf  drei  Jahre  zu 
Königen  gemacht  werden,  durch  einen  Schlaftrunk  in  tiefen 
Schlaf  versenkt  und  so  im  Schlaf  in  königliche  Kleider  ge- 
kleidet und  ins  Königsschloss  gebracht  und  ebenso  nach  Ab- 
lauf von  drei  Jahren  wieder  in  ihre  Bettlerkleider  gesteckt 
und  (hdiin  gebracht  werden,  wo  man  sie  gefunden  hatte,  so- 


40.    Griinbiiuiu,  Jüdiscli-deutisflie  Chrestomathie.  581 

(lass  sie  giaiiheii,  nur  geträiunt  zu  lial)en.  In  dieser  Fassung 
berührt  sicli  die  Parabel  mit  der  bekannten,  so  oft  dichte- 
risch beliandelten  (ieschichte  von  dem  Hetrunkenen,  dem  man, 
während  er  schläft,  die  Kleider  eines  Fürsten  oder  sonst 
eines  vornehmen  Herren  anzieht  usw.  [Weilen,  Shakespeares 
Vorspiel  1884  S.  81.]  Griinbanm  sagt  S.  251  ganz  bestimmt, 
die  Parabel  im  Simchas  haimefesch  sei  Ihn  Chisdais  Prinz 
und  Derwisch  Kap.  13  , entnommen',  aber  bei  Ibn  Chisdai,  der 
genau  seiner  Quelle  (Barlaam  und  Josaphat)  folgt,  kommt 
nichts  vom  Schlaftrunk  vor.  [E.  Kuhn,  Barlaam  181)3  S.  79. 
Lidzbarski  S.   UU.J 

S.  393 — 9().  Zu  der  Geschichte  vom  Rabbi  Joschna  ben 
Levi  und  dem  Propheten  Elias  verweise  ich  auf  die  ol)en 
genannte  Abhandlung  von  G.  Paris  L"ange  et  Fermite,  be- 
sonders S.   19  f. 

S,  404.  Zn  der  Geschichte  vom  Wiesel  als  Zeuge 
vgl.  L.  (ionzenbach  siciliauische  Märchen  Nr.  4G  und  meine 
Anmerkung  dazu.     [Zs.  d.   V.  f.  Volksk.  6,  77.] 

S.  4t »7.  (Vgl.  auch  S.  44S.)  Das  Märchen  vom  Rabbi 
Chanina  habe  ich  in  der  Germania  11,  393  ff.  (in  meinem 
Aufsatz  , Tristan  und  Isolde  und  das  Märchen  von  der  gold- 
haarigen Jungfrau  und  von  den  Wassern  des  Todes  und  des 
I^ebens')  auszüglich  mitgeteilt  und  besprochen. 

S.  411.  Zu  dem  Märchen  von  dem  alten  Mann  und 
der  Schlange  vgl.  meine  Anmerkung  zu  L.  Gonzenbach  a. 
a.  0.  Nr.  69,  wo  icli  anch  die  jüdischdeutsche  Fassung  des 
Maase-bnches  angefüln't  habe  und  im  Archiv  für  slavische 
Philologie,  1,  279  [oben  S.  412],  ferner  |  K.  Brugman  litauische  -106 
Märchen  Nr.  2  und  W.  Wollners  Anmerkung  dazu.  [Zs.  d. 
V.  f.  Volksk.  (],  IGG.] 

S.  421.  Erzählung  von  einem  Vicekönigssohn  aus  Por- 
tugal und  seiner  Gemahlin,  die  in  Folge  einer  Wette  ihres 
Gemall Is  in  den  Verdacht  der  Untreue  gerät  n.  s.  w.  Zu 
Grünbaums  vergleichenden  Bemerkungen  (S.  424  ff')  wäre  viel 
nachzutragen.  Vgl.  meine  Anzeige  der  Dissertation  von  A. 
Rochs    über    den   Veilchen-Roman    und   die    Wanderung    der 


582  ^i^''  ^riii't'lienfoi'SL'hung. 

Eiiriaiit-Sage  im  Litteraturblatt  für  germ.  und  rom.  Philologie 
1883  Nr.  7.  [Oben  S.  375.  Child.  F^allads  5.  21  nr.  -Jßs 
.The  twa  kuights'.] 

S.  4'28.  lu  Bezug  auf  die  eigentümliche  Ve  rteiluiig 
eines  Huhnes,  die  in  vielen  Märchen  und  Erzählungen  als 
Zeichen  einer  besonderen  Klugheit  oder  Weisheit  vorkommt, 
vgl.  man  meine  Mitteilungen  im  Orient  und  Occident  1,  444  ff. 
[oben  S.  499].  zu  L.  G()nzen1)a(;li  a.  a.  0.  Nr.  1,  in  der  Ger- 
mania 21,  18  und  in  der  Rivista  di  letteratura  popolare. 
diretta  da  G.  Pitre.  F.  Sabatiui.  Vol.  1.  Roma  1878,  S.  21(i 
[oben  S.  3.34],  G.  Finamore,  Tradizioni  popolari  abruzzesi  Vol.  1. 
Lanciano  1882.  Nr.  7  uud  3(i.  und  ein  Märchen  aus  Mentoue 
in  der  Romania  11.  415.     [Zs.  d.   V.  f.  Yolksk.  G,  59.] 

S.  43ü.  Zu  der  hier  aus  dem  Maase-Buch  nur  sehr  kurz 
ausgezogenen  Version  der  Crescentia-Sage  war  vor  allem 
auf  A.  Mussafias  Untersuchungen  über  diese  Sage  in  deu 
Sitzungsberichten  der  phil.-hist.  Klasse  der  kaiserlichen  Aka- 
demie der  AVissenschaften  18()5,  Dec.  zu  verweisen.  Vgl. 
auch  Liebreclit  in  den  Götting.  gelehrten  Anzeigen  1867  S. 
1798.  Anecdotes  historiques,  legendes  et  apologues,  tires  du 
recueil  iuedit  d'Etienne  de  Bourbon,  domiuicain  du  13.  siecle 
publies  par  A.  Lecoy  de  la  Marche,  Paris  1877,  S.  115  no. 
136,  und  Archiv  für  Litteraturgeschichte  12.  132  f.  [=  oben 
S.  391.     Gardonne.  Melanges  2.  3() — 57]. 

S.  431  (vgl.  auch  S.  447).  Zu  der  Erzählung  von  dem 
ermordeten  Juden  uud  den  Vögeln,  die  den  Mord  ver- 
raten, vgl.  meine  Nachw^eise  in  den  Göttingischen  Gelehrten 
Anzeigen  1869  S.  768  (zu  Novelle  antiche  no.  33). 

S.  446.  Das  hier  nur  in  ganz  kurzem  Auszug  gegebene 
jüdischdeutsche  Märchen  von  den  sieben  Königssöhnen 
habe  ich  vollständig  und  wörtlich  —  nach  einer  von  Moritz 
Steinschneider  gemachten  und  mir  freundlichst  zur  Verfügung 
gestellten  Abschrift  —  in  dem  Jahrbuch  für  romanische  und 
englischt'   Litteratur  7,  33  ff.   fol)en  S.  299)  mitgeteilt. 

S.  449.  Ein  Märchen  von  Mus  aus  mit  dem  Titel  .der 
gespenstige  Barbier'  giebt  es  nicht,  gemeint  ist  sein  Märchen 
, Stumme  Liebe'. 


40.    Grüiibauiii,  Jüdiscli-dcutsclic  (Mirfstoniatliie.  533 

S.  450.  Die  Erzäliliuig  des  Maase-Buchs  von  dem  König 
der  seinen  Falken,  als  dieser  einst  einen  Adler  getötet  hatte, 
erwürgt,  wird  in  der  italienischen  Novellensanimlnng  II  uo- 
vellino  (nov.  90)  vom  Kaiser  Friedrich  erzählt.  A.  D'Ancona 
hat  in  seiner  Abhandhmg  Le  fonti  del  Novellino  in  seinen 
Stndj  di  critica  e  storia  letterarin,  Bologna  1880,  S.  338 
(vorher  in  der  Romania  2,  183)  nach  einer  xMitteilnng  von 
mir  auf  A.  M.  Tendlan  |  Fellmeiers  Abende,  Frankfurt  a.  M.  407 
18r)().  verwiesen,  wo  unter  Xr.  r)5  —  nicht  ,p.  25*,  wie  bei 
DAncona  verdruckt  ist  —  eine  P^rzählung  ,der  junge  König 
und  sein  Falke'  sich  findet,  die  Tendlau  wahrscheinlich  auch 
dem  Maase-Buche  entnommen  hat, 

S.  450.  Die  Erzählung  von  den  elf  jüdisclien  Weisen, 
denen  ein  christlicher  König  die  Wahl  lässt,  entweder 
von  seinem  Wein  zu  trinken,  oder  Schweinefleisch  zu 
essen,  oder  bei  fremden  Frauen  zu  schlafen,  und  die  sich 
zu  dem  ersten  als  dem  unbedeutendsten  eutschliesse«,  aber 
trunken  werden  und  nun  auch  die  l>eiden  andern  Sünden 
begeben  [Saladin  und  Mönche  bei  Etienne  de  Bourbon,  Anec- 
dotes  1877  no.  481],  ist  eine  A^ariante  der  bekannten  mittel- 
alterlichen (ieschichte  von  dem  Einsiedler,  dem  der  Teufel 
die  Wahl  zwischen  einem  Rausch,  einem  Ehebruch  und  einem 
Mord  lässt.  Vgl.  Oesterley  zu  Paulis  Schimpf  und  Ernst 
Nr.  243,  zu  dessen  Nachweisen  ich  noch  manches  nachtragen 
könnte.     [Montanus,  Schwankbücher  ed.  Bolte  S.   167,  i.] 


>acliträ2;e. 

S.  41.  Doktor  Allwissend.  Vgl.  noch  Strackerjaii 
2,  §  634.    Saruelli.  Posileclieata  ed.  Imbriani  1885  p.  184.  236, 

S.  76.  Andere  Sagen  von  der  Blindschleiche:  Ziugerle, 
Sitten  des  Tiroler  Volkes  Nr.  368  =  2.  Aufl.  1871  S.  95 
Nr.  822.  AVucke,  Sagen  der  mittleren  AVerra  1,  114  (1864). 
Revue  des  trad.  pop.  3,  267.  Archivio  8,  332.  Nigra,  Canti 
pop.  del  Piemonte  1888  p.  554  Nr.  164.    Folk-lore  Record  1,  15. 

