PRESENTED TO
THE LIBRARY
BY
PROFESSOR MILTON A. BUCHANAN
OF THE
DEPARTMENT OF ITALIAN AND SPANISH
1906-1946
^ERE SCHRIFTEN VON REINHOLD KÖHLER
ERSTER BAND
t
KLEIXEEE SCHEIFTEN
ZUR
tCHENl^ORSCHUlNG
VON
REINHOLD KÖHLER
HERAUÖGKGEßEN
VON
JOHANNES BOLTE
WEIMAR
VERLAG VON EMIL FELBER
1898
KLEINERE S^HRIETEN
YOX
EEIMOLD KÖHLEß
ERSTER BAND
ZUR MÄRCHENFORSCHUNG
563855.
n . s. 53
WEIMAR
YP]RLAG VON EMIL FELBER
1898
' ^'^ ''''^ AA^ M-^ . y«^ *^' ■ ^
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4si!
KLEINEEE SCHRIFTEN
ZUR
MÄRCHENFORSCHUNG
VON
REINHOLD KÖHLER
HERAUSGEGEBEN
VON
JOHANNES BOLTE
WEIMAR
VEELAO VON EMIL FELBER
1898
Alle Rechte vorbehalten.
Dnick von Emil Felber in Weimar.
Vorwort.
Da es Reinhold Köhler, dem rastlosen Weimarischen
Forscher, nicht beschieden gewesen ist, selber seine in Zeit-
schriften verstreuten Aufsätze und Artikel zur l.itteratur-
geschichte und Volkskunde zusammenzufassen, ward nach
seinem am 15. August 1892 erfolgten Tode von vielen Seiten
der ^^'unsch nach einer Sammlung dieser oft schwer erreich-
baren Arbeiten laut. Doch sind infolge mancher äusseren
Schwierigkeiten sechs Jahre ins Land gegangen, ehe der vor-
liegende erste Band ans Licht treten konnte.
Er vereinigt alle irgendwie bedeutenden Beiträge Köhlers
zur Märchenforschuug mit Ausnahme der Anmerkungen zu
den Sammlungen von Kreutzwald (1869), Gonzenbach (1870;
Nachträge 1896 in AVeinholds Zeitschrift für Volkskunde),
Blade (1874), zu Gerings Islendzk Aeventyri (1883), zu den
Luis der Marie de France (1885), sowie der 1894 von Erich
Schmidt und mir aus der Handschrift herausgegebenen Auf-
sätze über Märchen und Volkslieder ^). Dass auch viele Be-
sprechungen von Märchensammlungen aufgenommen wurden,
rechtfertigt sich durcli die darin enthaltene Fülle positiver
Belehrung. Ohne unfruchtbare Polemik, die er auch an
andern missbilligt (S. 880), hebt Köhler das Neue und Wert-
volle hervor, um es mit Bekanntem in nähere Verbindung
*) Berlin, Weidmannsche Buchhandlung. Enthält: Ueber die euro-
päischen Volksmärchen; Eingemauerte Menschen; Sankt Petrus der
Hiramelspförtner; Die Ballade von der sprechenden Harfe; Von Glück
und Unglück; Das Hemd des Glücklichen; dazu Schriftenverzeichnis
und Xachruf.
YI Vorwort.
ZU setzen. Weder liier noch anderwärts stellt er eine allein
seligmacliende mythologische Theorie auf: wo er einmal \on
der durch Angelo de Gubernatis vertretenen Zurückführung
sämtlicher Märchen auf vediselie Sonnenmythen reden muss
(S. 349), geschieht es in einem bei ihm seltenen Tone leiser
Ironie. Nie ist er rasch mit einem Urteile über die Herkunft
und iMitwicklung eines Stoffes bei der Hand, sondern den
Boden behutsam prüfend geht er Schritt für Schritt voi'wärts.
indem er mit seiner ausgebreiteten Belesenheit und Sprachen-
kenntnis die verwandten Erzählungen aus der AVeltlitteratur
zusammenträgt und deren Motive bis auf einzelne Reimverse
und bildliche Ausdrücke sorgsam zergliedert und einander
gegenüberstellt. Von seiner Gewissenhaftigkeit zeugt, dass
er sich selbst leichtsinnig schilt, als ihm einmal ein kaum
zu vermeidendes Missverständnis begegnet (S. 3(3!)). So ist
er in geduldiger Sammelarbeit, die seine rechte Freude war,
zu gesicherten Ergebnissen fortgeschritten und hat, wo er sich
willig beschränkte, andern Forsciiern treft'lich vorgearbeitet.
V<iu seiner reinen, bescheidenen, liel)enswerten l^ersTudichkeit
bat uns vor vier Jahren Erich S<'liinidt ein treues Kild ent-
worfen.
Geordnet sind die Aufsätze dieses Randes jui<'h ihrer
inneren Verwandtschaft in sieben Gruppen: Allgemeines
(Nr. 1—10), französische (11—15). keltische (KI—LS), ita-
lienische (19 — 24), griechische, albanesisclie und walachische
(25 — 28), slavische und litauische (29^34) und oi'ientalische
(35 — 40) Märchen. Der nicht zu vermeidende üebelstand,
dass dasselbe Erzählungsthenia an verschiedeneu Stellen be-
sprochen wird, ist durch eingeschaltete Verweise und ein
Sachregister, soweit möglich, ausgeglichen. Die handschrift-
lichen Nachträge Köhlers, die sich in seinen Handexemplaren
oder auf besonderen Zetteln vorfanden, habe ich in eckigen
Klammern dem Texte eingefügt, ohne davon meine eigenen
Zusätze, die nur hier und da (Nr. 15, Ki f, 35) grösseren
Umfang erreichen, zu scheiden, (ianz ungedruckt waren bisher
die leider unvollendeten Anmerkungen zu Blades Contes
[)opulaires de la Gascogne (Nr. 15).
Vorwort. VII
Zwei weitere Baude .sollen die Arbeiten über Volkspoesie,
über mittelalterliche Sagen und Legendeu und über einzelne
Dichter des 16. und 18, Jahrhunderts bringen. Was sonst
ans dem Nachlasse verwertbar erschien, ist zumeist schon in
Zeitschriften^) niedergelegt worden und soll auch der neuen
IJearbeitung des Anmerkungsbaiules der Grimmschen Märchen
zu gute kommen.
Herzlichen Dank sage ich zum Schlüsse Erich Schmidt,
der zur Herausgabe seinen fördernden Beirat geliehen hat,
und den innig verehrten Schwestern Elise und Mathilde Köhler,
ohne deren bereite Opferwilligkeit es nicht möglich gewesen
wäre, ihrem Brnder dies Denkmal zu errichten.
Berlin im Sei)tember 1<S9<S.
Johannes Bolte.
\) J. Bolte: Stoffgeschichtliches zu Hans Sachs (Euphorien 8, 351
bis 362). Lenaus Gedicht 'Anna (ebd. 4, 323 — 333). Halms Gedicht
Die Brautnacht (ebd. 5, 534-536). Die Wochentage in der Poesie
(Archiv f. neuere Sprachen 98, 83—96. 281—300; 99, 9—24; lUO, 149—
ir)4). Hiobs Weib (ebd. 99, 418—422). Zu den von L. Gonzenbach ge-
sammelten sicilianischen Märchen (Zs. d. Y. für Volkskunde 6, 58 — 78.
161—175). Setz deinen Fuss auf meinen (ebd. 6, 204—208). Schäfer-
gruss (ebd. 7, 97 — 100. 210). Die drei Alten (ebd. 7, 205 — 207). —
Dazu E. Schmidt: Schnell wie der Gedanke (Euphorion 1, 47—51).
Nochmals Singularartikel vor Pluraldativen (Paul-Braune, Beiträge 20,
560—563).
Inhalt.
Seite
Vorwort V
1. Sage, Fabel und Legende (Zs. f. d. Mythologie 3) 1
2. Einige Anmerkungen zu F. Panzers Bayerischen Sagen und
Bräuchen (Zs. f. d. Mythol. 3) 3
3. Die dankbaren Toten und der gute Gerhard (Grermania 3) . . 5
4. Zu dem Märchen von dem dankbaren Toten (Orient u. Occident 3) 21
5. Zum Guten Gerhard (Germania 12) 32
6. Nachtrag zu ,Doctor Allwissend' (Orient u. Occident 3) . . . 3y
7. Zu dem Märchen von der Lebenszeit (Jalirb. f. Littgesch. 1) . 42
8. Litteratur der A^olksmärchen: Baring-Gould, Blade, Toeppen,
Peter, Schneller, Strackerjan, Leibing, Asbjörnsen og Moe,
Möller (Göttingische gel. Anz. 1868) 45
9. Ein anscheinend deutsches Märchen von der Xachtigall und
der Blindschleiche und sein französisches Original (Zs. d. V.
für Volkskunde 1) 72
10. Tom-Tit-Tot (Folk-Lore 2) 7(;
11. Zu Rabelais (Jahrb. f. roman. Litt. 3) 77
12. Volksmärchen aus Frankreich: Moncaut, Beauvois, Du Meril,
Champfleury (Jahrb. f. roman. Litt. 5) 79
13. A'olksmärchen aus der Landschaft Forez in Frankreich (Jahrb.
f. roman. Litt. 9) IO.t
14. Zu Carnoy, Contes populaires recueillies ä AVarloy-Baillon ou
a Mailly (Zs. f. roman. Philologie 3) 108
15. Anmerkungen zu Blade, Contes populaires de la Gascogne
(bisher ungedruckt) 114
16. Anmerkungen zu Luzel, Contes bretons: Koadalan; Les trois
freres, ou le chat, le coq et Techelle ; Les trois tilles du
boulanger, ou Teau qui danse, la ])omme qui chante et
Toiseau de verite; Le pape Innocent, et histoire de Cliristic;
X Inhalt.
Seite
Fauch Scouai'iiec ; Le paiii ehange en une tete de mort
(Melusine 1. Verh. d. Berliner Anthropol. Ges. 1886) . . 138
17. Ueber Campbeils Sammlung gälischer Märchen (Orient u.
Occident 2) 155
18. Anmerkungen zu Lang, Scotch Tales: Rashin Coatie; Nicht,
Nought, Nothing (Revue celtique 3) 270
19. Anmerkungen zu Widter und Wolf, Volksmärchen aus Venetien
(Jahrb. f. roman. Litt. 7) 281
20. Italienische Volksmärchen: H. Grimm, Teza, De Gubernatis,
Chieco (Jahrb. f. roman. Litt. 8) 325
21. Ueber A. de Gubernatis, Novelline di Santo Stefano (Gütt. gel.
Anz. 1870) 344
22. Das Rätselmärchen von dem ermordeten Geliebten (Rivista di
letteratura popolare 1 ) 350
23. Ueber Finamore, Tradizioni popolari abruzzesi (Litteraturblatt
1882) 360
24. Riscontri alla tiaba rovignese El poüliso e 1 padücio (Giam-
battista Basile 1) 364
25. Ueber Neohellenika Analekta 1 (Gott. gel. Anz. 1871) . . . 365
26. Ueber B. Schmidt, Griechische Märchen, Sagen und Volks-
lieder (Jenaer Littzeitg. 1878) 378
27. Anmerkungen zu G. Meyer, Albanische Märchen (Archiv für
Littgesch. 12) ■ 385
28. Ungarische und walachische Märchen (Zs. f. d. Mythol. 2) . . 398
29. Ueber Chodzko, Contes des paysans et des patres slaves (Gott.
gel. Anz. 1866) 400
30. Anmerkungen zu Jagic, Aus dem südslavischen Märchenschatz
(Archiv f. slav. Philologie 1. 2. 5) 407
31. Ne frapper qu'un seul coup (Melusine 5) 4C9
32. Der undankbare Sohn und die Kröte (Archiv für slav. Philo-
logie 3) 473
33. Vergleichende Bemerkungen zu dem litauischen Märchen von
dem listigen Menschen und dem dummen Teufel (Mitt. der
litauischen litt. Gesellschaft 1) 477
34. Eine litauische Sage und das deutsche Volksbuch von Fortu-
natus (ebd. 2) 479
.'55. Nasr-eddins Schwanke (Orient u. Occident 1 ) 481
36. Ueber Jülg, Mongolische Märchen (Gott. gel. Anz. 18()8) . . 509
37. Ueber Steere, Sw^ahili Tales (ebd. 1870) 514
38. Ueber Steele, An Eastern Love- Story, Kusa Jatakaya (ebd.
1872) 520
Iiil\alr. -y^i
Seite
39. Aiiiiierkungen zu Srliiet'ner, Awarisclie Texte (Menioires dv
rAeiulemie de St. Petersboiirg 187:5) 5S7
40. Ueber (n-ünbauni, Jüdisch-deutsebe Clirestomatbie ( Aiizeit,'er f.
deutsi'lies Altertum 9) 57(;
Xaebträge 584
Verzeiebnis der liäutiger angefiibrten Märebeiisainiiduugen . . . 589
Sachregister 599
Bemerkte Druckfehler.
Lies S. 51, 23 Blade 1886 — B5, j« Patranuelo — 81, m am Rande 3
— 111,21 Nr. 110 — 155,17 des 16. — 161,1, Pitre — 173,3 Volsunga-
sage — 173,6 Berntsen — 189,4 Gremahlin — 220,25 alte Oisean —
256,13 S. 87 statt 88 — 353, ,5 am Rande 216 — 359, 361 und 479
richtige Seitenzahlen — 364 vorletzte Zeile: Cosqiiin — 382,5 deutsche
— 403,12 Westfälische — 407, Z. 4 von unten: Vojinovic — 444, Z. 8
von unten: Ancona — 505, n heisst es in — 517,23 sich an — 563, 10
Jugend.
1 Sage, Fabel und Legende.
(Zeitschrift für deutsche Mythologie 3, 298—300. 1855.)
Jaeoi) Grimm teilt in Haupts Zeitschrift 4. 502 f. |= Klei-
nere Schriften 7, 155] eine schwedische Yolkssage mit, wie
ein Mann, der auf seiner Wiese mäht, einer vorüberflieheuden
Riesin verspricht gegen ihre Verfolger zu schweigen, dies
dann auch thut, aber mit dem Wetzstein die Richtung, in
der die Riesin geHohen, andeutet und dafür am folgenden
Tag von ihr durch einen Steinwurf getötet wird. In dieser
und einer ähnlichen, ebenfalls mitgeteilten schwedischen Sage
tindet Grimm mit | Recht in lebendiger Volksül)erlieferung 299
die dem Mittelalter schon geläufige, unter die phädrischen ge-
stellte Fabel , Lupus, pastor et venator- (Appendix fab. a M.
Gudio ex ms. Divionensi descriptarum no. 23) [Romulus 4. 'A ed.
Oesterley]. welche auch von Marie de France und von zwei
mittelhochdeutschen Dichtern (Reinhart Fuchs S. 82s und
348) behandelt ist. Wenn Grimm aber bemerkt: .Aesoj) hat
die Fabel nicht', so irrt er, da sie sicli allerdings als die
Fabel ,voui Fuchs und vom Holzhauer* bei ihm (Ed. stereot.
no. KT) [=^ no. 35 ed. Halm] findet. Auch Babrius (no. 50)
hat sie behandelt, was (irimni freilich damals noch nicht
wissen konnte. In beiden Fassungen tritt kein Wolf und
kein Hirte, sondern ein Fuchs und ein Holzhauer auf. und
sie unterscheiden sich ausserdem besonders noch dadurcli von
der lateinischen Fassung, dass der Holzhauer den Fuchs nicht
durch AVinken mit dem Auge, sondern durch Deuten mit der
Hand zu verraten sucht (tTj de yetoi . . . vjiedeiy.vvev, Aesop
To) dk day.TvÄcp vevmv idetxi'VF). Dadurch nähern sie sich der
schwedischen Sage, an welcher Grimm gerade den — wie er
R- Kühler, Kl. Schriften. I. 1
2 Zur Märchenforschung.
meint — fast wesentlichen Zug des Augenwinkens vermisst.
Die Verwünschung hat nur Babrius, bei dem der Fuchs zum
Holzhauer sagt: I'qqmoo toi'vvv, xai tov "Ogxov ov (peu^ij.
[Waldis,Esopus 3,44. H.Sachs, Fabeln no.2"2. Strackerjan 2,95.
Krohn, Mann und Fuchs 1891, S. 61. Jahn, Volkssagen no. 560.]
Ich habe nun auch gefunden, dass die der schwedischen
Sage und den alten Fabeln zu Grunde liegenden Züge uns
zum Teil auch in einer Legende begegnen. In der Legende
von der heiligen Barbara, welche sich unter den der Legenden-
sammlung des Jacobus a Voragine angehängten findet, lesen
wir (ed. Grässe p. 900):
,Tunc repletus furore pater tulit spatham suam, ut eani
(nämlich seine Tochter Barbara, welche eben Beweise ihres
christlichen Glaubens gegeben hat) occideret, ipsa autem orabat
ad dominum et abscissa est petra et suscepit eam intus et
eiecit eam super montem, in quo duo pastores erant pas-
centes oves suas, et illi consideraverunt, (juod beata Barbara a
facie patris extra petram fugeret. Pater autem eins (piaeritando
discurrens venit ad praedictos pastores inquirendo, utrum
vidissent Barbaram filiam suam. Unus autem eorum consi-
300 derans iram patris iuravit se ne- 1 scire, alter vero digito eam
prodidit. Beata autem Barbara proditori suo maledixit, et
subito ipse versus est in statuam raarmoream et oves eins
in locustas mutatae sunt. Hoc apocryphum est.'
Dasselbe erzählt das niederrheinische Gedicht ,Sent Bar-
baren passie'. welches Oscar Schade in seinen , Geistlichen
Gedichten des 14. und 15. Jahrh. vom Niederrhein' S. 52
herausgegeben hat. Nur hat der Dichter die Verwandlung
des Hirten zu erwähnen vergessen, wohl aber erzählt er die
Verwandlung der Schafe und versichert (V. 151) gelesen zu
haben, dass sie noch heute da seien. Vgl. auch Schade
a. a. 0. S. 39. [In einem neugriechischen -Volksliede verbirgt
der heil, (ieorg ein von einem Türken verfolgtes Mädchen
in der Kirche, verrät sie aber darauf in derselben Weise;
Liebrecht. Zur Volkskunde 1879 S. 212.]
Wir h;iben also in der Legende wie in der schwedischen
Sage die Strafe des Verräters, und wie der in Stein verwan-
2. Einige Anmerkungen zu F. Pnnzers Bayr. Sagen u. Bräuchen. ;}
(leite Hirt ein bleibendes Denkmal der Uuthat ist, so dient
als solches in der schwedischen Sage eine Tanne, bei welcher
jener Vorfall sich ereignet nud die seitdem fahl und ver-
dorrt stand.
2. Einige Anmerkungen zu Friedrieh Panzers
Bayerischen Sagen und Bräuchen.
(Zeitschrift für deutsclie Mythologie 3, 408 — 410. 1855.)
Bd. 2, IS. Das ans der Oberpfalz mitgeteilte j Märchen 409
von Christus, Petrus und dem Schmiede stimmt mit geringer
Abweichung zu dem Gedichte von Hans Folz, welches Zarncke
in Haupts Zeitschrift <s, 537 herausgegeben hat. [Unten zu
Widter uml Wolf no. 5.]
2, 114. Was hier aus Tirol vom Lauterfresser er-
zählt wird, dass er auf dem Kichtplatz seiner Mutter, die ihn
bat, ihr ein süsses Wort zu sprechen, antwortete: ,Der Honig
ist süss!' dassell)e wird vom sterbenden Kulenspiegel erziddt
(ülenspiegel hsg. von I^ap})enberg !)0. Historie).
2, 171. In Königstein — so l)erichtet Panzer — erzahlt
man, dass von allen Vögeln nur die Krälien über den Tod
Christi nicht betrübt waren; deshalb müssen sie im August
Durst leiden, die Schnäbel aufreissen, können aber nicht
trinken. Aus Buttstädt (im (irosslierzogtum Sachsen-Weimar)
hat mir ein älterer Freund als eine in seiner Jugend ver-
breitete Volksansicht erzählt, dass die l»aben im Rracliiuonat
ihre Schnäbel immer vor Durst aufsperren, aber nicht trinken
kfinnen — zur Strafe für den Ungehorsam jenes Kaben, den
Noah ausschickte und der nicht zurückkehrte. Bei den
Griechen war in ähnlicher Weise der Durst eine von Apollon
den Raben deshalb verhängte Strafe, weil einer um AV asser
ausgeschickt auf einer AViese zu lange verweilt hatte. A'gl.
Aelian Hist. anim. 1, 47 nud Prantls scliöneu Aufsatz ,Finige
1*
4 Zur Märchenforschung'.
Reste des Tierepos bei den Sammelschriftstellern und Natur-
historikern des spätem Altertums' im Philologus 7, 70.^)
2, 191. Das unter no. 328 erzälilte Märchen von den
verzauberten Fischen ist ein unwesentlich veränderter
Auszug aus dem Märchen der 1001 Nacht ,vom jungen König
der schwarzen Inseln' [Breslauer Übersetzung 1, 1(S3] und
wird wohl erst in neuerer Zeit ins Volk gedrungen sein,
wenn es überhaupt wirklich im Volk verbreitet ist.
2, 217. Die in dem Spruche (no. o95) vorkommende
Formel ,So viel KTtrutla, so viel Hörnthr erinnert mich an
einen thüringischen Spruch, den ich bei der Gelegenheit mit-
teile. In Tambach (südöstlich vom Inselsberg) wird der neue
410 Besitzer oder Pächter bei der ersten Ernte von | den Schnittern
mit einem Kranze aus verschiedenen Getreidearten, namentlich
Hafer, und aus Wintergrün und Nachtviolen ,angebundeu%
unter Hersagung des folgenden Spruches:
Ich binde dich an mit Ehren (Ähren?),
Ich hoffe, du wirst mirs nicht verwehren.
Ich binde dich an mit Hafer und nicht mit Korn.
Du sollst mich tränken mit Bier und nicht mit Born,
Und war es Wein,
So sollt es mir desto lieber sein.
Ich wünsche dir einen Boden voll Kürner,
Einen Stall voll Hörner
Und dazu ein paar neue Schuh.
Gott gebe dir Glück und Segen dazu!
2, 28.S no. 439. Die Sage vom Löwenbrünnlein ist die
Geschichte von Pyramus und Thisbe, die schon im Mittel-
alter bei uns populär war (vgl. das mittelhochdeutsche Ge-
dicht von Pyramus und Thisbe in Haupts Zs. 6, 504 und
Wackernagels Litteraturgesch. § 6i)^ 64) [Hart, Progr. Passau
1,S89. 1891] und ins Volkslied (ühland 1, 190, Wunderhorn
1, 299) [Erk-Böhme, Liederhort 1, 307 no. 87] überging.
') Hiernach berichtigt sich meine |in dem Aufsatze über den
Kukuk] S. 222, Z. 1 aufgestellte Vermutung. W. Mannhardt.
3. Die dankbaren Toten und der gute Gerhard. 5
3. Die dankbaren Toten und der gute Gerhard, i»^
(Germania 3, 199—209. 1858.)
Karl Simrock hat in seinem anziehenden nnd anregenden
Buche ,der gute Gerhard und die dankbaren Tüten' (Bonn
1856) Märchen zusammengestellt, in denen erzählt wird, wie
ein junger Mann, meist ein Kaufmann, den Leichnam eines
Menschen, der als Schuldner gestorben war, von allerhand
Schimpf, der ihm angethan wird, loskauft und bestattet, und
wie er dann von dem dankbaren (ieiste des Toten unterstützt
nach mancher Fährlichkeit zu hohem Glücke gelangt, meist
durch die Vermälilung mit einer von ihm — dem Kauf-
manne — aus der (iefangenschaft losgekauften Königstochter,
welche Vermählung aber nur durch die Hilfe des Geistes
ermöglicht wird. Ich füge den von Simrock beigebrachten
Märchen noch einige hinzu, die teils von ihm bei Abfassung
seines Buches übersehen, teils aber auch erst nachher bekannt
gemacht worden sind.
Ich verweise zunächst auf ein ungarisches Märchen
(Ungarische Volksmärchen. Nach der aus Georg Gaals Nach-
lass herausgegebenen Urschrift übersetzt von G. Stier. Pest
(^1857) S. 153 ff.) Ein Kaufmannssohn aus Amsterdam — so
wird erzählt — kauft in der Türkei den Leichnam eines
Mannes los, der viele Schulden gemacht, dabei hart und hoch-
mütig gewesen ist und nun von Jedermann vor der Tempel-
thür geschlagen und bespieen wird. Nach Amsterdam zurück-
gekehrt und von seinem Vater von neuem reich mit Golde
versehen, geht er nach England, wo er eine gefangene Königs-
tochter aus Frankreich mit zwei Zofen loskauft und sie nach
Amsterdam bringt. Auf den Rat der Prinzess geht er nach
Paris, um dem König die Rettung seiner Tochter anzuzeigen,
der ihm einen General und Soldaten mitgiebt, um die Tochter
feierlich nach Paris zu bringen, wo sie dem Kaufmanue ver-
mählt werden soll. Unterwegs zur See, als sie von Amsterdam
abgefahren sind, verliebt sich der General in die Prinzess
und iässt den Kaufmannssohn auf einer wüsten Insel, wo
a Zur Märchenforscluing.
mau ausgestiegen war. zurück, wälireud die Prinzessin schlief.
In Paris nimmt mau au, er sei ins Meer gefallen, und als
nach einiger Zeit der General um die Hand der Prinzessin
anhält, sagt der König sie ihm zu, gewährt ihr aber noch
ein dahr, einen Monat und einen Tag Frist. ^) Die Prinzessin
richtet am Stadtthor eine Schenke ein und giebt Befehl jedem,
der etwas in des Kaufmannsso hus Namen fordere, dies zu
gebeu. Dem Kaufmanne war inzwischen auf jeuer Insel ein
alter Mann erschienen, der sich ihm als Geist jenes in der
Türkei losgekauften Toten zu erkennen gab, ihn in einem
Kahn ans Festland brachte, über jene Schenke in Paris unter-
richtete und ihn daliiu gehen hiess. In Paris trifft der Kauf-
mann einen beurlaubteu alten Soldateu, dem er zu Gelde zu
200 helfen verspricht. Er j zieht des Soldaten Kleider au, geht
in jene Schenke und bittet in des Kaufmannssohnes Namen
um Essen und Geld, das er infolge jenes Befehls der Prin-
zessin erhält und dem Soldaten bringt. Er thut dies mehr-
mals, zuletzt bittet er auch um Wein in dem Becher, aus
dem die Prinzessin, wenn sie in die Schenke kommt, zu
trinken pflegt. Er trinkt ihn halb aus, wirft seinen Ring
luuein und heisst die Wirtsleute der Prinzessin sagen, er
Hesse sie im Namen des Kaufmauussohnes bitten den Wein
auszutrinken. Die Prinzessin, die täglich die Schenke besucht,
erkennt so den Ring ihres Verlobten. Der König, ihr Vater,
muss rasch alle abgedankten Soldateu wieder zusammenrufen
und erfährt nun von jenem alten Soldaten, dass er seine
Kleider einem fremden Jünglinge gel)orgt habe u. s. w., der
in dem und dem AVirtshause wohne. Die Königstochter selbst
') [Über diese märchenliafte Zeitbestimmung vgl. Köhler in
Sarnellis Posilecheata ed. Imbriani 1885 p. 168. — 1 Tag, 1 Woch,
1 Monat und 1 Jahr: Meisterlied vom Grafen von Safoi V. 27-1 (Goedeke-
Tittmann, Liederbuch a. d. 16. Jh. 1867 S. 338). 1 Jahr und 3 Tage:
Finamore, Archivio 3, 540; Pitre, Nov. \)0]). tose. p. 213 no. 41. 1 Jahr
und 1 Tag: Carnoy p. 284; Sebillot, C(mtes 3, 43. 76. 78. 80. — 7 Jahre
und 1 Tag: Maspons y Labros 2, 97; Azevedo, Komanceiro p. 241. 243.
7 Jahre, 7 Monate, 7 Tage. 7 Stunden: Gonzenbach 1, 171 no. 11;
Pitre 2, 248. 76 ; Oiamb. Basile 3, 94b ; Alemannia 24, 1 57. — 9 Monate, 9 Tage,
9 Stunden, 9 Minuten: Ungar. Revue 1889,209 (türkisch); La Tradition 4, :38.]
3. Die dankbaren Toten und der ^ute Gerhard. 7
will ihn dort abholen, wie sie aber ins Zimmer tritt, haut
jeuer mit dem Schwert nach ihr und ruft: ,\Venn du nicht
auf der Stelle hinausgehst, haue ich dich tot'/ Sie antwortet:
,Thue dies nur, du hast mich ja auch einst vom Tode errettet.'
Da küsst er sie u]id erklärt, dass er nur ihi"e Liebe habe
prüfen wollen. Dann wird Hochzeit gehalten, jener (ieneral
aber hingerichtet.
Dies ungarische Märchen — das übrigens, wie Stier a. a. 0.
S. VllI erwähnt, Ipolyi (in seiner magyarischen Mythologie?)
aus der Reihe der eigentlichen ungarischen Märchen streichen
zu müssen glaubt — ist den deutschen Märchen bei Simrock
besonders Nr. 1, 2, H, 4, 5, (! und 8, bei manchen Ab-
weichungen im einzelnen, im ganzen ausserordentlich ähnlich.
Dass der Leichnam des Schuldners gerade Sonntags vor der
Kirclitliüre bespuckt und geschlagen wird, ist wie in Nr. 10.
Dass der Kaufmannssohn auf einer Insel gelassen wird, stimmt
mit Nr. "2, 5 und S. Die Erkennung durch den Ring be-
gegnet in Nr. 2 und S. Der alte Soldat, in dessen Kleider
sich der Kaufmannssohn ohne Not steckt, ist nicht recht
passend in das Märclien gekommen und scheint fast eine Ent-
stellung des Geistes selbst, der seinen Schützling allerdings
auch noch in Paris unterstützen konnte. Auch die Liebes-
probe am Schluss des Märchens ist wunderlich: ist sie viel-
leicht entstellt aus der Probe, die der Geist in numchem der
]\[ärchen mit seinem Schützling vornimmt, indem er von ihm
als Preis für seine Hilfe die Hälfte der (ielieltten oder des
erstgeborenen Kindes (Simrock S. 142) verlangt?
Nach dem ungarischen wenden wir uns zu einem })ol-
nischen Märchen (K. W. Woycickis Polnische Volkssagen
und Märchen. Aus dem Polnischen vonFriedr. Heim-. Lewestam.
Berlin 1S89, S. 130 ff.), das wir im Auszug mitteilen. Ein
Schüler stiess auf dem Wege in die Stadt vor dem Thore
auf einen unbekannten Leichnam, der von den Vorüber-
gehenden getreten und bespieen wurde, und gab sein weniges
(leld her, um der Leiche ein christliches Begräbnis zu schaffen.
Dann betete er auf dem frischen Grabe und zog weiter. In
einem Eichwald schlief er unter einem Baume ein, beim Er-
g Zur Märchenforsicluing.
wachen fand er seine Taschen voll (iold. Dann kam er an
201 einen 1 Fluss, wo er übersetzen mnsste. Die Fährleute, die
sein Gold bemerkten, beraubten ihn und warfen ihn in der
Mitte des Flusses ins AVasser. Er klammerte sich an ein
Brett, das ihm entgegenschwamm, und kam so ans Ufer.
Das Brett war aber der Geist jenes Leichiuims. Er gab sich
dem Schüler zu erkennen, dankte ihm und lehrte ihn, wie
man sich in eine Krähe verwandelt. Zugleich schickte er ihn
zu seinem Bruder, der ihn lehrte, wie man zu einem Hasen
oder Reh wird. Mit dieser Zauberkraft ausgestattet wanderte
der Schüler weiter und ward endlich .läger bei einem König.
Des Königs Tochter wohnte auf einer unzugänglichen Insel,
und in ihrem Schlosse war ein Schwert, mit dem man die
grössten Heere schlagen konnte. Da dem König Krieg drohte,
so machte er bekannt, wer der Prinzessin Schwert herbei-
schaft'e, der solle ihr Gemahl und später König werden. Der
däger unternahm das Wagstück und Hess sich einen Brief an
die Prinzess geben. Mit Hilfe seiner Verwandlungen kam er
auf die Insel und zu der Prinzessin, deren Liebe er gleich
gewann. Kv mnsste vor ihren Augen die Tiergestalten noch
einmal annehmen und sie schnitt ihm allemal ein Stückchen
Fell oder einige Federn ab. Dann gab sie ihm das Schwert
und einen Brief und er kehrte zurück. Es war aber ein
anderer Jäger dem Schüler ein Stück Wegs gefolgt und hatte
gesehen, wie er sich in einen Hasen verwandelte. Als er
nun jetzt in Hasengestalt wieder in die Nähe der Stadt zu-
rückkam, erschoss ihn der verräterische Jäger und nahm ihm
Schwert und Brief ab. Nachdem der König mit dem Schwert
gesiegt hatte, wurde die Hochzeit der Prinzessin mit dem
falschen Jäger gehalten; aber die Prinzess war traurig, denn
sie sah, dass es nicht der rechte war, wagte aber dem Körnig
nichts zu sagen. Inzwischen hatte der Schüler lange in seinem
Hasenfelle tot in jenem Walde gelegen. Da erwacht er
plötzlich, und der Geist des Leichnams steht vor ihm, erzählt
ihm. wie er vom Jäger getötet worden, und sagt , Morgen ist
der Hochzeitstag der Prinzess, drum eile schnell ins Schloss-.
Der Schüler that dies und kam in den Hochzeitssaal. Die
3. Die daiikl)a;-eii Toten und der gute Gerliiird. <)
I'riuze.ss erkannte ihn gleich, er erzählte dann die \'(trii;inge,
nnd znni Beweise der Wahrheit nahm er die Tiergetstalten
an, woltei dann allemal die v(in der l*rinzess abgeschnittenen
Streifen oder ansgerupften Federn an die hetrefi'ende Stelle
passten und sogleich anwuchsen. So erhielt der Schüler die
Hand der Prinzessin, der «läger aber wurde hingerichtet.
Vergleicht man das polnische Märchen mit den andern,
so sieht man, dass es mehrfach verändert, zum Teil entstellt
und verwildert ist. Gleich im Anfang ist die Angabe ver-
gessen worden, dass der Leichnam der eines verstorbenen
Schuldners war. Aus dem in den meisten Märchen vor-
kommenden reichen Kanfmanne ist ein armer Schüler, der
in die Welt zieht, geworden. So ist in dem hierher ge-
hörenden bretonischen Märchen (Simrock Nr. 11, S. 94) Mao
auch nur ein armer wandernder Jüngling. Merkwürdig ist
eine weitere Übereinstimmung des sonst sehr abweichenden
bretonischen | Märchens, nämlich die, dass, wie im polnischen 202
Märchen der Schüler nach seiner guten That in einem Walde
unter einer Eiche einschläft und bei seinem Erwachen den
ersten Dank des Toten empfängt, indem seine Taschen mit
(iold gefüllt sind, so auch im bretonischen der gute Mao,
kurz nachdem er die Leiche bestattet hat, unter einer Eiche
einschläft und im Schlaf die Erscheinung des dankbaren (leistes
hat. Das Loskaufen der gefangenen Königstochter hat das
polnische Märchen nicht mehr, vielleicht aber einst gehabt.
In der jetzigen Fassung wird der Schüler von dem Schifte
aus ins Meer geworfen, nicht weil man ihm die Braut, son-
dern das (ield rauben will. Dass der Held ins Meer geworfen
oder auf einer Insel ausgesetzt wird, kommt in den meisten
unserer Märchen vor, und auch dass bei ersterem der Held
durch den Geist vom Ertrinken gerettet wird, findet sich in
einigen. So in Nr. 1, wo der (ieist in Gestalt eines Schwarzen
erscheint, in Nr. 3 und 8 in Gestalt eines Vogels, in Xr. (i
und 7, wo der Geist keine andere Gestalt annimmt. Lin dem
(ieist Gelegenheit zu geben dem Schüler auch weiter tlankbar
zu sein, wurde, da die Geschichte von der losgekauften
Königstochter und ihrer erschwerten Verbindung mit dem
IQ Zur Märchenforschung.
Helden aufgegeben war, ein anderes ursprünglich selbständiges
3Iärchen herbeigezogen, das Märchen von dem wunderbaren
Schwerte im Schlosse der Königstochter, von den Tierverwand-
lungen und von dem verräterischen Jäger. Dieses Märchen
stimmt im wesentlichen sehr genau überein mit einem
litauischen, welches man in A. Schleichers , Litauischen
Märchen, Sprichworten, Rätseln und Liedern" (Weimar 1857)
S. 100 ff. nachlesen kann, und noch genauer mit einem
ungarischen in den , Ungarischen Sagen und Märchen.
Aus der Erdelyischen Sammlung übersetzt von G. Stier'
(Berlin 1.S50), S. 110 ff., zum Teil auch mit einem neuerdings
im Ausland 1858, S. 117 mitgeteilten rumänischen aus
Siebenbürgen.
Wir verlassen nun (his polnische Märchen und wenden
uns nach Asien zu einem armenischen, welches A. von
Haxthausen in seinem Buche Transkaukasia (Leipzig 1856)
I, S. 338 f. mitteilt.^) Da das Märchen kurz ist und das Buch
von Haxthausen nicht in vieler Händen sein wird, so lasse
ich es, ganz wie er es erzälilt, folgen: Einst reitet ein wohl-
habender Mann durch einen Wald; da findet er einige Männer,
welche einen bereits verstorbenen Mann noch nachträglich
an einem Baum aufgehangen haben und den Leichnam ent-
setzlich schlagen. Als er sie fragt, was sie zu einer solchen
Entweihung des Toten triebe, antworten sie, er sei ihnen
Geld schuldig geblieben und habe sie nicht bezahlt. Da be-
zahlt er ihnen die Schuld und begräbt den Toten. Jahre
vergehen, er wird allmälilich arm. In seiner V^aterstadt aber
wohnt ein reicher Mann, der eine einzige Tochter liat, der
203 er I gern einen Mann geben mochte. Allein schon fünf Männer
waren in der Hochzeitsnacht gestorben, und keiner wagt mehr
um sie zu freien und ihr zu nahen. Nun wirft der Vater
sein Auge auf diesen arm gewordenen Mann und bietet ihm
die Tochter an. Der ist aber zweifelhaft, ob er sein Leben
wagen soll, und liittet um Bedenkzeit. Nun kommt eines
') S. ;U8 tt". gifbt Haxthiiusen eine ganze Reihe armenischer Sagen
und Mäichci), die der l"'orselier auf diesen Gebieten nicht übersehen darf.
3. Die dankbaren Toten und der gute Gerhard. H
Tages ein Manu zu ihm und bietet sich ihm als Diener an.
,Wie sollt' ich dich in Dienst nehmen, da ich ja so arm bin,
dass icli mich kaum selbst ernähren kann?- „Ich verlange
von dir keinen Lohn, keine Kost, sondern nur die Hälfte von
deinem künftigen Hab und Gut!'' Sie werden darum einig.
Nun rät ihm der Diener zu jener ihm angebotenen Heirat.
In der Hochzeitsnacht stellt sich der Diener mit einem S<-hwerte
ins Brautgemach. ,Was willst du?" „Du weisst, nach unserem
I'bereinkommen gehört mir die Hälfte von all deinem Hab
und Gut, ich will das Weib jetzt nicht, aber ich will hier
frei stehen bleiben." — Als nun die Neuvermählten ent-
schlafen, kriecht eine Schlange aus dem Munde der Braut
hervor, um den Bräutigam zu Tode zu stechen, allein der
Diener Imut ihr den Kopf ab und zieht sie heraus. Nach
einiger Zeit verlangt der Diener die Teilung alles Hab und
Guts, es wird geteilt, nun fordert er auch die Hälfte des
Weibes. „Sie soll, den Kopf nach unten, aufgehangen werden,
ich werde sie mitten durchspalten!'' Da gleitet ihr die zweite
Schlange zum 31unde heraus. Nun aber spricht der Diener:
„Es war die letzte, von nun an kannst du ohne Gefahr und
glücklich mit deinem Weibe leben! Ich aber fordere von
dir nichts, ich bin der Geist des Mannes, dessen Leichnam
du einst von der Scliande und Qual des Schiagens errettet
und fromm begraben hast!" und verschwindet. —
Hier haben wir die bekannten Hauptzüge: Bestattung
des misshandelten Leichnams eines Schuldners, Dankbarkeit
des Geistes durch Ermöglicliung einer erschwerten Heirat des
Wohlthäters, wol»ei der Geist — jedoch nur zum Scheine —
die Hälfte seines künftigen Hab und Gutes als Lohn verlangt.
Ganz eigentümlich dem armenischen Märchen aber ist die
Jungfrau, deren Freier alle in der Hochzeitsnacht starben,
bis auf den Helden des Märchens, der durch Hilfe des Geistes
endlich in den glücklichen Besitz derselben kommt. Jeder-
mann wird hierbei sich gleich an Tobias und Sara erinnern,
die durch den Dämon Asmodi sieben Freiern verderblich ge-
wese-u war. Simrock hat S. 181 f. iu treffender Weise auf
einen miiolichen Zusammenhang der Geschichte des Tobias
12 Zur Märchenforsfluing.
mit imserm Märchenkreise aufmerksam gemacht. Diese Ver-
mutung dürfte durch das armenische Märchen noch bestärkt
werden.
Dies waren Märchen des Ostens, aus dem Volksmunde
ganz neuerdings gesammelt, die nachzutragen waren. Wir
haben aber nun auch noch die Aufmerksamkeit auf eine vor
mehr als hundert Jahren im Westen, in Frankreich nämlich,
von einer bekannten Roman- und Novellenschriftstellerin er-
zählte Geschichte zu lenken. Es ist dies die ,Histoire de
204,lean de Calais'. | wie sie die fruchtbare Schriftstellerin
Madame de (iomez (geborene Madeleine Angelique Poisson,
an einen spanischen Edelmann verheiratet, j 1771, (SO Jahr
alt) in ihrer zuerst 1728 erschienenen und vielfach aufgelegten,
auch ins Deutsche übersetzten Novellensammlung ,les journees
amüsantes' erzählt hat. ^) Der Inhalt der Geschichte ist fol-
gender: Jean ist der Sohn eines reichen Kaufmanns zu Calais
und hat sich durch Vertilgung von Korsaren so verdient um
die Stadt gemaclit, dass man zu seinem Namen den der Stadt
fügte. Auf einer Seefahrt kam er zu der unbekannten blühenden
Insel Orimanie, in deren Hauptstadt Palmanie er auf einem
grossen Platze einen Leichnam sah, den Hunde zerfleischten.
P> erfuhr, dass dies die gesetzliche Strafe der Schuldner sei,
die ohne ihre Schulden bezahlt zu haben stürben, dass es
aber jedem, der Lust dazu habe, frei stehe, die Leichen durch
Bezahlung der Schulden loszukaufen. Der edle Jean that
dies und liess die Leiche bestatten. Bevor er Palmanie ver-
liess, bemerkte er auf einem vor Anker liegenden Korsaren-
schiffe zwei Sklavinnen, die er loskauft und auf sein Schilf
mitnimmt, um ihnen dann die Freiheit zu geben. Unterwegs
') Mir liegt die ,7. t'dition, revue et corrigee', Amsterdam 1758 vor,
wo unsere Geschichte sicli Tom. II, p. 145 — 182 findet. Einen Auszug
der Geschichte giebt aucli die Bibliotheque universelle des Romans,
Decembre 177f), j). 134 tf., wo auch p. 85 ff. Nachrichten über Madame
de Gomez und ihre Weri\e. — [Diese Novelle ist auch in portugiesischer
liearbeitung erschienen: ,Historia de Joao de Calais. Lisboa Na Imp.
de Nun. Est Anno 1824.' 28 S. 4» (auch schon 1789, 1807 und 1814
in andern portugiesischen Volksbüchern angezeigt). Die Namen Por-
t\igal und Lissabon sind fortgelassen; Dom Juan heis>t Florimundo.]
3. Die dankbaren Tuten un(l der gute Gerhanl. ]]]
gewinnt er die Liebe der einen, namens Constanze, und ver-
mählt sieli mit ihr, ohne jedoeh von ihr Aufklfiriing über
ihre und ihrer Freundin Isabelle Herkunft zu bekommen.
In Calais wird er von seinem Vater, der die Heirat mit einer
armen, unbekannten Fremden missbilligt, selilecht empfangen
und aus dem Hause verbannt. Nacli einem -lalire aber ist
der Vater insoweit milder gestimmt, dass er für -lean ein
neues Schiff ausrüstet, damit er jene entdeckte Insel des
Handels wegen wieder besuche. Als Constanze, die inzwischen
eines Sohnes genesen ist, die bevorstehende Reise Jeans er-
fährt, bittet sie ihn, ihr, ihres Söhnchens und ihrer Freundin
Bild auf sein Schiff malen zu lassen, um sie nicht zu ver-
gessen, und zuerst l)ei Lissabon vor dem Königssehlosse zu
landen. Jean lässt die Bilder malen und landet vor Lissabon.
So gewahrt der König von Portugal die Bilder und erkennt
darin seine Tochter und ihre Freundin, die von Korsaren ge-
raul)t worden waren. Nachdem er von Jean weitere Auf-
klärung erhalten hat, erkennt er die Ehe an und schickt den
glücklichen -lean mit einem Geschwader nach Calais, um die
Prinzessin abzuholen. Das Geschwader wird von Dom Juan
kommandiert, einem Prinzen des königlichen Hauses, der
früher um ConstanzfU geworben hatte und nun ergrimmt ist.
dass sie ihm entrissen. Als die Flutte auf der Rückfahrt ist,
nimmt Dom -iuan die Gelegenheit wahr, bei einem heftigen
Sturme Jean unbemerkt ins Meer zu stürzen. Voll Ver-
zweiflung kommt die Prinzessin ohne Gemahl bei ihrem Vater
an. Dom Juan macht sich allmählich bei König und Volk
immer beliebter und fordert endlich die Hand der Prinzessin,
die nach vergeblichem AViderstreben | vom König und den 205
Ständen gezwungen wird, in die Vermählung mit Dom Juan
zu willigen. . Inzwischen — zw^ei Jahre sind vergangen —
war Jean de Calais nicht, wie man glaubte, im Meer um-
gekommen, sondern hatte sich an herumschwimmende Schifts-
trümmer geklammert und war auf eine einsame Insel ver-
schlagen worden, wo er die zwei Jahre zubrachte. Am Tage
vor der lieschlossenen Vermählung Dom Juans mit Constanzen
erschien dem einsamen Jean pbitzlich ein Unbekannter, der
14 Zur Märc)ienfi)r»chung.
iliin (las Bevorstehende meldet und ihm zugleich Hilfe und
Rettung verheisst, wenn .lean verspreche, ihm später die
Hälfte von dem, was er am liebsten habe, zu geben. Jean
verspricht alles und schläft bald darauf plötzlich ein. Als er
erwacht, findet er sich in einem Hofe des Lissaboner Königs-
schlosses. Er begiel)t sich in die Schlossküche und wird dort
aus Mitleiden zum Holztragen verwendet. Zufällig kommt
Constanzens Freundin in die Küclie, und trotz dem langen
Barte, dem verwilderten Aussehen und den zerrissenen Klei-
dern erkennt sie den Gemahl Constanzens an seinem (Jesicht
und besonders au einem Ringe an seinem Finger. Zu seiner
(iattin gebracht wird er auch von ihr und dann vom König
erkannt, welcher letztere den Verräter Dom Juan alsbald hin-
richten lässt. Jean de Calais wird dann zum Erben der
Krone erklärt und ein grosses Fest veranstaltet. Als dann
der Hof und die Grossen des Reiches in einem Saale ver-
sammelt sind, erscheint plötzlich ein Unbekannter. Es ist
derselbe, der Jean schon auf der einsamen Insel erschienen
war. Er erinnert Jean an sein Versprechen, und Jean erklärt,
er solle nur fordern und alles erhalten. ,Wohlan! ich will
die Hälfte deines Söhnleins!' Vergeblich bietet der König
dem Unbekannten alles Mögliche an, vergeblich weint Jeans
Gemahlin. vergel)lich fleht der Hof. Jean bleibt eine Zeitlang
stumm, da IUI aber erklärt er, er werde unter jeder Bedingung
sein Wort halten. Er reicht das Kiiul dar, und der Fremde
schickt sich an, es mit seinem Schwert auseinander zu hauen,
plötzlich aber giebt er es dem Vater zurück und sagt: ,Je te
rend ton tils, revois aujourdhui le prix de ta vertu et de ta
generosite: c'est moi dont le corps etoit dechire par les chiens
lorscjue tu entras daus la ville de Palmanie; cest moi dont
tu payas les dettes, et c'est ä moi ä (jui tu as donne la se-
pulture; je ne fai point ((uitte depuis attentif ä ton sort, et
connoissant ton äme, cest moi qui conduisis le corsaire (|ui
enlevoit la princesse pres de ton vaisseau, ou tu Tachetas
Sans la connoitre ni Favoir vüe, et dans le seul dessein de
lui rendre la liberte; apprends par ces exemples combien le
Ciel cherit les hommes vertueux: j"ai voulu t'eprouver, tu ne
3. Die diinkbaren Toten und der gute (ierJiard. 15
t"es poiut demeiiti, joiiis en paix de ton hoiiheur. sois toujours
8age, inviolable et modere, le Ciel iie t'ahaiuloiiiiera jamais,
tu seras veritablement Prince, parce (jue tu devras ce titre
ä ta vertu plutot qu'aux loix dune naissance qui ne depend
poiut de uous, et dont on tire peu declat quand la sagesse
ne rarconipagne pas.' Mit diesen AVorten verschwin(iet der
(Jeist, dem Jean ein prächtiges Mausoleum hauen lässt. |
Dies ist der Auszug der von Madame de Gomez leidlich 206
schlicht und einfach erzahlten Geschichte. Vergleicht man
die von ^^imrock und soeben von mir beigebrachten Märchen
damit, so wird man zugeben, dass in dieser französischen
Fassung des Märchens vom Kaufmanussohne nnd vom dank-
baren Toten die echten Elemente vollständig, wie kaum in
einer andern Fassung, erhalten sind und keine fremden Ele-
mente aus andern Märchen Eingang bekommen haben. Nur
das hätte ausdrücklich erwähnt werden müssen, dass Jeans
Rettung auf die wüste Insel auch ein Werk des dankbaren
Geistes ist; in der gleich zu erwähnenden späteren Bearbei-
tung ist dies angedeutet. Woher hatte nun Madame de Gomez
dieses Märchen? Sie giebt uns darüber beim Beginne des-
selben folgende Auskunft: ,Ce que je m'engage ä vous conter
(nämlich die Histoire de Jean de Calais) est tire dun livre
(jui a pour titre: Histoire fabulense de la Maison des Rois
de Portugal. Je ne changerai rien, et ne nie pi([uerai point
de vous lembellir.' Es wäre nun von grossem Interesse,
diese Quelle der Frau von Gomez aufzuspüren, leider ist es
mir aber bis jetzt noch nicht gelungen. [Liebrecht, Ger-
mania 5, 5() verweist auf Vasconcellos Tliaten und Schicksale
der Könige von Portugal.]
Es gibt nun noch eine neuere anonyme französische Be-
arbeitung der , Histoire de Jean de Calais', mit dem Zusätze
auf dem Titel ,sur de nouveaux memoires', die einen Teil der
sog. Bibliotheque bleue bildet und mir in folgenden Drucken .
vorliegt: A Paris, cliez Lacombe, libraire, rue Christine 1770.8.
A Paris, chez Costard, rue Saint- Jean de Beauvais, le pre-
miere porte cochere au dessus du College. 1776. 8. A Liege,
chez F. J. Desoer, imprimeur-libraire, sur le Pont a Isle,
Iß Zur Märehonfurschung.
17.S7. S. Der anonyme Bearbeiter lässt den Unbekaiuiteii.
der dein -lean de Calais auf der Insel erscheint und ihn
sc-hlafend nach Lissabon bringt, nicht die Hälfte des Teuersten
fordern. Er lässt ihn sagen, er sei ein (iesandter des Himmels,
um dem dean die Macht der Vorsehung zu zeigen. Er lässt
ihn dem -Jean, ehe er plötzlich einschläft, Vorträge halten:
,les propos les plus sublimes sur la vertu, sur la prosperite
des mechans, sur les infortunes des bons. sur Tordre murale
et physi(iue de l'univers, ou le tiiomphe du mal ne pouvoit
etre ({ue momentane, parce ipie Tordre etant une emanation
de TEtre incree, il etoit necessaire ((ue tont rentrat dans
l'ordre, quelque renversement (juil eüt eprouve, comme Fhuile
melee avec d'autres liquides, gagne toujours le dessus, avec
quelque violence qu'on les ait agites et confondus ensemble.'
Bei dem Feste der Wiedervereinigung Jeans und Constanzeus
und der Erneimung deans zum Thronfolger erscheint der Geist
nur, um folgende Erklärung zu geben: ,Jean de Calais, tu
n'etois pas ne pour le trone, mais il n'est point d'etat sur
la terre oü la vertu ne puisse elever Ihomme. Ta sagesse
a merite les se(;ours dont le ciel t'a comble par mon miui-
stere. de suis l'Ange tutelaire des Rois: c'est moi qui t'ai
soutenu sur les Hots, ou le traitre D. Juan te precipita; c'est
üioi qui tai conduit dans lisle deserte. ou pendant deux ans
ta vertu ne s'est point dementie; c'est moi (|ui pendant ce
207 tems ai protege Constance contre ] les infames desseins de
D. Juan; je t'ai ramene de cette isle aupres de ton epouse;
c'est moi »pii avois conduit le corsaire (|ui l'enleva aupres de
ton vaissean, oü tu l'achetas dans le seul dessein de lui rendre
la liberte; c'est moi euHn, ä (jui tu dois son aniour; mais tu
ne dois nia protection qu";i ta vertu. C'est de la part du
Dien de tonte sagesse, que je viens te rendre ce temoignage:
poursnis et compte sur ses secours.' — Somit ist also in dieser
modernen Bearbeitung der Hanptzng der alten Sage, die Dank-
barkeit des Toten, ausgemerzt worden, aus dem dankbaren
überall hilfreichen Geiste des losgekauften Schuldners ist ein
Engel geworden, der nicht aus persönlicher Dankbarkeit,
sondern aus Beruf den tugendhaften Jean unterstützt und
3. Die dankbaren Toten und der gute Gerhard. 17
rettet. Sonst stimmt diese Bearbeitung im Gange und Ver-
laufe der Fabel mit der Novelle der Gomez, aber alles ist
mit grosser Breite erzählt, gleichgültige Nebensachen werden
weit ausgesponnen, sentimentale und pathetische Schilderungen
und lange Reden und Gespräche gesucht. So wird gleich
im Beginne der Erzählung die Insel Orimanie, hier nur ,rile
heureuse' genannt, iiire (ieschichte — sie ist von einigen
wenigen dahin verschlagenen Seeleuten bevölkert worden —
und ideelle monarchische Verfassung ausführlich besprochen.
Gelegentlich erfahren wir auch, dass Jean de Calais aus dem
berühmten Geschleclite der Doria in Genua stammte. Ob der
Verfasser ausser der Novelle der Gomez noch andre Quellen
benutzt hat, muss ich dahingestellt sein lassen: möglich ist
es, aber durchaus nicht notwendig.
Auch unter den noch in neuester Zeit in Frankreich ver-
breiteten Volksromanen findet sich die .Histoire de Jean de
Calais'. Ch. Nisard erwähnt in seiner .Histoire des livres
populaires ou de la litterature du colportage', Paris 1854,
T. 11, p. 450 ^) zwei neuere Ausgaben, die eine Epinal, chez
Pellerin, o. J., 35 S. 12., die andere Paris, ä la librairie popu-
laire des villes et des campagnes, 1S49, 3G S. 12. Eine
dritte liegt mir vor: Sur des nouveaux memoires. Paris,
B. Benault et Cie.. lS5l'). oG S. 12. Von der ersteren giebt
Nisard einen Auszug, indem er bemerkt, dass die Pariser
länger und in affektiertem Stile geschrieben sei. Hiernach
und in meiner Ausgabe ist (bis AVesentliche des Märchens
noch mehr verwischt. Dass Jean einen Toten loskauft, kommt
gar nicht vor, nur durch das Loskaufen der beiden Mädchen
zeigt er seinen Edelmut. Dass der Geist sich die Hälfte
seines Liebsten sich ausbedingt, fehlt ebenfalls, und bei dem
Feste erscheint er nur, um Jean zu sagen: Recounais celui
(pii t"a tire de lile deserte et conduit dans ce palais? c'est
') Nisards Buch ist sehr interessant und lehrreich, wenn ihm auch
grössere Genauigkeit und eine ausgebreitetere Gelehrsamkeit zu wünschen
gewesen wäre. Ein Beispiel von Ungenauigkeit haben wir hier p. 450,
wo der Verfasser mit grosser Sicherheit behauptet, die Histoire de Jean
de Calais von Madame de Gomez stehe in ihien Cent nouvelles nouvelles.
R.Köhler, Kl. Schriften. I. 2
\^ Zur Märchenfür^cluiiig.
moi qiii (3()n(luisis le corsaire qiii enlevit la priiicesse. pres
de ton vaisseau, oü tu laclietas saus la eoimaitre ni lavoir
vue, et (laus le seul dessein de liii rendre la liberte. Apprends,
208 par ces experieiices, combien le ciel cherit | les liommes ver-
tueux; j Ollis en paix etc. etc., wörtlich wie bei der (iomez.
In meiner Ausgabe spricht der Geist wie S. "206. [Vgl. Blade
2. ()7. Folk-lore Record 3, 48. Webster p. 14() ,Juan Dekos';
151 ,duau de Kalais\ Bihl. de las trad. pop. espailolas 8, 194
,Juan de Calais-.]
Indem wir in den letzten Gestaltungen der Geschichte
von Jean de Calais den dankbaren Toten vermissten, werden
wir an die Dichtung vom Guten Gerhard erinnert, deren Zu-
sammenhang mit den Märchen vom dankbaren Toten Simrock so
wahrscheinlich gemacht hat, obwohl auch in ihr die Loskaufimg
des Toten fehlt und die Erzählung dadurch wesentlich um-
gestaltet, ja fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt worden ist.
Rudolf von Ems giebt an, dass er die Erzählung über-
setzt habe; aus welcher S})rache, wissen wdr nicht; Haupt meint
gewiss mit Recht, man werde am natürlichsten wohl annehmen
müssen, aus dem Lateinischen. Ebensowenig wie eine frühere
Darstelluug der Geschichte vom Guten Gerhard bekannt ist,
ebensowenig Iiat bisher jenumd eine spätere Dichtung ähn-
lichen Inhaltes iiacligewiesen. und doch, glaube ich, hat es
solclie gegeben, und man wird sie finden. Den Hauptinhalt
der Geschichte des Guten (ierhard können wir kurz dahin
bestimmen, dass ein Kaufmann eine Königstochter aus der
Sklaverei loskauft und, obwohl er sie seinem Sohne zur Gatthi
zugedacht, doch ihrem frülieren Bräutigame, als dieser er-
scheint, grossmütig überlässt. Dass nun eine Geschichte ähn-
lichen Inhalts in französischer Sprache im 17. Jahrhunderte
bekannt gewesen ist, schliesse i(;h aus einer dramatischen
Darstellung, die im Jahre KiOO von den Schülern des Gym-
nasiums in Weimar aufgefiihrt wurde. Das Stück selbst ist
nicht erhalten, wohl aber die Einladungss(;hrift des Rektor
Grossgebauer ^) dazu, welclie den kurzen Inhalt desselben
') Mehr über Grostigebauer und seine draniatisehen Akhis findet
man in der interessanten, dem Weimarischen Grymnasialprog-ramm,
3. Die (liinkbaren Toten und der gute Gerharil. ] i)
nebst (lern l'prsoiieuver/eicliiii.s giebt. Dieses Programin führt
den Titel ,Der wuiiderlicli beglückte Maufredo, als der
Durchlauchtigste Fürst und Herr, Herr Wilhelm Ernst, Herzog
zu Sachsen etc den li). Oktober 1G90 zum iM)'^" mahl
.•meinen frohen Geburts-Tag erlebete, zur Bezeugung der
daraus geschöi)fteu Freude in ein geringes Lustspiel verfasset
und nebst herzinniglichem Wunsch zu (iott, dass der durch-
lauchtigste Regierende Landes -Vater biss in das späte Alter-
thum dieses verliehene (!eburts-Licht in vollem Segen, guter
Gesundheit und allem Hoch-Fürstl. Selbst-Verguügen ferner
sehen möge, Durch die in dem gepriesenen Weimar studierende
Schul -Jugend unterthänigst vorgestellet, worzu Alle
invitiret werden von Philipp Grossgebauern, Rect. Yimar.-
Weimar, Fol. Nach der Inhaltsangal)e. die ich etwas abkürze,
war die dem Stück zu gründe liegende Geschichte folgende:
Der edle Römer Maufredo liebt Sophrouisken, die Tochter
eine^s afrikanischen Fürsten Cassander, an dessen Hofe er
weilt. Da aber der Vater die Tochter dem Fürsten von Kairo,
Jessied Califfa, be-[ stimmt hat, fliehen die Liebenden. Unter- 209
wegs werden sie von Räubern überfallen und gefangen.
Sophroniska wird mit ihrer Dieuerin an einen französischen
Kiiufmann Floridan verkaufe und nach Frankreich gebracht,
Manfred aber wird mit seinem Diener an den Capitschi Aga
nach Philadelphia verhandelt. .Alanfred flieht, wird aber von
neuem von Seeräubern gefangen und nach Ephesus gebracht.
D(U't kauft ihn dean pier, jenes Kaufmanns Sohn. Sophro-
niska hatte inzwischen dem alten Kaufmanne so gefallen, dass
er sie an Kindesstatt annahm und seinem Sohn zu verehe-
lichen dachte, weshalb er ihn nach Hause zurückrief. ,Jean'
l)ier eilte mit seinem erkauften Sklaven wider gen Frank-
reich. Aber siehe, da dean pier mit seinem Diener, dem
Manfredo, zu den Seinigeu gelangte, erblicket die Sophroniska
ihren Manfredum. wiewidd in knechtischer Gestalt: und sinket
Ostern 1858, voranstellenden Abhandlung Heilands ,Über die dranir.-
tischen Aufführungen im Gymnasium zu Weimar'. Der Verf. erwähnt
auch den Manfredo, jedoch ohne an die Ähnlichkeit mit dem guten
(irerhard zu erinnern.
9 *
20 Zur Märcheuforticluing.
durch jählinge Veränderung und Bewegung des Gemüts fast
ohnmächtig zur Erde nieder, wird aber von Manfredo von
dem Fall erhalten. Der Kaufmann und alle Umstehenden
solches sehend verwundern sich über die Begebenheit sehr,
und nachdem er von beider Zustand benachrichtigt worden,
macht er sie nicht allein beiderseits frei, sondern verspricht
ihnen auch eine Hochzeit auszurichten.' Dies ist die Geschichte,
deren Ähnlichkeit mit der vom Guten Gerhard nicht zu ver-
kennen ist. Vielleicht kann ein Leser der Germania die Quelle,
aus der Grossgebauer schöpfte, uns nachweisen.
Schliesslich erwähne ich noch, dass Freudenberg in einer
Anzeige des Simrockschen Buches in den Jahrbüchern des
Vereins von Altertunisfreunden im Rheinlande XXV, S. 172
mit Recht an eine Stelle in Ciceros Schrift de divinatione
(I, 27) erinnert. ,Quid? illa duo somnia, quse creberrime
commemorantur a Stoicis, quis tandem potest contemnere?
unum de Simonide: qni cum ignotum quendam proiectum
mortuum vidisset eumque humavisset haberetque in animo
navem conscendere, moneri visus est, ue id faceret, ab eo
quem sepultura affecerat; si navigasset, eum naufragio esse
periturum: itaque Simonidem redisse, perisse ceteros, qui tum
navigassent.' Dass im klassischen Altertum die Bestattung
der Toten für heilige PHicht galt, ist bekannt genug (vgl.
C. F. Hermann, Lehrbuch der griechischen Privataltertümer
§ 40, 5), und Simrock bemerkt selbst in der Vorrede (S. X),
dass die von ihm behandelte Sage ,den besten Kommentar
bilde zu den bekannten Horazischen Zeilen: At tu, nauta,
vagse ne parce malignus areuie etc.' Die Erzählung bei Cicero
ist aber dadurch ganz besonders interessant, dass nach ihr
der Geist des bestatteten Toten — wie in unseren Sagen —
seine Dankbarkeit durch Rettung seines Wohlthäters aus
drohender Gefahr bethätigt. [Valerius Maximus 1, 7, 3. Pe-
trarca, Rerum memorandarum lib. 4 p. 865 ed. Bern. I(i04.
A. d'Ancona, Studj ISSO p. 858. 504.]
4. Zu tlt'm Märchen von dem dankbaren Toten. 21
4. Zu dem Märehen von dem dankbaren
Toten.
(Orient und Occident 3, 93—103. 1864.)
A. Schiefner, der bereits im ersten Heft des zweiten
Jahrgangs dieser Zeitschr. S. 174 ff. aus Afanasjews Samm-
lung ein russisches Märchen vom dankbaren Toten in deutscher
i'bersetzung bekannt gemacht hat, welches ich bei meinen
Erörterungen über diesen Märchenkreis oben S. 8"24 — 329 [zu
Campbell no. 32] nocli nicht benutzen konnte, liat seitdem
die Güte gehabt mir noch ein andres russisches Märchen
aus diesem Kreise mitzuteilen. Es findet sieb im 3. Heft der
von rhudjakow herausgegebenen grossrussischen Märchen
S. 165 — 1()<S, ist von dem Sammler im Rjäsanschen Gou-
vernement aufgezeichnet und kiutet nach Schiefners Über-
setzung also:
„Es waren einmal zwei Brüder, von denen einer starb
und einen Sohn, namens Hans, hinterliess. Hans wuchs lieran,
sein Oheim aber kümmerte sich nicht um ihn. Da kamen
eines Tages Angeliörige zum Hans und fragten ihn, weshalb
er so müssig dasitze und nicht lieber Handel triebe? — „Ich
liabe gar nichts . . . ." — „„Bitte deinen Oheim, dass er dir
deine Erbschaft auszalile."" Das that er denn auch. Der
Oheim dachte hin und her und gab ihm endlich 800 Rubel.
„Da hast du 300 Rubel! Mach damit was du willst." — Hans
dankt dem Oheim und zieht in die Welt hinaus.
Er w^ar nun zwei Wochen gewandert, da kam er in ein
anderes Gouvernement. Dort sieht er die Eeute laufen und
eilt ihnen nach. Man hat einen Ungläubigen gefangen und
zieht ihm die Adern aus. „Hört, verkauft mir ihn", spricht
er. — „„Recht gern."" — „Was verlangt ihr?" — „„Drei-
hundert Rubel."" I Er gab ihnen sein ganzes Geld, nahm den 94
Ungläubigen, führte ihn zum Priester und Hess ihn taufen.
Der arme Mensch leidet aber sehr an seinen Wunden. Hans
bittet den Priester am andern Morgen eine Messe zu lesen.
2'2 Zur Mäi-chcntbr?ichuiig.
Das geschah, der Ungläubige empfing das Abendmahl und
starb den dritten Tag. Es war al)er kein Geld da, um ihn
zu beerdigen. Als die Kaufleute und das Volk dies hurten,
brachten sie viel Geld zusammen. Man bestattete den Toten
mit allen P^hren, und es blieb noch viel (teld übrig. Hans
aber ging davon und nahm keinen einzigen Kopeken.
Als er weiter wandert, sieht er mit einem Male einen
Engel, der vom Himmel herab kommt und sich ihm nähert.
„Guter Mann, wohin gehst du?" — „„Ich will mich irgendwo
als Arbeiter verdingen"", antwortete Hans. — „Lass uns zu-
sammengehen!" — „„(int."" — So wanderten sie des Weges
weiter. „Willst du, guter Mann, mich zum Oheim haben?
Was wir erwerben, wollen wir in die Hälfte teilen. Halte
mich in Ehren, was ich dir befehle, das thu!" — „„Gut"",
sagte Haus.
Da kamen sie in ein anderes Land, zu einem König.
Dieser König hatte eine Tochter. „Nun, Neffe, geh auf den
Markt, verdinge dich als Arbeiter! Bist du angenommen, so
komm und melde es mir, dass icli mit dir gehe." — Hans
ging auch und musste lange stehen: es fand sich niemaud,
der ihn angenommen hätte. Da kommt der König gefahren.
„Bist dn ein Russe?" — „„-Ja, aus dem und dem (iouverne-
ment."" — „Willst du mein Schwiegersohn werden? Du ge-
fällst mir. Unlängst ist mir ein Schwiegersohn gestorben." —
„„Ich weiss nicht"", sagte Hans, „„ich habe einen Oheim,
diesen werde ich fragen."" Er ging zum Oheim und meldete
ihm die Sache. Der Oheim giebt ihm die Erlaubnis, die
Leute aber schelten ihn: „Was schickst du deinen Neffen in
den Tod? Die Königstochter hat schon sechs Männer gehabt
und alle erwürgt. Der König hat sich nun gerade einen
Russen ausgesucht." — „„Was ist da zu machen! Es ist der
Wille Gottes.""
Der Neffe geht zum König. Dieser kommt sogleich zum
Vorschein. „Nun, wie bleibt es?" — „„Der Oheim hat mir
seinen Segen gegeben."" — „(iut", sagt der König, „gut!"
Sofort holt er die Tochter, „(iefällt dir der Bräutigam?" —
^,„Ja."" — „Nun so segne euch Gott!" Der Neffe holt den
4. Zu (leiii 3Iärolioii von dem {huikhaicu Toten. 28
Oheim herbei. E.s | liudet die Ti-auiiiig statt und ein pmcht- !t5
voller Hochzeitschmaus. Es war Zeit zur Ruhe zu gehen.
Das junge Paar legte sich ins Schlafgemach. Hans legt sich
nieder. „Ach", sagt er, „wir haben den Oheim nicht ge-
rufen." — Der Oheim kommt. „Es ist gut", sagte er, „dass
ihr mich nicht vergessen habet. Schlafet nur in guter Kühe!
Ich werde micli an der Schwelle niederlegen." Sie schliefen
ein. In der Nacht kommt ein Drache geflogen. Der Oheim
sprang auf. grifl" nach dem Säbel und schlug ihm das Haupt
ab. Das junge Paar aber lag in tiefen Schlaf versunken da.
Der Oheim wusch das Blut ab. schatl'te den Kopf des Drachen
fort und warf alles ins Meer.
Am andern Morgen lässt der König sich iiach dem Be-
finden erkundigen. „Sie sind aufgestanden", meldet man, „und
sind guter Dinge." Nun ging das Schmausen und das Jubeln
beim Könige los. Man lebte so zwei Monate. Da si)richt
Haus zum Könige: „Väterchen, erlaube mir in meine Heimat
zu reisen; ich werde nicht lange fortbleiben." — „Gut", sagte
der König. Man ging Pferde auszusuchen. Der Oheim legt
seine Hand auf ein Pferd: „Dieses nimm!" — So wählte man
sieben Pferde aus: vier spannte man vor die Kutsche, ehi
Dreigespann gal) man dem Oheim. Dann gings auf die Reise.
Sie kamen in einen Wald und verloren den Weg. In
der p]ntfernung sehen sie Licht. Sie fahren auf das Licht
los und kommen an ein grosses Hans. Im Zimmer geht nur
ein alter Mann herum. „Wer wolnit hier?" — „„Jäger.""
Sie kehren ein und legen sich zur Ruhe. Als sie eingeschlafen
sind, kommen plötzlich Räuber angefahren: sie fragen den
Alten: „Sind viele angekommen?" — „„Nur drei!"" — „Gott
sei Dank! Die Kutsche, die Pferde, alles wird uns zu Teil."
Sie assen und tranken sich satt und gingen sechs Mann hoch,
um die Reisenden umzubringen: der Oheim aber liegt an der
Schwelle. Schnell erhob er sich und sowie der erste heran-
kam, schlug er ihm den Kopf ab, dann dem zweiten, dritten,
vierten, fünften. Die andern erschraken und liefen davon.
Der Oheim aber räumt die Leichname auf und wäscht das
Blut ab. Hans und seine Gattin schlafen in guter Ruh.
24 2i"* Märchenforsehung.
Als sie am Morgen aufgestanden waren, fragten sie nach den
Wirtslenten. „Sie sind Jäger, sie sind schon in aller Frühe
vom Hanse gefahren." Man trank darauf Thee und ging
9ß dann in die Vorratskammern, wo es | (lold in Menge gab.
Man füllte es in Säcke und belud damit das Dreigespann, in
welchem der Olieini fuhr.
Als man weiter fuhr, kamen sie zu der Stelle, wo der
Oheim dem Hans jüngst erschienen war. Man fütterte die
Pferde. Da sprach der Oheim: „Nuu Neffe, wir hatten es
ja abgemacht, dass wir alles in die Hälfte teilen sollten.
Jetzt müssen wir uns trennen; lass uns nun auch die Frau
teilen!'' Der Oheim nahm sie, sägte sie in zwei Hälften; aus
ihrem Innern aber kamen junge Drachen geflogen. Der Neffe
fiel ohne Besinnung hin. Der Oheim aber reinigte und wusch
die Eingeweide der Frau und besprengte sie mit Wasser,
worauf sie wieder lebendig dastand. „Nun Neffe", sprach
der Oheim, „ich habe Wohlgefallen an dir, weil du mir ge-
horsam gewesen bist. Ich habe dich auf allen Wegen und
Stegen beschützt." Dann nahmen sie Abschied von einander.
Hans aber gelaugte zu seinem leiblichen Oheim, dem er alles
Gold und Silber gab. In einem Monat baute er ihm ein
Schloss auf und kehrte dann in sein Reicli zurück."
Man sieht, dies russische Märchen steht dem armenischen
(s. oben S. 8"2S) weit näher als das vielfach entstellte andre
russische Märchen von Sila Zarewitsch und Iwaschka und das
ebenfalls entstellte und unvollständige Märchen aus Afanas-
jews Sammlung.
Zu meinem oben erwähnten Aufsatz über das Märchen
vom dankbaren Toten trage ich bei dieser Gelegenheit noch
folgendes nach. Eine Variante des Märchens, welches Simrock
(s. oben S. 32() f.) am Fuss des Tombergs gefunden hat, ist
neuerdings von A. Ey in seinem sehr schätzbaren Harz-
märchenbiich oder Sagen und Märchen aus dem Oberharze,
Stade iSd'J, S. ()4 ff. bekannt gemacht worden. Hier ist der
Held kein Königssohn, sondern ein Bauernsoim, der mit sei-
nem geringen Erbe die Schulden des unbegrabenen Toten
bezahlt und ihn bestattet. Die Gegenstände, welche die Prin-
4. Zu iloni Miiichen von dein (laukbarL'ii Toten. -^5
ze.ssiu iliin zu raten aufzieht, sind: ilires Vaters weisses Tferd,
sein iSchlaclitsclnvert und das Haupt des bösen (leistes. Der
dankbare Tote überreicht ihm Flügel, Rute und Sehwert, ohne
dass über die vorherige Erwerbung dieser Dinge etwas erzählt
ist. In der Hochzeitsnacht muss der Bräutigam die l^rant
dreimal in eine Wanne voll Wasser untertauchen, wodurch
sie zuerst ein Rabe, \ dann eine Taube und zuletzt wieder '.»7
eine Jungfrau und ganz entzaubert wird. Dieses unter-
tauchen u. s. w. kommt im Simrockschen Märchen nicht vor.
wohl aber ganz ähnlich in dem dänischen Andersens.
s. oben S. 3"27 [unten zu Campbell no. 32].
In einem zweiten Märchen bei Ey S. 113 bezahlt ein
wandernder Schneidergesell die Bestattung eines Verschul-
deten. Der dankbare Geist schliesst sich ihm in Gestalt eines
Handwerksburschen als Reisekamerad an. Sie begegnen
melireren Menschen mit wunderbaren Eigenschaften, und mit
deren Hilfe und mit dem ziemlich unnützem Beirat des (ieistes
erringt der S(;hnei(ler die Hand einer Prinzessin. Wir haben
hier eine der vielen Varianten der Märchen ,von den Sechsen,
die durch die Welt kommen' (Grimm Nr. 71) und ,von den
sechs Dienern' ((Irimm Nr. 134, vgl. Renfeys oben S. 'iB!)
von mir citierten Aufsatz), in welches der dankbare Tote un-
geschickt genug verwebt ist. In Simrocks Buch und in meinem
Aufsatz in der Germania [oben S. 5] finden sich noch ein paar
Märchen, in denen ebenfalls das Märchen vom dankbaren
Toten mit andern eigentlich selbständigen verbunden ist.
Oben S. 329 habe ich ganz kurz auf eine Entstellung
unseres Märchens aus Böhmen verwiesen. Für diejenigen,
denen Waldaus böhmisches Märchenbuch nicht zur Hand ist,
will ich doch hier das biihmische ^lärchen etwas ausführlicher
besprechen. Ein Kaufmannssolin Bolimir, von seinem Vater
auf Handelsreisen ausgeschickt, gerät in die Gefangenschaft
eines Seeräubers, dessen (iunst er sich aber durch sein Flöten-
spiel dergestalt erwirbt, dass er nicht nur selbst frei wird,
sondern auch die Freiheit eines seit lange gefangenen (Preises,
von dem er jene Flöte erhalten, und einer Königstochter er-
wirkt. Mit beiden segelt Bolimir davon. Unterwegs kommen
26 Zur Märchenforsclmng.
sie zu einer einsamen Insel, wo sie aussteigen und der Greis
Bolimir bittet, eine Grube zu graben. Nachdem der Greis
Bolimir noch empfohlen hat, in Not seiner zu gedenken, be-
steht er darauf, von ihm erschlagen und liier begraben zu
werden. Bolimir erfüllt mit Widerstreben des Greises Wunsch
und fährt dann mit der Prinzessin in seine Vaterstadt. Nach
einiger Zeit geht er wieder zur See, und die Prinzessin giebt
ihm eine von ihr gestickte Fahne, die er vor ihrer Vaterstadt
aufziehen soll. Er thut dies und wird von dem K<inig, der
die Fahne seiner Tochter er- 1 kennt und alles von ihm erfährt,
mit einem königlichen Schiffe zurückgeschickt, um die Tochter
ihm zuzuführen. Aber auf der Rückfahrt st(isst der ihm bei-
gegebene Kämmerer ihn ins Meer und zwingt die Prinzessin
durch Drohungen, ihm ihre Hand und Schweigen zu ver-
sprechen. Nachdem der Kämmerer dann auch den König
beredet hat, ihm seine Tochter zu verheiraten, soll die Hoch-
zeit stattfinden, aber die Prinzessin will vorher erst eine
wundersclnine Kirche gebaut haben. Inzwischen war Bolimir
von jenem Greise, an den er sofort gedacht hatte, aus dem
Meer auf die einsame Insel getragen wordeu uud hatte von
ihm einen wunderkräftigen Ring erhalten, durch den er ver-
schiedene (iestalten annehmeu konnte. Als Adler fliegt er
nun in die Stadt der Prinzessin, wo er sich in einen alten
Mann verwandelt und mit Hilfe des Ringes den Bau der
Kirche beschleunigt. Als diese fertig ist, verlangt aber die
Prinzessin vom Kämmerer erst noch, dass sie mit Bildern
bemalt werde. Bolimir giebt sich für einen Maler aus und
malt die Bilder, darunter auch Bilder, die seiue und der
Prinzessin Schicksale darstellen. Zum l.ohn verlangt er vom
König nur, dass er beim Hochzeitsmahl neben der Prinzessin
sitzen dürfe. Da erzählt er dann seine Geschichte, nimmt
seine wahre (iestalt an und zeigt noch zum Überfluss die
Hälften eines Ringes und eines Schleiers, die ihm die Königs-
tochter früher geschenkt. Er wird nun ihr Gemahl, der
Kämmerer aber von vier Ochsen zerrissen.
Eine arge Entstellung haben wir in dieser böhmischen
Form zunächst darin, (hiss aus dem für seine Bestattung
4. Zu (loiii Märc-lien von dem (laukbareii Toten. 27
(laiikbareii Toten ein (ireis geworden i^t, den der Held des
Märchens — ebenso wie die Königstochter — ans der Ge-
fangenschaft erhist und der dann — kaum befreit — sich von
seinem Refreier töten und begraben lässt und hierauf als
Geist ihm beisteht, nicht zum Dank für seine Bestattung,
sondern für die Befreiung aus der Gefangenschaft. Eine
Entstellung ist es ferner, dass der ausbedungene Lohn für
die Hilfe, nämlich die Hälfte des Weibes oder Kindes, felilt.
Endlich ist es offenbar au(di Entstellung, wenn die Prinzessin
ganz im allgemeinen verlangt, die Kirche solle ausgemalt
werden, worauf dann Bolimir dies tliut und dabei unter
andern seine Schicksale malt u. s. w. Viel besser ist liier
das deutsche Märchen in Wolfs deutschen Hausmiirchen
S. 248 (bei Simrock der gute Gerhard S. Ki), wo die [ Prin- ••9
zessin den Verräter, der ihren (iemald ins AVasser geworfen
hat, erst dann heiraten will, wenn er ihre Zimmer nach
ihren (iedanken ausmalen lasse. Sie hat (Uibei ihre und
ihres Gatten Schicksale im Sinn, die natürli('h nur ihr (iatte
selber malen kann. Sie schiebt also die verhasste Hochzeit
durch diese l)edingung hinaus bis zur Aid<unft ihres rechten
Gemahls. Ähuli(-h, aber minder gut ist dies Malen des
Lebenslaufes auch in dem schwäbischen Märchen vom dank-
baren Toten, Meier Nr. 42 = Simrock S. r)4, angebracht. Dass
die Prinzessin ihrem Retter eine Fahne mitgiebt, die ihre
Eltern kennen, kommt in mehreren der hierher gehörigen
Märchen vor. AVie im br)limisclien Märchen beim Hochzeits-
mahl jeder etwas erzählen muss und dann Bolimir sein Ge-
schick erzählt, so auch in zwei deutschen bei Simrock S. ,14
und 74. Wie der Verräter hier von vier 0(disen zerrissen
wird, so auch in einem deutschen Märchen, Simrock S. ()2,
in einem andern, Simrock S. 04, von vier Pferden.
Ein dänisches Märchen bei Grundtvig, Garale danske
Minder i Folkemnnde. Kjöbenhavn 1S54, S. 77 erzählt: Ein
junger Bursch zieht hinaus in die Welt mit drei Mark im
Vernnigen. Vor einer Kirche findet er die f^eiche eines armen
Mannes, die der Pfarrer niclit begraben will, weil niemand
da ist, der die drei Mark Begräbnisgebühren zahlt. Der
28 ^iii" Märchenforschung.
Jüngling bezahlt sie und wandert weiter. Unterwegs scliliesst
sich ihm ein Jüngling als Gefährte an. Als sie in eine grosse
Stadt kommen, kauft letzterer eine Prinzentracht und eine
Livree. Der arme Jüngling muss sich für einen Prinzen aus-
geben, der andere aber stellt sich als seinen Läufer an. Der
falsche Prinz gewinnt die Liebe der Prinzessin und verlobt
sich mit ihr. Eines Tages verlangt aber der alte König die
Besitzungen des Prinzen zu sehen, und sie fahren deshalb
hinaus über die Grenzen des Königreichs. Der Läufer läuft
voraus und besticht Bettler und Hirten, dass sie dem alten
K(>uig, wenn er sie fragt, wem das Land gehöre, sagen
müssen, es gehöre dem Prinzen. So getäuscht giebt der
König dem Prinzen seine Tochter zur Frau. Nach der Hoch-
zeit kommt der Läufer zum Prinzen und sagt zu ihm: ,Nun
muss ich dich verlassen: du hast mir geholfen, deshall) habe
ich dir wieder geholfen.' — Hier verläuft also das Märchen
100 in das bekannte vom gestiefelten Kater, über | dessen
nordische Varianten Asbjörnsen und Moe Nr. 'iS nebst An-
merkungen zu vergleichen sind, [unten zu Jagic Nr. 1'2.]
Nach einem zweiten dänischen Märchen bei Grundtvig
S. 105 begegnet ein ausgedienter, verabschiedeter Soldat drei
Männern mit Schaufel, Hacke und Spaten, die einen be-
grabenen Mann wieder ausgraben wollen, der ihnen drei Mark
schuldet. Der Soldat bezahlt ilinen das (ield. und so wird
des Toten Ruhe nicht gestört. Als er weiter wandert, schliesst
sich ihm ein bleicher Fremder als (iefährte an. Er verschaft"t
dem Soldaten ein Bleisidiiff und fährt mit ihm in ein Land,
dessen Prinzessin nur den heiraten soll, der im Bleischiff ge-
fahren kommt. Ausserdem verschafft er ihm durch List das
Schloss eines Riesen (Trolls) und verabschiedet sich dann,
nachdem er sich als Geist jenes Toten, dessen Ruhe der Soldat
nicht st("tren Hess, zu erkennen gegeben. — Die Art, wie der
Troll in diesem Märchen durcdi List getötet wird, auf die in
der Kürze ni(*ht näher eingegangen werden kann [Bolte,
Tharäus. Sehr. d. X. f. d. Gesch. Berlins 33, 44], kommt fast
ebenso in den nordischen Varianten des Märchens vom ge-
stiefelten Kater vor. s. Hvlten-Gavallius. übers, von Ober-
4. Zu (lein Märohfii von dem (laiikbaiL'H Toten. 21)
leitiier .S. 232, A.sbjöniseu-Moe Nr. 2S. so da.ss ul.so beide
(iänische Märchen in das Katermärchen, aber in verschiedene
Teile desselben, auslanfen.
Endlich kann ich jetzt anch über den Inhalt der S. 324
erwähnten spanischen Komödie .El mejor amigo el mnerto-,
die ich seitdem zn lesen (iele<;enheit gefnnden habe, Nach-
richt geben. Die mir vorliegende Ansgabe in Quart ^) hat
kein besonderes Titelblatt. Der Titel lautet: .Comedia famosa. «^"idULMIlr** '»J', <,
Num. 45. El mejor amigo el mnerto. De tres ingeniös. La
primera jornada de Luys de Belmonte. La segunda de Don
Francisco de Roxas. fia tercera de Don Pedro de Calderon.-
Anf dem letzten Blatt ist Drucker und Druckort (Alonso del
Riega in Valladolid), aber keine Jahrzalil angegeben. Der
Inhalt ist der folgende: Don Juan de Castro. Prinz von
Galizien, Senuor von Sarria und Lemus. leidet au der eng-
lischen Küste Schiffbruch und rettet nur einige Juwelen und
Kleider. An der Küste findet er die Leiche des Schiffspatrons
Lidoro, deren Begräbnis ein (ilänbiger nicht gestatten will,
bis er die Schuld | bezahlt. Hierauf begiebt er sich nach loi
London, wo der Fürst Roberto von Irland um die Königin
Clarinda von England wirbt, die ihn alier nicht mag. weshalb
Unruhen entstehen. Don Juan wird dabei unschuldigerweise,
als habe er gegen Clarinda das Schwert gezogen, ins (ie-
fänguis geworfen, ans welchem ihn aber Lidoro. ohne von
ihm erkannt zu werden, befreit. Hierauf lässt Don elnan in
London anschlagen, dass er allein die schöne Clarinda ver-
diene nnd diesen Anspruch gegen alle verteidigen wolle.
Von Lidoro unterstützt besiegt er zuletzt auch Roberto nnd
wird Clarindas Gemahl und König von F^ngland. [Nach
Schäff'er, Gesch. des spanischen Natioualdramas 1. 141 (1890)
benutzte Lope de Vega hier den Ritterromau .Oliveros de
Castilla y Artus de Algarbe\]
') Von der grosjiherzoglichen Bibliothek aus der Auktion der
Bibliothek C. F. Bellernianns erstanden.
;-}() Zur MiirclKMifoiscIiiiiig.
N a (Hl t r a g".