S.  117.  Zu  den  Heim  kehr  sagen  geluirt  auch  die  von 
dem  Herrn  von  Baqueville,  der  unter  Karl  VI.  in  Ungarn 
von  den  Türken  gefangen,  nach  siebenjährigen  Leiden  St. 
Julian  um  Erlösung  anfleht  und  im  Schlafe  auf  wunderbare 
Weise  in  die  Heimat  zurückversetzt  wird.  Er  tritt  als  Pilger 
in  seine  Burg,  wo  seine  Gattin  eben  eine  neue  Heirat  schliessen 
will,  und  giebt  sich  durch  die  Hälfte  des  geteilten  Ringes  zu 
erkennen.  Zuerst  hat  der  Jesuit  Lonys  Richeome  (Le  Pelerin 
de  Lorete,  Bordeaux  1604  p.  839 — 850:  ,Transport  merueilleux 
dvn  Gentilhomme  franrois'  =  Peregrinus  Lauretanus,  a  Joa. 
Haickstein  ex  idiomate  gallico  in  latinum  conversus,  Coloniae 
1612  p,  541 — 548)  diese  Sage  erzählt;  auf  ihm  fussen  Georg 
Stengel,  Opus  de  iudiciis  divinis  1654  2,  348  (2,  Cap.  28,  §  2; 
deutsch  Augsburg  1712  2,  312),  Martin  von  Cochem,  History 
Buch  1,  443  (1687),  Abraham  a.  S.  Clara  (Gemisch-Gemasch, 
Passauer  Ausg.  19,  377),  Amelie  Bosquet  (La  Normandie 
romanesque   1845  p.  465)  sowie  verschiedene  Jesuitendramen 


Nacliträge.  585 

(Touniay  162'i  und  1G50,  ed.  Blosseville,  Houeu  c.  1S75; 
Aychstätt  1694,  München  1718,  Rottweil  1721;  Amores 
Baquevilli  et  Bonillae  im  Wiener  Cod.  133G4;  lisl.  Schauspiel 
Kaspar  Abybergs  von  1643  in  Schwyz;  anderes  bei  Bolte, 
Zeitschr.  d.  V.  für  Volkskunde  3,  64.  4()2)  und  zwei  deutsche 
Balladen  (Bolte  a.  a.  0.).  —  Aehnlich  die  Sage  von  Hugh 
de  Hatten,  dem  nach  siebenjäliriger  Gefangenschaft  St.  Leon- 
hard  erscheint  (Dugdale,  Baronage  of  Englande  1675;  vgl. 
Liebreclit,  Jahrb.  f.  rom.  Litt.  4,  116),  von  Bos  de  Benac,  den 
der  Teufel  heimführt  (Melauges  tires  d'une  grande  bibl.  20,  260. 
Mag.  pittoresque  6,  56),  von  Jean  d'Anglure  (Vaublanc,  La 
France  au  temps  des  croisades  2,  184;  nach  Mag.  pitt.  1841,  406) 
und  vom  Grafen  Dirlos  (Wolf-Hofmami,  Primavera  y  flor  de 
romances  1856  2,  129  Nr.  164).  —  Erkennung  durch  zer- 
brochenen Ring:  Dinaux,  Trouveres  3,  161.  —  Ring  in  den 
Becher  der  Geliebten  geworfen:  Grimm,  KHM  Nr.  93  und 
101.  Vernalekeu  Nr.  34:  ,Drei  Prinzessinnen  erlöst'.  Sommer 
Nr.  6.  Curtze  Nr.  23.  Campbell  Nr.  3  (verlassene  Gattin  bei 
der  Hochzeit  des  Gatten).  Vgl.  auch  Wenzig  S.  114.  Molbech 
p.  279  Nr.  49. 

S.  138.  Fran(,"ois-Marie  Luzel,  geb.  1S21  zu  Plouaret, 
gest.  den  26.  Februar  1<S95  zu  Quimper.  Vgl.  Sebillot,  Revue 
des  trad.  pop.   10,  1(S3. 

S.  140.  Virgils  Wiederbelebung  misslingt:  Com- 
paretti,  Virgil  im  Mittelalter  1875  S.  311.  Graf,  Roma  2,  258. 
Rochholz,  Dtsch.  Glaube  1,  260.  Ey,  Harzmärchen  S.  97. 
Alemannia  24,  156  (Frastus).  Gaster,  Beiträge  S.  29.  Archiv 
für  neuere  Spr.   77,   13s.   142  (Mar(|ues  de  Villena). 

S.  210  ^  Hängens  spielen:  Hebel,  Werke  ed.  Behaghel 
2,  161  Nr.  94:  ,Der  unschuldig  Gehenkte'.  Rochholz,  Schweizer- 
sagen 2,  46.  De  la  Fontaine,  Luxemburg.  Sagen  Nr.  41. 
Müller,  Siebenbürg.  Sagen  Nr.  412.  Schulenburg,  Wend. 
Volkstum  S.  85.  151.  Veckenstedt  S.  303.  Knoop  S.  24 
Nr.  41   (Köpfen).     Arne,   Nogle  Fortaellinger  p.    17.     Jones- 


586  2^11'  Mäi'chenforsfhung. 

Kropf,    Magyar  folk-tales   p.  383.     Academy   1884.    2.    Febr. 
p.  80.     Cassel,   Aus   dem   Lande   des   Sonnenaufgangs   S.  30. 

S.  220,  Mitte.  Hexe  b esc h lagen:  Baader,  Sagen  aus 
Baden  Nr.  294.  Stöber-Mündel,  Sagen  des  Elsasses  2,  112 
Nr.  152.  Kranss  2,  140  Nr.  75.  —  Pfaffenköchin:  Erk- 
Böhme,  Liederhort  Nr.  11  und  211).  Köhler-Meier,  Volks- 
lieder von  der  Mosel  1896  Nr.  10.  Philo  vom  Walde. 
Schlesien  1883  S.  6.  Ayrer  4,  2701.  Liebrecht,  Germania 
18,  180.  — Wirtin:  Hoffmann  v.  F.,  Niederländ.  Volkslieder 
S.  XII.  Flugblatt:  ,Ein  Dorf  das  ligt  nit  weit  von  Gent' 
(Berlin  Yf  6600).  —  Bauern:  Vernaleken,  Alpensagen 
S.  283  Nr.  203. 

S.  26S  unten.  So  viel  Fenster  als  Tage  im  Jahr 
haben  nach  dem  Volksglauben  viele  Schlösser;  so  die  zu 
Oppurg,  Pommersfelde,  Höchst  bei  Frankfurt  a.  M.,  Merlan 
(Bindewald,  Oberhess.  Sagenbuch  S.  177),  Lübbenau  (Schulen- 
burg, Wend.  Volkssagen  S.  20),  Tangeid)erg  in  Kärnten 
(Weimarer  Zeitung  Deutschland  1891,  3.  März:  Fenster  = 
Tage,  Zimmer  =  AYochen,  Thore  =  Wochen  im  Jahre),  auch 
die  Kathedrale  zu  Salisbury  (Notes  und  Queries  6.  ser.  6,  520). 
Nach  irischem  Glauben  (K.  v.  Killinger,  Erin  6,  450)  darf 
nur  der  König  365  Fenster  haben.  Carnoy,  p.  226  Nr.  2. 
Schneller  S.  216.  Wolf,  Niederl.  Sagen  1843  Nr.  45  (zur 
Erinnerung  an  die  365  Kinder  der  Gräfin  von  Henneberg). 
Finamore,  La  leggenda  di  S.  Francesco  d'Assisi  1888  p.  (i  (Tante 
stanze  quanti  i  giorni  dellanno,  hat  der  Teufel),  Ausland  1887, 
905  (365  Inseln  und  Felsen  bilden  die  Bermuda-Inseln). 

S.  273  V  Schaf  verzehrt,  wiederbelebt,  lahm,  da 
ein  Knochen  fehlt.  —  Vgl.  noch  Hans  Müller,  Aus  Davos 
1875  S.  14.  Hörmann,  Zs.  des  Ferdiimudeums  1870,  214. 
Imbriani,  Novellaj;i  fior.  p.  ()2().  lUisk  p.  176.  Haltrich 
Nr.  15.  Brueyre  p.  338.  Folklore- Journal  1,  383.  276. 
Zeitschrift  für  Ethnol.  4,  130.  Goldschmidt  S.  57.  Benfey, 
Pantsch.   1.    49;"..      Bahar    Danush    2,    290.      Liebrecht.    Jahr- 


Nachträffc- 


J)»< 


hucli    für    romanische    J.itteratur   o,    l')l.     Eiiglisclic   Stiulicii 
7.  478. 

S.  3S8  ^  Midas  mit  den  EseLsolireii.  Vgl.  S.  öll 
(Jülü,  Nr.  "-'2).  Kletke,  Märcheusaal  2,  18 1  (nach  Keating, 
Hist.  ()f  Irelaud  1723).  Rohrbeck,  Preiiss.  Jahrbiielier  89,  '2(\d 
(turkmenische  Sage  von  Iskender  Dschulkarnajin,  d.  i.  Alex- 
ander dem  (iehörnten,  und  seinem  Barbier). 

S.  389,  Nr.  7.  Die  Schöne  der  Erde.  Vgl.  ferner 
etwa  Carnoy,  C.  fran(;ais  p.  75.  Luzel  3,  22.  Sebillot, 
Revue  des  trad.  pop.  7,  178  Xr.  14.  Gittee-Eemoine  p.  67. 
Vermast  p.  3.  43.  Ludwig  Salvator,  Märchen  aus  xMallorca 
1897  S.  50.  Obert,  Ausland  1856,  716.  Polivka,  Zs.  für 
österr.  Volksk.  2,  221  und  Archiv  für  slav.  Phil.  19,  255 
Nr.  78.  Folk-Eore  5,  323  (finnisch).  Schreck  S.  28.  Poestion, 
Eappl.  M.  S.  234.  24L  251.  G.  Meyer,  Essays  1.  189. 
Georgeakis  p.  IE  Ueber  eine  isländische  Bearbeitung  des 
Fortunat-Romans  vgl.  Ward,  Catalogue  <if  romances  of  the 
British  museum  1,  S71.  Eäzär,  Ueber  das  Fortunatnsmärchen 
1S97;  vgl.  Zs.  d.  V.  f.  Volkskunde  8,  232.  —  AVelche  „bisher 
nicht  berücksichtigte  litterarische  Erzeugnisse"  Köhler  noch 
besprechen  wollte,  habe  ich  leider  nicht  ermitteln  können. 
Vielleicht  war  es  die  ,Historia  di  tre  giovani  e  di  tre  fate* 
(Rua,  Antiche  novelle  in  versi  1893  p.  1)  und  die  von 
Cosquin  zu  Nr.  11  citierten  .Aventures  dAbdalla  fils  d'Hanif-, 
die  Jean  Paul  Bignon  (1662 — 1743)  unter  dem  Pseudonym 
Sandisson  1712 — 14  zu  Paris  herausgab,  ohne  sie  zu  voll- 
enden. (AVeitere  Drucke  1713.  1723.  1745.  1773,  mit  einer 
Fortsetzung  von  Colson.  Cabinet  des  fees  12,  312 — 504. 
13,  5 — 484.  Bibliotheque  universelle  des  romans  1788, 
jauvier  1.  104 — 193;  von  p.  166  an  mit  eigner  Fort- 
setzung. —  The  Adventures  of  Abdalla,  the  son  of  Hanif 
1729:  vgl.  Notes  and  (^»ueries  6.  ser.  6,  288.  —  Wunderliche 
Begebenheiten  des  Abdalla,  Eines  Sohns  des  Hanif.  Ans 
dem  Frantzösischen  in  das  Teutsche  übersetzet.  Erster  und 
Anderer  Theil.     Franckfnrth    und   Leipzig    1731.      Exemplare 


588  ^^11'  ^li'n'i'henfürseliuiig. 

in  Berlin  und  Weimar).  Bignon  nämlich  giebt  (1,  Ti-t — 168 
der  deutschen  üebersetzung)  als  , Historie  von  dem  Prinzen 
Tangnt  und  von  der  Prinzessin,  die  eine  Nase  von  einem 
Schuh  lang  bekommen  hat',  eine  unserm  Märchen  nahe  ver- 
wandte Fassung.  Drei  Brüder  finden  in  einer  Höhle,  die  sie 
auf  Geheiss  ihres  sterbenden  Vaters  aufsuchen,  drei  Wnnsch- 
dinge;  Hiarcan  nimmt  den  Gürtel,  der  an  den  gewünschten 
Ort  versetzt,  Xamon  das  Hörn,  das  ein  Heer  herbeizaubert, 
Tangut  den  stets  vollen  Geldbeutel.  Tangut  verliert  alle 
drei  Gegenstände  nach  einander  an  die  listige  Prinzessin 
Dogandar,  findet  zwei  Feigenbäume,  deren  Früchte  die  Nasen 
verlängern  und  verkürzen,  u.  s.  w. 

In  diesem  angeblich  aus  dem  Arabischen  übersetzten 
Werke  treffen  wir  noch  andere  Märchenstoft'e  an:  "2,  128 
Verwandlungswettkampf  zwischen  dem  Zauberer  Dil- 
senguin  und  der  Prinzessin  Perifirime  (oben  iS.  138);  "J,  151 
, Begebenheit  des  Arabers  mit  dem  schwarzen  Knebelbart- 
(Tuch,  das  Speisen  herbeizaubert,  LederHasche,  die  zu  einem 
Schlosse  wird,  und  Feuerzeug,  aus  dem  Soldaten  kommen; 
Grimm  Nr.  3G) ;  2,  158 — 178  , Historie  von  Moslema  und  der 
treuen  Rasime'  (Wette  über  Frauentreue;  oben  S.  211. 
581);  2,  189 — 208  , Historie  der  Prinzessin  Zeineb  und  des 
Königs  Leopard'  (Tierbräutigam;  oben  S.  319.  511):  2,  19() 
drei  Liebhaber  bestellt  und  geäfft  (Zs.  d.  V.  f.  Volks- 
kunde 6,  U)3  zu  Gonzenbach  Nr.  55.  Rua,  Novelle  del  Mam- 
briano  1888  p.  89);  2,  208—244  , Historie  des  Schiffers  und 
der  Mesrem'  (Jüngling  von  einem  verschmähten  Mädchen  in 
eine  Eidechse  verwandelt,  so  lange  bis  er  das  Blut  seiner 
Braut  trinkt.     Grimm  Nr.   122). 

S.  405,  Mitte.  ,La  paresse'  ist  Basiles  Pervonto,  über 
den  in  der  Zs.  d.  V.  für  Volkskunde  0,  174  Nachweise  ge- 
geben sind.  Vgl.  noch  De  (hibernatis.  Die  Tiere  in  der  indo- 
germanischen Mythologie  1874  S.  153.  Leop.  Schmidt.  Märchen- 
oper 1894  S.   77. 


Verzeichnis  der  liäufiger  angefülirten  Märchensammlungen. 


Andrews,  J.  B.,  Cuutes  ligures.     Paris   1892. 

Arcliivio    per    lo    stiulio  delle   tradizioni  })üpolari,  ed.   Pitre.     Palermo 

1882  f. 
Arnasou,    J.,    Islenzkar  pjoQsügur    og    Aetiutyri    1 — 2.      Leipzig    1862. 
Translated  by  Powell  and  Magnusson.    London  1866.  —  Dänisch 

von  C.  Andersen   1877. 
Arne,    Xogle  Fortaellinger,   Sagn   og  Aeventyr,   indsamlede    i  Slagelse- 

Egnen.     Slagelse  1862. 
Asbjörnsen,  P.  C,  og  Moe  J.,  Xorske  folkeaeventyr.  Christiania   184S 

bis   1844.  =  Norwegische  Yolksmärchen,  deutsch  von  F.  Breseniann. 

Berlin  1847.  —  3.  Udgave.     Christiania  1866. 
-,  Norske  folk-eventyr.    Xy  saniling.    Christiania   1871.  —  Oben  S.  70. 
— ,  Auswahl  norwegischer  Yolksmärchen  und  Waldgeister-Sagen,  über- 
setzt  von  H.  Denhardt.     Leipzig  (1881).     -  Vgl.    Köhler,    Lit.  Cbl. 

1884,  1148. 

Haissac.  C,  Folklore  de  1'  ile-Maurice.     Paris   1888. 
Baring-Gould,    S.,   Household-Stories.     In:   W.   Henderson,   Notes    on 

the  Folk-Lore  of  the  Xorthern  Counties  of  England.    London  1866.  — 

Oben  S.  45. 
Bartsch,   K.,    Sagen,   Märchen    und  Gebräuche  aus  ^lecklenburg  1 — 2. 

Wien   1879. 
Beauquier,  C,  ßlason  populaire  de  Franche-Comte.     Paris  1897. 
Beauvois,  E.,  Contes  populaires  de  la  Norvege,    de  la  Finlande  et  de 

la  Bourgogne.     Paris  1862.  —  Oben  S.  96. 
Bergli,  H.  E.,  Nye  Folk-eventyr  og  sagn  fra  Valders.     Kristiania  1879. 

1882.   18^6. 
Bernoni,  J.,  Fiabe  popolari  veneziane.     Yenezia   1873. 
— ,  Tradizioni  popolari  veneziane.     Yenezia  1875. 
Berntsen,  K.,  Folke-aeventvr  1-2.     Odense  1873-  1888. 


_",»)()  Zur  Märclient'orsi'luiug. 

]!  i  rli  ni^-er,    A.,    Yolkstümliches     aus    Scliwaben    1 — 2.      Freiburg    i.    B. 

1861—1862. 
lUade,  J.  F.,    Contes    et  pruverbes    i)opulaires  recueillis  eu  Annagnac. 

Paris  1867.  —  Oben  8.  48. 
,  Contes  popiilaires  recueillis  en  Agenais,  siiivis  de  notes  comparatives 

par  R.  Köhler.     Paris  1874. 
— ,    Contes    ])upulaires    de    la    Gascogne    1 — 3.      Paris    1886.    —    Oben 

S.  114. 
Bondeson,  A.,  Halländska  sagor.     Lund  1880. 
— ,  Svenska  folksagor.     Stockholm  1882. 

Braga,  T.,  Contos  tradicionaes  do  povo  portuguez   1  —  2.     Porto  (1883). 
Brueyre,  L.,  Contes  populaires  de  la  Grande-Bretagne.    Paris  1875.  — 

Ygl.  Köhler,  Jenaer  Littztg.  1876,  622. 
Busk,  R.  H.,  The  Folk-lore  of  Rome.     London   1874. 

Caballero,  F.,  Cuentos  y  poesias  populäres  andaluces.     Leipzig  1861. 
— ,  Cuentos,  oraciones,  adivinas  y  refranes  populäres.     Leipzig  1878. 
Campbell,  J.  F.,   Populär  Tales    of  the  West  Highlands    1 — 4.     Edin- 
burgh 1860—1862.  —  Oben  S.  155. 
Carnoy,  E.  H.,  Litterature  orale  de  la  Picardie.     Paris  1883. 

,  Contes  francais.     Paris  1885.  —  Oben  S.  108. 
Cerquand,  Legendes    et  röcits  pujiulaires    du  i)ays   basque   12.     Pau 

1875     1876. 
Chalatianz,  G.,  Armenische  Märchen  und  Sagen.     Leipzig  (1887). 
Champfleury,  P\,  De  la  litterature  ])opulaire  en  France.    Paris  1861.— 

Oben  S.   103. 
— ,  Histoire  de  l'imagerie  populaire.     Paris  1869.  —  Oben  S.   349. 
Chavannes,  G.,  Die  russischen  Yolksmärchen.     Die  Wissenschaften  im 

19.  Jahrh.  9,  89—132.   —  Oben  S.  401. 
Chodzko,  A.,  Contes  des  paysans  et  des  patres  slaves.    Paris   1864.  — 

Oben  S.   400. 
Clouston,  W.  A.,  Populär  Tales  and  Fictions  1  —  2.     London   1887. 
Coelho,  F.  A.,  Contos  populäres.     Lisboa  1879. 

,  Contos  nacionaes.     Porto  (1882). 
Comparetti,  D.,  Kovelline  popolari  italiane  vol.   1.     Torino   1875. 
Consiglieri-Pedroso.     Portuguese  Folk-Tales  transl.  by  H.  Monteiro. 

London   1882  (Publ.  of  the  Folk-lore  Society  9). 
Corazzini,     F.,     I     componimenti     minori     della     letteratura     popolare 

italiiina   nci  priucipali  dialetti.     Benevento  1877. 
C  oronedi-Bert  i ,  ('.,  Xovelline  popolari  bolognesi.    Bologna   1874  (aus 

dem  Propugnatore  7). 
Cosquiu,    E.,    Contes    ])opulaires    de    Lorraitie    1  —  2.      Paris    (1887).    — 

Zuerst  in  der  Komania  5 — 10.  —  Vgl.  Köhler,  Zs.  für  roman.  Phik)l. 

2,   IS. 2   350.     3,   15().   617.     5,   171.     6,    173,   462.     Lit.  Cbl.   1 8SS,  734. 


Yerzeiclinis  der  liiiufiger  angeführten  Märcliensammlungen.      591 

("rane,    T.    F.,    Italian    itopnlar    tales.      Bo:ston    1  ^Si).    —   Vgl.    Kollier, 

Lit.  Cbl.   1887,  580. 
(.'nrtze,  L.,  Vülksüberliefernngeii   aus  AYaldeck.     Arolsen    18()0. 

Jt'/.rior    rij;    taTogi^ifjc:    y.al     tOvu'/.oyiy.rj^    haiola.;    ti'/;  Vi/./.afVic   1 — -i.      Athen 

1883—92. 
Deulin,   Ch.,    Contes    d'un    buveur    de    biere.      6.    ed.      Paris    1873.    — 

Vgl.  Brueyre,  Almanach   des  trad.  pop.  1882,   115. 
— ,  Cüutes  du  roi  Cambrinus.     Paris  1874. 
Dietrich,  A.,^  Russische  Yulksmärchen.     Leipzig   ls31. 
Djurkluu,  Gr.,  Sagor  och   äfventyr.     Stockhohn   1883. 
Dozon,    A.,    Coutes    albanais.      Paris    1881.   —  A'gl.  Köhler,    Lit.    Cbl. 

1882,  718. 
Dykstra,  W.,  L^it  Frieslands  volksleven  2.     Leeuwarden  (1894). 

Engelien,  A.  und  Lahn,  W.,  Der  Yolksmund  in  der  Mark  Branden- 
burg 1.     Berlin  1868. 

Etlar,  C.  (=:  Brosböll),  Eventyr  og  folkesagn  fra  Jylland.  Kjöbeu- 
havn  1847. 

Fj\  ,  A.,  Harzmärchenbuch.     Stade   1862. 

Finaniore,  G.,  Tradizioni  popolari  abruzzesi  1.  Lanciano  1882.  —  Oben 

S.   3(J0. 
Firmenich,    J.  31.,  Germaniens  Yölkerstimnion   1 — 3.     Berlin    1843  bis 

1868. 
Folk-lore  andaluz.     Sevilla   1882—1883. 
Fortier,  A.,  Louisiana  Folk-Tales.     Boston  1895. 

Franzisci,  F.,  Kulturstudien  über  Yolkslebeu  in  Kärnten.    Wien  1879. 
Frere,  M.,  Old  Deccan  Days,  or  Hindoo  fairy  legends.    London  1868.  — 

Deutsch     von    A.    Passuw,     Märchen     aus     der    ind.    Yergangenheit. 