In jüngster Zeit ist tum endlich noch ein isländisches
Märchen dnrch Jini 'Arnas(n\ (Islenzkar Thj(tds(igur og jetintyri,
Ijcipzig 1<S()4, II. 47o — 47!)) bekannt geworden: Thorstein way
ein reicher Kiinigssohn, der von dngend anf in verschwen-
derischer AVeise freigebig war. so dass er. als er nai-li dem
Tod seines Vaters König geworden war. bald sein Vermögen
erschöpfte nnd endlich sein kleines Reich verkaufte. Mit dem
Erlös zog er in die Welt hinaus. Unterwegs sah er einmal,
wie ein Bauer mit seiner ganzen Familie in grösster Wut
auf einen lliig(d losschlug. Auf sein Befragen erfuhr er, dass
unter dem Hügel ein .Mann begraben liege, der dem Bauer
200 Reichsthaler schuldig sei. weshalb der Bauer täglich auf
das Grab schlage, um die Ruhe des toten Schuldners zu
stören. Thorstein bezahlt sofort die Schuld. Hierauf zieht
er weiter und gelangt in eine Burg am Meer, wo sieben
Riesen hausen, deren Diener er wird. Kr darf überall in der
Borg hingehen, nur den Schlüssel zu einer Stube behält der
Oberste der Riesen immer bei sich. Nach vierjährigem
Aufenthalt gelingt es dem Königssohn, sich durch List einen
Abdruck des Schlüssels zu verschaffen nnd danach einen
gleichen zu schmieden, mit dem er heimlich die Stube eröffnet.
Kr findet darin eine Königstochter, die der oberste Riese ent-
101' fidirt hat und. weil sie ihn nicht heiraten | will, an den Haaren
aufgehangen und bei schmälster Kost in dunkler Stube ge-
• . . .
fangen hält. Thorstein besucht die Jungfrau nun täglich
während der .\b Wesenheit der Riesen, bindet sie so lange
los und giel)t ihr reichliche Speise. Als sein fünftes Dieust-
jahr um ist. erklärt er den Riesen, nur unter der Bedingung
noch ein Jahr dienen zu wollen, wenn er das zum Lohn er-
halte, was in der verschlossenen Stube sei. So erhält er am
Schluss des sechsten Jahres die Prinzessin zum Lohn und
zieht mit ihr fort. Die Riesen setzen ihm aber nach, erst
drei, dann je zwei: Thorstein jedoch erschlägt sie und kehrt
in die Burg zurück. Dort gedenkt er mit der Prinzessin
noch einige Zeit zu bleiben uml zu warten, ob nicht vielleicht
4. Zu (U'in ^läiclu'u von dem duiikbiiren Toten. ;^j
ein Seilitt" käme, das sie und die Schätze der Riesen mit-
iiähnie. Wirklich landet auch bald ein Schiff, dessen Haupt-
mann Raudr ^) vom Vater der Prinzessin ausgesandt war,
seine Tochter zu suchen, mit dem Versprechen, sie. wenn er
sie heimbrächte, zur Frau zu erhalten. Die Prinzessin und
Thorstein werden aufgenommen: letzteren aber lässt Kaudr
auf der hohen See in einem Boote aussetzen, und die Schiffs-
mannschaft — wahrscheinlich eigentlich auch die Prinzessin,
obwohl in der vorliegenden Fassung nicht — muss schwören,
ihn nicht zu verraten. Thorstein treibt nun eine Zeitlang
hilflos herum, bis er plt'itzlich eine Stimme hört: .Fürchte
dich nicht, ich werde dir helfen!' Das Boot treibt nun dem
Lande der Prinzessin zu und landet da. Der aber, der das
Boot an das Land brachte, war jener Tote, dessen Schuld
Thörstein einst bezahlt hatte.-) Er sagte Thorstein, was er
nun thun solle, und trennte sich dann von ihm. Thorstein
trat als Pferdeknecht in die Dienste des Königs und ward
von der Königtochter bald nach ihrer Rückkehr erkannt.
Als diese mit Raudr, der sich für ihren Befreier ausgegeben
hatte. Hochzeit halten sollte, verlangte sie. dass beim Hoch-
zeitsmahle der Pferdeknecht seine Lebeusgeschichte erzählen
sollte. So kam Raudrs Verrat heraus, und Thörstein heiratet
die Königstochter.^)
Die Einfügung der Rieseugeschichte ist echt isländisch. 103
denn von Riesen und andern Unholden und den vielfach mit
diesen sich berührenden litilegumenn (s. ^lanrer. Isländische
Volkssagen S. 2 Li und 240 ff'.) wird gern in den isländischen
Märchen und Sagen erzählt. Vor der Ausführlichkeit, mit
welcher der Aufenthalt bei den Riesen n. s. w. erzählt wird,
tritt die eigentliche Geschichte von dem dankbaren Toten
') d. li. Rot. Ritter Rot heisst der treulose böse Rival öfter in
deu norwegischen Märchen. [Grundtvig-Leo, Dan. Volksmärchen 1, 202.]
-) In welcher Gestalt der Geist plötzlich dem Thorstein, nachdem
das Boot gelandet, erscheint, ist nicht gesagt.
') Der vorstehende Auszug ist nach einer wörtlichen Übersetzung
gemacht, die ich der Freundschaft des Professors Theodor Möbius in
Leipzig verdanke. [Poestion, Island. Märchen, S. 274.]
;^2 Zur Märchent'urscluuig.
sehr zurück, we.slialh es nicht zu verwundern ist, dass auch
hier die .versprocliene Hälfte' fehlt. Eigentümlich dem
isländischen Märchen ist es, dass nicht der Leichnam des
Schuldners, sondern sein Grah vom (iläubiger geschlagen
wird.
5. Zum Guten Gerhard.
(GLTiuania 12, 55— (iO. ISfiT.)
Als ich uidängst das mir bisher unbekannt gebliebene,
aber sehr lesenswerte Buch ,Fellnieiers Abende. Märchen und
Geschichten aus grauer Vorzeit. Von A. M. Tendlan.' (Frank-
furt a. M, 185()) durchlas, fand ich darin S. llOfil'. zu meiner
Überraschung folgende Geschichte:
„Der fromme Metzger oder der Genosse im Paradies.
Ein sehr frommer und gelehrter Mann betete einst zu
Gott, er möchte ihm zu wissen thuu, wer einst sein Genosse
im Paradiese sein werde. Da ward ihm in einem nächtlichen
Traume die Antwort: ,Der und der Metzger wird dein Genosse
sein.' — Als den andern Morgen der fromme Mann erwachte,
kränkte es ihn sehr, dass er einen so gemeinen, ungelehrten
Menschen zum Genossen haben sollte, und er fastete den
ganzen Tag uud betete abermals vor Gott. Uml in derselben
Nacht ward ihm abermals die Antwort: ,Du hast es bereits
vernommen, dass der Metzger dein Genosse im künftigen
Leben sein werde.' — Als der Mann das hörte, schrak er
anf, seufzte und weinte sehr. Da hörte er eine Stimme vom
HimmeL , Wahrlich! wärst du nicht ein so frommer und ge-
rechter Mann, du hättest den Tod verdient. Was verdriesst
es dich, dass der Metzger dein Genosse sein soll? Kennst
du ihn? Weisst du, was er gethan? Ob er vielleicht gute
Werke vollbracht, die idcht jeder Mensch zu vollbringen ver-
mag? Wahrlich! sein Stand und Ansehen ist gross im
Jenseits.'
f). /um (iur<'ii (rt'hrlund. '-};-}
Den Morgen daninf in aller Frühe stand der fromme
Mann anf nnd ging in die Hnde des ihm genannten Metzgers.
Der Metzger erhob sich voll Ehrfnrcht vor dem ungesehenen,
gelehrten Manne. Dieser aber begrüsste ihn, bat ihn, sich
niederzusetzen, und da die Bude noch leer von Käufern war,
setzte er si(;h zu ihm und sprach: ,Mein b^reund! ich habe
eine Ritte an dich. Sage mir. was dein Leben un<l Treiben j
ist, und besonders, was du (iutes schaffst auf Erden!' — Da 56
antwortete der Metzger: ,Mein Herr und Meister! Du siehst,
was mein (leschäft ist. Meinen Verdienst aber teile ich in
zwei Hälften; die eine gehört den Armen und den Notleidenden,
von der andern leben ich und die Leute meines Hauses."
, Es giebt viele Leute* sagte der fromme und gelehrte
Mann, ,die noch gn'issere Wohlthätigkeit üben. Sage mir, ob
du je etwas vollbracht hast, was nicht jeder Mensch zu voll-
bringen im Stande ist !'
Der Metzger schwieg lange Zeit, endlich sagte er: ,Mein
Jlerr und Meister! i(di erinnere mich heute einer That, die
ich vor lauger Zeit gethan."
,Was ist es?" fragte der Weise: , erzähle mir's. da es
noch frühe und stille ist."
,Es sind schon viele Jahre', ei'zidiltc^ d^^v Metzger, .da,
stand ich eines Tages mit meinei' Arbeit bt^schäftigt. Da zog
eine Schar fromdi'ii Volkes voriibei", die viele (iefangeue mit
sich führte. Lnter den (lefangenen wai' auch ein junges Mäd-
chen, das bitterlich weinte. Ich trat zu dem Mädchen hin,
es mochte etwa zwr)lf -lalire alt sein, und s[)racli: M(Mne
Tochter, warum weinst und jammerst du so? — .Aclr seufzte
das Mädchen und konnte kaum vor Thränen und S('hluchzen
sprechen, , meine guten Eltern zogen mich auf in der Ver-
ehi'ung des einzigen (Jottes. uml es ist mir l>ange, dass diese
Heiden, welche unsern (h't überfallen, meine Eltern getötet
uml )nich mit (lewalt hinweggeführt habe]i. mich zwingen
nnichten. (iott zu verleugnen und, gleicdi ihnen, (iötzen zu
dienen. Ach, ich hoffte, es sollte auf unserem Wege ein
guter frommer Mann kommen und mich aus ihrer Hand er-
lösen.' - Die Worte des Kindes rührten mich sehr, fcli er-
R. Kohler, Kl. S,-hriften. I. S
3^ Zur Märchenforscliung^.
barmte mich desselben iiiul sprach zu ihm: Sei ruhig, mein
Kind! und vertraue mir, ich werde dich auslösen. — Ich ging
nun zu dem Herrn des Zuges und kaufte ihm das Mädchen
um einen hohen Preis ab, der fast über mein Vermögen ging,
brachte dasselbe in mein Haus, kleidete es und speiste es
und hielt es wie mein eignes Kind, bis es herangewachsen war.'
,Nun hatte ich einen einzigen Sohn', fuhr der Metzger
fort, , einen Jüngling von 21 Jahren. Eines Tages nahm ich
denselben allein und sprach zu ihm mit herzlichen Aborten :
Mein Sohn! nimm meinen Rat an und erfülle mir einen
Wunsch, den ich schon lange hege, dass es dir wohl ergehe
diesseits und jenseits.'-
,Was ist es, mein Vater?' antwortete er, ,sage mir dein
Verlangen: ich werde weder rechts noch links davon ab-
weichen.'
,lch wünschte, mein Sohn, sagte ich. du m/ichtest das
57 brave | Mädchen, das ich erkauft und bisher erzogen habe,
und das ich wie mein eignes Kind liebe, als Weib heimführen :
ich werde für euch Sorge tragen und euch reichlich aus-
statten. - ,lch bin mir da', entgegnete mein guter Sohn,
.um deinen Willen zu vollziehen.'
.Ich freute micli ausserordentlich, dass mein Wunsch auf
keinen Widerspruch stiess. besorgte sogleich alles Nötige, be-
schenkte Braut und Bräutigam mit prächtigen Kleidern und
allerlei Schmucksachen, stattete sie in meiner Herzensfreude,
wie ich versprochen, reichlich aus, und schon auf den nächsten
Tag bereitete ich das Hochzeitsmahl und lud alle Bewohner
der Stadt dazu ein. Ich hatte niemand übergangen, arm wie
reich, und selbst die Bettler, die ich getroffen, hatte ich ein-
geladen, und ich setzte diese nun absichtlich zerstreut unter
die Einwohner der Stadt, dass sie sich nicht zu schämen
hätten. Speise und (ietränke waren in Eülle da, alles ass
und trank und war fröhlichen Mutes: nur an einem Tische
schien es den Leuten nicht zu schmecken. Ich trat hin und
sprach: Meine Lieben, warum seid ihr nicht mit den andern
fr()hlich? Habt ihr an den S})eisen oder Getränken irgend
etwas zu tadeln gefunden? — , Behüte Oott!' antwortete man
5. Zum Guten Gerhard. ;-J5
mir. ,\vir haben nie ein icöstlicheres Mahl gesehen; aber bleu
der arme junge Mann, den du zu uns gesetzt liast, weint und
seufzt und stöhnt, seitdem er da sitzet, so dass Niemand von
uns am Tische vor seinem Seufzen und Weinen zu essen l^ust
hat •- — Ich nahm den jungen Mann bei der Hand und führte
ihn hinaus und sprach zu ihm mit freundlichen Worten: Mein
Freund! Warum thust du mir das? Warum störst du mir
meine P'reude und betrübst das Hochzeitsmahl meines Sohnes?
Drückt dich irgend eine Schuld, bedarfst du des Geldes, ich
will dir gern vorstrecken, so viel du bedarfst. — ,Ach',
sagte er. ,mich drückt keine Schuld, und ich bedarf keines
Darlehens. Ich weine um des Mädchens willen, das du mit
deinem Sohne jetzt vermählen willst. Dasselbe ist mit mir
in einer Stadt geboren: seine Eltern, die mit meinen Eltern
befreundet waren, hatten das Mädchen mir schon frühe zu-
gesagt und mit mir verlobt. Seitdem dasselbe gefangen und
weggeführt worden, zog ich ihm umsonst nach, um es auf-
zusuchen, bis ich es heute als die Braut deines Sohnes hier
gefunden! Ach, noch befindet sich der Verlöbnis-Pakt in
meiner Hand'. — Bei diesen Worten zog er den Pakt hervor
und zeigte ihn mir. — Ich nahm denselben, las ihn durch,
und als ich ihn in Richtigkeit fand, sagte ich zu dem jungen
Manne: Kannst du mir ein Zeichen geben, dass das Mädchen
dasselbe ist? — .Wohl*, sagte der arme junge Mann. .Ich
habe das Mädchen einmal in seiner Poltern Haus gesehen, da
habe I ich ein Muttermal an seinem linken Oberarm be-
merkt.' — Von der Wahrheit seiner Worte überzeugt, sprach
ich nun zu ihm: Beruhige dich, du sollst befriedigt werden. —
Hierauf nahm ich meinen Sohn allein und sprach zu ihm:
Mein Sohn ! Du warst sogleich bereit, meinem Herzenswunsch
nachzukommen; ich habe nun eine andere Bitte an dich und
hoffe, dass du nicht weniger bereit bist, sie mir zu erfüllen.
— ,Was ist es, mein Vater?" sagte mein Sohn, .ich werde
nimmer deinem Worte ungehorsam sein.- — Mein Sohn,
sagte ich, deine Braut ist bereits seit ihrer Kindheit mit
einem andern verlobt, ich habe den Verlöbnis-Pakt gesehen,
und du niusst als rechtschaffener und frommer Mann Verzicht
8*
3(') Zur ^[äri-li(iiif"or;;cluuii;'.
auf sie leisten. Der junge Mann, mit welchem sie verlobt
ist, ist hier, aber in dürftigen umständen. Ich wünschte nun,
dass du demselben nicht nur seine Braut zurückgiebst. son-
dern auch alle Kleidung und alle Kostbarkeiten, die ich für
.deine Ausstattung bestimmt hatte, überlassest. Thue so, mein
Sohn! bat ich, und (iott wird dir's sicher vergelten, und auch
ich will das Meine thuu. dir deinen Verlust nniglichst zu er-
setzen. — .Thue', sagte mein guter Sohn, .thue, mein Vater,
was du für gut hältst : icli werde dir stets in allem folgen.'
.Ich ging nun und holte den armen jungen Mann herein
und führte ihn zu dem Mädchen, das sich nun auch bald
seiner wieder erinnerte. Ich teilte den (iästen die Sache
mit und liess die Trauung zwischen beiden auf der Stelle
vollziehen. Die Hochzeitsfeier, nur auf kurze Zeit unter-
brochen, ging fröhlich von statten, und nachdem die Neu-
vermählten noch einige Monate verguügt bei mir verbracht
hatten, zogen sie. reich von mir beschenkt, wieder nach ihrer
Heimat und ihrer Vaterstadt. — Von Zeit zu Zeit eihalte
ich Nachricht von ihrem Wohlergehen. Das ist,- schloss der
fromme Metzger seine Erzählung, ,die besondere That meines
Lebens, deren ich mich heute auf deine Anfrage, mein Herr
und Meister, wieder so lebhaft erinnere.' -- Da reichte der
gelehrte und fromme Mann dem rechtschaffenen Metzger die
Ilaiul und sagte: .Wahrlich, du l)ist ein Mann (iottes! und
wohl mir.- setzte er leise hinzn. .dass ich einen solchen Ge-
nossen im Paradiese haben soll.'
Soweit die jüdische Erzählung, welche gewiss jeden, der
den guten (lerliard gelesen hat. sofort an dies (iedicht er-
innert hal)en wird. Zwar betet dort der Kaiser ()tto nicht,
dass <i()tt ihm seinen Genossen im Paradies offenbaren
möge, sondern er will nur wissen, was er zum Lohn habensolle
für das. was er um <Jottes willen gethan. worauf ihm eiue
himmlische Stimme verkündet, er habe sich | durch sein eitles
Selbstrühmen um seinen himmlischen Lohn gebracht, und ihm
den guten Gerhard in Köln als Muster vorhält, der nie Fürsten-
namen getragen habe, dessen Name jedoch durch sein Al-
mosen im Buch der Lebendigen verzeichnet stehe. Der weitere
5. Zum Griitcii Gerlianl. ^37
Verlauf aber ist in beiden Dichtungen im Weseiitlicben der-
selbe: der Kaiser sucht den guten (lerhard auf, wie der
fromme und gelehrte Jude den Metzger, und was Gerhard
von sicli erzählt, stimmt, von Ausschmückungen und Er-
weiterungen abgesehen, mit der Erzählung des Metzgers
überein: auch der gute (ierhard hatte eine -lungfrau aus lieid-
nischer Gefangenschaft losgekauft und stand eben im Begriff',
sie seinem Sohn zu vermählen, als während des Eestes der
frühere, verloren geglaubte Bräutigam im Bettlergewand er-
schien und sich dem guten (lerhard auf dessen Aufforderung
zu erkennen gab. worauf dieser sofort seinen Sohn zur Ver-
zichtleistung auf die Jungfrau bewog und ihre Hochzeit mit
dem älteren Bräutigam feierte.
Da in .Eellmeiers Al)enden • die Quellen der einzelnen
Erzählungen leider nicht angegeben sind, so wandte ich mich
deshalb brieflich an Herrn Tendlau in Frankfurt a. M., und
derselbe hatte die (iüte, mir alsbald zu antworten, dass die
Erzählung von dem frommen Metzger von ihm aus einer
Sammlung rabbinischer Geschichten übersetzt sei. welche deir
Titel diibbur jaj)heli mehajeschuah. d. h. Opus perpulchruni
de Salute vel salvatione ^), führt und von einem Rabbi Nissim
herrühren soll, nach einigen (Zunz. (iottesdienstliche Vorträge
der -luden S. \:V2) von Nissim ben Jacob um lOHO. nach
andern (Jost, Geschichte des -ludentums 1. 2. 402. Stein-
schneider. Catalogus librorum hebraeorum in Bibliotheca Bod-
leiana S. ()0(S. Nr. o.STö, und S. ■iOGii. Nr. (iUTT) vftn Nissim
ben Ascher ben Meschulhun im \n. dahrhundert.
Mit der (reSchichte vom frommen Metzger, wie sie in
der Nissimschen Sammlung erzählt ist. stimmt nur in Bezug
auf den Eingang, nicht, wie man nach Zunz a. a. O. S. 144
annehmen könnte, durchaus di(^ Erzählung von .losua ben
Illeni und dem Metzger Nannas. welche sich in einer älteren
') So gicbt sflum de Rossi De ty])og-ra]>hia hebraeo-ferrariensi, ed. II,
Erlangae 1781, S. -47, den hebräischen Titel richtig wieder, während
nach Grässe Literärgeschichte II, 1, Mb nacli Bartolocciiis Bibliotheca
rabbinica lY, 413 und Wolf Bibliotheca liebraica I, 91."i die falsche
Übersetzung ,Conipositio pulchrior salute' hat.
3^ Zur Märcheniorsclumg.
t>ammlimg von (leschichteii zu den Zehngeboteu (Stein-
schneider a. a. 0. 8. 588, Nr. 3752) und daraus in dem
jüdisch-deutschen Maase-Buch und in .lechiel Heilprins Seder
ha-Dorot findet. Auch liier wird, wie mir Herr Tendlau mit-
60 teilt, dem | Rabbi der Metzger als sein (lenosse im Paradies
angezeigt, und der Rabbi sucht den Metzger deshalb auf,
aber die Erzählung des Metzgers hat niclits mit der Erzählung
bei Nissim gemein: das Verdienst des Metzgers Nannas be-
steht nur in der grossen Verehrung, die er seinen alten Eltern
zollt.
Da die meisten der Erzählungen in Nissims Sammlung
sich, wie Zunz a. a. 0. S. 132 bemerkt, in altern rabbi-
nischen Werken wiederfinden, so wird auch für die Erzählung
von dem Metzger und dem losgekauften Mädchen eine — frei-
lich noch nicht nachgewiesene — ältere jüdische Quelle an-
zunehmen sein, auf welche wohl auch die Dichtung vom
guten (ierhard zurückzuführen ist.
Was den Wunsch betrifft, zu wissen, wer der (ienosse
im Paradies sein werde, so bemerkt Tendlau S. 110 in der
Anmerkung, dieser Wunsch , finde sich häufig in morgen-
ländischen Erzählungen'. Er findet sich auch in einer Er-
zählung des ,Conde Lucanor', cp. 4, welche bereits Simrock
(Der gute (ierhard und die dankbaren Toten S. 35) mit der
, einrahmenden Erzählung' im guten (Jerhard verglichen hat.
[Benfey, Germ. 12, 310 weist zwei verwandte indische
Darstellungen vom frommen Jäger (Dharniavyädha) im Maha-
bharata und in der Tukasaptati nach. Vgl. G. Levi, Cristiani
ed Ebrei nel medio evo p. 3<S8. Gaster, Germania 25, 274.
50.S über Rabbi Nissim. Köhler weiter unten zu Blade 2, 67,
zu Campbell no. 32 und zu Jagic no. 48. — Zu den 188(S von
M. Hippe im Archiv für neuere Spr. 81, 141 aufgezählten
Märchen vom dankbaren Toten kommen noch hinzu: Blade
2, 46. Luzel, Contes 1, 405. 416. 2, 179. 212. Cerquand
no. 101 (helfender Fuchs). Bernoni, Tradiz. p. Si). Crane
p. 131. 350. Archivio 3, 232. 373. 551 (^helfender Fuchs),
('aballero p. 55 , Bella-Flor'. De Nino no. 62 (sehr eigen-
tümlich). Bibl. de las trad. pop. esp. 1, 1S7. Kristensen 1,
5. Zum Guten Gerhard. 39
110. 38 (verbiiiideii mit Rätselmärchen), 81) (ähnlich dem ge-
stiefelten Kater), 40. Berntsen, Folke- aeventyr 1, no. 9. 2,
no. 5. Moe, Indberetniiig p. 18. Madsen p. 22. Bondesou,
Sv. F. no. 33. Wigström 1, 2G1 no. 3. Qvigstad-Sandberg
no. 15. Yeckenstedt, Wend. Sagen 8. 145. Krauss, Sreca
S. 22 (Mitt. d. anthropolog. Gesellseh. Ul. 189G.)] -f ^^^^-^••''^^^J^^
6. Nachtrag zu ,Doetor Allwissend'
(1, S. 374— 3S2 0.
(Orient und Occident 3, 184f. 18ti4.)
Ich erlanbe mir auf eine Fassung des Märchens vom
Dr. Allwissend aufmerksam zu machen. Sie steht in den Er-
zählungen des Herrn dOuville [C'ontes 1()43 p. 300 = p.
139 ed. Ristelhuber 1876 ,D"un devin feint"]. Die mir vor-
liegende Ausgabe führt den Titel: Lelite des contes du Sieur
dOuville T. 1 et 2. A la Haye 1703. In dieser elite steht
unsre Erzählung 2, 210. P^in armer Bauer, Namens (Jrillet,
fasste den Entschluss, wenigstens drei Mahlzeiten vor seinem
Tode sich zu verschaffen, oii il n'eut rien a desirer, apres
quoy il ne se soucioit point de mourir. Er beschloss also
herumzuziehen und sich für einen Wahrsager (devin) auszu-
geben, der alles herausbekomme; sollte dann ein Vornehmer
seine Hilfe in Anspruch nehmen, so wollte er sagen, dass er
vorher drei Tage lang auf das beste essen und trinken müsse.
Gesagt, gethan. Er zieht aus und kommt in ein Land, wo
eine Dame einen Diamanten verloren hat, den drei Lakaien
ihr gestohlen. Sie lässt den Bauer rufen und befiehlt auf
seine Erklärung, ihn drei Tage laug im Hause zu speisen.
') [Hier hatte Benfey zu Somadeva 6 (Brockhaus, Berichte d.
Bachs. Ges. d. Wiss. 1860, 131) folgende Parallelen nachgewiesen:
Ssiddi-kür no. 4; Schleicher, Lit. M. p. 115; Grimm no. 98; Bebel,
Facetiae 2, 112 ed. 1561 p. 58b; Schertz mit der Warheyt 1563 Bl. 57b;
Zs. f. d. Mvthol. 1, 36; Morlini no. 29 = Straparola 13, 6].
40 Zur Märclieiitor^cliung.
Als er am Abend des ersten Tags sieh niederlegen will, sagt
er: Ah! Dien merci, xoilii deja nn! und meint damit die eine
Mahlzeit. Aber einer der schuldigen Lakaien, der ihm auf-
wartet, bezieht dies auf sieh. So geht dies die folgenden
Tage fort, und die erschrockenen Diebe gestehen ihm den
Diebstalil und bringen den Diamanten. Grillet lässt ihn von
einem Hahn verschlucken und erklärt dann der Dame, der
Diamant sei ihr entfallen und einer ihrer Hähne habe ihn
verschlungen; man solle ihn schlachten. Dies geschieht, und
man findet den Stein. Inzwisclien kommt der Gemahl der
185 Dame, | der verreist war, zurück, vermutet einen Betrüger
und beschliesst den Bauer zu prüfen. Er thut ein eben ge-
fangenes Heimchen (grillet ^) zwischen zwei Schüsseln, fordert
den Bauer vor und bedroht ihn mit Prügeln und Ohral»-
scimeiden, wenn er nicht rate, was in den Sdiüsseln sei.
Der arme Teufel, der seine Schelmerei entdeckt glaubt, blickt
gen Himmel und sagt: Helas pauvre Grillet! te voila pris.
Der Herr, der diese Worte auf das versteckte Heimchen be-
zog, da er seinen Namen nicht kannte, glaubte nun an seine
AVahrsagerkuust und belohnte ilin.
Die Erzählung stimmt mit Bebel im ersten Teile und i)n
zweiten mit Somadeva und dem deutschen Märchen.
Das S. oS-2. Z. 20 nach andern l)eigel)rachte (Utat aus
Woycickis Polnischen Yolkssageu ist irrig. Ich besitze das
Büchlein selbst und wüsste niclit, dass ein ähnliches Märchen
darin vorkäme.
[Germania IS, 158 wies Köhler nach, dass d'Guvilles Er-
zählung in , Les recreations frau(;oises, ou recueil de contes
a rire, Paris l(i5<S "2, 210 [= Lyon 1662 2, lo7] und Utopie
1681 2, 156 abgedruckt^) und in der lachenden Schule von
G. ('. Pvuckard 1725 S. 239 no. 149 = 1786 S. 239 = Ger-
mania 17, 327 übersetzt ist. — In der Zeitschr. f. roman.
') Die Ei-ziUihing' begiunt: Ou it])])elle grillet un ])etit aniiual noiraut,
iait enviroii eomme une petita cigale, qiii erie la imit dans les elieininees.
Es wird unser , Heimchen' sein.
"') |Ebeusu z. B. in Le faeetieux et agreable Chasse-cUagrin 1679
]). 240 und Roquelaure, Roger Bontems eu belle liumeur 1757 2, 15.]
<). Zu Doctor Allwissend. 41
Philologie 5. IT'J trug er zu (Josquin no. (iO , l^e sorcier'
uacli: Vernalekeu, KHM. uo. 55, II. Deiilin, Contes duii
l)uveur p. 166. Caballero, Cueutos p. 140. Kennedy p. 116
(In diesen Märchen kommt nicht allein die Entdeckung der
Dielte vor. sondern auch die Lösung der iVnfgabe zu raten,
was in der verdeckten Schüssel oder (nach dem spanischen
Märchen) in der gesc-hlossenen Hand sich befinde). Ferner:
Schertz mit der AVarlieyt 1550 S. 53. Hörl von Wättersdorf,
Bacchusia 1677 S. :V4'2. ;-)4!). Aurbaclier, Volksbü(;hlein 1,
147 ,r)ie guten Tage'. Tcndlau. Sprichwörter und Redens-
arten der jüdisch-deutschen Vorzeit 1860 S. 365 no. lOli).
Pröhle. Feldgarben 1<S59 S. 37-2 (als Episode). Strackerjan
2. 34S. Hansen, Zeitschr. der Ges. f. schlesw. -holst. Gesch.
7, 21V) (in diesen Märchen und Erzählungen kommt nur die
Entdecknng der Diebe vor, nicht aber die Frage wegen der
verdeckten Schüssel). — Handschriftlich hat er nachgetragen:
Passano. Novelle ital. in versi p. !)9. Libri, Catal. 1847 no.
1424. Yemeniz no. 15()3. Busk, Folk-lore of Rome p. 392.
Braga no. 72 (I)i-. (Irillo). Coelho, Contos nac. no. 17. Leite
de Vasconcellos [>. 135. A. Cauwet, Contes du foyer 1861
p. I(i2. Müllenhoff S. 464. Sv. landsmälen 1884, C, S. 87
Kristensen 2, no. 33 (Ach arme Ratte!) und no. 21 (Schmied
als Pfarrer). Berntsen 1, lu). 5 (Hans 1^-aest: vermischt mit
dem Thema vom Bauer als Priester, wie in Pröhles Feld-
garben), (jloldschmidt S. 165 no. 19. Polivka. Archiv für
slav. Phil. 19, 246 (Kulda 4 no. 6). 256 (no. 100. 141).
263 (no. 17S). Revue de linguistique 15, 332 (tamulisch).
North Indian Notes und (^»ueries 5, 159 no. 427. Lidzbarski
S. 65. Fortier p. 116. IX. Hartmann, Zs. d. V. f. Volksk. 6,
270f. (entfernt verwandt). Oesterley zu Kirchhof 1, 130.
Liebrecht, (iermania 30. 352 zu Kryptadia 2, 79 no. 23.
Teirlink. <'ontes tlamands p. 63. Vermast, Vertelsels nit
West-Vlaanderen p. <S2. Recueil von allerhand Collectaneis 7,
141 (1719. Nach einer 1705 im Haag gespielten Klucht vom
Bauer Krebs.)!
42 Zur Märclienfors(;huiig.
7. Zu dem Märehen von der Lebenszeit.
(Grimm KHM Nr. 176.)
(Gosches Jahrbucli für Litteraturgesiihichte 1, 196—198. 1865.)
Wilhelm Grimm hat in Haupts Zeitschrift für das deut-
sche Altertum l'J, '2'2H \=r- Kleinere Schriften 4, 395; vergl.
4, 3(59] nachgewiesen, dass das hessische Märchen von der
Lebenszeit sich mit geringen Abweichungen unter den Fabeln
eines wenig bekannten französischen Dichters Delaunay (geb.
1695, t 1751) findet und dass die franzüsiche Fabel von Hagedorn
deutsch und von einem Juden Ren Seeb hebräisch übersetzt
worden ist. .Aber woher % fragt (irimm, Jiat der Fran-
zose den Stoff erhalten? Vielleicht findet sich noch eine
Quelle; bis dahin muss ich auf eine mündliche Ueberlieferimg
zurückgehen, woher sie auch mag gekommen sein.'
P^iuem glücklichen Zufall verdanke ich es, dass ich die
Fabel schon im KJ. Jahrhundert bei einem Spanier, der in
lateinischer Sprache dichtete, nachweisen kann, nämlich bei
Jayme Juan Falco aus Valencia, geb. 15"J2, j zu Madrid
1 594. Er war seiner Zeit ein angesehener Dichter, Philosoph
lind Mathematiker, nach Vicente Ximenos Urteil (Escritores
del regno de Valencia, Valencia 1747 1, 193) ein anderer
Homer, ein neuer Plato, ein zweiter Euclides, und von seinen
Opera poetica sind noch nach seinem Tode mehrere Ausgaben
erschienen. Bei zufälligem Blättern in deu Werken des einst
berühmten S[)auischen Schriftstellers Baltazar (Lorenzo)
(Iracian (geb. IGOl, f 1058) fand ich in seiner Agudeza
y Arte de lugenio, Discorso 56, die vier ersten Verse des
Falcoschen Gedichtes und eine prosaische Bearbeitung der-
197 selben von Mateo Aleraan. Nach langem ver-|geblichen Nach-
fragen auf deutschen Bibliotheken erfuhr ich endlich von
einem Freuiule iu Paris, dass die kaiserliche Bibliothek
Falcos Opera poetica besitze, und derselbe Freund, Herr
Emile Delerot, hatte die (!üte das von Gracian citierte Ge-
7. Zu dem .Märchen von der J.ebenszeit. 4H
(licht darin zu suclieii und mir abzuschreiben M. Ks lautet
folgendermasseu:
De partlhus vitae.
Ad Petrum Rorgiam Montesianie niilitiie niagistruni.
Satyrii V.
Borgia, vive modo, melior dum labitui' letas,
Postea non nostra est, si verum hsec fabula narrat.
Juppiter erbe novo terras lustravit, ut uni-
Cuique daret leges animanti et tempora vit?e.
Ergo vocans asinum: „Te nasci fecimus", inquit,
„Ne fatum ignores, ut dolia, ligna, farinas
Accipias facili tergo atque in tecta reportes.
Tot vives anuos (|uot sunt in meuse dies". „„Tot?
Tam graviter? Placeat viginti tollere."" „Tollo."
Deinde canem aggressus sie inquit: „Tu vigil esto
Tectorum custos hortos pecudesque tuere
Non tibi, lustra manent te Septem et semis." „„Ad hoc me
Tot lustris oneras? Deme illinc (|uin(|ue."" „Libenter".
Simiam item accersens: „Tu", dixit, „vivito nulli
Apta ministerio. fer si^mpiM- grandia collo
Vincula. inmc pueris. nunc gesticulare puellis.
Nee moriare prius quam impleris Olympiades sex."
„„Sex tarn ridicule? Satis est pars tertia."-' „Sit sat."
Denique compellans hominem rex ille deorum
Sic ait: „Kn terras, en a^cpiora, (piid(|uid ubicpie est
Omne tuum est, tu larga niaiiu tibi gaudia carpe.
') Die Aust;abe der k. Bibliutliek hat den Titel: Operuni poeticorum
Jacobi Faleonis Yalentini, Montesinte militife equitis ejusdemque ordinis
pra'fecti luco ae nomine Philippi II Regis His., poetse et geometrse
clarissimi, libri V, ab Emaniiele 8ousa Contingo Lusitano amici famse
studioso eolleeti in volumenque redacti atque ejusdem cura et impensa
typis mandati. Mantuse Carpentanovum apud Petrum Madrigalen) Anno
MDC. 18«. Daselbst steht unser Credicht fol. 60. — Auf vielen deut-
schen Bibliotheken hab- ich Faloo's opera puetica, wie schon bemerkt,
vergeblich gesucht und auch eine öffentliche Anfrage im Serapeum 1863
p. 272 hatte kein Resultat. \FAu Exemplar in Petersburg.]
44 Zur Märchenforschung.
Dum licet, seteruus non es. tantuiiimodo cernes |
198 Triginta autumnos: hie vitae terminus esto."
„„0 pater, hoc ne sequum est? Post tot data miinera vitae
Hanc vitam tantae plenam dulcedinis arctas?
Quod caiiis atque asiniis, ([uod tempus simia uon vult.
Da mihi.""' „Do facilis, sed tali lege, dies iit
Illoriim viveiis, illorum lata sequaris.''
Hinc homo ter denos cum nondum venit ad anuos,'
Cantat, amat, donat, semper gaudere paratum
Pectus habet, sequitur pompas, convivia, ludos.
Morborum igiiarus, curarum funditus expers
Nimirum vivit sua tempora. Cum tameu itur
Ulterius paulum at({ue asiui jam vivitur :evuui.
Nil oneris fugimus, uihil evitamus acerbi,
Ut res hie illicque partas censusque novos ad
Tecta reportemus, memores natum atque uepotum.
Quinquaginta annos cum vita attiugit et ultra
Progreditur, canis est jetas, atque ejus avavum
Veuimus ad morem, jam iiou augeinus ut ante,
Sed servamus opes et uobis parta uegamus.
Extremum vitae est quod simia spoute reli(|uit.
Et misero trausscriptum homiui est. Hiuc ora mamisque
Sulcatus rugis aevoque ligatus et anuis,
Non facti est dictive capax, non aptus ad ulluni
Vel belli vel pacis opus, tantummodo parvis
Neptibus indulget, gaudet mulcere nepotes.
Illorum irridet nugas videtur et illis.
Bei aller sonstigen Uebereinstimmung weicht Falco von
Delaunay in den Zahlenangaben ab und steht bier dem bes-
sischen Märchen insofern näher, als auch bei ibm die I^ebeus-
zeit der Menschen und der Tiere vom Schöpfer auf 30 Jahre
bestimmt war. Somit ist Falco wohl kaum als Delaunay 's
Quelle anzusehen. Ob Falco's übrige Gedichte Anlass zu
Vermutungen geben können, woher er den Stoff habe, kann
ich leider nicht anoeben.
8. I^ittcrarur der Volksiiiäi'clii'ii : Bin-iiii;-Ciiiul(l. 45
[Landsberger, Fabeln des Sophos S. LVIll. Zacher, Zs.
f. dtsch. Phil. •-';'). 401 f. Jahn, Schwanke und Schnurren
S. 42. De Nino 4. 'A. E. V., Der Menschen Lebensjahre,
eine alte Legende: Das neue Blatt LS,sO, 586 1'. (Mensch,
Esel, Hund. Affe). E. Redenhall. Der Mensch und seine
Jahre: Allgem. deutsche Criminalzeitung 9. 12 (LS(S5). Dort-
zeitung (Hildbnrghausen) 1<S82, Nr. 2:57. S. 1243.]
8. Litteratur der Volksmärehen.
(Ciöttingisohe gelehrte Anzeigen 1868, 1361 — 139H).
1. Xotes on the Folk Lore of the Xorthern Counties oi" England
and fhe Borders. By William Hcnderson. AVitli an Appendix on
Houseliold-Htories by S. Ba r in g-Go uld, M. A. Author of „Iceland,
its Seenes and Sagas", „Post-medieval Preacliers" etc. London: Long-
mans, Green, and Co. 1866. XXVII und 344 Seiten in Oktav.
2. Contes et Proverbes populaires recueillis en Armagnac par M.
Jean-Fran§ois Blade. Paris, librairie A. Franck 1867. IX nnd 92
Seiten in Oktav.
3. Aberglauben aus Masuren mit einem Anhange, enthaltend:
Masurische Sagen und ^Märchen. Mitgeteilt von Dr. M. Toeppen,
Direktor des Gymnasiums zu Hohenstein in Ostpr. Zweite durch zahl-
reiche Zusätze und durcli den Anhang erweiterte Auflage. Danzig.
Verlag von Th. Bertling. 1867. 168 Seiten in Oktav.
4. Volkstümliches aus Oesterreichisch-Schlesien. Gesammelt und
herausgegeben von Anton | Peter, k. k. Gymnasinl-Professor in Troppau. 1362
II. Sagen und Märehen, Bräuche und Volksaberglauben. Mit Unter-
stützung der k. Akademie der Wissenschaften in Wien gedruckt.
Troppau, 1867. Im Selbstverlage des Herausgebers. XVI und 288 Seiten
in Oktav.
5. Märchen und Sagen aus Wälschtirol. Ein Beitrag zur deutschen
Sagenkuude. Gesammelt von Christian Schneller, k. k. Gymnasial-
Professor. Innsbruck, Verlag der Wagner'schen Universitäts-Buchhand-
lung. 1867. VII und 2.Ö8 Seiten in Oktav.
6. Aberglaube \uu. Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg. Heraus-
gegeben von L. Strackerjan. Erster und zweiter Band. Oldenbiirg,
1867. Druck und Verlag von Gerhard Stalling. VIII und 422, und VI
und 36() Seiten in Oktav.
4() Zur Märclieiifor.sfhuni;'.
7. Sagen und Märchen des Bergisehen Landes g-esammelt von
Dr. Franz Leibin t;-, ordentliclvem Lehrer an der Realschule L Ord-
nung zu Elberfeld. Elberfeld 1868. Druck und Verlag von 8am. Lucas.
VIII und 128 Seiten in Oktav.
8. Norske Folke-Eventyr t'ortalte at' V. Chr. Asbjörnsen og
Jörgen Moe, Tredie Udgave. Christiania. 1 Commission hos Jac.
Dybwad. 1866. XYl und 312 Seiten in Oktav.
9. Folkesagn og andre mundtlige Minder fra Burnholm, samlede
af J. P. Möller. Kjöbenhavn, Boghandler F. H. Eibes Forlag. 1861,
60 Seiten in Oktav.
1. Die kleine Sammlung englischer Volksmärchen — fast
sämtiich aus Üevonshire und Yorkshire, — welche Herr
Baring-Gould dem wertvollen Hendersonscheu Buch beigefügt
hat, ist um so freudiger zu begrüssen, als seit J. 0. Halliwells
1363 Populär rhymes and nursery | tales, London 1849, wenigstens
meines Wissens keine w^eitere Sammlung von Märchen aus
dem eigentlichen England erschienen ist. Da Felix Liebrecht
in den Heidelberger Jahrbüchern 1HG8, Nr. (j das Henderson-
sche Werk und insbesondere auch die einzelnen Märchen ein-
gehend besprochen hat, so will ich hier nur einige Ergänzungen
zu seinen Bemerkungen mitteilen.
Nr. 2. The riddle. Zwei Rätselmärchen von zum.
Tod Verurteilten, die sich durch Aufgeben von Rätseln frei-
machen. Dieselbe Einkleidung von Rätseln findet man in
Simrocks Rätselbuch Nr. 4()H -()('). Das erste englische ist
sehr ähnlich dem deutschen vom Hund Ho bei Müllenhoff
S. 504 (daraus bei Simrock Nr. 460), wozu nun eine Variante
bei Strackerjan H, S9 gekommen ist, vom Hund Lilla bei
Prölile M. für die Jugend Nr. 48 und vom Hund Jisop bei
Peter 1, 12G, zugleich aber auch, freilich mit andrer Lösung,
der Nr. 4(56 bei Simrock. [Weiter unten : Das Rätselmärchen
von dem ermordeten Geliebten; auch Wossidlo, Mecklenburg.
Volksüberlieferungen 1, 191 Nr. 962.] Zu dem zweiten eng-
lischen Rätsel vgl. Simrock Nr. 460 und die von mir im
Weimarischen »lahrbuch 5, 34:^ zusammengestellten.
Nr. 4. Sir Francis Drake and the devils. Andre
Sagen von Sir Fr. Drake s. bei Rob. Hunt, Populär romances
of the west of England, London, 1865, I, 260.
8. Litteratiir der Vdlksiiiärchoii : Barin<;-(Toiil(l. 47
Nr. 7. The ass, tlie table and the stick. Das Ix'-
kaunte Märchen von Goldesel, Tischchendeckedich und Knüppd-
ausdemsack (hei Grimm Nr. 3()). Der Herausgeber giebt
S. ol4 davon eine mythologische Erklärung zum Besten, die
wir dem Leser dieser Blätter nicht vorenthalten wollen: der
Guidesei ist die befruchtende Regenwolke, das Tischchen die
fruchtbare Erde und der Knüppel der Donnerkeil, irrig sagt
Liebrecht a. a. O. S. 1)1, das altaische Märchen „der Kauf-
mann'-' bei Radloft" 1, 8 ge-höre hierher. Es hat ihn dazu i364
ein Druckfehler in Schiefners Einleitung S. XI II verleitet, wo
zu dem erwähnten altaischen M. auf(irimm Nr. •)(! verwiesen
wird; es muss aber Nr. (53 heisseu.
Nr. S. The parrot. Derselbe Schwank findet sich mit
geringen Abweichungen bei Strackerjan "2, 105 und bei Pröhle.
Märchen für die Jugend Nr. 53. [Chevalier de la Tour
Landry eh. Ki.J
Nr. 11. The prophecy, hat auch Aehnlichkeil: mit der
russischen Sage von Oleg (Puschkins poetische Werke, über-
setzt von Bodenstedt 1, 31). [Grimm, Mythol. !)01. 3. 284.
Simrock. Mythol. 197. Haupt, Sageid)uch der Lausitz 1, Nr. 14S.
Haltrich, Zur Tiersage S. 73. Rückert, Schauferi, in Wendts
Musenalmanach 1830, S. 45: Boxberger, Rückert-Studien S. 22().]
Nr. 14. The golden arm, entspricht den deutschen
Märchen vom goldnen Bein bei Müllenhofl" Nr. 2(1. Colshorn
Nr. 6 und Strackerjan 1. 155. Vgl. auch Halliwell a. a. (>.
S. 25. Hunt a. a. 0. 2, 2(;s und Grimm KllM 3. 2(i7.
Nr. 1. [Unten zu Blade iSSi; 2. 324. |
Schliesslich sei noch erwähnt, dass nicht im Anhang,
sondern im Hauptwerk selbst S. 221 eine hübsche Variante
des M. von den drei Spinnerinnen (Grimm Nr. 14) mit-
geteilt ist. In einer Anmerkung dazu giebt Herr Bariug-
Gould einige bis auf einen aus den (irimmschen Anmerkungen
entlehnte Nachweise die durch ein paar Druckfehler entstellt
sind und wobei er aus dem Grimmschen Citat „Pescheck in
ßüschings wöchentl. Nachrichten 1, 355" das unsinnige
„Pescheck Nachrichten 1, 355'' macht. Als Ergänzung zu
diesen Nachweisen sei noch bemerkt, dass sich das Märchen
4.,S Zur MärcliLMifursi'hunm'.
auch in Schottland (Chambers ropuhir rhyme.s of Sc(»thin(l,
:3. ed., Ediub. 1S47, S. -i-if)), in Dünemark (Grundtvig 2,
165), in Spanien (Caballero Caentos y poesias [)opnlare8
andaluces, Leipzig ISGl, S. (lö), in Frankreich (du Meril
Etudes S. 478). in Wälschtirol (Schneller Nr. ."),")) und in
Böhmen (Waldau S. 2 7<s) findet. jKnoopNr. 2. Sebillot, Litt,
orale p. 73 (entstellt). De (iubernatis no. 2. De Nino \:^.
Busk p. 875. Tusean fairy tales no. 5. Yisentini no. 22.
Sehluss. Consiglieri-Pedroso no. li>. Braga no. 7. B. Schmidt
no. 1. Krauss 1. no. 5S. Schleicher. Litau. M. S. 12. Kennedy
p. ()8.| 1
136.5 2. Wenden wir uns nun zu den Märchen auf? Armagnac.
Schon vor einer Reihe von -Iah reu hat Cenac Moucaut eine
Sammlung gascognischer Volksmärchen herausgegeben, über
die man meinen Aufsatz im -lahrb. für roman. und engl.
TJteratur 5, 1 vergleiche. Ich sagte dort (S. (i) über die
Art. wie Cenac Moucaut die Märchen erzählt: ,.Kr erzählt
ansprechend und bringt zuweilen geschickt echt volksmässige
Wendungen an, doch hätte er noch einfacher und kürzer er-
zählen können und manchen Aufputz, der den gebildeten Er-
zähler verrät, weglassen müssen." Herrn Blade. der sich
durch seine kritische „Dissertation sur les chauts historifpies
des Basfjues" (Paris ISIUI) bereits als einen gewisseiduifteii.
tüchtigen Forscher l)ewährt hat. sind solche Vorwürfe (hiich-
aus nicht zu machen. Er hat die Aufgabe eines .Märcheu-
sammlers sehr richtig begrilfen uiul sich deshalb, wi(^ er
S. VII ausdrücklich erklärt, gegenüber seinen Erzählern oder
Erzähleriinieu ihre Namen und Wohiou-te sind vor jedem
Stü<'k angegeben — mit der Holle eines einfachen Steno-
graphen begnügt. Deshalb hat er auch die Märchen nicht
in der französischen Schriftsprache wiedergegeben, sondern
in der Mundart (patois dAuch) gelassen. Vier Märchen der
Sammlung finden sich schon bei Cenac Moncaut, und die
Vergleichung derselben ist sehr lehrreich; sie bestätigt, dass
Cemu; Moncaut allerdings auch aus dem Volksmund geschöpft,
aber durcdi sein Streben zu versclninern und durch sein
Haschen mich esprit die ursprüngliche Naivetät und Wahrheit
8. Litteratiir der Volksniärclien : Blndt'. 4<)
der Miuclieii in der Tliat, wie Herr Blade ihm vorwirft, ver-
dorben hat. Herr Bl. gieht uaeh den „contes"' noch „reeits"
und „superstitious''. Die ! „eontes" sind mehr oder weniger \-mu>
wunderbare Erzählungen, deren Unwahrheit wieder dem Er-
zähler noch dem Hörer zweifelhaft ist. S(d('he Erzählungen
werden meist mit den Worten begonnen: „Jou sabi un counte-',
und geschlossen: „E tric tric Moun connte es finit, E tric
trac Moun counte es acabat''. Die „recits" haben nichts
Wunderbares, es sind wahre oder wahrscheinliche Anekdoten,
und sie werden nie mit jenen Eormeln begonnen oder ge-
schlossen. Von den „superstitions" endlich ist das Wuiuler-
bare unzertreinilich, aber sie unterscheiden sich dadurch v(»n
den „contes-'. dass sie von Erzählern und Hörern meist als
wahr angenommen, geglaubt werden. Die „contes" ent-
sprechen also uuseru „Märchen" im engern Sinn, die „recits"
teilweis unsern „Schwiinken", die „superstitions" unsern
„Sagen", soweit wir liierunter auch Erzählungen, denen Aber-
glauben zu (irunde liegt, verstehen. Auf Vergleichuug der
von ihm gesammelten Stücke mit denen anderer französischer
und fremder Märcliensammlungen hat sich Herr Blade so gut
wie gar nicht eingelassen. Die einzelnen ..cdutes" sind nun
die folgeuden:
1. La flaauto (In Hüte) [- Blade Contes de la (iascogne
18S(; •_>. 1(H)]. Vgl. (irimm Nr. 28, Curtze Xr. 11. Haltrich
S. 'i'i.'). Müllenhoff Nr. 4!). Milä y Eontanais Observaciones
sobre la poesia populär S. IT.s (=: F. Wolf Proben portug.
und catalan. Volksromanzen S. 3!>), E. Caballero Lägrimas,
Madrid LSoS. S. 41 (Cueuto de la Hör del lilila). Haupts Z.
3, 85 (= Colshorn Nr. 71), Toppen S. IHS), Schneller Nr. 51
[Cosquin no. 2(5. Heidelb. Jahrb. 1S()S, HO!). Köhler, Auf-
sätze 1S94 S. 1)0. Ploix, Revue des trad. pop. .s, 12!)|.
P s Märchen aus Armagnac hat insbesondere das Eigentüm-
liche, dass nicht ein Hirt, sondern der siebenjährige Sohn
des Mörders den Knochen Kndet und sich daraus eine Flöte
macht. Herr Bl. sagt, das Märchen sei in ganz | Frankrei<;h iisei
verbreitet.
2. Eon loup mal au |= Blade ISSH ;}, 14it|. ein Märchen,
R. Köh 1 er, Kl. Schriften. I. 4
50 Zur Märclienforsclmng.
ZU (lern icli aus ueueriiVolksinärchensammlungeii keine Parallele
weiss, (iastou Paris verweist in seiner Anzeige des Blade-
schen Buches in der Revue critique LSiiT, >ir. 17 auf einige
mittelalterliche Fal)eln, wd Aehnliches, wenn au(^h nicht das-
selbe vom Wolf erzählt wird.
Nr. H. Lou dines [= Blade 1<S8(; 3, 2G0j, ein Kindei'-
märchen, zu dem ich kein Seitenstück nachweisen kann.
Nr. 4. Lo loui) penjat (le loup pendu) [= Blade 1S<S(;
H, 152J, bei Cenac Mon(^aut S. •2]'4: le lion pendu. Vgl.
dazu meine Anmerkungen im -lahrbuch .'>, 17 und Kurz zu
B. Waldis IV, i)U, denen man noch hinzufüge Grundtvig "J,
124, Helvicus Jüdische Historien, (liessen, 1617, II, 11') (aus
dem Maasebuch Cap. 144), Bleek Reynard the fox in South-
Africa S. 11 und 13. Vgl. auch die Sage von Theophrast
und dem Oeist bei Peter '2. 2^ |(ionzenbach no. (il); Zeit-
schrift d. V. f. Volksk. (i, UJGj.
Nr. :>. LKstienne Ihabile [Blade ISSG :3, 36|, bei
Cenac Moncaut S. 1S4: le coffret de la princesse. Vgl. dazu
meine Anmerkungen im Jahrbuch ä, 13. Grimm KHM 3,
2(i7. Nr. 2. Schneller \r. Hl.
Nr. ('). doan lou pigre |= Blade .iSSd H, 5], bei Cenac
Mducaut S. *.)(): Jeau-le-faineant. Vgl. dazu Jahrb. 5, 5.
Der Schluss iWf^ Märchens ist bei Cenac Moncaut besser und
mit den Parallelen übereinstimmender als bei Blade.
Nr. 7. Lou bouatge dou Joanot (le voyage de J.)
1= Blade issi; ;!. 1H7|, bei Ceiiac Moncaut S. 101: Ambroise
le sot. Vgl. dazu Jahrbuch 5, 9, wo noch Colshorn Nr. li*,
Grundtvig 1. IIH und v. Hahn Nr. 111 nachzutragen sind.
Nr. S. LiMi Joaii Ic pec (Timbecile) [= Blade ISSii
;i, 12H], eine Aueina iiderieihung verschiedener Narrheiten.
Joau setzt sich auf Kier und will sie ausbrüten; dieselbe
Narrheit kömmt in Xailuus (ieschichte in 1001 Tag 5, lli),
in Pentameroiie 1, 4, im italienischen Volksbuch von Fiertol-
i:!6s dino, | in Freys (iartengesellschaft |no. 1 ed. Bolte] (bei (irimm
KHM. H, ()1) nnd bei Zingerle 1, 255 vor. Joau wirft
Lämmeraugeu anf die Mädclieu : vgl. dazu meine Nachweise
im Jahrb. 5, 1!). Die beiden Ziige finden sich auch bei
S. J^itteratiir der N'iilksitiiirclieii : üUnlt". ,") ]
Moiliiii» Nr. 4!). In'hel facctin' I. -21, Wcgekörter A S. Kiivliliof
Wc^iiduuiiuit 1. sl, Pauli \:üi), 12(;, H. Sarlis I. ;i, 4H0; -2.
4. ')lh: 8, H. :]\. Abraliain a. S. Clara Bescheid-Essen S. (;s,
Tales ot" tlie inad lueii (»f < lutliaiii lö. Wenn -loaii die Ocliscii
für das. was recht ist. viM'kautVn soll, so h")idet sich dies auch
Ih'i Ceuac M(»ncaiit S. 1 TM. In Hezuy auf -loans Verkauf der
Leinwand an eine Hildsäidc \;;l. dahrh. 5. 20, (iiuiultvig 2.
2<'(). Schneller Xr. .J7. iMnllich der Schluss des Mär(diens:
Joan haut einen Ast, auf dem er sitzt, ab und läuft dann
<lein, der ihm vorausgesagt hat, dass er herabfallen werde,
nach und lässt sieh V(ni ihm die Zeit seines Todes („nu
troisieme pet de tonäne") vorhersagen, welche Prophezeiung
sich auch erfüllt. Dazu bemerkt (Jaston Paris a. a. 0. S. 2H4,
er habe dies in keiner Sammlung gefunden, aber es sei in
Nordfrankreieh populär und auf Bilderbogen von Epinal und
Nancy, „qui sont une source jusquici negligee ])our l'etude
(li's contes ]Mi|)ulaires-' dargestellt. Er hat übersehen, dass
(hisselbe mit geringen Abweichungen, wie ich im ()ri(Mit und
(tccident 1, 4;U [zu Nasr-eddin no. 4!>| nachgewiesen habe,
in Indien, in dei" Tüi'kci. in Litauen und. wie ich jetzt noch
hinzufüge, in Siebcnbüi-gen (Ilaltricli S. 81 H) erzählt wird.
Dies sind die „contes-' der Sammlung. Es folgen 10
kurze „recits-'. Darunter siml zwei alte, viel verbreitete
Schwanke, nämlich Nr. S. ,,Le diable au cimenteri^'
1= Blade T.S<so 8, 88i)|. wozu man Oesterleys Nachweise zu
Nr. IS der C merry ! tales und (irundtvig 1, 116 [Bolte zu Maero- i.seö
pcdius, Rebelles 1897 S. VlllJ, und Nr. 10 „La bisito dou
b(turdile" (la visite du metaier), wozu man Petrus Alfonsi
l)isci[)limi elericalis cap. XXX mit S(dimidts Anmerkung ver-
glei(die [Zs. d. V. f. Volksk. 7, 99-1 Vitry Nr. 205]. — Die
übrigen r>chwänke weiss ich sonst nicht nachzuweisen.
Die dritte Abteilung „su perstitions " enthält in Nr. 1
bis 10 Sagen und Aberglauben, Nr. 11 und 12 aber hätten
besser zu den „contes" gerechnet werden sollen. Nr. 11.
..La dameyseleto" (la jjetite demoiselle) [Blade 1SS() 2,
12()j, ist, wie Gaston Paris a. a. 0. S. 2(i5 mit Recht sagt,
„une Variante fort curieuse, remarquable [)ar sa naivete et
4*
^2 '^iir Märchenforsoluing.
sa piete, mais extremeinent alteree, de riiistoire si i-epaiulae
de la Manekine". [Zs. d. V. f. Volksk. G, 69 Nr. -24.]
Nr. 12. „Loiis tres mayuatges-' (les trois garvous)
1= Blade 1H86 2, 16()], hat eine gewisse Aeliiiliehkeit mit
dem serbischen Märchen bei Wuk Nr. 17. Wie nämlich im
serbischen zwei Brüder das Gebot ihres Schwagers nicht be-
achten und bei einer gewissen Brücke umkehren, der dritte
aber über die Brücke bis zu einer wundervollen Wiese (Para-
dies) reitet und unterwegs allerhand ihm auffallendes sieht,
was ihm dann sein Schwager erklärt (es sind Strafen und
Belohnungen iu jener Welt), so kehren im gascognischeu
Märchen zwei Brüder, welche der „ bon Dien " beauftragt
hat, seiner Mutter einen Brief zu überbringen, als sie ans
Meer kommen, um, der dritte aber durchschreitet es und
sieht dann auf dem Wege zum Schloss der heiligen Jungfrau
raehreres Auffallende, was ihm diese erklärt. Im serbischen
Märchen sieht der jüngste Hruder unter anden'm zwei Eber,
die miteinander raufen: das sind seine Brüder. Im gascog-
nischeu sind zwei Steine, die sich schlagen, die beiden lirüder.
Was sonst der jüngste Bruder sieht, ist in beiden Märchen
1370 verschieden. In einem Punkte stimmt hier | das gascognisclie
Märchen mit Märchen ganz entfernter Völker, worin eben-
falls Fahrten ins Jenseits erzählt werden, merkwürdig überein.
Das magere und das fette Vieh nämlich, welches der jüngste
Bruder unterwegs sieht und dessen Bedeutung ihm dann er-
klärt wird, finden wir auch in dem dänischen Märchen von
dem Weg zum Himmelreich (Grundtvig 1, 7), in dem litauischen
vom Fischer, der in den Himmel ging (Schleicher S. 72),
und iu der tatarischen Sage von Komdei Mirgän und seiner
Schwester Kubaiko, die in die Unterwelt geht (Castren
ethnolog. Vorlesungen S. 244 und 251, Schiefner, Helden-
sagen der Minussinschen Tataren S. 407 und 419). Ich
werde ein andermal Gelegenheit finden, auf die merkwürdige
Uebereinstimmung genauer einzugehen [(iouzenbach Nr. SS.
Zs. d. V. f. Volksk. (;, 173].
Ich l)emerke nur noch, dass nach der lum folgenden
Sammlung „Proverbes" (S. ÜH — So) ein wenig mehr als
8. Litteratur der Ydlksmärchoii : Tüp])eii. 53
vier Spalten einnehmendes „Glossaire des termes les plus
difticiles eraployes dans ce recueil " den Schluss maelit,
welches viele schwierige AVorte leider unerklärt lässt, während
es unnötigerweise manche leichte, vom französischen wenig
abweichende erklärt. Ich habe, um die Texte zu verstehen,
mit Nutzen Cenac Moncauts Dictidunaire gascon-francais, dialecte
(hl departemeiit du Gers, Paris l-SHS, gebraucht; doch hat mich
auch dies mehrfach im Stich gelassen. — Am Schluss des
Vorworts stellt Herr Blade eine Fortsetzung dieser Märchen-
uud Sprichwörtersammlung in Aussicht, und ich höre soeben
aus Paris, dass dieselbe bald erscheinen wird. Alle Freunde
der Volkspoesie werden dieser Fortsetzung sowie den eben-
falls im Vorwort nngekündigten „Poesies populaires recueillies
en Ar-magnac" gleich mir mit Verlangen entgegen sehen. 1371
Möchte Herr Bl. dem von G. Paris a. a. 0. S. "iG'i mit vollem
Recht ausgesprochenen AVunsch in dieser Fortsetzung nach-
gekommen sein, nämlich in Fällen, wo ihm ein ^Märchen von
den verschiedenen Erzählern mit Varianten in den Thatsachen
erzählt worden ist. auch diese Varianten kurz anzugeben
;i Auch der masurischen Märchen sind leider nur wenige.
Herr Toppen hat sie nicht selbst aus dem Volksmund auf-
gezeichnet, sondern er hat sich, wie er S. o sagt, darauf be-
schränken müssen, solche Märchen, welche andere für ihn zu
erlauschen und ihm dann deutsch mitzuteilen die Güte hatten,
zu veröffentlichen. Mehrere der ihm so mitgeteilten hat er
als „offenbare Nachbildungen bekannter deutscher, besonders
(irimmscher Märchen, zum Teil verflacht, zum Teil nur
summariscli reproduziert-', leider zurückgelegt. Wir bedauern
dies: denn wenn auch jene Märchen wirklich nur verflacht
und sunmarisch reproduzierte „Nachl)ildungen" deutscher
< »riginale wären, so wäre ihre Mitteilung immerhin für die
vergleichende Märchenforschung lehrreich gewesen. Jeden-
falls hätte Herr T. wenigstens angeben sollen, von welchen
deutschen Märchen ihm derartige masurische „Nachbildungen-'
bekannt geworden sind. Auf Vergleichung verwandter Märchen
mit den von ilim mitgeteilten hat sich Herr T. nur inso-
weit eingelassen, als er bei mehreren in kui'zen Anmerkungen
54 '^'^"' iliu'tlient'urschung.
auf (Ti-iminsehe hinweist. Die iiiitgeteilteii Märclieu sind die
folgenden :
Titelituri (S. 18<S), eine interessante Variante zu (irinun
Nr. 55 und den zahlreichen Seitenstücken. von denen ieh
1372 hier nur auf das slova-jkische von „Kinkach Martinko" hei
rhodzkü Contes slaves S. 841 hinweisen will.
Der goldene Apfel (S. loi)). Vgl. dazu die ohen zu
Blade Nr. 1 zusammengestellten Märchen. Wie im siehen-
bürgischen Märchen und in den spanischen (Mihi, (laballero)
wächst auch im masurischen ein Schilfrohr — bei Müllenhnlf
Nr. 4J), Anni. ist es ein Hitllumlerbaum [bei Woycicki S. 105
eine Weide] — auf der Stelle, wo der Ermordete begraben
ist, und hieraus — nicht ans einem Knochen des Ermordeten,
wie in den übrigen Märchen — wird die wunderbare Finte
gemacht. Eigentümlich dem masurischen Märchen ist es,
dass der Hirt die Flöte verbrennt und auf der Stelle ein
Apfelbaum wächst mit einem goldenen Apfel, der denselben
Vers wie die Flöte singt und aus dem endlich der gemordete
jüngste Bruder wieder, ersteht. So erwächst in einem pol-
nischen M. bei Chodzko S. 8(19 aus dem Blut des ermordeten
Helden ein A})fe]banm, und einer der Aepfel verwandelt sich
nachher wieder in den Helden. Der Eingang des masurischen
Märchens ist dem Anfang von (irinim Nr. 57 ähnlich.
Die drei goldenen Tauben (S. 140). Vgl. Molbech
ndvalgte eventyr Nr. 4*.) „de nedtraadte ager" [Cavallius Nr. s,
Schreck Nr. 5|, (Irimm Nr. lOo, Veriuileken Nr. 50, Haltrich
Nr. 5, Waldau S. 555, Schott Nr. U). v. Hahn Nr. 15. Grimm
Nr. 1)"2, worauf '[\ verweist, gehört nur insofern her, als auch
in ihm der Streit der Erben um die Wunschdinge vorkommt.
\'gl. unten zu Schneller Nr. 18.
Die Kose (S. 14-2). Herr T. verweist auf ririmm Nr. SS,
wozu es bekanntlich viele Seitenstücke giebt. in vielen
dieser Märchen l)ittet die Tochter den verreisenden \'ater ihr
eine Rose mitzubringen, nnd zwar wie im masurischen ohne
eine Hesonderheit bei (Irimm 8. 152 und Zingerle 2. 891,
1378 dagegen I anderwärts eine singende (Zingerle 1. Nr. 80),
8. Littoratiir der YoIkhiiiäiTluMi : 'rüppen. 55
eine goldene (Jiy S. 1)1), eine dornenlose (Wodana S. (Il),
drei anf einem Stiel (Meier Nr. 57).
Schwester nnd Braut (S. 14')), ein Märchen, das ich
sonst nicht nachzuweisen vermag: nur die darin erzählten
Verwandlungen im Haus der Hexe und auf der Flucht kommen
vielfach in andern Märchen vor.
Das wunderbare Pfeifchen (S. 1-1:7). Vgl. <irimm
Nr. 110 mit den Anmerkungen, -lahrh. für ronian. nnd engl.
Litteratnr 5, 9; 7, 2(><S ; Schneller Nr. Kl. Insbesondere
stimmt das masurische Märchen mit dem venezianischen
(Jahrb. 7, '2(53) insofern überein. als in beiden der Besitzer
der Wunderpfeife oder Wundergeige vorlier beim Teufel in
der Hölle gedient hat [Zur ersten Hälfte vgl. Brugnuin
Nr. 40].
Der Kitt in das vierte Stockwerk (S. 14S ). Vgl.
besonders das finnische Märchen „Das Mädchen im vierten
Stock der Hofburg-' in Ermans Archiv für die wissenschaft-
liche Kunde Russlands 18, 4SH und Zingerle '2. 395
[Ralston p. •2'){): Krentzwald Nr. lo. Schiefner. Aw-ar. T. Nr. 4];
zum Teil sind ähnlich Clrimm Nr. IHli. welches T. vergleicht,
und noch viele andere.
Die Prophezeiung der Eerche (S. 150). Vgl. das
teleutische Märchen bei Radlolf 1, 20(S und das mordwinische
bei Ahkiuist Versuch einer mokscha-mordw. Gramm. S. 97.
Näher noch müssen nach Schiefner bei Radioff S. XII rus-
sische Märchen dem masurischen stehen. Diesen Märchen
liegt eine Erzählung der sieben weisen Meister zu (irunde,
vgl. D'Anconas Ausgabe des Libro dei sette Savj S. 121.
Der Vogel Cäsarius (S. 155). Vgl. Gi-imm Nr. 97,
Meier Nr. 5. Vernaleken Nr. 53, Wolf Hausm. S. 54, Pröhle
Kinder- und Volksmärchen Nr. 29, Schleicher S. 20, Etlar
Eventyr og Folkesagn fra Jylland S. 1, Hylten-Cavallius und
Stephens S. 191 und das ungarische Märchen aus Mere- nyis i374
Sammlung bei E. Teza 1 tre capelli dOro del nonno Satutto.
Bologna DSGU. S. 21 [Awarische Texte Nr. 10]. Alle diese
Märchen stimmen, bei manchen Abweichungen in Einzelheiten,
in der Grundlage überein uml auch in dem besonderen Zug,
5() Zur Märchenforschung.
dass die Prinzessin die zu ihr führende Strasse oder Brücke
mit Gold oder Scharlach belegen lässt und der Vater ihres
Kindes daran erkannt wird, dass er unbedenklich über die
kostbaren Decken reitet [Simrock S. 222, Knoop Nr. 15,
Veckenstedt S. 79. cS4. 224, Brugman S. 5;'54, Soge-Bundel
p. 47, Berntsen 1, Nr. 1. Deulin, C. du roi Cambr. p. 172.]
Ob dieser Zug schon in der denselben (irundstoft' behandelnden
nordischen Saga af Artus fagra und in dem jüngeren dänischen
Volksbuch vom Küuig Eduard von Engelland und seinem
Sohn Arthur (Nyerup Almindelig morskabsläsning S.- 227)
vorkommt, weiss ich nicht. Das nie alle werdende Brot des
masurischen Märchens findet sich auch [bei Grimm Nr. 97,
Knoop Nr. 13, Veckenstedt p. 223] im litauis(;lien und bei
Campbell Nr. 9.
Die Frosch Prinzessin (S. 15<S). Vgl. Zingerle 2, 17
und 34S, Peter 2, 177, Grimm Nr. (53, Ey S. 100, AVoycicki
S. 101, das russische Märchen im neunten Band des Sammel-
werks „Die Wissenschaften im 19. Jahrhundert" S. 107, das
ünnische bei Beauvois Contes populaires S. 1<S0, das altaische
bei Kadloft" 1, 8, v. Hahn Nr. 67, Hylten-Cavallius S. 300,
Asbjörnsen Nr. 25, AVuk Nr. 11.
Zu den letzten Märchen: Herr und Diener (S. 1(52),
Rätselmärchen (S. 164), belohnte Mildthätigkeit (S. 1(;5), der
gute Hirte (S. 166) kann ich keine Parallelen nachweisen.
Es sei noch erwähnt, dass Herr T. S. 153 in einer Anmerkung
anführt, dass Grimm Nr. 29 mit geringen Abweichungen auch
in Masurien erzählt wird.
4. Reicher als die bisher besprochenen drei Sammlungen
ist die Märchensammluug, welche Herr A. Peter in seinem alle
137.^ Arten der Volks- Überlieferung Oesterreiehisch- Schlesiens
umfassenden, höchst verdienstvollen Werke (2, 139 — 20<S) mit-
geteilt hat. Es sind 23 Stücke, und der Herausgeber hätte
laut Vorrede S, IV diese Anzahl noch vermehren können,
wenn er „mehrere von jenen Märchen hätte wiedergeben
wollen, die aus anderen deutschen Landen bereits veröffentlicht
sind und [dort] durch eigentümliche bedeutsame Züge mehr
das (lepräge der Lrsprünglichkeit an sicli tragen". Ich hätte
K. Litteratur der Volksmärchen : Feter. 57
nur gewüusclit. dass Herr P. angegeben hätte, was für
Märehen das sind. In der Vorrede zum ersten Bande, S. VI
verspricht Herr P. einen dritten Rand, der ,,für litterarisch-
historische, sachliche und sprachliche Erläuterungen des in
den beiden ersten Bänden gebotenen Materials bestimmt" ist.
Hier werden wir also wohl vergleichende Nachweise des
auderweiten Vorkommens derselben oder verwandter Märchen
zu ei'warteii haben, und um daher dem Verf. in dieser Be-
ziehung nicht vorzugreifen, will ich im folgenden bei Auf-
zählung der einzelnen Märchen mich nur anf ganz kurze
Verweisungen, meist, wo Grimmsche Märchen entsprechen,
mir auf diese beschränken.
Der Seh äf erj unge und die Riesen (S. l'M)). Vgl.
Meier Nh\ 1 j-ii). Schönwerth '2, 775], Ziugerle •_>, 91. 96.
■''>'2(\ Wenzig Nr. 1.
Die dankbaren Tiere (S. 145). eine teilweise ent-
stellte Version des Märchens von den dankbaren Tieren, mit
deren Hilfe der Held die in verschiedenen ineinander ein-
geschachtelten Ciegenständen verborgene Seele oder Lebens-
kraft eines Ungetüms (Riese. Drache) verni(ditet. Vgl. meine
Nachweise im Orient und Occident 2, 101 [zu Campbell Nr. 1]
und A. AVesselofsky Pe tradizioni popolari nei poemi (PAntonio
Pucci p. 11 (Abdruck aus dem Ateiieo italiano ISGii,
]:>. April).
Der Kon ig und seine | drei Sohne (S. 151) ist nnr 1376
abgekürzt, aber sonst wenig verändert das Märchen von
Achmed und Pari Ranu in 1001 Nacht [Breslaner Uebers.
9. 125| und wohl erst in neuerer Zeit, wie nocli andere Er-
zählungen jener Sammlung, darans ins A'olk gedrungen. Vgl.
unten zu Schneller Nr. 14.
Die Ungeheuern Nasen (S. 15S). Vgl. (Jrimni
Nr. 12-i. — Das Pfefferkuchenhaus (S. 164). Vgl.
(Irimm Nr. 15 in Verbindung mit Nr. 56, wie in der Variante
zu Nr. 56 im dritten Bande. — Tones nnd Hans (S. 1(57).
Vgl. Grimm Nr. 24. — Die drei Raben (S. 1()9). Vgl.
(irimm Nr. 25. — Die Leute im Bunzeltopfe (S. 178).
Vgl. Grimm Nr. 19. — Die erlöste Schlange (S. 174).
5(S Zur Märchenforscliung.
lü Beziisi auf das Reinigen des Stalles vgl. meine Bemerkung
im Or. und Occid. 2, 111. — Die entzauberte Kröte
(S. 177). Vgl. oben zu Toppen ,,Die Frosehprinzessin".
Der treue Hansel (S. ISO). Vgl. v. Hahn Nr. (J,
Gaal-Stier Nr. S, Wolf Hausra. S. '2(5!) (das treue Füllcheu),
bes. von S. 27(1 an, und zum Teil die von mir im Jahrb. für
roman. und engl. Litt. S. 2')() zusammengestellten Märchen.
Hasenjaekel (S. iSö). Zum Teil vgl. die von mir im
dahrbuch für roman. und engl. Litt. <S, 25(S, Anm. 2 zu-
sammengestellten Märchen, zum Teil das vom Hasenhirten
(Wolf Hausm. S. 134. Kuhn westf. Sagen 2, 226, Birlinger 1,
34(), Vulpius Ammenmärchen 1, 1)3, Vernaleken Nr. 40, Etlar
S. 124, Wenzig S. 59).
Hans und der Teufel (S. 1!)()), eines der zahlreichen
Märchen von der Üeberlistung des Teufels oder eines Riesen
durch einen Menschen. IJesonders vgl. Haltrich Nr. 27, das
Märchen aus der Bukowina in Wolfs Zeitschr. 1, 1S2 und
das mährisch-walachische bei Wenzig S. 104 [Mitteil, der
litau. litt. (ies. 2, (S3], wo in ganz ähnlicher Weise der Teufel
1377 mit einem Hasen Wettlaufen und mit einem Bären ringen | muss.
Im siebenbürg. Märchen kommt auch der Nagelschmied im
Mond vor.
Der Teufel als Dienstgeber (S. li)2). Vgl. Pröhle
Km. Nr. 1!> uud Kuhn 2, 25(1. — Der Teufel als Müller-
geselle (S. 11)3). — Warum die Krähen Paach schreien
(S. 11)6). — Die heiligen drei Könige (S. 197). Merk-
würdige Variante zu „dem Mädchen ohne Hände", (irimm
Nr. 31. — Der klingende Baum, der redende Vogel und
das goldene Wasser (S. 199). Vgl. zu Schneller Nr. 2(5. —
Das Vöglein auf dem Baume (S. 203). Vgl. (Irimm
Nr. 47. — Der Wolf mit der goldenen Kette (S. 204).
Vgl. das Miircheii aus dem Paderlxirnischen bei (Irimm 3,
41. — Die Haustiere und die Räuber (S. 205). Vgl.
(Iriiiim Nr. 80 und 27. — Scherz- und Lügenmärchen
(S. 207). - Das Würstel und das Mäiisel (S. 2().S). Vgl.
(irimm Ni". '2'k
Noch ist zu erwähnen, dass den Märchen einige ,, Legenden
8. Littoi'iitur der Vulksiuärclicn : Scliiicllcr. f)<J
voll Cliristus und SLl'etrus" (S. VV2 — IHll) voraiisgelieii,
näiiilicli: die (Jeti-eideiilii-eii (vgl. Scliöiiwertli 1, 4()<S) |(ii-iiiiiii
Nr. 1^)4 1, die Kiitstelumg der Schwämme, die Entstehung der
Fliegen (vgl. Riisswiirm, Sagen aus Hapsal Nr. 197, A), Aus-
gleich (vgl. Sch(iii\verth H. •21)4 und Hans Sachsens Schwank
von Sankt I*eter mit dem faulen Bauenikncclit im fünften Teil
des ersten liuches seiner Werke) [Bolte zu Val. Sclmmann Xr. 4H
nnd Frey S. -I^')]. die fatale Verheissiing (vgl. SchönAvertli ;-),
295 nnd Beiifey Pantschat. 1, 497) und Wie Judas heim letzten
Ahendmahle das Herz dei^ Lammes ass (vgl. (Irimms Anm.
zu Nr. Sl, ScIiöiiNveith o. HO'i, Strackerjan "2, HOL Wenzig
S. SS und die v(ni Fr. Rückert im l rtext und in Lehersetzung
in der Zeitschrift der deutschen morgenländischen (lesellschaft
14, 2S() heransgegehene persische Frziililuni; des Scheikh
Ferideddin Attar.) |('. Beyer, Neue ^litteil. üher F. Rückert
1. o()4. Unten zu De (inhernatis Nr. 81. |
ö. Weit reicher ikk-Ii als die Beterschc Sammlung ist die 1878
Samnilung von Märchen aus \)'äl seht irol . mit welcher uns
Herr Christ. Schneller, jetzt in Iniishruck. vorher 12 -lahre
lang (iymnasiallehi'er in Roveredo. hesclienkt hat. Sic e-iit-
liält iiher (iO Märchen. Wir erfahren aus dem \'or\voi-t. dass
auch in Wlilschtirol Märchen vorzugsweise von den Frauen —
nnd zwar in den S|)innstuheii — erzählt werden, und es soll
Weiher gehen, denen man die MTiglichkeit zuschreiht, einen
Monat lang Aheiid für Aliend iminei' neue Märchen erzählen
zu können. \'oii (dnem l'a[)ageienmärclien Inirte der Heraus-
geher. dass es im ^liinde des Erzählers die siehen Ahende
einer Woche ausfülle. Schade, dass wir üher dieses Märchen
nichts näheres erfahn-n. Es ist (diiie Zweifel eine Art Tiiti-
nameli. wie auch E. Teza ( Ea tradizione dei sette savj nelle
novelline inagiare p. 52) ein toscanisches Märchen mitgeteilt
hat, welches ein Pa})agei der Fran seines verreisten Herrn
erzählt, um sie von einem gefährlichen Ansgang ahznhalten.
Die von llerin Schneller mitgeteilten Märchen sind gut erzählt.
p]s ist. versichert er im Vorwort, sein Bestrehen gewesen,
der iM-zälilung eine gedrungene. je<le ^Veitscllweil^gkeit iwul
uiinr)tiü,e Ausschmückiiiiu, vermeidende Form zu gehen, ohne
(;() Zur Märohenforseliung.
jedoch irgend einen wesentlichen Cliarakterzug zu ül)ei\springen.
AVir bedauern, o])Wüld wir innere und äussere Abhaltungs-
gründe uns denken können, dass Hr. Sehn, die Märchen nicht
wälsch wiedergegeben, sondern ins Deutsche i\bersetzt hat.
Nur die üeberschriften giebt er auch wälsch und in den An-
merkungen (S. ISl — 196) einzelne Ausdrücke und die in den
Märchen vorkommenden Reimverse. Am Schlüsse der An-
1379 merkungen ] rülimt er ausdrücklich die Leichtigkeit und
Mannigfaltigkeit des Ausdrucks, die AVärme und die herzvolle
Naivetät. welche der wälsche Volksdialekt in den Märchen
entfaltet. — Bei vielen Alärchen sind unmittelbar nach der
Leberschrift in Parenthese ('itate aus anderen Märchensamm-
liingen beigefügt; es werden jedoch nnr Grimm, Zingerle,
Bechstein, Meier und der Pentamerone citiert, und auch diese
sind nicht genügend ausgebentet. Ich will nun im folgenden
in dieser Rücksicht einige L^rgänzungen liefern.
Nr. ]. Der Herrgott vom Bäuchlein. Vgl. (Irimm
Kimlerlegenden Nr. 9. — Nr. '2. St. Johannes und der
Teufel. Vgl. Grimm 1.S9. — Nr. 4. Die Mutter des
heiligen Petrus. AVie hier St. Petrus seine Mutter an einem
Salatblatt in den Himmel zu ziehen versucht, so versucht er
in einem altdeutschen Gedicht in Mones Anzeiger 1(SH(),
S. 192 einen Holzhacker an dessen Holzschlägel in den
Himmel zu ziehen. [Köhler. Aufsätze 1894. S. 50.] — Nr. 8.
Die zwei Schwestern. Damit stimmt fast ganz überein
der erste Teil des piemontesischen Märchens von „Marion de
bosch", welches AI. Wesselofsky in der inhaltreichen Ein-
leitung zu der ,,Novella della tiglia del Re di Dada" (Pisa
LsdC)), S. XXIX mitteilt. [De (lubernatis Nr. 1.] Vgl. auch
Grimm Nr. 24. — No. 9, die zwei Reiter, nud Nr. 11, der
Filinde, anch Nr. 10, die kranke Prinzessin, bieten Nach-
träge zu den von mir im Jahrbuch für roman. und engl.
Litteratur 7, (i [Widter-Wolf Nr. 1| verglichenen Märchen.
Nr. L-5, die Heirat mit der Hexe, gehört in den Kreis der
von mir im Jahrbuch für roman. und engl. Litteratur 7,
147 [zu AVidter-Wolf Nr. 10] besprochenen, sowie der oben
mit Töppens Märchen „die drei goldenen Tauben'' verglichenen
8. Littoratur ilor Ydlksinärclicii : Sclnicllcr. (ij
Märchen. Der Held sucht die ihm entrückte (iattiii und
findet sie mit Hilfe der Wunschdinge, die er den streiten-jden i:!so
Erben genommen. In Bezug auf die Schuhe mit eisernen
Sohlen vgl. meine Bemerkung im dahrhuch 7, 2'),') [Widter-
Wolf Xr. 1"2|. — Nr. 14. die drei Liebhaber, ebenso wie
Hahn Nr. 47. Waldau S. 77. Erdelyi-Stier Nr. i), die zu einem
selbständigen Märchen gewordene Einleitung des oben zu
Peters Märchen ,,der König und seine drei Söhne" erwähnten
Märchens der 1001 Nacht vom Prinzen Achmed und der
Fee Pari P)anu. Während aber im wälschen Märchen die
Entscheidung über die drei Liebhaber dem Hörer überlassen
wird, wird im böhmischen nnd ungarischen das Mädchen
dem Besitzer des Apfels zuerkannt, und im griechischen
nimmt es der Vater der Liebhaber für sich. — Nr. Kl. Das
Pfeifchen. Vgl. oben zu dem masurischen Märchen ,,das
wunderbare Pfeifchen". — Nr. 17. Der Stöpselwirt. Vgl.
ausser Zingerle 1. Nr. .'> meine Nachweise im dahrbuch '). 4
mu\ 7. 1-2S [Widter-Wolf 7|. — Nr. IS. ])ie drei Pome-
ranzen. Vgl. das von A. de (iubernatis mitgeteilte pie-
montesische Märchen bei A. AVesselofsky Le tradizioni popo-
lari nei poemi d'Antonio Pucci S. 11. — Nr. ü). Die Liebe
der drei Pomeranzen. Herr Sehn, vergleicht Zingerle 1,
Nr. 11 und Pentamerone V, *.). Das Märchen findet sich aber
auch aus l'ieniont in Verbindung mit dem oben erwähnten
bei Wesselofsky a. a. 0., aus Catalonien bei Mihi y Fontanals
Observacioues S. 170 (= ¥. AVolf Proben S. 40), walachisch
bei Schott Nr. 25 und im Ausland 185(), S. 500, aus Ungarn
bei Erdelyi-Stier Nr. 13, aus (Jriechenland in Wolfs Z. 4.
820. bei V. Hahn Nr. 49 und Simrock S. 8(;5. — Nr. 20. Der
Prinz mit den goldnen Haaren. Vgl. ausser Zingerle 1.
Nr. o2 das von mir im dahrbuch S, 253 mitgeteilte ita-
lienische Märchen und die von mir damit zusammengestellten.
In der | Anni. zu Nr. 20 teilte Herr S. nachträglich noch ein i38r
hübsches Märchen mit, welches eine Variante zu Pentame-
rone H, 1 und (Irimm Nr. 12 ist. — Nr. 21. Der gold-
haarige Prinz. Vgl. Pentamerone H, 2. [Hahn Nr. 7, Ber-
noni Nr. 17, Asbj. Nr. 84.] — Nr. 22. Das Mädchen mit
{]•> Zur Märcliciit'orscliuiin'.
den goldiieii Haaren. Ausser l*eiitanier. IV. 7 vgl. «Iriniin
Nr. IH.") und die dazu in den Anmerkungen angeführten
Märchen und ausserdem imch Chodzku S. Hl.") und
(irundtvig o. IV2. Der Zug des wälschtiroler .Märchens,
dass auf das wunderhare Mädchen kein Sonnenstrahl fallen
darf, fimlet sich auch in dem entsprechenden Märchen „die
goldene Knte"' hei (ierle \'<dksniärchen der Böhraen '2. 82.')
(vgl. (irimm H. ;Uo). — Nr. ■_'4. Aschenbrödel (la
zendrarola). Der Herausgeber verweist auf (irimms und
Beclisteins Aschenbrödel uml auf Zingerle 1. Nr. 1(). Er
hätte aber auch auf ( irimms Allerleirauh und die verwandten
Märchen verweisen müssen. AVenn Aschenbrödel im wälsch-
tiroler Märchen auf die Frage, woher sie sei. einmal sagt,
vom Aschenschaufelhiel» (dalla Palettada), weil der Graf sie
mit der Aschenschaufel geschlagen hatte, und dann vom
Feuerzangenschlag (dalla Mojettada). so kommt ähnliches in
mehreren der verwandten Märchen vor ((ampbell Nr. 14;
Königreich vom zerbrochenen \)'aschbecken und vom zer
iiroclieiKMi LiMicliter: Asbjörnsen Nr. IM: Waschland, Hand-
tnchhiiid. Kannnlaiid : Woycicki S. 1 lU : aus der aufgehobenen
Peitsche und aus dein giddnen Piiig: Vernaleken Nr. '.VA.
Besenwurf. Bürstenwurf. Kammwurf). | De (iubernatis Nr. 8.
Busk i>. S7. Hahn Nr. 14. | — Nr. 21;. Die drei Schön-
heiten der Welt (das redende Vöglein, das tanzende AVässer-
lein. das musizierende Bäumlein). Der Herausgel»er verweist
auf Zingerle 2. 112 und 157. Noch näher stehen das
Märchen von den beiden neidischen Schwestern in der 1001 v
1382 Nacht |lo. ;l|. Straparola IV. :\. Hahn Nr. (li). Pröhle Km.
Nr. H. Ferner vgl. mau Vernaleken Nr. ;!4. Peter 2, 199,
.1. AV. W(df S. KiS. < irimm Nr. 9(1. auch von (iaal S. 890 und
Puschkins poetische AVerke übersetzt von Bodenstedt 1. 47.
[CurtzeNr. 15. Hahn Nr. 112.] — Nr. 27. Die drei Tauben.
Vgl. Prrdile Km. Nr. s und die M., die ich im Orient und
Occid. 2. 107 [zu Campbell 2] 'zusammengestellt habe und
die sich noch vermehren lassen. — Nr. 29. Der Frosch.