Jena   1874, 
Friis,  J.  A.,  Lappiske  eventyr  og  fulkesagn.     Kristiania  1871. 

fiaal,  G.,  Märchen  der  Magyaren.     AYien   1822. 

— ,  Ungarische  Yolksmärchen  übersetzt  von  G.  Stier.     Pest  1857. 

Gaidoz,    H.    et  Sebillot,    P.,   Blason    populaire    de    la   France.     Paris 

1884. 
Georgeakis,  G.,  et  L.  Pin e au.    Le  folk-lore  de  Lesbos.    Paris  1894. 
Giambattista  Basile.    Archivio  di  letteratura  popolare   1  —  7.    Xapoli 

1883—1889. 
Gianaudrea,    A.,    Biblioteca    delle    tradizioni    popolari    marchigiane. 

1.  Jesi  1876. 
Gittee,  A.,  et  Lenioine  J.,  Contes  populaires  du  pays  wallon.    Gand 

1891. 
(ilinski,  Bajarz  polski   1—4.     AYilna  1862. 


592  ^"^ii"  Märclieiiforschuiig. 

Godin     A.,  Polnische  Yolksmärchen.     Leipzig  o.  J. 

Goldschmidt,  W.,  Russische  Märchen.     Leipzig  1883. 

Gonze  nba  ch,  L.,  Sicilianisclie  Märchen.   Mit  Anmerkungen  R.Köhlers. 

1  —  2.     Leipzig  1870. 
Gradi,  T.,  Saggio  di  letture  varie  per  i  giovani.     Torino  1865. 
— ,  La  vigilia  di  pasqua  di  Ceppo.     Torino  1870. 

Gras,  P.  L.,  Dictionnaire  du  patois  i'orezien.    Lyon  1863.  —  Oben  S.  105. 
Gredt,   N.,   Sagensehatz   des   Luxemburger   Landes.      Luxemburg    1883 

(1885). 
Grimm,    J.    und   W.,    Kinder-    und   Hausmärchen    1 — 8,      7.    Ausgabe. 

Göttingen   1857. 
Grönborg,  0.  L.,  Optegnelser  pä  Yendelbomäl.     Kiöbenhavn   1884. 
Grünbaum,  M.,  Jiidi^chdeutsche  Chrestomathie.    Leipzig  1882.  —  Oben 

S.  576. 
Grundtvig,  S.,  Gamle  danske  minder  i  folkemunde  1 — 3.    Kiöbenhavn 

1854  -1861. 

-  ,  Danske  folkeaeventyr  1  —  2.    Kjöbenhavn  1876-  1878.  —  Deutsch  von 

W.  Leo  und  A.  Strodtmann.     Leipzig  1878—1879. 
Gubernatis,  A.  de,  Le  novelline  di  Santo  Stefano.     Torino   1869  (ans 
der  Rivista  contemporanea).  —  Oben  S.  344. 

—  Zoological  Mythology  1—2.     London   1872.  —   Deutsch  von  M.  Hart- 
niann:   Die  Tiere   in    der  indogermanisclien  IMythologie.     Leipzig  1874. 

Haase,   K.   H.,   Sagen    aus  der  Grafschaft  Ruppin.     Xeu-Ruppin    1887. 
Hahn,  J.  G.  von,  Griechische  und  albanesisclie  Märchen  1 — 2.    Leipzig 

1864. 
Haltrich,  J.,  Deutsche  Volksmärchen  aus  Siebenbürgen.    Berlin  1856.  — 

Vgl.  Köhler,  Lit.  Cbl.   1882,   1671. 
Hansen,  R.,  Ditmarsische  Märchen.    Zs.  der  Ges.  f.  schleswig-holstein. 

Geschichte  7,  213—234  (1877). 
Harris,  J.  C,  Uncle  Remus.     Newyork  1881. 
Henderson,   W.,   Notes    on  the  Folk-lore    of  the  Northern  Counties  of 

England.     London  1866.  —  Oben  8.  45. 
H  offm  eiste  r,   Ph.,  Hessische  Volksdichtung.     Marburg  1869. 
Hyde,  D.,  Beside  the  tire.     London  1890. 
Hylteu-Cavallius,    G.    0.    und   Stephens,    G.,    Schwedisclie    Yolks- 

sagen  und  Märchen,  deutsch  von  0.  Oberleitner.     Wien   1848. 

Jacobs,  J.,  English  Fairy-Tales.     London    1S90.   —   Indian   Fairy  Tales. 

London    1892.  —  Oelti(;   Fairy  Tales.     London    1892.    —   ^love    Celtic 

Kairy   Tales.     London  1894. 
Jagic,    V..  xVus  dem   südslavischen  Märchensehatz.     1876 — ISSO  (Archiv 

f.   slav.  Phil.  ].  2.  5).  —  Oben  S.   407. 
Jiilin,   r.,  Schwänlcc   und  Sclmurren    aus   iiaucrn   ISIund.      Berlin  (1890). 


Yei'zeichnis  der  häufiger  angeführten  Märohensainnilungon.      f)!))) 

Jalin,  U.,  Volksmärchen  aus  Pommern  1.     Norden  1891. 

Janson,  K.,  Folke-Eventyr.     Kristiania  1878. 

Jecklin,  D.,  Volkstümliches  aus  Graubünden   1  —  3.     ("liur   1874 — 1878. 

Imbriani,     V.,    La    novellaja     tiorentina.       Napoli    1871.     —    2.    ediz- 

Livorno  1877. 
■ — ,  La  novellaja  miianese.     Bologna   1872. 
— ,  'A  'Ndriana  Fata,  conto  poniiglianese.     Pomigliano  d'Arco   187.Ö. 

-,  Dodici  conti  pomiglianesi.     Napoli   1877. 
Jones,   W.    H.    and   L.    Kropf,   Folk-Tales    of   the   Magyars.      London 

1889. 
Joos,   A.,   Vertelsels    van   het   vlaanische    volk    1 — 4.     Brügge    1889   — 

1892. 
Jülg,    B.,    Mongolische    Märclien.      Innsbruck    1868.    —   Oben    S.    509. 

Vgl.  Köhler,  Lit.  Cbl.   18B7,  968. 

Kaden,    W.,    LTnter     den    Olivenbäumen.      Süditalische    Volksmärchen. 

Leipzig  1880.  —  VgL  Köhler,  Lit.  Cbl.   1881,  337. 
Kamp,  J.,  Danske  Folkeminder.     Odense  1877. 
— ,  Danske  Folkeaeventyr  1—2.     Köbenhavn   1879  —  1891. 
Kennedy,  P.,  The  Fireside  Stories  of  Ireland.     Dublin  1875. 
Kletke,  H.,  Märchensaal   1—3.     Berlin  1844—1845. 
Knoop,  O.,  Volkssagen  aus  dem  östlichen  Hinterpommern.    Posen  1885.  — 

Vgl.  Köhler,  Lit.  Cbl.  1885,  1683. 
Knowles,  J.  H.,  Folk-Tales  of  Kashmir.    London  1888.  —  Vgl.  Köhler, 

Lit.  Cbl.  1889,  123. 
Knust,  E.,  Italienische  Märchen  (Jahrbuch  f.  roman.  Litt.  7,  881 — 401). 
Krauss,  F.  S.,  Sagen  und  Märchen  der  Südslaven   1 — 2.    Leipzig  1883 

bis  1884. 
Kremnitz,  M.,  Rumänische  Märchen.     Leipzig  1883. 
Kreutzwald,    F.,    Ehstnische    Märchen,   übers,    von  F.  Löwe,   mit   An- 
merkungen von  R.  Köhler.    Halle   1869.  —  2.  Hälfte.    Dorpat  1881. 
Kristensen,    E.    T.,    Aeventyr    fra    Jylland    1 — 2.      Kjöbenhavn    1881 

bis  1884. 
Krohn,  K.,  Bär  (Wolf)  und  Fuchs.     Helsingfors  1888. 
Kuhn,  A.,  Sagen,  Gebräuche  und  Märchen  aus  "Westfalen  1 — 2.    Leipzig 

1859. 

Lal  Behary  Day,  Folk-tales  of  Bengal.     London  1883. 
Landschoot,  J.  van,  Volksvertelsels.     Gent  1895. 
Lang,  A.,  Scotch  Tales.     1878  (Revue  celtique  3).  —  Oben  S.   270. 
L  arge  au,   V.,    Flore    Saharienne.      Histoires    et   legendes    traduites    de 

l'arabe.     Paris  1879. 
Leger,   L.,   Recueil    de    contes  populaires   slaves.     Paris    1882.  —  Vgl. 

Köhler,  Lit.  Cbl.  1883,  1155. 

R.  Köhler,  Kl.  Schriften  I.  38 


594  ^^^^'  ^Iiii'''Jienfürschung. 

Legrand,  E.,  Recueil  de  contes  pi)])ulaires  grecs.    Paris  1881.  —  ^'^gl- 

Köhler,  Lit.  Cbl.  1881,  1323. 
Leheinrbe,  L.,  Volksvertelsels.     Lier   1893. 
Leibing,   F.,   Sagen    und  Märchen    des  Bergischeii    Landes.     Elberfeld 

1868.  —  Oben  S.   70. 
Lemke,  E.,  Volkstümliches  in  Ostpreussen  1 — 2.    Muhrungen  1884 — 1887. 
Leskien,  A.  und  Brugman,  K.,  Litauische   Volkslieder  und  Märchen. 

Strassburg  1882.  —    Vgl..  Köhler,  Lit.  Cbl.  1882,  1671. 
Lidzbarski,    M.,    Greschichten    und  Lieder    aus    den    neu-aramäischen 

Handschriften  zu  Berlin.     Weimar  189B. 
Lootens,  A.,  Oude  kindervertelselsindenBrugschen  tongval.  Brüssel  1868. 
Lütolf,  A.,  Sagen,  Bräuche  und  Legenden  aus  den  fünf  Orten.    Lucern 

186.Ö. 
Luzel,    F.  M.,   Contes   bretons.     Quimperle    1870.  —  Vgl.  oben  S.  138. 
— ,  Rapports  sur  une  mission    en  Ba^se-Bretagne    1872 — 1873  (Archiven 

des  missions  scientifiques  et  litt.     2.   ser.  tome  7  et  3.  ser.  t.  1). 
—  ,  Veillees  bretonnes.     Morlaix  1879. 

— ,  Legendes  chretiennes  de  la  Basse-Bretagne   1 — 2.     Paris   1881. 
— ,  Contes  populaires  de  la  Basse-Bretagne  1 — 3.     Paris  1887. 

Macdougall,  .1.,  Folk  and  Hero  Tales.     London   1891. 

Mac   Innes,  Folk  and  Hero  Tales.     London   1890. 

Madsen,  J,  Folkeminder  tra  Hanved  Sogn.     Kjöbenhavn    1870. 
^     Maspons  y  Laln-os,  F.,  Lo  Rondallayre  1 — 3.    Barcelona  1871 — 1874.^ 
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— ,  Novelle  popolari  toscane.     Firenze  1885. 
Poestion,    A.,    Isländische    Märchen.      Wien    1884.      -    Vgl.    Köhler, 

Cbl.   1885,  51H. 
,  Lappländische    .Märchen.       Wien    1886.      -     Vgl.    Köhler,    Lit.  Cbl. 