Vgl. auch Grimm Nr. lOS und Anmerk. Nr. 81. — Die
Frau d^'s Teufels. An die Stelle des Uorco in dem ent-
8. Littcratur der Volksniiirclicii : Sclinclli'i'. (;.">
spreclieiideu Märchen des Peutaiueroue ist liier der Teufel ^^ i^j^-^^^-^r^
getreten, der seiner Frau eine Thür des Hauses (die Tliür
der Hölle) zn öil'neu verbietet, ganz wie in Nr. o'i (der Teufel
und seine Weiber) nnd in dem diesen entspreclienden vene-
zianischen Märchen im Jahrbuch 7. 14S. Eigentümlich ist
der Anfang von Nr. '.VI. der aucii in Nr. oO begegnet, nämlich
dass ein Mädchen von einem Kettich oder Sellerie, den sie
heransziehen will, unter die Krde hinabgezogen wird |lm-
briani, Nov. mil. Nr. ;)|. — Nr. oH. Zwei für einen. Eine
minder gute italienische Version dieses Märchens siehe im Jahr-
buch f. vom. und engl. Litt. 7, 89'2 [Gonzenbach Nr. 7"J, Zs.
(1. V. f. Volksk.d, l(i7l: deutsche bei Clrimm Nr. 101, MüUeh-
hoff Nr. .')'.)-J, Stracker Jan "i, H"iH. — Nr. 3(S. Die Königin
von den goldenen Bergen, ist teilweise der vorhergehenden
Nr. 'M. der Schuster, ähnlich, noch mehr aber dem gaelischen
bei Campbell Nr. 44 und dem ungarischen bei v. (iaal-Stier
Nr. <i. Vgl. Or. und Occ. 2. (IS-J. Eigentümlich dem wälscli-
tiroler Märchen ist. dass eine Taube den Helden übers Meer
trägt, die er unterwegs mit dem Mark vieler getöteter
Vögel füttert und der er. als jenes endlich ausgeht, seine
beiden Arme hinhalten muss, damit sie das Mark daraus
sauge. In vielen Märchen kommt vor, dass der Held in
; hnlicher Situation sich selbst Fleisch ausschneidet und dem i:^.83
ihn trügenden Vogel oder Drachen zu fressen giebt. — Nr. o!».
Der Sohn der Eselin, mit '.^ Variationen in den Anmerk.
Der llerausg. verweist auf Zingerle "2. 403. Vgl. ausserdem
die italienischen Märchen im Jahrbuch 7. "iO und S. 241
mit meinen Nachweisen dazu. — Nr. 44. der King, ent-
spricht einem Märchen des Siddhi-kür (bei Jülg S. G(^), über
welches Benfey Pantschat. 1. 213. der auch an Pentamerone
IV, 1 erinnert, spricht. Man vgl. |Asb)örnsen Nr. ()3. Luzel.
Bihanic: 3. rapport p. 151, Kadloff' 1. 320 : 3. 395] auch
das ungarische bei (iaal-Stier Nr. 13. das märkische in Wolfs
Zeitschr. 1, 33S, das griechische bei v. Hahn Nr. !) und be-
sonders das von Knust aufgezeichnete italienische im Jahrb.
7, 390, mit welchem wiederum ein Märchen der Akwapim
in Petermanns Mitteilungen 1S56, S. 470 teilweise merkwürdig
(J4 Zur Märohpiitnrschuii;;'.
Übereinstimmt. — Nr. 45. Die Empfindlichste. Vgl. die
zehnte Erzählung des Baital-Pachisi im Ausland iSliT, S. 151,
die Erzählung in der Reise der Sohne (liatters bei (Irimm '4^
•28s [ed. Fischer nnd Holte 1(S9(), S. '217 1 und besonders die
von H. Oesterley im Ausland ISliT, S. 158 angeführte Erzäh-
lung ans der Elite des contes du Sieur dOuville (ä la Haye
1708 -2, 152). — Nr. 4(i. Witzige Antworten. Der
Herausg., der sonst Zingerle üeissig citiert. hat doch über-
sehen, dass dies Märchen sich bei Zingerle 2, 42 findet.
Vgl. auch Jahrb. 5. 5 und S. — Nr. 47. Die Hruthenne.
Vgl. Grimm Nr. 1<)4 mit den Anmerk. und Benfey Pant-
schat. 1, 501. |Waldis IV, SO, Kirchhof, Wendunmut 1, 171.]
— Nr. 4S. Das Käslaibchen. Vgl. v. (iaal S. 27() „die
geizige Bäuerin". — Nr. 49. Die drei Rätsel. Dies ist
mit geringfügigen Aenderungen das Märchen von Kalaf nnd
Turandokt in der persischen Sammlung „100] Tag", die be-
kanntlich Petis la Croix 1710 in französischer Bearbeitung
1384 heraus-|gab. Auch die Rätsel seilest sind dieselben, nur die
Auflösung des Rätsels von der Mutter und ihren Kindern ist
verschieden; im persischen: das Meer^und die Ströme, im
tiroler: die Erde und die Menschen. Bekanntlich hat (lozzi
in seiner Turandot das persische Märchen dramatisiert.
Dass aber das vvälschtiroler Märchen nicht etwa ans (iozzis
Tragikomödie geflossen ist, beweist der Umstand, dass (Jozzi
das Rätsel von der Mutter gar nicht hat. — Nr. 51. Die
Greifenfeder. Vgl. zu Blade Nr. 1 und Toppen S. 189. —
Nr. 58 und 54. Der starke Hans. Der Zug. dass Hans beim
Wettwerfen die Leute jenseits des Meeres durch Schreien warnen
will, kommt auch in dem von mir im Jahrb. S, 24S mit-
geteilten italienischen Märchen vor. — Nr. 55. Tarandando.
Der Herausgeber musste jedenfalls auch auf Grimm Nr. 14
hinweisen. Vgl. auch oben zu Henderson S. 221. Wie im
tiroler Märchen die faule Tochter 7 T(ipfe Mus aufisst und
die scheltende Mutter dem vorübergehenden Herren sagt, sie
habe 7 Spulen Garn gesponnen, so isst auch bei Henderson
die Tochter 7 Puddings und die Mutter ruft: My daugRler 's
spun se'uen. seuen, se'uen, my daughter "s eateu se'uen,
8. l.irtcratiii' der VulUsiniirclicn : Schiioller. (55
.seueii, seilen. Wenn im tiroler Märchen die Tochter aus
Missverstaiul einen Hund, der Ehrlich heisst. kocht, so er-
innert dies au die 47. Historie von Kulenspiegel, wie er einen
Hund, der Hopf liiess, für Hopfen siedet, und au das Märchen
bei Haltrich Nr. (13, wo Haus den Hund Petersilie kocht. —
Mr. 5G. Die närrischen AVeiber. Vgl. auch das apulisehe
Märchen im Jahrbuch <s, "ilJi und meine Bemerkung- dazu
S. •2(u. — Nr. 57. Turlulu. Was den Verkauf der Lein-
wand au die Bildsäule betrit^'t. so vgl. oben zu Blade Nr. 8. [
AVie Turlulu den (|ua-(|ua-qua-schreienden Fröschen die (Jeld- i38r>
stücke ins Wasser wirft, damit sie sich selbst überzeugen
sollen, (lass es mehr als vier (quattro) seien, so auch Bertoldiuo
in dem bekannten italienischen Volksbuch. Vgl. auch Grimm
Nr. 7. — Nr. 5(S. Wie einer fünf mal ist umgebracht
worden. Vgl. die von von der Hagen (Jesamtabeuteuer
Bd. 3, S. LHI bis LVIH, besprocheneu altfranzösischen Ge-
dichte, die Geschichte des kleineu Buckligen in 1001 Nacht,
die erste Novelle des Massuccio und die dritte des Patrn auelo
des TiüKineda, das altdeutsche Gedicht in v. Kellers Erzählungen
S. 111, die siebenbürgischen Märchen bei Haltrich Nr. (Jl und
im Ausland LS.)!!, S. 71(), dass schon oben bei Nr. 4S, wozu
es teilweis gehört, citierte ungarische bei v. Gaal S. 27(i und
den oldenburger .Schwank bei Strackerjan 2, 174. Zum Ein-
gang des wälschtiroler Märchens vgl. das altdeutsche Gedicht
vom wahrsagenden Baum in von der Hagens Gesamtaben-
teuer Nr. "29. — Nr. (!0. Lustige (ieschichtchen. Zehn
Geschichtclien, fast säuitlich in die Klasse der Ortsneckereien.
Schildbürgerstreiche und dgl. gehörend [zu Nr. H vgl. Pröhle.
Feldgarben S. ;^()'j. Finamore Nr. '2^)\. Es sei nur noch er-
wähnt, dass der übrige kleinere Teil des Schnellerschen Buchs
(S. 199 — ■25(5) Sagen, Sitten, Gebräuche und Glauben, Reim-
sprüche und Rätsel, beide letzteren im Original und in Ueber-
setzung enthält, und dass Herr Sehn, im Vorwort S. VII einer
von ihm gleichfalls seit längerer Zeit angelegten Sammlung
wälscher Volkslieder gedenkt, „deren Veröii'entlichung günstige
Umstände vielleicht auch noch eruKiglichen werden." AVir
R. Kühler, Kl. Schriften I. 5
()(j Zur ^litrt'lienforschuiii;'.
wünsclieu und hoffen, dass diese Veröffentlichung recht bald
erfolgen möge. |
I38(i <). Der Titel „Aberglaube und Sagen aus dem Herzitg-
tum Oldenburg" giel)t den Inhalt des Strackerjanschen
Werkes nicht erschö})t'end an: denn dasselbe enthält in der
That nicht bloss Aberglauben und Sagen, sondern auch sehr
viel Sitten und Bräuche, mehrere Lieder und Sprüche, die
bei gewissen Anlässen gebräuchlich sind, zahlreiche, leider
nicht zusammengestellte, sondern durch das ganze Buch zer-
streute Rätsel und SprichwTirter und endlich, weshalb wir es
hier zu besprechen haben, Märchen und Schwanke. Einige
der Märchen und Schwanke finden sich liie und da unter dem
Aberglauben und den Sagen zerstreut, die Mehrzahl aber
findet sich beisammen und bildet das fünfte und letzte Buch
des ganzen Werkes (Band "i, S. 2S1 bis 'M^ii). Sie sind gut
wiedererzählt, einige sogar ganz vortrefflich und reich an
echt volkstümlichen Hedensarten und Wendungen.
Die Keilie der Märchen und Schwanke eröffnen Kräh-
winkeleien (§ (ilo, a — u), vornehmlich der Hauwieker, der
Dcholter und der Holtweder. Die meisten derselben werden
auch von zahlrei<'hen anderen Orten in und ausser Deutsch-
land erzählt, was nachzuweisen hier jedoch zu weitläufig wäre.
Einige der hier lokalisierten Schwanke werden sonst meist
ohne Anknüpfung an einen bestimmten Ort erzählt, so ist
i> ()!.') k (^ine Variante des weitverbreiteten Märchens, dessen
älteste Gestalt bis jetzt für uns in dem lateinischen Unibos
vorliegt, vgl. meine Nachweise im Orient und Occident 2,
48(). — i^ ()!'), n findet sich dänisch bei Grundtvig 2, 209
[unten zu De Gubernatis Nr. 27]. — Zu § 615, o vgl. Grimm
Nr. 5U, besonders die Variante aus der Diemelgegend. In-
bezug auf den Schluss (eine Kuh wird auf ein Dach gezogen
1H87 oder gehoben, um das (iras d<n*t zu fressen) vgl. Camp-|bell 2,
377 und ;^S(*), das Laienbuch Cap. 32 und den Schluss von
Schneller Nr. .")(!. — Zu i? (ilä, p vgl. meine Nachweise im
Jahibnch S, 2()7, feruer Schneller Nr. 5() und Halliwell
l)()|)ular rhymes and nursery tales S. 31 (wo die Frau das
Gfld für GiMtd Fortune aufheben soll).
M. Litt(M-atiii' der VolksniärclK-n : Sti';ick(M-jiui. (57
Auf die Kriiliwinkeleieii folgen mehrere Lügeiimarclien:
i> (U(), die beiden Reisenden, (ilT, Hagelxiken-Evan-
gelium (vgl. (Irinim Nr. loS), (üs, die Reise in den Mond
(vgl. dazu meine Bemerkungen im Jahrb. 7, 277). (Ili),
der Traum. — § (i'iO. a, b. Bruder Lustig, /u a vgl.
oben meine Bemerkung zu der Legende bei IVter 2, IHli;
zu b vgl. (irimm Nr. S-J und die Märchen im Jahrb. 5, 4
und 7. liM mit meinen Bemerkungen. — (J'il. der (Ilas-
berg, gelnirt zu denselben Märchen, wie oben das masurische
vom Ritt ins vierte Stockwerk. Vgl. n. a. auch Meier Nr. 1
und Sommer Nr. 4. — ()"22. Die Lebensblume. P^igen-
tümliches Märchen mit, Kiementen aus dem Märchen von den
gleichen Brüdern ((Jrimm Nr. 60 und <S5, Gr. und Occ. 2,
1 1 S) und aus dem von Blaubart und verwandten (vgl. meine
Nachweise im Jahrb. 7, 151). — (i2o. Der dankbare
Tote. Eine unvollständige nnd nichts besonderes enthal-
tende Version des bekannten Märchens. — ('i24. (Joldhahn,
Tischchen deck dich und Knüppel aus dem Sack. Vgl.
das jütländische Märchen bei Etlar S. 150 und das mährisch-
walachische bei Wenzig S. 104. In allen dreien giebt ein
geiziger Reicher einem Armen ein Stück Fleisch und heisst
ihn damit zum Teufel gehen. Der Arme thut es und erhält
für das Fleisch von dem Teufel einen Hahn, der Dukaten
von sich giebt. In dem mährischen Märclien kehrt der Be-
schenkte mit seinem Hahn alsbald nach Hanse zurück; der j
Reiche will nun ebenfalls sein (llück versu(dien, wird aber i388
vom Teufel in der Hrdle behalten. Das oldeubnrger und
das jütländische Märchen sind erweitert worden durch Heran-
ziehen des Märchens vom Knüppel aus dem Sack oder von
der Tasche, aus der Soldaten hervorkommen (vgl. Anm. zu
(irimm Nr. '-U') und 54). |Sv. Landsm. 5. 1, (53, Benitsen 2,
Nr. S, Grönborg S. S*).| Ohne diese Erweiterung, aber sonst
eigentümlich verändert, findet sich das Märchen von dem
Armen, dem der Reiche ein Stück Fleisch schenkt und ihn
damit zur Hrdle schickt, bei Asbjörnsen Nr. 51 und Grundt-
vig 1, 110 [Brugman Nr. 40, Arnason-Povvell p. 12]. —
(»25. Die drei Raben. Vgl. (irimni Nr. !>. 25 und 49 mit
ßg Zur ^rärclienfoi>chuiig.
den Alimerk., Yerualekeii Nr. 4 und 5, Wenzig S. lli.
Peter 2, 169 [Kristensen 1, Nr. 27, Janiisen Nr. 5, Madseii
p. Gl]. — 62(j, Rott sin Vetter. S. oben zu Schneller
Nr. 33. — ()27. Besser dreist als verzagt. Aehnliclie
Sagen und Märchen sind nachgewiesen von W. Menzel (3din
S. 255: besonders vgl. die 349. Sage bei J. W. Wolf. —
628. Hans Bär. In diesem Märchen sind verschiedene
Märchen nicht allzu geschickt verschmolzen, nämlich das
Märchen vom jungen Riesen (Grimm Nr. 90), vom Zauberer
und seinem Lehrling ((irimm Nr. GS), vom Hasenhiiter (siehe
oben zu Peters Hasenjackel) und vom Juden im Dorn (Grimm
Nr. 110). — 629. Däumling. — 630. Die drei Hunde.
Vgl. die von mir im Jahrbuch 7, 132 besprochenen Märchen.
— 631. Wasserpeter und Wasserheinrich = Grimm
Nr. 60, aber mit absonderlichem, wohl ziemlich neuem Ein-
gang. — 632. Vom Königssohii, der fliegen konnte.
Vgl. das russische M. bei Dietrich Nr. 11 [Miklosich Nr. s,
Zingerle 2, 35]. — 633. Die Zauberflöte. Vgl. Pen-
tamer. 1, 3, Grundtvig 2, 30S, v. Hahn Nr. s. Dietrich Nr. 13.
Ghodzko S. 331, Wolfs Zeitschrift 2, 3S, Kuhn, märkische
Sagen und Märchen S. 270. Mülleuhoft" Nr. 14. — 634. Doktor
1389 Allwissend. Vgl. (Jrimin Nr. 9S, | Orient und Occid. 1,
374; 3, 1<S4 |= oben 39]. wozu ich noch Nachträge, die ein ge-
naueres Eingehen erfordern, bei anderer (ielegenheit zu geben
gedenke. — 635. Von dem Jüngling, der nicht bange
war. Vgl. Grimm Nr. 4, wo man zu den Anmerkungen Ey
S. 74. Schönwerth 3, 147 und Schneller \r. 52 nachtrage. —
636). De Pastor un sin Kost er. Vgl. Meier Nr. ()6.
Aehnlichkeit hat auch Campbell Nr. 15. — 637. Anholen
winnt. — 638. Harm in der Hülle und im Himmel.
Einem Trunkenbold wird weissgemacht, er sei in der Hölle
und im Himmel gewesen. [Polivka, Arcli. f. slav. Phil. 19,
242 Nr. 10]. Auf ähnliche Weise wird bei Bebel 251, Ban-
dello 2, Nr. 17 und Kirchhof 1, 37S eine trunksüchtige Frau
zu kurieren gesucht. Vgl. auch Boccaccio Decam. 4, 8 und
dazu Fr. W. V. Schmidts Beiträge S. 24. — 639. De
Mann und dat Kalf. Vgl. Bebel facet. 2. 142. Ambraser
8. Litterahir der Volksinärcheii : Strackerjan. 69
Liederbuch Nr. l-V.) |(i()edeke, Liederbuch S. 3(1, Keller, Fast-
uachtspiele Nr. 123, (last. Convival. serm. 1, 124, Chrza-
iiowski, Sitzungsbericht der Krakauer Akad. philol. Kl. 1(S94,
304. N. preuss. Provbl. 12, 175 (1S51), Reinhart, Bassle-
dang 1S77, S. 14 nach Alsatia 1^7;"), 2()r)J und den ersten
Teil des wetterauischen Märchens vom Fuhrmann in Wolfs
Zeitschrift 3, 3(5 [== Firmenich 3, 55<S]. — G40. Die drei
beredte n T ö c h t e r. Vgl, M üllenhoft" Nr. 9 (De dre Süstern).
[B(dte, Zs. d. V. f. Volksk. 3, r)S; 7, 320, Zs. f. vgl. Littgesch. 7,
4:)1, Blätter f. pomni. Volksk. 1, isl, Arne p. 23.] — (;41.
Nord-inn. Ein Schiftermärchen, zu dem ich keine Parallele
weiss. Ausser diesen Märchen enthält Strackerjans Buch,
wie schon bemerkt, auch noch andere, die hier und da zer-
streut stehen. Auf einige derselben habe ich schon ge-
legentlich bei einzelnen Märchen der vorher besprochenen
Sammlungen hingewiesen, auf die folgenden will ich aber
hier uocli besonders hinweisen. — § 257, p. Märchen vom
Knaben, der in der Hülle dient und das Feuer schüren
muss und in die kochenden Töpfe nicht sehen darf. Vgl.
meine Nachweise im elahrbuche 7, 2()<s. — i< 257, q. Märchen
V(tm We tt kam pf im Essen und Laufen. Vgl. Jahrbuchs, 7;
7. 1() und Ziugerle 2, 111. — i^ 257, s. Märchen von
einem l^rdmännchen und | einem Knaben. Enstellung 1390^
der äsopischen Fabel vom ärdgionoc: xm Zärvoog, die sich
unentstellt auch bei Ziugerle 2, 102 findet. — 356, a. M.
von Bohne und Maus. — 374. a. M. von der Feindschaft der
Hunde und Katzen und Clause. Vgl. den Schwank des Hans
Sachs (Buch 2, Teil 4) ,, Warum die Hunde den Katzen und
Mäusen so feind sind" und das mährisch-walachische Märchen
bei Wenzig S. 44 [Bolte, Zs. f. vgl. Littgesch. 7, 451: 11,66].
Zu dem Anfang unseres Märchens vgl. das Märchen bei
Kuhn Westf. Sagen 2, 237, welches übrigens der Fabel
des Phädrus 4, 17 ganz ähnlich ist. Siehe auch Wolfs
Zeitschr. 1. 224 und 225. — 375, c. M. von Salomons Katze.
Der bekannte Schwank aus „Salomon und Morolf". — 376, a.
Märchen von Mäuschen und Mettwurst. — 3(S0, a. Märchen
von den Hasen und Fröschen, b. V(im Hasen und vom
70 Zur Märchenfurschuno-.
Fuchs, der sieh vom Haseii anführen lässt und dem sein
Schwanz im AVasser fest friert. Vgl. Birlingers Kinder-
büchleiu S. 54. Sonst vom Wolf oder Bär als Angeführtem
und vom Fuchs als Anführendem erzählt, siehe Orient und
Occid. 2, 'M)l [zu Campbell Nr. 17, Cosquin Nr. 54, Wucke 2, DH,
Krohn, Journ. de la soc. tinno-ougr. (>, 25J, Grundtvig 2, llS,
Russwurm, Sagen aus Hapsal Nr. 1()9. Bei den Osseten
führt ein Fuchs die anderen Füchse so an, Bulletin de
lAcademie de St. Petersbourg 8 (1<S(;5), 42. — 8Sl, b)
Märchen vom Fuchs und vom Bauer. Vgl. dazu meinen
Aufsatz in Wolfs Zeitschr. H. 2!)S |=^ oben S. 1]. — oS!), a)
Märchen von der Holztaube und der Fister. — 8',)5, b)
Märchen von der Kister und Christus am Kreuz. —
400, a) Märchen vom Nettelkönig (Zaunkönig) und der
Eule. Es ist das bekannte Märchen von der Königswahl der
Vögel, siehe Wolfs Zeitschr. 1, 2, Pfeiffers (iermania <i, SO,
Orient und Occident 2, :)02. Das oldenburger Märchen und
1391 das märkische | bei Wüste, Volksüberlieferungen S. 39 sind
etymologische Märchen, indem in beiden, aber auf ver-
schiedene Weise, der Ursprung des Namens Nettelkönig er-
klärt wird.
7. Herrn Dr. Leibings Büchlein sollte füglich nur „Sagen
des Bergischen Landes" betitelt sein, denn es enthält mit
Ausnahme des Märchens vom starken Hermel, welches dem
Buche von Montauus „Die Vorzeit der Länder -lülich. Cleve,
Berg" 1, 355 entlehnt ist, keine eigentlichen Märchen.
S. Die neue Ausgabe der bekannten trefflichen nor-
wegischen Märchensammlung von P. Chr. Asbjörnsen und
fl. Moe unterscheidet sich von der vorhergehenden zw^eiten
(1<S52) wesentlich dadurch, dass die Einleitung und die An-
merkungen weggelassen sind. Bekanntlich enthalten aber
jene Anmerkungen nicht nur i'eiche Hinweise auf ähnliche
ausländische Märchen, sondern auch sehr viele norwegische
\'arianten, die für die Märchenvergleichuiig oft ebenso wichtig.
j;i wichtiger als die llaupterzählung sind. Deshalb bleibt für
den Forscher die zweite Ausgabe nach wit^ vor unentbehrlich.
Zu den 5S Märchen der zweiten Ausgabe sind in dei' neuen
8. Litteratiir der Ve)ll<sniiuH'lu'ii : Ashjöniseii. iröllcr. 7 1
zwei neue hinzugekommen, Nr. 59, den retfierdige Finskilling,
und ()0, Han Fa'r sjöl i Stua. Das erste derselben, das
sch(ine Märchen vom rechtschaffen verdienten Vierschilling-
stück, findet sich ganz ähnlich auch bei den Serben. Wuk
hat es (Nr. 7) über8(;hriei>en: „(ierecht Erworbenes kann
nicht verloren gehen"; kürzer und dem Norwegischen ent-
sprechend wäre die Ueberschrit't: „der rechtschaffen verdiente
Pfennig'' [Brngman Nr. 29, Ralston p. 4^5, Qvigstad-Sandberg
Nr. i;^. Poestion, Isl. M. Nr. llj. Wie im Eingang I des 1392
norwegischen Märchens, welcher anders als der des serbischen
ist, der efunge einem grossen Steine im freien Feld, seine
Jacke zum Schutz gegen die Kälte schenkt, so schenkt in
einem polnischen bei Chodzko S. 852 ein Knabe einem Baum-
stumpf, der ihm ohne Mütze frieren zu müssen scheint, seine
JMütze. Inbezug auf den Verkauf der Katze in dem katzen-
losen, von Mäusen geplagten Lande vgl. auch Grimm Nr. 70.
Waldau S. 17() und Benfey Pantschat. 1, 472 jCionzenbach
Nr. 76; Zs. d. V. f. Volksk. 6, 1(;9]. Das letzte Märchen
ist trefflich erzählt, aber unbedeutend im Inhalt: es handelt
von einer Wolfsgrube, in die zu einem Fuchs, einem Wolf
und einem Bären zuletzt auch noch eine alte Frau hinein-
fällt, welche sich mit dem Bären gut zu stellen sucht. —
Gedenken wir schliesslich noch der höchst erfreulichen Mit-
teilung des Vorworts, dass eine neue Sammlung norwegischer
Märchen bald erscheinen soll, welche sowohl die von Herrn
Asbjörnsen gelegentlich in Kalendern und kleinen Schriften
bekannt gemachten, in Deutschland ai)er meist unbekannt ge-
bliebenen als aucii nicht wenige Idsher noch ungedruckte ent-
halten wird.
9. Das interessante Büchlein des Herrn J. P. Möller, der
— nelienbei bemerkt — kein Gelehrter, sondern ein Uhr-
macher ist, enthält ausser den Sagen nnd einigen Reimen und
Sprichwörtern leider nur ein Märchen (S. 56). Es ist das
Märchen von der einfältigen Frau, die für irdene Töpfe das
ganze ersparte Geld ihres Mannes hingiebt (vgl. Jahrl»uch 8,
2(j7 ; Schneller Nr. 5(5) und die später die Hansthür vom
Baum herab auf die Räuber fallen lässt (vgl. Jahrb. 5. 20:
72 ^u'" Märe'lieiiforsclnmiu:.
1893 8, 2t)7). Der Scbluss des | Märchens, dass die Frau einem
der zurückkehrenden Räuber listiger Weise die Zunge aus-
schneidet, kommt ganz ähnlich in dem Märchen von Hans
und Jagerle bei Haltrich Nr. 64 vor [ebenso Kamp, D. F.
p. 140, Bergh, Nye F. E. p. 40, Soge-Bundel p. 55, Mijatovics
p. 259, De Nino Nr. 72, Hahn Nr. H4, Leite de Yasconcellos
p. 294, Fleury p. 165, Steel and Temple p. 241]. — [Auf
S. 26 findet sich das alte Märchen vom Schrate 1 und
Wasserbär, dessen weite Verbreitung aus nachfolgender
Zusammenstellung erhellt: Hagen, Gesamtabenteuer Nr. 65 =
AVackernagel, Zs. f. d. Altert. 6, 174: danach Baumbach,
Abenteuer und Schwanke 1M<S4 S. 79. Martin, Neue Frag-
mente des Gedichts van den vos Keinaerde 18<S9 S. 6S.
Müllenhoff S. 257. 601, Kuhn-Schwarz, Nordd. S. Nr. 225, 2,
Engelien-Lahn 1, 21 Nr. 11, Panzer 2, 161, Schönwerth 2, 1<S7,
Seifart, Hildesheim 2, 52, Schleicher, Volkstümliches aus
Sonneberg S. 76, Vernaleken, Mythen Oesterreichs S. 180,
1S2. Pröhle, Harzsagen ^ 1S86, S. 110, Haupt, Sagenbuch
der Lausitz 1, 52, Veckenstedt S. 195, Schulenburg, Wend.
Volkssagen S. 122, Volkstum S. 59. E. Kühn, Der Spree-
wald 1.S89, S. 111, Grundtvig 3, 2:^0, Asl»j(.rnsen u. Moe
Nr. d(^; Huldre-eventyr p. 195, Fay 1S44 p. 30, Folk-lore
Journal 1, 298, vgl. (Jrimm, D. ^lyth. S. 447. Simrock. Beowulf
S. 176.1
9. Ein anscheinend deutsches Märchen von
der Nachtigall und der Blindschleiche und
sein französisches Original.
(Zeitwclirift des Vereins für Volkskunde 1, 53 — 5*5. 1891.)
In Firmenichs „(iermaniens Völkerstimmen" 1. 283 steht
ein Märchen „De nachtigall und de blinnerslange" (Blind-
schleiche) in der Mundart von Warendorf im preussischen
Regierungsbezirk Münster. Dieses Märchen hat — ohne
Quellenangabe — H. F. W. Raabe in sein „Allgemeines platt-
9. Ein ansclieiiitMid deutsches Märclieii von der Naclitit;all. 78
deutsches Volksbuch'', Wismar und I.udwigslust l<s,j4. S. •J84,
aufgenomraen, aber in mecklenburg-schwerinsche Mundart
übersetzt und ,,Dei Nachtigall un dei Hartworm orer Blind-
schlang"' betitelt. F. H. von der Hagen hat in seiner Be-
sprechung von Firmeuichs AVerk in seiner „(iermania" S, 21 <s,
die ,,Warendorfer Märe" als „sonderbar*' hervorgehoben und
ihren Inhalt mitgeteilt, und K. Schiller, ,.Zum Tier- und
Kriluterbuche des mecklenburgischen Volkes" 1. Heft, Schwerin
1S()1. S. 2, hat mit Verweisung auf von der Hagen und Raabe
des Märchens gedacht. Von der Hagen und Schiller haben
das Märchen jedenfalls für ein deutsches gehalten, und wohl
die meisten Leser der genannten Bücher werden dies auch
gethan haben. Das Märchen ist aber gar kein deutsches,
sondern ein franzrisisches. Es findet sich nämlich in der
ersten Ausgabe der ,,Kinder- und Haus-Märchen-' der Brüder
(irimra, Berlin INI 2. S. 20 f.. als Nr. (! ein Märchen „Von
der Nachtigall und der Blindschleiche", welches nach der An-
merkung dazu aus dem Franzeisischen übersetzt ist. Das
Märchen bei Firmenich aber ist nichts anderes als eine fast
durchaus | wörtliche Uebertragung der (irimmschen Ueber- 54
Setzung in die AVarendorfer Mundart.
Da die erste Ausgabe der Grimmschen Märchen sehr
selten ist. und auch die Memoires de l'Academie celtique,
aus denen das Märchen übersetzt ist, wenigstens deutschen
Lesern nicht leicht zugänglich sein werden, wird es gerecht-
fert-ist erscheinen, wenn ich üebersetzung und Original hier
mitteile.
Die Grimmsche üebersetzung lautet:
Von der Nachtigall und der Blindschleiche.
Ls waren einmal eine Nachtigall und eine Blindschleiche,
die hatten jede nur ein Aug" uml lebten zusammen in einem
Haus lange Zeit in F'rieden und Einigkeit. Eines Tags aber
wurde die Nachtigall auf eine Hochzeit gebeten, da sprach
sie zur Blindschleiche: „ich bin da auf eine Hochzeit gebeten
und nnigte nicht gern so mit einem Aug" hingehen, sey <loch
74: Zur Märcheiit'urscluinuj.
SO gut imd leih mir tleins dazu, icli bring dirs Morgen wieder."
Und die Blindschleiche that es aus (iefälligkeit.
Aber den anderen Tag, wie die Nachtigall nach Haus
gekommen war. gefiel es ihr so wohl, dass sie zwei Augen
im Kopf trug und zu beiden Seiten sehen konnte, dass sie
der armen Blindschleiche ihr geliehenes Aug" nicht wieder-
geben wollte. Da schwur die Blindschleiche, sie wollte sich
an ihr, an ihren Kindern und Kiudeskindern rächen. ,.(ieh
nur. sagte die Nachtigal, und such einmal:
ich hau mein Xest auf jene Linden,
so hoeh, so hoch, so hoch, so hoch,
da magst dus nimmer wiederfinden!"
Seit der Zeit haben alle Nachtigallen zwei Augen und
alle Blindschleichen keine Augen. Aber wo die Nachtigall
hinkommt, da wohnt unten auch im Busch eine Blindschleiche,
und sie trachtet immer hinaufzukriechen, Löclier in die Eier
ihrer Feindin zu bohren oder sie auszusaufen.
Im „Anhang'' ist dazu S. VII bemerkt:
Zur Nachtigall und Blindschleiche. Nr. (>.
aus dem Französischen übersetzt. Memoires de Tacademie
celtique. Tome 2. •204. 205. Vergl. T. 4, 102. Das Märchen
und der Glauben findet sich unter den Solognots. Die fran-
zösischen Reime ahmen den Ton der Nachtigall glücklicher
nach :
je ferai mun nid >i liaut, si liautl si l»as!
(jue tu ne le rrouveras pas 1
Die „Memoires de lAcademie celtique. ou Recherches
55 sur les anti<iuites | celti(|ues, gauloises et francaises: publies
par FAcademie celtique'', Tome II. Paris isos, pag. 204 — 21S,
enthalten ,,Traditions et usages de la Sologne ^), par M. Le-
gier, du Loiret. Fx-Legislateur. et Membre de lAcademie
celtique". Nr. II derselben (S. 204 f.) lautet:
Le rossignol et l'anvot. suivant la croyance des Solog-
nots, navaient (|u"un oeil chacun. Depuis tres-long tems
') Die Soh)g'ne liegt im Departement I.oir-Cher.
9. Kill ansclicinoiul doutsclieh i\Iäi'i'hen von der Ntu-litigiiU. 75
ils vivaieiit (laus ime bonne iutelligence: mais le rossignol fiit im
joiir iiivite de la uoee. 11 pria lanvot le liii preter soii oeil,
afin de paraitre a la noce avec deux yeux. I/anvot le liii i)reta.
Le rossignol de retour, refusa de reudre ä son ami l'oeil
([u"il lui avait prete. Lauvot Üäelie jura de s'en veuger sur
lui ou sur sa progeniture. Mais le rossignol ingrat lui re-
pondit: .le ferai mou nid si haut, si haut, si haut, si bas,
que tu ue le trouveras pas: et voilä pourcpioi lanvot ne
voit pas C'lair. Lopinion des Solognots est ((ue non loin du
nid dun rossignol. souvent sous larbuste ou il est. on peut
chercher, on y trouvera certainement un anvot: jai cherche
et nai rien trouve.
Wenn die Brüder (irimni auch noch auf ,.T. 4, lO'i"-'
der Memoires de TAcademie eeltique hinweisen, so bezieht
sich dies auf eine Stelle einer Bd. IV, Paris iSOi), S. i)8— 108,
stehenden „Notice sur les traditions et les croyances de la
Sologne et du Berri : par M. Legier, du Loiret. Suite" ^).
Hierin lieisst es S. 100:
La fable druidicjue relative a lanvot et au rossignol. y
[i. e. en Berri] est accreditee comnie a Sologne. et citee
menie comme proverbe. sans (biute parce (juelle tieut ä la
fois aux allegories du <hHiidisine et ä la niorale. Par ce
double rapport. nous avons cru. M. Johanneau et nioi. (pielle
meritait detre versitiee. et nous lavons niis en vers: la voici.
Nun folgt (S. 100 — lO'i) die versificierte P'abel. welche
also schliesst:
Aveugle et iiiallieureux par tro]) de eomplaisaiice,
Depiiis ce teiiis i'Aiivdt caehe son existence
Sous le nid de Tiiigrat; attend dans le silenee
L'inistant de se venger de Foeil qu'il a perdu,
En mangeant Toeuf que le traitre a ])oiidu.
Unter dem Text steht zu „lingrat" die Anmerkung: ( ^)
On dit (|u"il se trouve toujours un Anvot sous le nid du
Rossignol, et (juil en perce et mange les oeufs. —
Es sei noch bemerkt, dass auch in neuerer ZeiJI in ver- t
') 8. 9:H und \m ist Legier gedruckt, im 2. Hand ist S. 204 und
471 Legier 8. 4(i8 Legier gedruckt.
7(5 Zur Märchenforschung.
schiedenen Gegenden Frankreichs Varianten des Märchens
von der Nachtigall und der Blindschleiche gefunden und auf-
gezeichnet worden sind. Man sehe Laisnel de la Salle,
Croyances et Legendes du Centre de la France, Paris 1875,
2, 245 (Märchen aus Berry, schon früher nach Laisnels Mit-
56 teilung in | des Grafen Jaubert Glossaire du Centre de la
France, 2. ed., Paris 1.S64, S. 31 b gedruckt), Fievue des
langues romanes IV, Montpellier- Paris 1<S7)3, S. 317 f.
(Märchen aus der Provence); E. Rolland, Faune populaire de
la France, 11. Paris 1S79, S. 270 (Märchen aus Chätillon-
sur-Loing im Departement Loiret), 111, Paris 1<S<S1, S. 21
(Märchen aus Cote-dor) und 22 (Märchen aus dem Kanton
Escurolles in Bourbonnais), Revue des traditions populaires
I. Paris 188G, S. 177 (Märchen aus Nivernais).
10. Tom-Tit-Tot.
(Folk-Lore 2, 246. London 1891.)
To the Editor of Folk-Lore.
Sir, With regard to the note of Mr. W. F. Kirby ^) in
F(dk-Lore (vol. 2, p. 132), I would point out the following
remark of E. Taylor to his translation of the Grimms' folk-
tale, "Rumpelstilzchen" (which \v(ird he changed into "Rum-
pelstiltskin"): "We remember to liave lieard a similar story
from Ireland, in which the song ran:
Little does my Lady wot
That my name is Trit-a-Trot".
1 drew attentiou to this remark of Tavlors so lona: aso
') [Dieser hatte als Xarlitrai;' zu t'lodds Artikel über das 3Iäroheu
von Riimj)elstilzclieu (im Folk-Lore Journal 7, 138 — 143) einige Verse
beigebracht, in denen der Name des schadenfrohen Zwerges Trit-a-trot
lautet.)
10. Tom-Tit-Tot. — 11. Zu Rabelais. 77
as ISTO, in my notes to p. Sl of (ionzeiibaclis „Siciliauiselie
Märchen-', whirli Mr. E. Clorhl appears to liave overlooked.
Weimar, Manh 14. 1S91.
Reinhard l!] Kö liier.
11. Zu Rabelais.
(Jalirbufh für roniimisrlu' Littoiatur :!, 33<s — 839. 18til.)
Den Freunden Kabelais" ist jener ergötzliehe Schwank
wohl bekannt, wie ein Teufel im Laude der Papefigues erst
von einem Bauer und dann von dessen Frau angeführt wird
(La vie de Gargantua et de Pantagruel livr, 4, chap. 45 — 47),
— ein Schwank, den bekanntlich Lafontaine in seinem „diable
de Papeüguiere" zum teil mit wörtlicher Pienutzung Rabelais"
nacherzählt hat.
^lit dem ersten Teile des Schwankes stimmen mehr (Mlrr
weniger genau deutsche, dänische und elistnische Märchen,
die in dem dritten Bande der Kinder- und Hausmärchen der
Brüder Grimm, 3. Aufl., S. 25!) f. |zu Nr. 1<S9J verglichen sind
und zu denen man noch die Krzählung von Till luilenspiegel
und den Schöffen zu Dahnen in der Eifel. die von Schmitz
in den Sitten und Sagen, Liedern, Sprichwörtern und Rätseln
des Eifler Volkes 2, 14'2 f.. mitgeteilt ist, fügen kann. Der
zweite Teil des Schwankes aber, dass nämlich der Teufel mit
dem Bauer sich kratzen will, aber durch die List der Bäuerin
abgeschreckt wird, findet sich nur in dem Märchen bei Müllen-
hoff, Sagen, Märchen und Lieder der Herzogtümer Schleswig.
Holstein und Lauenburg S. '278, und zwar in anderer, nicht
in obscöner Weise wie bei Rabelais. Die Bäuerin zeigt
nämlich in jenem Märchen dem Teufel einen grossen Riss in
ihrem eichenen Tische, den ihr Mann mit dem Nagel seines
kleinen Fingers gemacht habe. Auf die Frage aber, wo er
jetzt sei, sagt sie, dass er sich beim Schmiede die Nägel
schärfen lasse. Ebenso soll bei Rabelais jener freilich ganz
7^ Zur Märcliciit'urst'hunm'.
andere Kiss auch vom Bauer mit dem kleinen Finger gemaclit
339 sein, [ und die Bäuerin versichert dem '['eufel: „Kncores est
il alle chez le mareschal. soy faire aigiiiser et api)oincter les
griphes".
Dass aber Rabelais die allerdings nicht so anständige
Art, wie seine Bäuerin den Teufel täuscht, nicht etwa in
seiner mutwilligen Laune selbst erfunden, sondern dass er sie
— wie den ganzen Schwank ülierhaupt — dem Volksmunde
oder einer bis jetzt nicht bekannten litterarischen Quelle ent-
nommen hat, geht aus einer alteu indischen Erzählung hervcu-,
die H. Brockhaus soeben aus dem se(d]sten Buche der Samm-
lung des Sonuideva in den Berichten über die Verhandlungen
der königl. sächsischen (lesellschaft der Wissenschaften zu
Leipzig philologisch-historische Klasse, 1<S60, S. 120 f. mit-
geteilt hat [Castriert bei Tawney, Kathasaritsagara 1, 255].
Somadeva erzählt von einem armen Brahmanen, der sich
beim Hiflzhaueii am Beine verwundet hat. Die Wunde will
nicht heilen, und ein Bekannter rät dem Leideiulen, sich
einen l'isätscha (eine Art Dämojien) zu gewinnen, der ihm
die Wunde heilen werde. Der Brahmane gewinnt sich den
Pisätscha und wird von ihm bald geheilt. Kaum aber ist
dies geschehen, so verlaugt der Dännm ihm eine zweite solche
Wunde zum Heilen binnen sieben Tagen zu verschaffen; wo
nicht, so droht er den Brahmanen umzubringen. Der Brah-
mane ist tief betrül)t. Als aber seine Tochter, die bereits
Witwe ist, den (irund seines Kummers erfährt, sagt sie:
„Ich will den Däir.on schon täuschen: gehe nur zu ihm hin
uml sage ihm. er solle die Wunde deiner Tochter heilen'-'.
Der Bralnnane thnt dies und bringt den Dämon zu seiner
Tochter, die ihn bei Seite führt und ihm das zeigt, was die
Bäuerin bei Rabelais dem Teufel zeigt, und zu ihm sagt:
„O Lieber, heile mir diese Wunde!" Der dumme Dämon
wendet alle möglichen Salben an, aber der Riss will nicht
heilen. Nach mehreren Tagen verdriesslich, dass immer noch
keine Heilung erfolgt, stellt er eine genaue Untersuchung au
und findet zu seinem Schrecken unter dem einen Riss noch
einen zweiten. Da ruft er aus: ,,Was? die eine Wunde ist
12. VolUhiniirclu'u aus Frankreich: C. ^hmcaiit. 71>
noch nicht gelieilt. und schon ist eine zweite da! mit Recht
sagt das Sprichwort: je unnützer, desto nielir". Hierauf
läuft er eilig fort: der IJrahmane aber leht vou da gesund
und in Freuden.
Die Aehnlichkeit heider Krzidduugen ist so gross, dass
wir. auch ohne die Mittelglieder der Tradition bis jetzt weiter
nachweisen zu können, auch hier Indien als das Geburtsland
der abendländischen Erzählung betrachten dürfen. [Bolte,
Zs. f. vergl. Littgesch. 7, 45(1 und 11, 70, Zs. d. V. f. Volksk.
8, 22 ^ Martin, Observations sur le roman de Renart p. 98,
Korrbl. d. Y. f. niederdtsch. Sprachf. U, 22. 35. |
12. Volksmärchen aus Frankreich.
(Jahrbiu'li für romanisflie Litteratur ö, 1 — 25. 1S6S.)
In Frankreich war bisher für die Sammlung der noch in
den Provinzen im Volksmuud umlaufenden Märchen mit Aus-
nahme der Bretagne, wo Emile Souvestre gesammelt hat.
wenig oder nichts geschehen. Um so erfreulicher ist es, dass
wir jßtzt auf zwei in allerneuster Zeit erschienene derartige
Sammlungen aufmerksam machen können. Herr Cenac
Moncaut hat uns mit einer Märchensammlung aus der Gas-
cogne, seinem Vaterlande, beschenkt ') und Herr E. Beauvois
hat einer verdienstlichen Uebersetzung norwegischer und
finnischer Märchen vier Märchen aus seiner Heimat, der Cöte
') Contes populaires de la Grascogne par Cenac Moncaut. Paris,
E. Dentu, 1861. — Acht von den Märchen hatte Cenac Moncaut in
seiner Voyage archeologique et historique dans les anciens comtes
d'Astarac et de Pardiac, suivi d'un essai sur la langue et la litterature
gasconne, Paris, Didron, 1856, S. 191 — 249 schon erzählt, worin auch
S. 137 — 190 interessante gascognische Lieder mitgeteilt sind.
^0 Zur Märclienforsrhuii';'.
(rOr in BurguiKl. zur Probe und um zu weiteren Sammlungen
in Burgund anzuregen, beigegeben^).
Der gaseoguische Sammler sagt uns in der Vorrede nur,
dass er die Märchen auf dem I^and in Gascogne gesammelt
2 habe. Näheres über die Erzähler erfahren wir ! leider nicht.
Er teilt die zwanzig Märchen in vier (iruppen. die von einer
Grossmutter beim Kamin den Kindern, von einem Wild-
schützen den rastenden Feldarbeitern, von einer jungea Hirtin
ihren Gefährtinnen und von einem alten Landmanne dem
Gesinde beim Lein- und Hanfklopfen erzählt werden. Er
erzählt ansprechend und bringt zuweilen geschickt echt volks-
mässige Wendungen an, doch hätte er noch einfacher und
kürzer erzählen können und manchen Aufputz, der den ge-
bildeten Erzähler verrät, weglassen müssen. Indem ich im
folgenden einen möglichst gedrängten Auszug der Märchen
und Erzählungen gebe, füge ich zugleich — was der fran-
zösische Herausgeber durchaus nicht gethan hat — eine Ver-
gleichung verwandter Märchen bei.
S. 5. Kira bien (|ui rira le dernier.
Jean du Boucau tritt't vor der kleinen Stadt Andaye
einen Menschen, der wie tot daliegt und von den Vorüber-
gehenden mit F'usstritten misshandelt wird. Er bestellt einen
Sarg und will den Leichnam bestatten. Als er ihn aber in
den Sarg legen will, erhebt sich der Totgeglaubte und er-
zählt ihm, dass er ein sehr verschuldeter Mann sei, der sich
tot gestellt habe, um seine Gläubiger zu hintergehen und,
da sie ihn ohne Sarg und nicht tief eingescharrt haben würden,
Nachts zu fliehen. Jean giebt ihm eine grosse Geldsumme,
mit der Uartia seine Gläubiger bezahlt. Nach mehreren
Jahren nimmt Jean, der auf Korsarenschifte Jagd macht, ein
Schilf mit vielen christlichen (Jefangenen, darunter zwei Prin-
*) Contes populaires de la Jsurvege, de la Fiulaiule et de la Bour-
gogne, suivis de poesies norvegiennes imitees en vers avec des iiitro-
duftions par E. Beaiivois, Secretaire de la Societe d'ethnographie de
Paris, meinbre de la Societe de litterature ttnnoise a Helsingfors. Paris,
E. Deutu, 1862.
12. Yolksniiu-flien aus Frankreicli : Monvaut. gj
zessiimen: Kapitän (le>s Räuberschiffes ist Unrtia. Jean führt
ihn ans Land nacli An(hiye, findet dort jenen Sarg noch, den
ein Landbauer als Trog benutzt, steckt L'artia hinein und
wirft ilin so ins Meer.
Hier haben wir eine der ärgsten Entstellungen eines
Märchenstoffes, die es nur geben kann, des Märchens nämlich
von dem dankbaren Toten, über welches ich im Anschluss
an Simrocks Ibich „Der gute Gerhard und die dankbaren
Toten" in Pfeiffers (Jermania ;^, 1!)9 [oben S. 5j. wo ich besonders
auf das französische Märchen von | -lean von Calais aufmerksam >j
gemacht habe, und neuerdings in meiner Anzeige von Camp-
bells gälischen Märchen (populär tales of the West Highlauds)
im zweiten Band von Benfeys Orient und Occident zu Nr. 32
der Märcheu ausführlich gehandelt habe.
S. 14. La defroque de la grandmere.
Moralische Erzählung von drei Enkeln, die durch Stücke
aus dem Nachlass ihrer braven (irossmutter au die letztere
erinnert und dadurch teilweise vou Sünden abgehalten werden.
S. 32. Maitre Jean l'habile liomnie.
Jean schickt am Morgen nach der Hochzeit seine ein-
fältige Frau nach Wasser. Sie kehrt nicht zurück, er schickt
ihr die Mutter, dann den Vater nach. Endlich geht er selbst
zur Quelle und triff't die drei in eifrigem (lespräche darüber,
woher sie die etwa später notwendige Wiege sich verschaffen
sollen. Jean zieht nun aus und erklärt nicht eher heimzu-
kehren, als bis er drei ebenso dumme Leute gefunden. Er
trift"t aber sehr bald eine Frau, die ihr Schwein mit dem
Prügel auf eine Eiche zu treiben versucht, statt dass sie ihm
die Eicheln herabschlägt, eine andere, die mit einer Heugabel
statt mit einer Schaufel Nüsse in den Speicher zu schaufeln
sich abmüht, und endlich eine dritte, die ihrem alten,
schwachen Manne die Hosen nicht anzuziehen vermag, weil
sie beide Beine zugleich darein bringen will.
Ganz ähnlich ist ein Märchen der Sachsen in Sieben-
bürgen (Haltrich, Deutsche Volksmärchen aus dem Sachsen-
R. Kühler, Kl. Schriften. I. »i
82 Zur Märchenforficliung.
lande in Siebenbürgen, Nr. 6G), wo die Frau und ihre Eltern
in ähnlicher Weise sich albern benehmen und der Mann aus-
zieht um zu sehen, ob es noch solche Dumme giebt. Er findet
drei und darunter, wie im französischen Märchen, auch eine
Frau, die ihrem Manne die Hosen zugleich an beide Beine
anziehen will. Aehnlich im ganzen sind auch die gälischen
Märchen Nr. 20 und besonders 48 bei Campbell und der An-
fang des Märchens 84 bei Grimm [Schneller Nr. 56, Strackerjan
2, 391, Beauquier 1897 p. 291.] |
S. 39. Clairette ou la chasse aux maris.
Clairette sucht einen Mann zu bekommen ; es missglückt
ihr aber, so lange sie nur Aeusserlichkeiten ihrer glücklicheren
Freundinnen nachahmt.
S. 50. Le meunier et le mar((uis.
Der Marquis von Loubersan, Ecuyer Ludwig XVI., giebt
seinem Erzpriester auf seinem (inte vier Fragen zu raten
auf, wo der Mittelpunkt der Welt sei, wie viel der Marquis
wert sei, was er denke und welche Zahl iu zwei Eiern ein-
geschlossen sei. Der Müller verkleidet sich für den Priester
und beantwortet die Fragen.
Hier haben wir den bekannten Schwank von den (drei
oder vier) Fragen, die einem aufgegeben werden und die eiu
dritter, der jenes Kleidung anlegt, für ihn beantwortet. (Vgl.
meine Nachweise im Orient und Occident 1, 439 [zu Nasr-
eddin Nr. 70] und CampbelFs gälische Märchen Nr. 50.)
Die drei ersten F'ragen beantwortet der Müller in der
bekannten Weise. AVas die vierte, dem gascognischen eigene
Frage betritt't, so erklärt er, zwei Eier seien eben nur zwei
Eier. Der Marquis aber behauptet, wo zwei sei, da sei auch
eins, eins und zwei mache drei, also seien es drei Eier.
AVohlan, sagt da der Müller, so nehme ich die beiden Eier,
die da liegen, der Herr Marquis behalte das dritte [Luscinius
Nr. 3(i (Arch. f. Littgesch. 11, 37), Sommer, Emplastrum
Corneliamiin 1()05 [». 19, Landorf, Wissbadisch Wisenbrünlein
12. Volksmärchen aus Frankreich: Moncaut. ^3
•J. INr. 4S. Heydfeld, Sph. philosoph. p. .37"2, Doetae nugae
1718 p. KS9].
S. 57. I.e sae de La Ramee.
La Ramee, ein wandernder Krämer, erhält von St. Peter,
der ihm zweimal als Bettler begegnet und dem er beidemal
ein Almosen gegeben hat, einen ledernen Sack, in den er
alles hineinwiinschen kann. Als er gestorben, will ihn St.
Peter, weil er den Sack oft gemiss braucht und fremdes
Eigentum durch ihn sich angeeignet hat, nicht ins Paradies
lassen, aber La Ramee wirft den Sack ins Paradies und
wünscht sich dann in den Sack.
[Vgl. weiter unten zu Widter-Wolf Nr. 7 und 14, Deulin,
Contes dn roi Cambrinus p. 111: ,Le sac de La Ramee', La
Ramee Soldatenname bei Cosquin Nr. 31; 83, Comparetti
Nr. 49, II Ramaio% Caruoy Nr. 11 ,Bras dacier, Webster
p. 195, 199, Ortoli p. 155, Jecklin 1, HS. Jahrzeitbucli
der Leutkircher von Aaran hsg. von Hunziker S. IK! .,lo-
liannes Springinsack'.]
Im deutschen Märchen vom Bruder Lustig, Grimm
Nr. 81 und Bd. 3, S. 133, Meier Volksmärchen aus Schwaben
Nr. 62, erhält der Bruder Lustig von St. Peter einen Ranzen,
wie La Ramee, und kommt dann auf gleiclie Weise trotz
St .Peter in den Himmel. Ebenso | in einem schwäbischen 5
Märchen, Meier Nr. 78, wo ein Handwerksbursch von St. Peter
einen Sack erhält, in den alles hineinmuss, zu dem er sagt:
Hui in meinen Sack! Znletzt wirft er den Sack in den
Himmel und sagt zu sich selbst: Hui in meinen Sack! Vgl.
auch die Märchen bei Pröhle, Kindermärchen Nr. 16, Ey Harz-
märchenbuch S. 118, Zingerle Kinder- und Hausmärchen aus
Süddeutschland S. 43.
Ein andalusisches (Caballero cuentos y poesias popu-
läres andaluces, Leipzig 1861, S. 75; F. Wolf Beiträge zur
spanischen Volkspoesie aus den Werken F. Caballeros S. 74)
und ein böhmisches Märclien (AValdau böhmisches Märchen-
buch, Prag 1860, S, 52()) haben den eigenen Schluss. dass
der Besitzer des Ranzen oder Sackes, im andalusischen ein
6*
g4 Zur Märchenforschung.
abgedankter Soldat, Juan Soldado, im Böhmischen ein armer
Besenmacher, Pipän, als ihn St. Peter nicht einh^sseu will,
den Heiligen selbst in den Ranzen oder Sack wünscht [Arch.
f. slav. Phil. 5, 652].
In den meisten der genannten Märchen hat sich der Be-
sitzer des Sackes oder Ranzen durch seinen Sack den Teufeln
sehr gefährlich gezeigt und erhält deshalb zuerst keinen Ein-
lass in die Hölle, worauf er sein Glück im Himmel versucht.
So greift das Märchen über in das Märchen von dem Schmiede
und dem Teufel oder dem Tod, worüber man Grimm zu
Nr. 82 vergleiche. In unserem gascoguischen Märchen fehlen
Teufel und Hölle.
S. 69. Ramonet ou les peches capitaux.
Lange, unbedeutende und wohl ziemlich neue Geschichte
von einem alten Fischer, der sich an drei Feinden, einem
Gourmand, einem Eingebildeten und einem Haljsüchtigen
rächt, indem er jeden derselben anführt.
S. 90. J u a n - 1 e - f a i n e a n t.
Eiu auf seine Klugheit sehr eingebildeter Gutsbesitzer
fragt, indem er zu Pferde vor der Thür der Meierei hält,
einen seiner Arbeiter, der im Haus vor dem Heerde liegt:
Bist du allein im Haus? Jetzt nicht, antwortet Juan, denn
ich sehe die Hälfte von zwei Vierfüsslern ! Was machst du?
f) fragt der Herr. Ich koche Gehende und | Kommende (Je fais
cuire des allants et des venants). Was macht dein Bruder?
Er jagt; was er fängt, wirft er weg; was er nicht fängt, trägt
er fort. Was macht deine Mutter? Vor Tages Anbruch buk
sie das Brot, das wir vorige Woche gegessen haben, am
Morgen schnitt sie den Gesunden die Köpfe ab, um die
Kranken gesund zu machen, jetzt schlägt sie die Hungrigen
und zwingt die Satten zu essen. Was macht dein Vater?
Er ist im \yeinberg und thut Gutes und Böses. Der Herr
versteht die Antworten nicht und geht erzürnt zum Vater des
Burscheu, der sie ihm auslegt. Der Bursche sieht hiernach
die beiden Beine des Herrn uiul die zwei Vorderfüsse des
12. Volksmärchen aus Frankreich: Moncaut. g5
Pferdes. Er kocht Bohnen, die im kochenden Wasser anf-
iind absteigen, kommen nnd gehen. Der Bruder hiust sich
und wirft die gefangenen Läuse weg, die nicht gefangenen
trägt er mit sich fort. Die Mutter bäckt Brot für die Nach-
barn, von denen sie vorher Brot geborgt hatte, das inzwischen
gegessen worden ist; sie sclilachtet junge Hühner für ihre
kranke Mutter; sie verscheucht die hungrigen Hühner und
nudelt die Gänse. Der Vater beschneidet die Weinstöcke,
und indem er dabei manche gute Rebe mit wegs(;hneidet,
manche schlechte nicht berührt, thut er (iutes und Böses.
Der Herr giebt nun dem Juan drei Aufgaben auf; wenn er
sie nicht löst, soll er vom Hofe weggejagt werden. Erstlich
soll er mit einem anderen Knechte um die Wette essen;
zweitens mit einem dritten um die Wette w'erfen, drittens
eine Eiche so mit einem Steine treffen, dass sie blute. Juan
siegt im Esswettkampf, indem er den Brei nicht isst, sondern
unbemerkt in seine Bluse si-liüttet. Im Werfen siegt er,
indem er statt eines Steines unbemerkt einen Vogel in die
lAift wirft. Dass die Eiche zu bluten scheint, bewirkt er,
indem er ein Ei auf sie wirft ^). Trotzdem dass Juan somit
gesiegt hat, jagt ihn sein Herr doch fort. Aber nach einigen
Monaten kommt er als vornehmer Herr wieder | und erklärt, 7
er sei ein Verkäufer von Sachen, die nichts kosten, geworden,
(1. h. ein Dieb. Der Herr verlangt nun von ihm, er solle
ihm die Nacht sein Pferd stehlen. Juan führt dies aus. indem
er dem Herrn in einigen vermeintlichen Priesen Schnupftabak
Schlafpulver beigebracht liat, sodass dieser, der die Nacht
im Stalle auf seinem Pferde zubringt, auf dem Pferde ein-
schläft und Juan ihm das Tier unter den Beinen wegstiehlt.
In diesem Märchen [vgl. Blade l.siw p. 14 Nr. 6 = 1886
;i 5; oben S. 50] haben wir lose verbundene Teile mehrerer
sonst nicht zusammengehörender Miirchen. Der Wettkampf,
wer am meisten isst und am weitesten warft, ist aus dem
^) Der andere Kncclit sai;-t zum Herrn, als der verlangt, dass sie
den Baum blutig werfen sollen : Prenez-vous cet arbre pour un eriminel
digne d'etre lapide ? Songez, que Dieu le baptise toutes les fois qu'il
pleut; il est trop bon chretien pour que le ciel ne prenne pas sa defense
36 Zur Märchenforschung.
weitverbreiteten Märchen entnommen von dem Riesen oder
einem ähnlichen Wesen (einem Tenfel bei Haltrich Nr. 27
[und Ziugerle Nr. 18], einem Ghul in dem persischen in
Kletkes Märchensaal 3, 54), der von einem schwachen
Menschen, zuweilen einem Knaben, meist einem Schneider,
einmal (bei Haltrich) einem Schulmeister, überlistet wird,
[Widter-Wolf Nr. 2, Jahrb. 8. 258, Gonzenbach Nr. 41] und
zwar findet sich das Werfen des Vogels statt des Steines
bei Grimm Nr. 20, Müllenhoff Sagen, Märchen und Lieder
aus Schleswig S. 442, Kuhn Märkische Sagen und Märchen
Nr. 11, Schönwerth Aus der Oberpfalz 2, 280, Haltrich Nr. 27
[Zingerle 1, Nr. 29, Pogatschnigg, Carinthia 1865, 356, Bir-
linger 1, 356, Schmitz 2, 143, Bartsch 1, 501, Kamp
p. 235, Soge-Bundel S. 2S. Cosquin Nr. 25, Cerquand 3, 40,
Webster p. 6, Schneller Nr. 53, 54, Gianandrea Nr. 7]. In
dem schwedischen Märchen bei Hylten - Cavallius und
G. Stephens (Schwedisclie Volkssagen und Märchen, deutscii
von Oberleitner, Nr. 1 a) wirft der Riese ein Beil in die Luft,
der Hirtenknabe wirft sein Beil rückwärts in seinen Sack,
während der Riese glaubt, er habe es so hoch geworfen, dass
es gar nicht wieder herabfalle. Das Essen um die Wette
kommt vor bei MülleuhoÜ', Hylten-Cavalliiis; Asbjörnsen und
Moe Norske Folkeeventyr Nr. (>. im englisclien Märchen vom
Riesentöter Jack bei Halliwell populär rhynies and nursery
tales S. 67 und in (Mueni gälischen bei Campbell Nr. 45
[Widter-Wolf Nr. 2, Lütolf S. 501, Strackerjan 1, 409, Kamp
p. 239, Kristensen Nr. 34, Jecklin 2, 121, Gonzenbach Nr. 41,
Zs. d. V. f. Volksk. 6, 76], in welchen Märchen allen der
Listige den vorgebundenen Sack oder dergleichen zuletzt sich
aufschneidet, um sich zu erleichtern, was der Riese an seinem
Leibe nachmacht und so umkommt, ein Zug, der im gascog-
nischen fehlt. Eigen ist dem gascognischen Märchen die
Aufgabe, aus einem Baume durch den Wurf Blut ttiessen zu
8 machen [Cos(|uin Nr. 25 1. Vielleicht ist dies Entstellung | des
in den meisten hierhergehörigen Märchen (Grimm, Müllenhofl'.
Kuhn, Schönwerth, Fleier Volksm. aus Schwaben Nr. 37 |I)ir-
linger. Bartsch, Lütolf. Pogatschnigg, Kani|) 235. Kristensen
12. Volksmärchen aus Frankreich: Moncaut. !>^7
Nr. 35, Bergh Sogur 22, Soge-Bundel 2i), Wiuter-Hjelm 164,
Cerquand] Haltrich, Etlar Eventyr fra Jylland S. 20, Hylten-
Cavallius, San-Marte Beiträge zur bretoii. Heldensage S. 143)
vorkommenden Zuges, dass der Riese aus einem Steine Wasser
herausdrückt, was der Mensch ihm mit einem Käse, im per-
sischen Märchen mit einem Ei, nachmacht.
Der Diebstahl des Rosses kommt neben anderen Auf-
gaben in mehreren Märchen von gelernten Dieben vor, so
bei Grimm Nr. 192, Kuhn und Schwartz norddeutsche Sagen
S. 362, Schambach und Müller niedersächsische Märchen
S. 316, Vernaleken Mythen Oesterreichs S. 27, Asbjörnsen
Nr. 34, Campbell Nr. 40, und zwar meist ausgeführt durch
Verkleidung und Anwendung eines Schlaftrunkes.
Zu den rätselhaften Antworten vergleiche man
Zingerles Kinder- und Hausmärchen aus Süddeutscliland S. 42
[Blade 1867 p. 14, Schneller Nr. 46, Firmenich 2, 658,
Köhler, Melusine 1, 475, Cosquin Nr. 4!), Revue celt. 4, 69]
und das Gespräch zwischen Salomon und Markolf. Markolf
sagt zu Salomon, der mit seinem Pferde in der Thüre hält,
jetzt seien anderthali) Mann und ein Rosskopf im Haus. Die
kochenden Bohnen werden auch dort als die auf- und nieder-
steigenden bezeichnet. Der Bruder tötet was er iiudet (vgl.
von der Hagens Narrenbuch S. 236 und das Gedicht von
Markolf bei von der Hagen und Büsching S. 52). Im Ber-
toldo kommen ebenfalls „gli ascendenti e discendenti", und
der Bruder, der tötet so viel er findet, vor. (ienau aber mit
dem gascoguischen stimmt das griechische Rätsel "Ood eko/uev
hjTÖueoßa, oW ovy^ eXofiEv q^egofieoifa, welches nach der Sage
Fischerknaben dem Homer aufgaben (Vita Homeri 35, Homeri
et Hesiodi certamen, Suidas s. v. "Ofitjoo^): vgl. ein spa-
nisches Rätsel vom Floh: Si la tienes, la buscas, si no la
tienes. ni la buscas ni la quieres (Caballero, la estrella de
Vandalia S. 67).
S. 101. Ambroise le sot.
Eine Witwe schickt ihren Sohn mit einem Sack Getreide
zur Mühle und empfiehlt ihm darauf zu sehen, dass der
,SJ^ Zur Märchenforschung.
'> Müller vom Sclieffel nur eine Hand voll für sich | nehme.
Der Bursche sagt nun auf dem Wege immer laut: Eine Hand
voll vom Scheffel! Säende beziehen dies auf sich und prügeln
ihn durch, und als er fragt, was er hätte sagen sollen, ant-
worten sie ihm; Gott segne sie! Diese Worte sagt nun Am-
broise wieder vor sich her und wird dafür von Leuten, die
eine wütende Hündin ersäufen wollen und die Worte auf sie
beziehen, geprügelt. Ach! die schöne Hündin, die ersäuft
werden soll ! hätte er sagen sollen, und diese Worte bezieht
dann ein Hochzeitszug auf die Braut. Möge es allen so
gehen! sagt er dann vor sich und bekommt bei einer Feuers-
brunst dafür Prügel. Die Worte (iott hisclie das Feuer! er-
regen dann den Zorn eines Bauern, der in seinem nass-
gewordenen Backofen F'euer anzuzünden sich bemüht. Ein
schönes Feuer! hätte er sagen sollen, und geht mit diesen
Worten an der Hausthür einer Alten vorüber, die eben
ihren Spinnrocken angebrannt hat und ihn wütend damit
sehlägt. Als er sie ganz bestürzt fragt, was er hätte sagen
sollen, empfiehlt sie ihm zu schweigen. Schweigend geht er
nun zur Mühle, hat aber deshalb die Worte seiner Mutter
vergessen und sagt zum Müller: Einen Scheffel für eine
Hand voll!
Der Sciiwank von dem Einfältigen, der Worte, die ihm
für einen bestimmten Fall gelehrt sind, bei dem ersten besten
durchaus nicht passenden Fall anwendet, und dann die ihm
für diesen empfohlenen wieder bei eiuem unpassenden und
so fort, begegnet uns in verschiedenen Einkleidungen, aber
mit manchen übereinstimmenden Einzelheiten im Abendland
bei (irimni Nr. 148, nebst der Variante in den Anmerkungen,
Zingerle Kinder- und Hausmärchen aus Süddeutschland S. 10,
Haltrich Nr. 65, Maurer Isländische Volkssagen S. 288 und
im Orient, was bisher noch nicht bemerkt worden ist, in der
Geschichte des blödsinnigen Xadun in 1001 Tag, übersetzt
von F. H. von der Hagen 5, 108 ff. [Oben S. 50 zu Blade
18()7 Nr. 7.|
S. 107. La flute du berger Meyot.
Ein armer Hirt erhält von einer Fee eine Flöte, bei
12. Volksmärchen aus Frankreich: 3ron<aiit. ,S9
(leren Klang alle tanzen müssen. Er lässt nun den ihm [ ver- lo
hassten Maire, der in einem Dornengebüscli einen geschossenen
Vogel sucht, tanzen, dann zu Hause seine geizige Herrschaft.
Deshalb soll er gehenkt werden; als er aber schon auf der
Leiter ist, gelingt es ilim. noch einmal zu blasen und sich
zu retten.
Vgl. (Jrimms Märchen Nr. 110 vom Juden im Dorn, die
in den Anmerkungen angeführten Lustspiele von A. Dietrich
und .1. Ayrer, die dem (irimmschen Märchen ausserordentlich
ähuliehe, von (Jrimm jedoch niciit erwähnte spanische Vul-
gärromauze l)ei Duran Romancero general Nr. 12t)5 und das
von Grimm ebenfalls nicht angeführte flämische Märchen von
Jack und seinem Flötchen bei J. W. Wolf deutsche Märdien
und Sagen Nr. 24. In allen begegnet uns der Lanz im Dorn-
busch und die Errettung vom Galgen, das Zauberinstrument
ist eine (ieige oder Fhite. Mit der Flöte oder (ieige ist in
den meisten üeberlieferungen auch das Geschenk einer sicher
treffenden Flinte, einer Armbrust oder eines Blascrohrs ver-
bunden, uud derjenige, der im Dornbusch tanzen muss. ist
hineingekrochen, um den vom Besitzer jenes Geschosses ge-
troffenen Vogel heraus zu holen. Im gascognischen Märcben
ist das wunderbare Geschoss weggefallen, und der Maire suclit
im Dornbusch den Vogel, den er selbst geschossen. [Unten
zu Widter-Wolf Nr. 14; Blade 1886 3, 87.]
In eiuem liunischen Märchen bei Beauvois S. IGS [Er-
mans Archiv 13, 482 J errettet sich der Held auch vom
Galgeu durch Blasen eiuer Flöte, die tanzen macht. Eine
solche Pfeife, aber in anderer Verbindung, kommt auch in
Wolfs Hausmärchen S. 220 vor.
S. 1 l(i. Chourra de Marseillan.
Geschieht.^ vou einem geizigen Ehepaar, das dem Knecht
nicht geung zu essen giebt, dafür aber vom Bruder des
Knechts, der diesen einen Tag lang vertritt, eine tüchtige
und wirksame Lektion erhält.
90 Zur Märchenforschung.
S. 130. La lune et les vaches.
Francine tte will den etwas einfältigen Menique nur dann
heiraten, wenn er ihr den Mond schenkt. Als nun eines
11 Abends, während Meniques Kuh in einem vom Mond be-
schienenen Wasser trinkt, der Mond plötzlich von einer Wolke
verdunkelt wird, meint Menique, die Kuh habe den ins
Wasser gefallenen Mond getrunken, und schlachtet sie, um
den Mond seiner Geliebten zu schaft'en [Blade 1886 3, 142].
Man vergleiche die von mir im Orient und Occident 1,
143 [zu Nasr-eddin Nr. 124] aus Philos Magiologie mitgeteilte
Geschichte von den Bauern, die glauben, ein p]sel habe den
Mond getrunken, und ihn aufschneiden, um den Mond zu
befreien.
S. 137. Le roi des päturages.
Ein zartes verweichlichtes Königspaar verstösst seinen
etwas ungeschlachten Sohn. Später durch einen Feind ent-
thront finden sie den Sohn als llirtenkönig wieder und werden
von ihm wieder eingesetzt.
S. 149. Mouret.
Eine junge Frau gerät in die (^lewalt eines wilden Mohren
in den Pyrenäen. Nach sieben Jahren flieht sie mit dem
siebenjährigen Sohne Mouret (Mohrchen) in ihre Heimat zu-
rück. Der Knabe wächst zu einem riesenstarken Burschen
heran, verlässt eine Zeit laug das mütterliche Haus und kehrt
zu seinem Vater ins Gebirge zurück, wird aber endlich durch
ein schönes ihn liebendes Mädchen gesänftigt und zur Rück-
kehr zur Mutter l»ewegt.
S. 165. Bernadotte ou les malus blanches.
Ein Bauer verspricht seine Tochter demjenigen von drei
Freiern, der die w^eissesten Hände habe. Zwei nehmen das
w(irt]ich, der dritte aber, ein junger Bauer mit sonnver-
l)rannten Häiulen, füllt sie auf Rat eines Alten voll glänzender
Thaler und trifft den Sinn des Brautvaters.
12. Yolksmärcheu aus Frankreich: Moncaut. 91
S. 173. Le j liste et la raison.
Der füufzelinjälirige Capdarmere sollte das einzige Paar
Ochsen seiner Mntter verkanten nnd sich dafür was recht
und billig ist (le jnste et la raison) geben lassen. Zwei
Kaufleute geben ihm dafür eine Prise Tabak und eine Bohne
und sagen, das sei recht und billig. Die erzürnte Mutter
sagt scheltend zu ihm, er werde nie den AVolf beim Scliwanz
fangen (qu'il ne prendait jamais le loup par la queue). Das
reizt den Jungen, und er geht | in den AVald, wo er einen 12
schlafenden Wolf mit einer Schlinge, die er ihm um den Hals
wirft, fängt und ihn seiner Mutter vorführt. Dann schlachtet
er einen Widder, hängt sein Fell dem Wolf um und verkauft
ihn als Widder jenen Kaufleuten, in deren Stall der AV(df
dann grosse Verwüstung anrichtet. Als die Kaufleute zornig
zu Capdarmere kommen, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen,
treffen sie ihn, der sie gesehen hat, wie er seinen Hund
mit einem Messer scheinbar ersticht und dann durch einige
Worte wieder belebt. Er sagt ihnen, widerspenstige Tiere,
mit diesem Messer erstochen und durch jene Worte wieder
belebt, würden sanft und fügsam. Die Kaufleute kaufen das
Messer, und der eine ersticht seinen Ochsen, der andere sein
Maultier. Enttäuscht überfallen sie Capdarmere, stecken ihn
in einen Sack und wollen ihn ins Meer werren. Auf dem
Weg zum Meere kehren sie in einer Schenke ein und lassen
den Sack vor der Thür stehen. Capdarmere lügt einem
vorübertreibenden Schweinehändler vor. er sei in den Sack
gesteckt worden, weil er eine Prinzessin nicht heiraten wolle.
Der Händler befreit ihn und lässt sich selber in den Sack
stecken, jener aber zieht mit den Schweinen fort. Die Kauf-
leute werfen den Sack ins Meer, Capdarmere aber, der sich
versteckt hat, zieht ihn wieder heraus und rettet den Händler.
Nach einiger Zeit zeigt sich Capdarmere wieder mit seiner
Heerde — er hat mit dem Schweinehändler geteilt — den
Kaufleuten wieder und sagt ihnen, er sei wieder empor-
getaucht und aus dem mitgebrachten Sand vom (irunde des
Meeres seien die Schweine entstanden. Die beiden habsücli-
92 2ur Märclienforschung.
tigen Kaufleute springen ins Meer und wären ertrunken, wenn
Capdarmere sie nicht noch gerettet hätte.
Wir haben hier eine manches eigentümliche bietende
(iestaltung eines der verbreitetsten und schon im 10. oder
11. -Talirhundert im Abendhmde bekannten Märchens, über
welclies ich in meiner Anzeige von Campbells gälischen
Märchen in Beufeys Orient und Occident beim 39. Märchen
ausführlich gesprochen habe. Unter Beauvois" burgundischen
la Märchen gehört hierher das Märchen (S. 218) | von Jean-Bete,
in bezug auf welches ich auf den eben erwähnten Aufsatz
in Orient und Occident verweise.
S. 184. Le coffret de la pr ine esse.
Eine Prinzessin fängt einen Floh und zieht ihn in einem
Kasten zu seltener (irösse heran. Als der Floh nach -lahres-
frist stirbt, lässt sie mit seiner Haut den Kasten überziehen
und will nur den Freier heiraten, der errät, von welchem
Tiere die Haut sei. Ritter Montgausy zieht aus, die Hand
der Prinzessin zu erhalten, und trift't unterwegs Jean-Fine-
Oreille, der wunderscharf In'irt. Bernard-Bon-Oeil, der ebenso
scharf sieht, Samson-Taureau, der so stark ist, dass er einen
Baum ausreisst, um mit ihm den gefällten Wald in ein Bündel
zu binden, und Simon-Levrier, den Schnellläufer, der sich
mit Lasten beschweren mnss, um nicht zu schnell zu laufen.
Der Kitter nimmt die (Gesellen in Dienst und kommt mit Hilfe
des Horchers hinter das (Geheimnis von der Flohhaut. Aber
der KTinig, der seine Tochter nicht verheiraten will, giebt
vor, der Ritter sei zu nah mit ihr verwandt, weshalb erst
Dispens vom Papst geholt werden müsse. Er sendet aber
heimlich eine Brieftaube mit einem Briefe an den Papst ab,
worin er diesen auffordert, den Dispens zu verweigern. Aber
der Horcher hat den Plan belauscht, der Scharfsichtige er-
schiesst die Taube, und der Läufer holt den Dispens. Nun
will der König seine Tochter dem Ritter für so viel Geld
abkaufen, als Samson-Taureau tragen könne. Als der aber
eine Probe seiner Stärke giebt, erschrickt der Köing und
12. VdlksmärchtMi ans Fraiikreii'h : JIoiuMut. 98
Überlaset die Prinzessin dem Ritter. [Oben S. 50 zu Blade
lS(i7 Nr. 5.|
Hiermit vergleiche man in Basiles Peutamerone (1, 5)
das Märchen vom Floh. Hier hat ein König einen Floh sehr
gross gefüttert und, als derselbe gestorben ist, seine Haut
gerben lassen. Wer errät, von welchem Tiere diese Haut
sei, soll die Hand seiner Tochter erhalten. Ein wilder Mann
(uorco) errät dies, erhält die Prinzessin und führt sie in den
Wald. Dort trifft die Prinzessin, als der wilde Mann einmal
nicht zugegen ist, eine alte Frau, die sieben Söhne hat, von
denen der eine dreissig Meilen weit alles hört, der andere
durch Ausspucken | ein Seifenmeer, der dritte durch Hin- u
werfen eines Stückchen Eisen ein Feld voll Scheermesser,
der vierte durch Späuchen einen Wald, der fünfte durch Aus-
giessen von Wasser einen Strom, der sechste durch Hinwerfen
eines Steins einen Turm hervorbringt, der siebente endlich
ein sicherer Schütze ist. Mit ihrer Hilfe wird der wilde
Mann getötet, und die Prinzessin entkommt.
In beiden Märchen haben wir die Haut des gemästeten
Flohs, durch deren P^rkennung die Hand einer Prinzessin er-
langt wird, und Menschen mit wunderbaren Eigenschaften,
durch die in dem französischen Märchen die Prinzessin dem
Freier zu teil wird, während sie im italienischen dieselbe
von dem unbequemen Freier erlösen [Gonzenbach Nr. "22
und 74].
S. r.)4. Le pere aveugle.
Ein Blinder besucht die beiden Freier seiner Tochter,
einen Bauer und einen Müller, und unterrichtet sich durch
gleichgiltig scheinende Fragen über Felder und Mühle eben-
sogut wie ein Sehender [Blade 1874 p. 44 := 1<S,S(; ;3, 277].
S. 202. Le marechal-f errant de Barbaste.
Ein König von Frankreich verspricht seine schwermütige
Tochter Longne-mine dem, der sie zum Lachen bringe, und
ein schönes Ross dem, der es zu beschlagen vermöge. Ein
Hufschmied von Barbaste zieht deshall) nach Paris und nimmt
94 Zur Märchenforschiing.
unterwegs eine Grille, einen Floh und eine Ratte, die sich
ihm als Gefährten anbieten, mit. Als die Prinzessin ihm in
seinem schlechten Anzug mit den Tieren, die ihm auf dem
Hals,, der Brust und dem Hute sitzen, erblickt, lacht sie.
Mit Hilfe der Tiere beschlägt der Schmied auch das wilde
Pferd. Ein Prinz, der bislierige Freier der Prinzessin, ver-
spricht nun dem Hufschmied drei Scheffel Thaler, wenn er
die Prinzessin nicht berühre. Der Hufschmied berührt
wirklich in den drei ersten Nächten die Prinzessin nicht und
wird deshalb vom König fortgejagt, die Prinzessin aber wird
dem l^'inzen gegeben. Nun bittet der Hufschmied seine
Tiere um ihre Hilfe und diese begeben sich in das Schloss
und plagen den Prinzen in den drei ersten Nächten so, dass
er die Prinzessin ebensowenig berührt und vom König
schimpflich fortgeschickt wird. Jetzt aber erscheint der |
15 Gascoguer in glänzendem Aufzug, den er sich mit des Prinzen
Geld verschafft hat. wieder, und die Hochzeit wird nochmals
gehalten.
Auch dies Märchen k(innen wir wieder mit einem im
Pentamerone (3. 5) vergleichen: Nardiello, ein Einfaltspinsel,
hat für je hundert Dukaten, für die er Kälber kaufen soll,
von drei Feen einen anmutig summenden Mistkäfer, eine
tanzende Maus und eine schön singende Grille gekauft und
wird deshalb von seinem zornigen Vater aus dem Hause ge-
jagt. Er zieht in die Lombardei, wo ein König, C'enzone,
seine Tochter Milla. die sieben Jahre nicht gelacht hat, dem
zur Frau bietet, der sie zum Lachen bringe. Nardiello lässt
vor der Prinzessin seine Tiere ilire Künste zeigen und bringt
die Prinzessin zum Lachen. Der König erklärt aber, Nardiello
könne Tochter und Reich nur danu erhalten, wenn er binnen
drei Tagen die Ehe vollstrecke, was Nardiello aber in der
That nicht vermag, da er jeden Abend einen Schlaftrunk
erhält. Am Morgen nach der dritten Nacht wird er in den
fjöwenzw'inger geworfen. Dort will er seine Tiere entlassen
und dann sterben, die aber sprechen ihm Mut zu und hüpfen
und springen so lustig, dass die Löwen wie versteinert da-
stehen. Die Maus gräbt rasch ein Loch, und so entkommt
12. Volksmäri'heii aus Frankreich: iloiicuiit. 5)5
Ntirdiello aus dem Zwinger. Inzwischen hat der König seine
Tochter einem Engländer gegeben, nnd eben sollte die Hochzeit
sein. Die Tiere wissen es nun auf eine Weise, die man im
Pentamerone selbst na('hlesen mag, zu bewirken, dass der
Prinz nichts weniger thut, als seine Pflicht zu erfüllen. Kr
wird deshalb fortgejagt, Nardiello aber zurückgerufen und
nun wirklich (iemahl Millas.
Hier haben wir in dem französischen und neapolitanischen
Märchen zwei Fassungen eines Märchens, dessen wesentlicher
Inhalt der ist, dass ein flüngling die Hand einer Prinzessin
gewinnt, indem er sie mit Hilfe von kleinen, missachteteu
Tieren zum Lachen bringt, dass er dann die Prinzessin
wieder eine Zeit lang verliert und ein anderer sie heiraten
soll, der aber durch jene Tiere am Vollzug der Ehe gehindert
wird [Finamore Nr. 10. Romero Nr. 'Id, Ungar. Revue 1886,
481. Reinisch, Nuba-Sprache 1, 824.] Beide uns vorliegende
Fassungen sind wohl entstellt. In der franz(isischen, die durch 16
die Tradition entstellt sein mag. ist zu wenig motiviert,
warum die Tiere mit dem Jüngling ziehen und ihm helfen,
und schwerlich ist es urs|)rüngliclie L'eberlieferung, dass der
Hufschmied für (Jeld vom Prinzen sich seines Rechtes in den
ersten Nächten begiel)t. \'iel echter scheint hier das nea-
politanische Märchen. W(i der -lüngling einen Schlaftrunk vom
König erhält. Dagegen wird die burleske Art, wie in den
drei Nächten Nardiellos Tiere dem Engländer mitspielen. Er-
findung Basiles sein, der sob-he niedere Komik liebt.
Ein deutsches Märchen (W(dfs deutsche Hausmärchen
S. 301) beginnt ganz ähnlich, verläuft aber dann anders [vgl.
Zingerle S. -213]. Ein armer (!eiger bringt durch drei
tanzende Ferkel eine Prinzessin, die noch nie gelacht hat
und den heiraten soll, der sie lachen macht, zum Lachen.
Ehe er sie aber wirklich zur (Jemahlin bekommt, muss er
noch verschiedene Aufgaben bisen. wobei aber die Schweinchen
nichts mehr thun.
In bezug auf das Lachen der Königstocher vergleiche
man Benfeys Pantschatantra 1, 51<s.
<)f) Zur Märclieiiforschuiig.
S. 21H. Le Hon peudii.
Ein Löwe, der sich mit einer seiner Tatzen in einem ge-
spaltenen Banmast festgeklemmt hat, wird von einem Wanderer
befreit. Er begleitet nun den Wanderer, wird aber bald von
Hunger erfasst und will seinen Retter fressen. Der aber
vfirit ihm seine Undankbarkeit vor und bestimmt ihn wenigstens,
die Sache erst eiuem Schiedsrichter vorzutragen. Sie treffen
zunächst eine alte Hündin, die aber das Schiedsrichteramt
ablehnt, da sie selbst von den Menschen ungerecht behandelt
worden sei. Ebenso geht es ihnen mit einem Pferd. Endlich
aber nimmt ein Fuchs das Amt an. um recht urteilen zu
können, will er selbst sehen, wie der Löwe gefangen ge-
wesen sei; deshalb begiebt sich der Löwe wieder in jene
alte Lage, und Fuchs und Mensch lassen ihn so stecken. Der
Mensch verspricht dem Fuchs zum Lohn am nächsten Tage
zwei Hühner zu liefern, bringt aber statt dieser dann zv/ei
Hunde mit, denen der Fuchs kaum entgeht. |
17 Zu diesem Märchen vom Undank, der der Welt Lohn
ist, vergleiche man ausser Benfeys Pantschat. 1, 113 ff".
Pröhles Märchen für die Jugend Nr. 2, Birlinger Kinder-
büchlein S. 56 und Liebrecht in der (Germania 7, 508 [oben
S. 50 zu Blade Nr. 4, Gonzenbach Nr. 09, Jagic Nr. 6, Zs.
d. V. f. Volksk. G, 106].
Dies sind die gascognischen Märchen und Erzählungen,
für deren Mitteilung wir dem Herrn Cenac Moncaut zu leb-
haftem Danke verpflichtet sind ^).
Wenden wir uns nun zu den vier von Herrn E. Beauvois
erzählten burgundischen Märchen, so dürfen wir folgende Er-
klärung des Sammlers (S. 195) nicht übersehen. Er sagt:
,Aucune des pieces nest la transcription litterale des recits,
que l'on a recueillis de la bouche des paysans. On s'est
^) Es ist schade, dass Herr Cenac Moncaut das lüibsche Lügen-
märchen, das er in der oben erwähnten Voyage S. 225 — freilich nicht
vollstiuidio- — mitteilt, in die Sammlung nicht aufgenommen hat.
]'2. VolksmiirclK'ii au^ Frankreich: Beauvois. 9Y
perniis de faire des niodifications a roriginal, parce qiie l'ou
ji'en a trouve que des debris, et qiie ces restes etaient en
trop mauvais etat, pour que la copie ou la traductioii put
presenter uiie image liarmonique et satisfaisante. Cela tient
ä ce que le collectnur, ii'ayant encore pu voyager ä la
vecherclie des eoiites populaires, a dii se contenter des momi-
meuts delabres, qui etaient le plus ä sa portee, c"est-ä-dire
de quelques traditioiis (piil a entendu ra(;onter au lieu de sa
uaissance, daus le pays bas de la Cote-d'Or. Mais il ne
doute pas quil n"y alt lieu de faire une plus belle et plus
abondante muisson dans les lieux recules, oii les traditions
du passe se sont mieux couservees. C'est ce que lui ont
affirme plusieurs personnes qui eonnaissent les moutagnards
de la Bourgogue'. Die Märchen sind nun folgende vier:
S. 19Ö. Trop gratter cuit, trop ])arler nuit.
Schwank von einem Pfarrer und Kirchenältesten. Ersterer
wirft eins von den Hühnern des letzteren, die immer in seinen
Garten kommen, tot und beabsichtigt es am Sonntag zu
verspeisen. Der Kirchenälteste kommt aber dahinter und
weiss es schlau zu veranstalten, dass er das Huhn in des
PfarrersKücheisst; als er aber eben fertig ist, wird er überrascht.]
S. 203. Cadet-Cruchon. u
Cadet-Crucbon soll heiraten und deshalb die Bekannt-
schaft junger Mädchen machen. Dabei soll er nach dem Rat
seiner Mutter mit ihnen scherzen, sie auf den Fuss treten
und dgl. und die Augen auf sie werfen (laucer des oeillades).
Er fängt aber alle§ plump an, ja sticht sogar seineu Lämmern
die Augen aus und wirft sie nach den Mädchen. Nun soll
er die Lämmer und eine Henne in der Stadt verkaufen,
letztere für zwölf Sons, erstere für einen Thaler das Stück.