1886,  1286. 
Poga  tsc  h  nigg,   V.,  .Märchen  ans  Kärnten    (Carintliia  55 — 56.  Klagen- 
furt 1865—1866.) 
Prato,  S.,  Quattro   novelline  popolari  livurnesi.     Spoleto   1880. 
Prrilile,  H.,  Kiiuler  und  Volksmärchen.     Leipzig  1853. 

,  Märclien   für  die  Jugend.     Halle   1854. 
Prvni,   E.   und  A.  Socin,    Der  neu-aramäische  Dialekt    des    Tur  'Abdin 

1      2.  Gott.   1881. 

(^v  ig  st  ad,   J.,    og   G.    Sandberg,    Lappiske     eventyr     og    folkesagn. 
Kristiania   1887. 

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1      6.     St.  Petersburg   1866—1886.  —  Vgl.  Köhler,   Lit.    Cbl.    1867, 
634.     1869,  73.     1870,   1397. 
Hals  ton,  W.  R.  S.,  Russian  folk-tales.     London  1873. 

,  Tibetan  Tales.     London  1884.  —  Vgl.  Köhler,  Lit.  Cbl.  1884,  397. 
Riviere,  J.,  Recueil  de  contes  populaires  de  la  Kabylie  du  Djurdjura. 
Paris  1882.  —  Vgl.  Köhler,  Lit.  Cbl.  1888,  1155. 

38* 


596  ^^^  Mälchenforsc'hung. 

Rolland,  E.,    La   faune    populaire  de  la  France   1  —  6.      Paris  1876.  — 

Vgl.  Köhler,  Jenaer  Lit.   1877,  644. 
Romero,  S.,  Contos  populäres  do  Brazil.    Lisboa  1885. 
Roussey,  C,  Contes  populaires  recueillis  ä  Bournois.     Paris  1894. 
Roumanian  fairy  tales.     London   1881. 

Sabatini,  F.,  La  lantorna.     Imola   1879. 

Sainenu,  L.,  Basmele  Romane.     Bucuresti   1895. 

Sakellarios,  A.,  Kypriaka  1 — 3.  Athen  1855 — 1868.  —  2.  Aufl.  Athen 

1891,  —  Oben  S.  370. 
Sarnelli,  P.  La  Posilecheata  ed.  Y.  Imbriani.     Napoli   1885. 
Sauve,  L.  F.,  Le  folk-lore  des  Hautes-Vosges.     Paris  1889. 
S  eh  am  b  ach,  G.  und  W.  Müller,  Niedersächsische  Sagen  und  Märchen. 

Gröttingen  1855. 
Schiefner,  A.,  Ossetische  Sagen  und  Märchen  1867.     (Melanges  asia- 

tiques  5,673.) 
-  ,  Awarische  Texte.     1873.  —  Oben  S.  536. 
— ,  Indische    Erzählungen    1 — 47    (Melanges    asiatiques    7 — 8).    —   Ygl. 

Ralston,  Tibetan  Tales. 
Schleicher,  A.,  Litauische  Märchen.     Weimar  1857. 
Schmidt,   B.,    Griechische  Märclien,    Sagen    und  Volkslieder.      Leipzig 

1877.  —  Oben  S.  378. 
Schmitz,    J.    H.,    Sitten    und    Sagen    des    Eifler    Volkes    1 — 2.      Trier 

1856—1858. 
Schneller,  C,  Märchen  und  Sagen  aus  Wälschtirol.     Innsbruck  1867. — 

Oben  S.  59. 
Schönwerth,  F.,  Aus  der  Oberpfalz   1 — 3.     Augsburg  1857 — 1859. 
Schott,  A.  und  A.,  "Walachische  Märchen.     Stuttgart  1845. 
Schreck,  E.,   Finnische   Märchen.      Weimar    1887.    --    Vgl.    Köhler 

Lit.  Cbl.  1888,  986. 
Schulenburg,  W.  v..   Wendische    Volkssagen.      Leipzig  1880.   —  Vgl. 

Köhler,  Lit.  Cbl.   1880,   1428. 
— ,  Wendisches    Volkstum.       Berlin    1882.    —   Vgl.    Köhler,    Lit.    Cbl. 

1882,   1524. 
Sebillot,    P.,    Contes    populaires    de    la    Haute -Bretagne    1 — 3.     Paris» 

1880—1882. 
— ,  Litterature  orale  de  la  Haute-Bretagne.    Paris  1881.  —  Vgl.  Köhler, 

Lit.  Cbl.   1881,   1725. 
— ,  Traditions  et  superstitions  de  la  Haute-Bretagne   1 — 2.     Paris  1882. 
— ,  Contes  des  provinces  de  France.     Paris  1884. 
Simrock,  K.,  Deutsche  Märchen.     Stuttgart  1864.  —  Oben  S.  369. 
— ,  Der  gute  Gerhard.     Bonn  1856.  —  Oben  S.  5. 
So  ein,    A.   und  H.  Stumme,  Der  arabische  Dialekt   der  Houwara  des 


Yerzeiclniis  der  liäutiger  angeführten  Märchensamnilungeii.      597 

Wad  Sus  in  Marokko.  1895.  (Abh.  der  k.  säch.  Gesellschaft  der 
Wissensch.     36,  Nr.   1.) 

Spitta-Bey.     Contes  arabes  modernes.     Leyde   1888. 

Steel,  F.  A.  and  K.  C.  Temple.     "Wide-awake  Stories.    Bombay   1884. 

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Steere,  E.,  Swahili  Tales.     London   1870.  —  Oben  S.  514. 

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Stumme,  H.,  Tunisische  Märchen  1 — 2.     Leipzig  1893. 

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Svenska  landsmälen:  Nyare  bidrag  tili  kännedom  om  de  svenska 
landsmälen  och  svenskt  folklif.     Stockholm  1879  f. 

Swynn  ertön,  C,  Indian  Nights'  Entertainments.     London   1892. 

Teza,  E.,  La  tradizione  dei  Seite  savi  nelle  novelline  magiare.    Bologna 

1864.  —  Oben  S.  335;  vgl.  337. 
— ,  I  tre  capelli  d'oro  del  nonno  Satutto.     Bologna  1866.  —  Oben  S.  343^ 
Thorburn,  S.  S.,  Bannii,  or  Our  Afghan  Frontier.     London   1876. 
Toppen,   M.,    Aberglauben    aus   Masuren.      2.  Aufl.     Danzig    1867.    — 

Oben  S.  63. 
Troude,  A.,  et  G.  Milin,  Le  conteur  breton.     Brest  1870. 
Tsagarelli,  M.,  Contes  mingreliens,  par  J.  Mourier.     Odessa  1883. 
Tuscan  fairy  tales.     London  1880. 

Vascon Cellos,  J.  Leite  de,  Tradicoes  populäres  de  Portugal.  Porto  1882. 
Veckenstedt,  A.,     Wendische    Sagen.      Graz   1880.    —    Vgl.    Köhler, 

Lit.  Cbl.  1880,  1428. 
— ,  Mythen    der    Zamaiten    1—2.      Heidelberg    1883.   —    Vgl.    Köhler, 

Lit.  Cbl.  1884,  897. 
Vermast,  A.,  Vertelsels  uit  West-Vlaandern.     Gent  (c.  1890). 
Vernaleken,  T.,  Oesterreichische  Kinder-  und  Hausmärchen.  Wien  1864. 
— ,  Mythen  und  Bräuche  des  Volkes  in  Oesterreich.     Wien  1859. 
Visentini,  J.,  Fiabe  mantovane.     Torino   1879. 
Vitry,  Jacques  de,  Exempla  ed.  by  T.  F.  Crane.     London  1890. 

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Wenzig,  J.,  Westslavischer  Märchenschatz.     Leipzig  1857. 
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buch für  roman.  Litt.  7,  1—36.  121—154.  249—290). 


^gg  Zur  Märciienforsfhung. 

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Winter-Hjelm,  K.  A.,  Aeventyrbogen.     Kristiania  o.  J. 
Wlislocki,  H.  V.,  Märchen  und  Sagen  der  transsilvanischen  Zigeuner. 

Berlin  1886.  —  Vgl.  Köhler,  Lit.  Cbl.   1887,  733. 
— ,  Märchen  und  Sagen    der    Bukowinaer   und    Siebenbürger   Armenier. 

Hamburg  1892. 
"VVossidlo,     R.,      Mecklenburgische     Yolksüberlieferungen     1:     Rätsel. 

Wismar  1897. 
Woycicki,  K.  W.,    Polnische    Volkssagen    und    Märchen,   deutsch    von 

F.  H.  Lewestam.     Berlin  1839. 
Wucke,  C.  L.,  Sagen  der  mittleren  Werra  1—2.     Salzungen  1864. 
Wuk  Stephanowitsch  Kar adschitsch,    Volksmärchen    der  Serben. 

B?rli::  1854. 

Zingerle,  ':;■.  und  Jos.,  Kinder-  und  Hausmärchen  aus  Tirol.  Inns- 
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Süddeutschland.  Regensburg  1854.  -  Vgl.  Köhler,  Gott.  gel. 
Anzeigen   1871,  2095. 


Sachregister. 


Abt  im  Wildbad  137. 

Adler  s.  Vogel.  —  Junge  Adler 
gegen  Schlange  verteidigt  560. 

Aesop  1.  69.  363.  490.  579. 

Alexander  tröstet  sterbend  seine 
Mutter  579. 

Allerleirauh  (Grimm  KHM  Nr.  65) 
62.   190.  346.  420. 

Allwissend,  Doktor  (Grimm  98)  39. 
68.  584. 

Antworten,  rätselhafte  84.  87.  113. 
134.  151.  197.  342.  Geheim- 
sprache 372. 

Apfel  (Holz,  Lappen,  Blutstropfen) 
antwortet  statt  der  Entflohenen 
168.  171.  —  A.,  dessen  Genuss 
Homer  wachsen  macht  186.  588. 
—  Apfelprobe  444. 

Apfelbaum  nachts  vom  jüngsten 
Bruder  bewacht  292.   516. 

Arme:  der  A.  und  der  Reiche 
(Grimm   87)   102. 

Aschenputtel  (Grimm  21)  62.  190. 
270.  274.   368. 

Aufgaben  mit  Hilfe  der  Riesen- 
tochter gelöst  170.  —  Erwide- 
rungen des-klugen  Mädchens  458. 

Augen  ausgestochen,  wiedergekauft 
347.  463.  —  wiedergeholt  434. 
436. 


Auskehren    mit    den   Händen    statt 

Besen  422. 
Auswerfen      von     Bürste,     Kamm, 

Spiegel  auf  der  Flucht  171.  388. 

Baqueville  584. 

Barbara  2. 

Bärenhäuter  (Grimm  101)  63. 

Bärensohn  543. 

Bauer:  trunkener  B.  als  König  581. 

Bauer  und  Teufel  (Grimm  189)  60. 

77.  349. 
Bauerntochter,    kluge   (Grimm    94) 

372.  445. 
Baum   spalten,   Zwerg  fangen  294. 

435. 
Bein,  das  goldene  47.   133. 
Bereuen    wirst   du,    ob    du    kaufst 

oder  nicht  392.  469.  542. 
Berg,  der  goldene  (Grimm  92)  54. 