Unterwegs spricht er immer vor sich hin: Einen Thaler das
l^amm, zwölf Sous die Henne. Als er aber über einen Bach
setzen muss, wird er gestört und verkehrt die Worte, und
verkauft so die Lämmer Stück für Stück um zwölf Sous und
muss endlich auch die Henne, für die niemand einen Thaler
R. K ö h 1 e r, Kl. Schriften. I. 7
()y Zur Märcheiiforschiuiy-.
bezahlen will, fiii- zwölf Soiis hingeben. Er kanft nun für
die Mutter einen Topf und ein Packet Nadeln. Den Topf
hat er auf seinen Karren gesetzt; da er aber immer schlittert,
setzt er ihn auf den Weg und meint, er werde ihn mit seinen
drei Füssen schon nachkommen können. Die Nadeln, die er
in den Busen gesteckt hat, wo sie ihm beschwerlich sind,
steckt er in einen vor ihm herfahrenden Heuwagen. So ver-
liert er Topf und Nadeln. Als er nacliher zu Hause alles
schmutzige Zeug in die Lauge thun soll, thut er auch die
Töpfe hinein und will auch seine kranke Mutter hineinwerfen.
Die aber heisst ihn zornig die Thür nehmen und zu Bette
gehen. Er nimmt deshalb die Thür mit auf den Heuboden,
wo er schläft. Nachts kommen Diebe und wollen stehlen.
Sie rufen einander zu: Jette, apporte! Jean versteht: Jette
la porte! und wirft die Thür herab. Erschrocken fliehen die
Diebe und lassen einen andei'swo gestohlenen Sack mit Geld
stehen. Am Morgen trägt er Leinwand zur Stadt, und da
ihm seine Muttt r geraten, sich nicht mit Käufern einzulassen,
die viel schwatzen, so weist er alle ab, die nach dem Preis
fragen. Er tritt dann in eine Kirche und betet dort. Dann
bietet er einem Heiligenbild, weil dies während seines Ge-
le betes nicht geschwatzt, die Leinwand an. Als es aber | trotz
seinem Bitten nicht bezahlen will, zertrümmert er es zornig
und findet im Innern der zerbrochenen Figur einen Schatz.
Der Herausgeb(M' hat, wie er in einer Anmerkung sagt,
diese Erzählung zusammengesetzt aus verschiedenen einzeln
umlaufenden Schwänken, die man von -lean-Bete erzählt. Er
hat deshalb, wie er selbst gesteht, manche Nebenumstände
modifizieren und üebergänge bilden müssen. Uns wäre lieber
gewesen, er liätte sich dieser Zusammensetzung enthalten
und die Fragmente als solche gegeben. \Varum er für Jean-
Bete den Namen Cadet-Cruchon gewählt hat. erfahren wir nicht.
Nach dem eben Gesagten ist es natürlich, (hiss wir die
Erzählung in ihrem ganzen Verlauf nirgends finden, wohl
aber einzelne Züge daraus.
Wie hier Jean-Bete Lämmeraugen auf die Mädchen
wirft, so werfen in dentschen Märchen Einfältige Schafs-
lli. Volksniärclieii aus Fraiikrcicli : Betiiivuis. i)9
und Killbenuigen ihrer Braut ins (Besicht, Griiuni Nr. 82 uud
Auraerk. '■), ()'2, Ziugerle Kinder- und Hausmärchen S. "258.
Kbenso erzählt man in der Norinainlie, Du Meril etudes p. 472,
not. 2. In einem gälischen Märchen (Campbell 2, 810, Nr. 45)
missversteht ein Kne(;ht absiclitlicli den Befehl seines Herrn,
ihm zu einer bestimmten Zeit ein Ochsenauge zuzuwerfen,
d. h. ihn starr anzusehen und so einen Wink zu geben, und
sticht den Ochsen die Augen aus und wirft den Herrn damit.
[Holte zu Frey, Gartengesellschaft S. 215.]
Dass der Einfältige Nadeln in ein Heu fn der steckt
und so verliert, kommt vor in dem ebenerwähnten Märchen
bei Grimm Nr. o2, in einem verwandten tiroler bei Zingerle
Sagen, Märchen und (Jebräuche ans Tirol S. 451, einem
siebenbürgischen bei Haltrich S. 802 und schottischen bei
('hambers populär rhymes of Scotland, 8. ed. p. 251, wo
Jack die Nadel in ein Farrenkrautbündel steckt. In den ge-
nannten Märchen sagt dann immer die Mutter zu dem ein-
fältigen Sohn, er hätte die Nadel auf den Hut oder an die
Mütze stecken sollen, und er befolgt diese Vorschrift auf die
verkehrteste Weise, und daran knüpft sich noch eine Reihe
missverstandener Befehle |Zs. f. d. Myth. 2, 8<S(;, Brugman
Nr. 82, Krauss 2. Nr. lOG. 107, Kennedy p. 40, Cerquand
2, 10. Montanns. Gartengesellschaft Nr. 4]. |
Das 11 erat) werfen der Thüre, wodurch die Diebe 20
verscheucht werden. Hmlen wir wieder bei Grimm Nr. 59,
Haltrich S. 808, Kuhn und Schwartz Nr. 18, Zingerle Kinder-
und Hausmärchen aus Süddeutschland S. 50 und Halliwell
populär rhymes and nnrsery tales S. 2(5 [Köhler, Jahrb. 8, 267].
Endlich der Verkauf der Leinwand an die Bildsäule
begegnet uns in einem Märchen des Pentamerone (1, 4).
Vardiello wird von seiner Mutter mit Leinwand auf den
Markt geschickt und soll sich nicht mit Personen von vielen
Worten einlassen. Die Leute, die nach dem Preise fragen,
scheinen ihm solche Personen zu sein. Als er aber in dem
Hofe eines unbewM)hnten Hauses eine Bildsäule findet und sie
fragt und keine Antwort von ihr erhält, scheint sie ilim
endlich eine Person von wenig Worten, der er die Leinwand
7*
100 Zur Märchenforschung.
darbietet. Am andern Morgen begiebt er sich wieder zu der
Bildsäule und verlangt Geld für die Leinwand, und als die
Bildsäule schweigt, wirft er mit einem Stein ein Loch in die-
selbe und findet darin einen Topf mit Goldstücken. In
einem siebenbürgischen Märchen (Haltrich S. '291) will ein
Einfältiger vergeblich eine tote Kuh verkaufen. Da ruft ihm
jemand zu: Fahr sie auf den Schindanger zur dicken Eiche,
die wird sie dir gut bezahlen. Er fälirt sie hinaus und fragt
die Eiche, wann sie ihm bezahlen wolle. Die P^iche knarrt
gerade, und er denkt, sie antworte „Morgen". Als sie nun
aber am andern Morgen nicht zahlt, haut er mit einer Axt
auf sie ein und findet dabei in einem Loche eine Menge
Goldstücke. Ueber verwandte Erzählungen von zertrümmerten
Bildsäulen und dadurch gefundenen Schätzen vgl. Benfeys
Pantschatantra 1, 478 [Gonzenbach Nr. 37, Zs. d. V. f. Volksk.
6, 73, Bolte zu Frey S. 215].
S. 218. Jean-Bete.
Vergleiche hierüber was ich oben S. 11 [hier S. 90] zu dem
gascognischen Märchen „le juste et la raison" bemerkt habe.
Beauvois hat das Märchen unnötig aufgeputzt und verändert
und nur aus der Anmerkung erkennt man die echte Gestalt.
In bezug auf die von ihm verglichenen Märchen habe ich
im Orient und Occident an der oben erwähnten Stelle einiges
21 berichtigt. Wir sehen 1 übrigens aus Beauvois' Vergleichungen,
dass er sehr bewandert in der Märchenlitteratur ist ^).
S. 239. La petite Annette.
Eiu Mädchen hütet die Schafe und bekommt von seiner
Stiefmutter wenig zu essen. Da erscheint ihm die heilige
Jungfrau und giebt ihm einen Stab. Mit diesem braucht es
nur einen schwarzen Widder zu berühren, und alsbald er-
scheint ein Tisch mit Essen. Die Stiefmutter fasst Verdacht
und schickt zuerst ihre beiden Töchter mit auf die Weide,
') In der Vorrede p. XXXI verspricht er eine Abhandlung über
die verschiedenen Gestaltungen des Märchens von Amor und Psyche zu
liefern.
12. Volksmärchen ans Frankreich: ßeanvois. Du Meril. \0l
um die Stieftochter zu beobachten. Aber das Mädcheu
schläfert sie ein mit den Worten: Endors-toi d'un oeil, en-
dors-toi de deux yeux. Bei der dritten Schwester aber, die
noch ein drittes Auge hat, gelingt ihr dies nicht, und sie
wird entdeckt. Nun stellt die Stiefmutter sich krank und
verlangt von ihrem Manne, dass der schwarze Widder für sie
geschlachtet werde. Annette hat dies gehört und sagt es
dem Widder, der sie beruhigt und sie auffordert, seine Leber
in dem Garten zu vergraben. Als er geschlachtet ist, thut
sie dies, und aus der Leber wächst ein Baum mit wunder-
schönen Früchten, die nur sie zu pflücken vermag. Der
Königssohn kommt herbei, sieht den Baum und heiratet
Annette.
Beauvois vergleicht mit Recht das Märchen von Ein-
äuglein, Zweiäuglein und Dreiäuglein bei Grimm
Nr. 130 [Cosquin Nr. 23].
Ganz eigentümliche Gestaltungen hat das Märchen an-
genommen bei den Siebenbürgern (Haltrich Nr. 35; vgl.
Nr. 17, S. 83) und im gälischen Schottland (Campbell Nr. 43)
[Wuk Nr. 32, Halm Nr. 1, Skjäreöiet bei Asbjörnsen Nr. 19,
Var. 4]. In einer churrhätischeu Sage (Vonbun Beiträge zur
deutschen Mythologie S. 53) verkehrt ein einäugiger Knabe
mit einem wilden Fäukenmännchen und erhält von ihm schöne
Gemsenkäse. Immer aber schläfert das Männchen das Kind
ein mit den Worten „Einäuglein schlaf ein!", bevor er die
Käse bereitet. Der neugierige Bruder des Knaben zieht einst
dessen Kleider an und geht zu dem Bergmännchen und be-
lauscht es, da sein anderes Auge | nicht mit eingeschläfert 22
worden ist, und erregt dadurch den Zorn des Männchens.
Dies der Inhalt der beiden verdienstlichen Sammlungen.
Ich darf aber bei dieser Gelegenheit nicht vergessen, auf
Edelestand du Merils Abhandlung „les contes de bonnes
femmes" in seiner neuesten Schrift „Etudes sur quelques
points d'archeologie et d'histoire litteraire", Paris und Leip-
zig LS62, Seite 427 — 502 aufmerksam zu machen. Eine
nähere Besprechung der ganzen anziehenden und belehrenden
Abhandlung, welche sich über Märchen überhaupt und ganz
102 2u'' Märchonfiirsc'luuig.
besonders über die Griiumsche Märebensammliuig verbreitet,
wäre hier nicht am Platze: ich habe sie bier nur insofern zu
erwähnen, als darin auch S. 472 ff. über Märchen aus der
Normandie gesprochen wird. Man erzählt, versichert du
Meril, noch heute in der Normandie wie in Deutschland die
Märchen vom undankbaren Sohn, Grimm Nr. 145, vom Gross-
vater und Enkel Nr. 78, von den Boten des Todes Nr. 177,
von den drei Spinnerinneu Nr. 14, von dem Armen und dem
Reiclien Nr. 87, von der klugen (iretel Nr. 77, vom Juden
im Dorn Nr. HO, von den sechs Dienern Nr. 1:^4, von den
Sechsen, die durch die Welt kommen, Nr. 71, von dem ge-
treuen Ferenand Nr. 1'2H. Leider begnügt sich du Meril mit
dieser Augabe, ohne die normiindischen Fassungen selbst, die
ohne Zweifel manche Abweichuug haben, mitzuteilen. Nur
ein Märchen erzählt er ausführlich, und die Art seiner Er-
zählung lässt uns um so mehr bedauern, dass er nicht die
übrigen auch erzählt hat. Es ist dies die Geschichte von
dem armen Misere und seiner nie zufrieden gestellten Frau,
unser Märchen vom Fischer (Grimm Nr. 19), aber vielfach
abweichend ^). Misere begegnet dem Heiland und St. Peter
und bettelt dieselben an. Christus giebt ihm eine Bohne und
heisst ihn zufrieden sein. Misere kommt zufrieden mit der
Gabe nach Hause und steckt die Bohne in den Heerd in
seiner Hätte. Sofort wächst daraus eine Pflanze hervor, sie
23 wächst rasch | empor durch den Hauchfang und am andern
Tage vermag man ihre Spitze nicht mehr zu sehen. Die
Frau heisst nun den Mann suchen, ob Bohnen abzupflücken
seien, er klettert an der Pflanze empor und, da er keine
Bohnen findet, immer höher und höher, bis er sich vor einem
grossen goldenen Hause befindet. Es ist das Paradies. St.
Peter öffnet ihm und verspricht ihm auf seine Bitte, dass er
zu Hause Essen und Trinken finden solle. Am folgenden
Tage lässt Miseres Frau ihrem Manne niclit elier Ruhe, bis
er wieder ins Paradies steigt und St. Peter um ein neues Haus
') Du Meril verweist auch auf ein russisches Märchen [Puschkins
Gedicht] im Athenaeum francais 1855, S. 686, welches ich nicht kenne.
Das Märchen vom Fischer aus 1001 Nacht ist nur im Anfang^e ähnlich.
12. Volksinäre-hen aus Frankreich: Du Moril. Chanipfleury. 103
bittet. Nac'li einigen Tagen muss Misere den Heiligen bitten, ihn
znm König nnd seine Fran znr Königin zn machen. St. Peter
erfüllt ihm diesen Wunsch, warnt ihn aber noch einmal zu
kommen. In kurzem ist jedoch Miseres Frau nicht mehr zu-
frieden und nnichte. dass sie die heilige Jungfrau und ihr
Mann der liebe (iott werde. Als Misere mit dieser Bitte
vor St. Peter kommt, schickt ihn dieser zornig fort, und der
Arme findet unten auf der Erde seine alte Hütte und alles
wie vormals wieder, — Der in dem deutschen Märchen vor-
kommende wunderbare Fisch ist also im normandischen durch
riott und St. Peter ersetzt, und damit Misere ins Paradies
gelangen könne, kam die himmelhohe Bohnenpflanze in
das Märchen, die ursprünglich wohl nicht hereingehört hat.
Sie ist vielleicht hereingekommen aus dem bis jetzt nur als
englisch nachgewiesenen Märchen von Jack und dem Bohnen-
stengel (Kletke Märchensaal "i, löS; Grimm 3. 321) [Ger-
mania 14, iVi. (iradi p. ISl. Kaiston p. '2\)'.\\. In Lügen-
märchen kommen auch PHanzeu, die bis in den Himmel
wachsen, vor, vgl. Grimm zu Nr. 112 [Widter-Wolf Xr. 17,
('os(juiü Nr. 50, Carnoy, Litt. or. p. IHl), Sebillot, Trad. 1, 314;
('ontes 3, 246, Schulenburg 2, 37]. In einer Anmerkung erinnert
du Meril (S. 474), dass das Märchen mit dem französischen
Volksbnche vom bonhomme Misere nichts als den Namen
Misere gemein habe.
Ich ergreife hier die Gelegenheit, noch mit eiuigen
AVorten eine auch von du Meril erwähnte neue Schrift von
Champfleury. dem verdienstvollen Herausgeber der Chan-
sons populaires des provinces de France, zu besprechen. Sie
führt den Titel : De la litterature populaire en France. Re-
cherches sur les origines et les variations de la legende du
bonhomme Misere | (Paris, Poulet-Malassis et de Broise, ISOl), 24
und enthält zunächst einen Abdruck der ältesten l)is jetzt
bekannten Ausgal)e des Volksbuches von 1711)^). Cham-
pfleury nimmt, wie au(di W. Grimm 3, 142, einen italienischen
Ursprung desselben an, weil die Erzählung in Italien spielt,
^) Es giebt, wie Champfleury mitteilt, fünfzehn Ausgaben [Chamjt-
fl.eury, Histoire de l'imagerie populaire 1869 p. 105 1.
JQ4 Zur Märehenforschung.
eine italienische Münze, die italienische Stundeneinteilung und
ein italienischer Wein darin vorkommt, und vermutet, dass
in den italienischen Novellen das Original wohl noch gefunden
werde. Er vergleicht dann Prosper Merimees Erzählung
Federigo in dessen Une mosaique (Paris 1(S32), die, wie
Merimee versichert, im Königreich Neapel populär sei. Fede-
rigo bewirtet Christus und die Apostel und erhält deshalb
drei AVttnsche frei. Er wünscht, dass seine Karten immer
gewinnen und dass von einem Orangenbaum und einem
Schemel, die ihm gehören, niemand ohne seinen Willen herab-
könne. Hierdurch gewinnt er im Spiel dem Pluto 1'2 Seelen
ab und schliesst zweimal mit dem Tod einen Pakt. Sodann
erinnert Cliampfleury an das litauische Märchen (bei Schleicher
litauische Märchen S. 10(S) vom Schmied und dem Teufel und
an das oben besprochene gascognische vom Sack des La Ka-
mee, teilt hierauf das eben erwähnte nur durch den Namen
Misere hierher geliörende iiorniandis('he Märchen, welches du
Meril früher im Athenaeum 1S55 veröffentlicht und bereits
dort mit anderen Märchen verglichen hatte, vollständig mit,
ebenso das merkwürdige bretonische (besprach zwischen dem
ewigen Juden und dem bonhomme Misere, der in Adams
Haus geboren ward und bis zum jüngsten Gericht leben wird
(Revue de Calvados 1840; Emile Souvestre le foyer breton,
Rruxelles 1<S5;^, 1, 93), und erwähnt endlich, dass in der
allegorischen P^rzählung von den Abenteuern des Monsieur
Tetu und der Miss Patience Misere vorkommt als ein kleiner,
lahmer und hässlicher alter Mann, der eine Kette an einem
Reine und eine Bürde auf den Schultern trägt [Köhler, Auf-
sätze 1<S94 S. 7<S, Revue des trad. pop. 4, 645; 5, 299;
9, 24S, Ortoli p. 219, Waldau, (ievatter-Elend: Slavische
Plätter 1, 59S (1S65)]. Es ist zu bedauern, dass Herrn
(IhampHeury Grimms Märchen und das Jahrbuch für roma-
25 nische und englische | Litteratur unbekannt zu sein scheinen.
Hätte er Grimms Märchen gekannt, so würde er vor allem
auf das <S2. Märchen und die reichen Anmerkungen, in denen,
wie schon oben bemerkt, (irimm auch das französische Volks-
buch nicht vergessen hat, verwiesen haben. Merimees Er-
13. Volksmärchen aus der Landschaft Forez in Frankreich. [(),)
Zählung, die mit dem Spielhansel viel Aehnlichkeit hat, ist
Grimm unbekannt geblieben, und ihr Nachweis ist daher sehr
dankenswert. Eine andere italienische Erzählung die der
Erzählung vom bonhomme Misere und seinem Birnbaum noch
näher steht, hätte Herrn ChampÜeury, so gut wie sie es Herrn
du Meril (Etudes S. 475, not. 1) ist, aus dem Jahrbuch 1, 310
bekannt sein können. Es ist die Erzählung Cintios dei Fa-
brizii von der nie sterbenden Invidia und ihrem iVpfelbaum.
der von Jupiter, den sie bewirtet hat, die Kraft erhalten, alle,
die ilm besteigen, festzuhalten, und so auch den Tod festhält
[Sarnelli, Posilecheata ed. lnd)riani p. 154]. Hier haben wir
also in eine italienische Fassung des Märchens von dem
wunderbaren Baum, durch den der Tod gefangen gehalten
wird, ein allegorisches AVesen eingeführt, und hierdurch wird
die Annahme von dem italienischen Ursprung des französischen
Volksbuchs noch wahrscheinlicher. Felix Franks Annahme
in seiner Anzeige der Champfleuryschen Schrift in der Revue
de riustruction publi(|ue 1<S()1, Nr. 'iS, dass dieselbe not-
wendig ein Erzeugnis des französischen Volksgeistes im
Mittelalter sei, ist nicht überzeugend.
Wir schliessen diesen Aufsatz mit dem Wunsche, recht
bald wieder Märchensammlungen aus den Provinzen Frank-
reichs zu erhalten und erinnern an Wilhelm Grimms Worte
(Märchen 3, 3!Hy): „in Frankreich mögen die Märchen noch
in reicher Fülle vorhanden sein. Das Volk würde wohl ge-
schickt sein, diese Ueberlieferungen frisch und lebendig zu
erzählen. Es käme nur darauf an, dass man sie sammeln
und ohne Ueberarbeituuff und Zusätze bekannt machen wollte."
13. Volksmärehen aus der Landschaft Forez
in Frankreich.
[Fuchs und Wolf.]
(Jahrbuch für vornan. Litteratur 9, 899—402. 1868.)
Zu vorstehendem Märchen in der Mundart von Saint- 400
Jean-Soleymieux, welches in dem 'Dictionnaire du Patois
lOß Zur Märcheiiforscluuig.
f'orezieii par L. -Pierre Gras' (Lyon 1<S68), S. 220 mitgeteilt
ist, vergleiche man v. Hahn (iriechische Märchen Nr. S9;
Campbell, Populär Tales of the West Highlands Nr. ()5, As-
björusen und Moe Norske Folke-eventyr Nr. 17. 2: J. Arnason
401 Islenzkar ThjöÖsögur og | Aefintyri 'i, 509 (in englischer
Uebersetznng in den Icelandic Legends, translated by Powell
and Magnüsson 2, 606), Miillenhoff Sagen, Märchen und
Lieder aus Schleswig, Holstein und Lauenburg S. 468, Grimm
Kinder- und Hausmärchen Nr. 2, Firmenich Germaniens
Volkerstimmen 1, 91 [Engelien Nr. 16, Haltrich Zur Volks-
kunde der Siebenb. Sachsen LSSö, S. 74, Cosrpiin Nr. 54, Revue
des 1. rom. 4, ol6: 14, 184, Adam Les patois lorr. p. 412,
Sebillot ('. des prov. Nr. 65, Teza Rainardo 186 p. 18,
Blade H, 195, Giamb. Basile LSS4, 52, Braga Nr. 246, Ca-
ballero p. 17, Brueyre p. o()4, Bondeson Sv. Fs. Nr. HO, Sv.
Landsmälen 1. 748; 2, CV, Afanasjew 1"^ Nr. 12 bei De Gu-
bernatis Zool. Myth., Krauss 1, Nr. 11, Radioff 8, o69. Krolin,
Bär und Fuchs : Journ. de la soc. tinuo- ougr. (5, 74]. Wie
im französischen Märchen, so sind auch im griechischen, im
gälischen und im holsteinischen Wolf und Fuchs die han-
delnden Tiere, im norwegische-n ist der Bär an die Stelle des
Wolfs getreten. Sonst spielt das Märchen auch zwischen
Katze und Maus (Grimm), oder zwischen Hahn und Huhn
(Firmenich), oder zwischen Fuchs und Hahn ( Variante bei
Grimm), in Island zwischen einem Mann und seiner Frau.
Die Namen der Täuflinge sind im griechischen Märchen:
Anfanginchen, Mittinchen, Stülpinchen; im gälischen: Foveeal
(ünder its mouth), Moolay Moolay (About half and half),
Booill eemlich (Licking all up); im norwegischen: Begyndtpaa
(Angefangen), Halvsedt (Halbgegessen), Slikket-i- Bunden
(Boden geleert); im holsteinischen: Halfuet, Drevirteluet,
Schrapopnborn; im isländischen: Borria (Rand), Mi(1ja (Mitte),
Logg (Falz am Boden), Botni (Boden); bei Grimm: Hautab,
Halbaus, (Janzaus, und: Randaus, Halbaus, Ganzaus: bei
Firmenich: Schlichtaf, Halfut, Stülpum [Archivio 5, 57 ent-
stellt].
Der zweite Teil des französischen Märchens, von der
13. VolksmäiH'licii aus der Landschaft Forez in Frankreiidi. 1()7
Entdeckung' des geleerten Buttertopfes an bis zum Ende,
stellt nur in riusserli<'her loser Verbindung mit dem Haupt-
teil. Es sind einzelne Schwanke von Fuchs und Wolf, die
hier verbunden sind. Wenn der AVolf sich so dick frisst,
dass er kaum wieder aus dem Loch heraus kann, so ver-
gleiche man (hizu Grimm, Reinhart Fuchs S. CCLXV und
Grundtvig Gamle danske Minder.?, 119 [Kühler zu Blade 1H74,
p. 151, Cosquin Nr. 54, Sebillot 3, 8(U), Rolland 1, 149]. Die
Art, wie er seinen Schwanz verliert, erinnert an den be-
kannten Fischzug des Wolfs im Eis [Gott. gel. Anz. 1(S()8,
1390 = oben S. 70|. no(di mehr aber an das afrikanische
Tiermärchen bei (irimm, Kinder- und Hausmärchen ■^. '')72.
Und endlich wie der Fuchs dem Wolf einen weissen Stein in
einem Brunnen für Butter ansgiebt, so glaubt anderwärts der
Wolf dem Fuchs, der in einem Brunnen sich spiegelnde
Mond sei ein Käse, vgl. F. AV. | Schmidt zu Petrus Alfonsi 402
S. 154: -I. Grimm, Reinhart Fuchs S. CGLXXVIl und Dunlop-
Liebrecht S. 44sb |('ainpbell 1. -JT-J, AVuk Nr. 50, Krauss 1,
Nr. S, Archiv f. slav. Phil. 7. ;!10|.
Ausser diesem Märchen enthält das Dictionnaire du patois
forezien neben mehreren mundartlichen Liedern und anderen
Gedichten noch zwei hiibs('he Versionen des Märchens vom
Rotkäppchen (S. 205 und S. 210) und eiidge Fragmente
des Märchens vom Daumesdick (S. 201). der bald Plen-
Pougnet, l)ald Gros-d'in-Pion heisst. Er wird von einem
Ochsen verschlungen und ruft seiner suchenden und nach
ihm rufenden Mutter zu: ,Sei guiens le ventre deu bleu
moure' (Je suis dans le ventre du banif uoir), die Mutter
weiss nicht, was sie machen soll, als plötzlich ,le bieu moure
fague vun bousat, et Plein-Pougnet ley se troube' (le b<puf
noir fit une bouse, et Plein-Poing sy trouva). Ein andermal
wird er von einem Wolf verschlungen, und wenn nun der
Wolf Schafe rauben will, schreit Daumesdick im Leibe des
AVolfes den Schäfern zu: ,Gara, gara, (jue lou lü vint miudzä
voutres feyes (brebis)!' fGubernatis Zoolog. Mythol. 2, 151,
Bleek, Bushman folk-lore p. 12J — ganz so wie im
griechischen Märchen (v. Hahn Nr. 55) Halberbschen aus dem
108 ^^^^' ^ärehenforscluing.
Leibe des Wolfes ruft : ,He, ihr Hirten, der AVolf frisst euch
die Schafe!' Im griechischen Märchen stürzt sich der Wolf
aus Verzweiflung darüber von einem Felsen herunter zu Tode;
im französischen zwängt er sich auf Kat des Fuchses durch
zwei eng bei einander stehende Bäume hindurch und presst
so den unbequemen Daumesdick heraus. Endlich erzählt das
französische Märchen auch noch vom Daumesdick, wie er
von einem Baum aus Räuber l)elauscht, die ihre Beute teilen.
Indem er immer dazwischen ruft, tötet der zornige Haupt-
mann, welcher glaubt, seine Leute seien es, einen nach dem
andern, und als auch dann die Stimme immer noch ruft,
wirft er das Geld hin und flieht.
S. 230 bemerkt Herr Gras: ,Les contes et les chausons
sont fort multiplies dans la montagne (im Gebirge von Forez)'.
Möchte doch diese Fundgrube recht ausgebeutet werden!
14. Zu H. Carnoy,
Contes, petites legendes, croyances populaires, coutumes,
formulettes, jeux d'enfants, recueillies ä Warloy-Baillon
(Somme), ou ;i Mailly (Romania 8, 222 — ^263).
(Zeitschrift für ronian. Philologie 8, 311 — 313.^1879.)
Herr H. Carnoy liatte schon in der leider so bald wieder
eingegangenen , Melusine' manclie wertvolle Volksüberliefe-
rungeu aus Warloy-Baillon mitgeteilt, und zwar S. 90, 109,
110, 113, 239, 279, 44(1 Märchen, S. l.ss und 464 Gebete,
S. 126, 174, 31.S Sprüche, S. 293 ein Rätsel, S. 71 Aber-
glauben, S. 125 Gebräuche. Hier erhalten wir von ihm
15 Contes (Märchen), 10 petites Legendes (d. i. kleine Le-
genden und Sagen), 7 Formulettes (Kinder- und Volksreime),
3 Prieres populaires, einige Mitteilungen über Croyances
populaires und Coutumes des jours de fetes und 2 Jeux
14. Zu H. Carm.y. 109
denfauts ^). Ich will hier die Titel der sänitliclieii Märchen,
bei deren jedem angegeben ist. von wem und wanu nnd wo
es dem Sammler erzählt w^orden ist. folgen lassen und sie
mit einigen Bemerkungen begleiten.
Nr. 1, Di('k-et-l)on. Vgl. ('osquin Contes populaires
lorrains Nr. 27 und meine Nachträge dazu oben 2, 351. Der
Name Dick-et-Don erinnert auffallend an den Ricdin-Ricdon
in dem Märchen der Mlle L'heritier nnd an den Kirikitoun,
der baskischen Märchen bei Webster S. 5(5 und ('erquand 1, 41.
— Nr. 2, La biche blanche. Ebenso wie das in der Melu-
sine S. 446 von Carnoy mitgeteilte, zum Teil entstellte
Märchen aus Warloy-Baillon ,La niontagne noire ou les filles
du diable' eine Version des Märchens von der vergessenen
Braut. Vgl. Cosquin zu Nr. 82 nnd meinen Nachtrag oben
3, 156^). Wenn die vergessene Braut sich dreimal von der
neuen Braut die Erlaubnis erkauft, mit dem Prinzen die
Nacht zuzubringen, so vgl. dazu meine Anmerkung zu Blade,
Contes pop. recueillis en Agenais S. 145. — Nr. 3, Jean
des pois verts, gehört zu dem Märchen vimi kleinen Däum-
ling (Petit poucet). Der sehr eigentümliche Anfang erinnert
an V. Hahn, Griech. Märchen Nr. 5() (Pfefferkorn). — Nr. 4,
Jean ä la tige dharicot. Vgl. Cos(|uin zu Nr. 4 und 39
seiner Contes und dazu meine Nachträge oben 3, 157 und
das von Cosquin und mir vergessene sehr hübsche bretouische
Märchen in der Melusine S. 129. Wenn in unserm Märchen
Jean an einer himmelhohen Bohnenpflanze emporsteigt und
so in den Himmel gelangt, so stimmen von den parallelen
Märchen in dieser Beziehung nur das italienische Märchen
bei T. Gradi, Saggio di letture varie p. 181, und das vlä-
mische bei Lootens, Oude Kindervertelsels S. 9. Beide
') [Vgl. Carnoy, Litterature orale de la Picardie. Paris 1883. —
Die 14 Märchen sind aus der Romauia abgedruckt bei Carnoy, Contes
franyais 1885 p. 227—308.]
■^) Jetzt wäre ^unter andrem noch nachzutragen das bretonische
Märchen ,La Princesse Blondine' in dem soeben erschienenen Buch des
trefflichen F. M. Luzel, ,Veillees bretonnes ; mo eurs, chants, contes et
recits^populaires des Bretons-Armoricains', Morlaix 1879, S. 11.
wo Zur MärclienfDrsfhimg.
Märchen unterscheiden sich aber wieder ihidurch von dem
picardischen, dass in ersterem der Himnielspförtuer St. Peter,
in letzterem der liebe Gott selber der Spender der Wunder-
gaben ist. Vgl. auch die Bemerkungen weiter unten zu
Nr. IH. — Nr. ö. Pierre le badaud. Peter richtet einige
Aufträge ganz wortlich ä la Eulens[)iegel aus. An Kulen-
spiegel (9. Historie) erinnert auch der Schluss des Märchens,
wo P. in einen leeren Bienenkorb gekrochen ist, der dann
von einem Dieb fortgetragen worden ist, bis P. durch Stechen
mit einer Schusterahle (also auf andere Weise wie Kulen-
spiegel) den Dieb dahin bringt, den Bienenkorb fallen zu
lassen und zu fliehen. Vgl. auch das von H. Carnoy in der
Melusine S. i)() mitgeteilte Märchen von dean l'avise. — Nr. B,
Le merle blanc, ist eine Version des Märchens von den
drei Brüdern, die nach einem wunderbaren Vogel ausziehen,
und von dem hilfreichen Fuchs oder Wolf, über welches
Märchen man meine Anmerkungen zu Schiefuer, Awarische
Texte Nr. 1 und die von ('os(|uin zu Xr. 1 seiner Contes lor-
rains sehe. Eine interessante bretonische Version ,Le i)etit
roi deannot' hat neuerdings Paul Sebillot in <ler Pariser Zeit-
schrift I/alliance des arts et des lettres, V. annee no. 47, 1.
fevr. IST!), mitgeteilt [= Sebillot, Contes pop. de la llante-
Bretagne 1, no. 1. ISSO]: hier ist der Wundervogel auch ein
merle blanc ^). — Nr. 7, dean des Pols Verts et Jean
des PoIn Sees, besteht aus Elementen der Märchen vom
Fürchteideiiien (siehe (irimm Nr. 4 mit Anm. und (lonzen-
bach Nr. .')7) und der Unibos-Mär(dien (zuletzt von Cos(|uin
in Nr. 10 und "20 und im Appemlice hinter Nr. 4'2 be-
sprochen). — Nr. S, Le Corps saus Arne ou le lien, la
pie et la fourmi. ist eins der vielen Märchen, in denen |
der Held (hier ein chiffonnier) von dankbaren Tieren die Fähig-
keit erhält, ihre (iestalt anzunehmen, dadurch eine Prinzessin
von einem Ungeheuer. Drachen und dergleichen befreit und
endlich auch, trotz den Ränken eines Nebenbuhlers, ihre Hand
erhält. Nr. 9, La bague magicjue. Ein düngliug erhält
•) Ich verdanke die Kenntnis dieses ^lärehens meinem Freunde
Henri (xaidoz in Paris.
14. Zu n. Canioy. HX
von einer Zauberin einen Ring, durch den er, wenn er ,Deus
vobiscum* sagt, die Nase einer andern Person verlängern und
auch, wenn er ,et cum spiritu tuo' sagt, wieder verkürzen
kann. Hierdurch verschafft er sich eine Frau. Später kommt
der Ring einmal in die Hände des Pfarrers, und als der am
nächsten Sonntag zum erstenmal , Dominus vobiscunr sagt,
beginnt seine Nase zu wachsen und wächst immer mehr, l)is
endlich der Besitzer des Rings sich seinen Ring wiedergeben
lässt und so lange ,et cum spiritu tuo' sagt, bis die Nase
wieder normal geworden ist. Aehnlich ist eine Novelle in
des Nicolas von Troyes , Grand Parangon des Nouvelles nou-
velles' (die 39. in der Ausgabe von E. Mabille, Paris 1S69);
doch handelt es sich in dieser sehr freien Novelle nicht um
die Nase, sondern um ein anderes Glied, welches um einen
halben Fuss wächst, wenn der, der den Ring am Finger
trägt, das Zeichen des Kreuzes macht, aber auch wieder ab-
nimmt, wenn er das Zeichen des Kreuzes ,par derriere' macht
[Vgl. hierzu Kryptadia 1, 77. 307. 349; 4, '201^. Bedier Les
fabliaux ^ p. 446. Fahrizi Origine dei proverbi 25, Imbriani
('onti pomigl. p. S9, Friedr. Müller, Romsprache S. 168]. —
Nr. 10, Le violon merveiUeux, gehört.^u Grimm Nr. 10 bis
110. Ich werde gelegentlich ausführlich über die verschiedenen
Versionen dieses Märchens handeln, einstweilen verweise ich auf
meine Nachweise im dahrb. für roman. Litt. 5, 10 [oben S. 89]
und 7, 267 [Widter-Wolf Nr. 14]. — Nr. 11, Bras d'acier,
eine Version des Märchens vom Wunschsack oder Wunsch-
ranzen. Vgl. Jahrb. 5, 4 [oben S. 83]; 7, 138 [Widter-Wolf Nr. 9],
Deulin Contes du roi Gambrinus S. 111 (Le Sac de la Ra-
mee), Webster, Basque Legends S. 195 u. 199, A. de Trueba,
San Pedro me valga, in der Madrider Zeitschrift ,La Aca-
demia^ T. 2, no. 12, 7. SOctober 1874 1), Pitre Nr. 125. --
Nr. 12. Les trois souhaits, eine P^ntstellung des dem vorigen
sehr nahestehenden Märchens vom Schmied und vom Tod
und Teufel, über welches ich hier nur auf Grimm zu Nr. 82
verweisen will. — Nr. 13, La tige des feves, Variante zu
*) Auch die Kenntnis dieses Märchens verdanke ich H. Gaidoz.
![•_) Zur Märcheiiforscluin^'.
Grimm Nr. 19. Au die Stelle des daiikbareu Fisches, der in
den meisten der zahlreichen Versionen dieses Märchens eine
Hauptrolle spielt, ist in unsrem und in dem Märchen aus der
Normandie, welches E. du Meril in seinen Etudes sur quel-
ques points darcheologie et dhistoire litteraire S. 474 mit-
teilt, der Himmelsptortner St. Petrus getreten, und in beiden
Märchen Hiegt der Held an einer Bohnenpflanze zur Himmels-
pforte empor, die Pflanze aber ist einer Bohne entsprossen,
die er vom lieben Gott selbst geschenkt bekommen. Vgl.
zu Nr. 4. — Nr. 14, Les six C(tmpagnons. 1) Sechs
Bauern ziehen aus, das Meer zu sehen, und halten ein im
Winde wogendes Getreidefeld dafür und werfen sich hinein,
um zu schwimmen. 2) Zu einem tiefen Brunnen gelangt,
fürchten sie, einer von ihnen könne hineingefallen sein, wes-
halb sie sich zählen. Der Zählende vergisst sich mitzuzählen,
und so bringen sie nur fünf heraus. Also muss wirklich
einer in den Brunnen gefallen sein, o) Um ihn herauszu-
holen, legen sie einen Stab über die Brunnenöftnung, der
stärkste von ihnen hält sich mit den Händen daran, an dessen
Füssen ein anderer und so fort bis zum letzten, der nun
nach dem Verlorenen sich umsehen soll. Der oberste muss
aber einmal in seine Hände spucken, uml so fallen alle ins
Wasser. — Zu 1 ) erinnere ich an die Sage von den fliehenden
Herulern bei Paulus Diaconus de gestis Langobardorum 1, 20
(Herulorum vero exercitus dum liac illacque dilTugeret, tanta
super eos caelitus ira respexit, ut viridantia camporum lina
cerneutes natabiles aquas putarent. Dumque (|uasi nataturi
brachia extenderent, crudeliter hostium feriebantur a gladiis)
und an das Abenteuer der sieben Schwaben, „wie sie durch
das blaue Meer (ira Flachsfeld) schwimmen ohne zu ersaufen",
in L. Aurbachers Abenteuer der sieben Schwaben (Ein Volks-
büchlein, 2. Aufl., Märchen 1835, S. 225) und danach auch
in Simrocks Gedicht „Die sieben Schwaben" in dessen
Deutschen Volksbüchern 10, 52 und in seinen Dichtungen,
Berlin 1872, S. 252 [Liebrecht, Zur Volkskunde, S. 114 f.].
— Zu 2) verweise ich auf das erste Abenteuer in dem
313 indischen Volksbuch von dem 1 Meister Paramärtha und seinen
14. Zu H. Carnoy. ]^]^3
S(;hiilerii'), auf die 10. (lescliiclite in den "Merry Tales (tf tlie
Mad ^feji of (iotiiam -), auf ein galisehes Märclien bei Camp-
hell. Tale.s of tlie West HiglJauds 2, 376 [no. 4<S], auf die
Geschichte von den zu den Witzenbürgern geschickten Ge-
sandten aus Kleinwitzky in v. d. Hagens Narrenbueli S. 478
(aus dem Grillenvertreiber, einer erweiterten Redaktion der
Sehildbürger) und auf den S(di\vank von den Büsumern bei
Miillenhoft', Sagen S. *)4^). in all diesen zählt sich eine Ge-
sellschaft von Einfaltspinseln und bekommt immer einen zu
wenig heraus, weil der Zählende sich selbst nicht mitzählt.
.Meistens kommt ihnen ein Fremder gegen Bezahlung zu
Hilfe, indem er jedem einen derben Hieb giebt und sie dabei
zählt oder sich selbst zählen lässt. Den Büsumern giebt der
Fremde den Rat, jeder soll seine Nase in einen Sandhaufen
stecken und dann sollen sie die Löcher zählen. Im (Jrillen-
vertreiber kommt einer der Gesandten selbst auf den Ge-
danken, dass jeder seinen Finger in dicke Milch stecke. —
Endlich der dritte Narrenstreich, wie sie in den Brunnen
fallen, weil der Oberste loslässt und in die Hände s[)uckt.
wird erzählt von den Schildbürgern (v. d. Hagen, Narrenbuch
S. 11), von den Ganslosenern (Meier, Sagen aus S(diwaben
S. 867), von den Hauwiekern (Strackerjan '2, 2(84), von den
Teterowern (Bartsch 1. 349). Aehnlich ist auch ein indischer
Schwank in A. Webers Indischen Streifen 1, 248 [Gaidoz-
Sebillot. Blason 1884. p. 11-2]. — Nr. 15. Lenfant et le
eure. Zu den Antworten des Knaben: .Mon pere est parti
faire un trou pour en boucher deux, et ma mere est ä la
') Vgl. den Aufsatz über die Abenteuer des Guru Paraniärtlia, ein
indisches Volksbuch, von E. Brockhaus in den Berichten der Kgl. Sachs.
Ges. der Wissensch. zu Leipzig, piiilul.-histor. Cl. 2, 18—32 (1850).
[Oesterley, Zeitschr. für vergl. Littgesch. 1, .öO (1887).]
■-) Mit diesem alten Volksbuch hat W. C. Hazlitt seine Sammlung
Sliakespeares Jest-Books (London 1864) eröffnet.
•■*) [Danach Kopisch, Gesammelte Werke 1, 280 (185(i). Ferner
Birlinger, Volkstümliches aus Schwaben 1, 437. Alemannia 13, 174.
Germania 2tJ, 118. 27, 231. Melusine 2 4H(>. Gaidoz-Sebillot, Blason
pop. 1884 p. 112.]
R. Köhler, Kl. Schritten I. 8
1 14 Zur Märclientorschung.
chasse; ce quelle tue, eile le laisse, ce quelle ue tue pa.s,
eile le rapporte, habe ich Paralleleu iu der Melusiue 1, 475
nachgewiesen [, Fauch Scouarnec'; weiter unteuj.
Aus (leu ,Petites Legendes' und den übrigen Ueberliefe-
ruugeu will ich nur einiges ausheben. Im Vollmond kanu
mau den Kopf des .ludas Ischarioth, in der Sonne einen
knieendeu Mann sehen, der im lieben nie gebetet hatte
(8. 254, Nr. '2 uml 5). — Zu der S. 255 Nr. 8 mitgeteilten
Hexensage mit der Ausfahrformel , Saute haies saute buissons,
fais-nous aller oii ils sont' vgl. J. Grimm, D. Mythol. ^ S. 1037
= * S. 906 und dazu die Nachträge im 3. Band der 4. Aus-
gabe S. 81o. — Zu dem Aberglauben S. 259 On croit
quil existe un oiseau nomme houppe, qui pond dans son
nid une pierre aux couleurs l)rillantes. Si on pouvait trouver
cette pierre, on serait invisible en la portant sur ses vete-
ments', vgl. Wuttke, Der deutsche Volksaberglaube der Gegen-
wart S. 29S f. und F. I.. Grundtvig, Lösningsstenen, Kjö-
benh. 1S7S S. \'M) f. und S. 15<s f. Manche Leser werden
sich an Grimmelshanseus , Vogelnest' und an Rosts S(;häfer-
gedicht ^Das Zeisignest' erinnern. — Endlich möge noch er-
wähnt werden, dass nach S. 2()0 die Milchstrasse ,pied de
vent' und der grosse Bär ,le chariot de David' heisst, dass
sich der Teufel mit seiner Frau prügeln soll, wenn die Sonne
von Wolken verdeckt ist, dass, wenn es schneit, der liebe
Gott seinen Hafer schwingt, und wenn es donnert, trommelt,
und dass man die Gewitter ,<pieues d'onrs' nennt.
15. Anmerkungen zu Blade, Contes populaires
de la Gascogne (issc).
[Die nachfolgenden, bisher ungedruckten Bemerkungeu
Köhlers waren dazu bestimmt, der dreibändigen Sammhmg
, Contes populaires de la Gascogne' von dean-Frangois Blade
15. Aiiinerkuiiij'eii zu Bhide. 115
(Les litteratures populaires de toiites les nations 19 — 21. Paris,
Maisoiineuve 1(S<SG) angehängt zu werden; auch Gaster hatte
seine Mitwirkung zugesagt. Da sich aber der Abschluss ver-
zögerte, drängte der Verleger, die Texte ohne den ivommentar
erscheinen zu lassen: vgl. Blades Vorrede zum 1. Bande,
S. XL VII. Ich gehe hier, was Köhler schon ausgearbeitet
hatte, wieder und hänge in Klammern einige verstreute No-
tizen von ihm nebst eignen Zusätzen an. ,1. Bolte.]
1, 8 110. 1. Le jeune homnie et la grand" bete ä tete
dh online.
Jeder Leser dieses Märchens hat natürlich sofort an die
griechische Sphinx, die man sich gewöhnlich als einen ge-
Hügelten F^öwen mit dem Kopf und der Brust einer Jungfrau
vorstellte ^), und an ihr Rätsel über den Menschen gedacht.
In einer leider nur unvollständig erhaltenen neu-
griechischen Sage (B. Schmidt 1S77, S. 148) wird erzählt,
dass einst bei Theben eine Königin geherrscht habe, die habe
am Wege auf einem Felsen gesessen und allen, die dort
vorüberkamen, drei Rätsel aufgegeben. Das dritte dieser
Rätsel ist das vom Menschen und lautet: ,Was ist das für
ein Ding, das zuerst mit vier Füssen geht und dann mit
zweien und dann mit dreien?' — In einem andern, ebenfalls
unvollständigen neugriechischen Älärchen (Schmidt S. "24^)
giebt ein Ungeheuer drei Rätsel auf, und auch hier handelt
das dritte vom Menschen: ,\Vas ist das, was im Anfang
seines Lebens vier Füsse hat, in der Mitte zwei und am
Ende drei?'
Das Rätsel vom Menschen kommt aber auch einzeln,
d. h. nicht in ein Märchen eingerahmt, vor. In einer Hs. des
15. Jahrh. (Anzeiger f. d. K. der d. Vorzeit 1<S3<S, 2G0) findet
sich folgende gereimte Form :
Wenn es an dem morgen auf stat,
Vier füss es an ihm hat;
') [J. Ilberg, Die Sphinx in der griechischen Kunst und Sage.
Progr. Leipzig 1896.]
8*
WQ Zur Märchenforsc'liung-.
So es mittentag wirt,
So sind ihm zwen füss beschert;
So die nacht her gat,
Uf drien füssen es stat.
Bei verschiedenen Völkern ist dasselbe Rätsel in neuerer
Zeit aus dem Volksmunde aufgezeichnet worden. Ich erinnere
mich der folgenden :
Marcha Ion mate ein (juatre ehambas, a miejour em douas,
lou ser em tres (Tjimousin. J. Roux, Revue des langues rem.
12, 175. 1877).
Soy animal que viajo
De maiiana a cuatro pies,
A medio dia con dos
Y ])()r la noche con tres.
(Demöfilo = A. Machado y Alvarez, Coleccion de euigmas
y adivinauzas 1880 p. 148 no. 517: vgl. p. 311).
Was ist das für ein Tier, welches am Morgen mit vier
Füssen geht, am Mittag mit zweien und am Abend mit
dreien? (Neugriechisch aus Lesbos. ß. Schmidt S. 248).
Am Morgen auf vier, Mittags auf zwei, Abends auf drei
Füssen (Finnisch. Nach E. Lönnrott in der Allgem. Zeitung
1884 Nr. 301 B S. 4443 A).
Am Morgen vier, am Mittag zwei, am Abend drei (Bur-
jatisch. Gombojew, Bull, de 1" acad. imp. de St. Petersbourg,
classe des sciences histor. 14, 170. 1856).
Morgens geht es auf vieren, Mittags auf zweien, Abends
auf dreien (Armenisch. Seidlitz, Ausland 1884, 71. 1889, 809).
[Fidschi-Inseln: Revue des trad. pop. 1,87. Fortier,
Louisiana folk-tales 1895 p. ()2 Nr. 18. Wossidlo, Mecklen-
burgische Volksüberlieferungen 1, 11(5 Nr. 344.]
Das zweite Rätsel bei Blade von dem weissen Bruder
und der schwarzen Schwester, d. i. dem Tag und der
Nacht, erinnert an zwei lettische Rätsel (A. Bielenstein, 1000
lett. Rätsel 1881 Nr. 137. 138), von denen das eine lautet:
,Zwei Schwestern, die eine weiss, die andere schwarz' — und das
andere : ,Zwei Schwestern, die in Zwietracht sind : die eine er-
scheint, die andre flieht: die eine ist weiss, die andre schwarz'.
[Wossidlo 1, 141 Nr. 498.]
15. Aniiierkungen zu Bladc. jJ^J
Wenn in iinserm Märchen das Untier im Sterben den
Jüngling auffordert, sein Blut zu trinken, seine Augen und
sein Gehirn zu saugen und sein Herz seiner Geliebten zu
essen zu geben, so vergleiche man weiter unten (p. 191) das
Märchen ,La belle endormie', in welchem der Boshafte den
König auffordert, seine Ohren und seine Zunge zu essen und
seine Augen zu saugen.
1, 32 no. 111. Le becut.
Polyphem; nichts von Utis [Grimm no. 191].
1, 43 no. IV. Le retour du seigneur.
Eine jener zahlreichen Sagen, welche erzählen, wie ein '^Iam/^^ ^^^
Fürst oder Herr nach längerem Verweilen im Morgenland
plötzlich auf übernatürliche Weise rasch in seine Heimat
zurückgelangt, wo seine Gemahlin eben im Begriff ist eine
zweite Ehe einzugehen. Derartige Sagen sind schon öfters
zusammengestellt und besprochen, so von W. Müller in der
von ihm und G. Schambach herausgegebenen Sammlung.
,Niedersächsische Sagen und Märchen' l<s,')5 S. 3.S9, W. Menzel
(Odin 1855 S. 96), W. von Tettau (Jahrbücher der kgl. Akad.
zu Erfurt n. F. 7, "243. 1870), P. Rajna (Romania 6, 359.
1877), M. Landau (Die Quellen des Decameron, 2. AuH. 1884
S. 193) und F. ,1. Ghild (English and scottish pop. ballads
1, 194. 1882 zu Nr. 17 .HindHorn'; ferner 2, 502. 4, 499).
Wie im gascognischen Märchen der Held vom Teufel
durch die Luft nach Hause getragen wird, so auch in den
parallelen deutschen Sagen von Herzog Heinrich dem Löwen
und von den Rittern von Hollenbach, von Falkenstein und
von Strättlingen.
Die Stelle des ,C(intrat de mariage coupe en deux-, durch
den in unserm Märchen die Wiedererkennung der Ehegatten
erfolgt, vertritt in zahlreichen parallelen Sagen der in zwei
Hälften geteilte Trauring (Puymaigre, Chants populaires
rec. dans le pays messin 1881 1, 51. 56. 64. Bellermann,
Portugiesische Volkslieder 1864 S. 106).
WS Zui' Märchentorschung.
1, 57 110. I. La reine clijitiee.
[Entspricht der Hamlet sage; nur fehlt der Buhle der
verbrecherischen Königin.]
1, 66 110. 11. La mer qui chaiite, la pomme (jui danse
et r oisillon (|ui dit tout.
Vgl. Cos(piiu no. 17 ,L"oiseau de veiite''. Troude et
Milin 1870 p. 3, Melusine 1, 206— '213 (bretonisch) und 214 f.
(Le gage touche, Paris 1722). Webster p. 176, Maspons y
Labros 1, 60 und 107. 4, 81. Caballero 2, 7H, El Folk-lore
andaluz 1882—1888 p. 305, Braga iio. 38. 39, Romero no. 2
und auf 8. 202 — 207 zwei portugiesische Fassungen, die zuerst
Leite de Vascoiicellos in der Vanguarda no. 40 — 41 veröffent-
licht hatte. A. H. de Azevedo, Romanceiro do archipelago
da Madeira 1880 p. 31)1. Straparola 4, 3 1). Sarnelli, La
Posilecheata no. 3, Coinparetti no. (i und 30, Coronedi-Berti
no. 5 (11 Propugnatore 7, 1, 212). De Guberuatis no. 16.
De (Jubernatis, Mythologie des plantes 2, 224 (toskanisch),
Finaniore no. 3i>, (ionzenbach no. 5, Imbriani, Novell. Hör.
no. 6. 7. 8 (= Nerucci no. 27) und i> (= Nerucci no. 20),
Imbriani, "A "Ndriana Fata 1875, Pitre, Nuovo saggio no. 1,
Pitre, Fiabe no. 36, Prato no. 2 und p. 29 — 39 (6 umbrische
Varianten). Schneller mt. 26, Visentini no. 4(), Archivio 2,
195 (sardinisch), Decurtitis no. 3 (llomanische Studien 2,
102 = Jecklin 1, 105), Prölile, KHM no. 3, Wolf, HM p. 168,
Vernaleken no. 34 = Peter 2, 199, Zingerle 2, 112 und 157,
Meier no. 72, Frommanns Deutsche Mundarten 4, 263 (aus
der Grafschaft Mark), Grimm no. 9(5 .De drei Vttgelkens',
Franzisci no. 13, Hansen no. 7 (Zeitschr. des Ges. f. Schleswig-
holstein, (lesch. 7, 230), Kristensen 1, no. 23, Arnason 2, 420
= Powell 2, 427 = Andersen p. 435 = Poestion no. 23,
Jagic, Archiv f. slav. Phil. 2, 626 no. 25 = Krauss 2, no.
148, Gaal S. 390, Ausland 1881, 747 (Zigeunermärchen aus
Rumänien), Hahn no. 69, XFOFAh]riy.ä \Av<'dey.j(i 1, 1 no. 4.
*) Eine ott'eiibare Naohbildmiin- ytrii])arolas ist ,La ])rinoo&ise Belle-
Etoile et le prince Cheri' der Madame d'Aulnov.
15. Anmcikunucn zu Blade. 1|9
Dozon 110. "2, (Jallaud, Mille et iine imit«, iiiiit 416 — 4'6():
,Histoii-e des deiix soeiirs jälouses de leur cadette' ^), Spitta VX'' ^"^''^
HO. 1 1, Prym-Sociii no. 88, Zeitschr. der d. morgeiil. Ges. 3(5, '2')d Ji^ .
(arabisch aus Märdiii), Scliiefner, Awar. Texte no. l'i, Lal Beliari ^'^ '
Day no. \\l, Kiviere p. 71. [Zs. d. V. f. Volksk. (i, (H) no. 5.]-
Viele der angeführten Märchen sind sehr entstellt und
verstümmelt. Unser gascognisches Märchen hat manche Be-
sonderheiten, die in keiner der Parallelen vorkommen. Die
wichtigsten sind die folgenden:
1. Les chaines d'ov que les deux jumeaux ont entre
peau et chair. In dem Märchen in der Pdsilecheata haben
die Königskinder ,"na catenella de carue appesa "n canna
de colore dargiento', in einer dei" umbrischen Varianten bei
Prato p. 32 ,una bella collana di carue attorno il collo',
bei Prato p. 3(3 und bei Imbriaui, Nov. üor. no. 9 ,uua
collana d'oro al collo', bei Straparola ,i capelli giii per le
spalle annodati e mischi con finissimo oro e iiua collana al
collo e una Stella in fronte': bei Frommann hat der Knabe
einen Stern von (iold auf der Brust und das Mädchen eine
Kette von Gold am Hals.- In den übrigen Märchen kommen
keine Ketten vor.
2. La liier (jui chaiite aux enfants qu'ils retrouveront
leur pere et leur mere.
3. La, ponime qui danse et danse jusqu' ä ce (|u' eile
vient se poser sur la tete de la mere du roi.
4. La deruiere partie du conte oü le roi condamne sa
mere, mais veut souffrir lui-meme les peines ordonnes.
1, 12() no. Vll. Pieds-dor.
[EinSchraiedejunge entdeckt das Geheimnis seines Meisters,
fl'^r allnächtlich seine menschliche Haut ablegt und sich in
') Da bis jetzt keine arabische Handschrift bekannt geworden ist,
welche diese Erzählung enthält, so scheint es, dass Galland sie nicht
aus einer Handschrift geschöpft, sondern von einem Erzähler in Kon-
stantinopel oder Smyrna gehört hat. Vgl. H. Ch. Coote, Folk-lore the
source of some of Mr. Galland's tales (Folk-Lore Record 3, 178).
\20 ^ur Märcheiiforschung.
eine Otter verwandelt. Da er sich weigert, die Schlangeu-
königin, seines Meisters Tochter, zu heiraten, sägt ihm dieser
die Füsse ab und sperrt ihn in einen Turm. Er schmiedet
sich goldene Flügel und Füsse, tötet die Schlangenkönigin,
fliegt davon, entwendet die Menschenhaut des Schmiedes und
isst sie. — Offenbar ist das Märchen ein Nachklang der
Wiel_a ndsage, über die Symons in Pauls Grundriss der
german. Philologie "2, 1, 59 handelt. — Die alte Sage von
Dädalus, der sich Flügel anfertigt und damit durch die
Luft entfliegt, findet sich in verschiedenen Märchen wieder,
z. B. Strackerjan 2, 343; Dietrich Nr. 11, B. Schmidt Nr. 11,
Miklosich Nr. S.]
1, lt)9 no. VII. La marätre.
Vgl. Carnoy 1SS3 p. 229, Sebillot, Contes 1 no. (10,
Sebillot, Litt. or. p. 223, La Tradition 1, . . . [Pineau 1891
p. 75, Thuriet. Traditions pop. du Doubs 1891 p. 25, Revue
des trad. pop. 1, 299], Corazzini no. K!, El folk-lore andaluz
p. 105, Archivio 7, 91, Grimm no. 47 ,Der Machandelboom'
[Lotich, Zs. d. V. f. hess. Gesch. (i, 3()1. 1S54], Firmenich
1, 311: 2, 226, Curtze S. 42, Hoftmeister S. 14, Peter 2, 203.
Zingerle 1, no. 12, Meier no. 2, Kristensen 2, no. 59 [Volks-
kunde 1, 22!), Pol de Mont en Cock no. 32, Jacobs, English
fairy tales 1S90 no. 3], Chambers, Pop. rhymes of Scotland
LS47 p. 203 = 1870 p. 49, Baring-Gould no. 1, Glinski
2, 207 = Godin S. 12, Jones and Kropf p. 298. 418, [Lerch,
Forschungen über die Kurden 1, 80. 1857].
Es ist in unserm gascognisclieu Märchen offenbar Ent-
stellung, wenn der geschlachtete Bruder, nachdem er gekocht
ist, ein weisser Vogel und dann^ nachdem er von seinem
Vater gegessen ist und seine Knochen in der Erde ruhen, ein
schwarzer Vogel wird. Das Ursprüngliche ist jedenfalls, dass
der Knabe nur einmal in einen Vogel verwandelt wird, und
zwar erst dann, wenn seine Knochen vergraben sind. Eigen-
tümlich ist auch, dass die Schwester die gesammelten Knochen
zur Gestalt eines Vogels ordnet.
lö. Auiiierkiiiigoii zu Binde. \'21
Statt des AVindiiiülilenflügels finden wir in anderen
Fassungen (Grimm, Firmenic-h, Curtze, Hottnieister, Kristensen,
Chambers, Baring-(Jould, Folk-Iore andalnz) einen Mühlstein;
in den übrigen kommt weder Mühlstein noch Mühlllügel vor.
Ich habe noch zweier Versionen unseres Märchens aus
Languedoc und Provence zu gedenken, von denen uns nur
kurze Inhaltsangaben und das Lied des Vogels mitgeteilt
sind. Ueber die Variante aus Languedoc hat ein Herr C. S.
vor 55 Jahren im Journal ,Le Globe' 1830, no. 14() (12. Juli)
berichtet, und ich glaube, vielen Lesern einen (lefallen zu
thun, wenn ich diesen interessanten Artikel hier unverkürzt ^)
folgen lasse:
De la ballade de Marguerite dans le Faust de Goethe.
Au redacteur du Globe.
Monsieur.
La France n'ii pdiut, comme FAllemagne et lltalie, une
litterature populaire ecrite; niais les habitants du Lauguedoc
et de la Provence se sont transmis, depuis un laps de temps,
(pril serait peut-etre difficile de preciser, des chansons et
des contes qui presentent ((uehjuefois des idees grandes et
morales et dont le style est toujours pittoresque et expressif.
Ma mere avait une vieille domestique fort complaisante, et
(|ui avait bien dans sa memoire autant de recits ([ui en
contiennent les Mille et une Nuits: eile aurait lutte contre
Sherehazade [!]. Je nai jamais oublie un de ces contes dans
le(juel un paysan devenu veuf setait remarie quoi(|ue pere
de deux petits enfants: les moeurs du peuple, dans la contree
ou je suis ne, condamnent ces sortes d'union, et un charivari
jie man(|ue jamais de troubler la premiere nuit du veuf ou
de la veuve qui (*onvole ä des nouvelles noces. La maratre
de mon conte est brutale, cruelle et meme feroce, car eile
fait mourir, ä force de mauvais traitements. le jeune fils de
') In der Anmerkung zu Grimm Xr. 47 ist auf den Artiivel hin-
gewiesen und das Lied in französischer Uebersetzung mitgeteilt.
122
Zur Miirchentbrsc'hung.
soll mari, le coupe en morceaiix, et apres Tavoir fait ciiire,
l'envoie ä soii pere qui travaille aux champs, et qui le maiige
croyaut qiie cest im court-bouillon de ehevreau : la soeur de
ce iiialheiireiix eiifaut est temoin de cette barbarie, et cest
eile qui, par ordre de la maratre, porte ä soii pei'e ce
ragoüt digiie de Thyeste ou de Fayel: mais la peur d'eproiiver
le meme sort la reiid miiette; cepeiidaiit eile reciieille les os
de son frere, les enterre avec soin, et afiu de reconnaitre le
lieii Oll eile les depose, eile y plante uii arbrisseaii siir lequel
Uli oiseaii ne tarde pas ä venir chanter. Voici les paroles
qiie la jeiine fille croit distinguer daiis sou ramage:
Ma Mairäströ,
Piqiio }»aströ,
Ma boiilit
E perboiilit.
Moiin paire,
Loa laouraire,
M'a maiitsat
E ronseoat.
Ma siiroto
Ea I.isotö
M'a ])l()urat
E soiipirat :
Tsoiis Uli albre
M'a entarrat.
Riou tsiou, tsioü,
Eucaro soiii bioü.
Lors(iiie je lus pour la premiere tuis le Faust de Goethe,
je De fus pas peu surpris dy trouver ces vers presque
litteraleraent traduits: cest la pauvre Marguerite qui, apres
avoir uoye sou ent'aut et perdu le seus. les chaiite daus sa
prisou. Les voici pris daus la traductiou de M. Albert
Stapf er :
Ma mere,
La catiu,
Qui m'a tuee !
Mou pere,
Le coquiii,
Qui m'a maugee !
Ma jeune soeur
A la faveur
De la iiuit sombre.
Eu un lieu frais.
Que je conuais
A l'ombre,
Jeta nies os
Dans des roseaux,
Sous une saule
A leau.
La, je devieus petit oiseau,
Et vule. vole!
15. AnniL'ikun'ieii zu Blade.
123
Vüici niaiiiteiiaut la traductiou litterale des vers patois.
Le second est iutraduisible, il na aucuii seiis; le inot qui le
remplace daiis Goethe est uii de ceux (juim paysaii bien
eleve et homiete, et surtout uue femme, ne proDonceut Jamals
dans la montagne de Lacaime: eest sans doiite poiir eviter
de le faire (|ue laiiteur du cnnte patois a mis ces mots:
,pi(|uo pastro', qui, je Tai dit, ue signifient rieu.
Ma marätre
Pique pätre
Ma fait bouillir
Et rebouillir.
Mou pere,
Le laboureur.
Ma mange
Et rouge.
Ma jeuue soeur
La Lisette (qui s'appelle L.)
Ma pleure
Et soupire;
Sous un arbre
M'a enterre.
Riou, tsiou, tsiou (imitatiou
du chant dun oiseau)
fle suis encore eu vie.
Ou sait que Bürgher [!] con(,'ut Tidee de sa .Lenore' en
eutendaut fredonner par mie petite Klle ces mots qui sont
reproduits ä la tiu de plusieurs stances: ,Les morts vout vite
a cheval", on sait aussi ([ue Byron prit le sujet du ,(iiaour'
dans une ballade chantee ou recitee par un Türe qui lui
demandait laumone. Goetlie a sans doute appris les vers
que chante Marguerite de quelque paysan saxon [!] : mais je
n'explique point comment ce petit poerae qui, ce me semble,
n'oft're rien de remarquable, etait eonnu ä la fois, il y a longues
annees, en patois, dans la commune de Montredon, pres
Castres, departement du Tarn, et, en allemaud, aux envirous
de Vienne [!] ou de Weimar. Dans la(|uelle de ces contrees
a-t-il ete compose ? Comment ces vers auront-ils ete trans-
portes ä six cents Heues de la cnntree oü ils ont ete faits,
et traduits presque mot ä mot et dans la meme mesure?
Un homme k qui je disais tont ceci, un Allemand, qui Joint
ä une erudition profonde Tesprit le plus vif et le plus aimable,
M. le docteur Korefl', conseiller superieur intime de regence
du roi de Prusse, pense que le patriarche de Weimar serait
bien aise den avoir connaissance. Si vous partagez cette
124
Zur Märchenforsc.liiui"'.
opinion, Monsieur, votre admiration i)()iir (!oethe vous portera
a inserer ma lettre dans uii des numeros du (ilobe, Goethe
la lira, saus doute, et peut-etre pourra-t-elle iiiteresser
((uelques-un de vos lecteurs. C. S.
Die andere Version unsres Märchens — aus der Pro-
vence — finden wir ervvälint in einem 1S()2 von F. Mistral
gehaltenen Vortrage (Armana jirouvenvau por 1(S68 p. 25):
,Lou sort de nosto leiigo me fai ensouveni duno fourneto
que ma maire me countavo, quand ere pichot: sagissie dun
paure enfant que sa meirastro avie tua, que sonn paire avie
manja, que sa sorre avie entarra, e c[ue ressuscitavo en formo
d'aueeii l)lanc, e que cantavo a(iuesto cansouneto :
Ma meirastro
Dins la mastro
Ma deli,
Piei fa houli:
E moun paire,
Ldu lauraire,
M "a manja
E mastega:
E Liseto
Ma sourreto,
Ma ploura
E ma "ntarra.
E pieu! pieu!
Encaro sieu vieu!
Diese Stelle ist von A. Montel und L. Lambert in der
Revue laugues romanes 3, 219 (1<S72) wiederholt und mit
folgender Uebersetzung begleitet: ,Le sort ä notre langue me
rappelle un conte que ma mere me disait lorsque j'etais
petit. 11 s'agissait dun pauvre enfant que sa marätre y ait
tue, que son pere avait mange, (jue sa soeur avait enterre,
et (|ui cependant ressuscitait sous la forme dun oiseau blanc,
et chantait cette petite chanson :
Ma maratre — dans la mair - ma petri, — puis fait
bituillir. — Mon pere, — le laboureur, — m"a mange — et
mäche. — Lisette, — ma petite soeur, — ma pleure — et
enterre. — P^t cependant, pieü ! pieu! — me vuici encore
vivant.
Die Herren Montel und Lambert nemien das Märchen
,fort connu de tous les Meridioiiaux'.
15. Anniorkuiigeu zu Blaile. X25
1. IS] 110. 1. La belle endormie.
[Vgl. Griiiiin Nr. SS ,Löweiieckerc'heii''. Cosquiii Nr. Ho.J
1, '2\2 110. 111. Le (Iragoii dore.
Wenn das Fräulein dem Dnigoner beide Ohren mit
Pech verstopfen ninss, damit er nichts hören kann und so
nicht verführt wird, sich zu ihr umzuwenden, so sind dazu
mehrere der oben S. IIS zu 1, (Ji; citierten Märchen zu ver-
gleichen, nämlich die Erzählung der 1001 Nacht, Coraparetti
no. (), Prato p. 8i), Schneller no 2(), El folk-lore andaluz
p. 305, Pröhle KM no. 3, Kristensen 1, no. 23, Krauss '2, 394.
In diesen Märchen verstopft sich die Heldin die Ohren mit
Baumwolle oder Werg (Kristensen) oder Lap[)en (^Folk-lore
andal.) oder Haaren, da die Baumwolle nichts geholfen hat
(Pröhle), oder mit einem gewissen Kraute; und zwar ge-
schieht dies auch hier — ausgenommen die Märchen bei
Comparetti und Schneller, die entstellt sind — um nichts zu
hören und so nicht veranlasst zu werden, sich umzusehen.
Natürlich denkt man auch an Odysseus, der seinen (Jefährteii
die Ohren mit Wachs verklebt, damit sie den (lesang der
Sirenen nicht hören. In einer irischen Sage im ,Book of
Leinster' (ed. R. Atkiiison, Dublin ISSO p. 20) verstopfen ein
König und sein Begleiter sich gleichfalls die Ohren mit Wachs
gegen einen einschläfernden Zaubergesang.
Dazu, dass dem Dragoner der Mund zugenäht wird, um
nicht sprechen zu können, entsinne ich mich keiner Parallele.
1, 22f) no. IV. Le drac.
Vgl. das Märchen , Rosette' der Gräfin dAulnoy. Sebillot
3, no. 29. Basile, Pentamerone 4, 7, Gonzenbach no. 33 und
34, Pitre no. 59 — 61, Imbriani, Nov. fior. no. 25 [= Crane
no. 12, p. 342], Finamore no. 15, Archivio 2, 3G (sardinisch),
Schneller no. 22, ßiblioteca de la tradic. pop. espaii. 1, 137
(chilenisch) = Folk-lore Journal 1, 221, Consiglieri-Pedrosu
no. 22, Romero no, 29, Grimm no. 135 ,Die weisse und
schwarze Braut'. Wolf, DMS no. 19, Gerle 2, 325 (Auszug
bei Grimm 3, 343). [Firmenich 3, 664. Mont en Cock no. 20J
126 '^i^"' ^lärchent'orschuiii^'.
(ilin.ski 3, 97 =: Chodzko p. 'Mb =: (iodin S. SS. (iruiultvig
H. 112, Kristen.sen no. 15 imd IG. Berntsen 1, uo. 17, (irönhorg
S. 101, Asbjüriiseii iio. ö') (verdruckt 57), Bergh. Sogar no. 1,
Hylten-Cavallius no. 7 C. Friis no. 4 = (Jermania 15, 168,
Salmelainen 1, no. S =: Bertram, Jenseits der Scheeren S. 18,
Ausland 1S5S, i)() (rumänisch), B. Schmidt no. IH, Riviere
p. 51.
Wie die schöne .Jeanneton des gascognischen Märchens
die Eigenschaft hat, dass Getreide scheffelweise aus ihren
Haaren fällt, wenn sie sich kämmt, und das Doppel-Lonis-
d'or und spanische Quadrupel dutzendweise aus ihren Fingern
fallen, wenn sie ihre Hände wäscht, so haben in vielen der
angeführten parallelen Märchen die Heldinnen ähnliche wunder-
bare Eigenschaften. Peiitamerone: Rosen und Jasmin kommen
aus ihrem Munde, wenn sie atmet: Perlen entfallen ihrem
Haar, wenn sie sich kämmt, Lilien und \'eilcheu entspriessen
ihren Tritten, (ionzenbach Nr. 34: bei jedem Wort fällt eine
Kose aus ihrem Mund, und wenn sie sich kämmt, fallen
Perlen uiul Edelsteine aus ihrem Haar. Pitre Nr. 59 und
61 : Edelsteine. Sil1)er, Gold und (ietreide, Edelsteine und
Perlen fallen l)eim Kämmen aus den Haaren. Finamore:
Blumen fallen beim Sprechen aus dem Mund. Goldperlen
aus den HaarHechteii. wenn sie sie abtrocknet. Schneller:
AVeizenkörner entfallen ihren Händen, wenn sie sie reibt, und
ihre Fussspuren erglänzen vom reinsten Golde. Biblioteca:
sie lacht Perlen, das Waschwasser, in dem sie ihre Hände
gewaschen, wird am andern Tag zu Blattsilber, die Haare,
die ihr Iteim Kämmen ausfallen, werden Goldfäden. Consi-
glieri-Pedroso : Perlen entfallen ihrem Haar, wenn sie sich
des Kammes und des Handtuches bedient, die ihre Mutter
ihr hinterlassen hat. Grnndtvig: wenn sie spricht, fallen
Edelsteine aus ihrem Munde und, wenn sie sich kämmt, Gold
und Sillier aus dem Haare. Berntsen: Gold und Edelstein
fallen aus dem geöffneten Mund und Silber und Bernstein
aus dem Haar beim Kämmen: Rosen und Lilien wachsen, wo
sie den Fuss hinsetzt. Kri«tensen \r. 15: so oft sie aus-
15. Aniiiei-kungen zu Blade. 127
spuckt, springt ein Golddukaten aus ihrem Mund, und ihre
Stimme klingt wie das schönste Orgelspiel. Kristensen
Nr. 1(): wenn sie ihre Mütze abnimmt und ihre Haare aus-
breitet, wird es hell, auch wenn es vorher noch so dunkel
war. und wenn sie ausspuckt, spuckt sie einen Goldring aus.
Grönborg: sie lacht und weint Gold und iSilber, und wo sie
geht und steht, wachsen Rosen und Lilien. Asbjörnsen:
Goldmünzen fallen aus dem Munde, wenn sie spricht, und
aus dem Haar, wenn sie sich kämmt. Hylten-Gavallius: wenn
sie lacht, fallt ein (ioldring aus ihrem Mund, und unter ihren
Tritten spriessen Rosen. Glinski: sie weint Perlen und lacht
Rosen, und wenn sie sich die Hände wäscht, entstehen goldene
Fische im Wasser. Gerle: ihre Thränen werden zu Perlen
und ilire ausgekämmten Haare zu Gold. Ausland: wenn sie
lacht, scheint die Sonne; wenn sie weint, regnet es; wenn
sie hustet, entsteht Sturm, wenn sie sich kämmt, fällt Gold
und Silber aus dem Haar. Riviere; (juand eile rit, le soleil
brille; (piand eile pleure, il pleut; quand eile se peigne,
il tombe des gigots: (|uand eile passe d'un endroit ä un
autre, il tombe des roses. [Kfthler, Zeitschr. d. V. für Volks-
kunde (!. 72. ('(isipiiu \r. 4S: dazu 2, 123, Uhland, Schriften
3, 421. Frere Nr. 21. Tuten zu .lagic Nr. öl].
Wie die Brüder in unserm Märchen ein Bild ihrer
Schwester haben, das dem Königssohn zu Gesicht kommt,
so auch die Brüder bei der Gräfin dAulnoy, bei Sebillot.
Gonzenbach Nr. 33, Pitre Nr. GO, Grimm, Wolf, Berntsen,
Kristensen Nr. Ki, Asbjörnsen, Hylten-Gavallius, (ilinski,
Salmelainen. Bei Imbriani und im Archivio sieht der Bruder
bei seinem Herrn, bei Romero in der Kirche ein Bild und
erklärt, es gleiche seiner Schwester.
Wenn im gascognischen Märchen der Bruder auf der
Fahrt zum Schlosse des französischen Königssohnes dreimal
zu seiner Schwester sagt: , Achte, dass der Meer wind
dein zartes Gesicht nicht verdirbt!', die Schwester aber jedesmal
die Stiefmutter fragt: ,Was hat mein älterer Bruder gesagt?-
und die Stiefmutter das erstemal antwortet, Jeanneton solle
ihre weissen Schuhe ihrer Stiefschwester geben, das zweitenud.
]^2(S ^ui' Märelienforsc'luiuiij.
sie solle ihr weisses Kleid, und das drittemal. sie solle ihren
weissen Schleiei- und ihren Orangenblütenkranz der Schwester
geben, so sind in dieser Beziehung sehr ähnlich: (Jonzen-
bach Nr. 34, Finamore, Grimm, Kristensen Nr. 16, Berntsen,
Asbjörnsen, Bergh, Hylten-Cavallius, Salmelainen, Friis.
Dem Drachen, der die schöne Jeanneton mit einer
goldenen Kette festhält, entspricht in mehreren der citierten
Märchen eine Sirene (Sebillot, Gonzenbach, Pitre Nr. 59 und
60, Finamore, Archivio), bei Imbriani ,il Pesce marino', bei
Hylten-Cavallius die ,Hats-fru- (Meerfrau), bei Salmelainen
der Gott des Meeres.
Man vergleiche auch meine Anmerkung zu Gonzenbach
Nr. 33—84 [Zeitschrift des V. f. Volkskunde 6, 71 f. Arfert,
Das Motiv von der unterschobenen Braut, Diss. Rostock
1897 S. Uf.J
1, -241 no. V. Barbe- Bleue.
Vgl. ,La Barbe-Bleue' von Perrault ^). Webster, Bastjue
legends p. 17.") (leider nur kurze Analyse). Cerquand, Legendes
du pays basque no. 105. Sebillot, Litt. or. p. 42 [Melusine
3, 330. Luzel, Contes 1, 25]. Bei Sebillot heisst der Frauen-
mörder Barbe-Rouge, bei Gercpiand und Webster hat er keinen
Namen [Griinbart bei Russwurm, Kibofolke 2, 292, Vecken-
stedt S. 214, Winter-Hjelm, Aeventyrbogen p. 167 nach Moe].
Bei Cerquand und Sebillot fehlt das Verbot des Oeftneus
einer Thür, der Mann will seine Frau nur t()ten, weil er ihrer
überdrüssig ist. — Wie im gascognischen Märchen die Frau
wiederholt fragt: ,Bergerette, jolie bergerette, (jue vois-tu du
plus haut delatour?' so bei Perrault ,Anne, ma soeur Anne,
ne vois-tu rien venir?' und bei Cerquand , Ciaire, quel temps
fait-il dehors?' — Den Versen unsres Märchens:
') [lieber den Ursprung des Märchens K. Hufmann, Roman.
Forschungen 1, 434. Deulin, Les contes de ma mere l'Oyo avaut
Perrault p. 173. Bossard, Romania 15, 638. Lemirc, Le Barbe-Bleue
de la legende et de l'histoire 1886. E. Mac Culloch, Jfotes and Querie»
4. Ser. 7, 29. Erk-Böhme, Liederhort 1, 142.]
1.'). Aniiu'ikiingeu zu Bliub'>r 129
,Ahilo, ahilo, eouteras.
P r cot de ma lieuno passeras
entspreclieu bei Sebillot die folgendeu:
-laigiiise, j'aiguise mon couteau.
Pour tuer ma femiiie qu" est eu haut.
Auch in Deutschland ist das Märchen von Blaubart
aus dem Volksmuude aufgezeichnet und mitgeteilt worden,
nämlich von den Brüdern Grimm, die es jedoch nur in der
ersten Ausgabe ihrer Sammlung (Nr. 62) abgedruckt, in den
späteren aber weggelassen haben (s. Band 3, 3. Aufl. S. 74),
von Bechstein S. 262 und Meier Nr. 38. Diese deutschen
Versionen stehn dem Märchen Perraults mehr oder weniger
nahe. — Endlich vergleiche man noch Kreutzwald, Ehstu.
Volksmärchen 1, Nr. 20 (der Mann ohne Namen ; er wird
nicht von den Brüdern der Frau, sondern von einem Diener
derselben getötet.)
Nah verwandt sind die Märchen von den drei
Schwestern, die nach einander denselben Mann heiraten
und von denen die zwei älteren von ihm getötet werden,
weil sie die verbotene Thür geöffnet halben, während die
jüngste dies thut, ohne dass es der Mann entdeckt. Ich gehe
auf diese zahlreichen Märchen hier nicht ein und begnüge
mich, auf AV, Grimms Anmerkung zu Nr. 46 ,Fitchers VogeP,
auf meine Anmerkung zu Widter-Wolf Nr. 11 und auf den
Aufsatz ,The forbidden ghamber' von E. Sidney Hartland
(Folk-lore Journal 3, 103—242. 18S.5) hinzuweisen.
1, 251 no. VI. La gar den se des dinduns.
Vgl. Köhler zu Blade, Contes pop.recueillis enx\genais 1S74
p. 152 no. 8. [Köhler, Aufsätze 1894 S. V, Anmerkung ,Lieb wie
das Salz\ Litteraturblatt 1882, 321. Bondeson, Svenska
folksagor no. 4. Mont en Cock no. 18. Archivio 1,296: 2,49.
Zeitschr. der d. morgenl. Ges. 48, 393. Swynnertou, Indian
nights' entertainment 1892 no. 27. Olpp. Mitteilungen der
geogr. Ges. zu Jena 6, 25. 1888.]
R.Köhler, Kl. Schriften. I. ü
130 ^iii' Märchenforsehung.
1, 267 110. Vll. Peau-daiie,
Vgl. Kühler zu ßlade 1874 p. U5 iio. 1. [Blade 1886
1, 14 ,Le roi des corbeaux\ Zeitsclir. des V. f. Volkskunde.
6, 66 oben.]
1, "277 uo. 1. Les jumeaux.
Vgl. Köhler zu Blade 1874 p. 148 no. '2. [Zeitschr. des
V. f. Volksk. 6, 75 zu Gonzenbach no. 31». |
1, '287 no. 11. Le bätard.
Die goldene Lilie auf der Zunge des Bastards als Be-
weis, dass er ein Sohn des Königs von Frankreich sei (p. 293),
treffen wir auch in dem Märchen ,Le roi enchaine' (oben 1, /»\'
90. 93. 99. 101) an. /^x-- .1 r^ 'ic^^^^ Vc^ck /^acnucu.^ ^t^v' V /^
S. 296 fallen einzelne menschliche Glieder nach\^c^
einander aus dem Kamin herab, nachdem sie immer erst ge-
rufen ,Tomberons-nous, ou ue tomberons-nous pas ?' und der
Bastard geantwortet: ,Tombez. si vous voulez. Ne tombez
pas, si cela vous plait!' Dazu vergleiche man Deulin 1, 6<n
(Cherrai-je, chcrrni-je poiiit? — Cliais hardiment) — ■ Caballero
1, 77 (Caigo? — Cae si te (hi gana!) — Maspons y Labros
3, 123 (Ay, (jue'm cau una cama: ay, quem cau una caina! —
Donchs deixala eaure!) — Coelho no. 37 (Kn caio! — Cae
par ai! — Caio junto on acs bocados!) — Cae acs bocados!) —
Leite de Vasconeellos. Tr. 2!)6 (Kn caio! — Pols cae para
ahi !) — Bragn iKt. 2 (Kn caio! — Pols cae!) — Nerucci
no. 44 (Hiittif»? - lUitta pure!) — Coinparetti no. 12. (Mi
butto? — Buttaten po" "n braccio ! — Me butto? — Buttate
'n po" "na gamba! — Me butto? — Buttate "u po' l'osso del
collo ! — Me buttd? — Buttate "n po' tutto!) — Pitre, Nov.
tose. no. 40 (Butto. butto! — Butta anche uii par di cordoni! —
Butto, butto! — Butta pure lanima tiia!) — Strackerjan 2.
352 (Ich falle! — Nun so fall zu!) — Roehholz, Schweizer-
sagen 1, 16() 00. 133 (Flieh oder ich falle! — Nur zu ge-
fallen!) — In all diesen Märchen fallen einzelne (Jlieder toter
Menschen herab und setzen sich dann zu dem ganzen Körper
zusammen: nur bei Strackerjan fällt ein Sarg mit einem toten
Manne herab.
1."). Aiiiiicrkinigen zu lllade. ] ;-} |
[An die Märchen V(»m Tanzlied der Klfeii. die nach
Köhlers Notizen ihi Andiiv t'iir neuere Sprachen Di). 14 zu-
sammengestellt sind, erinnern die fünf gespenstischen Männer,
die (p. '297 — 299) nur fünf Wochentage kennen (Dansons le
lundi! Dansons le mardi! Dausmis le mercredi! Dansons le
jeudi! Dansons le veudredi!) und erst von dem Bastard den
Namen des Sonnabends und Sonntags erfahren: ,Le samedi
est pour les juifs, et le dimanche pour les chretiens . . .
Faites-vous baptiser ! Alors, vous feterez le dimanche. et non
pas le vendredi. qui est un jour de malheur.']
2, 11 no. 11. Les trois pommes doranges.
[Vgl. Grimm no. 1()5 ,Der Vogel Greif*. Gonzenbach
no. 30.]
2, ()7 no. 1. Jean de Calais.
[Eine Variante des Märchens vom dankbaren Toten,
über die Köhler. Germ. 8, 203 =^ oben S. 12 und M. Hippe,
Archiv f. neuere Spr. 81, 156(1888) gehandelt haben. Vgl.
Folk-Lore Record 3, 48 und Sebillut. Contes 3, no. 16.]
2, 92 no. 11. Le sou[)er des morts.
[Vgl. Sebillot Traditions 1. 240 ,Le souper de la morte.-]
2, 100 no. IV. La flute [= Blade 1867 no. 1.]
Vgl. oben S. 49.
2,12() no. 111. La belle Madeleine.
I^IJlade 1867 p. 55 no. ll.|
[Vgl. Gonzenbach Nr. 24 und die Nachträge in der
Zeitschr. d. V. für Volkskunde (>. 69. - Zu der Schlussscene,
in der der Marquis den Flachs und seine verstossene Gattin
einander ihr Loos klagen hört, vgl. die Nachweise Köhlers
über die Klagen des Flachses und des Brotes bei Bolte,
Schriften des V. f. d. Gesch. Berlins 33, 44 zu Tharäus'
Klage der Gerste und des Flachses.]
232 ^"^ii" Märchentorse-hung.
2, 147 uo. II. Le punitioii de la ville de Lourdes.
Vgl. Sebillot, Traditions 1, 862 (1882).
2, 151 110. IV. Le voyage de Notre Seigneur.
[Vgl. Köhler zu Blade 1874 p. 157. Widter-Wolf no. 5.
Guibert, Legendes du Limousin 18G5 p. 75. Luzel, Leg. ehr.
1, 93. Gaidoz und Krauss, Saint-Eloi: Melusine 5. 100—107.
170- -172. 7, 77. 157. 8, 80 f. 122—132. 153—156.
Heideloff, Die Kunst des MA. in Schwaben 1864 S. 115
(Holzrelief in Ulm). Ilg, Mitt. der k. k. Central-Commission
19, 186 (1874.) J. W. Wolf, Beiträge zur d. Mythol. 2, 57.
91, Rochholz, Dtsch. Glaube und Brauch 1, 281, Schmeller,
Bayer. Wörterbuch ^ 1, 1469: ,Loy', B. Hansen in der Zeit-
schrift For Ide og Virkelighed 1870, 1, 364 (jütisches Märchen),
Hörmann, Zs. des Ferdinandeums 1870, 224. 226, Brueyre
p. 329, Carnoy p. 67, Cerquand no. 76. — Ueber Eligius
als Patron der Schmiede in Strassburg: Stöbers Alsatia,
1854—55, 111].
2, 166. Les trois enfants. [= Blade 18B7, p. 57 no. I2.J
[Vgl. 2, 191 ,L'homme aux deuts rouges.' Köhler zu
Gonzenbach no. 88 und Zeitschr. d. V. f. Volksk. 6, 173.
Jones-Kropf Nr. 18. Ungar. Revue 1885, 640.]
2, 188 no. XI. L'innocent.
Die tote Mutter kommt nachts, ihr Kind zu tränken
und zu pflegen, wie in einem dänischen Volksliede und in
deutscheu Märchen; vgl. Grimm KHM 3, 21, Grimdtvig, Gamle
Danske folkviser 3, Hi')^^, Germania 8, 72, Janson no. 1.
2, 201 no. XIII. Le jeune liomme chätie.
[Zu der geheimnisvollen Strafe, die au dem vom Papste
heimkehrenden Sünder durch ein Tier vollzogen wird, vgl.
die im Euphorion 4, 332 nach Köhler zusammengestellten
Märchen, zu denen noch hinzuzufügen sind: Revue celtique
1, 421: Revue des trad. pop. 6, 751. 7, 86.]
15. Anmerkungen zu Blade. 5^33
2, "218 110. III. Le coiitrat perdu.
Die Quittung eines verstorbenen Gutsherren wird vom
Schuldner aus der Hölle geholt: Sebillot, Contes 2, no. 57
.Benedicite' und 57lji« ,Reou'. Sebillot, Traditions 1, 198
(Hinweis auf W. Scotts Redgauntlet), ,Luzel 1, LS?, Stöbers
Alsatia 1858 — 61, 264, Sommer, Sagen aus Sachsen 1846
no. 60, ,Der Gutsherr von Schochwitz' = Grössler, Sagen
der Grafschaft Mausfeld 1880 no. 83, Leskien-Brugman,
no. 42. dazu S. 575. Entstellt ist das polnische Märclien
in den Ethnolog. Mitt. aus Ungarn 3, 202 (1894).
2, 224 no. V. Le diable et le forgeron.
[Vgl. Grimm no. 82 , Spielhansel' Köhler, Aufsätze
1894 S. 59. 77.]
2, 266 no. III. La messe des fantömes.
[Vgl. Prato, GH ultimi lavori p. 21 = Rom. 13. 175.]
2. 324 no. IV. La Jambe dor.
[Vgl. Köhler, zu Blade 1874 p. 150, Cosquin 2, 78,
Sebillot, Trad. 1, 259, Roussey no. 20, Bernoni, Tradiz. p. 123,
Pitre, Nov. pop. tose. p. 12 no. 19, Snypsnaren ^ S. 88, Volks-
kunde 3, 16: ,Spookhand'. Jacobs no. 12: ,Give nie niy
bone.- Oben S. 47 zu Baring-Gould no. 14.]
2, 328 no. V. La goulue.
Vgl. Köhler zu Blade 1874 p. 152, Cosquin 2, 76 no. 41,
Bernoni, Tradiz. p. 125. Crane 1889 p. 370, Lyser, Abend-
ländische 1001 Nacht 8, 98 (aus Stralsund), Wegner, Ge-
schichtsblätter für Magdeburg 15, 74 no. 79, Lehenirbe no. 19,
Skattegraveren 2, 75. 116, Jacobs no. 24, Polivka, Archiv
f. slav. Phil. 19, 245 no. 37.
2, 332 no. VI. Le basilic.
Vgl. Sebillot, Trad. 2. 136.
2, 343 no. X. Les Sireues.
Vgl. Sebillot, ("ontes 2. no. 2.
X34 ^1^'' Märi'henforscliung.
2, 860 110. IV. La messe des loiips.
Vgl. Archivio 3, 57, Giiastella, Le paritä p. 10"2.
3, 5 HO. l. Jeaii le paresseux [=Blacle 1S(!7 p. 14 no. 6].
[Zu den rätselhaften Antworten Jeans vgl. Wossidlo
1, 328 zu no. 91)0 und Melusine 1,475. Zu seinen schein-
baren Leistungen im Essen, Werfen und Saftausdrücken vgl.
Gonzenbach no. 4() und Zeitschr. d. V. f. Volksk. 6, 76.]
3, 12 110. IL Le uavire ma.rchaut sur terre.
[Vgl. Gonzenbach no. 74 uiul Zs. d. V. f. Volksk. 6, 178.]
3, 23 no. in. Le forgerdii de Fuinel.
Vgl. unten zu Jagic no. 30 und 54.
3, 3() no. IV. Etienne Ihabile.
[z=Blade 1867 p. 18 nn. 5. — a) Lausfell erraten:
Gonzenbnch no. 22 und Zs. d. V. f. Volksk. 6, (^H. — b) Ge-
fährten mit wunderbaren Eigenschaften: Gonzenbach no. 74
und Zs. 6, 178 und 77 zu Nr. 45. |
3. 41 no. V. Les deux filles.
Vgl. Köhler zu Blade 1874 p. 149, Cer(iuand no. 104,
Webster, p. 53, Pitre no. 63.
3, 65 no. VIL Tiens hon!
Vgl. Grimm no. 64 ,Die goldene Gaus'. Carnoy, Contes
fr. p. 185 ,La baguette magique'.
3, 71 lu). VllL -leanille.
[Stimmt überein mit Campbell no. 48: vgl. den Anfang
von Grimm no. 34 ,Die kluge Else'.]
3, 78 uo. IX. Grain- de -m il let.
[Gosfjuin uo. 53 ,Le petit poucet'. (irimm no. 45.]
3. 87 110. X. La flute de Courtebotte.
Uirimin iio. 110 ,l)er Jude im Dorn'. Bolte. Festschrift
15. Anmerkungen zu Blade. 135
zum 5. Neuphilologeiitage 1892 S. 1 und Archiv f. neuere
Spr. 90, 289.]
8, 98 no. XI. La besaee.
[Grimm no. 81 .Bruder Fjustig'. Köhler, Aufsätze S. Gl.]
8, 104 no. XII. Petit ou.
[Cenac Moncaut 1861 p. 18(). Grimm no. 61 ,Bürle'-.
Köhler zu Campbell no. 'SS. Bolte zu Val. Schumanns Nacht-
büchlein 1898 S. 887 no. 5—6 und zu Freys Gartengesell-
schaft 1896 S. -277.]
3, 128 110. l. rlean-rimhecile.
[Oben S. 50 zu Blade 1867 p. 21 no. 8. Zu den ersten
Narrenstreichen vgl. Bolte zu Frey no. 1 : zum Verkaufe der
Leinwand Cos(juin no. 58; zum Absägen des Astes und Sterben
beim 8. Eselsfurz Oesterley, Zeitschr. f. vergl. Littgesch.
1, 58 f. Gittee-Lemoine p. 81. Polivka, Zs. f. österr. Volksk.
1, 188. 2, 875. Sebillot, Revue des trad. pop. 9, p. 7-1.
ebd. 11, 442 no. 14. 15. Radioff 6, 281.]
8, 180 no. 11. Les gens de St. Dode.
[Schildbürgerstreiche: p. 180 Pferdeei ausbrüten: vgl.
Bolte zu Frey no. 1 S. 214. — p. 188 Nadeln säen. — p. 184
Esel auf den Kirchturm ziehen: Hauffen, Gottschee 1895 S. 116
Gaidoz-Sebillot, Blason populaire de la France 18S4 p. 162.
258. -- p. 185 Kirche fortschieben. Unten zu Widter-Wolf
no. 19. — p. 186 Beine verwechselt: Bolte zu V. Schumann
no. S b und zu Frey S. 279. Unten zu Campbell no. 48.]
8, 187. Le voyage de deannot.
[Vgl. oben S. 50 zu Blade 1867 p. IS no. 7.
8, 142 no. IV. L'ane de Montastruc.
[Mond im Brunnen; vgl. oben S. !)0 zu Cenac Moncaut
p. 180.]
8, 159 uo. 11. Le loup pendu.
[= Blade 1867 no. 4; vgl. oben S. 50]
136 Z^iJ" Märchenforschung.
3, 159 110. IV. La che vre et le loup.
[Köhler zu Blade 1874 p. 151; Jagic, Südslavische Mär-
chen 110. 35 (weiter unten abgedruckt). — Zur Gefangen-
schaft des satten Wolfes vgl. Cosquin no. 54. Sebillot
3, 366.]
3, 189 no. IX. Le loup et l'enfant.
[Aehnlich Grimm no. 26 ,Rotkäppchen'; nur wird ein
Knabe, der zu seiner Tante geht, vom Wolf gefressen.]
3, 218 no. III. L'aigle et le roitelet.
[Vgl. Grimm no. 171 ,Der Zaunkönig'.]
3, 238 no. 11. Le lait de madame.
Köhler zu Blade 1874 p. 150, Melusine 1, 148. 218.
Ortoli p. 237, Aivliivio 1, 130. 3, 71, Bernoni, Tradiz. p. 74,
Imbriani, Conti pomigl. no. 10: Nov. ti(ir. no. 41, De Nino
no. 2<s. Pitre, Nov. pop. tose. no. 51, Romero p. 163.
3, 272 no. II. Les deux presents.
Köhler zu Blade 1874 p. 155". Revue des langues rom.
28, 194.
3, 284 no. VI. La femme mechante.
[Köhler zu Blade IS 74 p. 155, Amalfi, Zs. des V. f.
Volkskunde 5, 289, Revue des trad. pop. 4, 30. 8, 197. 378.
589, Oesterley zu Pauli no. 595, Jacques de Vitry no. 221,
Fischart, Geschiclitklitterung S. 104 ed Alsleben, W. Spaiigen-
berg im Anhange zu Fischarts Flöhhatz 1610 (Fischarts
Dichtungen ed. Kurz 2, 154), Eyering, Proverbiorum copia
1, 751 (1601), Korrbl. f. niederdtscli. Spracht. 1884, 43,
,Knypschere', A. Hueber, Heribert von Salurn 1875, Ebeling,
Taubmann, S. 317 (Taubmanniana S. 283), Centifolium
stultorum 2, 171, Riederer, Das poetische Schertz-Cabinet 1713
no. 59, Guerrini, J. C. .Croce p. 431, Casalicchio, L'utile col
dolce 1. 8, 9 nach G. Ens, E})idorpid. (16(S7; deutsch 170()).
Pitre, Fiabe no. 257 (4, 133. 447); Proverbi 4, 356 (1880);
Novelline tose. no. 67, Braga no. 106, Notes and queries 6.
15. Aninerkimgen zu IJlade. I37
ser. 10, 248: ,The spirit of coDtradiction', Bondesou, Sv. fs.
no. 38. Motvärl<lskäriiigen' : 30 ,Bissekiiäcka'. Sv. landsmälen 2,
7, 21 uo. 8. — Bedier, Les fabliaiix - 1895 p. 47. 467:
,Le pre tondii', Komuliis ed. Oesteiley app. no. 57, Serdonati,
Novellette 1873 p. 14: ,E pur forbice.'] ^- f^-*^ >-'-i'.; | C^'
3, 287 uo. VII. I^a dame coirigee.
[Hageu, Gesamtabeuteuer 1, LXXXil. Köhler, Jalirb. d.
Shakespeare-Ges. 3, 97, Bolte ebd. 27, 130, Rua, Giorn.
storico della lett. ital. 1(), 258 zu Straparola 8, 2, Bedier,
Les fabliaux - 1895 p. 464 .l>a male dame', North ludian
Notes aud Queries 5, 33 no. 37.]
3, 289 uo. VIU. Les-deux gourmaudes.
[Oesterley zu Pauli no. 364, Cosquin uo. 84.].
3, 297 uo. 1. Leveque et le meunier.
[Grimm no. 152, Das ,Hirteubübleiu', Pauli no. ^)^^. Wossidlo
1, 327 no. 987.]
3, 339 uo. Xll. Le diable au cimetiere.
[Blade 1867 uo. 8, Köhlers Notizen bei H. Sachs, Fabeln
und Schwanke ed. Goetze 2, XIV zu uo. 100: ferner Bolte
zu Macropedius, Rebelles und Aluta 1897 S. VIII. ]
3. 342 no. XIII. Les deux moines.
[Vgl. Boccaccio, Decamerone 10, 2, Hans Sachs, Der
Abt im Wildbad, 1550 =3 Fastuachtspiele no. 27 ed. Goetze.]
3, 368 uo. VII. Plaideurs.
[Die alte (Jeschichte vom (iolde in dem Stabe, den
der Schuldner vor der Eidleistung seinem (iegner übergiebt.
Gaster, Monatschr. f. Gesch. des dudentums 1880, 316,
Wünsche, Zs. f. vergl. Littgesch. 11, 48-59, Grässe, Sagen-
buch des preuss. Staats 1, 40 no. 26, 186.S.] 9y^^^'l>'^\''<-'-
V
13S Zur Märchentbrschung.
16. Anmerkungen zu F. M. Luzel, Contes bretons.
a) Koadalau.
(Revue celtique 1, 182 134. 1870—1872.)
Ce conte^) est en grande partie compose de differents
contes que Ion rencontre ailleurs separement. On peut
comparer:
I. Le coute de 1' enfant qui sert cliez le Diable dans
l'enfer, et doit attiser le feii sous le.s cliaudieres oi'i se trou-
vent les pauvres ämes, et auquel il est defendn d'en lever
le couvercle. Voyez mes observations sur ee conte dans le
'Jahrbnch für romanische und englische Litteratui" tome VII,
p. -iGS [Widter-Wolf no. 14];
Tl. Les contes que j'ai reuiiis dans le meine recueil,
tome Vlll, p. 25() et suiv., oi'i 1" on retrouve la chaml)re
defendue, la coloration doree (|ue revetent les cheveux du
heros et sa fuite ä l'aide dun clieval euchante:
111. Le conte du sorcier et de son apprenti qui apres
dirterentes metamorphoses tue son maitre qui s" etait aussi
diversement transforme: Siddhi-kür. trad. allem. d'Jülg p. 1,
Benfey, Pantschatautra. tome 1, p. 410. Les Quarante Vizirs,
trad. all. de Behrnauer p. li)5, von Hahn, Griechische Mär-
chen no. (;8, Wuk Stephanowitsch Karadschitsch, Volks-
märchen der Serben no. (i, Straparola, Notti Vlll, 5, Schott,
Walachische Märchen no. LS, Grimm. Kinder- und Haus-
raärchen no. ()8, Müllenhoff, Sagen der Herzogtümer Schles-
wig, no. 27 des Märchen, Pröhle, Märchen für die Jugend
no. 26, Schönwerth, Aus der Oberpfalz tome Hl, p. 211,
Waldau, Böhmisches Märchenbuch p. 1 1 (i. Polnische Märchen,
traduit de Woycicki par Lewestam p. 110, Glinski, Bajarz
Polski, tome 1, p. LSS, p]tlar, Eventyr og Folkesagn fra
Jylland p. od, Grundtvig, Gamle danske Minder i Folke-
inunde, tome 1, pp. 22(S et 2HL Asbjörnsen et Mre, Norske
Folkeeventyr n(». 57.
') [Vgl. Luzel, ('(.Utes popuhiires de la Basse-Rretiig-ne 1887. 2,80
bis 9b ,E\veuu Cougar'.J
16. Annierkun^eii zu Luzel, Cuntes brt'tons. l'^d
Dans toiis ces contes, ä rexceptiou du cuute kaluiouck
du Siddhi-kür, lors de la vente du boeuf ou du eheval daus
lequel s'est trausforme rai)preiiti sorcier, la eorde ou la
bride ne doit pas etre livree ä l'aeheteur. Daus le conte
des Quarante Vizirs. dans les contes grec et serbe, le jeuue
sor-jcier se transforme aussi en une maisou de baius ou en 133
une boutupie dout Tacheteur ue doit pas recevoir la elef.
Un des contes danois (Grundtvig, tome 1, p. 28 1) commeuce
tout-ä-fait comme le conte bretou. Le gars (pii cherche ä
eutrer en Service rencontre un seigueur qui lui demaude s'il
sait lire. Sur la reponse affirmative du gars, le seigueur
lui dit (|u"il ue peut le prendre ä sou service. Le gars t'ait
alors comme Koadalau, retournp sa jaquette, rencontre de
nouveau le seigueur. et lorsque celui-ci lui adresse la meme
question, il repoud quil ne sait point lire. Daus un conte
allemand (Grimm, tome 111, p. HT) le sorcier demaude:
'Sais-tu lire et ecrire? — Oui. dit le gars. — Alors. fait le
sorcier, si tu sais lire et ecrire, je ne puis t'employer. --
Vous parlez de lire et d'ecrire? repreud le gars. »le vous
ai douc mal compris. je croyais que vous me demandiez si
je sais manger et crier. et je sais le faire cousciencieusement,
mais je ne sais ni lire ni ecrire.' Daus le conte boheme
egalement, le sorcier demaude au gars sil sait lire. mais
celui-ci repoud uesativemeut. Kutre le conte bretou et celui
des Quarante Vizirs existe sur un point une tres-curieuse
ressemblauce. Dans le conte bretou le diable transforme en
musicien demaude au seigueur du chateau comme recompense
de sa musi(|ue la bague (pie la servaute a trouvee: Dans le
conte des Quarante Vizirs le sorcier. egalement trausforme
en musicien, demaude au roi comme recompense la rose daus
laquelle lappreuti s'est metamorphose. Le conte grec merite
aussi quelque attention. Bien (pie seloignant fort du conte
bretou en certains endroits. sur dautres points il s'eu
rapproche plus (pie tous les autres contes. 11 y a daus la
maisou du diable. une chambre (pie lapprentiue d<tit pas ouvrir:
il en rencontre par hasard la clef etl'ouvre. 11 y trouve une jeune
fille prisonni(?re ([ui lui donne le conseil dapprendre par coeur,
140 ^'^i'" Märchenforschiing.
en cachette, le livre magique du diable, et de s'enfiiir avec
eile. Ils sechappent ensemble apres quelle s"est transformee
en jument. Sur son conseil il a pris un plat avec du sei,
un mitrceau de savou et un peigne; et en jetant ees differents
objets, il retarde le diable qui les poursuit: ear le sei se
transforme en un vaste incendie, le morceau de savon en
fieuve. et le peigne en marais.
IV. En ce qui concerne l'essai malheureux fait par
Koadalan pour revivre et rajeunir^), on peut comparer la
legende de l'enchanteur Virgile. V^oyez Edelestand Du Meril,
Melanges archeulugitjues et litteraires p. 433. Virgile se fait
hacher en morceaux par son serviteur, se fait saler, mettre
dans un tonneau et fait mettre ce tonneau sous une lampe, de
Sorte (|u "eile y deguutte neuf joui-s et neuf nuits. Le septieme
jour l'Empereur demande ä voir Virgile, force le serviteur
"^134 a le fon-iduire dans le chäteau, et lorsqu" il voit en morceaux le
eadavre de Virgile il tire son epee et tue le serviteur. ,Tout
aussitot, devant lempereur et tonte sa cour, un petit enfant
11 u tourua trois fois en courant autour du tonneau
et secria: Maudits soient le jour et Iheure on tu es venu
ici ! — Apres (pioi le petit enfant disparut. Personne ne
r a plus revu, et Virgile resta mort dans le tonneau." On
raconte la meme histoire d'Albert le Grand, de Roger Bacon,
et dAgrippa de Nettesheiin. Voyez Grässe, Der Tannhäuser
und der Ewige dude 2e ed. p. ll'i. 11 court encore aujounlliui
sur Theopraste Partn-else une legende dapres laquelle il
aurait Charge son serviteur de le hacher en morceaux, de le
»(lettre dans un tonneau. de le saupondrer avec une poudre,
ou de larroser avec un bäume, et de nouvrir le tonneau
(ju" au bdut de neuf inois. Mais le serviteur ouvrit le tonneau
apres sept mois, et y trouva un enfant de sept mois qui
inourut aussitot. (Voyez: Alpenburg, Mythen und Sagen
Tirols p. 309; Zingerle, Sagen, Märchen und (Jebräuche aus
Tind p. 346 : Peter, Volkstümliches aus Oesterreich-Schlesien
tome 11, p. 29). [Unten zu Jagic no. 13.]
') fVi;l. Luzel 1S87 2, 11.0 J.ii vie du docteiir Coatlialec.']
IG. Anmerkungen zu Luzel, Contes brotons. \^l
h) Les trois freres, ou le chat. le eoq et leelielle').
(Melusine 1, 158— 1:)',^. 1877.)
Cuinparez le Grand Parangon des noiivelles Noiivelles
compose par Nicolas de Troyes et piiblie dapres le ms.
original par E. Mabille, Paris 1S(;9, nouvelle X; Freres
Grimm, Kinder- nnd Hausmserchen, n« 70; et Waldaii, ßojh-
misches Mserchenbnch, Pragne ISGO, p. 176 et suiv. -)
Dans ces trois contes, nn pere donne on legue a ses
trois fils uu coq, un chat et une fanlx ou une faucille.
Dans le conte de Nicolas de Troyes, le fils aiue vend
son coq dans uu pays dont le roi „avoit une beste mer-
veilleuse appellee la soudepoudre. laquelle faisoit de sa
raatiere les gros Hugos d'or dont le roy estoit eurichy et
tout le pays: mais aussi la dicte beste ne meugeoit sinou
du Safran et despeudoit beaucop au roy, mais aussi les gros
lingos d'or qu'elle ponnoit estoint une chose merveilleuse
et de graut proffit pour le royaulme. Mais taut y avoit (jue
jamais ceste beste ne ponnoit les dits lingos d"<u- (jue le jour
ne fust venu, et estoit contrainet le roy d'envoyer querir le
jour ä belies charretees, autrement il n'en eust point eu."
L'autre frere vend sa faucille dans un pays ou. „ceux du
pays tiroint les bles hors de terre avec la pointe dune alaiue."
Enfin le troisieme frere vend son cliat a uu roi „qui estoit
persecute de rats et de souris, taut (|uil estoit subjet, ä disuer
ou ä Souper ou ä autres repas, d'avoir une garde merveilleuse
de gens d'armes, pour le garder des rats et des souris."
Quand le vendeur du chat est dejä parti et en chemin. le
roi lui envoie un messager et lui fait demander ce que mange
le chat, outre les rats et les souris. „Si luy fut dit qu'elle
mengoit de tout." Le roi se meprend sur cette reponse,
s'effraye et ordonue de tuer le chat, mais celui-ci s'echappe.
Dans le conte allemand, le frere aine vend son coq dans
une ile oii les gens ne s'entendaient pas ä partager le temps,
^) [-=Luzel, Contes pop. de la Basse-Bretagne 2, 195 (1887).]
-) Ce dernier conte est traduit de Poriginal teheque de M^ B.
Nemcova.
242 2ur Märclienforsoliung'.
15<) lls .savaieiit bien quand cetait le matin ou le soir, j mais la
nuit (ä nioiiis toutefois (juils ne la passassent a dormir) il
n'y eu avait pas im qui 8Üt s y reconnaitre et dire (juelle
heiire il etait. Le secoiid frere vend sa faucille dans ime
ile Oll Ton ne fauchait pas le ble, mais ou on labattait ä
coiips de canon. Le troisieme enfin vend son ehat au roi
d'une ile desolee par les soiiris. Mais, apres avoir tue un
nombre immense de souris dans le chäteau, le chat eut soif
et se prit a crier: miaou! miaou! Le roi prit peur, lui et
tont son monde. On bombarda le chäteau, mais le chat
s'echappa par la fenetre.
Dans le conte tcheque, le frere aine vend sa faucille au
roi dun pays on les gens arrachaient Iherbe avec leurs mains.
Le second vend son coq au roi dun pays, ou les gens devaient
quoditiennement accompagner le jour (|ui s"en allait et aller
le lendemain matin ä sa rencontre. Le troisieme vend son
chat au roi dun pays desole par les souris. Conime celui-ci
retourne deja chez lui, le roi lui envoie un messager et lui fait
demander ce (jue inangera le chat, quand il naura plus de
souris. „Vous-meme" repond-il. Le messager transmet (^ette
reponse au roi qui, effraye, fait garder avec soin la chambre
Oll se trouve le chat. Mais celui-ci saute par la fenetre et
s'echappe.
M. Grimm, dans le commentaire du conte cite plus haut,
rappelle le 44e chapitre de IHistoire des bons bourgeois de
Schildburg ou du Laienbuch ^). Les bourgeois ([ui avaient
beaucoup de souris, acheterent un chat dun homme qui
'1 L'ouvrage appt'le tantot Der Schildbürger Gesohicliten und
Thatcn tantot Das Laienbuch, Geschichten und Thaten der Laien zu
Laienburg date de la tin du XVle siede. C"est un recueil de traditions
et de contes qui se racontaient originairenient et se racontent encore
auJDurdMiui en diverses localites, mais qui, dans ce livre, sont niis sur
le conipte d\ine localite unique, Schildburg ou Laienburg. Schildburg
et Laienburg sont des nonis inventes, mais le preniier n'est tres-
vraisemblablement qu'une legere moditication du nom de Schiida, petite
ville de Saxe qui passa jusqu'ä notre epoque pour une Abdere de l'Alle-
magne. En 1747 J. C. Langner a ecrit une defense de la ville de
Schiida .,cüntre ces vulgaires et incovenantes iniputations."
lU. AimicrkuHiieii zu l^iizel, l'ontes l)ri't()ns. 143
passait daiis leiir ville, et lui envoyerent peu apres im
messager pour savoir ce (|iie mange cet auimal. I^e ven-
deur repondit: Was man ihr beut (se (ludii lui donne). Mais le
messager euteudit: Vieli und Leut (betes et gens). Les
bourgeois ettVayes metteut le feu a la maison ou se trouve
le chat, et (juand celui-ci saute sur une maison voisine, a
celle-ci encore, et ainsi de suite, et quand enfin le chat se
sauve vers eux, ils s'enfuient dans les bids avee femmes et
enfauts, et laissent brüler tonte la ville. [Mitteil, der litau.
litt, (iesellsch. 2, 344. ISST.]
Dans de nombreux contes, il est (juestion d'un homme
(jui vend un ou plusieurs (diats dans un pays oii cet animal
est inconuu et (jue desolent rats et souris; mais comme ils
n'ont (jue ce trait de commun avec le conte qui uous occupe
maintenant, je nai pas a en parier ici. [Gonzenbach no. 7()
und Zs. (1. V. für Volksk. (i, KiJ). Bolte zu Val. Schumann
no. 1 u]\d zu P^rey S. -iT«).] <^ Wv^--
c) Les truis filles du bouluuger, ou L'eau (|ui
danse, la pomnie (|ui chante et l'oiseau de verite^).
(Mrliisino 1, -ii;}— '2U. 1877.)
C(»mi»arez: le coute des Mille et une Nuits [10, 3 trad.
allem, de Breslau] 'Les deux soeurs jalouses de leur cadette'.
von Hahn, Griechische und albanesische Märchen no. 09.
NeofVjji'iy.a \h'<'dexTa 1, 1 no. 4, Schiefner, Awarische Texte
no. 12, Straparola, Xotti IV, 3 2), Masillo Reppone''), La
Posilecheata, conte troisieme 'L'ingannatrice ingannata', Com-
paretti, Novelline [)0[)(»!ari italiane no. (i et 30, De (iuber-
natis. Novelline di Santo Stefano no. lli, Imbriani, La no-
vellaja tioreutina no. (i et (> '''s, et A "Ndriana fata, Pomi-
gliano d'Arco 1S75. (ionzenbach, Sicilianische Volksmärchen
1) [= Luzel, Contes pop. de la Basse-Bretagne 3, 277 (1887).]
-) Straparole a evidemment servi de modele au conte a M'"'^. d'Aiil-
noy ,Le princesse Belle-Etoile et le prince Clieri'.
■') C.-a-d. Pompeo Sarnelli, eveque de Bisceglie, ne en lfi49, niort
en 1724. [Posileclieata ed. Imbriani 1885 p. 170.]
]^44 ^1"' Mwi'clteiiforschung.
HO. 5, Pitre. Niiovo saggio di fiabe e novelle popolari siciliane
110. 1, et Fiabe, novelle e raccoiiti popolari siciliani no. 3t),
Schneller, Märchen und Sagen aus Wälschtirol no. 26, Mas-
pons y Labros, I^o Rondallayre. quentos populars catalans
110. 14 (p. 60) et no. 25 (p. 107), von Gaal, Märchen der
Magyaren p. 390, Pröhle, Kinder- und Hausinärchen no. 3^).
[Köhler, Zs. d. V. für Volkskunde (>, (50 no. 5 und oben
S. 118 zu Blade 1, m.]
Je n'entre pas dans la comparaison de ces variantes, et
je me bornerai aux observations suivantes.
Les trois soeurs sont egalement filles dun boulauger
dans Straparole et dans von Gaal.
La Version bretoune seloigne du recit primitif, quand
du jardiuier qui trouve et porte ä sa femme les enfants
exposes, eile fait le mari d'une des soeurs ainees ; sa femme
aurait du reconnaitre aux etoiles les enfants de la Reine sa
soeur qu'elle et son autre soeur avaient fait exposer, et eile
n'aurait pas accueilli les enfants. Aucun des contes cites
plus haut ne iious represente une des soeurs avec le desir
d'epouser le jardinier du i'oi.
214 Nous trouvons dans la plupart des contes l'Oiseau par-
lant, mais c'est seulement dans le conte breton qu'il est
appele l'Oiseau de Verite.
Le vieillard, dont la princesse coupe la barbe, se retrouve
aussi dans les Mille et une nuits et chez Pröhle; mais lä,
c'est le prince qui lui rend ce service. [Hahn 1, 269. Pelliz-
zari 1, 111.]
Du meme que dans le conte breton, a la fin, loiseau
demande que personue ne quitte la chambre, et que lä-dessus
on ferme les portes; de meme dans le conte grec de Hahn,
on ferme egalement les portes sur la demande de Poiseau.
(Voyez aussi Hahn no. 70 et (lonzenbach no. <sO, vers la tin.)
^) II y a encore d'autres contes allemands que j 'ai indiques dans
Schiefner, Awarische Texte p. XXI, relatifs au meme sujet, mais plus
ou nioins inc»miiili:'ts uu defi^urö;;.
l(i. Annierkungen zu Tjuzo), C'ontcs bretons. 145
(1) Le pape Inuoeent, et Histoire de Cliristic^).
(Melusine 1, 384-886. 1877.)
Comparez : 1 ^ Daus THistüire des Sept Sages le reeit du
fils qui compreiul la laugue des oiseaux. (Voir ä ce sujet
les iudicatious de dAucona daus sou editiou du Libro dei
sette Sav) di Roma, Pise 1864 p. 121, et Deux redaetious du
Romau des Sept Sages de Rome, publiees par G. Paris,
Paris 1878 p. 47 et 182; Beufey daus Orieut uud Occident
3, 420.)
2" Le coute masure daus M. Toeppeu, Aberglaubeu aus
Masuren, 2e edit. Dauzig 1867 p. 150.
3** Le coute niordviue daus A. Ahlquist, Yersuch eiuer
mokscha- mordwinischen Grammatik, Saint -Petersbourg 1861
p. 97.
4" Le coute teleoute daus Radloft", Proben der Volks-
litteratur der türkischen Stämme Südsibirieus, W' partie,
Saint-Petersbourg 1866 p. 208.
Et 5*^ Les deux contes basques daus Webster, Bas(]ue
Legeuds, Londres 1877 p. 136 et 137.
1^ Daus le recit des Sept Sages, un jeune homme qui
comprend la laugue des oiseaux, leur enteud dire que ses
parents lui ottViront un jour de Feau pour se laver ses
mains^). Sur les instauces de sou pere il lui communique
cette prophetie. Le pere en est si irrite qu'il precipite sou
iils dans la mer. Le jeune homme est sauve et devient plus
tard le gendre dun roi auquel il a revele ce que lui voulaient
des corbeaux (jui le poursui- vaient depuis plusieurs auuees. .
Quelque temps apres, il va voir ses parents, sans etre recounu
deux, et la prediction saccomplit.
^) [Comparez: Luzel, Legendes chretiennes de la Basse-Bretagne
1, 282—309 ,Le Pape Innocent' (1881).]
-) Dans la redaction franeaise en prose 'des Sept Sages de Rome,
publice par Le Roux de Lincy, le fils dit: ,11 (les deux corneilles) dient
que je monterai encore si hautement, et serai encore si haiiz homs,
que vous serez forment liez si je daignoie tant souffrir que vous me
tenissiez mes manches quand je devroie laver mes mains, et ma niere
seroit moult liee si eile osoit tcnir la toaille eü je essuieroie'.
R. Kühler, Kl. Schriften I. 10
146 2"i" Mävclienforschung.
'2^ Dans le conte masure, le fils eiitend dire a ime
alouette, (juil devieudrait tres-riche, ses parents, au contraire,
tres-pauvres ; que sa mere lui laverait les pieds, mais qiie le
pere boirait Teuii de 8on bain. Le pere, irrite, le livve a iiu
marchand etranger, qui doit le tuev en roiite. Toutefoi.s
Vordre n'est pas execute. Le jeime homme devieut le gendre
du roi d'Augleterre, dont il a gueri le fils et la fille. Quel-
que temps apres, il vieut visiter sa ville natale, et la predic-
tion de l'alouette s'accomplit.
3" Dans le conte mordvine, qui dailleurs est compose de
plusieurs contes, le jeune homme dit a son pere quun cor-
beau aurait predit que le pere boirait leau du bain de pieds
de son fils. Le pere chasse son fils. Apres un eertaiu
nombre d'aventnres, le fils devient le gendre dun empereur.
Son pere arrive chez lui comme mendiaut, re(;oit chez lui un
abri pour la nuit, et se leve de son lit toiirmente de la soif,
tout pret ;i boire Leau de bain; mais le fils le voit, Tarrete
et se fait eonnaitre.
4" Dans le conte teleonte, le fils dit a son pere ((ue les
oiseaux out predit ([u'il serait empereur, et quil donnerait
un repas ou son pere boirait son urine. Le pere assassine
le fils et le jette k la mer, mais le jeune homme, rejete au
rivage par les fiots, revient ;i lui. Or le roi du pays venait
de mourir, et celui-lä devait lui succeder, sur lequel deux
cierges places sur des j)oteaux d'or viendraient k tomber.
Le peuple tout entier se pressa sous ees poteaux, mais eu
vain. Quand vint le jeune homme. les cierges tomberent sur sa
nu(|ue et coutinuerent de brüler. Le jeune homme, uomme
empereur, reunit tout le peu[>le dans un graud festin. Son
pere arrive, senivre, tombe ;i la place ou son fils venait de
lächer de Leau, et boit lurine. Le lendemain le fils se fait
connaitre du pere^).
5'' Dans Tun des contes basques (Webster p. 136) le fils
entend chanter des oiseaux. 11s disent que pour Iheure
') A. Schiet'iier, daiis sa preface aux , Proben' de Radioff j). XII,
cite plusieurs contes russes de la coUection At'anasiev.
If). Aiini('rkuiii;en zu Luzel, Coutes bretons. 147
il obeit a son pere, mais qu' im temps vieiulrait oii son pere
Uli obeirait. Le pere, qiii est eapitaine de vais.seau, eiiferme
son fils dans im tonneau et le jette ä la luer. Le tonneaii
est pousse ä terre, et le jeiiiie liomine est reciieilli par im
roi doiit il epoiise la fille. Le capitaine de vaisseau devient
plus tard doinestique aupres de son fils. (juil ne vecon-
iiait pas.
()" Dans lautre conte basque (Webster p. 137) im jeune
homme eutend uue voix, et il dit ä sa inere (pi'elle lui predit
([uun pere et uue mere seraieut les serviteurs de leiir fils.
Mais la voix avait parle de lui et de ses propres parents.
Sa mere en est persuadee. Elle ordonne ä deux serviteurs de
tuer en secret son fils et de lui rapporter son coeur. Les
serviteurs lui laissent la vie sauve et rapportent a la mere
le coeur d'un chien. Le fils se decide ji aller ä Rome et
rencontre deux hommes avec lesquels il t'ait route. ün
soir ils sollt descendus daus uue auberge de brigands. Le
fils est averti par la voix. et il s"e<'liappe avec ses deux
compagnons.
Le lendemaiu ils sont revus dans uue maison seigneu- j
riale oii le jeune homme guerit une jeune fille malade depuis
sept ans. Quand il arrive ä Kome, les cloches sonnent d'elles-
memes, et il est ein pape. Sur ces entrefraites, sa mere est
tourmentee de remords. Elle raconte son forfait a son mari
et fait avec lui le [»elerinage de Rome pour se coufesser au
pape. La contVssion amene la scene de reciumaissance. I^e
prediction cepeudant ne sest pas accomplie en eiitier. Les
parents ne devieunent pas les serviteurs du Hls. I>a tradi-
tion est evidemmeut alteree dans ce conte.
Au commencement de lliistoire de Christic [p. ;^00|, dtol^^"'''
il est dit que le bon Auge ne visite plus la devote fille. parce /Of/^:*^
quelle a dit dune pauvre femme qui etait sur le point
d'avoir un neuvieme bätard: Commeut Dieu peut-il pardonner
a de pareilles femmes? On peut comparer h cet episode la
learende enfantine no. (i a la suite des Contes des freres
*) [Zum Inhalte der PiH)i)liezeiun£j vo'l. unten zu Jagie Nr. 39.
10*
14h Zur Märchfiiforschung.
Grimm, dans laquelle uii ange n'apparait plus ä uu ermite,
parce qiiil aiirait dit d'iiu pauvre Diable coudamue ä mort:
II na que ce qu'il raerite, et ime legende basque (Webster
p. 209), Oll une sainte, vivant dans la snlitude. re^oit tous
les jours sa nonrritiire dune colonibe. jusqu' au jttur oii eile
voit une fille conduite par la mareebaussee, et dit: Si eile
avait vecu comme moi, on ne l'aurait pas arretee. A partir
de ce moment la colombe ne lui apporte plus rien.
Le commencement de Ibistoire du pape Inuocent res-
semble au debut du poeme bas-allemaud Zeno, edite par
A. Lübben (Breme 1869). Dans ce poeme, im couple de
Verone, apres une longue attente, est enfin gratifie de la
naissance dun fils. Le diable le transporte a Milan oü il
le depose a la porte de la cathedrale, puis il va lui-meme
prendre la place de lenfant dans son berceau. Leveque de
Milan eleve l'enfant trouve qui. devenu grand, revient ä
Verone. se fait connaitre de son pere, et, par ses exorcismes,
force le diable ä ^•ivre enferme dans un verre. (f f;i(.i''' :•
Dans le menie recit, le pape Innoceiit tue le fils du
gentilhomme pendant le voyage de Roine, parce que celui-ci
et sa femme, depuis qu'ils ont cet enfant, ne pensent plus ä
Dien. Que Ion compare ä cela la legende bien connue de
l'Ermite et de lAnge [Gesta Rom. c. <S0]. et sourtout la
Version bretonne f(ue M. Luzel a doniiee dans ses Traditions
orales des Bretons armoricaius, Legendes cliretiennes, Saint-
Brieuc 1874 p. 15.^)
De meme que les g r e uo u il 1 e s ici chantent en Ibonneur
de la Sainte- Hostie, Thomas de Cantimpre (11, 40) et Cesaire
dHeisterbach (IX, 8) racontent le meme fait des abeilles.
Voir Menzel, Christliche Symbolik 1, 42 L
De meme que dans la Version bretonne, celui-la devient
pape dont le cierge s'allume de lui-meme, de meme, dans des
contes russes (qui ne se rapportent pas du reste ä notre
') Extrait du vulume des ,Menioires du Congres soientifique de
France', 38^ sessioii, tenue a Saint-Brieuc en Juillet 1872.
16. Anmerkungen zu Luzel, Contes bretons. 149
sujet, reconnait-011 qui doit devenir Tsar (collectiou dAfanasiev
V, 53; voir Giibernatis, Zoological Mythology 1, 318 et 2, 311).
e) F a n c h S c o u a r ji e c ^).
(Melusine 1, 473—476. 1S77.)
Comparez: Hahn, Griechische und albanesische Märchen
no. 11 et 34: Sehott, Walachische Märchen p. '2'2d; Köhler,
Jahrbuch für roman. Litt. 8, -246 (conte Italien); Webster,
Basque Legends p. (> et 11: Wenzig, Westslavischer Mär-
chenschatz p. ') : Schleicher, Litauische Märchen p. 45:
Pröhle, Märchen für die Jugend no. 16: Zingerle, Kinder-
und Hausmärchen aus Süddeutschland p. 223; Arne, Nogle
Fortaellinger, Sagn og Aeventyr, indsamlede i Slagelse-Egnen,
Slagelse 1862 p. 63; Asbjörnsen et Moe, ^Jorske Folkeeventyr,
2e edition p. 394 et 396; Campbell, Populär Tales of the West j
Highlands no. 45; Kennedy, the Fireside Stories of Ireland
p. 74. [Unten zu Jagic no. 40, Cosquin no. 36.]
Dans ces differents contes, un maitre et un serviteur
prennent un engagenient reciproque par lequel aucun des
deux ne doit se fäf-her contre lautre, ou, Selon quelques
versions, ne doit exprimer du regret sur lengagenient. Si Tun
se fache, ou exprinie du regret, lautre lui doit, dans la
plupart des contes, tailler dans le dos une ou plusieurs
lanieres de peau. Dans le conte Italien, 11 doit etre ecorche :
dans le conte moravo-valaque de Wenzig, il doit perdre le nez,
et dans le contes allemands, il doit perdre les oreilles. Dans
plusieurs contes, le maitre conclut successivement cet arran-
gement avec trois freres, dont les deux aines sont malheu-
reux et ne reussissent pas. Les coups par lesquels le serviteur
cherche ä faire naitre la colere ou les regrets de son maitre,
sont quant aux uns, les niemes ou tres-sendilables dans
plusieurs contes, et quant aux autres, particuliers ä tel ou
tel de ces contes.
Un conte Afghan, evidemment corrompu et publie par
Thorburn, ,Bannu, or our Afghan Frontier' p. 199, tient une
M [Comparez: Luzel, Contes pop. de la Basse-Bretagne 3, 216:
,Janvier et Fevrier.']
] 50 2iu- Märehenforscliunt!,\
place ä part. Dans ce recit, le serviteur doit tuus les joiirs
semer ime corbeille de grains, preparev pour la famille iiiie
corbeille de bois de cliauffage et le vivre ; eii retour, le maitre
doit liii fouriiir ime charriie et iine coiiple de boeufs; celui
des deux qiii iie tieut pas son eugagemeut doit perdre le iiez.
Des le premier joiir, le serviteur ue peut remplir tont son
office, et le maitre lui coupe le nez. 11 retourne chez lui et
raconte sa mesaventure a son frere qui entre au Service du
maitre aux memes conditions. Celui-ci repand tout le graiu,
tue un des boeufs et brise la ciiarrue, et, rentre ä la maison,
dit au maitre quil a rempli ses engagements. II en fait
autant le second jour. Le troisieme jour, le maitre ne peut
lui fournir ni graiu, ni ciiarrue, ni boeuf, et perd son nez.
Daus uotre conte breton, Fanch doit eulever les deux
enfants du maitre pendant le repas: on doit ici rapprocher
un conte grec (no. 84) et le conte lithuauien. Dans le
conte grec. le maitre dit au serviteur de prendre Tenfant
et de lui vider les boyaux, mais le serviteur tue Tenfant
et enleve ses boyanx: dans le conte lithuauien, le serviteur
traite l'enfant de teile fagon que celui-ci perd l'envie de
se faire porter par lui.
Fanch vend les cochons. fiche la ([ueue dans une mare,
et pretend (pi'ils ont ete attires par un demon dans le
marais: comparez les coutes italiens et basques, le conte alle-
mand de Pröhle oii ce sont des vaches, Asbjörnsen p. 393
et 31X), Gonzenbach no. 37 p. 255 et Arnason, Icelandic
Legends translated by Powell and Magnusson t. 2, p. 552.
[Zs. d. V. für Volkskunde 6,73 zu no. 37.]
Mais quand Fanch vend les boeufs et pretend qu'ils ont
ete enleves au ciel par un tourbillon, et que c'est pour
celä quil se trouve sur un arbre avec la queue d'un des
boeufs, on ne peut comparer cet episode quavec le conte
norvegien (Asbjörnsen p. 37()). oii le valet vend toutes les
chevres. sauf une qu'il pend ä un arbre, et pretend qu' un
tourbillon les a enlevees au ciel ä l'exception de celle-la.
Fanch daus le chateau va chercher deux pelles et crie
de la fcnetre ä son maitre .T<iutes les deux, seigneur?'
1(5. Aiiiiierkuugeii zu Luzel, Contes bretons. X51
On peut comparev le coute basque ou le serviteur doit aller
cherchei' ä la maisoii pelle et pioche, et ä cette üccasion
bat la maitresse et sa servaiite | eii meme teraps qiie de la 475
inaison il crie au maitre: ,Uiie ou toutes deiix?' [Unten zu
Widter-Wulf no. 2].
Le fait que 1" eugagement doit cesser quaud le coucou
chantera, et que, par cette raison, la femme du maitre monte
suv un arbre et imite le cliant du coucou, se rencontre,
outre le conte bretou, dans les contes allemands, dans le
conte danois, dans uu conte norvegien (Asbjörnsen p. 394),
dans un conte grec (Hahn no. 84) et dans le conte moravo-
valaque. Cf. aussi Gonzenbach, Sicilianische Märchen no. 37,,
oü la mere de Giufa (p. 254) se cache dans le lierre et crie
comme une chonette. [Zs. d. V. für Yolksk. 6, 74.]
Avec le commencement du conte breton il taut comparer
le passage suivant de l'histoire latine de Salomon et Mar-
('(d[)hus :
.Rex Salomon (piadam die cum venatoribus suis et
copulis canuui de venatione rediens, forte transiens ante
hospitium Marcolphi, divertit se illuc cum e([uo suo, et in-
cliuato capite suo sub limine ostii requirens, quid intus esset,
Marcolphus respondit regi: Intus est homo integer et dimidius
et Caput equi; et quanto plus ascendunt, tanto plus descen-
dunt. Ad hoc Salomon dixit: Quid est quod dicis? Mar-
colphus respondit: Nam integer ego sum intus sedens, dimidius
homo tu es supra equum extra sedens, intus prospiciens
inclinatus; caput vero equi caput est tui caballi. super quem
sedes. Tunc Salomon dixit: Qui sunt ascendeutes et de-
scendentes? Marcolphus respondit et ait: Fabae in olla
bullientes. — Salomon: Ubi sunt tuus pater et tua mater,
tua soror et tuus frater? Marcolphus: Pater mens facit in campo
de un(t damno duo damna; mater mea facit vicinae suae, quod
ei amplius non faciet; frater mens extra domum sedens. quic-
quid invenit, occidit; soror mea in cubiculo sedens plorat
risum annualem. — Salomon: Quid illa siguificant? Marcolphus:
Pater mens in campo suo est, et semitam per carapum trans-
euntem occupare cupiens, spiuas in semitam ponit, et liomiues
152 ^111' Märclienforschung.
venientes duas vias faciunt nocivas ex ima, et sie facit duo
damno ex imo. Mater vero mea claudit oculo.s vicinae suae
morieutis, quod amplius non faciet. Frater autem mens,
extra domum sedens in sole et pelliciilas ante tenens, pe-
diculos omnes, quos invenit, occidit. Soror autem mea
praeterito anno quemdam invenem adamavit, et inter ludicra et
risns et molles taetns et ba.sia quod tun(3 risit, modo praegnans
plorat.'
Comparez en outre le conte de lAmienois dans Melusine
p. 279 [Carnoy, Les aventures d'un petit gar(;on] et le
commencement du conte gas(3on ,Joan lou pigne', dans Blade,
Contes et proverbes populaires recueillis en Armagnac p, 14 ^)
[oben S. 113 zu Carnoy no. 15 und S. 134 zu Blade 3, 5].
Dans le conte de lAmienois un petit garpon dit a un
Intendant d'un seigneur a qui son pere doit de Targent:
,Bonjour, la moitie d'iin homme et la tete d'un cheval!' et
il fait les reponses suivantes aux questions, oii sont la mere,
le pere, les soeurs:
1" Ma mere est alleo a la cliasse, tont ce quelle tue,
eile le laisse, et tont ce quelle ne tue pas, eile le rapporte.
2'' Mon pere est parti faire un trou pour en boucher |
476 deux autres (c'est-a-dire qu'il est alle eraprunter une somme
pour payer deux creanciers).
3** Ma jeune soeur fait cuire des allants et venants (i. e.
des pois).
Dans le conte gascon, aux questions de son niaitre, sil
est seul, ce qu'il fait, ce que fönt son frere et sa soeur, sa
mere et son pere, Jean fait les reponses suivantes:
1 ^ Jy vois la moitie deux betes a quatre pieds.
2^ Je fais cuire ceux qui s'en vont et veux qui s'en
retournent.
^) On trouve ce conte gascon, mais dans un moins bon texte, aussi
chez Cenac-Moncaut, Littei'ature popiüaire de la Gascogne p. 235.
Blade nous renvoie aussi au conte provencal ,L'enfant et le moussou'
dans TArmana prouvengau de 1859 p. 58. Je regrette de n'avoir pas
cette annee de l'Armana.
16. Anmerkungen zu Luzel, Contes bretons. 15?)
8^ Mon frere est a la chasse, et tout le gibi(?r quil
prend, il le Jette, et celui quil ne peut pas atteiiidre, il
Temporte.
4** Ma mere fait ciiire le pjiiii que iioiis avoiis mange
la seinaine passee.
5^ Mon pere est ä la vigne, et il fait du bieu et du mal
(c'est-a-dire qu'il fait du bien quaiul il coupe bieu, et quil
fait du mal quaud il (M)upe mal).
Compare en outre Ziugerle 1. 1. p. 4*2, Schneller, Märchen
und Sagen aus AVälschtirol no. 4(1 et un conte suisse dans
Firmenitili, Germaniens Vulkerstiinmen '2, G58, et repete dans
Sutermeister, Kinder- und Hausmärchen aus der Scliweiz,
2e ed. p. '227 [Wos'sidlo, Mecklenburgisclie Vcdksüberliefe-
rungen 1, 3'2S no. 090. Svenska Landsnnilen 5, 1, 114]
Dans le premier conte, un jeune paysan dit a un seigneur:
1 ** Mon pere est alle au ehamp pour faire d'un mal deux.
2^ Ma mere cuit le pain que nous avous nuinge la
semaine derniere.
3*^ Ma soeur pleiire ce dont eile a ri Tannee passee.
Dans le conte du Tyrol italieu, un enfant dit ä un seig-
neur, a qui son pere doit de l'argent:
1 ^ Je vois comnie ils ricaneut et comme ils sont.
"i** Mon pere et alle pour boucher un trou avec un
autre trou.
3** Ma mere cuit du pain deji! mange.
4'' Ma soeur pleure les joies de lannee passee. (Elle
s'est mariee Tan dernier ave(t un mechant qui la fait souvent
pleurer).
Dans le conte suisse, un enfant dit ä un seigneur: Le
pere cuit du pain deja mange, et la mere fait du mauvais
sur mauvais (c"est-ä-dire (|u"elle rapiece des vieux habits).
Pour la reponse dans le conte breton: ,Mon pere est
alle a la (duisse et il laissera ce qu'il prendra, et rapportera
a la maison ce quil ne prendra pas, et pour les reponses
paralleles dans le conte de lAmienois et dans le conte gas-
*) J'omets deux autres occupations de la mere qui ne se trouvent
dans aucun des autres recits.
154 2ur Märcheiiforhchung.
cou, je renvoie le lecteur ä la preface de M. Gaston Paris dans
E. Rolland, Devinettes ouEnigmes populaires de la France, p. XI.
f) Le pain change en une tete de mort,
(Yerhandliuigen der Berliner Authropologisclien Gesellschaft ISiSO, 319.
Anhang der Zeitschrift fiir Ethnologie Bd. 18.)
Herr Bibliothekar Dr. Reinhold Köhler in Weimar be-
richtet nnter dein '29. April über zwei Sagen aus der
Bretagne.
Zu der Mitteilung des Herrn Prof. F. Blumentritt in
Leitmeritz (Verh. 1S(S5, S. 324 f.) über eine philippinische
und eine Madrider Sage, welche von der wunderbaren Ver-
wandlung eines Stückes RindHeisch oder eines Kalbskopfes in
das blutige Haupt eines Ermordeten und der dadurch er-
folgten Entdeckung des Mörders erzählen, ist zu bemerken,
dass zwei Sagen desselben Inhaltes — natürlich in ver-
schiedener Einkleidung — auch in der Bretagne aufgezeichnet
worden sind. Nach der einen (F. M. Luzel, Legendes chreti-
ennes de la Basse -Bretagne. Paris issi. 11, IST — 9H) ver-
wandelt sich ein Weissbrot, welches der Mörder sich gekauft
hat und in einem Sack trägt, in das blutende Haupt des voir
ihm Ermordeten, nach der anderen (P. Sebillot, Traditions
et Superstitions de la Haute -Bretagne. Paris 1S(S2, 1, 2(55
bis Gß) ist es, wie in der Madrider Sage, ein Kalbskopf, der
sich in das Haupt des Ermordeten verwandelt. [Ebenso bei
J. Manlius, Locorum comm. collectanea 1562 p. 30S = Bütner,
Epitome bist. 1576 Bl. 29(5 b = Hondorff, Promptucirium ex-
emplorum 1570, 1. 273b = 159S, 2, 16Sb.l
Es sei noch erwähnt, da Herr Prof. Blumentritt dies
zu erwähnen unterlassen hat, dass nach der Madrider Sage
(Biblioteca de las tradiciones populäres espauolas, Tom. II,
Sevilla Ls84, p. 1<S) die calle de la Cabeza von diesem Vor-
falle ihren Namen haben soll.
[Zur Vorgeschichte dieses Motivs gehört die Sage von
Theodorich, dem das Haupt des getöteten Symmachus auf
einer Schüssel erschien: vgl. Oesterley zu Kirchhofs Wendun-
niut (!. 174. Als einen starken Bühneneffekt verwendete
16. Annierkuiigen zu Liizcl, Contes bretons. 155
diesen Zug nicht bloss Halliiiaiui iu seinein Tlieoduricus 1()S4
8. 104, sondern schon Herzog Heinrich dulius von Braun-
schweig in seiner Tragödie von einem nngeratenen Sohn 1594
Akt 6, Sc. 9, wo von dem ruchlosen Tyrannen Nero, während
er bei Tafel sitzt, plötzlich anf drei Schüsseln die Köpfe seiner
hingerichteten Räte erscheinen. Am Darmstädter Hofe wurde
am 10. März 1680 ein Ballet aufgeführt, in dem acht Bauern,
die gierig über eine Pastete herfallen wollen, darin phitzlich
ein Menschenhaupt entdecken. Ans HarsdÖrft'ers Poetischem
Trichter 2, S'2 (1H48) erfahren wir, dass die Vorführung eines
solchen die Angen verdrehenden Meuscheuhanptes, wie sie
z. B. von Cinthio in seiner ürbecche, von Chortatzes in seiner
griechischen Erophile, von Meinius in seinem Orontes (1(53 1)
bewerkstelligt nnd von Rist (Perseus 1634, Vorrede) und
neuerdings von Panl Heyse (Merlin 1S92) beschrieben wird,
zn den raffinierten Bühnenküusten der italienischen Tragödie
16. dahihuuderts gehörte. In einer arabischen Erzählung, die
in der Revue des traditions populaires N, '279 (lS9;i) mit-
geteilt ist, verwandelt sich eine Weintranbe. die der Mörder
dem Könige überreichen will, })lötzlirli in das blutige Haupt
des P^rschlagenen. -I. B.l
17. Ueber J. F. Campbell's Sammlung
gälischer Märchen.
(Orient iiiul Orcident 2, 98 126. 294 -831. 486-506. 677 690. 1864.)
Eine Erscheinung von grösstein Werte für die Freunde
der Märchenlitteratur ist die Sammlnng von Volksmärchen
aus den westlichen Hochlanden Schottlands, welche d. F.
CampbelP) im -Jahre ISIU) veröffentlicht hat (Populär tales
') [John Francis Campbell ut Islay, geb. 1821, starb dcMi 17. Febr.
1885 zu Cannes (Ralston im Athenaeum 1885, 21. Febr. p. 250.
Academy 1885, 151). 8ein Portrait findet sich vor Mac Innes' Folk and
Hero Tales (1890) und J. G. Campbell, The Fians (1891). Eine neue
Auflage seiner Märciiensammlung erschien 1890. Ueber seinen hsl.
^'aclilass berichtet Nutt in The Folk-lore 1, 369 — 383 (1890).]
] 56 Zur Märchenforscliung.
of the West Highlands, orally collected, witli a translation
by J. F. Campbell. Vol. I. II. Edinburgh: Edmonston and
Donglas 1860). Die Sprache der Bewohner der westlichen
Hochlande und der benachbarten Inseln, der Hebriden, ist
bekanntlich die gälische, und die meisten Märchen sind nicht
nur in einer — wie Campbell versichert — sehr treuen
englischen üebersetzung, sondern in der Ursprache selbst
mitgetheilt.
Die Märchen sind zum grössten Teile 1<S59 und 1<S60
auf Campbells Anregung und in seinem Auftrag von Hector
ürquhart, AVildhüter zu Ardkinglas, und Hector Mac Lean,
Schullehrer zu Ballygrant auf Islay, gesammelt und gälisch
aufgeschrieben worden. Andre haben andere und Campbell
selbst gesammelt. Ueber die Art des Sammeins und über
die einzelnen Erzähler geben die Einleitung und die Anmer-
kungen zu den einzelnen Märchen genaue und anziehende
Mitteilungen. Im Inhaltsverzeichnis ist zur raschen Ueber-
sicht bei jedem Märchen angegeben, wer es erzählt und wer
es aufgeschrieben hat.
Die ausfülirliche, etwas breite Einleitung verbreitet sich
99 nach I den erwälniten Schilderungen des Sammeins und der
Erzähler S. XXXIl i\'. über die in den westlichen Hochlanden
umlaufende Volkstradition. Diese besteht 1. ans den Ueber-
lieferungen über die alten Feenes, die Helden der ossiani-
schen Dichtungen, Ueberlieferungen, die mit Fragmenten in
poetischer F(irm untermischt sind, l)ei welcher Gelegenheit
der Verfasser sich über die Ossianfrage ausspricht; '2. aus
Heldengeschichten, auf Irland und Scandinavien bezüglich,
ebenfalls mit Versen untermischt: 8. aus Erzählungen aus
der Geschichte der letzten Jahrhunderte ; 4. aus Erzählungen,
die überall und zu jeder Zeit geschehen sein können, wie
Nr. 19 und 20 : 5. aus Kindermärchen; 6. aus Rätseln: 7. aus
Sprichwörtern: s. aus Volksliedern aller Art, endlich 9. aus
den Volksmärchen (romantic populär tales), aus welchen die
vorliegende Sammlung hauptsächlich besteht.
Die Aehnlichkeit der meisten gälischen Märchen im ganzen
und einzelnen mit denen anderer Viilker konnte dem Ver-
17. Ueber Campbells Sanimluui;' g-älisfhcr .Märchen. l')"]
tasser natürlich niclit eiitgeheu, und er macht in der Einlei-
timg S. XLV tu", darauf aufmerksam. Die galisclien Märchen
sind aber — erinnert er — nicht etwa erst in neuerer Zeit
aus Büchern ins Volk gedrungen, sondern offenbar sclion seit
langem einheimisch und gehören jetzt, woher sie auch immer
stammen, dem Volke wirklich zu eigen (S. LXIV), stellen sie
doch (S. LXIX ff.) das heutige Leben derer, die sie erzählen,
mit grosser Treue dar. Aber auch viele Reste alter Sitten
und alten Glaubens sucht Campbell in ihnen nachzuweisen.
Wir folgen ihm in diesen oft schlüpfrigen und unsichern
Gängen nicht und bemerken nur, dass, wenn auch gelegent-
lich ein Märchen Reste aus der keltischen Urzeit enthält, des-
halb das ganze Märchen als solches noch keineswegs in jeuer
Zeit existiert zu haben braucht.
Wir gehen vielmehr zu den einzelnen Märchen selbst
über. Ich gebe den Inhalt derselben in möglichst gedrängten,
aber nichts wesentliches auslassenden Auszügen wieder, be-
sonders im Interesse derer, denen die Sammlung unzugäng-
lich ist, aber auch zur bequemen üebersicht der andern.
Jedem Märchen füge ich dann mehr oder weniger ausführ-
lichere Nachweise verwandter Märchen anderer Völker nebst
sonstigen nötigen Bemerkungen bei. Auch Campbell hat in
den Anmerkungen auf manche verwandte Märchen hingewiesen,
doch gesteht er selbst mit grosser Bescheidenheit in der Ein-
leitung S. L: but this part of the \ subject is a study and loo
requires time to knowledge which I do not possess. Er kennt
hauptsächlich nur Asbjörnsen's und Moe's norwegische Mär-
chen in der englischen Uebersetzung von G. W. Dasent, der
eine lesenswerte Einleitung dazu geschrieben und einen An-
hang afrikanischer Märchen beigefügt, aber die norwegischen
Varianten der Märchen und die äusserst schätzbaren Anmer-
kungen nicht mit übersetzt hat, die deutschen Märchen der
Brüder Grimm und Andersen's dänische Märchen, und auch
diese hat er nicht gehörig ausgebeutet.
Auch zu meinen Nachw-eiseu werden sich manche Nach-
träge liefern lassen. Vor allem bedaure ich, dass mir einige
dänische Märchensammlungen zur Zeit nicht zu (iebote standen
J58 Zur Märclienforscliung.
und dass von den Mär(3hen in einigen slavischen unci in der
finnischen Sprache nur wenige übersetzt und sona^di mir zu-
gänglich sind.
1. Die Seele des Kiesen M-
Ein König gewinnt im Spiele mit einem Gruagach (eine
Art dämonischer Wesen) und fordert auf Rat seines Weis-
sagers seine Tochter, die hässlich scheint, aber dann schön
wird und die er heiratet. Auf ihren Rat fordert er beim
nächsten Spiel als Gewinn ein unscheinbares, aber wunder-
schnelles, redendes Pferd. Beim dritten Spiel aber gewinnt
der Gruagach und fordert, dass ihm der König das Licht-
schwert des Königs der Eichenfenster schaffe. Mit Hilfe
seines Rosses erlangt der König nicht nur das Schwert, son-
dern auch ein zweites Wunderross, den Bruder des andern.
Mit dem S('hwert tötet er dann den Gruagach, der nnr durch
dieses und nur an einer Stelle des Köri)ers zu töten ist. In-
zwischen hat ein Riese seine Frau und die beiden Rosse ent-
führt. Kr zieht ihnen nach und erhält unterwegs Nachricht,
Speise und Hilfsversprechungen von einem Hunde, einem
Habi(dit und einer Otter. Er kommt in die Höhle des Riesen
und wird von seiner Frau verborgen. Durch dreimaliges
listiges Fragen erfährt sie vom Riesen, dass seine Seele in
101 einem Ei in einer Ente in einem Widder unter ei-juem
Steine unter der Schwelle ist. Sie öffnen den Stein und
kommen mit Hilfe jener drei Tiere endlich in den Besitz des
Eies, durch dessen Zerdrückung sie den Kiesen töten.
In einer zweiten Version ist der Held kein König,
sondern einfach — wie in so vielen gälischeu Märchen —
der Sohn einer Witwe. Das gewonnene Mädchen und Ross
sind ein nnd dasselbe, indem das Ross plötzlich das schönste
Mädchen wird. Die drei helfenden Tiere verwandeln sich in
Menschen und reden so mit dem Sohne der Witwe. Das
Leben des Riesen ist in einem Birkhuhn in einem Luchse
1) Von Campbell überschrieben: Der junge König von Easaidh
ruadh.
17. Ueber ("ainpbells SammUiiii;- ^älisclicr ^lärclieii. ] ,")<)
in einem Hasen in einer Kiclie. [Mac Innes, Fulk and Hero
Tales 1S90 p. 455 zu no. -t, Jacobs, More celtic fairy tales
1H94 no. U.]
Der Kern des Märchens ist die Hilfe der drei Tiere —
die. was hier freilich nicht gesagt ist, für irgend eine Wohl-
that (hinkhar sein iiiiissten — durch wehdie die in verschiedenen
in einander eingeschachtelten Gegenständen verborgene
Seele des Riesen und (hidurch sein Leben vernichtet wird.
In dem unten näher zu besprechenden gälischen Märchen
Nr. 4 von der Seejungfrau ist die Seele der Seejungfran eben-
falls in verschiedenen in einander gescliachtelten (legenständen
(in einem Ei in einer Forelle in einer Krähe in einer Hinde
oder in einem Ei in einer Gans in einem Widder in einem
Ochsen, oder in einem Ei in einer Taube in einem Baume) ver-
borgen und wird mit Hilfe dankbarer Tiere vernichtet.
Campbell vergleicht mit Recht das norwegische Märchen
vom , Riesen, der kein Herz im Leibe hatte', Asbjörnsen und
Moe Xorske Folkeeventyr (2. Ausgabe) Nr. 36, wo Rabe,
Lachs und Wolf die Tiere sind und das Herz des Riesen in
einem Ei in einer Ente in einem Brunnen in einer Kirche
ist. In anderen norwegischen Varianten sind die Tiere:
Löwe, Falke, Rabe. Ameise: das Herz ist in einer Maus in
einer Ente im grossen Wasser, oder in einem Hasen im Tier-
garten. Sehr nah steht das deutsche Märchen bei Müllenhoff
S. 404 vom „Manne ohne Herz", wo Ochse. Schwein, Greif
helfen, und das Herz in einem \'()gel in einer Kirche in
einem Graben ist ^). In dem siebenbürgischen bei Haltrich
Nr. 3o helfen Adler. Löwe und ein Fisch, und das Leben
einer Hexe, die ihr Geheimnis selbst | prahlerul verrät, ist an 102
ein Licht in einem Ei in einer Ente in einem Teiche in
einem Berg geknüpft. Mehr weicht im (ianzen ab das
deutsche Märchen bei Wolf deutsche Märchen Nr. 20 vom
Ohneseele, wo die Tiere: Fliege, Adler, Bär und Löwe sind
und die Seele in einem Kistchen in einem Felsen in einem
See ist.
') Müllenhott" erklärt ein dänisches Märchen bei Winther danske
Folkeeventyr I, 91 für sehr ähnlich, das ich nicht vergleichen kann.
160 2iii" Märchenforsc'hung.
In einem russisclien Märchen (Dietrich Nr, 2) ist Kascht-
schei's Leben an ein VA in einer Ente in einem Hasen in
einem Körbchen in einem Kästchen in einer Eiche anf einer
Insel im Meer geknüpft, nnd eine gefangene Zarentochter
entlockt das Geheimnis durch List. Sonst ist das Märchen
sehr entstellt, namentlich fehlen die helfenden dankbaren
Tiere, nur ein Zauberross ist geblieben. Ebenso ist vielfach
geändert das deutsche Märchen bei Pröhle Kindermärcheu
Nr. 6, wo ein Prinz nur dadurch erlöst werden kann, dass
ein Riese getötet wird, aus dessen Leibe ein Hase springen
wird, aus dem eine Taube, daraus ein Ei, das zerdrückt
werden muss. Die Tiere sind: Löwe, Hund, Rabe, Ameise.
Vielfach abweichend und entstellt ist auch das Märchen
Nr. "22 bei Curtze Volksüberlieferungen aus Waldeck, wo die
Seele eines in einen Zwerg verzauberten Prinzen in einem
Ei in einer Ente in einem Teiche jenseit des roten Meeres
ist. Wenn ihm dies Ei verschafft wird, wird er erlöst. Ein
Prinz erlangt das Ei, wobei ihm ein Fisch, ein Vogel und
zwei Riesen helfen. Entfernt gehören auch hierher die
Märchen „von der Krystallkugel" bei Grimm Nr. 197 und
von den „drei Schwestern'' bei Musäus. Das Märchen von
Straparola aber „das Zauberpferd" (Schmidt S. 1), was
Asbjörnsen in den Anmerkungen vergleicht^ gehört eigentlich
nicht hierher, da in demselben nur dankbare Tiere vorkommen,
nichts aber von dem an einen bestimmten Gegenstand ge-
knüpften Tode eines Wesen. Die Tiere helfen übrigens in
den verschiedenen Märchen teils in eigener Person, teils da-
durch, dass ihr Schützling die Fähigkeit erlangt, sich in sie
zu verwandeln.
Die Bemerkung Campbell's S. 23 aus der ägyptischen
Mythologie ist überflüssig; wohl aber darf ich an das merk-
würdige alte ägyptische Märchen von den beiden Brüdern er-
innern, welches Mannhardt in der Zeitschrift für deutsche
Mythologie und Sittenkunde 4, 232 ff. mitgeteilt und er-
läutert hat [Cosquin 1. LVII.]. In diesem Märchen kommt
103 vor, dass das Herz Satu's, des einen | der Brüder, in einer
Akazienblüte verborgen wird und Satu sterben muss, wenn
17. Ueber Canipliolls Saniiiihing gälisclier Märchen. \{\l
der Baum gefällt wird und das^ Herz zur Erde fällt. Satu's
treulose Frau verrät ihrem Geliebten, dem Könige, das Ge-
heimnis, der Baum wird umgehauen und Satu stirbt. Satu's
Bruder tiinlot al)er s[)äter das Herz und l)elel)t dadurch seinen
Bruder wieder.
Auch die Seelen mongolischer und tatarischer Helden
sind zuweilen in gewissen Gegenständen verborgen, vgl. die
Nachweise in A. Schiefner"s Heldensagen der Minussinsehen
Tataren S. XXV f. [Radioff 3, 669. 4,88. 505.J
[Ceber die verborgene Seele des Riesen vgl. Gonzen-
baeh no. 16, Cosquin 1. 173. Leskien-Brugman no. 20, Folk-
lore Journal 2, 290, Mac Innes p. 4.57, Cox. Cinderella 1893
p. 4S9. — Peter 2, 149, Jahn 1. 34S. Joos 2, no. 1: 3.
no. 29. Mont-Cock no. 1. Landschoot p. 54, Du Meril
p. 474, Sebillot 1, 63 no. 9; 2, 131 no. 24, Luzel 1, 427.
Cerquand 4, 62. 67. 72, Webster p. S2, Bnsk. Folklore of
Ronie p. 16S f, Titre no. Sl Var. und <S2, Imbriani p. 10.
194, Comparetti no. 2. De Nino no. 20, Finamore no. 19.
Viseutini no. 37, Andrews no. 46. Sabatini, La lanteriia p. 17.
AVessebtfsky, Le tradizioni pop. nei poemi d" A. Pucci p. 10,
Braga no. 8, Coelho, Contos nac. no. IS, Säinenu p. 669,
Wenzig p. 190, Chodzko p. 218, Pcdivka. Zs. f. österr. Volksk.
2, 188 no. 4, Archiv f. slav. Phil. 19, 241 nb. 2. Gaudy.
Werke 16, ,50 (1S44: Die selbstspielende Harfe. Russisch),
Ralston p. 100. l(),s. 113, Brueyre p. 81. Janson no. 10.
Bondeson, Sv. Folks. no. 22, Berntsen 1, no. 10. 29, Germ.
15, 174 = Poestion, Läpp. M. no. 20, Gott. gel. Anz. 1.S72.
1509, Kletke 2. IS. Frere, Cid Dekkan Days no. 1, Stokes
p. 260. Hutli, Zs. f. vergl. Littgesch. 3, 330. Baissae p. 37S
no. -lii.]
'2. Die vergessene Braut ^).
Ein Königssohn will die Schlacht der Tiere und Vögel
sehen. Aber er kommt zu spät und findet nur noch einen
Raben und eine Schlange kämpfend. Er tötet die Schlange.
*) Bei Campbell: die Öchlaeht der Vogel. [Fuelis und .Storeli:
Berntsen 1, Nr. 25, Maspons 1, Xr. 9 und 19.]
R. Kohl er, Kl. Schriften. I. 11
\{]'2 Zur MRrclienforscliimg.
Der Rabe trägt ihn über 7 Hügel und 7 Tliäler und 7 Sümpfe
zu seinen Schwestern, erscheint ihm am dritten Morgen als
erlöster Jüngling und beschenkt ihn mit einem Bündel, das
er nicht eher öffnen soll, als bis er da angekommen sei, wo
er wünsche. [Zs. f. d. Alt. 29, 445, Kremnitz S. 162. Ralston
S. 124.] Der Königssohn macht sich auf den Rückweg. Unter-
wegs öffnet er do(th das Bündel, und plötzlich steht ein Schloss
vor ihm. Er bedauert nun das Bündel nicht erst in der
Nähe des Schlosses seines Vaters geöffnet zu haben. Da er-
scheint ein Riese und verspricht ihm das Schloss wieder in
das Bündel zu stecken, wenn er ihm seinen ersten Sohn, so-
bald er sieben Jahre alt, verspreche. Der Königssohn ver-
spricht dies, und alsbald ist das Schloss verschwunden, das
Bündel wieder gepackt. Nun geht der Königssohn bis zu der
Stelle seiner Heimat, die er am liebsten hat, und öffnet da
das Bündel. Sogleich steht ein Schloss da, und in der Thür
erscheint ein schönes Mädchen, mit dem er sich verniälilt.
Nach 7 Jahren erscheint aber der Riese und verlangt ihren
Sdhn. Die Königin sucht vergeblich die Söhne des Kochs
und des Mundschenken unterzuschieben, endlich muss sie
ihren Sohn wirklich ausliefern. Der Knabe bleibt lange beim
104 Riesen und dieser bietet ihm endlicli eine seiner bei-jden
ältesten Töchter an, der Königssidm aber verlangt die dritte
jüngste, die ilim wohl will. Da gibt ihm der Riese auf,
seinen Kuhstall, der 7 Jahre nicht gereinigt war, in einem.
Tage zu reinigen, denselben zu decken mit den F'edern von
Vögeln, die nicht zwei gleichfarbige Federn haben, und end-
lich fünf Elsterneier aus einem Nest von einer 500 Fuss
holien Eiche zu holen. Mit Hilfe der Riesentochter verrichtet
der Königssohn die Aufgaben. Bei der letzten derselben
macht ihm die Riesin eine Leiter aus ihren Fingern und büsst
dabei den kleinen Finger ein. Der Riese lässt nun den
Königssohn eine der drei Töchter wählen, die ihm ununter-
scheidbar gewesen wären, wenn er nicht die rechte an dem
Fehlen des kleinen Fingers erkannt hätte. F^s wird Hochzeit
gehalten. Sie legen sich ;iber nicht schlafen, sondern die
Braut fordert den Königssohn auf. vor dem erzürnten Riesen
17. UeUer Caiii])bclls Saimiiluiiu- oälisclier Märclicii. l{y,\
ZU Hiehen. Vorher zerschneidet sie einen Apfel in i) Teile,
zwei legt sie zu Häupten des Bettes, zwei zu Füssen, zwei
an die Küchentliür, zwei an das Thor und einen vor das Haus.
Der Riese ruft aus seinem I5ett „Schlaft ihr?'' da antworten
die Stücke „Noch nicht." Kndlicli untersucht er das Bett,
findet es leer und setzt den Fliehenden nach. Diese sind
anf einem grauen Pferd entlicdien. Als die Riesentochter den
brennenden Atem ihres Vaters fühlt, lässt sie den Königs-
solin in das Ohr des Pferdes greifen und, was er da finde,
rückwärts werfen. Er findet einen Schlehenzweig, ans dem
ein schwarzer Dornenwald entsteht, der den Riesen aufhält.
Als der Riese aber dennoch zum zweitenmale nahe ist,
findet sich im Ohr des Pferdes ein Stein, ans dem ein grosser
langer Fels entsteht. Aber auch ihn durchbricht endlich der
Riese. Da findet der Königssohn eine Wasserblase im Pferde-
ohr und wirft sie rückwärts. Ein grosser See entsteht, in
dem der Riese ertrinkt. Das Braut})aar kommt am nächsten
Tage in die Mibe des Schlosses des Königs. Die Braut
schickt den Bräutigam voraus, sie zu melden, warnt ihn aber,
sich von niemand küssen zu lassen, da er sie sonst vergessen
werde. Er verbittet sich den Kuss der Eltern, aber ein
altes Wimlspiel s})riugt an ihm empor und küsst ihn, worauf
er alsbald die Riesentochter vergisst. Diese birgt sich eine
Zeit lang im AVald. (hmn wird sie von einem Schuhmacher
entdeckt und lel)t in dessen Hause. Drei Ibn'rn vom Hofe
verfolgen sie mit ihrer Liebe, aber in der | Nacht, die sie i05
bei ihr zubringen wollen, zaultert sie dieselben fest. |(ionzen-
bach no. 55, Zs. d. V. f. Volksk. <;. ICH. (iittee p. 14. Rua,
Novelle del Mambriano 188<S p. S!).| Inzwischen hat sich der
Krmigssohn eine andere Braut ersehen, uiul es soll Hochzeit
sein. Die Riesentochter verschafft sich durch den Schuh-
macher Eintritt im Palast, uinl man bietet der schönen Frau
zu trinken. Eine goldene und eine silberne Taube fliegen
aus dem Becher empor. Drei Gerstenkörner fallen auf den
Boden. Die goldene Taube frisst sie. aber die sill)erne sagt:
„Dächtest du daran, wie ich den Rinderstall reinigte, du gäbst
mir auch ein Teil!" Wieder fallen drei Körner. Die goldene
11*
\Q4: Zur Märclienfürrtchuiig.
Taube frisst sie, aber die silberne sagt: „Dächtest du daran,
wie ich den Rinderstall deckte, du gäbst mir auch ein Teil!"
und zum drittenmal sagt sie: „Dächtest du daran, wie ich
das Elsternest holte, du gäbst mir auch ein Teil! Damals ver-
lor ich meinen kleinen Finger und er fehlt mir noch!" Da
erwachte das Gedächtnis des Königssohiis, er eilt auf sie zu,
küsst sie und hält Hochzeit mit ihr.
Campbell teilt mehrere gälische Varianten im Auszuge
mit, von denen ich einige anführe.
In einer Version ist der Sohn der Witwe der Held. Er
dient bei einem Riesen. Die Aufgaben sind bis auf die dritte
dieselben; die dritte nämlich ist: er muss ein wunderbares
Ross holen. Die Rolle der 9 Apfelstücke spielen (i Kuchen.
Der verfolgende Riese wird von der Tochter getötet, indem sie
einen goldenen Apfel au die einzige Stelle wirft, wo er ver-
wundbar ist. Als das Paar in eiue grosse Stadt kommt, warnt
das Mädchen den Sohn der Witwe vor einem Kuss. Auch
hier küsst ihn ein Huiul. Der Jüngling tritt in des Königs
Dienst und soll endlich die Prinzessiu heiraten. Die Riesen-
tochter hat inzwischen bei einem Schmied gelebt. Als die
Hochzeit im Schloss sein soll, verschatit't sie sich Zutritt und
stellt vor den Bräutigam einen goldenen Hahn und eine
silberne Henne, denen sie (ierste vorwirft. Das weitere
wie oben.
Eine andere Version beginnt mit der Schlacht der Tiere,
ist übrigens sehr entstellt, stimmt aber in den Hauptteilen
mit der vorigen Fassung. Besonders hervorzuheben ist fol-
gendes: Die Riesentochter legt bei der Flucht drei Aepfel
rings um das Haus, einen vierten, in dem das Herz des
Riesen ist, nimmt sie mit sich und lässt ihn unterwegs von
dem Pferde zertreten.
Eine dritte Version steht der ersten Fassung sehr nahe,
I0(i ja ist in | einigen Einzelheiten iioch besser. Auch sie beginnt
mit der Schlacht der Tiere, von der nur eine Schlange und
ein Rabe übrig geblieben. Der Rabe wird von dem Königs-
sohn befreit, später erlöst, wofür er ihm wie in der zweiten
Version, ein Buch schenkt, das er öft'nen soll, wenn er seines
17. Ueber Camiibell^ Sniiiiii!iiiig gälisclier ]\Iärclien. 1Gb
Vaters Haus sehen will, aber nur auf einem Hügel. Er (iffnet
es aber in einem Thale, und sieht seines Vaters Haus in
Torfmoor versenkt und uuzugrniglicli. Ein Riese versetzt das
Haus wieder an seine Stelle, lässt sich aber den ersten Sohn
versprechen. Es folgen auch hier die Versuche der Mutter,
den Riesen durch Uebergabe anderer Kinder anzuführen.
Aber der Riese, indem er ihnen eine Ruthe zeigt und fragt,
was ihre Väter damit machen würden, erkennt aus den Ant-
worten den Betrug, wie in der ersten Fassung. Eigen ist dieser
Fassung, dass er auch den echten Sohn des Königs fragt und
durch dessen Antwort, sein Vater hätte eine bessere Ruthe
und würde sich mit ihr auf seinen Thron setzen, befriedigt
wird. Dann folgt das Fegen und Bedachen des Stalles und
das Holen eines wunderbaren Pferdes mit Hilfe der braunen
Marie, der Riesentochter, sowie beider Flucht. Vorher legt
sie Bänke in ihr und des Königs Bett, die später der Riese
zerschlägt; sie spuckt an drei Stellen, und der Speichel ant-
wortet dtinn dem Riesen. Endlich legt sie zwei Aepfel über
des Riesen Bett, die, wenn er aufwacht, auf ihn fallen und
ihn wieder einschläfern. Das Folgende ist ziemlich wie in
der ersten Fassung. Der Schluss mit dem goldenen Hahn
und der silbernen Henne wie in der ersten Variante.
Endlich dürfen wir eine Variante nicht übersehen, die
folgenden Inlialts ist. Ein Burscdie spielt mit einem Hunde
Karten, verliert und muss ihm deshalb dienen. [Pröhle no. 8,
Wolf. Hausm. S. •2<S(), Schneller no. 27, Maspons 1, no. 9,
Bibl. de las trad. pop. esp. 1, IST. Romero no. 22.] Drei
Aufgaben (Reinigen des Stalles, Fangen des Pferdes, Aus-
nehmen des Nestes) führt er mit Hilfe der Tochter des
Hundes aus. Das Mädchen schneidet sich die Fusszehen ab,
damit er sie an den Biium setzen und an ihnen hinaufklet-
tern kann. Der Bursche lässt aber eine oben an dem Baum,
und nun muss das Mädchen, das sich die anderen Zehen
wieder ansetzt, fürchten, dass ihr Vater, der ihr täglich die
Füsse wäscht, an dem Fehlen der Zehe merkt, dass sie dem
Jüngling geholfen habe. Sie Üieheu daher auf dem Rosse.
Der Hund verfolgt sie. wird aber durch einen Wald und
16ß Zur Märeheiit'(ir:sfhung.
Strom aufgehalten. In der Heimat vergisst der Jüngling |
107 (las Mädchen, weil er gegen das Verbot mit seiner Mutter
spricht. Nach einiger Zeit will er heiraten, aber bei der
Trauung erscheint plötzlich der Hund und bringt einen
früheren Bräutigam der neuen Braut und seine Tochter, die
vergessene Braut. Beide Paare lassen sich nach dem alten
Versprechen trauen.
Diese Fassung muss auch in Irland bekannt gewesen
sein, wenigstens stimmt die Erzählung William Carletons ,die
drei Aufgaben' (Traits and stories of the Irish peasantry, 5th
ed., 1 S. 2;^) sehr genau mit ihr überein. Nur dient der
düngling dort hei einem schwarzen Herrn, der das schöne
Mädchen gefangen hält und heiraten will. Der Hund aber
ist ihr verzauberter Bruder und wird zuletzt erlöst. Auf der
Flucht niuss der Jüngling dreimal in das rechte Ohr des
Pferdes greifen und das, was er findet, über die linke Schulter
werfen. Er findet ein Reis, einen Kieselstein, einen Wasser-
tropfeu, daraus entsteht ein Wald, Fels, See. Der Jüngling
vergisst dann das Mädchen, weil sein Hund ihn küsst. Seine
F^rinnerung kommt wieder, als bei der beabsichtigten Trauung
mit einer andern der verzauberte Bruder des vergessenen
Mädchens als Hund erscheint und seine Lippen berührt.
Campbell hat diese Erzählung Carletons nicht gekannt,
doch vermutet er S. (i'i, dass das Märchen auch in Irland
bekannt sei. [Kennedy p. öü.]
Betrachten wir all diese Versionen, so fiinlen wir, wenn
wir von dem mit dem übrigen in keinem rechten Zusammen-
hange stehenden Anfange einiger Versionen von der Schlacht
der Tiere und dem verzauberten Raben absehen, als Kern
aller: die Lösung schwieriger Aufgaben mit Hilfe der Ge-
liebten, eine wundersame Flucht der Liebenden, das Ver-
gessen der (Teliebten von Seiten des Jünglings, meist ver-
anlasst durch einen Kuss. den er vermeiden sollte, und die
endlich dnr'-h die Geliebte wieder erweckte Erinnerung
desselben, und die Vereinigung beider.
Dieser Märchenstoff ist vielfach behandelt worden. Ich
vergleiche zunächst, was aiicli Campbell thut. das nor-
17. Uohur Ciuiipbells Siuiimluiig' giilis.L'her Märchen. 1(^7
wegische Märchen von der Meisterjungfrau (Asbiiiniseii
Nr. 4G). Die Aufgaben stimmen nur zum Teil (Stanausniisten).
An die Stelle der redenden Apfelstücke treten Blutstropfen.
Die P>innerung schwindet, weil der Königssohn gegen das
Verbot zu | Hause einen Apfel isst. Die Meisterjungfrau hält 1^8
drei aufdringliche Liebhaber durch Beschwörung fern. Durch
einen güldenen Hahn und ein goldenes Huhn, die um einen
goldenen Apfel kämpfen, erweckt sie die Erinnerung des
K(inigss(»hnes.
Asbjörnsen fülirt in den Anmerkungen noch 7 norwegische
Varianten an, die in manchen Einzelheiten den keltischen
n(»ch näher stehen. In der einen vergisst der Königssolm
seine Geliebte, weil er sich von seiner Schwester hat um-
armen lassen. In derselben muss der Königssohn ein Doru-
reis. einen (Iranitstein und eine Wasserflasche auf die Flucht
mitnehmen, woraus dann eine Dornenhecke, ein Berg und
ein See entsteht.
Von schwedischen Märchen gehört hierher das vom
Königssohn und Messeria (Hylten Cavallius und (i. Stepheus
Schwedische Volkssagen und Märchen, deutsch von Oberleitner
S. "iöö). [Djurklou S. 71, Bondeson, Sv. Fs. no. 77. 7S,
Berntsen 1, no. 25.] Der Köuigssohn ist vor seiner (!eburt
von seinen Poltern einer Meerfrau versprochen und muss s})äter
ihr dienen. Drei schwere Aufgaben, deren eine auch hier
das Ausmisten eines grossen Stalles ist, führt er nur durch
Hilfe der Tochter der Meerfrau, Messeria, aus. Dafür ver-
spricht ihm die Meerfrau eine ihrer Töchter. Alle sind in
Tiere verwandelt, er wählt aber richtig Messeria, die ihm
vorher Merkmale angegeben. Nachdem er noch eine gefahr-
volle Fahrt hat unternehmen müssen, die er wieder mit
Messerias Hilfe ausführt, wird die Hochzeit gehalten und das
Paar entlassen. Die Flucht fehlt also hier. Das VergesseiL
erfolgt dann, weil der Prinz gegen das Verbot seiner (iattin
zu Hause ein Pfefferkorn geniesst. Die vergessene Gattin
verdingt sich im Schloss als Magd und ruft seine Erinnerung
wieder wach, als er von neuem Hochzeit halten will, durch
zwei Tauben, von denen das Männchen die hingestreuten
168 Zur Märchenforseluiiig.
Gerstenköruer allein frisst, und die dabei von der Taube ge-
sprochenen Worte.
Das Märchen aus Schonen vom Königssohn und Siugorra
(Cavallius S. -27-1:) stimmt insofern noch mehr zu den gälischen,
• als hier auch die Flucht der Liebenden vorkommt. An die
Stelle der redenden x\pfelstücke treten drei Lappenducken,
die Siugorra mit Blut ihres linken kleinen Fingers bestreicht.
Auf der Flucht aber werden sie nicht von der Meerfrau selbst,
sondern von ihrem Knecht verfolgt und retten sich, indem
Siugorra sich und ihren (ieliebten erst in Ratten, dann in
loy Vögel, dann | in Bäume verwandelt, bis sie aus ihrem Bereich
sind. Der Prinz vergisst seine Braut, weil er den Hunden
in seines Vaters Hofe ,,Huss. Hiiss!" zuruft, obwohl seine
Braut ihm verboten, mit irgend einem lebenden Wesen zu
sprechen. Singorra lebt dann bei einem alten blinden Mann
und wird von drei Hoflierren verfolgt. Bei der Hochzeit des
Prinzen lässt sie im Saale drei Vögel Hiegen, zwei haben
(ioldkörner im Munde und sagen zum dritten: „Du hast dein
(ioldkoni vergessen, wie der Königssohn Siugorra vergass!''
Hervorzuheben ist endlich noch, dass in diesem schwedischen
Märciien auch der Zug, der in einigen gälischen Fassungen
(S. 'A-i und 5()) vorkommt, erscheint, dass nämlich die ver-
gessene Braut sich auf einen Baum an einem Brunnen setzt
und vorübergehende Frauen ihr schönes Spiegelbild für ihr
eignes halten und eitel werden und ihre gewöhnliclie Arbeit
nicht mehr thun wollen. — In einem dritten schwedischen
Märchen (Cavallius S. H78) bringt die verlassene (Jeliebte
einen Korb mit Tauben. Als der Tauber bald die, bald
jene Taube schnäbelt, ruft sie: So treu war Flod gegen
Flodina.
hl einer vierten schwedischen Version (Cavallius S. ;}7<s)
muss der Speichel reden. Auf der Flucht werden ein Stein,
eine Bürste und eine Pferdedecke ausgeworfen, die sich in
Felsen, Wald und See verwandeln.