312. 
Berge,  an  einander  schlagende  367. 

397.  572. 
Berinus  206. 

Bienenkönigin  (Grimm  62)  403. 
Bignon,  Abdallah  587. 
Bild:  Verliebt  in  ein  B.   127. 
Bindespruch  4. 
Blaubart  67.   128.  312. 
Blinder    belauscht   naclits   Geister, 


600 


Zur  Märcliensaninilung. 


erfährt  ein  Heilmittel  281  f.  510. 

—  fragt  klug  93. 
Blindschleiche  u.  Nachtigall  72.  584. 
Boccaccio  68.  184.  212.  216.  496. 
Bohnenpflanze:  daran  zum  Himmel 

klettern  103.  109.  323. 
Boten  desTodes  (Grimm  177)  102.291. 
Branntwein  hinstellen,  an  dem  der 

Feind  sich  berauscht  413.  512. 
Braut,  die  weisse  und  die  schwarze 

(Grimm  185)  62.  125.  405. 
Braut:  untergeschobene  verrät  sich 

172.  —  vergessene  109.  161.  187. 

280.    —    zweite  B.    verkauft   der 

ersten   eine   Nacht   beim    Gatten 

187.  318. 
Bräutigam   in   Tiergestalt   315.     S. 

Tierhaut. 
Bremer     Stadtmusikanten    (Grimm 

27)  58.  187.  424. 
Briefvertauschung  466. 
Brot  (Fleisch,  Traube)    verwandelt 

sich  in  den  Kopf  des  Ermordeten 

154.  —  Brot  aushöhlen  437. 
Bruder  der  Heldin  in  Reh  (Schaf) 

verwandelt  438. 
Brüder:    die    zwei    B.    (Grimm   60) 

67.  68.  178.  303.  387.  409.  —  Die 

vier  kunstreichen  B.  (Grimm  129) 

298.  438.  —  Die  zwölf  B.  (Grimm 

9)  67.    110.  —  Treulose   B.    292. 

537.  543. 
Brüderchen      und      Schwesterchen 

(Grimm  11)   132.  385. 
Bürle  (Grimm  61)  91.  135.  238. 

Campriano  235.  324. 
Christic  145. 

Citronenjungfrau  369.    Vgl.  Pome- 
ranzen. 
Corps  saus  äme  110. 
Crescentiasage  391.  582. 

Dädalus  120. 


Däumling  (Grimm  37.  45)  68.  107. 
109.  196. 

Dieb  von  Brügge  203.  —  D.  löst  ge- 
stellte Aufgaben  255.  307.  415. 
—  giebt  sich  für  den  gestohlenen 
Esel  aus  507.  —  hängt  sich 
scheinbar  auf  210.  348.  —  er- 
kannt an  seinem  Urteil  über  eine 
Erzählung  214.  —  Diebeshand- 
werk gelernt  210.  —  Vgl. Meister- 
dieb. 

Diebe  auf  dem  Kirchhof,  Entsetzen 
der  Lauscher  137. 

Diener  zwingt  den  Königssohn  mit 
ihm  zu  tauschen  394.  —  an  Stelle 
des  Prinzen  untergeschoben,  ver- 
rät sich  172. 

—  mit  wunderbaren  Eigenschaften: 
s.  Gefährten.  —  Die  sechs  D. 
(Grimm   134)  25.   102. 

Dolopathos  182.  184.  201. 

Drachentöter,  drei  Hunde,  treulose 
Schwester  303. 

Drachenzungen  ausgeschnitten  304. 
399.  430. 

Dreizehn  hei.^st  der  Held  307.  383. 
547. 

Dreschflegel  vom  Himmel  (Grimm 
112)  103.  322. 

Dumm:  vgl.  Frau,  Narrenstreiche, 
Schildbürgerstreiche. 

Durchkriechen  durch  die  Ohren 
des  Zauberpferdes  406. 

Eichel  und  Kürbis  508. 

Eier:  fünf  unter  drei  verteilen  499. 
504.  —  Gekochte  Eier  zum  Aus- 
brüten geschickt  458. 

Einäuglein,  Zweiäuglein  und  Drei- 
äuglein (Grimm  130)   101.  259. 

Einmal  schlagen,  nicht  öfter  41 4.  469. 

Einsiedler  und  Engel  148.  578.  581. 

Eisenhans  (Grimm  136)  55.  333. 

Eisenofen  (Grimm  127)  175.  188.318. 


Sachregister. 


(501 


Eligius  132.  297. 

Else,  die  kluge  (Grimm  34)  82.  134. 
218.  266. 

Elster  70. 

Empfängnis  des  Helden  durch  Ge- 
nuss  eines  Fisches  369.  387;  von 
Körnern  175.  179.  369.  512. 

Entführung  durch  unterirdischen 
Gang  393 ;  durch  das  Schiff  des 
verkleideten  Kaufmanns  464. 

Erdmänneken  (Grimm  91)  293. 

Esel  als  Richter  491.  —  E.  ohne 
Herz  und  Ohren  515.  —  E.  vom 
Herrn  verleugnet  491.  —  Esels- 
eier 135.  323.  506;  vgl.  Narren- 
streiche. 

Eselein  (Grimm   144)  318. 

Eulenspiegel  3.  110.  483. 

Falke,  der  einen  Adler  getötet,  er- 
würgt 583. 
Fanch  Scouarnec   149. 
Feder  des  goldenen  Yogels  gezeigt 

411.  468. 
Federn,  die  drei  (Grimm  63)  56. 
Feigen,  dem  Ueberbringer  an  den 

Kopf  geworfen  495. 
Felsen,    aneinander  schlagende:    s. 

Berge. 
Fenster,  soviel  als  Tage  im  Jahre  586. 
Ferenand   getrü    un  Ferenand    un- 

getrü  (Grimm  126)  102. 
Fisch  dankbar  112;  vgl.  Tiere. 
Fischer  und  seine  Frau  (Grimm  19) 

57.   112. 
Fitchers    Vogel    (Grimm    46)     129. 

257.  312. 
Flachses  Qualen   131. 
Fleischpfand  211. 
Flohfell  erraten  50.  92.   134.  389. 
Florindo  e  Chiarastella  346. 
Flucht    vor   dem  Hexenmeister:   s. 

Auswerfen,  Verwandlungskanipf. 
Fortunatus  186.  406.  479.  587. 


Fragen:  drei  492.  —  Durch  einen 
Stellvertreter  beantwortet  82.  267. 

Frau,  einfältige  71.  81;  giebt  Speck 
(Geld)  weg  66.  341.  391.  —  Ihr 
Mann  sucht  Dümmere  81.  2l8. 
505.     Ygl.  Narrenstreiche. 

—  widerspenstige  ertrinkt  136; 
stromaufwärts  gesucht  506;  ge- 
zähmt 137.  —  Keusche  F.  s. 
Wette. 

Freund:  besten  F.  und  ärgsten 
Feind  bringen  415.  455. 

Freunde,  drei  579. 

Frieder  und  Catherlieschen  (Grimm 
59)  66. 

Froschkönig  und  eiserner  Heinrich 
(Grimm  1)  229. 

Fuchs  hilfreich  110.  539.  558.  —  F., 
Holzhauer,  Jäger  1.  70.  —  F. 
und  Igel  408.  —  Listensack  408. 
534.  560.  —  F.  und  Wolf  70.  105. 
197. 

Fünfmal  umgebracht  65. 

Fürchten  lernen  (Grimm  4)  68.  110. 
258. 

Gans,  die  goldene  =Kleban  (Grimm 
64)  134.  192.  348.  418. 

Gaudeif  un  sien  Meester  (Grimm 
68)  68.  138.  210.  348.  388.  556. 

Gefährten  mit  wunderbaren  Eigen- 
schaften 92.  134.  192.  389.  397. 
431.  544.  —  Treulose  G.  lassen 
den  Helden,  der  drei  Prinzes- 
sinnen erlöst  hat,  im  Brunnen 
292.  543. 

Geister  (Tiere)  vom  Blinden  be- 
lauscht, rächen  sich  an  dessen 
untreuem  Gefährten  281.  510. 

Geistermesse  133. 

Geldbeutel  mit  Kuhmist  gefüllt  497. 

Geliert  ,Das  Schicksal'  578. 

Gerhard,  der  gute  5 — 39. 

Geschenk  und  Schläge    teilen  495. 


602 


Zur  Märchenforsc'liung. 


Gesta  Romanorum  198.  455.  507. 
519.  575.  577.  579.  580. 

Gevatter  Tod  (Grimm  44)  291. 

Glasberg  444. 

Gläubiger  vor  Gerieht  als  verrückt 
ausgegeben  491. 

Glieder  fallen  in  den  Kamin,  setzen 
sich  zusammen  130. 

Glückskinder,  die  drei  (Grimm  70) 
141. 

Glücksvogel  409. 

Goethe:  Gretchens  Lied  im  Faust 
120—124. 

Gold  in  Messing,  Kinder  in  Affen 
verwandelt  533.  —  G.  im  Stabe 
137. 

Goldkinder,  die  (Grimm  85)  66.  303. 

Goniez,  Madame  de   12. 

Greif,  der  Yogel  (Grimm   165)  131. 

Gretel,  das  kluge  (Grimm  77)   102. 

Grillet  39. 

Grimm,  Kinder-  und  Hausmärchen. 
(Die  Verweise  auf  einzelne  Num- 
mern sind  unter  dem  Stichworte 
der  Ueberschriften  zu  linden.) 

Grindkopf  330.  419.   519. 

Grossgebauer  18. 

Grossvater  und  Enkel  (Grimm  78) 
102.  381. 

Haar,  goldenes  im  Flusse,  erregt 
den  "Wunsch  nach  der  Jungfrau 
511.  571.  — H.  als  Seil  benutzt  542. 

Habsüchtiger    und  Neidischer  580. 

Halb   geritten,  halb  gegangen  455. 

Halbe  Decke:  s.  Grossvater. 

Halsbänder  (Kopfbedeckungen)  der 
Schlafenden  vertauscht  196.  467. 
547. 

Halskette   der  Zwillinge   119. 

Hamlet  118. 

Hand:  in  die  H.  schneiden  statt  in 
die  Speisen   579. 

Hände,  weisse  90. 


Handel,    der   gute   (Grimm  7)    491. 
Hängens  spielen  210.  585. 
Hans    mein   Igel   (Grimm    108)   <>2. 
318. 

— ,  der  starke  64. 

Hansel  und  Gretel  (Grimm   15)  57. 

519. 
Hase  Briefträger  328. 
Hase   und   Igel   (Grimm    187)    535. 
Hasenhirt  58.  68.  554. 
Häsichenbraut  (Grimm  66)  257. 
Häufungsniärchen   185.  364.  517. 
Haustiere  im  Waldhause:  s.  Bremer 

Stadtmusikanten. 

Heimkehr  zur  neuen  Hochzeit  der 

Gattin  117.  584. 
Heinz,    der   faule  (Grimm  164)  64. 
Herz:  das  gegessene  Tierherz  515. 
Hexe  als  Pferd  beschlagen  220.  586. 

H.  gebraten  statt  des  Helden  414. 
Hildebrand,    der   alte    (Grimm    95) 

386. 
Himmel:   Und    wenn    der    H.    war 

Papier  579. 
Hirtenbüblein     (Grimm     152)     137. 