Von deutscheu Märchen gehört vor allen (his von Gold-
feder und Goldmariken (Müllenhoff S. 395) hierher. G(dd-
mariken. die das Wünschen versteht, unterstützt den Prinzen
17. lieber Campbeils Sammluii>;- gälischei- ^Aliirclieii. |(;<)
Goldfeder in verschiedenen Arbeiten, die ilini eine Hexe, der-
er dienen ranss, aufgiebt. Dann Hieben sie zusammen. Vorher
spuckt das Mädchen zweimal an die Kammertliiir und die
Speie antwortet für sie der Hexe. Auf der Flucht verwaiulelt
sie sich und ihi'en (Jeliebten mehrfach (Rosenstock und Rose,
Kirche und Prediger, Teich und Ente). Die Hexe will den
Teich austrinken und zerplatzt. Goldfeder vergisst (iold-
mariken, weil er sich gegen das Verbot küssen lässt. Mariken
lebt mit zwei Tauben und einem Kalbe als ^Sähterin dem
Schloss gegenüber. Die drei Liebhaber führt sie ganz älmlich
an, wie die norwegische Meisterjungfrau es thut, und ebenso
muss sie auch durch ihr Kalb den festgefahrenen Hochzeits-
wageu herausziehen lassen. Beim Hochzeitsmahl erscheint
Mariken mit ihren Tauben, die Tauben fressen nicht und
rufen: ,,Täubchen, Täubchen mag nicht fressen. ] (ioldfeder iio
hat (l(ddmariken auf dem Steine vergessen." Da erwacht
Goldfeders Erinnerung, und er steht von der neuen Braut
ab und hält mit Mariken Hochzeit M-
Ferner gehören hierher die Märchen von den beiden
Königskindern (Grimm Xr. 118) und vom Trojumler ((irimm
Nr. 198). In beiden wird die Geliebte, die dem Liebhaber
bei verschiedenen schweren Aufgaben geholfen und ihn ge-
rettet hat. vergessen, weil sich der Liebhaber von seinen
Eltern küssen lässt. Die Vergessene erweckt aber endlich
seine Erinnerung wieder, indem sie sich Zutritt in seine
Sclilafkamnier oder wenigstens zur Thüre derselben verschafft.
In dem ersteren der Märchen stimmt die Beschreibung der
Flucht ganz mit der Goldfeders und Goldmarikens. In dem
Märchen vom Liebsten Roland (Grimm Nr. 5(j) haben wir die
redenden Blutstropfen und die Flucht mit den Verwandlungen,
aber das Vergessen ist nicht motiviert, ebensowenig die plötz-
licht' Wiederbesimuing. Auch in dem Märchen von der wahren
Braut (Grimm Nr. 1<S6) kommt . das Vergessen durch den
Kuss vor. aber nur Hüchtio' angedeutet. Die Erinnerung aber
') Ueber die in vielen Märchen vorkommende Rätselfrage vom
alten und neuen Schlüssel, die Gloldfeder der neuen Braut vorlegt,
werde ich gelegentlich ausführlicher spreclien.
170 Zur 3Iiirclic'iif'(irbi-luing.
erwacht wieder, als er dreimal die Verlassene zu ihrem
Kälbcheu sagen hört: „Kälbehen, Kälhehen, kuiee nieder,
vergiss nicht deine Hirtin wieder, wie der Königssojin die
Brant vergass, die unter der grünen Linde sass."
Das Vergessen durch einen Kuss kommt in dem
Märchen „die Taube"-' im Pentamerone vor und zwar infolge
der Verwünschung einer Hexe. In einem andern neapoli-
tanischen Märchen „Rosella" vergisst ein Prinz ebenfalls in-
folge einer Verwünschung beim ersten Tritt ans Laml die
(ieliebte. Das ganze Märchen wird ursprünglich nnserm
Märcheukreise noch näher gestanden haben; dies beweist
nnter anderem, dass in ihm auch die drei geprellten Lieb-
haber vorkomnu^n.
Entstellt ist ein ungarisches Märchen (bei Stier unga-
rische Volksmärchen aus Gaals Nachlass Nr. 3). Dionys ist
bei einem bösen Geist und soll bei ihm unmögliche Anfgaben
verrichten. Des Geistes Tochter hilft sie ihm lösen. Dann
111 fliehen sie auf | einer Feuerschaufcl, michdein Helene dreimal
in das Haus gespuckt. Der Geist verfolgt sie, aber sie ver-
wandeln sich (Ka|)elle und Priester, Teich und Ente) und der
Geist verwünscht sie, 7 dahre nicht mit einander zu reden.
Nach 7 flahren maclit Dionys mit einer Prinzess Hochzeit,
aber Helene erscheint in 3 Nächten als Taube am Fenster
des Schlafzimmers und erweckt seine Liebe endlich wieder^).
Dies sind die verwandten Märchen, die ich beizubringen
weiss, und denen ich noch einige Bemerkungen beifüge.
Die drei Aufgal)en weichen mehrfach von einander ab.
[Cosqnin 2, 23.] Das Reinigen des grossen Stalles kommt
nur in den keltischen und skandinavischen Märchen vor.
[Peter "2, 17(5, Finamore Nr. 4, Rev. celt. H, :i77.] Jeder-
mann wird dabei, wie Campbell, der Arbeit des Herakles
gedenken, der freilich die Arbeit olme Zauberhilfe verriclitete.
Nur in keltischen Märchen kommt das Ausnehmen des Nestes
und die Leiter aus den Einsern oder den Fusszehen der (le-
^) Noch mehr entstellt und uiivdllstiiiKliut r ist das JMüreheii von
der gläsernen Haeke bei (iaiil, Märchen der Magyaren S. 43.
17. Ueber Cam])l)t'lls Hamnihmg gäli^clicr 31iirclieii. |71
liebten vor. [:\relii8iiie 1, 44!J, Sebillot, Contes p. 201.] Der
Gebrauch der Finger oder Fnsszehen als Leitersprossen er-
innert an Märchen v(»ni Glasberg, wo die Hinaufklinimeinh'u
an hineingesteckten Hühnerknöchlein emporklimmen und zu-
letzt, als noch eine Stufe fehlt, sich den kleinen Finger ab-
schneiden: vergl. (irimm Märchen 3, 45. Kuhn märkische
Sagen nnd Märchen S. "isö. 3Iüllenhoff S. oST. Zeitschrift für
deutsche Myth(dogie I. 'M-2. [Kamp. D. F. p. 21);). Krem-
nitz s. (;;i]
An die Stelle (Um- redenden Aepfel oder Ai)felstücke
in den gälischen Märchen treten in einer Variante Kuchen
I Blade 2. 2S]. in mehreren nichtgälischen Märchen Bluts-
tropfen oder l.a})pendocken mit Blut bestrichen, in den
deutscheu, den ungarischen und in einer schwedischen Fassung
(Cavallius S. 878) Speichel. [Gonzenbach no. 14. Maspons 1,
uo. li). 2. no. 4. Consiglieri no. 4. Bil)l. de las trad. esp. 1,
192.] Vgl. auch Grimms Anmerkung zu Nr. .öli. Eigen einer
gälischen Fassung sind die einschläfernden Aepfel. [Stücke
Holz: Gruudtvig no. ö, Möbel: Nerucci no. is, Gorazzini
no. 10, Imbriani p. 402, Gonsiglieri-P. no. 2. Miklosicli Nr. 15,
Kuhdung: Folk L. douru. 1. o22.|
Auf der Flucht retten sich die Fliehenden in einigen
Märchen dadurch, dass sie sich seli)st in verschiedene Gegen-
stände verwandeln, was vielfach auch sonst vorkommt
[Zs. d. V. f. Volksk. G. G5]. in andern durch Auswerfen ge-
wisser (iegenstände. die sich in Berge, Wälder. Seen V(U--
wand(dn und den Verfolger hemmen. Letzteres kommt mehr-
fach in amleren Märclien vor, z. B. bei Grimm Nr. 7i), wo |
Bürste, Kamm und Spiegel in Berge verwandelt werden. l)ei 112
Mülleuhoft" S. 422. wo Reitpeitsche, Mantelsack und Pferde-
decke zu Zaun, (iebirge und AVasser werden, bei Sommer
Märchen Nr. 9, wo Striegel. Kartätsche und Lappen zu Dornen-
hecke, AVald. See werden, bei Woycicki, polnische Märchen 3,
Nr. 10, wo Kamm, Bürste. Apfel und Bettlaken Fluss, Wald,
Berg und Meer werden, bei Stier ungarische Sagen und
Märchen Nr. 4. wo ebenfalls Striegel, Bürste nnd Lappen zu
Wäldern werden. Dass die auszuwerfenden Gegenstände sich
172 ^iii' Märchenforsehung.
in dem Ohre des Zauberpferdes vorfinden, sclieint den gälischen
und dem irischen Märchen eigen. Doch hat in dem Märchen
der (Iräfin d'Aulnoy Belle-Belle auch ein Zauberpferd den
Schlüssel zu einem Koffer voll Diamanten und Pistolen im
Ohre, ebenso — wie Benfey im Ausland 1858, S. 1068 an-
führt — in einem walachischen Märchen (Haus-Blätter 1857,
Nr. "22 S. 814) ein Zanberpferd eine wunderbare Nuss. [Zs.
d. V. f. Yolksk. 6, 165.]
Das plötzliche Vergessen der (ieliebten von Seiten des
Geliebten knüpft sich an die Ueberschreitnng eines Verbotes.
In den meisten Märchen soll sich der Oeliebte nicht küssen
lassen, aber sein alter Hund si)ringt an ihm empor oder
Poltern oder Geschwister küssen ihn. [Gonzenbach no. 14.
Sebillot, C. des prov. no. 12, Djurklou p. 77, Kletke 2. 78,
Pröhle, Km. no. 8, Wolf, Hausm. 244, Enstellt Poestion no. lO.j
In einem gälischen soll er nicht sprechen, spricht aber mit
seinem Hunde, ebenso in einem • schwedischen. In anilern
soll er nicht essen. [Grundtvig 2, 35, Grnndtvig Nr. 5,
Arnason-Powell p. 882; Nicht in ein Haus einkehren:
Berntsen 1, Nr. 25; Verwünschung der Mutter: Coelho Nr. 14.]
Bei der AViederer weckung des Gedächtnisses des Ge-
liebten kommen in den meisten Märchen ein Hahn und eine
Henne vor oder ein Tauber und eine Tiiube. denen die ver-
lassene Brant Gersteidvörner oder dergl. v(trwirft. Die Henne
oder die Taube, der alles vom (iemahl weggefressen wird,
macht ihm Vorwürfe und vergleicht ihn mit dem treulosen
Geliebten und dgl. In gälischen Märchen spricht die silberne
zur goldenen Taube gerade so, als wäre diese der Königs-
sohn, sie die Riesentochter. Eigentümlich ist der Zug ge-
wendet in dem Müllenhoffschen Märchen. [Zs. d. V. f.
Vk. 6, 65, Kletke, 2 71), Braga Nr. 6, Romero Nr. 22.]
Schliesslich noch ein paar Worte über die in zwei
gälischen Märchen [und l)ei Kennedy] vorkommende Ent-
deck u n g der an Stelle des Königssohnes u n t e r g e s c h o b e n e u
Söhne von Dienstleuten, die sich durch Antworten .verraten.
Aehnliches kommt in Märchen von untergeschobenen
ii:^ Bräuten vor, s. Grimm o, 211. Mülleuhoff ; S. o85, Colshoru
17. UebcT Canipbells Samniluiiy gälischer Märclieii. ]73
Märchen S. 6(5, Prühle Märchen für die Jugeiid S. 11, Schani-
bach nnd Müller niedersächsische Sagen nnd Märchen S. 2()().
An die Volfnngasage Cap. 21 hat Campbell selbst erinnert.
[Grundtvig 2, 3(). Arnason- Powell 2. 2H0. Poestion Nr. 8,
pjomtsen 1, Nr. 20. Brugman Nr. 2o.]
Die vorstehenden p]rörterniigen waren bereits nieder-
geschrieben, als mir die eben erschienene Analyse des
7. Rnches der indischen Märcheusammhing des Somadeva von
H. Brockhans (Berichte der philologisch-historischen Klasse
der König]. Sachs. Gesellschaft der Wissenschaften, 18()1,
S. 203 ff.) zukam. Hier finden wir (S. 225 ff.) einen Teil
unseres Märchens. Ein Königssolm Cringabhuja kommt in
einem Walde zu dem Schlosse eines menschenfressenden
Räkshasa-Fürsten Agnicikha, dessen Tochter Rüpa(;ikhä ver-
liebt sich in den Prinzen und erklärt ihrem Vater sterben
zu wollen, wenn sie ihn nicht zum Gatten erhalte. Agnigikha
willigt ein unter der Bedingung, dass der Prinz vorher seine
Befehle erfülle. Er lässt nun seine hundert ganz gleichen
Töchter zusammen kommen und fordert den Prinzen auf, der-
jenigen, die seine Geliebte sei, den Brautkranz zu reichen.
Diese hat dies vorgesehen und sich durch eine Perlenschnur
um ihre Stirn kenntlich gemacht. Dann niuss der Prinz
ackern und hundert Scheffel Sesamkörner säen, was die Ge-
liebte durch ihre Zaubermacht für ihn vollführt. Hierauf
soll er die Körner wieder sammeln, weshalb Riipavikhä zahl-
lose Ameisen bezaubert, die dies besorgen. Endlich soll er
den zwei Meilen entfernt wohnenden Bruder des Räkshasa,
Dhümacikha, zur Hochzeit einladen. Die Tochter giebt ihm
ihr schnelles Pferd, etwas Erde, Wasser, Dornen und Feuer
und sagt ihm, was er thim solle. p]r richtet schnell seine
EinladuQg aus und reitet dann eiligst zurück, immer sich um-
sehend. Als Dhümacikha ihm nachsetzt, wirft er erst die
Erde, dann das Wasser, dann die Dornen, zuletzt das Feuer
aus, daraus entsteht ein Berg, ein Strom und ein Wald, und
als letzterer in Flammen gerät, giebt Dhümacikha seine Ver-
folgung aul Nun erhält der Prinz die Tochter des Räkshasa
zur Gattin. Nach einiger Zeit beschliessen die Gatten in des
174: '^"'' ^liirelienforschuno-.
Prinzen Heimat zu Üielien iiiul reiten auf dem schnellen
Pferde davon. Agnivikha setzt ihnen nach: als er nahe ist,
macht Riipavikha den Prinzen und das Pferd unsichtbar und
verwandelt sich in einen Holzbacker. Dem fragenden Ag-
nipikba antwortet sie, sie habe nichts von den Flüchtigen
114 ge-|sehen, denn ihre Augen seien voll Thränen über den Tod
Agnicikha's. Erschrocken eilt der einfältige Dämon nach
Hause, wo ihm seine Diener versichern, er lebe noch. Nun
setzt er dem Paare von neuem nach, und Rüpa^^ikbä ver-
wandelt sich in einen Boten und sagt ihrem Vater, er sei so-
eben tötlich verwundet worden und habe sie zu seinem Bruder
gesandt. Wiederum kehrt Agnivikha nach Hause zurück, wo
ihn seine Diener überzeugen, dass er gesund sei, und giebt
nun die Verfolgung auf. Jene beiden aber kommen glücklich
in des Prinzen Heimat.
Hier haben wir also die Lösung schwerer, ja unmöglicher
, Aufgaben durch Hilfe der Geliebten, einer Dämonentochter,
wie in vielen Märchen einer Riesentochter, und die Flucht
der Liebenden vor dem nachsetzenden Vater. Das in vielen
der besprochenen Märchen vorkommende Auswerfen von
Gegenständen, die sich in Berge, Ströme, Wälder verwandeln
und den Verfolger aufhalten, kömmt auch hier vor, freilich
nicht auf der Liebenden Flucht vor dem Vater, sondern mit
einer der zu lösenden Aufgaben verbunden. Wenn der Königs-
sohn sich seine Geliebte unter den ähnlichen Schwestern aus-
suchen muss und dies vermag, weil ihm die Geliebte ein
Unterscheidungszeichen voi-her gegeben hat, so kehrt dies
etwas umgeändert in dem l)esprochenen schwedischen Mär-
chen von Messeria wieder, wo der Königssohn unter den in
Tieren verwandelten Töchtern der Meerfrau wählen muss und
an einem gegebenen Merkmal richtig Messeria erkennt. Vgl.
[S. 104] auch unten S. 118, Anmerk.
(Vgl. noch ein hierher gehöriges siamesisches Märchen
[Asiatic Researches "20, '^4(j], und einiges andre, was ich in
den Göttinger Gel. Anz. [1862, 1220—1228] in der Anzeige
von H. Brockhaus Analyse des Somadeva mitteilen werde.
Th. Benfey.)
17. Ueber Canipbi'lls Sauiiiiluni;- üälisclier Miin-licii. 175
[Köhler zu Kreiitzvvald no. 14, zu (louzeubacli no. 14 uud
Revue celtique 3, 37(1, Zs. d. V. f. Volk.sk. (!, (iT), Zs. f. rouiau.
Phil. 3, 15(3 zu Cos(|uiu lu). 32. — Ferner Burts(;h, Schles.
Provbl. u. F. 3, -224 (1S(;4), Schuller. Korrhl. il. V. f. .siebeubg.
Ldesk. S, 125 (1<S,S5), Mitt. d. litau. lit. Ges. 1, 35S, Folk-
lore Journal 1, 31(). 2, 8 (irisch, polnisch), Sarnelli, Posile-
cheata ed. Imbriani p. 177, Mont-Cock uo. 11, Poestion no. 10.
26. Braga no. 1. (i. 17. 32, Coelho, Contos uac. no. 15,
Romero no. 11. 22, I\lac Innes p. 431. 492.]
8. Das Märchen von der Krähe.
¥Äi\e von drei Schwestern heiratet eine Krähe, die am
Tage ein Mann ist. und bekommt mit ihr drei Kinder, die
sie aber nach der Geburt wieder verliert, endlich aber wieder
gewinnt. Zugleich erlöst sie den ihr entrückten Gatten. Dabei
kommt ein Gifthiigel vor. den sie mit Hufeisen an Händen
und I Füssen, die sie selbst geschmiedet, überschreitet. Das u.ö
Märchen ist nicht gut erhalten. Es gehört in den Kreis von
Eisenofen (Grimm Nr. 127), von den 7 Raben (Grimm Nr. 25)
uud dgl. Vgl. unten Nr. 12. [Campbell 3, 292.]
4. Die Seejungfrau.
F]ine Seejungfrau verspricht einem armen alten Falscher
reichen Fang, wenn er ihr seinen ersten Sohn gäbe. Auf
seine Entgegnung, dass er keinen habe und auch keinen be-
kommen werde, da sein Weib auch alt sei, giebt sie ihm
12 Körner, 3 soll er seinem Weib, 3 seiner alten Stute,
3 seinem alten Hund geben und 3 soll er hinterm Hause
pflanzen. So bekommt er drei Söhne. 3 junge Pferde, 3 junge
Hunde und '■'> Bäume, die beim Tode der STihne welken sollen.
Nach 3 Jahren S(dl er den Sohn abliefern, aber da gewährt
ihm die Seejungfrau noch eine Frist von 4 und dann noch
eine von 7 Jahren. Nach Verlauf dieser Zeit entdeckt er
dem Sohne sein Versprechen, worauf dieser die Heimat zu
verlassen und sein (Uück anderswo zu suchen beschliesst.
Vorher lässt er sich ein starkes Schwert schmieden und zer-
schlägt mehrere, ehe er eins findet, das stark genug ist. So
176 Zur ^MäiH'lieuforschuni;.
zieht er mit .seiüem schwarzen Pferde und mit seinem schwar-
zen Hunde aus. Unterwegs trifft er das Aas eines Schafes,
um das ein Hund, ein Falke und eine (Hter streitiMi. Er
teilt das Schaf zwischen ihnen, und sie versprechen ihm ihre
Hilfe in Gefahr. Er tritt hierauf als Hirt in eines K<inigs
Dienste und erschlägt mit Hilfe seines Hundes einen fliesen.
Nach einiger Zeit soll die Königstochter einem dreihäuptigen
Untier geopfert werden; ein General beschliesst sie zu retten,
flieht aber, als er hört, wie sich das Untier im See regt. Da
erscheint der .lüngling und verspricht ihr Hilfe. Er legt sich
in ihren Schoss und schläft, und endlich als das Ungeheuer
naht, muss sie ihn wecken, indem sie ihren Ring ihm an-
steckt. Nun schlägt er dem Tiere ein Haupt ab. worauf es
in den See zurück flieht. Durch das Haupt zieht er einen
AVeidenzweig, giebt es ihr und verspricht die folgenden Tage
wieder da zu sein, um die beiden andern Köpfe abzuschlagen.
Der Verlauf ist derselbe, nur wird jetzt der Jüngling durch
Anlegen der Ohrringe der Prinzess geweckt. Der Gejieral
11 ö hat jedesmal die allein zu- rückkehrende Prinzess überfallen
und sich für den Helden ausgegeben. Er soll sie heiraten,
aber sie erklärt, nur den zu heiraten, der die Weideuzweige
auflösen könne. Alle am Hofe versuchen es vergeblich, end-
lich kommt auch der Hirt daran und kann es. Da er nun
auch die Ringe hat. wird er erkannt und die Hochzeit ündet
statt. — Eines Tages raulit ein Seeungeheuer den düngling,
aber die Königstochter bekommt ihn wieder, indem sie auf
Rat eines alten Schmieds allerhand Geschmeide am See aus-
breitet und erst für den Anblick des Gatten ein Geschmeide,
dann für seine Rückgal)e alles bietet. Nach einiger Zeit
raubt dasselbe Untier die Königstochter. Jener alte Schmied
sagt ihrem Gatten, inmitten des Sees sei ein Eiland, darauf
sei eine schnellfüssige Hinde: würde sie gefangen, so würde
eine Krähe aus ihr springen, aus dieser dann eine Forelle,
in deren Mund sei ein Ei. in diesem die Seele des Untiers.
Mit Hilfe jener dankbaren Tiere, des Hundes, des Falken
und der Otter, kommt er in den Besitz des Eis und zerdrückt
es und tötet so das Untier, und erringt dadurch seine Gattin
17. Urber Campbells Saiiinilung- gälischLT Märchen 4. I'J'J
wieder. Nach einiger Zeit besucht er ein geheimnisvolles
Schloss. wo ihn eine Zauberin tötet. In des Fischers Woh-
nung welkt nun plötzlich der eine Baum. Der zweite Sohn
des Fälschers reitet darauf aus, um die Leiche seines Bruders
zu suchen. Kr kommt in das königliche Schloss, wo ihn die
Königstochter zuerst für ihren Mann hält, geht dann auch in
das Zauberschloss und wird ebenfalls getötet. Da reitet nun
auch der dritte Sohn, durch das Welken des Baums vom
Tode des Bruders benachrichtigt, aus, kommt ebenfalls zu
der Hexe, nimmt ihr aber ihren Zauberstab und tötet sie
damit und belebt die Brüder.
In einer zweiten Version sind die dankbaren Tiere:
Löwe, AVolf, Falke. Der Jüngling lässt sich kein Schwert,
sondern einen eisernen Stab schmieden. Als Hirt erschlägt
er drei Riesen und ihre Mutter und erbeutet von ihnen drei
verschiedenfarbige, durch die Luft schwebende Rosse und
Anzüge und ein Waschbecken, das den sich darin waschenden
schön macht, und einen Kamm, der gross macht. Mit jenen
Rossen und den x\nzügen befreit er die Kr»nigstochter von
dem Drachen und wird dann als Retter erkannt, weil ihn die
Königstochter, als er das drittemal in ihrem Schosse sciilief.
in die Stirn gekratzt hatte. | Später zieht ihn die Seejungfrau 117
ins Wasser, die Königstochter setzt sich auf Rat eines AVeis-
sagers ans Ufer und spielt die Harfe. Die Seejungfrau will
immer mehr hören und zeigt so erst den Kopf, dann all-
mählich die ganze Gestalt des Geraubten, der an den Falken
denkt und als solcher entflieht. Dafür wird nun die Königs-
tochter geraubt. Ihr (latte aber erfährt vom Wahrsager, dass
in einem Thal ein Ochse sei, in ihm ein Widder, in dem
eine Gans, in der ein Ei, darin die Seele der Meerjungfrau.
Mit Hilfe der Tiere und einer Otter wird das ¥.\ gewonnen,
die Seejungfrau getötet und die Königstochter gerettet. In
dieser Version fehlt der feige General und die Geschichte
der Brüder.
In einer dritten Version, wo der Held der Sohn einer
Witwe ist. kommt ein Kamm vor, der, je nachdem man sich
mit der einen Seite desselben kämmt, schön oder hässlich
R. Kühler, Kl. Schriften I. .12
J7<S Zur Mävclieiit'urschui)}^'.
maclit. Die Königstochter .soll einem dreihäiiptigen Riesen
ausgeliefert werden. Der Befreier der Prinzess wird von ihr
geweckt, indem sie ihm ein Stück Finger abheisst und ein
Stückchen vom Scheitel und vom Öhr abreisst (ebenso in der
folgenden Version). Daran wird er dann erkannt, nachdem
eine rothaariger Bursche sich erst als Retter der Prinzess
vorgestellt hat.
In einer vierten Version sind die dankbaren Tiere:
Fuchs, Wolf, Krähe. Die Seele der Seejungfrau ist in einem
Ei in einer Taube auf einem Baume.
In einer fünften Version sind die Tiere: Löwe, Fuchs,
Ratte. [Mac lunes p. 47(S zu no. 8.]
hl manchen der Versionen helfen die dankbaren Tiere
nicht dem Helden selbst, sondern er vermag dadurch, dass
er an sie denkt, ihre Gestalt anzunehmen. Vgl. oben S. 102.
In diesem interessanten Märchen haben wir in eigentüm-
licher (lestaltung das weitverbreitete Märchen von den
gleichen IJrüdern verbunden mit dem von der Nixe im
Teich, welches zuerst ans der Oberlausitz in Haupts Zeit-
schrift lid. II mitgeteilt und dann von Grimm in die neueren
Auflagen (Nr. 181) aufgenommen worden istM- |Cos(jiiin
no. 15, Friis no. 42 := Poestion no. 51.| |
') Eine Variante dieses Märchens findet sicdi in der Oberpfalz
(8cUönwertl\ Aus der Oberpfalz. Sitten und Sagen 2, 219). VAne
Wasserfrau verspricht einem Fischer reichen Fang, wenn er ihr das
vers]iricht, was er zu Hause nicht wisse. Dies ist ein Kind, das
seine Frau unter dem Herzen trug. Als das Kind — ein Sohn —
herangewachsen ist, zieht es in die Fremde. Unterwegs teilt er ein
Pferd zwischen einem Bär, einem Fuchs, einem Falken und einer
Ameise, die ihm dafür die Kraft verleihen, ihre Gestalten anzunehmen.
Er kommt nun in eine Stadt, wo drei sich ganz ähnliche Königstöchter
leben; wer die mittelste errät, soll sie zur Frau erhalten und Nach-
folger des alten Königs werden. Durch jene Eigenschaft wird es dem
Fischersohn möglich, die mittelste zu erraten, und er wird ihr Gemahl.
Nach mehreren Jahren gerät er aber in die Gewalt der Wasserfrau.
Durch drei goldene Kleinode (Kamm, Ring, Pantoffel) bewegt seine Ge-
mahlin die Wasserfrau, ihn ihr zuerst bis an die Augen, dann bis an
die Hüften aus dem Wasser /.u heben, dann ganz — auf ihrer Hand
stehend emporzuhalten [Straparola 8, 4. De Gubernatis no. 23, Wolf,,
17. UclxT C.iiii|)l)clls Silin mliuii;' gälisflicr Märchen 4. 17;)
Ich imterla.sse e.s hier, ausführlicher auf das ganze Märchen ns
von den gleichen Brüdern^) einzugehen, indem ich auf
Grimms Anmerk. zu Nr. (id und So und Cavallius-Oberleitner
S. 3^<() einstweilen verweise [Gonzeubach no. H9, Blade, Age-
nais p. 14.S, Zs. d. V. f. Volksk. (>, 75 j. und will nur einen
Zug des Märchens besi)rechen.
So wie in dem gälischen Märchen je 8 KTtmer der
Frau, der Stute und der Hündin zu essen gegeben und '6
hinterm Hause gepliauzt werden und dann zu gleicher Zeit
drei Söhne, drei Füllen und drei Hunde geboren w^erden und
drei Bäume wachsen, so fordert in einer serbischen (iestaltung
des Brüdermärchens (Wuk Nr. "29) [Hahn Nr. 22, AVebster
p. SS] ein Aal einen Fischer auf, ihn in vier Stücke zu
schneiden und eins hinter das Haus zu vergraben, die andern
von Frau. Stute und Hündin essen zu lassen, und hinter dem
Hause sprossen zwei goldene Schwerter hervor, und von Frau,
Stute und Hündin werden Zwillinge geboren. In einem anda-
Iusis(d]en Brüdermärchen (Fernan Caballero, Spanische Volks-
lieder und Volksreime, Volks- j und Kindermändien, deutsch ii9
von Hosäns S. 175) schneidet ein Schuster einen gefangenen
Fisch auf dessen Rat in acht Stü(;ke, je zwei giebt er seiner
Frau, Stute uml Hündin zu essen und zwei pHanzt er in
seinen (iarten. Aus letzteren wachsen zwei Lanzen und von
Frau, Stute und Hündin werdeu Zwillinge geboren. In einem
schwedischen Märchen von den gleichen Brüdern (Cavallius
S. 350) heisst ein gefangener Hecht den Fischer ihn in <S Teile
zerstückeln, zwei der Frau geben, zwei ins Feuer, zwei in
Hausmärcheii S. o8'J]. Da verwandelt er sicli In einen Falken nnd ent-
fliegt. Zoriiiiif verzaubert die Nixe die Königin in einen Drachen, aber
sie wird bald wieder durch Hilfe eines Zauberers entzaubert und lebt
nun ungestört von der Nixe mit ihrem Gemahle. — Hier sehen wir in
«las Märchen von der Nixe alsi> auch auf eigentümliche Weise die dank-
baren Tiere verwebt.
.') Es sind meistens Zwillingshrüder. Drei Brüder kommen, wie
im gälischen, vor aiich bei Colshorn Märchen Nr. 47, Panzer bairische
Sagen und Bräuche 2, S. 93, Zingerle Kinder- und Hausmärchen Nr. 2ö,
Meier Volksmärchen Nr. .ö8 [Schneller no. 28J. Benfey (Ausland IS.öS,
S. 972) hat diese Märchengruppe zu behandeln versprochen.
12*
]^30 ^1^1' Märcheiiforticliung'.
die See werfen, zwei vergraben. Die Frau gebiert zwei
Knaben, aus dem Feuer kommen zwei Schwerter, aus der
See zwei Hunde, aus der lM"de wachsen zwei Pferde. Besser
ist eine andere schwedische Fassung (Cavallius S. 354), wo
der Hecht in vier Stücke zerschnitten wird. Drei Stücke be-
kommen Frau, Stute und Hündin, eins wird vergraben; aus
letzterem wachsen zwei Schwerter, und von Frau, Stute und
Hündin werden Zwillinge geboren. In einem Tiroler Bruder-
märchen (Zingerle Kinder- und Hausmärchen Nr. 25) muss
der Fischer den Fisch in vier Stücke zerschneiden und eins
in dem Garten vergraben, die andern sollen Weib, Stute und
Hündin essen. Drei Bäume wachsen und Drillinge werden
geboren. In dem Märchen von den Goldkindern (Grimm
Nr. 85) lässt sich der Fisch in sechs Stücke zerschneiden, je
zwei sollen Frau und Stute des Fischers bekommen, zwei
vergraben werden. Goldene Lilien wachsen und Zwillinge
werden geboren. In einem andern deuts(then P)rüdermärchen
(Knhn und Schwartz nordd. Sagen S. 837) zerschneidet ein
Frischer auf Geheiss eines Geistes ein Kästchen in sechs Teile
und giebt je einen seiner Frau, Stute und Hündin, drei ver-
gräbt er unter der Dachtraufe. Waffen wachsen hervor und
Zwillinge werden geboren. In dem Märchen bei Pröhle
(Kindermärchen Nr. 5) ist die Ueberlieferung fast vergessen.
Ein Mann — heisst es da — hat Zwillinge und hat einst
eine Saat, daraus wachsen zwei Schwerter, zwei Hunde, zwei
Schimmel. In einer trümmerhaften Ueberlieferung des Mär-
chens aus Westfalen bei Kuhn westfälische Sagen 2, S. 219
kommt der zerstückte Fisch auch noch vor, aber am Schlüsse
und in anderer Verbindung, jedenfalls ein Beweis, wie eng
verwachsen er doch mit dem Brüdermärchen ist.
In allen erwähnten Märchen werden Stücke des Fisches
in die Erde gegraben, in einigen wachsen daraus Waffen,
120 in I einem gälischen Bäume, ebenso in • einem Tiroler [bei
Hahn no. 22 Cypressen: Strackerjan 2, 306] und in dem
hessischen (Grimm Nr. 85) Lilien. Das Welken oder Fallen
dieser Bäume oder Lilien deutet den Tod der Brüder an.
In andern Fassungen des Brüdermärchens wird der Tod eines
17. Ueber Campbeils Sammlung gälisclun- Märchen 4. 5. ISl
(1er Brüder meist durch das Rosten eines Messers oder
Schwertes, das sie beim Abschied in einen Baum gesteckt
[Hahn "2, "215], im serbischen Märchen (Nr. 29) [uud im Roman
von Olivier uud Artus, Mehinges E, <S2] durch Trübung des
Wassers in einem Fläschcheu, in einem schwedischen (Ca-
vallius S. 81) ebenfalls durch Trübung einer Quelle, in einem
andern (Cavallius S. 351) durch Rotwerden von Milch au-
gezeigt 1).
Ueber die in mehreren in einander eingeschachtelten
Dingen versteckte Seele der Seejungfrau des gälischen Mär-
chens vergl. die Bemerkungen oben S. 102.
5. Coiiall Cra Bliuidlie.
Conall Cra Bhuidhes, eines Pächters, vier Söhne er-
schlagen bei einer Schlägerei des Königs von Eirinu ältesten
Sohn. Zur Busse soll Conall dem König das braune Ross
des Königs von Lochlann schaffen. Er lässt sich mit seinen
vier Söhnen durch einen befreundeten Müller in fünf Kleien-
säcke stecken und komint in den königlichen Stall. Aber
als sie nun nachts an das Ross Hand anlegen, macht es
solchen Lärm, dass der König erwacht und Conall und seine
Söhne gefangen werden. Der König will die Söhne am andern
Morgen iiängen lassen, dem jüngsten jedoch das Leben
schenken, wenn Conall einen Fall aus seinem Leben erzählen
könne, der eben so angst- und gefahrvoll gewesen sei. Conall
erzählt nun ein gefährliches Abenteuer mit gespenstischen
Katzen. Der König schenkt ihm das Leben des jüngsten
Sohnes und verspri(dit ihm auch den folgenden für eine ähn-
liche Erzählung. Conall erzählt, wie er einst in die Höhle
eines einäugigen Riesen geriet, der ihn fressen ] wollte, wie 121
') Ueber derartige Wahrzeichen, die Abreisende zurücklassen und
an denen man ihr Befinden, ihren Tod, auch ihre Untreue, erkennen
kann, werde ich gelegentlich ausführlicher handeln. Das Rosten • der
Messer kommt auch in der eigentümlichen schottischen Fassung des
Brüdermärchens vor, die Chambers Populär rhymes of Scotland, 3. ed.,
S. 2::i8 ff. aus dem auch von Campbell mehrmals erwähnten Manuskript
Mr. Buchans mitteilt. [Ahlquist, Mordwin. Cxranim. S. 102.]
\^2 2ur Märolieiiforsohimg.
er aber unter dem Vürwuud. dem Riesen die Sehkraft des
andern Auges wieder zu verschaffen, ihn durcli siedendes
Wasser blendete, wie er dann, in die Haut eines Boekes sich
hüllend, aus der Hohle entkam und den Riesen verspottete,
wie dieser ihm zum Lohn für seine List einen Ring zuwarf,
den er ansteckte, wie der Ring auf die Frage des Riesen
„Wo bist du?" antwortete „Hier!", wie er deshalb mit einem
Messer den Finger, au den er den Ring gesteckt, sich ab-
schnitt und ihn ins Meer warf, und wie der Riese, durch den
Ruf des Ringes „Hier!" getäuscht, ersoff. Auch mit dieser
Erzählung ist der König zufrieden und verspricht für eine
dritte den dritten Sohn. Conall erzählt, wie er einst auf ein
iMland kam und dort in einer Höhle ein Weib traf, die eben
ihr Kind schlachten wollte. Sie war nämlich in die Gewalt
ehies Riesen geraten und sollte das Kiiul ihm zur Mahlzeit
bereiten. Conall aber hiess sie das Kind verstecken und
einen der in einer Kammer I)efindlichen Leichname kochen,
er selbst aber steckt sich unter die Leichen, damit der Riese,
wenn er Verdaclit schr»|)fte, keine vermisse. So geschieht es.
Aber beim Zählen der Leichen fällt ihm ('oiialls weisser
Körper auf. er schleppt ihn in die Höiile und wirft ihn in
den Kessel. F^he er ihn aber kochen will, legt er sich schlafen,
und so entsteigt Conall dem Kessel und bringt den Riesen
mit seinem eigenen Speer um. Als Conall dies erzählte, war
die Mutter des Königs (hi))ei und gab sich als jenes Weib
und den König als jenes Kind zu erkennen. Conall erhielt
nun auch seine andern Söhne und (hizu das braune R(»ss und
viele Kostbarkeiten.
Dieses Märchen tindet sich — abgesehen von einem
gleich zu besprechenden eiiizelnen Teile — meines Wissens
nirgends sonst unter den in neuerer Zeit aus dem Volks-
munde gesammelten Märchen, dagegen mit wenigen Ab-
weichungen in einem litterarischen Werke des 1"2. Jalirliun-
derts. Ein Mömch .loliann von der Abtei Haute Seille schrieb
zwischen 11S4 — 1-212 eine Historia Septem sapientum. Dies
Werk ist zwar verloren gegangen, aber eine Bearbeitung in
^^ranziisischen Versen unter dem Titel Li romans de l)o]o[)ath(>s
17. Ucber Caiiipbells Haimnluiig- ji,äli^rlier Märrlien 5. Ig3
von einem gewissen Herbers (1222— 1238) erhalten^). Zu-
fällig ist auch eine deutsche | Uebersetzung ans dem 15. Jalir- 122
iiundert gerade von dem uns liier berührenden Stücke ge-
funden worden, walirsclieinlicli nach dem lateinisciien Original,
nicht nach dem französischen (iedichte (Altdeutsche Blätter 1,
lli) ftV). In den französischen Versen und der deutschen
Prosa finden wir das gälische Märchen in seinen Hauptzügen
vor: versuchter Diebstahl eines Rosses durch drei Brüder,
deren einer sich in ein Bund Futter hat packen lassen amd
so in den Stall kommt, Rettung der Söhne durch die Er-
zählung des Vaters von grossen (iefahren. und zwar von der
Blendung des Riesen, der zwei Augen hat, aber schlecht
sieht, durch siedendes Gel, Schwefel. Pech u. s. w. unter dem
Schein, ihm eine Augenarzenei bereiten zu wollen, von der
Flucht in der Haut eines Bocks, von dem verräterischen
Zauberring '^), ferner von der Frau, die in Gewalt von Un-
holdinnen ihr Kiiul schlachten s(dl. aber samt dem Kinde
gerettet wird ^).
Campbell S. 15o kennt das deutsche Märchen aus Grimms
Sammlung, wo es in einigen Auflagen unter Nr. 1!)1 aus den
altdeutschen Blättern aufgenommen war, während es aus der
neuesten 7. Auflage wieder verschwunden ist.
Die Geschichte vom geblendeten Riesen und der Flucht
aus seiner Höhle kommt ausserdem einzeln (»der in amlerer
Verbindung, wie W. Grimm in s. Abhandlung ,.(lie Sage von
Polyphem'', Berlin 1<S57, nachgewiesen hat, vor bei den
') Analyse und Auszüge von Le Roux de Lincy bei Loiseleur
Deslongchanips Essai sur les fables indiennes (II) 113 ff". Ausgabe von
eil. Brunet und A. de Montaiglon Paris 1856. Unser Märchen daselbst
p. 276, bei Loiseleur p. 231. [Job. de Alta Silva Dolopathos ed.
Oesterley 1873 p. 66. XXIL]
■-) Im französischen und deutschen ruft der King selbst nicht,
sondern sein Träger niuss unwillkiirlich rufen. [Im baskischen (Webster
p. 5) ruft der Ring.]
^) Im französischen heissen diese Unholdinnen Estries und sind
boshafte Geister, wie Aeffinnen ausseliend, im deutschen ,, wilde lüte,
die in dem walde wonen, die man Stryges nenf und im weitern Ver-
lauf als männlich gedacht.
184 ^ur Märchenforschung.
Griechen (Polyphem). Oghuziern, Arabern, Serben, Rumänen,
Ehsten, Finnen, im russischen Kardien, in Deutschland, end-
lich — was Grimm nicht wusste — auch in Ungarn (Stier
Ungarische Volksm. aus Gaals Nachlass S. 14f)). Der Zauber-
ring kommt bei den Oghuziern vor, in noch ähnlicherer Weise
132 in der | rumänischen Fassung und zwar haut sich der Jüng-
ling, wie im gälischen Märchen, den Finger ab und wirft ihn
samt dem Ring ins Wasser. Im serbischen tritt an die Stelle
des Rings ein verzauberter Stab. [Nyrop, Nordisk tidskr. for
filologi 1S81 p. i>16.]
i>. Märchen von €onal Crovi.
7. Märchen von ("onal.
Zwei Varianten von Nr. 5. In beiden der versuchte
Rossdiebstahl, in beiden muss der Schuldige ähnliche Gefahren
erzählen, darunter in beiden die Erzählung von der vom
Riesen gefangenen Mutter, die ihr Kind schlachten und zum
Essen zubereiten soll, in beiden erklart nach jener Erzählung
die Mutter des Königs, sie sei jene Mutter gewesen und das
gerettete Kind der König. Tn Nr. (J kommen bei der Er-
zählung von der Mutter und Kind drei Gehängte in ganz
gleicher Weise wie im Dolopathos vor. Das eine Abenteuer,
das Conal in 6 und 7 erzählt, wie er in ein Grab einge-
schlossen wird, vergleicht Campbell mit 1001 Nacht (Sindbad,
Aladdin) und Decamerone II, 5.
8. Murchag und Mionachag'.
Murchag und Mionachag gehen aus, um Frucht zu sam-
meln. Murchag will sammeln, Mionachag will essen. Da
sucht Murchag eine Rute, die Rute aber heisst ihn erst
eine Axt holen, die Axt einen Schleifstein, der Schleifstein
Wasser u. s. w.
Dies in allen Teilen des Hochlands bekannte Kinder-
märchen ist nah verwandt dem deutschen vom Tode des
Hühnchens (Grimm Nr. 80). dem norwegischen von Hahn
und Henne (Asbiörnsen Nr. If)) und dem elsässischen von
17. Ueber Campbells Sammlung gälischer Märchon 5 — 9. ISb
Kätzchen und Mäuschen (Stöber eis. Volksbiuthl. S. \)'j).
[Birlinger, Nimm mich mit S. 115.] Im Allgemeinen gehurt
es zu der zahlreichen Gattung der Kiiulermärchen, die man
„Häufungsmärchen" genannt hat.
Im gälischen Märchen kommt am Schlüsse auch der Zug
vor, dass Wasser in einem Sieb geholt werden soll. Eine
Krähe ruft „Creah rooah s'cöinneach" (Lehm und Moos), und
so wird I das Sieh verklebt. In ähnlicher AVeise macht in i24
einem schottischen Märchen bei Chambers populär rhymes
of Scotland, 3. ed., S. 241, ein Rabe einen Burschen auf das
Auslaufen seines Kruges aufmerksam, und der Bursch verklebt
den Krug, [(irimm, DM. 1065, Folk-lore Journ. 1, 294,
Zingerle 1, 21, Brueyre p. GO. Gl. G4, Asbjörnsen no. 15,
Sv. Landsmälen 5, 1, 5. H4, Veckenstedt 1, 144, Ralston
p. 149, Goldschmidt S. 161, Kennedy p. 35, Yinson 62, Vi-
sentini no. 20, Maspons 1, no. 22, Harris, Uncle Remus no. 20.]
9. Der braune Bär des grünen Thals.
Ein König von Erin kann sein Augenlicht und die Kraft
seiner Füsse nur wieder erlangen durch das Wasser von
der grünen Insel. Seine drei Siihne, deren jüngster für
einfältig gilt, ziehen aus es zu liolen. Der jüngste kommt
mit Hilfe eines Bären und dreier Riesen auf die grüne Insel
und füllt nicht nur drei Flaschen mit dem Wasser, sondern
findet auch noch ein nicht alle werdendes Brot, einen eben-
solchen Käse und eine immer volle Flasche, die er sämmt-
lich mitnimmt, und endlich eine schlafende Jungfrau, bei der
er schläft. Auf der Heimkehr treffen ihn seine Brüder,
nehmen ihm die drei Flaschen ab und schlagen ihn halb
tot. Dann lebt er vei'borgen bei einem Schmied. Die dung-
frau von der grünen Insel aber bekommt nach drei Viertel-
jahren einen Sohn. Sie zieht aus, seinen Vater zu suchen.
Die von dem Königssohn auf der Insel gefundenen Gegen-
stände, die Flasche, das Brot und der Käse, die er unter-
wegs bei den drei Riesen gelassen, bringen sie auf die Spur,
und durch einen Vogel, von dem sie weiss, dass er dem
Vater ihres Sohnes auf den Kopf springen wird, prüft sie
18() Zur 3Iärrhenfor8chung.
alle Männer in Erin und entdeckt endlich den Köuigssohn.
[Zs. f. d. Mythol. 1, 40: Apfel.]
Dieses nicht durchweg gut erhaltene Märchen ist eine
Variation des deutschen vom Wasser des Lebens (^Grimm
Nr. 97). Zu den von Grimm nachgewiesenen verschiedenen
Gestaltungen füge man die litauischen Schleicher S. 20 und
die — sehr abweichende — russische bei Vogl S. 117.
[Gonzenbach no. 64, '2. Teil, Schiefner. Awar. Texte no. 10,
Jagic no. 27.]
10. Die drei Soldaten.
Drei abgedaid-cte Soldaten treffen mit drei verwünschten
Jungfrauen zusammen, von denen sie einen immer vollen
Seckel, ein Wunschtüchlein und eine Pfeife, deren Pfiff ein
Regiment Soldaten herzaubert, geschenkt erhalten. Daran
schliesst sich die Geschichte von der ränkevollen Konigs-
125 tochter und den j Aepfeln. deren eine Art dem sie verzeliren-
den Hirschhörner wachsen lässt. die andere Art sie wieder
wegbringt, alle ähnlich wie in dem ^^dksl)uche von Fortnnats
Söhnen und in den verwandten ]\Iärchen. Vgl. Zachers Ar-
tikel über Fortunatus in Ersch und Grubers Eucyklopädie
und Grimm zum 122. Märchen. Zu (irimms Nachweisen
füge man noch zwei deutsche Märchen bei Zingerle Kinderm.
aus Süddeutschi. S. 7H, eins bei Curtze Volksüberlieferungen
aus Waldeck S. 34 und ein rumänisclies im Ausland iS.iO
5. 716, vgl. GgA l.S(;2 S. H.5H. In dem hessischen Märchen
bei Grimm und in dem waldeckschen sind die Helden auch
drei arme Soldaten. [Gonzenbach no. 81, Zs. d. V. f. Volksk.
6, 70. Mac Innes p. 4<S0 zu no. 9, Magdougall p. 2S(i. :MH}.]
Unter mehreren gälischen Varianten, die Cam])bell mit-
teilt, ist l)esonders eine merkwürdig, in welcher die Soldaten
Schwaueujungfrauen treffen und von ihnen einen nie leeren
Beutel, ein Hörn, das Soldaten herbeibläst, und ein Messer,
durch dessen Oeffnung man sich überall hin versetzen kaim,
erhalten. In dieser Fassung wird die Königstochter von der
Insel wieder nach Hause versetzt, indem sie ihre Nägel ab-
schneiden will, des sclihifenden Soldaten Messer inmmt und
17. Ueber Cam[)bells Sammlung gälisL'her ^läifhen 9 — 12. ]S7
beim Aufschlagen desselbeii denkt: 0 wäre ich (hich. wo
mir die Nägel gewachsen siiidl
11. Die Tiere im Kiiiiberhause ^).
Ein Schaf, ein Ochse, ein Hund, eine Katze, ein Hahn
und eine (iaiis treffen einander auf der Flucht vor dem
Schlachtmesser ihrer Herren, ziehen mit einander und linden
Nachts im Walde ein Diebshaus, erschrecken und verscheuchen
aber die Diebe daraus.
Das Märchen kommt in Deutschland mehrfach vor. In
Grimms (Nr. 27) Bremer Stadtmusikauten sind die Tiere
Esel, Hund. Katze. Hahn: Ix-i Meier Volksmärchen aus
Schwaben Nr. 8: Ochs, Pferd. Hund, Hahn. Katze, Gaus: bei
Kuhn westfälische Sagen H S. 229: Pferd, Esel, Ochse, Kuh,
Ziege, Schaf, Hund. Katze. (Jans. Hahn. Henne, Ente: bei
Rollenhagen (Grimm in den Anmerkungeji zu Nr. 27): Ochs
Esel, Hund. Katze. Hahn. Gans. [Gonzenbach no. (iiJ. Zs. d.
V. f. Volksk. (i. l(i.").J :
1'2. Die Tochter der Wolken. i2(;
Ein Pachter verspricht einem Hnnde eine seiner drei
Töchter zur Frau. Die Jüngste willigt ein und zieht mit dem
Hunde weg, der Naclits ein schTuier Mann wird. Durch drei-
malige L'eberschreitung eines Verbotes verliert sie ihn und
zieht aus, ihn wieder zu finden. Sie trifft ihn. wie er — von
der Hundsgestalt erhist — Hochzeit mit der Tochter des
Königs der Wolken gemacht hat. Für idne V(Ui selbst nähende
Nadel, eine von selbst schneidende Scheere und einen von
selbst sich einfädelnden Faden, welche Gegenstände sie unter-
wegs von drei Schwestern erhalt»Mi hat, verschafft sie sich
dreimal von der Königstochter die Erlaubnis, im Schlafgemache
ihres Mannes die Nacht zuzubringen, und beim drittenmale,
da er den ihm auch diesmal von der Königstochter gereichten
Schlaftrunk nicht getrunken hat. gelingt es ihr. sich ihm zu
^) Bei Cam]»I)L^ll: Das Märflu'ii vom weisson Schaf.
l^S Zur Märchenforsehung.
erkennen zn geben und seine Liebe wieder zu gewinnen.
[Vgl. Campbell 8, 292.]
Dies in der vorliegenden Fassung vielfaeh getrübte Mär-
chen stimmt der Hauptsache nach zu Grimms (Nr. 8(S)
Lüweneckerchen, was Campbell übersehen hat, zum Teil
auch zu der Variante von (Nr. 127) Eiseuofen (3, 20(S), wo
die suchende Gattin von Sonue, Mond und Sternen ein goldnes
Spinnrad, eine goldene Haspel und eine goldene Spindel er-
hält und dafür sich den Zulass in ihres Mannes Schlafzimmer
erkauft.
Nah verwandt mit diesem Märchen, zugleich aber auch
mit Nr. 3 ist ein schottisches Märchen, das Chambers Populär
rhymes of Scotland, 3. ed., S. 244 ff. in zwei Fassungen mit-
teilt, das Märchen vom „schwarzen Ochsen von Norwegen".
In der einen Fassung muss das Mädchen einen Glashügel —
wie in Nr, 3 einen Gifthügel — überschreiten, was sie nur
mit Hilfe eiserner Schulie kann, die ihr ein Sehmied ver-
fertigt, dem sie dafür sieben Jahre dient. [Kuhu-Scliwartz
S. 347 ,Die Seidenspinnerin", Gruiultvig 2, 35, Asl)jornsen
p. 4<;4 f.] I
294 1'^. Das Mädchen und der tote Mann.
Drei Töchter ziehen aus, ihr (ilück zu suchen. Die
Mutter bäckt ihnen Kuchen und fragt, ob sie ein grosses
Stück mit ihrem Fluch oder ein kleines mit ihrem Segen
haben wdllten ^). Nur die Jüngste verlangt das Letztere.
Unterwegs teilt auch die Jüngste ihr Stück mit Vögeln,
während die Aeltesten dies nicht thun und dafür auch von
den Vögeln verflucht werden. Die Aeltesten werden dann
verzaubert, dass sie tot hinfallen, die Jüngste aber, der in-
folge des Segens alles glückt, belebt schliesslich die Schw'estern
wieder. — Das Märchen ist im Einzelnen nicht überall klar.
F^in ihm genauer entsprechendes ^lärchen ist mir sonst nicht
bekannt. Verwandt sind die verschiedenen Märchen von
') Diese Frage kommt in mehreren gälisclien Märehen vor. Vgl.
Nr. It; unil 17 nud Cliambers pojiuliir rliynies of Sootland, 3. ed., S. 239.
17. Ueber Cainpbells Sammlung gälischer Märclu'ii 12 14. isi)
guten und bösen Töchtern, siehe Grimm zu Nr. ]'4 und 24.
[Ralston p. -289.]
14. Die Königstochter, die ihr Vater heiraten wollte.
Einem König war seine Gemahlin gestorben und er wollte
nur die heiraten, der die Kleider jener passten. Es fand sich,
dass dies bei seiner Tochter der Fall war. und so wollte er
sie heijraten. Auf Rat ihrer Amme erbittet sie sich aber ein 295
Kleid von Schwansfedern, dann eins von einem Oanach (?),
eins von Seide, (Jold und Silber, einen goldenen und einen
silbernen Schuh, und zuletzt einen fest verschliessbaren
schwemmenden Kasten. Alles wird geschafft und sie setzt
sich mit den Kleidern und Schuhen in den Kasten und ver-
traut sich dem Meer an. Der Kasten schwämmt an Land.
Sie steigt aus nnd wird Küchenmädchen beim Koch des
Königs des Landes. Heimlich geht sie an verschiedenen
Sonntagen mit den verschiedenen Kleidern in die Kirche.
Der Krmigssolin verliebt sich in sie und lüsst ihr zuletzt auf-
passen. Sie entflieht, aber lässt ihren goldenen Schuh zu-
rück. Nnn will der Prinz nur die heiraten, der der Schuh
passt. Viele schneiden sich Zehen und Ferse deshalb ab,
aber ein Vogel verrät dies nnd dass der Schuh der Küchen-
magd passe. So wird sie entdeckt und heiratet den Kö-
nigssohn.
In einer andern Version verlangt die Königstochter ein
Kleid von Federn, ein silbernes und ein goldenes nnd glä-
serne Schuhe. Dann entkommt sie auf einem Pferde mit
einem zauberischen Zanm. Sie geht nachher nicht zur Pre-
digt, sondern zu Hoffesten. Und weil die Königin, als sie
nm Erlaubnis bittet, zum Feste zu gehen, ihr dies verweigert
und das einemal ein Waschbecken, das anderemal einen
Leuchter nach ihr wirft, so sagt sie einmal zum Prinzen, sie
sei ans dem Königreich vom zerbrochenen Waschbecken, und
das zweitemal aus dem vom zerbrochenen Leuchter ^).
*) In dem zum grossen Teil — wie auch Campbell bemerkt —
hierher gehörigen norwegischen Märchen „Kari Traestak'' (Asbjörnsen
li)() Zur .Märc'henforscluuig.
Dieses Märchen ist zusainmeiigesetzt aus den beiden viel-
vevbreiteten Märchen, die wir mit (irimm (Nr. (Jf) und 21)
Allerleirauh und Aschenputtel nennen wollen. Campbell
nennt nicht gerade diese beiden Märchen, aber vergleicht
mehrere verwandte, die auch (Irimm in den Anmerkungen
nicht übersehen hat. Besonders ausführlich vergleicht er
den sehr nahe verwandten Anfang des 4. Märchens des
Straparola. Zu (irimms Anmerkungen über Allerleirauh füge
296 man noch Schleicher, litauische | Märchen S. 10, zu denen
über Aschenputtel Maurer isl. Volkssagen S. "ÜSl, Wolf Proben
portug. u. catal. Volksrom. S. 43, Chambers populär rhymes
of Scotland 8. ed.. S. iMS. [Unten zu Lang, Rasliiu Coatie.]
Grimma, IKi erwähnt eine farr)ische Sage, wo der ver-
witwete Kr»nig nur die zur Ehe nehmen will, der die Kleider
der verstorbenen Königin passen, also ganz wie im gälischen
Märchen. [Grundtvig 2, 80, Gonzenbach no. 3S.]
15. Der arme und der reiche Bruder.
Kin Scli\vaid< von einem Armen, der die Lei(;he der
Schwiegermutter seines reichen Bruders immer wieder aus-
gräHt und in das Haus des Bruders schafft, diesem aber ein-
redet, sie käme von selbst wieder, weil ihr Begräbnis nicht
feierlich genug gewesen. Der Bruder lieisst ihn allemal sie
wieder begraben, und der Arme behält immer einen Teil des
aufzuwendenden Geldes für sich.
Der Schwank ist mir sonst nicht begegnet. |Cos(iuin
no. SO, ßraga no. 109, Folk-lore Journ. 1, 184, Kristensen
no. 49, Bondeson, Sv. fs. no. 11.] Die vielen Schwanke, die
von der Hagen Gesamtabenteuer o, S. XLIV ff", anführt, denen
man Gaal Märchen der Magyaren S. 27() und Haltrich Nr. (il
hinzufüge, sind nur insofern ähnlich, als in ihnen ein Leich-
nam und dessen Fortschaft'ung Hauptinhalt ist. [Bolte zu
Schumann, Nachtbüchlein Nr. 19 und Frey, Gartengesellschaft
1896 S. 281.1
Nr. 1!)) sagt die Königstoeliter, sie sei aus Waschland, dann aus llnnd-
tuciiland, endlich aus Kaniinland. [Oben S. 62 zu Hchneller ni). 24.]
17. Ueber Cainiiljells Saiiiiiiluiig gälisclicr Miirclicii l-t- Iti. {\)\
l(i. Des Königs von Lochiin drei Tochter.
Die drei Töchter des Königs von Locldin sind von drei
Riesen geranbt und können imv mit Hilfe eines zu Wasser
und zu Lande gehenden Schiffes wieder befreit werden.
Drei Söhne einer Witwe wollen Holz hauen, um das Schiff
zu bauen. Die Mutter bäckt ihnen Kuchen und fragt: Was
ist besser, der kleine Ku(dien mit meinem Segen oder der
grosse mit meinem Fluch'.'' Die beiden ältesten ziehen das
letztere vor, der jüngere diis erstere ^). Eine Uruisg, der die
ältesten nichts von ihrem Kuchen gel)en, baut tlem jüngsten,
der ihr Kuchen giebt, in dabr uud Tag das Schiiil', und er
zieht mit drei (irosseu des Hofes aus. Unterwegs treffen sie
noch einen, der einen Strom austrinkt, einen, der einen Stier
isst, und einen, der das Gras wachsen \ hiirt. Mit ihrer Hilfe 297
entdeckt der düngling die unterirdische Riesenhcihle und be-
freit die Königstochter, die mit jenen drei Grossen zurück-
kehren. Ju- ;iber inuss flahr und Tag bei einem der Kiesen
(die beiden andern sind zer])]atzt, indem sie mit dem Esser
und dem Trinker um die Wette assen und tranken) dienen.
Nach Verlauf der Zeit soll ein Adler des Riesen ihn aus
der Höhle tragen, kehrt aber unterwegs um. weil er kein
Fleisch zum Fressen mehr mit hat. So muss der flüngling
noch ein dahr bleiben, und dann wiederholt sich das Näm-
liche, bis beim drittenmal der Jüngling dem Adler ein Stück
Fleis(;h aus seinem eignen Schenkel ausschneidet. Der Adler
trägt ihn nicht nur aus der Höhle, somlerji giebt ihm auch
eine Pfeife, ihn in Not herbeizurufen. Der Jüngling geht
nun in die Stadt jenes Königs, wo die drei Grossen sich als
die Befreier der Prinzessinnen ausgegeben haben und sie
bald heiraten sollen, als Knecht zu einem Sclimied. Die drei
Prinzessinneu verlangen von dem Schmied Kronen, wie sie
solche bei den Riesen gehabt haben, und der Jüngling schafft
durch den Adler die Kronen selbst herbei. Der Schmied ge-
steht, dass sein Bursche die Kronen gemacht habe, und der
König lässt ihn in einem Wagen abholen. Da aber die Diener
\) Wie in Nr. 13.
192 ^ur Märohentorschuiig.
des Königs den Jüngling nicht höflich genug behandeln, so
lässt er sich zweimal durch den Adler aus dem Wagen
heraus und Steine hineinschaffen. Erst als ein Vertrauter
abgesandt wird, bleibt er im Wagen und lässt sich durch
den Adler das (iold- und Silbergewand des Riesen holen.
Seine Hochzeit mit der ältesten Königstochter schliesst das
Märchen.
Campbell erklärt, dass das Märchen als Ganzes kein
Seitenstück, in den Einzelheiten aber viele Parallelen habe,
am meisten ähnlich sei es dem deutschen Märchen (Grimm
Nr. 64) von der goldenen (ians. In der That ist letzteres
Märchen dem gälisclien insofern sehr ähnlich, als ein graues
Männchen einen Jüngling, der ihm von seinem Kuchen mit-
geteilt, während zwei ältere Brüder desselben dies nicht ge-
than, dafür beschenkt, und als ein König von dem Jüngling,
bevor er ihm seine Tochter zur Frau giebt, verlangt, dass
er ihm einen Mann, der einen Weinkeller austrinke, einen,
<ler einen Brotherg aufesse, und ein zu Eand und zu Wasser
fahrendes Schiff schaffe, ihm zu allem diesem verhilft. Das
29« norwegische Märchen vom Vogel Dam | (Asbjörnsen Nr. 5),
welches Campbell ebenfalls vergleicht, ist insofern ähnlich,
als nach ihm zwölf von Riesen entführte Prinzessinnen be-
freit werden, ein falscher Ritter sicli für ihren Befreier aus-
giebt, der Vogel Dam den in dem Riesenhause zurückge-
lassenen wahren Befreier auf seinem Rücken fortträgt, und
dieser Befreier endlich erkannt wird, weil er die Kronen,
welche die Prinzessinnen bei dem Riesen trugen, bei
sich hat.
p]s giebt mehrere deutsche Märchen, in welchen erzählt
wird, wie ein König seine Tochter nur dem geben will, der
ein zu Land und zu Wasser fahrendes Schiff baut,
wie ein Jüngling ein solches Schiff' bekommt und mit Hilfe
mehrere wunderbar gearteter Menschen auch noch weitere
Aufgaben des Königs löst und die Hand der Prinzessin er-
hält. In Wolfs deutschen Märchen und Sagen Nr. 2.5 ver-
suclien drei Brüder das Schiff zu bauen, aber nur der jüngste
bekommt es fertig, weil er gegen eine alte Frau freundlich
17. Ui'liiT ("aiiipl)<j|ls Sani III hl II g' giilisclicr Märclieu 1(>. 1<);-^
ist. Auf" iliieii Rat nimmt er unterwegs einen gewaltigen
Hsser, einen Trinker, einen f.änfer, einen Bläser und einen,
dessen lUichse' zweitausend Stunden weit knallt, mit ins
Schitt" und liist mit ihrer Hilfe die Aut"gai)en des Königs. In
einem niedersäclisiselien Märchen bei Schambach und Müller
Nr. 18 baut ein kleines altes Männchen einem Hirtenjungen
das gewünschte Schitt". das ohne Wind und Wasser fährt, und
rät ihm. auf dem Wege zum KTmige mitzunehmen, wer ihm
begegnen würde. Es begegnen ihm dann ein Esser, ein
Trinker, ein Läufer, ein Schütz. In einem schwäbischen
Märchen bei Meier Nr. ol baut ein alter Mann dem jüngsten
von drei Brüdern, der mit ihm sein Erühstück geteilt hat,
das zu Land und zu Wasser fahrende Schitt", und der Jüng-
ling tritt't unterwegs einen Schützen, einen Horcher, einen
Laufer und einen, der, wenn er einen Zapfen, der in seinem
Hintern steckt, losmacht, ein ganzes Kr»nigreich vollmachen
kann. MülleulKttt" S. 457 erwähnt ein ditmarsisches Märchen,
in welchem ein altei* Mann dem jüngsten vim viin- Brüdern
für einen Aschpfaunkuchen das Schitt" niel)f. Darauf — sagt
Mülleidiott" — folgt das Märchen von den sechs (oder drei)
Dienern. In dem Märchen vom Vogel (ireif liei (irimm
Nr. Kl") giebt ein altes Männchen dem jüngsten von drei
Brüdern, der es freundlich l>ehandelt, einen Nachen fürs
trockene Land, wie ihn der Kiinig für die Hand seiner Tochter
verlangt, weiter aber verläuft das Märchen j anders. In einem 299
jMärchen bei Pröhle Kinder- und Volksm. Nr. Ti! (vgl. dazu
pag. XL\'ll) verlangt eine Königin von ihreii drei Srdmen ein
zu Land und zu Wasser fahrendes Schitt". der jüngste erhält
es von einem alten Männchen, mit dem er sein Erühstück
teilt. Ebenso erhält in einem Märchen bei Kuhn und Schwartz
Nr. 7 der jüngste Kr»nigssohu einen Kahn ohne Pttock und
Nagel. In dem Märchen von Rinroth bei Mülleuhott" Nr. 21
erhält ein -Jüngling von drei alten Weibern, denen er ihr ge-
meinsames eines Auge genommen und dann wieder gegeben
hat. ein Schitt", das man in die Tasche stecken kann und das
zu Lande und zu Wasser gehen kann. Mit Hilfe dieses
Schitt'es und anderer Wundergaben der drei Alten befreit er
R.Köhler, Kl. Schriften. I. lo
1^)4: '^i'i" -Müfflienforschung.
eine Priuzess von drei Kiesen, die er erschlägt: fälschlich
giebt sich aber ein anderer für den Befreier der Prinzessin
aus, bis er zuletzt entlarvt wird. Nahe verwandt hiermit ist
das norwegische Märchen von Lillekort, Asbjörnsen Nr. 24.
[Gonzenbach Nr. 74. Zs. d. V. f. Volksk. (i, KIS.]
Das sind die Märchen, die icli nachweisen kann, in denen
ein Schiff vorkommt, das zu Lande und zu Wasser geht.
W. Grimm erinnert in der Anmerkung zu Nr. 1(55, dass man
auch in Finnland von einem goldnen Schiff wisse, das von
selbst über Land und Meer fährt (Schiefner in den Melanges
russes 2, S. (311 [Salmelainen "J, 28]) und meint, dass damit
vielleicht ursprünglich der Lauf der Sonne angedeutet werden
S(dlte. Lin wunderbares Schiff, das sich wie ein Tuch zu-
sammenfalten Hess, fertigten die Zwerge dem Freyr, siehe
Grimms Mythologie S. 11)7.
Was die wunderbar begabten Menschen betrifft, so be-
nierkt Campbell S. 24!>, dass in einem andern gälischen Mär-
chen noch mehr der Art vorkommen [Mac Innes ISOO p.
44.'). 4'.>2|. nud erinnei't (hinn an (irimms Nr. 71 uiul die An-
merkungen dazu. Man vergl. auch Henfeys Aufsatz über das
.Märchen von den „Menschen mit den wunderbaren Eigen-
schaften", Ausland 1<S5<S. Nr. 41—45. [= Benfey, Kl.
Schriften 8. ;>4.|
Der eigentinnliche Zug des gälischen ]\lärchens, dass der
Held sich selbst Fleisch aus dem Schenkel ausschneidet und
es dem Adler giebt. erinnert an buddhistische Legenden, vgl.
Benfeys Pantschatantra 1. 2 IG f. und oSS ff., und kommt
vor in dem auch sonst verwandten slavonischen Märchen vom
Vogel Kiiija. (Vogl Volksm. S. 111.) [Gonzenbach Nr. (31,
Zs. (1. V. f. Volksk. (5. 1(34, Blade 1, 190. 202.]
Dem Adler des gälischen Märchens entspricht, wie schon
300 oben bemerkt, in einem norwegischen der Vogel Dam, der —
wir wissen nicht warum — den Königssohn aus der Riesen-
wohnung fortträgt. In dem ungarischen Märchen von der Speck-
festung ((iaal S. 77), welches in mehreren Punkten mit dem nor-
wegischen zusammen stimmt (vgl. auch Grimm 8, 34(5), trägt
ein Greif den Krniigssolm. der die Eier der (ireifen vor dem
17. TebiM- ("Mni|ilM'lls Saiunilinii;' ^älischcr ilürclim Ki. 17. \\)')
Ilagel gescliützt liut. wie Milan im shivoiiischeii die -liiugeii
(ie.s Kiiija V(ir tMiiein Drachen, aus Daukharkeit auf seinem
Kücken aus dem unterirdischen Drachenreiche. Der Schluss der
ungarischen Märchen ist dem gälischen ähnlich, indem der
Königssohn anerkannt als Schneider-, Schuster- und (luld-
schmiedegesell dient und Gegenstände aus den Drachen-
schlössern herheischafft, welche die von ihm befreiten Prin-
zessinnen verlangen, und dadurch endlich seine Krkennung
herbeiführt.
17. Maol.
Kine Witwe hat drei Töchter, die ausziehen wollen, ihr
(Hück zu suchen. Sie bäckt Kuchen und fragt jede, ob- sie
die grössere Hälfte und ihren Fluch, oder die kleinere und
ihren Segen haben wolle ^). Nur Maol, die jüngste, will den
Segen. Die beiden ältesten binden unterwegs dreimal Maol
fest, weil sie sie nicht mit sich liaben wollen, aber der Mutter
Segen iiuu^ht sie immer wieder \'ve\. Sie kommen nun in das
Haus eines Hiesen und schlafen mit in den Betten der drei
lliesentrxditer. Nachts will der Riese sie töten lassen, aber
Maol hat ihre und der Riesentöchter Halsbänder heimlich
vertauscht, und s(» werden die Riesent(ichter umgebracht und
der Riese trinkt ihr Blut. Dann fliehen die Schwestern und
ein Fluss hemmt die Verfolgung des Riesen. (In einer Fas-
sung reisst sich Maol ein Haar aus und macht daraus eine
Brü(^ke. In einer dritten ist eine Brücke aus zwei Haaren
über dem Strom, über die Maol die Schwestern trägt.) Sie
kommen zu einem Pächter, der ihnen seine drei Söhne ver-
spricht, wenn Maol ihm des Riesen Kämme, sein Schwert und
seinen Bock bringe. Die beiden ersten (iegenstände stiehlt
Maol glücklich, als sie aber den Bock stehlen will, fängt sie
der Riese. Sie bestimmt sich selbst die Todesart, sich in
Milchsuppe tot zu essen, in einem Sack aufgehängt und darin
mit Knitteln zerschlagen und ins Feuer geworfen zu werden.
Sie verschüttet | die Suppe und stellt sich tot. Der Riese '^'*'
') Vgl. Nr. 13.
13*
jf)(') ^iii" Märclieuturscluin^.
bindet sie in den Sack und hängt ihn auf und geht in den
Wald Holz holen. Da beredet Maol die alte Mutter des
Riesen, wer in dem Sacke stecke, wäre in der (ioldstadt,
und die alte lässt sich an ihrer Stelle in den Sack stecken
und wird von dem Riesen totgeschlagen. Vergeblich rief sie:
Ich selbst bin's! Der Riese antwortete: Ich weiss es wohl!
Als der Riese dies dann entdeckt, setzt er den mit dem Bock
entflohenen Mädchen nach und holt sie am Fusse ein, über
den er aber nicht kann. Kr fragt Maol. was sie an seiner
Stelle thun würde, um ülier den Fluss zu kommen. Sie ant-
wortet: ihn austrinken. Fr trinkt, bis er platzt. Die drei
Schwestern heiraten nun die drei Brüder.
Campbell erwähnt noch mehrere gälische Variationen,
deren Abweichungen meist unbe<leutend sind. Die Ab-
w'eichungen bezüglich der Brücke liabe ich mitgeteilt. [Jacobs,
More celtic fairy tales no. 311]
In einer Fassung ist der Pachtei- ein König, und die Dieb-
stähle Maols und ihre List dabei werden ausfüliilich erzählt.
Maol wird nicht in einem Sack, sondern in einem geschlach-
teten Bock aufgehängt und beredet dann des Riesen Weib,
sich hineinstecken zu lassen, indem sie sie neugierig macht
auf den schönen Anblick, den sie habe.
Die Vertauschung der Halsbänder kömmt in Per-
raults petit poucet und in einem Tiroler Märchen (Zingerle,
Kinderm. aus Siiddeutschland S. 237) als \'ertauschung der
Kronen der Riesenkinder mit den Mützen der Geschwister
Däundings vor, ebenso in der Gräfin d'Aulnoy Märchen
loranger et labeille, wo Aimee ihrem (leliebteu die Kronen
der Riesenkinder aufsetzt. [Gonzenbach no. 83, 1, Zs. d. V.
f. V(dksk. (i. 171.]
In Bezug auf die List, durch die Maol aus dem Sack ent-
kommt, verweise ich auf die Bemerkungen zu Nr. 39.
Dass der Riese den Fluss austrinken will und dabei
zerplatzt, ist ein mehrfach vorkommender Zug, z. ß. Grimm
3, S. m. Müllenhoff S. 400, Kuhn und Schwartz S. 321.
17. Ueber Campbells Sammlung gälischer ^Märchfii 17a— b. [<)7
l?a) Fabeln.
Mehrere kurze Tiermürcheu und Fabeln, darunter einige
bekannte vom Fuchs, das Märchen vom Wolf, der auf Rat
des Fuchses im Eise den Schwanz einbüsst (S. '272), welches
Märchen noch im V(dksmuud lebt bei den [ Wenden (Haupt 3^9
und Schmaler Volkslieder der Wenden "J, KUJ) und auf den
Bär übertragen bei den Norwegern (Asbjiirnsen Nr. 17) und
Ehsten ((irimm F\. Fuchs CCLXXXVl) und zwischen Fuchs
und Hase spielend in Schwaben (Birlinger Nimm mich mit!
S. 54) [GgA 18(;8, 1H!»(). Jahrb. 9, :^i»i), Cosciuin no. 54-], das
Märchen vom Adler und Zaunkiinig (S. -!77), über welches
man vgl. (Irimms Anmerk. zum 171. Märchen und Pfeiffers
Germania (>. SO. Auch einiges Spricliwiirtliche und Aus-
legungen von Tierstimmen werden mitgeteilt.
ITb) Der Bürg:eriiieistei* von London.
(ieschichte von einem Hochländer, der dreimal von einem
schönen Mädchen träumt und auszieht, sie zu suchen. In
London findet er sie als Tochter des Bürgermeisters und wird
mit ihr bekannt: zieht aber auf ihren Wunsch ein Jahr lang
wieder in seine Heimat. Nach Verlauf des Jahres wandert
er wieder nach London und trifft unterwegs mit einem Sachsen
zusammen, der die Tochter des Bürgermeisters heiraten will.
F^r sagt, ergehe nach London, um zusehen, was aus der Saat
geworden, die er in einer Strasse gesät [Wossidlo 1, ■227 no. !^>7()].
Unterwegs teilt er dem Sachsen von seinem Essen mit, hüllt
ihn bei Unwetter mit in seinen Plaid und trägt ihn über einen
Bach. Dabei macht ei" ihm Vorwürfe, dass er ohne Mutter
[d. i. Nahrung |, (dme Haus [d. i. Schirm oder Kutsche] und
(dine Brücke [d. i. Pferd] reise. In London erzählt der
Sachse seinem künftigen Schwiegervater von den albernen
Reden des (iälen. Der Bürgermeister aber erkennt den guten
Sinn der Reden und sucht die Bekanntschaft des Galen. Die
Tochter des Bürgermeisters verkleidet sich, und der Gäle
lässt sich nach dem Gesetz das Mädchen von dem Bürger-
meister, der sie nicht erkennt, zur Frau geben. Als (hmn
198 '^ur ^lärchenforischung'.
der Bürgermeister die List erfährt, freut er sieli doch, das«
seine Tochter einen so schlauen Burschen bekommen hat.
[Gesta Romanorum c. 193 =: Simrock, D. Märchen S. 203,
Mussafia, Jahrb. f. rom. Litt. (i, 227, Romania 10, 559. 5<S0.
Köhler. Zs. f. rom. Phil, (i, -tS3.]
17c) Der listige schwarze Kämpe.
Eine nicht überall klare uiul gut zusammenhängende Er-
zählung, untermischt mit rhythmischen allitterierenden Bruch-
stücken, wahrscheinlich Resten einer bardischen Dichtung.
Der Held wirft Aepfel in die See und schreitet auf ihneji
von Schottland nach Irhiml, spielt wunderbar Harfe, zerbricht
Harfen und macht wieder neue aus der Asche der verbrannten,
303 be-jlebt Getötete wieder, heilt Kranke, denen kein Arzt helfen
konnte, lehnt eine Leiter an d<Mi Mond u. a.
In einer mehrfach abweichenden Version heisst der Held
('eal)harnach.
17(1) Das Märchen vom schlauen Burschen, dem Sohne
der Witwe.
Der Sohn einer Witwe will durchaus Dieb werden, ob-
wohl seine Mutter ihm prophezeit, er werde dann auf der
Brücke in Dublin gehängt werden. Einst geht sie in die
Kirche, uiul der Sohn sagt ihr, die erste Kunst, die ihr auf
dem Rückweg genaimt werde, w(dle er lernen. Er versteckt
sich dann und ruft selbst: Dieberei! Nun giebt die Mutter
ihre Einwilligung, und er geht zu Black Rogne, einem be-
rühmten Diebe, in die Lehre. Bald wird er geschickter als
der Meister. Er wettet mit ihm, einem Hirten, der einen
AVidder zum Hochzeitsgeschenk fortträgt, den Widder zu
stehlen, und führt dies aus, indem er dem Hirten vorausläuft
und an zwei Stellen je einen Schuh hinstellt. Den ersten
Schuh lässt der Hirt stehen, als er aber den zweiten sieht
und SU ein Paar zu bekommen hoft't, läuft er zurück und
lässt den Widder liegen, den der versteckte Dieb nun stiehlt.
Der Dieb stiehlt dem Hirten dann eine Ziege, indem er das
Blöken des Widders nachahmt und so ihn veranlasst, die Ziege
17. UelxT ("iinipbells Saniniliing- nälisi-liiT Märchen 171» — d. X91)
aiiziibiiideii und den Widder zu sucheu. Ebenso einen Stier.
Dann kömmt er mit Filack R(»gue an einen Galgen und schlägt
vor zu probieren, wie das Hängeu thue. Black Kogue s(dl ihn
zuerst aufhängen, bis er mit den Beinen strampelt, und dann
loslassen. ¥a- erklärt, es halte ihm sehr gut gethan und er
liabe vor Vergnügen gestrampelt. Black Rogue soll es nun
auch versuchen und pfeifen, wenn er genug hat. Der Bursche
zieht ihn immer Iniher. Black Hogue kann natürlich nicht
])feifeu und kommt so um. Kr geht nun zu einem Zimmer-
mann in Dienst und bricht mit ihm mehrmals in des Königs
Vorratshaus^) ein. Der König setzt auf den Hat des Seanagal
ein Fass Pech -) ] uuter die Oetifnung. Der Meister bleibt das 304
nächste Mal darin stecken, und der Bursche haut ihm den
Kopf ab und begräbt ihn im (iarten. Um zu erfaliren, wer
die kopflose Leiche sei, lässt der König sie ötfentlich herum-
tragen. Als die Frau des Meisters beim Anblick <ler Leiche
schreit und sich so zu verraten droht, haut sich der Bnrsch
rasch in den Fuss und erklärt den S(ddaten. dass die Frau
deshalb geschrieen habe. Hierauf lässt der KTmig die Leiche
an einen Baum hängen und bewachen. Der Dieb führt ein
Pferd mit Wliiskyfässern beladen an der AVache vorüber, die
Soldaten nehmen ihm den Whisky ab. berauschen sich, und
er stiehlt die Leiche und begräbt sie im (Jarten. Der KTtnig
lässt nun die Soldaten ein Schwein überall herumführen, damit
es die Leiche aus der Erde wühle. Als die S(ddaten zum
Hause der Witwe des Zimmermanns kommen, ladet der Dieb
sie ein und bewirtet sie, und während sie essen und trinken,
tötet er das Schwein und verscharrt es. Die Soldaten werden
hierauf an verschiedenen Orten in Quartier gelegt und s(dlen
Acht haben, wo sie Schweinefleisch finden, über welches die
Leute sich nicht genügend ausweisen können. Der Dieb er-
mordet die im Hause der Witwe liegenden Soldaten und reizt
das andre Volk auf. die übrigen auch zu töten. Der Seanagal,
der alle bisher erwähnten Massregeln dem König geraten,
') In einer Variante (S. 3.58) Sohatzkanimer. in die sie durch einen
losen Stein gelangen.
-) Nach einer anderen (S. 3ri3) Version eine Fuclisfalle.
t>00 '^ii'' -Märchenforschung.
rät ihm jetzt, ein Fest zu geben und alles Volk einzuladen.
Der. welcher so kühn sein würde, mit der Köniosto(djter zu
tanzen, müsse der Thiiter sein. Das Volk erscheint und der
Dieb auch. Er fordert die Prinzess zum Tanze auf. und
während des Tanzes macht ihm der Seanagal. dann auch die
Prinzess zum Kennzeichen heimlich einen schwarzen Strich.
Aber er bemerkt dies und macht heimlich vielen andern
auch schwarze Striclie. Da verkündet endlich der König,
der Ausführer dieser Streiche solle die I'riuzess heiraten und
die Krone erben. Nun wollen alle, die schwarze Striche
haben, die Thäter sein. Ein kleines Kind S(»ll entscheiden:
wem es einen Apfel giebt, der sei der rechte. Das Kind
giebt den Apfel dem Dieb, der einen H(dzspalin und eine
Maultrommel in der Hand hat. und er heiratet die Prinzess.
Nach einiger Zeit kommt er mit der Prinzess auf die Dub-
liner Itriicke. Kr gedenkt <ler nicht eingetroffenen Prophe-
zeiung der Mutter, und im Scherz hängt er sich mit dem
Taschentuch der Prinzess, das diese hält. Plötzlich erschallt |
305 ein Ruf: Das Schlos.s brennt! Vor Schreck lässt die Prinzess
das Tuch los. der Diel) fällt und zerschmettert sich den Ko[)f.
Der Ruf war nur von spielenden Kindern geschehen.
Der Teil des Märchens vom Einbrucli im kömiglicheu
Vorratshüuse bis zur Heirat mit der Prinzessin ist eine alte
weitverbreitete Geschichte. Die älteste uns bekannte Fassung
ist das ägyptische Märchen von König Rhampsinits Bau-
meister und dessen Sohne, welches Herodot 2, l'il uns
überliefert hat und welches ich als allbekannt voraussetzen
darf. Auch C'nmpbell hat dies natürlich nicht übersehen und
leitet von ihm den Ursprung des gälischen Märchens her, in-
dem er meint, dass schottische Studenten das Herodotische
Märchen verbreitet hätten. Allein diese Vermutung ist un-
bedingt abzuweisen. d;i diis gälische — wie wir gleich sehen
werden — viel mehr mit andern Märchen, als dem Herodo-
tischen übereinstimmt. Einen Teil des ägyi)tisclieu Märchens
erzählten auch die alten Griechen (Charax bei Schol. Aristopli.
nub. 50S und Pausanias !>. 37. 3) und zwar von Tropluniios
und seinem Bruder oder Vater Agamedes. die dem Kon ig
17. Uelier Campbeils Haimiiliui^' gälischer ^lärclu'u 17(1. -JO 1
Hyrieus in Hyria oder dem Angelas in Kli.s ein Scliatzlians
banten nnd einen iStein der Maner so einfügten, dass man
ihn leicht von anssen heransnehmen konnte, nnd so den
Schatz bestalilen. bis endlich der König Schlingen legte, in
denen Agamedes sich tieng, woi'auf ihm Trojdionios das llau])t
abschnitt.
An diese antiken Krzähhingen reihen sich zahlreiche
spätere. Vielfach mit dem gälischen Märclien stimmt die
Erzählnng in dem oben erwähnten französischen Gedicht
Dolopathos (Loiseleur a. a. U. i', U'I. Ed. Brimet S. 18:-}).
[J(th. de Alta Silva, Dolopathos ed. Oesterley 1878 p. 40.
XIX. j Hiernach bricht der ehemalige Schatzmeister eines
Königs mit seinem Sohn in das Schatzhaus ein. Auf den
Rat eines alten lUinden wird durch ein angebranntes Stroh-
feuer nnd den hinausziehenden Ivauch das eingebrochene nnd
schlecht wieder geschlossene Loch entdeckt und ein Fass mit
Pech unter die Oeffnung gestellt. Der Vater fällt hinein
und lässt sich vom Sohne den K()[)f abschneiden. Auf Rat
des Alten wird der f.eichnam durch die Stadt geschleppt,
und die Familie würde sich durch ihr Klagen verraten haben,
w'enn nicht der Sohn sich in die Hand gehauen und das Weh-
klagen dadurch erklärt hätte. Den von 20 schwarz und 20
weiss gekleideten Rittern bewachten Leichnam entführt der
Sohn Nachts, indem er sich auf einer | Seite weiss, auf der 306
andern schwarz kleidet. Hierauf schreibt der König auf den
Rat des Alten ein Turnier aus und lässt die Tapfersten im
Palast schlafen, in der Voraussetzung, dass der Listige sicli
zum Bett der Prinzessin schleichen vviixl, die ihm aber ein
schwarzes Zeichen auf die Stirn machen soll. Aber der
Listige merkt dies und entwendet die Farbenbüchse und
zeichnet alle andern Ritter und den König selbst. Da sagt
der Blinde, der müsse der (resuchte sein, dem ein Kind ein
Messer reichen werde. Aber jener versieht sich mit einem
Spiel werk, einem hrdzernen Vogel, nnd reicht ihn dem Kinde
dar, so dass es scheint, als habe das Kind nur mit ihm ge-
tanscht. Da giebt ihm der Körnig seine Tochter zur Frau.
Die vielfache Uebereinstimmunsi mit dem gälischen Märclien
202 ^11'" MSrrheiifurscliuiii;-.
liegt auf der Hand. F>esoiiders hervorziiliebeu ist der letzte
Zug\ der sonst nirgend weiter vorkommt, von der Ent-
sclieidung des Kindes durch Darreichung eines Messers, im
gälischen eines Apfels. Es scheint eine Art Gottesurteil sein
zu sollen: ein unverdorbener Ki]idersinn trifft, was die
AVeisesten nicht treffen. Der Dieb macht aber, dass es er-
scheint, als sei das Kiiul durch das Spielwerk zu ihm gelockt
worden. Im Gälischen hat der Dieb die Entdeckung durch
das Kind nicht zu fürchten, sondern zn wünschen. Was als
das Ursprünglichere anzusehen sei, hisse ich dahingestellt.
Die KrziUilung aus dem Dolopathos findet sich auch in
deutsciier Prosa in der ebenfalls oben erwähnten Leipziger
Handschrift (Altd. Blätter 1, i:>6). geht aber dort nur bis
zur Entweinlung des Leichnams und hat den eignen Zug,
dass der Sohn, nachdem er sich erst verwundet, auch sein
Kind in einen Brunnen wirft, um die Klage über den zum
zweitenmal vorübergeschleppten Leichnam zu rechtfertigen.
Ein altniederländisches Gedicht .der Dieb von Brügge'
(Haupts Zeitschrift für deutsches Altertum 5, 3S,') — 404) er-
zählt: Zwei grosse Diebe V(»n Paris und Brügge verliinden
sich, um das Schatzhaus des Kr)nigs von Frankreicli zu be-
stehlen. Auf Rat eines alten Ritters wird durch ein Stroh-
feuer die von ihnen gemachte Oeft'nung entdeckt und ein
Pechkessel darunter gesetzt. Der Dieb von Paris fällt hinein
und lässt sich vom Brügger den Kopf abhauen. Als die
Leiche herumgeschleppt wird und die Frau {\es Toten jammert,
haut sich der Dieb von Brügge in die Hand. Als die Knechte
307 dem König und dem Ritter dies | melden, erkennt der Ritter,
dass jener der Thäter gewesen sein muss, und schickt die
Knechte wieder zurück in jenes Haus, das sie aber leer finden.
Nnii lässt der König auf Rat des Alten die Leiche an den
Galgen hängen und von 12 Wächtern bewachen. Der Dieb
beladet einen Karren mit Speisen und einem Fass, darin ein
Schlaftrunk, und mit 12 Mönchskutten und fährt nachts an
den (Jalgen. Die Wächter nehmen ihm das Essen nnd Trinken
und entschlafen, worauf er ihnen die Kutten anzieht und die
Leiche raiil»t. Der Alte giebt dem Köni<2, einen neuen Rat:
17. l'eber ('aiii|ilM'lls rtamnilung- yälisclior Märchen ITil. 2(K}
Der Kiiiiis, ^"•II einladen lassen, wer in einem Saale mit der
Prinzessin schlafen will: (dine Zweifel wird der Dieb der erste
sein, der znr Prinzess sich legen wird: ihn s(dl die Prinzess
mit Farbe zeichnen. Wirklich erscheiut der Dieb, hat aber
von jenem Schlaftrnnk bei sich. Er legt sich zur Prinzess,
und als er merkt, dass sie iliu zeichnet, füllt er ihr vdii dem
Schlaftruidv ein und stiehlt ihr die Farbeubüchse. Dann
schleicht er sich zu den anderen Herren in den Betten im
Saale, streicht ihnen Schlaftrunk in den Mund, dass sie alle
einschlafen, und macht auch ihnen Kreuze an die Stii-n. Am
andern Morgen nun vers[)richt der Kcinig dem Thäter seine
Tochter. Der Dieb gesteht alles und erhält sie.
Mit Dulopathos. aber in nniuchem noch mehr mit dem
gälis(dien Märchen übereinstimmend ist eine Novelle des Flo-
rentiners Ser Giovanni, der seine Novellen im Jahre loTS
zu schreiben begann (Pecorone i>. IV): lUndo von Florenz
baut einem Dogen von Venedig einen Palast nelist Schatz-
kammer mit einem beweglichen Stein in der Mauer. Kurze
Seit darauf gerät er in Armut und bestiehlt mit seinem S(din
Richard den Schatz. Der Doge entdeckt durch ein Strohfeuer
jene Oeifnung und lässt einen Pechkessel darunter stellen
und siedend erhalten. Reim nächsten Pesuch fällt der Vater
hinein und lässt sich vom S(dine den Ko})f abschneiden. Am
folgenden Tag wird die keiclie durch die Strassen geschleppt,
und weil die Mutter laut jammert, haut sich der Sohn in die
Hand. Hierauf wird die Leiche an den (ialgen gehängt und
bewacht. Auf das Drängeji der Mutter, sie zu rauben, steckt
der Sohn nachts ]•_' Lastträger in | Mönchskutten und giebt 308
ihnen Masken uiul Fackeln, steigt selbst zu Pferde, maskiert,
schwarzgekleidet und mit Fackeln, und überrascht so die
Wache, die ihn für Lucifer mit Höllengeistern hält und die
Leiche rauben lässt. .letzt lässt der Doge "iO Tage lang kein
frisches Fleisch in Venedig verkaufen und dann nur ein Kalb
schlachten und das Pfund Fleisch davon für einen <uilden
*) Der Auszuü bei I)unlo]>-Liehrecht S. 263 ist nicht ganz genau
und unvollständig-. [Uorra, Studi di critica letteraria 1892 p. 296.]
204 '^in' ^lärclienforsfhung.
feil bieten. Der Verkäufer soll merken, wer davon kauft,
denn der Doge nimmt an, dass der Dieb auch lecker ist und
es kaufen wird. Niemand kauft, aber die Mutter Richards
will gern davon haben. Richard verkleidet und Iteladet sich
mit Esswaaren und Wein und begiebt sich nachts an den
Ort, wo das Fleisch verkauft wird, und lässt dort — unter
einem Vorwande — den Wein zurück, an dem sicli die
Wächter berauschen und einschlafen, und stiehlt dann das
ganze Fleisch. Nun lässt der Doge hundert Arme bettelnd
herumgehen, mit dem Auftrag, aufzupassen, wo einer etwa
Fleisch bekomme. Wirklich giebt Richards Mutter einem
Armen ein Stück Fleisch, aber der Sohn begegnet ihm noch
auf der Treppe und schlägt ihn tot. .letzt schlägt einer der
Räte des Dogen vor, nachdem man vergeblich dundi Leckerei
versucht habe, durch Ueppigkeit den Dieb auszukundschaften
zu suchen. Fünfundzwanzig verdächtige Jünglinge, darunter
Ricluird. werden in den Palast eingeladen und erhalten ihre
Betten in einem Saal, wo auch die schiine Dogentochter
schläft. Sie hat heimlich einen Topf mit schwarzer Farbe
bei sich und soll dem, der zu ihr ans Bett kommt, das ( Be-
sicht schwärzen. Keiner wagt es, dem Bett der Schönen zu
nahen, nur Richard umarmt sie zweimal. Das zweitemal
merkt er, dass sie ihm das (lesicht schwärzt. Kr nimmt nun
den Topf und macht sich nocli vier Striche, allen andern aber
zwei, drei, zehn Stri(:he. So erscheiiien am andern Morgen
alle gezeiciinet und der Anschlag des Dogen ist vereitelt.
Da verspricht der Doge dem Thäter die Hand seiner Tochter
und Verzeihung, und nun gesteht Richard alles ^). \
309 In dieser Darstellung ist besonders hervorzuheben, dass
der Dieb Gefahr läuft, durch die Kntdeckung des in seinem
Hause «ekochten Fleisches entdeckt zu werden, ebenso wie
^) Man sieht, wie fern (Tiovainii von Herodot ist. Und docli heisst
es in Rawünsons Herodot, wie Cunipbell 8. 8.ö2 anführt, die Gresehichte
des Rhanipsinit sei im Pecorone wiederholt. Dies kann man nnr mit
Recdit von der Novelle des Bandello 1, 2.') saü-en, die wirklich sicdi
genau an Herodot ansehliesst, nur alles mehr ausführt. Als (Quelle gieht
Bandello ranticlic istorie dei reui (rKiiitto, d. h. natiirlicii Herodot, an.
17. Uelier Canipliclls Siiiiiiiiluiii;- yälisrlier 3IärclnMi 1 Td. "20.")
im gälischeii Märchen, wo t'reilidi das Fleidi auf ganz andere
Weise in das Haus des Diebes gel)racht wird. Derselbe Zug,
aber wieder anders verarbeitet, knmnit in i\ev Fassung, in
der unser Märcdien in Tirol (Zingerle Kinder- und llaus-
märclieu aus Süddeutscliland S. HOO) erzahlt wird. vor.
Nach dem Tiroler Mäi'chen verbinden sich zwei IJeutel-
schneider aus Preussen und l'olen — wie im niederländischen
Gedicht zwei Diebe aus Paris und Brügge — und beraulien
den Schatz eines Herren, imlem sie einen unterirdischen (iang
graben. Auf den Rat eines alten Beutelschneiders, den der
Herr früher einmal gefangen und geblendet hatte — man
denke an den Blinden im Dolopathos — wird ein Schlageiseu
auf das [jOch gelegt. Der preussische Dieb fängt sich und
lässt sich vom polnischen den Kopf abschneiden. Der alte
Blinde rät nun, den Rumpf an den (ialgen zu hängen und
zu bewachen, der Genosse werde ihn nachts schon holen.
Der Rat wird ausgeführt. Der Dieb ladet Wein, mit Schlaf-
pulver vermischt, und 12 Kapuzinerkutten auf ein Wägelchen
lind fährt nachts an den Galgen. Dort bohrt er Löcher in
das Fass und ruft die Soldaten an. ihm zu helfen, sein Fass
laufe aus — ganz wie bei Herodot, wo die Zipfel der Wein-
schläuche aufgegangen sind. — Die Soldaten helfen, und er
überlässt ihnen dann das ganze übrige Fass. Sie schlafen
ein. er zieht ihnen die Kutten an und stiehlt die Leiche. Nun
giebt der blinde Beutelschneider dem Herren den Rat, einem
Hirsch die Hörner zu vergolden und ihn durch die Strassen
zu jagen, der Dieb werde ihn zu stehlen suchen und dabei
ertappt werden. Aber dev Dieb bringt auf eine sehr listige
Weise, die wir hier nicht näher anzugeben brauchen, den
Hirsch heimlich in seine Gewalt, ohne dass es jemand merkt.
Der Herr fragt nun wieder den alten Blinden um Rat uml
der erbietet sich, den folgenden Tag von Haus zu Haus Suppe
zu l)etteln; wo er Hirschgeruch rieche, da sei der Schelm
ertappt. Wirklich kommt er zu dem Dieb und trifft ihn
über dem Hirschbraten. Er erhält seine Suppe und macht,
um das Haus zu kennzeichnen, drei Rötheistriche über die
Hausthür. Aber der Dieb merkt das, löscht sie aus und
200 Zur .Miii-chciitursrlimig.
310 macht (He Striche an das Haus des Herrn, -letzt Ideiht dem
Herrn nichts anderes übrig, als dem. der alle jene listigen
Streiclie ausgeführt, eine Belohnung zu versprechen, worauf
sich der Dieh meldet.
Hier haben wir also wie im gälisclien und im Pecorone
den Zug. dass der Dieb beinahe dnrcli das Kochen eines ge-
wissen Fleisches verraten wird. Am mitürliclisten nud un-
gezwnngensten ist die Sache wohl im gidischen. Die Selbst-
verwundung des Diel)es fehlt im Tir(der Märchen, ebenso
der Versuch mit der Tochter des Beraubten, doch sind hier-
von die roten Striche übrig geblieben, aber anders verwandt.
Eingewebt ist das Märchen vom Schatzhause und in
eigener Weise behandelt in dem französischen RitteiToman
vom Ritter Berinus und seinem Soim Aigres vom Maguet-
berge. von dem ein Anszug in den Melanges tires diine
grande bibliothe(|ne H. p. •2"25 tt". steht M- Der Kaiser Philipp
in Rom hat eine Schatzkammer sich banen lassen, in dei'en
Mauer der Banmeister einen Stein luse gelassen hat. \'om
Sohne i\rs Baumeisters erfähi-t dies der Ritter Berinus und
bestiehlt den Schatz mehrmals. Die Schatzmeister bemerken
den Raub und entdecken den AVeg des Räubers durch Stroh-
feuer und den hinausziehenden Rauch. Ein Fass mit Pech
wird darunter gesetzt, und Bernius fällt beim nächsten Be-
suche hinein. Sein Sohn Aigres. der nicht (ienosse des Dieb-
stahls ist. sondern zufällit;- in die Nähe des Turms kommt.
hai\t ilnn den Kopf al». Der Rumpf wird am andern Tag
auf Befehl des Kaisers an den (lalgen gehängt und bewacht.
Aigres verkleidet sich und greift in der Morgendämmerung
(a la pointe du jonr) di»^ Wächtt-r an und raubt den Leich-
nam. Niemand hat ihn erkannt, alter einer hat gehört, dass
er beim Angriff den Namen der Prinzess Nnllie ansgernfen
hat. Es niuss also ein Anbeter von ihr gewesen sein. Auf
Rat eines seiner Weisen lässt nun der Kaiser seine Edeln.
darunter auch Aigres. zum Abendessen einladen und lässt
') Auf diesen Roman haben verwiesen Dunlop-Liebreelit 8. 2B4
wo jedoch der Auszug ungenügend und falsch ist, und Loiseleur 1, 148,
letzterer ohne näher einzugehen.
17. Uebcr Camiibells Samniluiiir uüli-cluT .Märdirii ITil. -joy
ihnen dann im grusf^eu Saal Betten lieiricliten. mitten darnnter
aucli (las Bett der sehrmen Xnllie. der sich jedoch hei Todes-
strafe keiner nahen Sdll. Wie vorauszusehen, eilt in der Nacht
Aigres ans Bett der (ieliebten. und diese, die ihn nicht gleich h\i
erkennt — Nuliie und Aigres liebten >;ich nämlich schon
lange heimlich — berührt ihn. wie sie ihrem Vater ver-
s[»ro('hen, mit ihrem Daumen, den sie in eine schwarze Farbe
getaucht, die nicht wegzubringen ist. Als sie ihn aber er-
kennt, enthült sie ihm den Anschlag des Vaters, und Aigres
zeichnet nun in gleicher Weise alle schlafenden Edlen. Am
Morgen ist der Kaiser ratlos, bis eine der Hauptpersonen des
Romaus. der verwachsene kluge T<ipfer (ieoffroi erscheint,
alle betrachtet und erklärt, alle andern Ritter hätten den
Abdruck eines Maunesdaumens auf der Stirn, nur einer den
Abdruck eines Frauendaumens, er also sei der Schuldige. Der
weitere Verlauf berührt uns hier nicht ^).
In verschiedenen Bearl)eitungen der sieben Weisen (im
franziisischeu Prosaroman bei Loiseleur 1. 14(): '2. "J'.». im
frauziisisclien (iediclit. ed. Keller, v. "iS.^O ft'.. in Hans von
Bühels Didcletian v. •J(»41 tf.. in den deutschen Gest« Roma-
noruni ed. Keller caj». 74. in den englischen Seven wäse
masters liei Ellis speciniens of early english metrical roman-
ces. new ed. l)y Halliwell. London 1S4S, S. 423) wird nur
erzählt, wie Vater und Suhu in die Schatzkammer des Kaisers
Octavianus zu Rom einbrechen, wie der Vater gefangen wird
und der Sohn ihm das Haupt abschlägt und in einen Graben
oder sonst woiiin wirft, wit^ am nächsten Tag der Leichnam
herumgeschlep[)t wird, und der Scdin. ;ils die Angehörigen
M Im Vorübergehen bemerke icb, dass die in den arabischen
7 Yezieren und im griechischen Syntipas erzählte Geschichte von den
,Schelmen' (s. Keller, Einleitung zu Romans des sept sages S. CL) mit
Abweichungen sich im Roman von Berinus wiederfindet (Melanges
S. 2H2tf.). Ueberhaupt wäre es der Mühe wert, den seltenen Roman im
Original genauer kennen zu lernen, da die Auszüge in den Melanges
nicht immer genügen. Das von Dunlop citierte englische Gedicht ,the
Story of Beryn' ist mir auch unzugänglich. [Goedeke, Orient und Occid.
3, 40s ,Gaza'. Hans Sachs, Meisterlied vom 20. Dez. 1.^40 im Erlanger
Mscr. 1668, 358b.]
•_>0<S ZiH' Märc'lieiifiirschung'.
jainiuerii, sich in die Hüfte li;iut. dann aber sich um den an
den Galgen gehängten Leichnam nicht weitei' bekümmert.
Diese Geschichte wird in den sieben Weisen von der Königin
erzählt als Beispiel von Schlechtigkeit eines Sohnes gegen
den Vater. Im Erasto cap. 1') wird die Geschichte ebenso
erzählt, aber nach Aegypten verlegt. Ferner hat der Konig
zwei Schatzmeister und der eine entdeckt den Einbruch des
anderen nml stellt das Gefäss mit Pech vor das Loch. Der
312 Sohn end-|licli haut zuletzt nicht sich ins Bein, sondern die
Mutter, die daran stirbt.
Ein deutsches Märchen (J. W. Wolf Hausmärchen S. 8i)7)
erzählt: Hans Kühstock, der Räuberhauptmann, beraubt mit
einem Leinweber den königl. Schatz, indem er das Fenster
mit einem Zauberstab öffnet. Der König befragt gefangene
Räuber, und diese meinen, nur ihr Hauptmann könne der
Thäter sein, und legen Schlingen um das P'oister. Darin
fängt sich der Leinweber, aber H. schneidet ihm den Kopf
ab. Nun wird die Leiche auf den Rat der Bäuber an den
Galgen gehängt und bewacht, aber H. kauft 12 l'rarrerröcke
und Branntwein, in den er einen Schlaftrunk giesst, und ver-
kauft das (ieträidv Nachts den Wächtern, die davon ein-
schlafen. Er zieht ihnen die Kutten an und stiehlt die Leiche
nnd wird nicht entdeckt. Bei Pröhle Märchen für die Jugend
Nr. ;^(S haut ein Maurerlehrling seinem Meister, der sich in
der Schlinge gefangen hat, den Kopf ab, und verwundet sich
dann am Fuss, als die Meisterin über die vorbeigeschleppte
Leiche jammert. Die Leiche stiehlt er vom (ialgen, indem
er die Soldaten durch einen Schlaftrunk l)erauscht und ihnen
Schäferr(')cke anzieht. Andern Tags würden ihn die Soldaten
an seinen blauen Augenbraunen erkamit haben, wenn er sie
nicht gefärbt hätte. Auf sein Geständnis erhält er die Prin-
zess zur Frau.
In Dänemark (Etlar Eventyr og Folkesagn fra Jylland,
Kopenh. 1S47, S. 165) wird von Klaus Schulmeister, der im
14. Jahrhundert, als Graf Geert Jütland beherrschte, wirklich
gelebt haben soll, erzählt, dass er in des Grafen Schatzkammer
einbrach. Der Maurer, der die Schatzkammer gebaut hat.
17. Ueber Canipbells vSamniluni,' gälischer Märclien 17(1. •JO!)
entdeckt durch den heranziehenden Kaiich eines Strohfeuers
die Stelle, durch die Klaus eingebrochen ist. P^in Teerfass
wird unter die Stelle gesetzt und beim iiäcfisten Einbruch
fällt Klausens Sohn hinein. Klaus schneidet ihm das Haupt
ab. Am amlerii Tag wird die Leiche durch die Strassen ge-
schleppt, und Klausens Frau hätte die Sache durch ihr Klag-
geschrei verraten, wenn nicht Klaus sie rasch mit dem Messer,
womit sie eben Brot geschnitten hatte, in die Hand geschnitten
hätte. Die Erzählung verläuft dann in ein anderes Märchen,
das wir unten bei dem 39. gälischen Märchen besprechen.
[Vgl. Schiefner, Ueber einige raorgenl. Fassungen der Rhamp-
sinitsage. Melanges asiatiques tires du Bull, de lacad. de
St. Petersb. <i. KU— 1S() (18(59). Cosquin 2, 277. Luzel 3,
851, Prato, La leggenda del tesoro di Rampsinite 1S82,
Clouston 2, 115, Notes and Queries 7. Ser. 1. 3G4. 2, 14.
254. — Peter Kling, Mährleinbuch S. 84. Pröhle 1S54 no. 81.
88, U. dahn 1. no. 52, Revue des trad. pop. 10, 204. Melusine
1, 17. 18<). Pitre no. 15H, Pitre. Nov. poj). tose. no. 41. Var.
(Jomparetti no. 18, Propugnatore 7. 1. 194, Sakellarios no. li ^
Jahrb. f. rom. I^itt. 11, 8()7 = Legrand p. 205, Kristensen
2, no. 7 — 9. I^argeau, Flore Saharienne p. 2S, Riviere p. 18,
Socin-Stumme, Houwara 1S95 S. 107, Radioff 4, 198. 275,
Prym-Socin no. 42, Lidzbarski S. 241, Mingrelisch im Mag.
f. d. Litt, des In- und Auslandes l<ss8, 541 = Mourier
no. 8.]
Dies sind die mir bekannten Gestaltungen des Märchens
vom Schatzhaus des KTtnigs und dem Dieb, der zuletzt die
Hand der ' Prinzessin erhält. Die gälische Fassung ist, wie hi:^
man sieht, eine der besten. Ursprünglich sind die Helden
ein Baumeister und sein Sohn. Merkwürdig ist, dass der
Zug bei Herodot, dass die Königstochter feil sitzt und von
jedem sich den klügsten und schlimmsten Streich erzählen
lassen soll, um so den Dieb zu entdecken, in keiner andern
Fassung vorkduimt. Ueberall ist dafür eingetreten, dass sie
den, der bei ihr liegt oder mit ihr tanzt, wie im gälischen,
kennzeichnen soll.
Doch das bisher Besprochene war nur ein Teil des
R. K ü h 1 e r , Kl. Schritten I. 14
210 Zur ^lärcheiiforschung.
gälischen Märchens, in dem ja noch hinzugefügt ist. wie der
Held als Dieb lernt, verschiedene Prol)estücke besteht, seinen
I^ehrer übertrifft und listig umbringt ^), uiul wie er endlich
die Pro[»hezeiung seiner Mutter erfüllt. Dass Knaben oder
Jünglinge als Diebe lernen kommt öfter in Märchen vor,
z. B, Grimm Nr. 68, 1-29 und 192, Wolf Hausmärchen S. 397,
Vernaleken Mythen Oesterreiclis S. 27, Meier Nr. 05, Kuhn
und Schwartz S. 8()2, Schleicher lit. Märchen S. 18, As-
björnsen Nr. 34.
Wenn der .hinge im (iälischen der Mutter sagt, er wolle
das Handwerk lernen, was sie beim (iang zur Kirche zuerst
nennen höre, und dann selbst , Dieberei' ruft, so erinnert dies
an Grimm Nr. (JS, wo der Küster dem Bauer, der zu Gott
ruft, was sein Sohn w(dil lernen soll, hinter dem Altar vor-
ruft; ,Das (laudiebeu", oder an Wolf deutsche Märchen uml
Sagen S. 30, wo der Küster der betenden Mutter zuruft: ,Dieb!'
[Bolte zu Schumann, Nnclitbüchlein no. 42: Frey S. 2<S4.]
Die Art, wie der Dieb den Widder stiehlt, nämlich durch
das Hinlegen einzelner Scimlie, und wie er dann das
Brüllen nachmacht [Garnoy, Contes fr. p. 211 1, k(mimt im
norwegischen Märchen vor (Asbj. Nr. 34) ^j: im schv^'äbischen
vom klugen Martin (Meier Nr. 55), der zuletzt auch die
Kaiserstochter erliält. legt der Dieb ein Kssbesteck einzeln
hin; H. Kühstock endlich (Wolf S. 398) legt Säbel und
Scheide einzeln hin. [Kennedy p. 39, Deulin, Contes dun
buveur p. 1S3. Wlislocki 1S9() S. 395. Berntsen 1, no. 99:
Besteck. Sakellarios no. (!, Wuk no. 4(1, Schiefner S. LSI.
1<S(;, 10. Lal IJehari Day p. 1()7, Langkusch, Altpreuss.
Monatsschr. 15, 454, Jahn 1, 269. 367, Lemke 2, <S2. S5,
Dykstra 2. Sl, Haase, Hupi)in 1SS7 no. 110. Reuter. Werke 2.64.]
') Die Geschichtf^ vom Erjjioben dos CTalj^ens kumiiit noch
einmal einzeln in Oanijiliells 8annnlung- vor: 2, 257 [J. Grimm, Hängens
Spielen in Zh. f. d. Alt. 7, 477 = Kl. Schriften 7, 2.Ö9, Sinirock, Märchen
y. 272, Kühn, Der Spreewald 1889 S. 124].
-) Dass der Dieb sich mehrmals scheinbar aufhängt, kommt
auch bei Kuhn und Schwartz S. 3tj3 und bei Schambach und Müller
Niedersäciisisclu" Sagen und ^Märchen S. 318 vor. [Kennedy p. 39,
Deulin, Contes p. isl, De (iubcrnatis no. 29, Poestion no. ](!.]
17. Ueber Campbeils Saniiuluiitj giilisclier Miirchcu 17<l — 18. 211
IS. J)ie Kiste.
Kill Koiiiii'ssoliii zieht aus. eine Fi'aii sidi zu suchen. Er
find; t ein Mihh-hen. das ihm gefällt, der Vater verlangt aber •
100 Pfund für sie. Kr aber hat nur 50, deshalb borgt ihm 314
sein Wirt noch 'A) unter der Bedingung, dass er sich, wenn
er binnen -lalir uinl Tag nicht bezahlt, einen Streifen Haut
voll K(i])f bis zu Fuss ausschneiden lasse. Der KTuiigssohn
zieht nun mit seinem Weilie nach Hause. Niclit lange ist
er in ihrem Besitz, als er einen Schitfskapitän tritt't und mit
ihm sein Reich wettet um die Treue seiner Frau. l)erKai)itän
besticht eine Magd und gelangt in einer Kiste in das Schlaf-
zimmer der Künigin und entwendet der Schlafenden Ring
und Kette und liringt sie dem KTmig. Der glaubt die Wette
verlnren zu lialien und geht ins Weite, der Kapitän aber
zieht ins Königshaus. Die Kiinigin zieht Maunskleider an
und sucht ihren Mann. Sie tritt bei einem Herrn als Stall-
knecht in Dienst und tritt't durt auf ihren Mann, der sie alier
nicht erkennt, i'^r trieb sich als wilder Mann herum, ward
durch sie gefangen und dient nun als Stallknecht. Sie er-
bittet sich einmal Irlaub nachhause zu r(dsen und nimmt
ihren Mann mit. Sie kommen zu jenem Wirt-<haus, das dem
Hause ihres Vaters gegenüber lag. Der Wirt will nun sein
Recht und ihm Aen Streifen aus der Ihnit schneiden. Sie
erklärt aber, dass er das nur tliun dürfe, (diiie einen Tropfen
]>lut zu vergiessen. und befreit ihn so. Nun nimmt sie ihn
am andern Morgen mit ins Hans ihres Vaters, der sie natür-
lich nicht erkennt, wohl aber ihren Mann, und ihn hiingeii
lassen will, weil er nichts von seiner Frau weiss. Sie errettet
ihn aber vom Tod, indem sie sagt, dass er sie gekauft habe,
also alles, was er wolle, mit ihr machen könne, ebenso wie
sie ein fünfmal teureres Ross soeben gekauft und dann er-
schossen halte. Nachher giebt sie sich dem Vater, den
Schwestern und ihrem Mann zu erkennen und kehrt mit
letzterem in seine Heimat zurück. Dort entlockt sie dem
Kapitän das (ieheimnis mit der Kiste. Er wird gehängt, und
sie kommen wieder in den alten Besitz.
14*
212 Zur Märehenforsohung.
Hiev haben wir die eigentümliche Verbindung zweier
sonst nicht verbundenen Stoffe: der Geschichte von der treuen,
infolge einer Wette der Untreue geziehenen Frau, die Shake-
speares Cymbeline zu (iruude liegt, und der (leschichte von
dem Gläubiger, der sich von seinem Schuldner ein Stück
seines Fleisches verschreiben lässt, und von dem klugen
Ausspruch der verkleideten Frau des Schuldners, der Ge-
schichte also, die Shakespeares Kaufmann von Venedig zu
Grunde liegt. [Vgl. Child, Ballads S, 270: The northern
lord and cruel jew. Hazlitt, Shakespeares library 1, ^Mu,
Nyerup, Morskabslaesning p. 1(>!» (Isabella), Papanti zu Me-
315 nochio no. 1.] Campbell ist die Verwandschaft | mit den
beiden Meisterwerken Shakespeares natürlich nicht entgangen,
und er bespricht ausserdem noch Decamerone '2, 9, woher
Shakespeare den Stoff zu seinem (^ymbeline wahrscheinlich
entlehnt hat. Was den ersteren Stoff' betriff"t, so vergl. man
die Nachweise von v. d. Hagen Gesamtabent. 8. S. LXXXIII
und Dunlop-Liebrecht 224. Dazu kommt noch ein deutsches
Märchen bei Wolf Hausmiirchen S. .">."),') utid ein rumänis(^hes
im Ausland 185(), S. 1058. Die Kiste, in der in unserem
Märchen der Versucher sich in das Gemach der schlafenden
(lattin tragen lässt, kommt nur noch im Boccacio und dessen
Nachfolgern und im deutschen Märchen vor: im rumänischen
lässt sich der Versucher nicht se'bst, wohl aber eine von ihm
darum angegangene Hexe in einer Truhe in das Zimmer
tragen. Dass die treue Gattin in Mäunertracht umherzieht
und so dann unerkannt mit ihrem Mann zusammentriff't,
kommt auch bei Boccaccio, in Timonedas Patranuelo 15, im
rumänischen und deutschen Märchen und in einer norwegischen
Erzählung vor, die E. Beauvois in seinen Gontes populaires
de la Norvege, de la P'iidande et de la Bourgogne. Paris 18(52.
S. 8 aus J. Aasens Proever af Landsmaalet i Norge, Christiania
1855, S. 74, übersetzt hat. [Borgh, Sogur S. IB.]
Ueber die Verschreibung des Stückes Fleisch vom
eignen Körper vgl. die Erfirterung und Nachweise von Simrock
Quellen Shakespeares 3, 183 [1872 1. 213], Dunlop-Liebrecht
S. 261 f. und Benfey Pantsch atantra 1. 391 — 407. [Oesterley
17. Ueber t'aiiipbells Sammlung gälischer Märchen 18. 213
ZU (Je.sta Rom. c. l*>5, Kellner, Engl. Stud. 10, 80. Ciürra,
Stiulj 1<S1»"2 p. •-'47. Clouston, Some persian tales 1892 no. 3,
Smith. New Shakespeare Society's Trausactions 1875, 181.
4ä7, Academy 1887, May 14 u. -28, June 18, Aug. 6, 1890,
Sept. 13J. Mit dem gälischen Märchen stehen nur diejenigen
Erzählungen in näherer Verwandschaft, in denen hei sonstiger
Abweichung vom gälischen und untereinander doch ebenfalls
ein Liebhaber zu der Schuldverschreibung sich entschliesst,
um durch das geliehene Geld in den Besitz der (!eliebten
zu kommen, und in denen dann diese später ihren Ge-
liebten, der nun ihr Gatte geworden, in männlicher Ver-
kleidung durch ihre kluge Entscheidung rettet. So im Dolo-
pathos V. 7096 — 7497 (bei Loiseleur 2. 211. vgl. 127). in
einigen Redaktionen der Gesta Romanoruni ((nasses üeber-
setzung 2. 1()3) und in einer bosnischen Erzählung, wie sie
noch heutzutag erzählt wird ((irenzboten 1853, 2, 1, 455) ^).
In Giovan-jnis Pecorone 4, 1, dem Shakespeare seinen Stoft' 316
entlehnte, verschreibt sich nicht der Liebhaber selbst, sondern
ein Verwandter oder Ereund des Liebhabers, um diesem das
nötige Geld zu schaffen. Eigen ist dem gälischen Märchen,
dass ein Streifen Fleisch vom Kopf bis zu den Füssen heraus-
geschnitten werden soll, im bosnischen ein Stück Zunge, sonst
ganz allgemein ein Stück Fleisch. Der Anspruch, dass dabei
kein Blut vergossen werden darf, kommt auch in den (iesta
') Diese interessante Erzählung ist Benl'ey entgangen. Ein Jude
beilingt sich von einem jungen Mann, der Geld braucht um seine arme
Geliebte heiraten zu l^önnen, aus, dass er ilim aus der Zunge eine Drachme
Fleisch ausschneiden darf, wenn er ihn in 7 Jahren nicht bezahlt. In
der Zeit wird der Schuldner wieder arm. Seine Frau aber verlangt
vom Kadi die Erlaubnis einen Tag lang in seinem Richtermantel Recht
zu spreclien und entscheidet, dass der Jude gerade nur eine Drachme
ausschneiden darf. [Dies von dem bosnischen Franziskaner Ivan Franko
Jukic (1818 — 1857) erzälilte Märchen ist 1882 von L. Leger (Recueil de
contes populaires slaves no. 1) ins Französische und danach von Leo
im Shakespeare-Jahrbuche 21, 30.ö ins Deutsche übertragen worden.
Köhler verweist im Shakespeare-Jahrbuche 22, 276 auf ein ähnliches
slovenisches Shylock-Märchen bei Krek, Einl. in die slav. Litteratur-
geschichte - 1887 S. 771. J
■214 '^i"' Mäi'cliciiforscliuiig.
Romanorimi vor. Sonst lautet der Aussprucli. dass nicht mehr
und weniger als ein bestimmtes verschriebenes Gewicht ge-
schnitten werden darf, im r)(d(»pathos und im Pecorone mit
}linzufiigung des Verbotes des Blutvergiessens.
Die \'erl)indung beider Stoffe lag insofern nicht gar zu
fern, als in beiden die Verkleidung einer (iattin in Männer-
tracht vorkommt.
It). Die Erbschaft.
Ein Landmann sagt sterbend seinen dr(d Sr»hnen, dass
sie nacli seinem Tod an einer bestimmten Stelle eine Summe
linden würden, in die sie sich teilen sollen. Als sie aber
nach seinem Tod zusammen an den Ort gehen, finden sie
nichts. Sie suchen bei einem alten Freunde des Vaters Hat.
Der behält sie einige Tage bei sich und erzählt ihnen dann
eine Geschichte: Ein flüngling liebt ein Mädchen, und sie
verloben sich. Der Vater des Mädchens verheiratet sie aber
mit einem andern reichen Manne. Am llochzeitsabend weint
die Braut, und als der Bräutigam von der Braut ihre Ver-
lobung erfährt, fährt er sie selbst zum Hause ihres Verlobten.
Der aber, von dem Edelmut des Bräutigams gerührt, löst die
Verlobung vor einem Priester auf und schickt sie zu ihrem
Gatten. Auf dem Wege dahin treffen sie drei Räuber und
fallen sie an. Sie erziditt ihnen ihre (iescliichte und bietet
ihnen das Geld an, (bis sie l)ei sich hat. Zwei der Räuber
nehmen davon, der dritte aber nimmt nichts und geleitet sie
zu ihrem (iatten. Dies erzählt der Alte den -Jünglingen und
317 fragt wer am besten gethan habe. Der i älteste meint: der
Ehemann, der zweite: der Verlobte, der dritte: die Räuber,
die das Geld nehmen. Daran erkennt der Alte, dass der
jüngste das Geld des Vaters gestohlen liabe.
Dies ist, was Campbell entgangen, die (beschichte der
1001 Xaclit vom Sultan Akschid und seinen drei Söhnen
(Nacht 14), nur des orientalischen Kostüms entkleidet. Das
orientalische Liebespaar hat sich natürlich nicht verlobt, soji-
dern das Mädchen hat dem 4üngling nur fest versi)rochen,
ihn in der llochzeitsnaclit. bevoi- sie mit ihrem Mann zu Bett
17. Ueber ('aiti]il)('ll> Saiiiiiiliuiij^ gälisehor MärcliLMi IH. '215
gehe, noch eiumal zu h etlichen. Der Ehemann erhiuht ihr
(lies. Auf dem Weg zu dem Jüngling fällt sie ein Käuber
an. lässt sie aber, vom Edelmut des Ehemanns gerührt, frei
und geleitet sie selbst zu dem Jüngling, der an Edelmut dem
Ehemann und dem Käuber nicht luichsteheu will und sie un-
berührt ihrem Mamie wieder zuführt. Diese (ieschichte er-
zählt ein Kadi den drei SöJineu des Sultans und fragt, wen
jeder am meisten bewundere. Der jüngste Prinz, der das
Edelsteinkästehen gestohlen, erklärt, er bewundere den Räuber
am meisten.
Ebenso findet sich die (Jeschichte in den türkischen
Vierzig Vezieren (ül)ersetzt Vdu Hehrnauer S. lO.'itt". ). nur ist
hier kein Name des Königs genannt und dei- Dieb führt die
Braut zu ihrem Liebhaber, wartet an der Thür und geleitet
sie dann auch zu dem Ehemann.
In dem türkischen Tuti-Nameh (übersetzt von Rosen 1,
•J4o ff.) [vgl. Hammer. Rosenöl 2, ■27 7J sind fiahmenerzählung
und eingerahmte Erzählung etwas anders. An Stelle der
drei Söhne sind hier drei Reisende, die einem Bauer einen
Edelstein gestohlen haben. Eine Rrinzessin von Rum. der
ihr Vater, der Sultan, den Eall vorgetragen, lässt die Ver-
dächtigen zu sicli kommen und erzählt ihnen die <ieschichte
von der Kaufmannstochter Dilefruz von Damaskus. Diese
hatte einem (iärtuer, der ihr einst eine schwer erreichbare
Rose gebracht. vers})r()clien, ihm einen Wunsch zu erfüllen,
und er hatte sie gel)eten. ihn an ihrem Vermählungstage
allein in seinem Garten zu besuchen. Ihr Bräutigam erlaubt
es ihr. Auf dem Weg begegnet ihr erst ein W(df. dann ein
Räuber, beide lassen sie aber unbeschädigt und unberaubt,
und der Gärtner führt sie unberührt zu ihrem Bräutigam
zurück. Die drei, denen die Prinzessin die Geschichte er-
zählt, tadeln das edelmütige l)eneh-|men des Gatten, des 318
Wolfs, des Räubers und des (Gärtners als Narrheit und ver-
raten so ihre Gesinnung.
Renfey bemerkt in seiner Anzeige der Rosenschen Ueber-
setznng des Tuti-\anieh (Göttinger gelehrte Anzeigen 1858,
Stück 55, S. 541): -Die 1, S. l'^o beginnende Erzählung ist
216 Zur Märchenforschung.
(,yukasaptati 51; eingeschachtelt in sie ist S. 248 die schöne
Barzahlung aus Vetälapancav. Br. IX, [Ausland 18(57, 153 =
Oesterley, Baital Pachisi no. 9], gerade wie in den 40 Ve-
zieren, wo jedoch die Hauptgeschichte sehr verändert ist, und
im Bahar Danush 3, 295, so dass man sieht, dass für diese
das Tüti nameh die Quelle bildet. Diese Erzählung selbst
beruht auf einer interessanten indischen Legende*. [Maase-
buch c. 222, Helvicus 1, 145, (Irünbaum 1S82 S. 435, The
Decisions of Thoodhamnia Tsari no. 5, Radiott' 3, 389, Griech.
Märchen in der Revue de l'hist. des relig. 10, 79.1
Eine der eingeschachtelten ganz ähnliche Geschichte fand
ich bei anfälligem Blättern in dem anonym erschienenen Werke
Johann Valentin Andreaes Ghymische Hochzeit Cliristiani Ro-
sencreutz, Anno 1459, Strassburg KJK!. Lnter andern Rätseln
oder (leschichten. an die sich zu entscheidende Fragen knüpfen,
wird daselbst S. 64 auch folgende [nach Boccaccio, Dec. 10, 5]
erzählt: ,In einer Stat wohnet ein ehrliche Fraw vom Adel,
die ward von menniglich lieb gehalten, sonderlich aber von
einem jungen Edelman, die ihr zuviel zumuten wolt. Sie
gab ihm endli(di den Bescheid: werde er sie im kalten Winter
in einen schönen grünen Rosengarten führen, so solte er ge-
wert sein, wo nicht, solle er sich nimmer finden lassen. Der
Edelman zog hin in alle Land, ein solchen Mann, der diss
prästieren kunte, zu finden, biss endlich traf er ein altes
Mänlein an, das versprach ihm solches zu thuii. wo er ihm
das Halbteil seiner Güter werde versprechen: welches dieser
bewilliget uml jener verrichtet. Desswegen er benante Fraw
zu sich in seinen Garten beruft, die es wider verhoffen alles
grün lustig und warm befunden, darneben sich ihres Ver-
sprechens erimiert. und mehr nicht dann noch einmal zu
ihrem Herren zu kommen begehret, dem sie ihr Leid mit
seufzen und zehren geklaget. Weil aber der ihr Trew gnug-
sam gespüret, fertigt er sie wider ab ihrem Liebhaber, der
sie so thewr erworben, ein genügen zu thun. Den Edelman
bewegt dieses Ehemans Redlichkeit so sehr, dass er ihm
Sünden förcht. ein so ehrlich Weib zu berühren, schicket sie
also mit Eiiren ihrem Herrn widder heim. Wie nun solcher
Ueber Campbeils Saniiiilung gäiischer iiärchou 19 20. "217
beider Trew das Mänliu erfalireii, wolt er wie arm er sonst
war, auch nicht der geringst sein, sonder stellet dem Edel-
man all seine (iüter wider zu und | zog darvon. Nun weiss Hut
ich nit, liebe Herren, wer doch unter diesen Personen die
gröste Trew möchte bewiesen haben.'
20. Die drei weisen Männer.
Kill Mann will ein Mädchen freien. Während er mit
den Kitern spricht, geht die Tochter hinaus, um Torf zu
holen und Feuer anzumachen. Da fällt ein Haufe Torf auf
sie. Sie überlegt, dass, wenn sie verheiratet und guter Hoff-
nung wäre und all der Torf auf sie fiele, sie und all ihre
Nachkommenschaft umkäme, und setzt sich hin und weint
und schreit. Die Kitern suchen die Tochter, und als sie sie
weinend finden und den (irund erfahren, setzen sie sich auch
hin und weinen. Der Freier aber reitet davon und beschliesst
drei Leute zu suchen, die ebenso klug als jene dumm seien.
Er trifft bald drei Männer, die er um Nachtlager angeht.
Sie wispern zusammen, und dann sagt der eine: Wenn ich
draussen hätte, was ich drinnen habe, so wollte ich dir Nacht-
lager geben. Der zweite: Wenn ich getlian hätte, was noch
ungethan ist, so wollte ich dir Nachtlager geben. Der dritte
nimmt ihn mit zu sich. Kine S(;li(ine Frau bringt ihm Trinken,
und er denkt: Wenn die meine Frau wäre, es wäre besser
als jene, die weinte. Da lacht der Alte und sagt: Wenn zwei
wollten, möchte es geschehen. Dann kommt ein schönes
Mädchen, der junge Mann denkt wieder dasselbe, und der
Alte lacht und sagt: Wenn drei wollten, möcjite es geschehen.
Später klärt er den jungen Mann über alles auf. Ks sind
drei Brüder, die auf Rat ihres verstorbenen Vaters über wich-
tige Sachen nur leise sprechen, um sich nicht zu zanken.
Der eine Bruder nahm den Fremden nicht auf, weil er eine
Leiche im Hause hat; der zweite, weil er seine träge Frau,
die nur geprügelt etwas thiit, noch nicht geprügelt hat. Die
Frau und das Mädchen sind Frau und Tochter des Alten,
und der Alte erriet des Jungen (iedanken bei ihrem Anblick.
Der junge Mann heiratet dann des alten Mannes Tochter.
^1^ Zur ^lärclu'iiforsrluing.
Der Anfang ist ganz almlicli den Antaugen der Märchen
Nr. 34 bei Grimm und 66 bei Haltrich. In letzterem reitet
der Mann der dummen Frau, nachdem er ihre und der Seinen
Dummheit erkannt, aus, um zu sehen, ob es nocli mehr so
dumme Menschen giebt. Vgl. auch unten Nr. 48. [Ziugerle
no. 14, Molbech no. 7. Orundtvis 2. 807. a. 45.] \
320 21. Riitselniärelieii.
Einer sieht dreimal neun junge Männer vorübergehen
und dann einen Mann und eine Frau vorüberreiten. Die Frau
sagt ihm. die ersten neun seien ihres Vaters Brüder, die
zweiten neun ihrer Mutter Brüder. di<' dritten neun ilire
Söhne, und alle Söhne ihres Mannes.
Campbell bemerkt dazu: ,Die L(isung gründet sich auf
die Annahme, dass eine Frau den Mann ihrer (Jrossmutter
lieiraten darf. In Indien sollen zahlreiche Rätselmärclien
derart noch umlaufen." Auch im Deutschen giel)t es ähnliche
Verwandtschaftsrätsel. [Notes and <iHieries 5. Ser. (!. 44(5,
Wossidjo, Meckl('id)urg. Volksüberliefermigen 1, '2'.VA f.]
22. Der Kütseliitter.
Eine Königin will ihren Stiefsohn durch einen Trank
vergiften, aber ihr rechter Solm warnt ihn, und beide Hiehen,
nehmen aber den vergifteten Trank mit. unterwegs giessen
sie davon in die Ohren ihrer Pferde, die tot hinfallen. Von
dem Fleisch derselben fressen zw('»lf Raben, die ebenfalls hin-
fallen. Sie nehmen die Raben mit sich und lassen zwölf
Pasteten daraus backen, die sie dann vierundzwanzig Räubern
geben, die sie anfallen. Endlich kommen sie zum Rätsel-
ritter, dessen Tochter nur der heiraten soll, der ihm ein un-
lösbares Rätsel aufgiebt. Der älteste giebt nun auf: , Einer
tr)tet zwei, und zwei tr)ten zwölfe, und zwTilfe vierundzwanzig,
und zwei kamen davon. Zwölf .Mädchen der Ritterstochter
schleichen sich zum jüngeren Brüder, um ihm die Aufbisung
abzulocken, aber er sagt nichts und nimmt ihnen ihre Plaids.
Endlich kömmt die Ritterstochter zum ältesten selbst, und
er sagt ihr die Lösung, behält aber ilir(Mi Plaid. Nun weiss
17. l'eher Campliells Saiiiinluiig giilisclicr Märclieii "Jl -HO. •)]<;)
(1er Pvitter das Rätsel imd will den Aufgeber liinrieliten. Der
aber giebt ihm ein andres auf: ,lcli und mein Burscli jagten,
mein Hurscli schoss zw(ilf Hasen und nahm ihr Fell und Hess
sie gehen. Zuletzt kam ein schöner Hase, den sclioss ich
uutl nahm ihm das Fell und Hess ibn gehn." Der Ritter ver-
steht das und giebt ihm seine Tochter. Der jüngere kehrt
nach Hause zurück. Später kämpfen beide Brüder, ohne sich
zu kennen, miteinander, bis sie endlich einander erkennen.
Der jüngere findet dann auch zwölf Söhne von sicli und jeuen
Mädchen.
lu dem entsprechenden (irimmschen Märchen Nr. '22 (und
Anmerkung dazu) lautet das Rätsel .einer schlug keinen und |
schlug doch zwölfe-. Die Einleitung und manches andere ist 321
abweichend. Das Rätsel von den geschossenen Hasen und
ihren behaltenen Fellen fehlt, könnte aber da sein, da auch
hier die Magd und die Kammerjungfer zum Diener und end-
lich die Priiizess Nachts zum Herren gehen und ihre Mäntel
zurücklassen müssen. In einem Tir(der Märchen (Ziugerle,
Sagen aus Tirol S. Toii) lautet das Rätsel .Eins tr)tet drei,
drei tötet zwölf-. Die Einleitung und der Verlauf bis zum
Rätselaufgel»en sind dem gälisehen sehr ähnlich. Die Prinzess
errät das Rätsel nicht. AVeiterhin verläuft das Märchen in
das vom König Drosselbart. [Köliler. Jahrb. f. rom. Litt. 7,
'2~r2: Yenezian. Märchen no. 1 .'>. Macdougall IS'.II p. -iTC) no. (>.]
•23—30. (S. ;-!7--l<)l.)
Unter diesen Nummern teilt i'ampbi'll eine Menge Sagen
von Feen (Elfen). L'nh(dden. Kobolden. Hexen und Zauberern
mit. Ich will hier nicht auf alle eingehen, obw(dd zu den
meisten Rarallelen anderwärts her beizubringen wären (man
vgl. im allgemeinen W. (irimms Einleitung zu den irischen
Elfenmärchen und .1. (irimms d»nitsche Mythologie), sondern
nur zwei hervorheben.
S. 47 wird von einem Wechsel balge und der Wieder-
erlangung des rechten Kindes erzählt. Der Wechselbalg ver-
rät sich, indem er seine Verwunderung ausspricht, als der
Schmied in Eierschalen Wasser trägt. Rierbrauen. Wasser-
220 ^'ii" Märchenforsfhung.
kochen u. dgl. iu Eierschalen ist ein oft vorkommender Zug
in den Sagen von Wechsel bälgen, und nicht nur, wie Campbell
S. 51 meint, in Irland. Schottland, Wales und Bretagne, son-
dern auch in Deutschland und Litauen, vgl. die Nachweise
bei Grimm Mythol. 4H7. Märchen ;:i, (17. Kuhn westfäl.
Sagen I, 72, denen man beifüge Niederiirdfer Mecklenburgs
Volkss. "i, f*6. vgl. auch 123 und 4, IS. Vonbiin Beiträge
zur (1. Mythol. S. 53. Aehnliches (lange Stange in einem
Töpfchen) in Island. Maurer Volkss. Islands S. 12.
S. 59 wird von einer Hexe erzählt, die Nachts einen
ihrer Knechte durch einen Zaum in ein Pferd verwandelt
und auf ihm zur Hexenversammlung reitet, bis endlich ein
Knecht den Zaum ihr überwirft und sie bei einem Schmied
beschlagen lässt, worauf sie am Morgen zu Bett liegt mit
Hufeisen an Händen und Füssen. Diese Sage kommt auch
in r)eutschland und den Niederlanden mehr oder weniger
322 übereinstimmend mehrfach v(tr, | s. Wolf deutsche Sagen
Nr. 141, Müllenhoff S. 22(1, Wolf niederl. Sagen Nr. 389.
[Hertz, Werwolf S. 75, Petersen, Hufeisen S. (JG, Peter 2, 69,
Strackerjan 1, 3<S3, Bartsch 1. 121. 125. Wucke 2, (57, Dit-
furth. Frank. Volksl. 2. 25 no. 2<s. Henderson j). 133, Schneller
S. 22, Sauve. Folk-lore des Hautes-Vosges p. 175). Rondallayre
J. no. 23.]
)^1. Saij^e von Oiseaii (Ossian).
Der blinde als Oisean versichert, dass er Beine von
jungen Amseln gesehen, die stärker als Hirschschenkel ge-
wesen, und bestätigt dann seine Behauptung, indem er eine
so grosse Amsel erlegt. Zu dieser in mehreren Versionen
mitgeteilten Sage verweise ich auf K. v. K. (illinger's) (Irische)
Sagen und Märchen 1. KU ff., wodurch Campbells Bemer-
kungen ergäuzt werden. [Hyde iSi^lO no. 2.]
32. Der dankbare Tote i).
-lain. der Sohn einer armen Witwe in Barra, aber von
einem reichen Schift'sherrn a(h»ptirt. trifft auf einer Seereise
') Voll ('aiii|)h(:']l iiberschriebeii : Der Soliii der Witwe von Barra.
17. lieber Cam})l>ells Samnilimi;' <;-älisclier MiirclK-n Hl H'J. '2'2\
an der türkischen Küste, wo er landet, zwei Türken, die
einen Leielinam mit eisernen Flegeln misshandeln. Als er
erfährt, dass es die Leiche eines Schuldners ist, der sie nicht
bezahlt hat, bezahlt er die Schuld und bestattet die Leiche.
Weiter tritit't er ein ('hristenmädchen. das verbrannt werden
soll, aber er kauft sie los und nimmt sie mit sich. Die Be-
freite giebt ihm zunächst sehr praktische Ratschläge in Be-
zug auf seine Handelsgeschäfte, die er mit Nutzen befolgt,
dann segeln sie ab und kehren nach P^ugland zurück. In
England bittet sie ihn nach Spanien zu fahren und giebt ihm
Kleider, einen Ring, eine Pfeife und ein Buch mit, mit denen
er dort Sonntags in die Kirche gehen und sich in die Nähe
des Königs und der Königin setzen soll. Er thut alles, -lenes
Mädchen war aber die Tochter des Königs von Spanien, die
entflohen war. weil sie einen General heiraten sollte, den sie
nicht wollte. In jenen Gegenständen erkennen der König
und die Königin die Sachen ihrer T(Mditer. erfahren von dain
ihr Schicksal und bieten ihm ihre Hand an. Er fährt nach
England und holt die Prinzess. Aber jener (ieneral ist heim-
lich auf dem Schiff, und als .lain auf der Rückreise unter-
wegs einmal auf einer Insel aufsteigt, beredet der (ieneral
die Mannscliaft weiter zu segeln. Die Prinzess kommt wahn-
sinnig über den Verlust in Spanien an. dain bleibt | lange '^2'i
auf der Insel, endlich erscheint ein Boot und ein Mann darin,
der Jain nach Spanien fährt, nachdem dieser ihm vorher die
Hälfte des Reichs, seiner Frau und seiner zukünftigen Kinder
hat versprechen müssen. Jain kommt nach Spanien und pfeift
an drei Morgen vor dem königlichen Palast auf seiner Pfeife.
Allemal zersprengt die gefesselte wahnsinnige Prinzess einen
Teil ihrer Fesseln. Am vierten Morgen, als sie ihn hört,
zersprengt sie sie ganz und eilt hinab zu ihm und ist gesund.
Der General wird von Pferden zerrissen und verbrannt, .lain
und die Prinzess halten Hochzeit. Jain wird nach des alten
Königs Tode König von Spanien. Eines Nachts, als er in-
zwischen drei Söhne bekommen hat. klopft es, und jener alte
Mann, der ihn von der Insel befreit, ersclieint und erinnert
ihn an sein Versprechen. Jain ist bereit, aber der Alte
verziciltet und sagt, dass er der (lei.st jenes l(»sgekaiiften
Leichnams sei.
Hier liaben wir eine neue Form des Märchens von dem
dankbaren Toten, und zwar von der Gestaltung, nach
welcher der junge Kaufmann, der den Toden bestattet hat,
auch eine gefangene Jungfrau, ohne zu wissen, dass es eine
Königstochter ist, loskauft und einllich nach mancherlei Ge-
fahren durch die Hilfe des (ieistes jenes Toten ihr (iemahl
am Hofe ihrer Eltern wird, zuletzt auch von dem Versprechen,
dem (ieiste die Hälfte von all dem Seinen, auch von Weib
und Kindern, zu geben, durch den Geist selbst entbunden
wird. Bekanntlich hat Karl Simrock über die Märchen von
dem dankbaren Toten eine eigne Schrift ,der gute Gerhard
und die dankbaren Toten, Bonn 1856' geschrieben, eine
dankenswerte Zusammenstellung, aber mit zu sicherer, vor-
sclineller Deutung aus der deutschen Mythologie. Ich selbst
habe in Pfeiffers (iermania M. l!»!)---20!» [oben S. .VJ Nach-
träge dazu geliefert, indem ich auf ungarische, polnisclie und
armenische Märchen und besonders auf die "histoire de dean
de Cahiis' verwiesen habe. Diesen Nacliti'äge]i habe ich aber
ausser dem vorstehenden gälischen Märchen nocli folgende
jetzt hinzuzufügen.
In zwei spanischen Romanzen, die zu d(Mi sogenannten
Vulgärromanzen gehören, bei Duran ronnincei'o general, Ma-
drid 1S49 -1851. 2. no. 1291 und 12;)2 M wird erzählt: Ein
H24 jun- ger venezianischer Kaufmann kauft in Tunis (h:'n Leich-
nam eines ("bristen, dem sein Gläubiger die Bestattung ver-
weigert, los und bestattet ihn. Zugleich triff't er l)ei jenem
Gläubiger eine christliche Sklavin, deren F^efreiung er er-
wirkt, indem er vorgiebt, sie sei eine Jüdin. Er reist mit
ihr nach Venedig und hält mit ihr Hochzeit, obwohl sie ihm
vorläufig nähere Auskunft über sich verweigert. Beim Hoch-
zeitsfest lernt ein Schitt'skapitän ihn kennen und ladet ihn
') Ferdinand AVolf Studion zur (Tescliichte der spanisclien und
portugiesischen Nationallitteratur S. 547 erwähnt diese Romanze und ver-
weist aiif Sinirocks Buch und die weiter unten näher zu besprechende
enirlisclie Roniance of Sir Amadas.
17. rclxT ('ani|ilH'l|s Saiiiiiilinii;' <;;iliscli('r .Miirclicii S2. '2'2'A
nebst seiner Krau /n einem liesnclie auf seinem Schiffe ein.
Wälii'end sie nun auf dem Schifte sind, lichtet dies unl)emerkt
die Ankei". inid auf otfeuer See lässt der Kapitän (h'u jungen
Mann ins Meer werfen. Kv schwimmt auf einem Brette die
Nacht durch und erreicht am Morgen eine Küste, wo er landet
und einen Kinsiedler trift't. Nach sieben Monaten schickt ihn
der Kinsie(ner an die Küste, dort iimlet er ein Scliiff und
fidirt mit ihm ab. Als sie nach Irland kommen, beauftragt
ihn (h'i' Ka|)itän, Hriefe an (Umi Kiinig zu überbringen. In
dem einen Briefe steht, dass der Ueberbringer ein grosser
Arzt sei. der schon durch seinen Anblick die kranke K(inigs-
tochter Isabel heilen werde. Diese Königstochter ist aber
die (lattin des A'enezianers uml tM'kennt ihren (iatten sogleich.
-lener treulose Kapitän hatte sie in ihre Heimat gebracht und
war vom König, dem sie alles entdeckt, hingerichtet worden.
In dem andei'u Bi'iefe steht, dass das Brett, auf dem der
junge Mann sich rettete, der Einsiedler und dev Kai)itän. der
ihn nach Irlaiul führte, der (leist jenes losgekauften und
bestatteten Leichnaius gewesen sei, der diese verschiedenen
Gestalten angenommen habe. Der Venezianer wird Nach-
folger des Königs.
In dieser spanischen (iestaltung der Sage fehlt die von
dem (leiste gestellte Bedingung der späteren Teilung. Duran
bemerkt zu der Bomanze, sie gründe sich auf eine sehr alte,
fromme ^'olkslegende. die im 17. Jahrhundert den Stott" zu
verschiedeneu Dramen geliefert habe, daiainter 'Kl mejor
amigo el muerto. de tres ingeniös', worunter Calderon, und
der Don Juan de Castro von Lo|)e do \'ega. Dei' Dichter
der Romanzen habe viele Abenteuer der Legende und viele
Ritterthaten der | Dramen weggelassen. Leider weiss ich von h25
jener Legende nichts näheres, und die genannten Dramen
sind mir ebenfalls unzugänglich. [Vgl. oben S. "29.1
Nach einem altenglischen (ledichte bei Weber metrical
romances H, 241 ft". zog einst ein Kitter Sir Amadas, als er
verarmt war und nur noch vierzig Pfund besass. in die AVeit.
In einer Kapelle traf er eine Dame neben der unbegrabenen
Leiche ihres vor l(i Wochen verstorbenen Gatten sitzend.
•224 ^^^^' -^iHrc'heiiforscliunü,-.
Derselbe war Kaufmann gewesen und mit vielen Schulden
gestorben. Alle hatte sie bezahlt bis auf 30 Pfund, und des-
halb duldete der Gläubiger nicht, dass die Leiche begraben
wurde, vielmehr wollte er sie von Hunden zerreissen lassen.
Sir Amadas bezahlte die 80 Pfund und Hess die Leiche feier-
lich bestatten, so dass er all sein Geld ausgab. Als er
hierauf im Walde dahinreitet und seine Armut überdenkt,
gesellt sich plötzlich ein Ritter in weisser Rüstung und auf
weissem Ross zu ihm und verspricht ihm die Tochter des in
der Nähe herrschenden Königs zu verschaffen unter der Be-
dingung, dass Amadas später, sobald er es verlange, all seinen
Besitz mit ihm teile. Sir Amadas begiebt sich nun an den
königlichen Hof, wo er sich für den Eigentümer eines ge-
strandeten reichen Schiffes, das ihm der weisse Ritter gezeigt
hat, ausgiebt und die Hand der Prinzessin erhält. Als er
bereits einen kleinen Sohn hat, erscheint plötzlich der weisse
Ritter und verlangt die Hälfte von Weib und Kind. Anfangs
widerstrebt Amadas. endlich aber auf Zureden seiner mutigen
Gemahlin erklärt er sich bereit und will sie mit seinem
Schwerte zerteilen. Da aber giebt sich der weisse Ritter als
den Geist jenes Kaufmanns zu erkennen und entbindet Sir
Amadas seines Versprecdiens und verschwindet wie Tau vor
der Sonne. — Diese Dichtung ^) nähert sich den mittelhoch-
326 deutschen Erzäh-jlungen von der , Rittertreue' und von dem
,,]ungherrn und dem treuen Heinrich' und dem französischen
.Herzog Herpin' (vergl. Simrock S. 100 ff".). [Hippe, Archiv
f. neuere Spr. JSl. 156.J
') Weber verweist S. 376 auf eine Bemerkung Gifford's zu Massingers
Tragödie ,the fatal dowry'. In dieser Tragödie nämlich lässt sich der
Held, der Sohn eines verdienstvollen, aber im Scluildgefäno;niss ge-
storbenen Marschalls ins Gefängnis setzen, um der Leiche des A^aters
die Bestattung, welche seine Gläubiger nach dem Gesetz verhinderten,
zu verschaffen. Der Herausgeber Massingers, Giiford, erinnert nun zu
dem Verse der zweiten Szene des ersten Aktes: ,denying him the decent
rites of burial' an das Gesetz des ägyptischen Königs Asychis (Herodot 2,
136) und sagt dann: In Imitation of this monarch, modern states have
sanctioned the arrest of a person^s dead body, tili his debts be paid. —
Massinger lässt übrigens den einen der Gläubiger aucli noch einen be-
17. Uclier Ciiniplx'lls 8;niiniluiii'' giilitschor MärcluMi ;->2. '2'2f)
ünvollstäiidiii, und entstellt ist ein siehenbürgisches
Märchen bei flaltrich Nr. i). Ein Kautinannssuhn lässt einen
Toten, dessen Bestattnng niemand bezahlen will, beerdigen.
Dann findet er an einem Kerkerfenster ein schönes Mädchen
stehen. Es war die Königstochter, die verkleidet in die
Hänser der Armen ging nnd von der AVache, die einen Dieb
snclite, verhaftet war. Der Kaufmannssohn befreite sie. indem
er hnndert (inlden dem (iericht zahlte, und die Prinzessin
schenkte ihm einen Eing. Vom Vater, der ül)er die nnnützeu
Ansgaben erzürnt ist, verjagt, zieht er hernm, bis ihm ein
alter Mann — nach einigen Erzählern eine alte Steingeiss(!) —
erscheint und ihm ein grosses Glück zu verschaffen verspricht,
wenn er ihm nach 7 Jahren die Hälfte von allem, was er
liabe, verspreche. Der Jüngling verspricht es, nnd der Alte
lieisst ihn in die Stadt zur Königstochter gehen. Die Prin-
zess erkennt ihn nnd wählt ilm zum (Jennihl. Nach 7 Jahren
erscheint der Alte nnd verlangt von allem die Hälfte, auch
eins der beiden Kinder, und zuletzt die Frau. Der Jüngling
kann sich nicht entschliessen, sie zu teilen, und will sie. um
sein Versprechen zu halten, dem Alten ganz geben, der ihn
aber nun ob dieser Treue alles behalten heisst und ver-
schwindet. Dass er der Geist jenes Toten ist. sagt er nicht.
Mit dem Märchen, welches Simr^ck (der gute Gerhard
S. 89) nach mündlicher Ueberlieferung am Fusse des Tom-
berges mitteilt, wonach der edelmütige Königssohn durch
Hilfe des I dankbaren Toten die Hand einer Prinzessin erlangt, 327
die mit einem Zauberer in Verbindung steht und ihren
Freiern aufgiebt dreinuil ihre (iedanken zu erraten, stimmt
sonderen Grrund angeben, warum or wünsrht, dass die Loii'he des Mar
Schalls unbeerdigt bleibe:
— — — I liave a sun
That talks of nothing bat uf guns and arniuur.
And sweai's he ^11 be a soldier; 't is an humour
I would divert him from ; and I am told
Tliat if I minister to him, in his drink,
Powder made of tliis bankriipt marshal's bones,
Provided that tlie oarcass rot above ground,
'T will eure his foolish t'renzy.
R. Kühler, Kl. Schriften I. 15
92B Zur Märchent'orschung-.
in den Hauptziigeii ein Märchen Andersens .der Reise-
ktunerjub (Gesammelte Märchen, Leipzig 1847, 111, (S5) überein
und würde wahrscheinlich noch genauer stimmen, wenn wir
es rein ans dem Volksmund oline die Andersenschen Aus-
schmückungen hätten. Nicht einem toten Raben, sondern
einem Schwan schneidet bei Andersen der Geist die Flügel
ab. Die Gegenstände, welche die Prinzess als die, an welche
sie denke, dem Freier zu raten aufgiebt, sind ihre Schuhe,
ihre Handschuhe und der Kopf des Zauberers. In der Hoch-
zeitsnacht muss der Bräutigam die Prinzess auf Rat des
Geistes erst in ein Fass mit Wasser, worin er drei Federn
aus den Schwanenflügeln uiul drei Tropfen aus einer vom
Geiste erlialtenen Flasche geschüttet, stossen. Beim ersten
Untertauchen wird sie ein schwarzer Schwan, beim zweiten
ein weisser mit einem schwarzen Ring um den Hals, beim
dritten wird sie wieder zur Jungfrau uiul ist ganz entzaubert.
Auch in England Hndet sich diese (iestaltung des
Märchens, aber mit einigen Aenderungen und durch unver-
ständige Vertle(;htung in das Märchen von -lack dem Riesen-
toter entstellt (Halliwell populär rhymes and nursery tales
S. ()7, der eine 1711 zu Newcastle-on-Tyne gedruckte Aus-
gabe v<»n -lack the Giaut-Killer benutzt hat). Hiernach zieht
ein Sohn des Köiügs Artur aus, eine schöne Lady, die von
7 Geistern besessen ist, zu freien. Unterwegs trift't er eijien
Lei(dinam, den die Gläubiger nicht beerdigen lassen wollen,
bezahlt die Schuld und lässt ihn begraben. -Ia<'k der Riesen-
teiter war zufällig in derselben Gegend und Zeuge der edlen
That des 1^-inzen und bietet ihm seine Dienste an. Sie
ziehen zusammen weiter, und -lack erhält unterwegs durch
List von einem Riesen — die näheren Umstände gehen uns
hier nichts an — einen Mantel, der unsichtbar macht, eine
Kappe, die Weisheit verleiht, ein S(diwert, das alles zer-
schneidet, und ein Paar Schulie von grösster Sc'hnelligkeit.
Als sie dann zu der scheinen Lady kommen, giebt diese dem
Prinzen ein Mahl. Nach Tische wischt sie sich den Mund
mit einem Tuch, steckt es ein und giebt dem Prinzen auf,
es ihr am nächsten Morgen vorzuzeigen. In der Nacht lässt
17. Uoltci- Caniphells Saiinnliiiii;' giilisclier Märchen o2. 2'27
.sie sich Vdii eiuein (liensti)areii (ieiste zu dem bösen (Jeiste
trai-eii | und ül)ergiebt ihm das Tuch. Jack a])er, der durcli :i28
die Ka|)i)e dies weiss, ist in dem Mantel und mit den Seliidien
nachgeeilt, und hat das Tuch genommen und dem Prinzen
gebracht, der es am Morgen der Dame vorweist. x\m Al)eud
giebt sie ihm nun auf, ihr am nächsten Morgen die Lippen
vorzuzeigen, die sie die Nacht küssen werde. In der Nacht
fliegt sie zu dem bösen Geiste und küsst ihn. Jack aber ist
ihr unsichtbar gefolgt und haut dem (leiste mit dem Schwerte
den Kopf ab. Am Morgen zeigt der Prinz den Kopf der
Dame. Da weichen die Geister von ihr, und sie hält mit
dem Prinzen Hochzeit. Jack wird für seine Dienste vom
Kfinig Artur zum liitter der Tafelrunde gemacht.
In dieser englischen Fassung haben wir also die den
ganzen Sinn des Märchens zerstörende Aenderung, dass nicht
der Geist des Toten selbst sich dem barmherzigen Jüngling
dankbar erweist, somlern Jack — weil ihm jene edle That
gefallen hat — in seine Dienste tritt und ihm hilft. An Statt
inneren Zusammenhangs tritt hier eine ganz äusserliche. zu-
fällige Verbindung. Wahrscheinlich ist das ^lärchen ursprüng-
lich in echter (iestalt auch in England bekannt gewesen und
erst später mit dem von Jack verbunden worden.
Indem in den letztgenannten Märchen der daukbare Tote
seinem Wohlthätei- zum Besitz einer mit bTisen Geistern oder
Zauberiu'n verkehrenden Jungfrau verhilft, stellen diese Mär-
clien mehr als alle andern, von Simrock und mir beigebrachten
dem armenis(;hen Märchen nahe, welches i('li Gernutnia '^,
'2{)'2 f. 1= oben S. 1()| besprochen habe. Benfey Pantscha-
tantra 1, iHi) ii'. sieht mit grosser Wahrscheinlichkeit in dem
armenischen Märchen eine Form des Originals des Märchens
von dem (lankl)aren Toten und in dem russischen, von ihm
zuerst verglichenen Märchen von Sila Zarewitsch und Iwaschka
mit dem weissen Hemde (Dietrich Nr. Ki) das Mittelglied
zwischen der armenischen (orientalischen und occidentalischen
Fassung ^). |
') Benfey hat nur meine Xachträge in der Germania zu Siinrocks
Bucli, nicht aber dieses selbst gelesen. Deshalb glaubt er Straparola XI, 2
lö*
228 '^ur Märchinifur^chung.
329 Kiiiv lächerliche Entstelhmsi des Märchens tindet sich in
den Contes popuhiires de la Gascogue par Cenac Muucaut.
Paris ISdl. S. ö. Der insolvente Schuldner stellt sich hier
nur tot. um den Quälereien der (Gläubiger zu entgehen, und
als rfean du Boucau einen Sarg herbeisciiaffen lässt und ihn
begraben will, erhebt er sich und erhält von Jean reichliche
Unterstützung. Hierauf wird er Corsar. nnd als solcher gerät
er und sein Schiti". auf dem sich unter anderen christlichen
Gefangenen auch zwei Prinzessinnen von Bilbao befinden,
nach sechs Jahren in die Gewalt Jeans, der auf Corsareu
Jagd macht. Das Schiff wird in der Nähe jener Stadt ge-
entert, wo Jean ihn einst hatte bestatten wollen. Jean führt
ihn in jene Stadt, steckt ihn in den sich noch vorfindenden
Sarg und wirft ihn ins Meer. Die Tochter des Königs von
Bilbao heiratet Jean. [Oben S. 80.]
Sehr entstellt ist auch ein böhmisch es Märchen, Waldau,
böhmisches Märchenb. S. 2]."!. [Ferner vul. oben S. 21.]
Lm schliesslich luicli einmal auf das gidische Märchen
zurückzukommen, so hat dies mehrere ihm eigene Züge.
Abgesehen von einigen unwesentlichen Zügen aus dem Schift'er-
leben und Heringshandel Barras erinnere ich besonders an
die eigne Art, wie die Königstochter ihren Eltern in Spanien
Nachriclit durch -lain zukommen lässt. und wie zuletzt Jain
vor dem Schloss an vier Morgen auf einer Pfeife bläst und
die wahnsinnige Königstochter allemal einen Teil ihrer Banden
zerreist und beim vierten Mal auch genesen ist.
Camplitdl findet in dem Märchen lokale Schilderungen
und kaufmännische Grundsätze vermischt mit einer Liebe-S-
geschichte und einem alten Märchen, .welches Grimm in
Deutschland fand und Andersen einem seiner besten Märchen
zu Grunde gelegt hat.' Das Märchen V(m Audersen habe
ich oben besprochen, was für ein hierher gehöriges Märchen
von Grimm Campbell aber meinen kann, weiss ich nicht.
zuerst hierher gezogen zu haben. Das böliniisehe Märchen, auf welches
er S. 221 (Bozeny Xemcove, Xärodni Bachorkv a Povesti, Prag 1854,
V 27 — 40) verwoist, i>t mir leider unzugänglich.
17. lieber Campbells Saitiiiiliing- gälisclier Märchen 32 — 3(). 229
33. Die KöniiL^stocliter und der Froscli.
Eine kranke Königin schickt ihre Töchter zn dem Brunnen
des wahren Wassers, um einen Trunk zu ihrer Heilung zu
holen. Nur die dritte jüngste erhält Wasser, nachdem sie
einem | Frosch versprochen ihn zu heiraten. Der Frosch er- sho
scheint im Schloss und driugt auf Erfüllung des Versprechens.
Sie muss ihn in ihr Bett legen, und er fordert sie auf ihm
das Haupt abzuschlagen. Nun wird er ein schöner junger
Mann, ein Kcjuigssohn, der verzaubert war.
Campbell verweist auf (himms Froschkönig (Nr. 1) und
auf das schottische Mriichen bei Chambers (Populär rhymes
of Scottland, 3. ed., Edinburgh 1X47, p. 23(1). Das gälische
Märchen stimmt besonders mit der hessischen Fassung, die
Grimm in den Anmerkungen giebt. Englisch findet es sich
bei Halliwell populär rhymes and nursery tales p. 93.
[Grundtvig 3, 66. | Aus der Gegend von Dünkirchen teilt es
in den Grundzügen mit Baecker de la religion du u(ird de
la France avant le christianisme, Eille 1854, p. 'is:;.
S. 134 giebt Campbell Notizen über keltischen Brunnen-
kultus.
34. rrspruiig* von Loch Ness.
Etymologische Sage.
35. Conall.
Keltische Heldensage. Conall ist der Sohn eines Königs
von Erin und der Tochter eines Sclimieds und wird endlich
nach mancherlei Abenteuern Krmig. Darin kommt der schöne
Zug vor, dass der Schmied bei seiner Rückkehr gleich weiss,
dass ein Mann bei seiner Tochter gewesen. .Thou hadst a
maiden slow eye-lash when 1 weiit out: thou hast the brisk
eye lash of a woman now !'
3(>. Mag:liaeli Colgar.
Keltische Heldensage. [Macdougall 1891 p. 271.]
230 '^i"' Älüi'L'lieni'ürsclumg.
37.
S. 189 wird von einem stummen Kind einer Wasserfrau
erzählt, welches nur ,Icli' sagen kann. Es wird einst von
einem Knaben verbrannt und kann der Mutter, die ihn nach
dem Thäter fragt, nur sagen ,lcli'.
8. 191. Ein Wasserross fragt ein Mädchen, wie sie heisse.
Sie sagt: ich selbst. Als es das Mädchen dann rauben will,
verbrüht sie es mit heissem Wasser, und als die andern
AVassergeister fragen, wer es so zugerichtet, antwortet es:
Ich selbst. I
381 S. 19-i. Aehnliche Erzählung V(in der Insel Man.
('ampbell erinnert an die List des Odysseus bei Polyphem,
aber genauer noch stimmen deutsche, französische, schottische,
ehstnische Sagen, wo die listigen Sterblichen vorgeben, ihr
Name sei Selbst- oder Selbergethau. Die überlisteten sind
meist Wesen eibischer Natur, Zwerge, Wassernixen, und ge-
wöhnlich werden sie von den Mens('hen durch Feuer verletzt,
meist verbrüht.
Vgl. Nachweise bei Kuhn und Scliwartz norddeutsche
Sagen. Anmerkung zu Nr. 111, bei Manidiardt in der Zeit-
schrift für deutsche Mythologie 4, 96 f. und W. (Irimm Polyphem
S. 24. wozu man noch ein Märchen aus der Bukowina, Zeit-
schrift für deutsche Mythologie 2, 'ilO füge. [.lecklin 1, 32.
3, 68, Alton p. (JS. 121, Pellizzari 1, (U). Oerm. 28, 108,
Sauve p. 239.]
Unter Nr. 37 teilt Campbell noch mancherlei mit über
Wassergeister.
38. Munichadh Mac Uriaii.
Nicht durchweg klare Bruchstücke einer alten bardischen
Dichtung, deren Hauptinhalt dreimalige Entführung und
Wiedergewinnung einer Frau. 1
486 39. List und Leichtgliiiibii'keit ^).
Drei Witwen haben drei Söhne. Der eine. Domhnull,
hat vier Stiere, die andern nur zwei. Eines Nachts töten
sie DomhnuUs Stiere. Dondmull zieht den Stieren die Häute
') Von Ciiiiipliell üix r-cliri(:'li(Mi : die drei Witwen.
17. Ueber Campbells tSaiiunliiiii;- gälischor Märclien ;-i7— 39. 231
ab und will sie in der Stadt verkaufen. Unterwegs fängt er
in einer Haut einen Vogel und verkauft ihn als Wahrsager
einem Mann in der Stadt für "200 Pfund. Die heiden Feinde
töten nun ebenfalls ihre Stiere, erhalten aber in der Stadt
nicht so viel Geld dafür wie Domhnull. Aus Rache werfen
sie seine Mutter in einen Brunnen. Domhnull zieht die l^eiche
heraus, zieht ihr die besten Kleider an, trägt sie in die Stadt
und setzt sie an einem Brunnen beim kr»niglichen Schloss
nieder. Dann veranstaltet er. dass eine .Magd des Königs
die Alte (dine zu wollen in den Brunnen stösst, worauf ihm
der König 500 Pfund zur Entschädigung giebt. Den beiden
Feinden sagt er, in der Stadt bekäme man für tote alte
Weiber viel Geld. Diese töten nun auch ihre Mütter. l)e-
kommen aber natürlich in der Stadt nichts. Z(n-nig ergreifen
sie zurückgekehrt Domhuull und stecken ihn in ein Fass und
schleppen es tVtrt, um es von einem Felsen herunter zu rollen.
Unterwegs kehren sie einmal ein und lassen das Fass auf
der Strasse stehen. Ein Schäfer zieht ! vorüber, und Domhnull 4H7
ruft ihm aus dem Fasse zu, dass er darin viel Gold und
Silber finde. Der Schäfer lässt ihn heraus und sich selbst
hinein stecken. Dondmull zieht mit den Schafen fort, seine
Feinde aber rollen nachher das Fass mit dem Schäfer den
Felsen herab. Auf dem Rückweg aber begegnet ihnen zu
ihrem gr(')ssten Staunen Domhnull mit der Heerde und sagt
ihnen, er sei aus jener Welt wieder entlassen worden ninl
habe die Schafe geschenkt bekommen. Nun gehen sie mit
Domhnull an jenen Felsen und lassen sich hinabrollen.
Zweite Versi(»n.
Ribin und Robin töten aus Misgunst eine von ihres Nach-
bars Levis Kühen. Levi zieht der Kuh die Haut ab und geht
zur Stadt. Dort täuscht er durch einige in die Haut gesteckte
Goldstücke einen Mann, indem er vorgiebt. die Haut bezahle
stets die Zeche, und bekommt von ihm 100 Mark. Ribin
und Robin töten nun auch ihre Kühe und halten vergeblich
die Häute in der Stadt feil, da sie einen gleich hohen Preis
wollen. Aus Rache töten sie Levis Mutter. Levi zieht die
232 2iir Märelienforscliung.
Leiche gut an. trägt sie in die Stadt, setzt sie auf einen
Brunnenrand und weiss es zu veranstalten, dass der Sohn
des Provosts sie in den Brunnen stösst. Der Vater zahlt
ihm 500 Mark Entsrhiidigung. Nun sagt er seinen Xaclibarn,
in der Stadt bezahle nicin alte Weiherleichen hocli. um Pulver
aus ihren Knochen zu machen. Die l)eiden erschlagen des-
halb ihre Mütter auch, bekommen aber kein Geld in der
Stadt. Als sie dann Levi zur Rede setzen wollen, ladet er
sie zu (iaste, und während des Mahls schlägt er scheinbar
seine Frau, mit der er alles verabredet, tdt und erweckt sie
durch Horidjlasen wieder. Die Nachbarn versuclien dies auch
an ihren P'rauen. die aber tot bleiben. Sie wollen nun an
Levi sich rächen, der aber fiielit. Unterwegs trift't er einen
Schäfer, sagt ihm. zwei verfolgten und wollten ihn töten, er
möge mit ihm die Kleider tauschen und Hielien. Die Nach-
barn erreichen di'M Schäfer, lialteii ihn für Levi iiiid stürzen
ihn in einen tiefen Sumpf. Am nächsten Tag aber treffen
sie Levi mit seiner Heerde. Er giebt vor, die Heerde im
Sumpfe gefunden zu hal)en. und sie lassen sich nun von ihm
hineinstossen.
Dritte Versi<»n.
Brian verkauft einem Kaufmann ein Pferd, das Gold-
488 und I Silbermünzen fallen lassen sull. dann zwei Hörner. durch
deren Klang er seine scheinbar getötete Frau wieder belebt,
entrinnt aus einem Sack, in dem ihn der Kaufmann ins Meer
werfen will, erscheint mit einer Heerde wieder, und beredet
den Kaufmann, dass er sich ins Meer stossen lässt.
Vierte Version.
Zwei Nachbarn töten Hughs Kuh. Er verkauft die Haut
der Kuh teuer, weil er vorgegelten, sie gebe bei jedem Schlage
Geld von sich. Jene töten nun auch ihre Kühe, (ietäuscht
bereden sie sich Hugh zu töten. Der al)er hat sie belauscht
und vertauscht mit seiner alten Schwieger das Bett, die nun
getötet wird. Hugh setzt die Leiche auf einen Brunnenrand,
ein Hirt stösst sie ohne zu wollen hinein und muss Hugh
100 Mark zahlen. Die Nachbarn tiiten nun auch ihre alten
17. Ueber Caiiipliells Saninihuii;' gälisclier ^lärclicii .'>!(. 283
Seil wiegern, halten sie aber in der Stadt vergebli(di feil.
Hieranf tötet er scheinbar seine Frau, belebt sie aber durch
den Ton eines Horns wieder. Dies machen die Nachbarn
nach und tr»ten so ihre Weiber. Wütend ergreifen sie Hngh
und stecken ihn in einen Sack und tragen ihn fort, um ihn
zu ersäufen. Unterwegs kehren sie ein und lassen den Sack
auf der Strasse. Hngh beredet einen Schäfer, sich an seiner
Stelle in den Sack stecken zu lassen, indem er ihm sagt,
man wolle ihn an einen Ort schleppen, wo er keine Kälte,
keinen Hunger, keinen Dnrst spüren solle. Als er dann mit
des Schäfers Heerde den beiden erscheint, sagt er ihnen, er
habe die Heerde im (Jrunde gefunden, worauf diese sich ins
Wasser stürzen.
Campbell macht aufmerksam nuf die (Weichheit mit dem
norwegischen .Store-Peer og Vesle-Peer' ( Asl)j(irnsen Nr. ,54,
bei Dasent S. 8,S7), auf Grimms .Bürle- (Nr. (il) und auf
Straparolas Novelle 1, '4.
Das Märchen ist eins der verbreitetsten und lindet sich
fast überall in Europa in verschiedenen Formen. Zugleich
geh<irt es zu der Zahl der Märchen, von denen wir schon eine
Aufzeichnung aus dem frühern Mittelalter aufweisen können.
AVir finden es nämlich bereits als lateinisches (iedicht
des 11.. vielleicht di'.ti 10. dahrluinderts (Ijateinische (Jedichte
des 10. uml 11. dahrhundcrts. Iirg. v. J. (Jrimm und
A. Schmeller. S. H,")4 tf.. wozu man die Textverbesserungen
in Haupts ; Zeitschrift 1>. H!)s f. vergleiche). Ob dasselbe 489
in Lothringen, den Niederlanden oder westlicher in Frank-
reich verfasst sei, wagt Grimm nicht zu bestimmen. Ein
armer Bauer — so erzählt das (Jedicht — hat nur einen
Ochsen und wird deshalb Einochs (Fnibos) genannt. Auch
dieser fällt ihm, und er verkauft für geringes Geld seine Haut
in der Stadt. Auf dem Hückweg aber findet er einen Schatz.
Zu Hause borgt er vom Präpositus ein Mass, um das Geld
zu messen, der Präpositus belauscht ihn beim Blessen und
beschuhligt ihn der Räuberei. Er aber sagt, er habe das
Geld für die Haut bekommen, da Häute jetzt ho(,'h im Preise
ständen. Der Präpositus. der Major und der Presbyter des
•^34 ' 2i''' Märolienforschung.
Dorfes schlacliteii nun ihr Vieh imd fahren die Häute in die
Stadt, wo sie sich natürlich getäuscht seilen und noch Händel
bekommen. Wütend eilen sie zu Einochs. Der aber thut,
als hätte er im Zorn eben seine Frau erschlagen, erweckt
sie aber dann durch dreimaliges Trompetenblasen. Die
wiedererweckte Frau, die sich von dem Blute, mit dem er
sie beschmiert hatte, wäscht und gut anzieht, scheint den
dreien schöner als zuvor, und sie kaufen die Trompete, um
ihre Frauen zu verjüngen. Als sie ihre P>auen getötet haben
und sie nicht wieder erwecken können, eilen sie wieder zu
Hinochs. Der hat indess seiner Stute Geld in den Hintern
gesteckt und giebt vor, sie gebe Geld von sich. Jene ver-
gessen wieder ihren Zorn und kaufen die Stute. Als sie
bald den F^etrug erkennen, gehen sie zu Einochs und er-
greifen ihn. Fr bittet sich die Todesart aus: in einer Tonne
ins Meer geworfen zu werden. Sie fesseln ihn und stecken
ihn in eine Tonne. Am üfer aber lassen sie. von ihm an-
geregt, die Tonne stehen und gehen erst noch einmal in eine
Schenke. Ein Schweinehirt zieht mit seiner Heerde vorüber
und Einochs ruft aus der Tonne ,lch will nicht Probst werden'
und erzählt dem Hirten, er solle, weil er nicht Probst werden
wolle, ersäuft werden. Der Hirt (iffnet die Tonne, lässt ihn
heraus und sich sell)st hineinstecken. Einochs zieht mit der
Heerde fort, jeuer aber wird ersäuft. Nach drei Tagen er-
scheint Finochs wieder mit seinen Schweinen, die er im xMeer
gefunden zu haben vorgiebt. Da stürzen sich die drei auch
hinein, nachdem ihnen L nibos die tiefsten Stellen, wo die
Schweine seien, gezeigt, und sie im Rauschen der Wellen
das Grunzen der Schweine gehört haben. |
490 Ich lasse nun die deutschen Märclieu folgen. In Valentin
Schumanns^) Nachtbüchlein (155U, vgl. Gödeke Grundriss
zur Geschichte der deutschen Dichtung S. 375) wird (Nr. (>)
erzählt: Ein Bauer, i^iniiini, hat sich durch Schalkheit ver-
*) Seluiniaiuis Erzähhiui;- hat Güilcke in Pfeiffers Germania 1, :ü.')9 f.
im Auszug- mitgeteilt. Leider ist mir das Original nicht zugänglich.
[Köhler hat (ierm. 18, 15;} — 158 einen wörtlichen Abdruck geliefert.
Dann Sclwunann-, Naclirhi'.chlciii ed. Rulte ls!t3 no. t;].
17. UeliLT (.'am|)lit'lls 8animliiiig giUischer .Märchoii 89. '2'Ab
liasst geinaclit. Die Bauern werfen ihm seinen Backofen ein.
Er st(isst tlen roten Leim klein, tliut ihn in einen iSaek und
geht nach Augsburg. Eine Wirtin ghuibt. im Sacke sei Gold
und schiebt ihm einen Sack mit Pfennigen unter. Einhirn
erzählt zu Hause, er habe für den Ofentln)n (his Gehl be-
kommen. Nun zerschlagen die Bauern ihre Backöfen uiui
\V(dlen den Thou in Augsburg verkaufen, (ietäusclit erschlagen
sie Eiidiirns Kuh. Er zieht ihr die Haut ab uiul verkauft
sie in Augsburg, ^'(nl der Gerl)ersfrau, deren verliebter Be-
gierde er zu WiUeu ist. die er aber dann ihrem Manne ver-
raten will, erpresst er l(H) Gulden uml giebt zu Hause vor,
sie für die Kuhhaut erhalten zu haben. Da schlachten die
Bauern ihre Kühe und fahren die Häute nach Augsburg. Wie-
der hier getäuscht, erschlagen sie ihm aus Hache seine Mutter.
Er stellt die liciche in den Eahrweg. wo sie ein Fuhrmann
überfährt, den er des Mordes lieschuldigt und der ihm aus
Angst Wagen und Pferde lässt. Endlich stecken ihn die
Bauern in einen Sack, nni ihn zu ertri'inkeii. Inireu aber zu-
vor eine Messe. Einliirn schreit im Sack ,lcli will es nicht
lernen" nud lügt einem vorüberziehenden Schweineliirteu vor,
sein Vater wolle ihm die Goldsclimiedeknnst lernen lassen.
Der Hirt lässt sich in den Sack stecken und wird ersäuft.
Abends erscheint Einhirn mit den Schweinen im Dorf. Die
Bauern beschliessen luin, einen der ihren auch ins Wasser
zu werfen. Wenn er anf dem Boden Schweine sehe, solle
er die Hände em[)()rwerfen. Der hhirinkeiule thut dies und
sie springen alle nach. '*
Dies ist die einzige bekannte ältere schriftliche deutsche
üeberlieferung. Im Volksmuiule sind bis auf die neuere Zeit
folgende Fassungen umgegangen. In Ditmarschen (Müllen-
hoft' S. 4(11): Reiche Bauern tfiten die einzige Kuh eines armen
Bauern, die auf ihre AVeideplätze gelit. Der Arme verkauft
in der Stadt die Haut einem Dieb und erhält dann von dem
Diebe, | dem er zu entkommen verhilft, nachdem er einen 491
Diebstahl ausgeführt, die Hälfte des gestohlenen Geldes. Zu
Hause borgt er vom Nachbar ein Mass zum (ieldmessen und
lässt einige (icldstücke darin stecken. Es folgt nun der Ver-
236 Z"'" Märohenforschung.
such der Bauern, ihre Kuhliäute ebenso teuer zu verkaufen.