Vgl.  Kaiser. 
Hochzeit,    die  himmlische  (Grimm, 

Kinderlegenden   9)  60. 
Holle,  Frau  (Grimm  24)  57.  58.  60. 

189.  .  •  .<        '.     ,^ 

Hölle:  zur  Hölle  schicken  (Quittung) 

67.  —  Trunkenbold  darin  68. 
Höllenpförtner  69.  138.  320. 
Hufeisen  verkehrt  anschlagen  .382. 
Huhn   klug   verteilt   351.  354.  372. 

499.  582. 
Hühnchen :  Vom  Tode  des  H.  (Grimm 

80)  58.   184. 
Hund   rettet   Kind,   vom  Vater   er- 
schlagen 534. 
Hunde  des  Drachentöters   68.  304. 

326.  —  H.  u.  Katzen  feindlich  69. 
Hut  bezahlt  246.  251. 


Sachregister. 


603 


Jack  und  Kohnenstengel  103.  109. 
323. 

Jahreskönige  580. 

Jean-Bete  90.  100. 

Jean  de  Calais  12—18.   131. 

Imogen:  s.  Wette  über  die  Treue 
der  Frau. 

Johannes,  der  treue  (Grimm  6)  464. 

Jude  im  Dorn  (Grrimm  110)  55.  68. 
89.  102.  111.   134. 

Jungfrau  mit  goldenen  Haaren  402. 
404.  467.  542.  572.  —  Aus  ihrem 
Mund  und  Haare  fallen  Perlen 
126.  463.  —  Schön  wie  Sonne 
und  Sterne  376.  —  J.  verheisst, 
demKönigeZwillinge  mit  goldenen 
Sternen  zu  gebären  566.  —  J. 
schläft,  während  der  Held  sich 
zu  ihr  legt  562.  —  J.  unter  vielen 
ähnlichen  erkennen  403. 

Jüngster  Sohn  wacht  beim  Apfel- 
baum 292.  516;  beim  Grabe  des 
Vaters  551. 

Kaiser  und  Abt  82.  267.  492.  Vgl. 
Hirtenbüblein. 

Kalb  soll  den  Reisenden  gefressen 
haben  68. 

Kater,  der  gestiefelte  28.  371.  416. 
516.  558. 

Katze  Salomos  69.  —  K.  im  katzen- 
losen Lande  71.  141. 

Katzen  und  Hunde  69. 

Kerzen  entzünden  sich  von  selbstl48. 

Kessel  gebiert  und  stirbt  486. 

Kettenmärchen  517.  Vgl. Häufungs- 
märchen. 

Kiste  mit  dem  versteckten  Buhler 
erkauft  252. 

Kleider  küssen  491. 

Knäuel  weisst  rollend  den  Weg  407. 

Knochen,  der  singende  (Grimm  28) 
49.  54. 

Knochen  zusammengesetzt:  s. Schaf. 


Knoist  un  sine    dre  Söhne  (Grimm 

138)  67. 
Kolbe      im      Kasten,      undankbare 

Kinder  431. 
Kornähre  (Grimm  194)  59. 
Körner    sortieren,    Ameisen    helfen 

397. 
Krähe  3.  58. 

Krähen,  die  (Grimm   107)  286. 
Krautesel    (Grimm     122)    57.    186. 

409.  588. 
Kröte,  undankbarer  Sohn  473. 
Kuchen:     ein    kleiner     mit    Segen 

oder  ein  grosser   mit  Fluch  188. 

191.  195. 
Kuckucksruf  von  der  Bäuerin  nach- 
geahmt 151.  263. 
Kuh  spinnt  345.  O^/i*^.  U  V(Ay^^'  h'(^0' 
Kupfer,  Silber,  Gold  412.  437. 
Kusa  Jatakaya  520. 
Kuss  bewirkt  Vergessen  der  Braut 

169.   172. 

Lachen:    schwermütige    Prinzessin 

zum  L.  bringen  93. 
Lämmchen  und  Fischchen  (Grimm 

141)  385. 
Ländernamen  von  derniisshandeltcn 

Magd  erdichtet  190.  421. 
Läuschen    und    Flöhchen    (Grimm 

30)  364. 
Lausfell  s.  Flohfell. 
Lauterfresser  3. 
Lebenszeit  (Grimm  176)  42. 
Leiche    vom  Totschläger  mit  Gold 

überschüttet  261. 
Leinwand    verkaufen:    s.    Xarren- 

streiche. 
Leute,  die  klugen  (Grimm  104)  383. 
Lieb  wie  das  Salz   129. 
Liebe    erweckt    durch    Bild     127; 

durch  Traum  197. 
Liebhaber:  drei  L.  bestellt  und  ge- 

äff't   588. 


604 


Zur  Märchenforschunt''. 


Liorabruno  308. 

List  und  Leichtgläubigkeit  91.  230. 

323.  348.  —  Vgl.  Riese,  S«hnei- 

derlein. 
Lope  de  Vega  29. 
Löweneckerchen,       das      singende 

springende    (Grimm  88)  5-4.   125. 

188.  318. 
Lügenmärchen  96.  322.  410. 
Lügenwette  322.     Sack  mit  Lügen 

füllen  554. 
Lustig,  Bruder  (Grimm   81)  59.  83. 

135.  349. 

Machandelboom  (Grimm  47)  58.120. 
Mädchen  ohne  Hände    (Grimm  31) 

58.  519. 
Magd  isst  Hühner,  belügt  Gast  und 

Herrn  133. 
Mann   im  Monde    114.    —    M.  und 

Schlange:  s.  Schlange. 
Männlein:    die    drei    M.  im  Walde 

(Grimm  13)   189.  403. 
—  das  jung  geglühte  (Grimm  147) 

132.  296. 
Markolf  87.  151. 
März  borgt  einen  Tag  vom  Februar 

380. 
Mäuschen,  Vögelchen  undBratwurst 

(Grimm  23)  58.  102. 
Mäusehaut,   Prinzessin    (Grimm  71 

der  1.  Aufl.)  420. 
Meerhäschen  (Grimm   191)  411. 
Meisterdieb(Grimml92)256.307.415. 
Menschenfleisch    muss  die  Räuber- 
braut essen  314. 
Menschenhaut   als  Maske  angelegt 

346. 
Menschenkopf    auf    einer   Schüssel 

155.     Vgl.  Schädel. 
Menschenköpfe  auf  Pfählen  411. 
Midas    hat   Bocksohren    379.    383. 

511.  587. 
Misere,  Bonhomme   102.   105.  349. 


Missverständnisse,       absiclitliche 
(Eulenspiegeleien)  263. 

Monate  personiflziert  371. 

Mond  im  Brunnen  (Käse)  107;  von 
der  Kuh  getrunken  90.  135.  498. 
—  Aus  alten  Monden  Sterne  ge- 
schnitzt 484.  505. 

Mondstrahl :  am  M.  sich  herablassen 
497. 

Mutter:  tote  M.  pflegt  nachts  ihr 
Kind  132. 

Nachtigall  und  Blindschleiche  72. 

Kardiello  bringt  die  Prinzessin  zum 
Lachen  94. 

Narrenstreiche  348.  483.  —  Ast  ab- 
sägen 51.  135.  486.  505.  Ver- 
kehrte Begrüssungen  Begegnen- 
der 88.  Eier  ausbrüten  50.  135. 
323.  Hund  Ehrlich  gekocht  65. 
Lämmeraugen  werfen  50.  98. 
Leinwand  verkaufen  an  Bildsäule 
51.  65.  99.  135.  Nadeln  ins  Heu 
stecken  99.  Ochsen  verkaufen 
51.  Sterben  beim  dritten  Esels- 
furz 135.  486.  505.  Vgl.  Frau 
und  Schildbürgerstreiche. 

Nasr-eddin  481. 

Neckmärchen  269. 

Nicht  Nought  Nothing  279. 

Nixe  im  Teich  (Grimm  181)  178. 

Ohinie,  Riese  557. 
Ohren  verstopfen  125. 

Papagei  erzählt  der  Frau  ^[ärchen 

336.   513. 
Paris  et  Vienne  3(52. 
Pathelin  362. 
Peau  d'äne    130. 
Pervonto  405.  588. 
Petrus  59.  60.  83. 
Pfafl'enköchin  beschlagen  586. 
Pfarrer  und  Küster  68.  97. 


l?acliree:ist(>r. 


605 


Pfeife,  die   Tote   erweekt  252. 

Pfeile  ahschiesseii,  um  eine  Braut 
zu  finden  419.  .054. 

Pfennig    reclitschaffen    verdient  71- 

Pferd  liilf reich  58.  466.  —  in  Bufi'el- 
häute  genäht  468.  Ygl.  Dureh- 
kriechen. 

Plejaden   4H>^. 

Polyphem    117.   183.  280.   363.  366. 

Pomeranzen,  drei  61.  346. 

Prinz  mit  goldenen  Haaren  61. 

Prinzen:  drei  P.  ziehen  nach  einem 
Heilmittel  für  ihren  Yater  aus 
562 ;  nach  dem  goldenen  Vogel 
539. 

Prinzessin  emptindlicli  64;  besiegt 
den  Freier  durch  Entschleierung 
561;  kranke  P.  geheilt  335;  zum 
Lachen  gebracht  93.  348;  giebt 
Rätsel  auf  64.  218.  321.  348.  372. 
407.  557;  P.  im  Sarg  und  Schild- 
wache 320;  zeigt  dem  Hirten  den 
Stern  auf  ihrer  Schulter  428.  464. 

Pyramus  und  Thisbe  4. 

(Quittung  aus  der  Hölle  geholt  133. 

Rabe,  die  (Grrimm  93)  585.  —  Die 
sieben  R.  (Grimm  25)  57.  67.  175. 

Rabelais  77.  349. 

La  Raniee  83. 

Ranzen ,  Hütlein  und  Hörnlein 
(Grimm  54)  67. 

Rapunzel  (Grimm   12)  61. 

Rashin-Coatie  270. 

Rätsel,  das  (Grimm  22)  219.  321. 
.(^  T  —  R-  von  der  klugen  Bauern- 
tochter gelöst  457.  —  Vgl.  Ant- 
worten, Prinzessin,  Sphinx. 

—  vom  ermordeten  Geliebten  350. 
372.  Hund  Ilo  46.  359.  Kuh  267. 
Rauch  268.  Tag  und  Xaoht  116. 
Vater  säugen  373.  Verwandt- 
-schaft  218. 


Räuber  Maday  403.  —  Räuber  und 
sein  Sohn:  s.  Polyphem. 

Regen  von  Feigen  342. 

Reise  ins  Jenseits  (Strafen  und 
Belohnungen)  52. 

Rhampsinits  Schatz  200. 

Richter  schickt  zur  Frau  des  Diebes 
535. 

Riese,  der  junge  (Grimm  90)  68. 

—  und  Schneider  (Grimm  183)  262. 
328. 

—  (Teufel)  von  einem  Schwachen 
überlistet  85.  262.  290.  378.  — 
Kraftproben  134.  196.  328.  — 
vgl.  Seele. 

Riesin  dem  Verfolger  verraten   1. 

Ring  zwischen  Gatten  geteilt  117. 
584. — Zauberringgestolilen,  durch 
dankbare  Tiere  wiedergebracht 
63.  437.  440.  —  Z.  verlängert  die 
Nase  111;  verrät  den  Träger 
183. 

Ritt  ins  vierte  Stockwerk  55.  ()7; 
über  die  goldbelegte  Strasse  56. 

Rodia  368. 

Roland,  der  Liebste  (Grimm  56)  57. 

Rose  der  Tochter  mitbringen  54. 

Rotkäppchen  (Grimm  26)   107.   136. 

Rumpelstilzchen  (Grimm  55)  54.  76. 
134.  403. 

Sack,    in  den   alles    springen  muss 

83.  111.  321. 
Salomos  Urteil  531.  —  S.  und  Mar- 

kolf  87.  151. 
Schädel  eines  Selbstmörders  erzählt 

406.  —  Schädel  Trinkgefä,ss  257. 
Schaf  verzehrt,  wiederbelebt,  lahm 

257.  273.  586. 
Scheffel    zum  Geldmessen  geliehen 

248.  558. 
Schemjakas  Urteil  578. 
Schiff,  das  über  Land  fährt  134.  191. 
Schildbürgerstreiche    65.     66.    266. 


(!06 


Zur  Märchenforseluiiis. 


—  Aal  ersäufen  266.  Beine  ver- 
wechselt 18ä.  266.  Brunnen 
messen  112.  113.  Gewitter  in 
der  Schachtel  324.  Katze  ver- 
brennen 142.  Kirche  fortschieben 
135.  324.  Im  Kornfeld  schwim- 
men 112.  Kuh  aufs  Dach  ziehen 
66.  135.  266.  Nadeln  säen  135. 
Quelle  ausgraben  533.  Vgl. 
Xarrenstreiche. 

Schlafdorn  261. 

Schlafen:    der  vom  Tode  erweckte 

Held   meint   sanft   geschlafen  zu 

haben  555. 
Schlange,    die    Aveisse    (Grrimni  17j 

266.  402. 

—  •  dankbare  366.  440.  —  S.  lösen 
370.  412.  581. 

Schlangenblätter,  die  drei   (Grimm 

16)  363. 
Schlüssel,  alter  und  neuer  169.  426. 

—  S.  ins  Meer  geworfen,  herbei- 
geholt 464. 

—  der  goldene  (Grimm  200)  269. 
Schmied,    Christus    und    Petrus    3. 

132.  296. 

—  und  Teufel  67.  84.   111.  349. 
Schneiderlein,  das  tapfere    (Grimm 

20)  86.  262.  510.  564. 

Schnell  wie  der  Gedanke  457. 

Schönheitssymbole  sind  Sonne  und 
Sterne  376. 

Schrätel  und  "Wasserbär  72. 

Schuhe  legt  der  Dieb  einzeln  auf 
den  Weg  210;  verkehrt  ange- 
zogen 381.  —  Eiserne  S.  zum 
Ueberschreiten  des  Gifthügels 
188.  Eiserne  S.  abnutzen  61. 
316.  573.  Steinerne  Stiefel  ab- 
tragen 512. 

Schuhprobe  der  rechten  Braut  274. 

Schüler  aus  dem  Paradies  247.  383. 

Schwaben,  die  sieben    112. 

Schwäne,  die  sechs  (Grimm  49)  67. 


Schwallenjungfrau     des     Schleiers 

beraubt  444. 
Schwanz  des  "Wolfes    von    dem    in 

eine  Tonne  gesperrten  Burschen 

gepackt   410. 
Schwänze    der   gestohlenen  Rinder 

in  den  3Iorast  gesteckt  150.   327. 
Schwester  entzaubert  die  versteiner- 
ten   Brüder    572.  —  Keusche  S. 

s.  Wette.  —  Treulose  S.  304.  - 

Lispelnde  Schwestern  69. 
Schwur  der  Ehebrecherin    (Isolde) 

513.  —  S.  bei  der  eisernen  Falle 

408. 
Sechse    kommen    durch    die    ganze 

Welt  (Grimm  71)  25.  71. 
Seele  des  Riesen  im  Ei  57.   158  bis 

161.  348.  404. 
Shylock:  s.  Fleischpfand. 
Sieben  auf  einen  Streich  563. 
Sieben  weise  Meister  55.  145.   207. 
Simonides  20. 
Sohn  dem  Teufel  versclirieben  310. 

—  der     undankbare     (Grimm    145) 
102. 

Soldat  und  König  im  Räuberhause 

303. 
Soll  ich?  150.  291. 
Somadeva  173. 
Sonnenstrahl     darf     das    Mädchen 

nicht  berühren  62. 
Sphinxrätsel   115. 
Spiegel:  im  S.  seinen  Tod  erkennen 

334. 
Spielhansel  (Grimm  82)  67.  84.  111. 

133.   349. 
Spinnerin,    die   faule     (Grinun   12^» 

388. 
Spinnerinnen,  die  drei  (Grimm  14) 

47.  64.  102.  345. 
Stein  s.  Unsichtbar. 
Stiefel  s.  Scliuh. 

—  der  von  iliitt'cllcder  ((iriiiitu  ]!•'.») 
303. 


Sadiregister. 


607 


^ 


Stiefiuiittcr    120. 

Streit  über  das  neugeborene  Füllen 
460. 

Tanzlied    der    Klfen    (Wocbentags- 

uamen)  181. 
Tausend  und  eine  Naclit  4.  57.  Hl. 

62.    65.   102.    143.   214.  .US.  :AS). 

561.  565. 
Tausend  und  ein  Tag  88. 
Teufel  vom  Heiligen  überlistet  431; 

beim    "Wettkampf    überlistet    58. 

478.     Vgl.  Bauer, 
mit  den   drei   goldenen  Haaren 

(Grimm  29)  402.  466. 
Teufels    russiger    Bruder     (Grimm 

100)  320. 
Theodorich  und  Symmachus  154. 
Thür    mitnehmen    und   herabfallen 

lassen  71.  99.  337.  341.  —  Ver- 
botene T.  öffnen    129.    138.    256. 

312.  331. 
Tiere,  dankbare  57.   UO.   17(i.  .348. 

397. 398. 5.")9.^T.dankbar,  Mensch 

undankbar    519.    —  T.    hilfreich 

94.   17ö.  559.     Ygl.  Haustiere. 
Tierfabeln  197.  370.  534.  560.    Vgl. 

Fuchs,  Wolf. 
Tierhaut  des  Bräutigams  verbrannt 

319.  511.  588.  —  Tierherz  s.  Herz. 
Tierschwäger  418.  551. 
Tischchen  deck  dich,  Goldesel  und 

Knüppel  aus   dem  Sack    (Grimm 

36)  47.  67.  423.  588. 
Tochter  säugt  Vater   (Mutter)  373.  ^ 
Tod  s.  Boten,  Gevatter. 
Toter  dankbar    5—39.  67.  80.  220. 

424.  441.     Vgl.  Jean    de    Galais. 
Trajan  hat  Bocksohren  382. 
Traum    von   künftiger  Herrlichkeit 

430.  432. 
Trinken,  stehend  oder  knieend  386. 
Trocken  bleiben   beim  Regen   416. 
Trommler  (Grimm  193)  54. 


Trug    mit^  Prug    gelohnt:    s.  Gold, 

Kessel,  Streik. 
Trunkenbold  in  der  Hölle   68. 
Trunkenheit,  Ehebruch,  Mord  58^ 
Turandot  s.  Prinzessin. n 

-      "V 

Undank  des  Söhnt»«:  s.  Grossvats^r, 

Kolbe,  Krötej'oohn. 
r 
—  der  Welt  Lohn  50.  96. 

Unglück  im  rfack  258. 

Unibos  66.  91.  110.  233.  \ 

Unsichtbar  machender  Stein  IM. 

Up  Reisen  gohn   (Grimm  143)  8&s 


Verjüngung  in  siedender  Milch  468. 

Vergessen  s.  Braut,  Kuss. 

Vertrag  zwischen  Herr  und  Diener 
wegen  des  Aergers  (der  Reue) 
261.  326. 

Verwandlungen  auf  der  Flucht  55. 
171. 

Verwandlungskampf  138.  588. 

Virgil  rächt  sich  an  der  Frau  (Feuer 
anzünden)  417.  —  Wiederbele- 
bung misslingt  140.  417.  585. 

Vogel,  der  goldene  (Grimm  57)  54. 
265.  402. 

—  goldener  539;  wahrsagender  118. 
143.  —  Vogels  drei  Lehren  575. 
580.  Vögel  offenbaren  den  Mord 
582.  V.,  der  den  Helden  trägt,  • 
mit  dessen  Fleisch  gefüttert  63. 
181.   194. 

Vogelsprache  verstehen  145. 

Vügelkens,  de  drei  (Grimm  96)  62.         j>^ 
566. 

Wach  bleiben  (Salz  in  der  Wunde) 

561.   —  Vgl.  Jüngster. 
Wachsen,  schnelles  405. 
Wandrer,  die  beiden(GrimmZ07)  281. 
Wasser  des  Lebens  (Grimm  97)  55. 

186.  562.  ~  Vgl.  367. '396.  572. 

581. 


(i08 


Zu r  Märclionforschung. 


VVechselbalg    wuiidor-t  'siyb    über 
Wasserholcii  in  Erei-sohaten  219. 

Weg    nach    ahgemitzten    Schuhen 
^p-emessen    57  4,  —    Den    gefähr- 
licb«*^äji  We^'  wählen  537. 

"VV'ei"  u)i(l  N.'i4e  wer  Eigensibaften 
5V7.  ^^jfc 

'^^^ette  üb(>i'  lierecRtigkeit  und  ün- 

gcreohtip:keit   282.\  465.  —  über 

Keu^clihuit    der   Schwester    374; 

üVei-  Treue    der   Frau    (Iinogen) 

ßn.  r,(s'l.  588.    -  ,Ygl.  A^ertrag. 

Wettjfampf     im     Essen ,     Werfen, 
Laufen  .ö8.  69.  85. 

Wielandsage  120. 

Wiesel  als  Zeuge    581. 

Wilder  Mann    aus    dem  Käfig   ge- 
lassen 333. 

Wocher.tage  personifiziert  317.  399. 
im  Elfenliede  131. 

Wolf  Uiid  Tuchs  105.  197.  —  A. 
und  Ziege  134.  —  W.  imScbii 
still]  323.         Vgl.  Schwan». 


Wund  ■•  ,'f'üfe  55.  61.  8fe.     Ygl.  252 

Wunsi  h(ü   ge  den  streitenden  Erben 

genoni!^«^.     54.    ()1.    311.  406.  — 

Wunsfhpt  tsche    Hl.  — .  Wunsch- 

.  sack   83.    11.     303.   321.  —  Ygl. 

Ring. 

Zaubere'  und  Lehrling:  s.  Gaudeit. 
Zaunkönig  (Grimm  171)  136.*^ —  / 

und  Eule  70.  136. 
Zeichensprache  513. 
Zeitbestimmung:    gleiche  Zahl  von 

Jahren,  Monaten,  Tagen  6. 
Zeitrechnung  Nasr-eddins  484. 
Ziege  bushaft  423.     Ygl.  Wolf. 
Zimmer  s.  Thür. 
Zunge    dem    Räuber    ausschneiden 

72.  —   Lilie  auf  der  Zunge  130.  i 

—  Ygl.  Drachenzungen.  ^ 

Zwerg    (Waldgeist)     gefana^en-     ^. 

Baum  spalten. 


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