Enttäuscht wollen sie Dummhansen nadits erschlagen; der
aber hat vorsichtig seinen gewiihiilichen Platz mit seiner
Grossmutter vertauscht, die die Bauern an seiner Statt er-
schlagen. Dummhans nimmt die Leiche mit in die Stadt und
setzt sie auf den AVagen mit einem Obstkorbe, duden wollen
Aepfel kaufen, die Alte antwortet nicht, da stösst sie einer
mit einem Stock an und sie fällt um. Dummhans ruft Mord
und erpresst von den duden viel Geld. Den Bauern erzählt
er, die alten Weiberleichen würden in der Stadt sehr teuer
bezahlt. Die Bauern erschlagen ihre Grossmütter, fahren zu
Markte, werden dort als Mörder gefasst und müssen schweres
Geld zahlen. Zornig ergreifen sie zu Hause den Dummhans,
stecken ihn in eine Tonne und wollen ihn in einen Teich
werfen, kehren aber unterwegs in einem Wirtshaus ein. Es
folgt nun der Tausch mit einem vorbeiziehenden Scljafhirten.
Dummhans ruft Arh soll die Kiinigstochter haben, mag sie
aber nicht'. Die Bauern springen dann auch in den Teich.
Die sich im Wasser spiegelnden Wölkchen halten sie für
Schafe und glauben Dummhansen umsomelir. Der erste Er-
trinkende ruft Blubbleblubb. was Dummhaiis auslegt: Er hat
schon einen grossen Bock.
In einer andern Fassung S. 4()4 kommt auch, wie im
IJnibus, das Geld von sich gebende Pferd und die Tote er-
weckemle Fbite vor.
In Vorarlberg (Vonbun Sagen Xr. 78) erzäliit man:
Einem armen Bauern töten die aiulern Bauern seine
einzige Kuh, die auf ihre Weiden geht, und zerlöchern nocli
obendrein ihre Haut. Der Arme trägt sie in die Stadt, eine
Gerbersfrau will sie ihm natürlicli nicht abkaufen, schenkt
ihm aber einen alten Trog, in dem — was sie nicht weiss —
ihr Büblein schläft. Dadurch erpresst dann der Bauer
](H) Thaler von ihr. Die Bauern töten auch ihre Kühe,
durchbichern die Häute und fahren sie zur Stadt. Enttäuscht
beschliessen sie, nachts das Bäuerle zu töten: der aber inirt
davon und taus(dit mit seiner Frau die Lagerstatt. Die Leiche
4i)2 der Frau 1 trägt er auf die Landstrasse, wo sie ein Herr
17. Ueber Caiii])l)clls Saniinimii;- ijälisclier Märclieii :>'.». -J-^T
Überfährt, der dem klageiideii Hauern Ku.ss und Wagen zur
Kutsehädigung giebt. Nuu tüten die Bauern ihre Weiber.
Dann folgt die Gesehicdite mit dem Sacke, mit dem Scliweine-
hirteii u. s. w. Der Bauer ruft .Die Königstochter mag ich
nicht- und erzählt: wer sieben Stunden im Sacke aushalte,
solle die Königstochter bekommen, er könne es aber nicht
mehr aushalten. Der erste hinabspringende Bauer soll, wenn
er die Unterwelt sieht, rufen: Sie kommt I Wie er nun ,plomp'
hinein springt, meinen sie, er rufe: Kommt!
In den von d. G. Büsching herausgegel)enen Volks-
sagen, Märchen und Legenden S. '29(0 ff. ist der Held ein
Bauer Namens Kibitz. Als dieser eines Tages beim Ackern
einen Kibitz immer ,Kil)itz- rufen hört, denkt er, der Vogel
spotte seiner, wirft mit einem Steine nach ihm. der Stein
trifft aber einen seiner beiden Ochsen und tiitet ihn ^). Da
schlägt der Bauer auch seinen andern Ochsen, mit dem allein
er nichts anzufangen weiss, tot und trägt ihre Häute in die
Stadt zum Verkauf. Er hat (ielegenheit zu bemerken, wie
eine Gerbersfrau ihren Liebhaber in eine alte Kiste versteckt,
kauft von ihrem Manne die Kiste für die Häute und erpresst
dann von dem darin steckenden eine grosse Geldsumme. Den
Bauern seines Dorfes sagt er, er habe das Gehl für die Häute
bekommen, \vorauf diese ihre Ochsen totschlagen und mit
den Häuten zu dem Gerber fahren. Enttäuscht wollen sie
Kibitz totschlagen, schlagen aber statt seiner seine Frau tot,
mit welcher Kibitz die Kleider getauscht hat. Kibitz setzt
nun die [.eiche mit einem Korb voll Obst in der Stadt an
ein Geländer, wo sie dann der Bediente einer hochadeligen
Herrschaft, der Obst kaufen w'ill und dem sie nicht antwortet,
stösst, dass sie ins Wasser fällt. Kibitz eilt klagend herzu
und der Herr des Dieners giebt ihm Wagen uml Pferde, um
ihn zu beschwichtigen. Hiermit kommt er in das D<u-f zu-
rück. Die neidischen Bauern stecken ihn nun in ein Fass
u. s. w. p]r ruft im Fass ,lch mag nicht Bürgermeister
werden' und tauscht dann mit einem Schäfer u. s. w. Den
^) Vgl. das unten zu besprechende litauische Märchen vom Bauer
Lerche.
238 ^'"' -Miirchciiturscliimg.
Bauern sagt er später, nur die weissen Blasen des AVassers
seien Schafe. Der Schulze springt zuerst hinein, uml da
die Bauern fürchten, er werde sich zu viel holen, springen
alle nach, i
49H In dem hessischen Märchen hei Grimm Nr. (il schlachtet
das Bäuerlein seine Kuh, die er sich eben erst listig ver-
schafft hat und für die ihm Futter fehlt, und zieht ihr die
Haut ab, die er zur Stadt trägt. Unterwegs findet er einen
Raben mit gebrochenen Flügeln und nimmt ihn mit. In
einer Mühle kehrt er ein und belauscht die Liebe der Müllerin
und des Pfaffen. Als der Mann plötzlich heimkehrt, wird
der Pfaff' versteckt, ebenso wie die ihm aufgetragenen Speisen.
Das Bäuerle giebt nun vor, sein Vogel könne wahrsagen.
So kommen die Speisen zum Vorschein und zuletzt der Pfaff'
im Schrank als Teufel. Für das Wahrsagen bekommt er
300 Thaler. Zu Hause sagt er, er habe sie für die Kuhhaut
bekommen. Dn tr»ten die Bauern ihre Kühe und wollen die
Häute verkaufen. Dann folgt gleich die Strafe, dass er in
einem Fass ins A\ asser gerollt werden soll, i^^in (leistlicher
soll ihm aber erst die Seelenmesse lesen, vvol)ei sich die
andern entfernen. Das ist nun gerade jener Pfaff', der durch
ihn einst entkam. Fin Schäfer zieht vorüber, und das
Bäuerlein tauscht mit ihm, indem es vorgiebt, wer sich ins
Fass stecken lass(% werde Schulze. Der Pfaff' verrät nichts.
Auch hier kommt dann der Zug, dass die sich spiegelnden
Wolken für Lämmer gehalten werden. Das .Plump' des
v(u-anspringenden Schulzen deuten die Bauern als: , Kommt!'
In den Anmerkungen führt Grimm eine Variante ,vom
Bauern Hände' an. Die Hauern schlagen ihm — wie bei
Schumann — den Backofen ein, er aber erwirbt sich listig
durch den Schutt Geld. Die Bauern schlagen auch ihre Üefen
ein. Dann wollen sie ihn töten, erschlagen aber seine Mutter,
deren Kleider er angezogen. Fr erpresst hierauf von einem
Doktor mit der l^eiche Geld. Die Bauern töten auch ihre
Mütter. Dann die Begebenheit mit der Tonne und dem
Schäfer.
In Westfalen (Stahl westphälische Sagen und Ge-
17. Ueber Ciiiii])liclls Siuiiiiilinii;- i;iilisclifr .Alärclicii Hit. -j;-^,«^)
scliicliteii S. o4) wird crziililt: Kiii armer Hauer Hick ^^clilaclitet
aus Not seine einzige Kuh. Die Haut trägt er nach Köln,
unterwegs wickelt er sieli hei einem (iewitter in die Haut
und fängt dahei einen Hahen. der sich auf ihn setzt, in
Krdn helauscht er eine Wirtin, die einen Mönch hewirtet und
mit ihm kost. Als ihr Mann ankommt, verste(^kt sie Speise
und Trank und den Mömch. Hick sagt nun dem Manne, sein
Rabe kömne wahrsagen, und entdeckt ihm die versteckten
Dinge und den Mönch. | worauf dann der Maiui den Vogel 494
ihm abkauft. Zu Hause sagt Hick den Bauern, er habe das
viele (ield für seine Kuhhaut bekommen u. s. w. Nach der
Enttäuschung der Hauern mit den Kuhhäuten folgt gleich die
Geschichte mit der Tonne, die Einkehr der Bauern im AVirts-
haus. der Tausch mit dem vorüberziehenden Schäfer und
endlich das Hineinspringen der Bauern in den Rhein. Hick
singt hier in der Tonne, zunächst nur um sich sein Leid zu
erleichtern, den Anfaug eines beliebten Liedes: Ich sali to
Kiillen I)ischop sin un hävve keene Lust. Der Hirt nimmt
das ei'ustlich. und s(i vei-fiUlt Hick auf die List. Hick treibt
später seine Schafe an den Rhein, und ihre Spiegelbilder
im Rhein halten die BautMn für wirkliche unten im Wasser.
Der zuerst hineins[)ringende Bauer soll, wenn er die Schafe
sieht, die Arme in die Hölie recken.
Andere deuts<die Märchen enthalten ebenfalls nur einzelne
Teile des (lanzen. In Siebenbürgen (Haltrich Nr. 59) er-
zählt man: Zwei Brüder haben je nur eiiu- Kuh. pflügen aber
abwechselnd mit beiden. Weil der jüngere aJ)er die Külu^
immer anruft , Meine Kühe!" tötet der ältere ihm die Kuh.
Der jüngere zieht ihr die Haut ab und zieht mit ihr und
einer durch die Kuhhaut gefangenen Elster nach der Haupt-
stadt. Ls folgt nun die Fielauschung der treulosen Ehefrau,
die einen Kautor bei sich hat. die Rückkehr des Mannes, das
V^erstecken des Essens (der Kantor entflieht), das Wahrsagen
der Elster und der Verkauf der Elster und der Kuhhaut, mit
der er den Zaubervogel gefangen. Der Bruder zieht auch
seiner Kuh die Haut ab, fängt sich eine Elster und hält beide
vergel)lich in der Stadt für gleich hohen Preis feil.
240 ^u'' ^lilrchenfursohung.
Die ühiigcn Teile unseres Märchens sind einem andern
siel)enl)ürgisclien Miirchen eingewebt (Haltrich Xr. (!()). Hans
hat die Bauern seines Dorfes auf verschiedene Weise an-
geführt, so dass sie ihn zu töten beschliessen, statt seiner
aber seine Grossmntter, mit der er das Bett getauscht, t(iteu.
Anf eine listige, diesem siehenbürgischen Märchen ganz eigene
Weise gewinnt Hans durch die Leiche viel (Jeld und sagt
den Bauern, er habe die Leiche in der Stadt verkauft. Nun
töten die Bauern ihre (irdssmütter und tragen sie zur Stadt,
wo sie vom Rat Rutenscliläge bekommen. Dann kommt die
Geschichte mit dem Ersäufen im Sack, der Tausch mit
495 einem in einer Kutsche | vorüberfahrenden Edelmann, der
bereit ist, Bürgermeister zu werden, und der Sprung der
Bauern ins Wasser, den Popen an der Spitze. Auch hier
lässt Hans Kutsche und Pferde und Heerde sich im AVasser
spiegeln.
in Tinil (Zingerle Tirols Volksd. 2. .')) erzählt man:
Eiu Bäuerlein liat nur eine Kuh, die er immer auf frenider
Weide weiden lässt, dafür erschlagen die andern Bauern aus
Zorn ihm seine Erau. Das Bäuerlein setzt die Leiche mit
dem Spinnrad auf den Eahrweg und erpresst von einem
Euhrmaun, der sie überfährt. Ross und Wagen. Das Bäuer-
lein sagt den Bauern, er habe die Haut seiner Frau in der
Stadt verkauft und für den Erlös Ross und Wagen gekauft.
Da töten die Bauern ihre Weiber und wollen ihre Häute ver-
kaufen. Dann kommt die Geschichte mit dem Sack. AVidi-
rend die Bauern Messe hören, ruft das Bäuerlein .Ich mag
sie nicht', nämlich die Königstochter, und tauscht dadurch
seineu Platz mit einem Wanderer. Dann erscheint er mit
einer Heerde Schweine, die er irgendwo gestohlen. Der erste
Bauer, der in den See springt, will , Kommt' rufen, wenn er
Schweine sieht, und das .Plumi)f- des Hineinspringenden wird
dafür genommen.
Ein anderes Tiroler Märchen (Zingerle 2, 414) erzählt:
Einem alten blinden Metzger vertauschen andere benachbarte
Metzger eine gekaufte Kuh mit einem Bock. Dafür rächt er
sich, indem er sie nach Verabredung mit einigen Wirten
17. Ueber Canil>l)ells Simiiiilmii;' giilisclior Märc/lieii :V.t. 241
glauben niaclit, er lial)e einen alten Hut. der immer die
Zeche bezahle, und ihnen denselben teuer verkauft. Als er
die Getäuschten später in sein Haus dringen sieht (die Blind-
heit ist vergessen), verabredet er sieh mit seiner Frau und
stellt sich tot, die Frau erweckt ihn aber durch dreimaliges
Berühren mit einem Stocke. Die Metzger vergessen ihren
Zorn, kaufen den Stock und wollen damit die gestorbene
Königstochter erwecken. Dann verläuft die Geschichte wie
gewöhnlich: Sack, Wirtshaus, Schweiuetreiber, ,Ich will die
Königstochter nicht-, ,Kummt', plump. Man vergleiche zu
dieser verderbten Fassung weiter unten Straparola.
Nah steht die bairische Erzählung (Panzer bairische
Sagen 1, iH)). Drei Nachbarn führen die dumme Fran eines
Heiligenbildschnitzers an, der sich dafür rächt, indem er
ihnen Dreck als Latwerge teuer verkauft. Sie laufen nach-
her in sein Haus, [ um ihn zu prügeln. Er aber prügelt 49()
seine Frau nach Verabredung, die in den Backofen kriecht,
woranf die junge Tochter zum Vorschein kommt. Er sagt,
sein Knittel verjünge die Weiber. Die Nachbarn kaufen ihn
und sclilagen ihre Weil»er t(tt. Wütend eilen sie dann wieder
in sein Haus, wo er sich tot stellt und einen Stock neben
sich gelegt iiat. Einer der Nachbarn giel)t ihm mit diesem
Stock einen Hieb, worauf er wieder aufstellt. Die Nachbarn
kaufen nun den Tote erweckenden Stock und wollen damit
die gestorbene Priuzess erwecken, natürlich vergeblich. Nun
kommt die Geschichte mit dem Sack. Wiihrend sie einkehren,
reitet ein Pfatt' auf einem Schimmel vorbei. Hainbauernseppel,
der ihn durch den Sack sieht, ruft ,Soll Papst werden uiul
will nicht' und tauscht so mit ihm. Die Nachbarn lassen
dann einen an einem Strick in den Weiher, der, wenn er
Schimmel sieht, am Strick reissen soll, was er ertrinkend thut.
In dem von Grimm in den Anmerkungen zu Nr. 61 an-
geführten Volksbuch vom Bauer Rutschki kommen auch einige
Züge des Märchens vor. Das p]rkaufen des Kastens, worin
der Liebhaber steckt, durch die Kubhaut kommt, wie wir
sehen werden, in mehreren nicht deutschen Fassungen des
Märchens vor. Minder gut ist in dem erwähnten vorarlber-
R. Köhler, Kl. Schriften I. 16
242 ^"1" ^iHreheiit'orsohung.
gischen Märchen das Erkaufen eines Troges, in dem ein Kind
schläft. Auch im Harze laufen Teile des Märchens um, s.
Pröhle Harzsagen 8. "273, Märchen für die Jugend Nr. 15.
Wir verlassen nun Deutschland und wenden uns zunächst
nach Dänemark. Zwei dänische Märchen kann ich bei-
bringen, eins von Andersen ((iesamnielte Märchen, Leipzig
1<S47, 2. 43), das andere von Etlar (Eventyr og Eolkesagu
fra Jylland, S. 134) erzählt. Nach Andersens Erzählung
sind der grosse und der kleine Klaus zwei Bauern, ersterer
besitzt vier Pferde, letzterer nur eins. Der kleine Klaus borgt
die Pferde des grossen Klaus, und ruft beim Pflügen ihnen
zu: Hü alle meine Pferde! (vergleiche oben S. 4*.)4 das sieben-
bürgisclie ^lärchen). Der grosse Klaus verbietet es ihm und
erschlägt ihm endlich zornig sein Pferd. Der kleine Klaus
zieht seinem Pferde die Haut ab und macht sich auf den
Weg zur Stadt, um sie zu verkaufen. Unterwegs belauscht
er in einem Bauernhof, wo er um Nachtlager bittet, die
497 Bäurin, die den Küster bewirtet, und | als ihr Mann plötzlich
heimkehrt, die Speisen verste(;kt und den Küster in eine Kiste
birgt. Vom Manne erhält Klaus (^)nartier und giebt vor, in
der Haut stecke ein Zauberer, und lässt ihn die versteckteii
Speisen und Getränke herzaubern. Der Mann kauft ihm die
Haut ab und giebt ilim aucli auf seinen Wunsch die Kiste,
worin der Küster steckt, mit. Unterwegs thut Klaus, als wolle
er die Kiste ins Wasser werfen: der Küster schreit und kauft
sich los. Zu Haus borgt der kleine Klaus vom grossen ein
Scheft'elmass, um sein (Jeld zu messen, »lener hat den Boden
mit Teer bestrichen und so haften einige (ieldstücke daran.
Der kleine Klatis sagt, er habe das Geld für die Pferdehaut
erhalten, worauf der grosse seine Pferde tötet und ihre Häute
zu Markte bringt. Enttäuscht eilt er Nachts in Kleinklausens
W(dinung, um ihn zu erschlagen, erschlägt aber die alte Gross-
mutter, mit der jener das Lager getauscht hat ^). Der kleine
Klaus zieht am andern Tage der Leiche gute Kleider au.
^) So ist sicher die Ueberlieferuug. Andersen lässt den kleinen
Klaus zu Hause seine Grossmutter tot finden und in sein Bett legen,
um sie zu erwärmen und vielleiclit wieder zu beleben.
17. Ueber ('iiiii})bells !5;iiiiiiiliiii;^' gälisclier Märclieii 39. 24^
setzt sie in den Wagen und fährt mit ihr fort. Unterwegs
kehrt er ein und bittet den Wirt der Alten ein Glas Met
hinauszutragen. Da sie sich nicht i'iihrt, stösst sie der Wirt,
sie fällt vom Wagen, und der Wirt muss des vermeintlichen
Tntschlags wegen dem kleinen Klaus einen Scheffel Geld
gehen. Der grosse Klaus schlägt nun auch seine Grossmutter
tot und fährt sie in die Stadt zum Apotheker, der ihn fort-
jagt. Kr eilt heim, steckt den kleinen Klaus in einen Sack
und will ihn ersäufen. Unterwegs aber tritt er in eine Kirclie
und lässt den Sack stehen. Der kleine Klaus tauscht mit
einem vorüberziehenden Hirten, indem vorgiebt, er solle ins
Himmelreich und wolle noch nicht. Zuletzt lässt sich der
grosse Klaus vom kleinen in einen Sack stecken und auch
ins Wasser werfen.
Ktlars Märchen stimmt fast ganz mit dem Andersens.
Die Helden sind Brüder und heissen der grosse uiul der
kleine Lars. Der kleim^ Lars borgt das Scheft'elmass des
Bruders zum Geldmessen und lässt sell)st einige («eldstücke
drin stecken. Die erschlagene Schwiegermntter setzt er mit
einem Korl) V(dl Eier | auf einen Wagen in die Nähe eines n»8
Brunnens. VAw Maini, der ihr abkaufen will, stosst sie an.
und sie fällt in (b'u lirunnen. Der Mann muss die Tote be-
graben lassen und an Lars eine (ieldstrafe entrichten. Nach
einiger Zeit steckt der grosse Lars, um auszus[)ionieren, wie
es dem Bruder geht, seine Schwägerin in eine Kiste, die ihm
der kleine Lars kurze Zeit aufbewahren soll. Aber der kleine
l^ars merkt dies, öffnet die Kiste und erschlägt die Schwägerin
des Bruders und steckt ihr ein Stück Fleisch in den Mund,
so dass es scheint, als sei sie im Kasten beim Essen erstickt.
Als der Bruder die Kiste wieder holt und die Schwägerin
tot findet, weiss er nicht was anzufangen, um die l^eiche
sich vom Halse zu schaffen. Klein- [.,ars rät ihm, sie in der
Stadt zu verkaufen, wie er es mit der Leiche der Schwieger-
mutter gemacht habe. Der grosse Lars thut dies, wird aber
festgenommen nud muss eim^ Geldbusse zahlen. Zuletzt
weicht Etlars .Märchen hau])tsächlich nur dadurcli ab, dass
der kleine Lars den grossen nicht wirklich im Sack ins
ifi*
244 '^"'" Märchenforschunif.
Wasser wirft, Sdiidcrn ihm gegen eine Verschivibiing von
500 Thalrrn das Leben schenkt, und schliesslich auch noch
den Vogt des Dorfes zum Besten hält, indem er ihn glauben
macht, er habe einen Narrenfinger, mit dessen Hilfe könne
er alle zum Besten haben, selbst aber nie hinters Licht ge-
führt werden.
In dem norwegischen Märchen bei Asbjörnseu Nr. 53
sind die Helden ebenfalls zwei Brüder, der grosse und der
kleine Peter. Der grosse erschlägt das einzige Kalb des
kleinen, das dieser auf seiner Weide weiden lässt. Der
weitere Verlauf ist 2,anz wie in den dänischen Märchen: das
Belauschen der Bauersfrau, die den Pfarrer in der Kiste ver-
steckt: der Verkauf der Haut, in der eine Wahrsagerin sein
soll u. s. w. Die Leiche der Mutter, der der grosse Peter
im Wahne, es sei der Bruder, da sie mit dem Sohn das Bett
getauscht hat. das Haupt abgeschlagen hat. setzt der kleine
Peter mit eintMU Aepfelkdrb auf dt^n Markt. Ein Schiffer
will mit ihr handeln und gieht ihr. als sie nicht antwortet,
einen Schlag, dass der aufgesetzte Kopf IieraljHiegt u. s. w.
Nachher steckt er den kleinen Peter in einen Sack, um ihn
zu ertränken, und zwar bittet sich Peter, wie im Lnibos,
diese Todesart selbst aus. Dann folgt der Tausch Peters,
499 der im Sack ruft: .Ins Himmelreich, ins Para-^dies!' mit einem
vorüberziehenden Hirten u. s. w. Zuletzt lässt sich der grosse
Peter von seiner Frau auch in einen Sack stecken und ins
Wasser werfen, und seine Frau spriuüt nach. Norwegische
Varianten sind S. 492 angegeben, in denen der ei2,"enthüm-
liche Zug vorkommt, dass Peter von einer weisen Frau, die
durch einen Schlag Taubheit heilen kann und der toten Mutter
Peters den Kopf abschlägt. 800 Thaler erpresst. In einer
Variante aus Thelemarken sind die Hauptpersonen zwei
Bauern, der listige heisst Jon Svik. An die Stelle des
Schiffers tritt ein Vogt, der die nicht antwortende tote Mutter
ins Wasser stösst.
P^in litauisches Märchen (Schleicher S. 121) erzählt:
Ein armer Bauer Lerche ärgert sich beim pflügen über die
zwitschernden Lerchen, wirft nach ihnen und tötet dabei
17. Ueber ('iimi)li<'lls Saiiiiiilung' giilisclier Märclien Sd. 245
seiueu Ochsen (vgl. (»ben S. 492 den Bauer Kibitz). Er
trägt die Haut in die Stadt und sieht im Haus des Gerbers,
wie die Frau den Pfarrer in einen alten Sehrank steckt. Er
bittet sich nun vom Gerber für seine Haue jenen Schrank
aus und erhält ihn. Als er dann unterwegs ihn ins Wasser
zu werfen Anstalt macht, verspricht ihm der Pfarrer 400 Thaler
und zahlt sie ihm dann auch aus. Zu Hause leiht er vom
Schulzen eine Metze zum (ieldmessen und lässt einiges Geld
darin stecken. Dann giebt er vor, in der Stadt ständen die
Häute in hohem Preise. Die Bauern lassen sich täuschen.
Aus Rache wollen sie nachher Lerche erschlagen, erschlagen
aber seine Frau, mit der er die Kleider getauscht hat. Lerche
setzt die Leiche auf seinen Wagen mit einem Korb Aepfel
und lässt den Wagen auf einer Brücke stehen. Ein vorbei-
kommender Graf fordert von der Leiche vergeblich Aepfel
und giebt ihr einen S(dilag. Lerche eilt herbei und erpresst
von dem Grafen eine grosse Summe. Die Bauern lassen sich
wieder von ihm anführen, erschlagen ihre Weiber und fahren
sie zur Stadt, um sie für (ield sehen zu lassen. Nun folgt
die versuchte Rache mit dem Sack, der Tausch mit dem
vorüberziehenden Schäfer, der bereit ist, Schulze zu werden,
und der Wassersprung der Bauern, der Schulze voran. Da;
Abspiegeln der Schafe im AVasser findet sich auch hier. Da>
Gurgeln des Wassers, als der Schulze ertriidct. erklären dit
Bauern, er rufe den Schafen .burr, burr*.
Ein anderes litauisches Märchen (Schleicher S. S3) er-
zählt von dem listigen | Tschutis, der drei Brüdern ein an- 500
ge blich Dukaten von sich gebendes Pferd verkauft, dann einen
angeblich von selbst fahrenden Schlitten. Als sie enttäuscht
zu ihm eilen, sticht er sich scheinbar (er hat eine Blase mit
Blut umgebunden) tot, seine Frau aber giebt ihm mit einem
Stock einige Schläge, worauf er wieder ersteht und jenen
den Stock teuer verkauft, die ihn nun an ihren Weibern ver-
suchen. Als sie abermals zu ihm eilen, finden sie ihn wie
tot im Sarge liegen und wollen wenigstens der Leiche einen
Schimpf anthun. Tschutis aber verstümmelt sie tötlich mit
einer bereit gehaltenen Scheere.
24() 2iur Märclienforscliung.
lii einem dritteu, übrigens gar nicht hierlier geliörigen
litauischen Märchen (Schleicher S. 41) täuscht ein Besen-
binder, ganz wie oben in dem Tiroler Märchen ^), Kauflente
mit dem Vorgeben, wenn man seinen Hut schüttele, sei
immer alles bezahlt. Als jene sich dann rächen wollen,
stellt er sich tot und verstümmelt sie wie Tschutis. [Yenez.
Märchen Nr. 18.]
Ein irisches Märchen, welches Lover legends and sturies
of Ireland, second series, Londou 1S34, S. '278 [Hil)ernian
Tales p. Hl] erzählt, stimmt mit der vierten gälischen Variante.
Little Fairly und Big Fairly sind Brüder, aber von ver-
schiedenen Müttern. Kleiu Fairly liat nur eine Kuh, die ihm
(nMSS Fairly, als sie auf seiner Weide grast, tötet. Klein
Fairly zieht ihr die Haut ab, steckt einige Schillinge in einige
Löcher und giebt in der Stadt vor, man könne alle Woche
eine Hand voll Schillinge herausklopfen. So verkauft er sie
für 100 Guineen. Vom Bruder borgt er zu Hause die Wage
zum Wiegen des Geldes. Der tötet auch seine Kühe, be-
kommt aber in der Stadt nur Prügel. Zurückgekehrt will
er Klein Fairly durchprügeln, erschlägt aber dabei dessen
alte Mutter, die sich dazwischen stellt. Klein Fairly setzt die
Leiche auf einen Brunnenrand im (^>arten des Squires, dessen
Amme sie gewesen, nnd sagt den Kindern des Squires, die
Alte habe Ingwerbrot für sie. Die Kinder stürzen anf die
Alte los, nnd das eine stösst sie in den Brunnen. Der Squier
zahlt ihm öO Goldguineen. Klein Fairly erzählt seinem
Bruder, der Doktor in der Stadt kaufe die I^eichen alter
AVeiber sehr gern, worauf der seine Mutter tötet, sie in die
501 Stadt trägt, | aber eiligst Hieben muss. Nun kommt die (Je-
schiclite mit dem Sack. Während Gross Fairly einkehrt,
tauscht Klein Fairly seinen Platz mit einem vorübergehenden
alten Farmer, dem er vorgiel)t, wer sich in den Sack stecke,
komme in kurzem in den Himmel. (Jross P'airly stürzt sich
dann auch in den ,bog of Albau*.
') Der Schwank mit dem be z a lilc ii de n Hut koiDiiit aiieh einzeln
in Schottland vor, Camphell S. 237. [Unten S. 251 '. Hotfmeister S. 1:^1. |
17. Ueber Cainpbells Saniniluiii;;- gälisoher Märchen 89. 247
Kill anderes irisches Märchen (K. v. K.(illiiiger) Sagen
und Mändien "2, 23) erzählt von einem armen Tenfel Darby
Duly, der in den Kot seines Schimmels einige Münzen steckt
und vorgiebt, der Schimmel gebe, wenn man ihn peitsche,
Geld von sich. Ein Herr Pur(;ell kauft ihm den Schimmel
ab. Als dann Purcell kommt, um sich für den Betrug zu
rächen und ihn hängen zu lassen, stellt er sich, als sei er
mit seiner Frau in Streit geraten, und ersticht sie, nachdem
er ihr vorher heimlich einen Schafsmagen voll Blut um den
Hals gebunden, und erweckt sie dann wieder, indem er ihr
mit einem Schafbockshorn ins Ohr blässt. Purcell besänftigt
sich und kauft ihm das Hörn ab. Er ersticht seine Frau
und versucht sie vergeblich wieder zu erwecken. Nun steckt
Purcell den Darby in einen Sack und will ihn ertränken
lassen. AVährend die Soldaten aber, die dies besorgen, in
einem Wirtshaus einkehren, zieht ein Hausierer beim Sack
vorül)er und tauscht den Platz mit Darby. der vorgiebt, er
solle Herrn Purcells Tochter heiraten und wolle nicht. Der
Hausierer wird ersäuft. Darby aber zieht mit seinen Waaren
herum und geht nach einiger Zeit zu Herrn Purcell, der
sehr erschrickt. Darby giebt sich für einen seligen (Jeist
aus und l)ringt Grüsse von Purcells Frau aus dem Fegefeuer
und bittet in ihrem Namen um Geld, das er auch erhält.
Hier haben wir das Märchen mit eigentümlichem Schluss.
Der Zug, dass ein Schlaukopf aus dem Himmel zu kommen
vorgiebt, und im Namen (iestorbener von deren Angelnirigen
Geld und dergleichen erbittet, kommt als selbständiger
Schwank vor, Pauli Schimpf und Ernst, Bern 154G, Nr. 40(i.
H. Sachs o, 3 (der fahrende Schüler im Paradies) und mit
andern Märchen verwebt, vergleiche Asbjörnsen Nr. 10 nebst
Anmerkungen [Bolte zu Frey Nr. Ol].
Das ganze irische Märchen haftet an bestimmten Edkali-
täteii in der Grafschaft Gork.
In Burgund wird, wie E. Beauvois Contes populaires
de la Norvege, de la Finlande et de la Bourgogue. Paris 1S62,|
S. 218 mitteilt, von Jean Bete erzählt, dass er eine Kuhhaut 502
zu Markte trasen wollte. Unterweas steigt er, falls ihm die
248 ^^''' ^liii'i'lienforschung.
Nacht überrascht, auf einen Baum, nnter dem sich Diebe
niedersetzen, um ihr Geld zu teilen. Jean Bete lässt die
Haut fallen und die Diebe laufen erschrocken davon und
lassen das Geld liegen, das Jean sich aneignet [Cosquin
no. 22, Carnoy no. 7]. Zu Hause borgt er von seinem Edel-
mann einen Scheffel zum Geldmessen. Einige Stücke bleiben
darin kleben, da der Herr Pech hineingestrichen. Der Herr
schlachtet alle seine Kühe und fährt die Häute zur Stadt.
Nun folgt die Geschichte mit dem Sack. Jean ruft im Sack,
er wolle nicht Bischof werden, und tauscht den Platz mit
einem vorüberziehenden Viehhändler u. s. w. ^)
In (iascogne wird nacli Cenac Moncauts Contes popu-
laires de la Gascogne, Paris 1S61, S. 17:^ ff". 2^) ^\]\.^^\^ 3^ 104]
das Märchen also erzählt. Der fünfzehnjährige Capdarraere
soll das einzige Paar Ochsen seiner Mutter verkaufen und
sich dafür geben lassen, was recht und billig ist. Zwei Kauf-
leute geben ihm eine Prise Tabak und eine Bohne. Als er
hiermit nach Hause kommt, schilt ihn seine Mutter aus und
sagt, er werde den Wolf nie beim Schwanz fangen. Cap-
darmere geht in den Wald, fängt einen schlafenden Wolf mit
einer Schlinge und führt ihn seiner Mutter vor. Dann hängt
er die Haut eines Widders dem Wolf um und verkauft ihn
als Widder jenen Kaufleuten, in deren Ställen der Wolf bald
arge Vernichtung anrichtet [Widter-Wolf, Venez. M. 18, Jahrb.
f. rom. liitt. 7, 282]. Als nun die Kaufleute zornig zu Cap-
') Beauvüis verweist dann auf die auch von mir besprochenen
Märclien bei (xrinim, MüUenhoff, Asbjörnsen, Andersen, Etlar, Killinger,
Straparola, Wolf, Cenac Moncaut. Die Citate sind zum Teil durch Druck-
feliler entstellt. Wenn er auch auf Schotts walachische Märchen Nr. 22
verweist, so stimmt daraus nur, das Bakalas Brüder bei dem Popen ein
Fruchtmass zum Geldmessen holen lassen, und dass Bakala einst auf
einem Baume sitzt, unter dem sich auch Bauern lagern, die aber fliehen,
als Bakala seine Handmühle herunterwirft. Das Märchen Basiles II,
10 (nicht I, 10) und das aus 1001 Nacht, die Beauvois und Asbjörnsen
S. 493 vergleichen, gehören nicht her.
■) Man vgl. über diese, so wie über die eben erwähnte 3Iärchen-
sammlung von Beauvois meinen Aufsatz in Eberts Jahrbuch für romanische
und englische Literatur ."1, 1 ff. [= oben S. 79J.
17. Ueber CaniiibfUs Samniluiii;- gälisclier ilärclieii H',). •_>41)
darmere eilen, treffen sie ihn, der sie hat kommen sehen,
wie er eben seinen Hund mit einem | Messer scheinbar er- bo'6
sticht und dann durcli einen Spru(^h wieder belel)t. Kr giebt
vor, dass widerspenstige Tiere, mit diesem Messer erstochen
und durch den Spruch wieder belebt, zahm würden. Die
Kaufleute kaufen ihm das Messer ab. Nachdem sie dann
den Betrug erkannt haben. ül)erfallen sie ihn, und es folgt
nun die Geschichte mit dem Sack u. s. w. Dem vorüber-
ziehenden Schweinehändler lügt Capdarmere vor. er solle
eine Prinzessin heiraten. Die Schweine S(dlen aus dem Sande
im Meeresgrunde entstanden sein. Weder der Schweine-
händler noch die beiden Kaufleute ertrinken übrigens in dem
gascognischen Märchen, sondern werden noch von Capdarmere
gerettet, doch mag dies nur eine Aenderung des Sammlers
sein. Ganz eigen ist dem gascognischen Märchen die Kiu-
leitung. Die in vielen der hierher gehörigen Märchen vor-
kommende Tote erweckende oder verjüngende Trompete und
dergleichen ist hier ziemlich ungeschickt durch das wider-
spenstige Tiere besseriule ^lesser ersetzt.
Kigentümlich gestaltet ist die Krzählung bei Straparola
(1. 3). Scarpaüco, ein Priester, wird von drei listigen Ge-
sellen um ein eben gekauftes Maultier betrogen, indem sie
sich einzeln aufstellen und jeder behauptet, das Tier sei ein
Ksel, bis jener wütend über seine Verl)lendung es dem letzten
schenkt. Später sieht er ein. dass er l)etrogen, und räclit
sich an ihnen. Kr kauft sich zwei ganz gleiche Ziegen und
geht mit einer derselben auf den Markt, wo er jene drei
wieder trift"t. Kr ladet die Schelme zu Tische und beladet
in ihrer Gegenwart die Ziege mit Speisen, giebt ihr Aufträge
an seine Haushälterin und lässt sie laufen. Die Schelme
lassen sich, da sie bei Scarpaüco. der alles mit seiner Haus-
hälterin beredet hatte, das Kssen fertig und die andere Ziege
linden, täuschen, halten die Ziege für ein Wundertier und
kaufen sie. Als sie den Betrug nachher merken, eilen sie
zu Scarpafico, der sie kommen sieht und sich rasch mit
seiner Haushälterin beredet. Wie die Schelme in das Haus
kommen, ersticht er scheinbar die Haushälterin und erweckt
•_>50 Zur Märchenforsc-hung-.
sie dann durch das Blasen einer Pfeife wieder^). Jene ver-
504 gessen iliren Zorn und kaufen die Pfeife. | Sie versuchen nun
die Sache mit ihren Weibern, die natürlich tot bleiben. Nun
kommt die Geschichte mit dem Sacke. Die Schelme hören
ein Geräusch, laufen davon und lassen den Sack stehen.
Scarpafico ruft im Sacke ,ich mag die Fürstentochter nicht'
und tauscht mit einem vorüberziehenden Schäfer den Platz
u. s. w. Die Schelme lassen sich zuletzt von Scarpafico in
Säcke stecken und in den Fluss werfen.
Die Geschichte von den drei Schelmen und dem Maul-
tiere ist ursprünglich indisch und viel verbreitet, vergleiche
Schmidts Straparola S. 'M)>>, Dunlop- Liebrecht Anmerkung
356, Benfey Pantschat. 1, 356 f. [Oesterley zu Gesta Rom.
132, Cosquin 1. 116.] Die ganze Erzählung Straparolas hat
Thomas Simon Gueulette (1683 — 1766) in seinem Werke
,Les mille et ua (|uart d'heures, rontes tartares' und zwar
in der Geschichte des jungen Calenders (106 — 1()5>. quart
dheure. Cabinet des Fees '2'2. S. J32 ff.) mit geringen, un-
wesentlichen Aenderungen bearbeitet, wie dies Schmidt zu
Straparola S, 310 schon bemerkt hat. Fliomas Wright Essays
on subjects connected with the literature, populär superstitions
and history of England in the middle-ages 2, 77 konnte
Gueulettes Erzählung nur für echt orientalisch halten, weil
er Straparola nicht kannte. Er stellt S. 74 ff. Unibos, Gueu-
lette und Lovers Littlc Fairly zusammen. Gueulette hat
auch sonst Straparola benutzt vergleiche Duidop- Liebrecht
S. 415, Schmidt Strapanda S. -21)4 und 341. von der Hagen
Gesammtabenteuer 3. S. L.
Aber auch deutsch findet sich die Erzählung Straparolas
in Wolfs deutschen Märchen und Sagen, Nr. 11, und zwar
\) Tn der mir vurliegeiulen Ausgabe des Straparula, Venedig 1H04,
ist von einer piva fatta al modo suo die Rede. So ohne Zweifel auch
in der Ausgabe von 1608, die Schmidt benutzte. In der Uebersetzmig
von Louveau und Larivey wird das Instrument ein liautbois genannt
uiiil damit den Frauen ,entre les fesses' [bei Straparola ,nel niartino',
d. h. in den Hintern] geblasen. Bei Gvieulette ist es ein Hörn, bei
W(df eine Fb'ite und es wird den Frauen ins Ohr geblasen.
17. Ueber Campbell^; Samiiilmig gitlischer Märclioii 39. 251
mit so gerillgell Abweichiiiigeii. dass ein direkter EiiiÜiiss
Straparolas notwendig anzimeliraen ist. Das Märchen ist V(»n
AVolf aus dem Ilennegau gesammelt, dort mag es aus <ler
alten französisclieu Lebersetzung Straparolas bekannt ge-
worden sein. Auch in Köln hat es Wolf gehört, doch ist da
die Geiss durch einen selbstkochenden Kessel ersetzt gewesen.
Hier müssen wir nun noch ein dänisches Märchen (Ktlar
S. 1()5) erwähnen, | das bei aller Verschiedenheit doch dem bOb
Straparolaschen nahe steht. Klaus Schulmeister, der, wie wdr
oben erwähnten (S. 812), Graf Geerts Schatz auf so listige
Weise Iteraubt hatte, wollte eine Kuh verkaufen. Deutsche
Soldaten und ein deutscher Vogt bestehen darauf, die Kuh
sei ein Kalb, und Klaus niuss sie als solche verkaufen. [Mol-
bech no. ö-t, Kristensen 2. no. 58.] Um sich zu rächen, trifft
er mit mehreren Wirten eine Verabredung und macht den
Vogt glauben, sein Hut bezahle, wenn man ihn mit dem
Stock schwenke, die Zeche (wie in den oben eiwähnten
Märchen aus Tirol und aus Litauen) V). Der Vogt kauft ihm
den Hut teuer ab. Als er den Betrug erkennt, eilt er in
Klausens Wohnung, der sich — nach Verabredung mit seiner
Frau — tot stellt, aber von seiner Frau durch einen Schlag
mit seinem Stock wieder erweckt wird. Der Vogt kauft nun
den wunderbaren Stock und versucht mit ihm einen von des
Grafen (ieerts Dienern, der eben gestorben ist. zu erwecken.
Klaus wird vor den Grafen gefordert, und mit der Folter
bedroht gesteht er nicht nur den Betrug mit Hut und Stock,
sondern auch den Finbruch in die Schatzkammer, wird aber
vom Grafen, der seine Schlauheit bewundert, begnadigt.
Dies sind die mir bekannten Fassungen des ]\färchens,
(las wir also in Deutschland, den Niederlanden, Frankreich,
') In Pröliles Märchen für die Jugend ]S'r. 5-1 machen Studenten
einen Bauer glauben, die Kuh, die er verkaufen will, sei eine Ziege.
[Pauli no. 2iiK Pin p. ]i:^.| Er rächt sich dann dadurch, das^ er ilinen
einen Hut verkauft, durch dessen Drehung jede Zeche bezahlt werde.
[Oben S. 24B '. Zingerle, Tirols Volksdicht. 2, 414, (Jredt 188.5 no. 917,
Lelienirbe 189:J no. 14. Zs. d. Y. f. Yolksk. 5, 208. Hansen, Zs. d. Ges.
f. schlesw. Gesch. 7, 221 no. M. Wigström, Skauska visor 1880 S. 57.]
252 ^"1* Märchenforschung-.
Italien, IJtauen, Dänemark, Norwegen, Schottland und Irland
verbreitet linden. [Gonzenbach no. 70, Zs. d. V. f. Volksk.
6, 167, Cosquin no. 10 u. "20, Bolte zu Schumann, Nachtbüch-
lein 1893 no. 5—6 und Frey, Gartengesellschaft 1896 S. 277.]
Ich füge noch einige Bemerkungen über einzelne Teile
des Märchens hinzu. Die in vielen Fassungen desselben vor-
kommende (ieschichte von der ehebreciierischen Frau, die,
als iiir Mann plötzlich heimkehrt, den Liebhalter und die
ihm bestimmten Speisen versteckt, aber da])ei von einem
dritten belauscht wird, kommt auch als selbständiger Schwank
in verschiedenen Gestalten vor. Campbell S. 228 erinnert
an die schottische Ballade ,the friars of Berwick' und an
Allan Ramsays ,the monk and the miller"s wife". Anderes
hierher gehörige bei Grimm 3, 109, bei von der Hagen
Gesammtabenteuer zu Nr. 61, Keller Fastnachtsspiele S. 1172,
Duulnp-Liebrecht Anmerkung 277a. [Hertz, Spielmannsbuch
S. :i5::5, Bolte-Seelmann, Nd. Schauspiele 1895 S. *43.] |
506 Dass der Schrank oder die Kiste mit dem darin stecken-
den Liebhaber von dem Lauscher erkauft wird, kommt auch
in einem böhmischen Märchen (Wenzig westslawischer Mär-
(•henschatz S. 196) vor, und zwar wird der Handel auch mit
einem (Jerber für Häute abgeschlossen.
Bezüglich des Hornes oder der Pfeife, wodurch die vor-
geblich tote Frau belebt wird, ist auch an Jacob Ayrers
Fastnachtspiel ,Der Beck, der sein AVeib wieder lebendig ge-
geiget hat" nach einem Schwanke in Valentin Schumanns
Nachtbüchleiu (vergleiche Goedekes Grundriss zur Geschichte
der deutschen Di(;lituug § 160, 8 und i? 171, 48) zu erinnern.
In Bezug auf die (Jes(-hiclite mit dem Sack erinnert
Grimm an das italienische Volksbuch von Bertoldo, wo Ber-
toldo in eiuen Sack gesteckt ist und ersäuft werden soll,
aber dadurch entkommt, dass er den ihn bewachenden Sbirren
beredet, an seiner Stelle in den Sack zu kriechen. Bertoldo
gie])t vor, er solle ein Mädchen Iieiraten, dass er nicht wolle.
[Imbriani Nov. lior. p. 603.] Auch an das Märchen von der
Rübe bei Grimm Nr. 14() ist zu erinnern.
Zum Schluss erwähne ich noch eine italienis(;he Novelle,
17. Ueber CaiiipbcUs Saiiimluiiu' giiliscluT Märclicii 'SU. •>;").■}
die ich freilich nur dem Titel nach kenne, die aber dunacli
in engstem Zusammenhange mit nnsern Märchen zu stehen
scheint. Brunet Manuel dn lii)raire et de lamateur de livres,
5 eme ed.. 8. "21!) führt folgenden Titel an: Historia di
Carapriano contadino, il quäle era molto povero, et liaveva
sei figluole da maritare et . . . faceva cacar danari ad un
suo asino ... et veude una pentola que boliva senza fuoco,
ec. (senza luogo ed anno) in 4. Es ist Schade, dass Brunet
von dieser ,nonvelle facetiense, en ottava rima', die nach
ihm gegen 1550 zu Florenz gedruckt zu sein scheint, den
Titel nicht vollständig angiebt.
Eine andere Ausgabe oder andere Bearbeitung derselben
Novelle führt Brunet S. 222 an. Ihr Titel lautet: Historia
nova composta per uno fiorentino molto faceta de uuo con-
tadino povero: et havea sei figliole da maritare et haveva
solo un asinello et con inzegno gli faceva chagare dinari et
la calo a certi marcatanti: et oltra lasino gli vende una
pignatta et uno coniglio et una tromba: et Hnalmente il gitto
in uuo fiume et molte altre cose piacevole da ridere (senz'
alcuna indicazione), iu 4., ebenfalls ein Druck aus der ersten
Hälfte des 1(5. Jahrhunderts. I
N a c h t r a g.
(Orient und Occidcnt 3, SöO--'S:y2. ISHG.)
Der zuvorkommenden Freundlichkeit des Herrn Professor '^'-'0
Emilio Teza in Bologna verdanke ich es, dass diese Novelle
mir in einem Luccaer Druck vom Jahr LS 18 vorliegt. Die
Novelle gehört nämlich zu den italienischen Volksbüchern,
die immer noch in Venedig, Bologna, Lueca. Prato, Rom.
Neapel auf schlechtem Papier ziemlich liederlich gedruckt
werden. Die genanute Ausgabe führt folgenden Titel: Istoria
di Campriano contadino il quäle era molto povero. ed
aveva sei figiiuole da maritare, e con astuzia faceva cacar
denari a un suo Asino che aveva, e lo vende ad alcuni Mer-
canti per cento scudi, e poi vende loro una Pentola. che
bolliva senza fuoco, ed un Coniglio. che portava l'ambaseiate.
254 2ii'' -Mäl■^■llellt'ol•st•llun;,^
ed Ulla Tromha, che risiiscitava i uiorti. e liiialmeiite gitto
quelli mercanti in im fiume. Coii niolte altre cose place voll,
e belle, composta da Gio. Pietro Palaiulrini Fioreiitino.
Liicca 1818. Presso Francesco Bertini X Con App. (12o
,24 Seiten mit 80 Ottaveti.) Herr Professor Teza kennt auch
eine alte Florentiner Ausgabe vom Jahr 1579 mit genau
demselben Titel, ausser dass der Name des Dichters nicht
genannt ist und es nur heisst , composta per un Fiorentiuo'.
[Ausgabe von A. Zenatti 1884. J
Der genaue Titel erlässt mir eine ausführliche lnhaltsan-|
351 gäbe, und ich will nur Folgendes noch bemerken. Der listige
Bauer Carapriano ist von Gallo. Nach Verabredung mit
seiner Frau erklärt er sich den Kaufleuten, die ihn auf dem
Felde treffen und wegen des Esels, den er ihnen verkauft
hat. zur Rede setzen, bereit, ihnen das (ield wiederzugeben,
nachdem sie bei ilim gespeist hätten, und schickt ein Kanin-
chen, das er in seiner Kappe trägt, mit dem Auftrug an
seine Frau, für die (iäste ein Mahl zu bereiten.
Als sie nachher ia die Woliuuug kommen, finden sie
mitten in der Stube einen kochenden Kessel, den die Frau
der Verabredung gemäss, wie sie die (iäste kommen sieht,
vom Küchenheerd in die Stube getr;tgen hat, und Gauipriano
erklärt ihnen, dass der Kessel ohne Feuer koche. Ausserdem
zeigt er ihnen ein weisses Kaninchen in einem Stalle und
giebt vor. dass es dasselbe sei, das er zu seiner Frau ge-
schickt habe. Die List mit der totenerweckenden Trompete
giebt die Frau selbst ihrem Manne an, und zwar erklärt
dann die Frau, sie habe den Kaufleuten einen falschen Kessel
gegeben, weshalb Camprian(t sie scheinbar totschlägt. Wegen
des Kaninchens, das die Kaufleute nacli Hause schicken, das
aber nicht zu Hause ankommt, entscliuldigt sich Campriano
damit, dass die Kaufleute ihm den Weg ni(;lit beschrieben
hätten. Als später die Kaufleute den Campriano im Sack
zum Fluss tragen, bekommen sie unterwegs Durst, lassen
den Sack stehen und gehen zu einer ziemlich entfernten
Quelle. Dem vorüberziehenden Hirten spiegelt Campriano
vor. er solle die Tocliter des Königs von Spanien heiraten
17. Veber Cimipbells iSaiiintliiiii;- i;äli?;clier .Miirclicii :59 — 40. "255
und wolle iiiclit. Als er (hiiiii den KciuHeuten mit der Heerde
wieder begegnet, erzählt er ilinen von dem scliöueii Laude
auf dem (Jruude dvs Flusses, welches er in einer Weise
scliildert. wie das Schlaraffenland sonst beschrieben wird. Es
ist ein schöner (iarten. in welchem ein Weinstrom fliesst, wo
gebratenes Geflügel umherHiegt, Käseberge sich finden u. s. w.
Die KauHeute bitten ihn sie in einen Sack zu stecken und
in {\e\i Fluss zu werfen.
Somit stimmt der Schluss mit der Novelle Strai)arolas,
und das Botendienste thuende Kanincben entspricht der
Ziege bei Straparola. Der von selbst, ohne Feuer kochende
Kessel kommt bei Straparola noch nicht vor, wohl aber, wie
ich 1 S. 504 erwähnt habe, in einer deutschen (kölnischen) 352
Variante des Märcdiens.
40. Märchen vom SchottläiKler, «1er des Bischofs Ross, 677
seine Tochter und dann ihn selbst stiehlt.
Ein junger Schottläuder, der beim Provost von London
dient, wettet mit dem Bischof von London, ihm sein Ross.
dann seine Tochter, zuletzt ihn selbst zu stehlen, und führt
alles richtig aus. Beim Diebstahl des Kosses bedient er sich
der Leiche eines Gehängten, die er durch den Kamin in den
Kaum herablässt, wo das Ross bewacht wird. Die Tochter
stiehlt i'Y. indem er sich in die Königstochter verkleidet und
so Zutritt zu ihr l)ekommt. Den Bischof selbst stiehlt er,
indem er sich ein (iewand von Lachshänten machen lässt
[Radioff" o. H4o. 4. 2001 und nachts die Kanzel besteigt und
vom Bischof für eine himmlische Erscheinung gehalten wird.
In einer andern Version wettet ein Schmiedegesell mit
seinem Meister, ihm sein Ross und dann seine Tochter zu
stehlen, und führt ersteres aus, indem er die Wächter auf
schlaue Weise trunken macht, das zweite, indem er sich als
Schwester eines Schiff'skapitäns verkleidet.
25() Zur Jrärcheiifürsrhiiii^'.
Campbell vergleiclit ausführlich das ii<»i'wegische Märehen
vom Meisterdieb, AsbjÖrnseii Nr. ^4, das deutsche (irimrasche
Nr. 192 und Straparola 1, "2. Die Herodotische Erzählung
von Rhampsiuit geliört nur insoweit hierher, als in ihr der
()78 Lei-|chenraul) dadurch ausgeführt wird, dass die Wächter
trunken gemacht werden.
Mit dem (irimmschen Märchen sind nahe verwandt die
Märchen bei Kuhn und Schwartz S. 362, Wolf deutsche Mär-
chen S. 30 [=: Wodana S. 178], Vernaleken Mythen Oester-
reichs S. 27 [Vernaleken, K.-M. no. 57 1, Schambach und
Müller S. 31(3.
Vgl. auch Cenac Moncaut Contes populaires de la Gas-
cogne S. 99 und meine Bemerkungen dazu [oben S. 8(S] in Eberts
Jahrbuch für roman. und englische Litteratur 5, S [und 7, 138
no. 9, Südslav. M. no. 10 im Arch. f. slav. Phil. 1, 284, Cos-
quin no. 70, Jacobs, More celtic fairy tales no. 28].
Das Stehlen der Tochter haben nur die gälischeu Märchen.
41. Die Witwe und ihre drei Töcliter.
Ein graues Ross frisst den Kohl im (Jarten einer AVitwe,
die drei Töchter hat. Die älteste Tochter will den Garten
hüten, und als das Ross kommt, wirft sie die Spindel dar-
nach, die Spindel aber haftet am Ross und ihre Hand an
der Spindel. So kommt sie mit dem Ross. das ein Königs-
solin ist, in einen grünen Hügel und bringt die Nacht mit
ihm zu. Am Morgen erhält sie die Hausschlüssel mit dem
Verbot, die eine Kammer zu betreten. Sie öffnet sie
aber doch und findet darin Erauenleichen und watet bis an
die Knie in Blut. Vergeblich sucht sie das Blut abzuwaschen.
Eine Katze erbietet sich sie zu reinigen, wenn sie ihr Milch
gebe, aber sie schlägt es aus. Der Ross-Prinz kommt nach
Hause und schlägt ihr das Haupt ab und trägt sie in die
Kammer. Der zweiten Tochter, die ein Stück, an dem sie
näht, nach dem Ross wirft, geht es ganz so. Auch die dritte,
die den Strumpf nach dem Ross wirft, kommt in den Berg
und überschreitet das Gebot. Da sie aber der Katze Milch
giebt, leckt ihr die Katze das Blut ab. uml das Ross ver-
17. Ueher Oampbells Sammlung- ffälisi'lier Miirchen 41 — 42. 257
spricht ihr. sie in wenigen Tagen zu heiraten. Auf Kat der
Katze thut sie nun folgendes: Sie belebt durch einen Zauber-
stab ihre Schwestern, steckt erst sie und dann sich selbst
mit Schätzen in drei Kisten, die das Ross in das Haus der
Witwe tragen nuiss. Sie sagt dem Ross, dass es unterwegs
nicht hineinsehen dürfe, da sie ihm von einem Baumwipfel
nachseilen werde. So oft dann das Ross unterwegs neugierig
wird, ruft eine aus dem Kasten, .Ich sehe dieh. ich sehe
dich!' und das Ross wundert sich über die Sehkraft des
Mädchens. Als das Ross zurückkehrt und zu Haus niemand
findet, rennt es | wütend zum Hause der Witwe, wo ihm auf (57;)
Rat der Katze das Mädchen das Haupt mit dem Thürriegel
abschlägt. Dadurch wird es zum Jüngling, und sie hei-
raten sich.
In einer zweiten Version bittet die Katze um Milch und
wird, als sie dieselbe erhält, eine Prinzessin. Das Mädchen
muss sicli dann mit der Milch reinigen und belebt auf ihren
Rat ihre Schwestern durch einen Zauberbalsam. Statt der
Kisten Säcke. Auch muss sie das Schwert rauben, womit
das Ross ihre Schwestern getötet, und tötet es zuletzt
selbst damit.
Campbell erinnert an die Uebereinstimmung mit Fitchers
Vogel (Grimm 46), Blaubart und dem dänisclien: die drei
Schwestern im Berge, Asbjörnsen Nr. 3.3. Die Vergleichung
aber mit 011 Rinkrank (Grimm Nr. 19()) ist falsch. Der
Anfang des gälischen .Märchen erinnert auch au Grimms
(Nr. ß6) Häsichenbraut [Vgl. Widter-Wolf, Venez. M. no. 11,
Jahrb. f. rom. Litt. 7, 151].
42. Das Märchen vom Soldaten und dem Unglück.
Ein desertierter Soldat übernachtet dreimal gegen Be-
lohnung in einem Schloss. Zwei, dann drei, dann vier alte
Weiber bringen allemal eine Kiste mit einem Toten ge-
schleppt, dem der Soldat Pfeife und Whiskyflasche reicht,
die der Tote immer fallen lässt. Beim Hahnenschrei ver-
schwindet der Tote. In der dritten Nacht steckt er die Leiche
in seinen Habersack und nimmt sie mit sich ins Bett. Beim
R. K ö h 1 e r , Kl. Schriften. I. 17
258 ^^^^^ Märchenforssclmiig.
HaliueiLschrei bittet dei- Tote, ihn fortzulassen, über der
Soldat verlangt erst, er solle das Zerbrochene bezahlen. Nun
entdeckt ihm der Tote mehrere Schätze und sagt ihm zu-
gleich, dass er arme Frauen im Leben bedrückt habe. Er
bittet ihn, auch seinem Sohn Nachricht zu geben, damit der
einen Teil seines Geldes den Armen gebe, um ihm Ruhe zu
verschaffen. Der Soldat vollzieht die Aufträge und zieiit mit
seinem Teil (ieldes herum. Endlich kommt er wieder zu
der Stadt, wo er desertiert war. Er hatte aber, als er die
Stadt verliess, geschworen, wenn er wieder dahin käme, so
solle ihn das Unglück h(den. Nun erscheint das Unglück,
verwandelt sich mehrfach auf sein Verlangen vor ihm und
lässt sich endlich in seinen Habersack stecken [Pialston p. oToJ.
In der Stadt erkennt man den Soldaten und er soll erschossen
werden. Da flüstert ihm Unglück zu, er solle es zu seiner
Befreiung herauslassen. Der Befehlshaber schenkt ihm^aber
c.so das I Leben und lässt ihn frei, damit er das Unglück nicht
loslasse. Hierauf lässt er das Uuglück von zwölf Drechslern
und dann von zwölf Schmieden bearbeiten und wirft es end-
lich in (dnen (Heu.
Campbell bemerkt, dass ein Teil des Märchens an das
Grimmsche [Nr. 4] vom Fürchtenlernen erinnert. Der übrige
Teil vom Unglück im Sack ist auch mir sonsther nicht be-
kannt. Es scheint übrigens letzterer Teil entstellt. We-
nigstens sieht man uicht recht eiu, waruui der S(ddat das
Unglück, das ihn doch vom Tode befreite, so schlecht be-
handelt.
48. Das graue Neliaf.
Eine Königin behandelt ihre Stieftochter schlecht und
lässt sie die Schafe hüten, ohne ihr zu essen zu geben, aber
ein graues Schaf bringt ihr Speise. Die Königin schickt eine
Tochter ihrer Magd mit auf die Weide, um die Stieftochter
zu beobachten. Die Stieftochter fordert das Mädchen auf,
ihr Haupt auf ihr Knie zu legen, damit sie ihr Haar ordne,
und das Mädcheu schläft ein, sieht aber mit dem wachge-
bliebenen Auge auf ihrem Hinterkopf das Speise bringende
17. Ueber Canipliolls Sanniihnii,' sälisclier Miirchcn 4'J— 44. -Jö»)
Schaf und zeigt es der Kdiiigiii an. Das Schaf wird von der
Königin getötet, naclidem es der Stieftochter vorher gesagt
hat. sie solle Haut und Knocheu stehlen und zusaninien-
wickelii. Die Stieftocliter thut dies, vergisst aber die Hufe.
Dadurch wird das Schaf wieder lebendig, aber lahm. Ein
Prinz verliebt sich in die Prinzessin. Als die KTmigin dies
erfährt, sucht sie ihre Tochter unterzuschielten, und nun ver-
läuft das Märchen w^eiter ganz ähnlich dem Aschenbrödel-
nlärchen (goldne Schuhe. Schnhprobe, Abschneiden der Zehen,
verratender Vogel).
Der erste Teil des Märchens ist nahe verwandt mit
ririmnis Einäuglein, Zweiäuglein und Dreiäuglein (Nr. 180).
woran ('ainpbell erinnert, mit einem dem (irinimschen sehr
ähnlichen aus Burgund bei Reauvois Contes populaires S. 289
und mit dem siebenbürgischen Märchen bei Haltrich \r. 85
[Cosquin no. "28. Unten S. 270 zu Lang, Rasliiu Coatie].
Bezüglich der Wiederbelebung des Schafes, das lahm
lileibt. weil Kuncheii vergessen werden, erinnert Campbell an
Thors Bock. Mau vergleiche hierüber AVolfs Beiträge zur
deutschen Mythologie 1, SS und Zeitschrift für deutsche My-
thologie 1, 70 [Blade 2, 14."). Unten S. 278 i].
S. 201 l)emerkt ("ampbell, dass es eine gewöhnliche
Redens-|art sei, um einen, der alles sieht, zu bezeichnen: er esi
hat ein Auge am Hinterkopfe.
44. Das verzauberte Reh ^).
Jain, der Sohn einer Fischerswitwe. hat eine Flinte ein-
getauscht und will -iäger werden. Dreimal will er auf ein
Reh schiessen, aber immer erscheint es ihm als ein schönes
Weib. Er verfolgt es nun bis an ein Haus, da heisst es ihn
hineingehen und sich satt essen. Es ist ein im Augenblick
leeres Räuberhans. Als die Räuber zurückkehren und ihn
finden, lässt der Räuberhauptmann ihn töten. Am andern
Tag aber belebt ihn das Reh wieder. Der Räuberhauptmann
lässt ihn so mehrmals töten und zugleich die, die ihn vorher
') Bei Campbell: Der Sohn der Witwe.
2ß0 ^ut" Miirchenforscluiiig.
haben töten sollen. Zuletzt entsteht Zank, und die Räuber
töten sich selbst. Nun führt das Reh Jain zu seiner Hütte,
wo eine alte Hexe und ihr Sohn wolmen, und heisst ihn
morgen sie in einer Kirche treffen. Die Hexe aber steckt
einen Dorn in die Kirchthttr und Jain schläft ein. Eine
schöne Frau erscheint und sucht ihn zu wecken und schreibt
ihren Namen, Tochter des Königs vom unterseeischen Reich,
unter seinen Arm. Am zweiten Tag steckt sie dem Schlafenden
eine Dose in die Tasche. Am dritten sagt sie, sie werde nie
wieder kommen. Der böse Sohn der Hexe ist immer dabei
gewesen, sagt aber Jain nichts von dem Namen und der
Büchse. Nach manchen Abenteuern findet Jain endlich zu-
fällig in seiner Tasche die Dose, und wie er sie öffnet,
kommen drei Geister, die ihm dienen und ihn in jenes
Königreich bringen. Dort siegt er dreimal in drei Wett-
rennen, deren Sieger die Prinzessin heiraten soll, verschwindet
aber allemal wieder. Endlich giebt er sich zu erkennen und
heiratet die Prinzessin. Die alte Hexe und ihr Sohn werden
verbrannt.
Variante. Das Reh erscheint, als er das erste Mal
nach ihm schiessen will, mit Fraueukopf, dann mit Kopf und
Leib, dann in ganzer (iestalt. Die Flexe steckt ihm daiui
zweimal eine Nadel in den Rock, und so schläft er ein. das
dritte Mal giebt sie ihm einen Schlafapfel zu essen. Die
Königstochter erscheint zuerst \\eiss gekleidet und mit weissem
682 Pferd, dann grau, dann | schwarz. Er lässt sich hier — wie
auch oben — in eine Kuhhaut stecken und von grossen
Vögeln forttragen und kommt so in das Köjiigreich der Prin-
zessin. Die Abenteuer sind auch hier verworren. Als er ver-
heiratet ist, stiehlt ein Riva! die Dose und entfühi't die
Prinzessin und das Schloss in das Rattenreich: al)er Jaiu
gewinnt sie wieder. [Mac Innes p. 4.>8. 470.]
Ich weiss kein Märchen anzuführen, das sich im ganzen
Verlauf neben dieses stellt. [Gonzeid^ach no. 60. Zs. d. V.
f. Volksk. 6,164.] In dem ungarischen Märchen (Stier un-
garische Volksmärchen aus Gaals Nachlass Nr. 6) von der
verwünschten Königstochter auf dem Glasberg, welches sonst
17. Ueber Campbeils Sanimlun^' gälisoher Märchen 44 4."). 2(51
nur im allgemeinen mit dem gjilischeu verwandt ist, kommt
doch ein sehr ähnlicher Zug vor, dass der Held des Märchens
der mit der verzauberten Königstochter dreimal in die Kirclie
gehen muss. aber nicht einschlafen darf, gegen das Verbot
stets einschläft, weil ihm eine neidische Alte eine Schlaf-
nadel in den Rock gesteckt hat. Vgl. über Schlafdorn und
Schlafapfel Grimm Mythologie S. 1155 und L. ühland [Schrifteu
8, 464 =] (iermania S. 1\). Bezüglich der Dose erinnert
Campbell an Aladdin in 1001 Nacht. In Bezug darauf, dass
.laiii sich in eine Haut steckt und von Vögeln forttragen lässt,
denke man au Sindbad und an Herzog lernst.
Nacli einem Erzähler (S. 299 Anmerkung f) kauft .lain
die Kuh. in deren Haut er sich dann steckt, für so viel Oold,
als sie von ihrer Nase bis zu ihrem Schwänze bedeckt.
Dies erinnert an den alten Rechtsbrauch, wonach getötete
Hunde, Katzen, Schwäne aufgehängt werden und von dem
Totschläger zur Busse mit Getreide überschüttet werden
müssen. Ebenso werden menschliche Leichen mit Gold über-
schüttet, auch lebende ^lenschen zur Belohnung oder zum
Lösegeld. Vergleiche (irinims deutsche Reclitsaltertümer
S. t)88 — Gl'6 und Haupts Zeitschrift für deutsches Altertum 4,
506 und 9, 157. Grimm weist den Brauch bei getöteten
Hunden auch in den wälschen (iesetzen nach.
•tö. Mac-Ji-Rusgjiich.
Mac-a-Rusgaich verdingt sich bei einem bösen Pächter,
der die Bedingung stellt, wer zuerst Reue über das Dienst-
verhältnis empfinde, dem solle der andere einen Riemen aus
dem i Rücken vom Kopf bis zu den Füssen ausschneiden. 683
Indem nun Mac-a-Rusgaich die Befehle des Herrn immer nach
dem Buchstaben und deshalb verkehrt ausführt, erregt er
endlich dessen Reue und schneidet ihm den Riemen aus.
Dann tritt er bei einem Riesen in Dienst, dem er durch List
einen grossen Begriff von seiner Stärke beibringt. Zuletzt
wetten sie, wer den andern im Essen übertreffe, solle ihm
sieben Riemen aus dem Rücken schneiden. Mac-a-Rusgaich
siegt, indem er einen Sack vorbindet und darin die Speisen
262 Zur Märohenforsoluing.
steckt. Dann st-hueidet er zur Erleicliterimg angeblich seinen
r.eib, in der Tliat aber den Sack auf und veranlasst so den
Riesen, sich den Bauch aufzuschneiden.
Campbell vergleicht nur das englische Märchen von Jack
dem Riesentöter und das schwedische vom Riesen und den
Hirtenknaben.
In dem gälischen Märchen sind zwei sonst getrennte
Märchen verbunden. Der zweite Teil, Mac-a-Rusgaich beim
Riesen, ist das vielverbreitete Märchen von der Ueb er-
listung eines Riesen oder des Teufels durch einen
schwachen Menschen, einen Schneidei', einen Hirtenknaben,
einen Schulmeister. Vergleiche die Nachweise bei (irimui zu
No. '20 und 1S3, Hylten Cavallius zu No. 1, Asbjörnsen und
Moe zu No. () uml von mir in Eberts .lahrbuch für romanische
und englische Litteratur ö. 7. [7, 1(). (S, 'iöo. Germania
lö. 17(;. isi.)
Der erste Teil des gälisclieu Märchens, der Vertrag
zwischen Herrn und Diener, ist ebenfalls ein weit-
verbreitetes Märchen. [Köhler, Jahrb. f. rom. Phil. 8,250.
Cosquin no. 'Mk Oben S. 149 = Melus. 1, 473; unten zu dagic
no. 40.] Aber iiiclit wer zuerst Reue empfindet, sondern wer
zuerst zornig wird, dem soll der andere einen oder drei
Riemen anschneiden. In dem walachischen Märchen (Schott
S. 220) schliesst der Schalk Bakala mit einem Popen den
Vertrag. Die Streiche, durch die er des Popen Zorn zu
erregen sucht, sind verschieden, nur schneidet er das Kind
des Popen, das er reinigen soll, auf, ebenso wie Mac-a-Rus-
gaich die Pferde. In einem litauischen Märchen (Schleicher
S. 45) spielt die Sache zwischen einem Pfarrer und dem
dummen Hans, der den Pfarrer zum Zorn bringt, nachdem
der Pfarrer vorher die beiden altern Brüder des Hans zum
Zorn gel)racht hat. Die Streiche, wodurch Hans den Zorn
des Pfarrers erregt, stimmen nicht mit den gälischen. lu
einem norwegischen Märchen (Asbjörnsen S. 396) sind es |
€84 ebenfalls drei Brüder, die den Vertrag schliessen und zwar
mit einem König. Der jüngste bringt den König zum Zorn,
unter auderm dadurch dass er das Kind des Königs reinigt
17. Ueber Caiii])l)ell8 Saniniluiig gälisclier Märol\en 4.'). •2()H
wie Bakala im walachischeii Märclien und dadurch dass er,
da er beim Ackern des Königs Hunde folgen soll, zuletzt
Ochsen und FIlug zerhaut und dem Hunde nach in ein Loch
wirft, ganz ähnlich wie Hans im litauischen Märchen. In
einem mährisch-walacliischen Märchen (Wenzig westslavischer
Märchenschatz S. ö) soll dem Zornigen die Nase abgeschnitten
werden. Zwei Brüder werden zornig und müssen sich von
dem Bauer die Nasen abschneiden lassen, der dritte jüngste
aber erregt durch mehrfache Streiche endlich den Zorn des
Bauern. Die Streiche stimmen zum Teil mit dem walachischen
Märchen, zum Teil sind sie dem litauischen, zum Teil dem
gälischen (Abdecken des Dachs, Erbauen einer Brücke durch
getötete Schafe) ähnlich. Der letzte Streich, wie der Bursch
die Frau des Bauern, die auf einen Baum gestiegen ist, um
den Kuckuksruf nachzuahmen, weil der Vertrag beim ersten
Kuckuksruf zn Ende sein soll, vom Baume schüttelt, dass sie
ein Bein bricht, kommt ähnlich in einem hierher gelnirigen
deutschen Märchen vor (Prölile Märchen für die Jugend
Nr. 16). [Gonzenbach no. 87. Zs. d. V. f. Vk. (i,7-l:j. In
diesem Märchen wird der Vertrag zwischen einem Bauer und
den drei Söhnen seines Bruders abgeschlossen: wer zornig
wird, dem sollen die Ohren abgeschnitten werden. Der
Bauer bekommt den dritten Burschen, der nicht zornig wird,
satt und will ihn los werden und heisst daher seine Frau
den Kuckuksruf nachmachen. Der Bursche tliut. als er den
Ruf hört, einen Freudenschuss und erschiesst die Frau,
worüber der Bauer zornig wird. In einem schwedischen
Märchen vom Riesen und Hirtenknaben (Hylten Cavallius
S. 9) kommt vor, dass der Riese dem Hirtenknaben, falls er
ihm schlecht dienen solle, drei Riemen aus dem Rücken
zu schneiden droht.
In Bezug auf Mac-a-Rusgaichs absichtliches Missver-
ständnis, indem er, als sein Herr ihm befiehlt, ihm zu einer
bestimmten Stunde Ochsenaugen zuzuwerfen, d. h. ihn fest
anzublicken, den Ochsen die Augen aussticht und diese seinem
Herrn zuwirft, vergleiche man meine Bemerkungen in Eberts
Jahrbuch für romanische and euslische Litteratur 5. 19. 1
264; Zur Märchenforschung.
€85 46. Mac Jain Direach.
Ein König.ssohii bringt eines Tages nur die Feder eines
blauen Falken von der Jagd beim, der Falke selbst ist ent-
flohen. Die Stiefmutter verwünscht ihn, nicht eher heim-
zukehren, als bis er den Falken mitbringe. Er seinerseits
verwünscht sie, dass sie so lange mit einem Fuss auf dem
grossen Haus und mit dem andern auf dem Schlosse stehen
solle. Er zieht aus, und der Riese mit den fünf Häuptern
und den fünf Buckeln und den fünf Hälsen verspricht ihm
den Falken, nachdem er ihm das Lichtschwert der sieben
Weiber von Dhiurrath verschafft hat. Diesen musste er aber
erst das gelbe Füllen des Königs v(m Eirinn schaffen, dem
aber erst die Königstochter von Fraidvreich. Alles dies
schafft er durch Hilfe eines Fuchses, Gille Mairtean (weshalb
sich der so für ihn interessiert, ist nicht gesagt), obwohl er
wiederholt gegen seine Vorschrift fehlt, und mit seiner Hilfe
behält er schliesslich alle die errungenen Gegenstände sell)st.
Denn der Fuchs nimmt die Gestalt der Königstochter, dann
des Füllens, dann des Schwertes an und täuscht so den König
von Eirinn, die sieben Weiber und den Riesen. Die beiden
letztgenannten bringt er nebenbei auch um. An die ver-
schiedenen Orte kommt der Prinz immer dadurch, dass sich
der Fuchs in ein Schiff" verwandelt und ihn hinbringt. Ehe
Jain nun heimkehrt, empfiehlt ihm der Fuchs noch, vor seiner
Stiefmutter so zu erscheinen, dass er das Schwert mit dem
Rücken gegen seine Nase halte , da diese ihn durch ihren
bösen Blick in ein Stück Holz verwandeln wolle. Er thut
es, und die Stiefmutter wird selbst zu Holz. Ohne Lohn an-
ziinehmeu scheidet der Fuchs.
Campbell teilt noch eine Variante mit, wo der Held
Brian der Sohn des K('inigs von Griechenland ist. Er will
die Tochter des AVeibes, das die Hühner wartet, heiraten,
aber sein Vater schickt iiin aus, erst den AVundervogel zu
holen. Den erlangt er nun durch den Fuchs und dabei auch
das Lichtschwert und die Königstochter von Fionn. Zuletzt
muss er dem Fuchs das Haupt abschlagen, da wird der Fuchs
Ueber Campbeils Sammlung gälischer Märchen 46 — 47. 265
zum Bruder jener Prinzessin. Brian denkt nicht mehr an
die Magd und heiratet die Prinzessin. In dieser Fassung
lässt der Fuchs den Helden und rlie Prinzessin auf sich reiten,
in ein Schiff ver-|wandelt er sich aber nicht. Der Riese mit esü
den fünf Häuptern hat Neunmeilenstiefeln.
Campbell selbst verweist auf (irimms goldenen Vogel
Nr. 57 und die dort in den Anmerkungen gegebenen ver-
wandten Märchen, zu denen man noch füge Haltrich Nr. 7
und Vogl russische Märchen Nr. 2. [Awar. Texte no. 1.
Cosquin no. 19. Mac Innes p. 461 no. (>.] Letzteres steht
den gälischen Märchen besonders dadurch nah, dass der graue
Wolf sich in die Prinzessin und in das goldene Pferd ver-
wandelt, wie auch in dem Märchen aus der Bukowina, Wolfs
Zeitschrift für deutsche Mythologie 2, 389. In dem wala-
(^hischen Märchen bei Schott Nr. 26 kommt auch statt des
Fuchses ein Wolf vor, an Stelle der Prinzessin tritt ein
Meermädchen, und um dies zu erlangen, verwandelt sich der
W(df in einen Kahn, wie im gälischen der Fuchs. Die
meisten aussergälischen Märchen geben dem Helden noch
zwei treulose Brüder, deren Untreue zuletzt aber doch zu
Schanden wird.
S. 350 teilt Campbell aus Anlass der sieben grossen
Weiber Erzählungen von andern gespentischen Weibern, die
an besondere schottische I^okale sich knüpfen, mit.
47. Farquhar.
Farquhar wird durch Kosten der Brühe, in der eine
weisse Schlange gekocht wird, allwissend und zieht als grosser
Arzt umher. Wenn er seine Finger an seine Zähne legt,
so erfährt er, was er wissen will ^). Farquhar ist nach
Campbell eine historische Person, ein Arzt des 14. Jahr-
hunderts. Aehnliches wird von einem berühmten , Doktor'
erzählt. Campbell erinnert an den Anfang von Grimms
') In dem 51 sten Märchen legt Fion seinen Finger unter seinen
Weisheitszahn und weiss dann, was in der Ferne geschieht. Vgl. aucii
p. XY der Einleitung.
2()(> Zur Märchenfüi^chung.
weisser Schlange imcl bringt mancherlei über Schlangenzauber
und Aberglauben bei.
48. Sgire Mo Cliealag.
Ein junger Mann freit ein Mädchen aus Sgire Mo Chealag.
Als die Braut einmal Essen holt, bemerkt sie über sich den
Sattel des Pferdes an der Wand hängen, und in der Be-
trachtung, dass der sie hätte erschlagen köunen, setzt sie
687 sich hin und weint. Die Aeltern kommen dazu und setzen
sich mit und weinen. Als der Bräutigam sie sieht, zieht er
aus und will nicht rasten, bis er drei eben so dumme triift.
Er trift't sie bald, nämlich drei Männer, deren einen seine
Frau glauben macht, er sei tot, den andern, er sei nicht er
selbst, den dritten, er habe Kleider an.
Diese Geschichte ist teilweis dieselbe wie Nr. '20 und
Grimms kluge Else [no. 84], das siebeubürgische oben er-
wähnte ^lärchen und ein gascognisches bei Cenac Moncaut
Contes pojjulaires de la Gascogue S. ?)'2. vgl. Eberts -lahr-
buch für romanische und euglische Litteratur 5, 8. [Hoft-
meister S. 40. Strackerjan "2, 291, Barts(;h 1, 507. Teilweise
Reusch. Sagen des Samlandes ^ no. 98, (irundtvig 2, 307. 3,
45, Sv. Laudsm. 5. 1, 81, Folk-lore Record 3, 156, Folk-l.
Journ. 2, 40. Kennedy p. 9, Tradition 4, 25, Blade 3, 71,
Luzel 3. 3S1. Sebillot 2. no. 43, Schneller no. 56, Busk p.
357. 367. 370, Bernoni uo. 6, Coelho no. 41, Pio p. 111, Krauss
2, no. 110, Ralston p. 53 f.] Eine sehr abweichende Variante
S. 384 ff. Darin kommt vor, wie Leute eine Kuh auf das
Dach ziehen und beim Zusammensitzen ihre Beine unterein-
ander verwechselt haben. [Oben S. 135 zu Blade 3, 130,
Coelho. Ralston p. 54, Germ. 14, 390.]
An diese Geschichte schliessen sich noch audere Schwanke
von der Narrheit der Bewohner Sgire Mo Chealags und
Assynts, auf die wir nur im allgemeinen aufmerksam machen
(S. 376. Zwölfe zählen sich, bekommen aber immer nur
elf heraus, da der Zählende sich vergisst. [Oben S. 112 zu
Carnoy no. 14.] S. 377 Ersäufen eines Aals [Krebs bei H.
Sachs. Dichtungen ed. Goedeke 1, 162. 2, 156.])
Ueber Campbells Sammlung gälischer Märclien 48 — 50. 267
49. Kiiulerreiine von Katze und Maus.
[J. G. Campbell, ('hin traditions of the Western high-
lands 1S95 p. 12().]
50. Die drei Fragen.
Die Geschichte von den drei Fragen und dem verklei-
deten Müller, der sie löst. Der Aufgeber ist der Lehrer
eines Schülers, der Müller der Bruder des Lehrers.
Die Fragen sind: AVie viel [^eitern würden zum Himmel
reichen? p]ine, die laug genug ist. Wo ist der Mitteli)unkt
der Welt? Hier, miss nach! Was ist die Welt wert? HO Silber-
linge, so viel war der Erlöser wert. Oder die zweite Frage:
Wie weit ist der Weg um die Welt? Wenn ich so schnell
wäre wie Sonne uiul Mond, '24 Stunden. Die dritte: Was
denke ich? mit der bekannten Antwort.
Ich verweise auf die von mir im Orient und Occident 1,
S. 43i> |zu Nasr-eddin n<i. 70] gegebenen Nachweise über die
drei Fragen, wozu jetzt noch ein gascognisches und ein
dänisches Märchen kommen, Cenac Moucaut p. .■)(), Gruiidtvig
Gamle minder 1, 112. Campbell bemerkt: There are a great
raany similar wise saws current \ which are generally fathered 688
on George Buchanan, the tutor of -lames VI.
Hieran schliesst Campbell '>'■} gälische Volksrätsel. Zu
vielen davon finden sich in den Rätseln anderer Nationen
Parallelen. So zum Beispiel die folgenden: S. Hl)2. Was ist
das, was Gott nie sieht. Könige selten, ich alle Tage? Seines
gleichen. Dies Rätsel begegnet uns in deutscher (schon im
15. Jahrhundert), niederländischer, englischer, schwedischer,
norwegischer, ehstnischer Sprache. Vergleiche meine Nach-
weise im Weimarischen -lalirbuche 5, o^l ff. [Wossidlo 1<S!)7
no. Hi>4.]
S. 3!)7. Vier hangend, vier laufend.
Zwei den Weg findend.
Eins brüllend. — Eine Kuh. (Euter, Füsse,
Augen, Maul).
Dies Rätsel findet sich ganz ähnlich schon in einer nor-
dischen Saga und uocli heut zu Tag im Volksmund in Deutsch-
268 ^^^^ Märchenforschung.
land, iu der Schweiz, in Norwegen, in England. Vergleiche
Müllenhoft" in Wolfs Zeitschrift für deutsche Mythologie 3, 4.
Manuhardt daselbst 3, 12i>. Riisswurm daselbst 3, 348 und
Rocliholz alemannisches Kinderlied S. 221. [Wossidlo no. 165.]
S. 404. Der Sohn auf der First des Hauses
Und der Vater noch ungeboren. — Rauch
und Flamme.
So lautet ein finnisches Rätsel von den Funken: Der
Vater ist noch nicht geboren, und schon sind die Söhne im
Krieg (Berichte der k. sächs. (iesellschaft der Wissenschaften
zu Leipzig 1, 273). Albanesische Rätsel (Hahn albanesische
Studien 2, 158. 163) vom Feuer und Rauch lauten: Der
Vater noch nicht geboren, und der Sohn zieht in den Krieg,
oder: der Vater ungeboren, der Solin nuiclit einen Feldzug.
Aehnlicli ist auch noch ein hnnisches (a. a. 0. 273): Das
Pferd ist im Stalle, der Schweif auf dem Dache. Ein farö-
isches Rätsel vom Rauch lautet: Der Sohn stand an der
Thür. als der Vater geboren wurde. In Pommerellen giebt
man auf: Eh noch der Vater ward geboren, hat der Sohn
schon die Welt begangen. Vgl. ^lannliardt a. a. O. 3. 130
und Russwurm ebenda 3, 350. [Wossidlo no. 14.s.]
51. Der schöne (Truagach, Sohn des Königs von Eirinii.
Der schöne Gruagacli spielt mit der Dame mit dem
689 schönen j grünen Gürtel und verliert. Sie giebt ihm unter
Bann und Fluch auf, umher zu ziehen, bis er sie wiederfände,
und verschwindet. Er zieht aus. Zwei Jahre verbringt er
in einem Schloss, das so viele Thore und Fenster hat als
das Jahr Tage, und glaubt nur einen Monat da verweilt zu
haben. Hierauf begiebt er sich zu Fionn und den Fhinnen.
Er erjagt ein wunderbar schnelles Wild, das einem alten
riesenstarken Weibe angehört. Das Wild wird gekocht.
Wenn ein Stück ungekocht geblieben oder Brühe ins Feuer
geHosseu wäre, wäre es wieder lebendig geworden. Das alte
Weib legt ihn unter Fluch und Bann, wenn er nicht noch
dieselbe Nacht bei der Frau des Baumlöwen zubringe. Er
verwandelt sich in ein Pferd und kommt in die Wohnung
lieber Campbells^ Sammlung gäliselier Märchen 50--57. 269
des Baumlöwen. Am Morgen kämpft er mit dem Baum-
löweu, beide verwandeln sich in verschiedene Tiere. Er
tötet den Baumlöwen und lässt sich von Fiomi in ein Tuch
hüllen und mit Erde bedecken. Als dann die Frau des
Baumlöwen erscheint und Fionn, der nie log, nach dem
Mörder ihres Gatten fragte, konnte der antworten, er kenne
keinen auf der Erde, der ihren Gatten erschlagen luxbe. Zu-
letzt kommt der schöne (iruagach zum Schloss der Dame
mit dem grünen Gürtel und heiratet sie.
52. Die Zähne des Königs^).
Unter dieser Nummer teilt Campbell mehrere Märchen-
varianten mit, deren Kern immer der ist: Einem König von
Eirinn schlägt ein fremder Ritter drei Zähne aus und reitet
mit ihnen davon. Zwei Königssöhne und ein raissachteter
düngling — in einigen Fassungen ein Aschenputtel genannt —
ziehen aus, um die Zähne wieder zu gewinnen. Nach vielen
Abenteuern, auf die wir nicht eingehen, bringt der Jüngling
die Zähne dem König und setzt sie ihm wieder ein. Die
Königssöhne, die den Jüngling treulos verlassen, hatten nicht
die wirklichen Zähne, sondern Pferdezähne mitgebracht.
In der einen Fassung, die Campbell gälisch und englisch
vollständig mitteilt, kommen poetische Fragmente vor, so
dass wir hier wahrscheinlich Reste einer alten bardischen
Dichtung haben. Auch Nr. 51 mag dazu gehören. |
57. Der Schwanz 2). (wu
Scherzmärchen von einem Schäfer, der sein ertrinkendes
Schaf am Schwanz herausziehen will, aber der Schwanz bricht
ab. ,ünd wäre der Schwanz nicht abgebrochen, so wäre das
Märchen länger geworden.' [= Jacobs, More celtic f. tales
no. 46. Vgl. Wlislocki 1890 S. 430, Dykstra 2, 146.]
Derartige Neckmärchen kommen überall vor, vergleiche
Grimms goldenen Schlüssel (Nr. "200 nebst Anmerkung dazu),
*) Bei Campbell: clor Ritter mit dem ruten Sehild.
-) Als ."1,3 — 5»; sind anzusehen 17a — 17d.
'■27{) '^'"' Märclii'iitVirscluuiij.
woran Campbell erinnert, das Märchen von der Ueberfahrt
der Ziegen, welches Saucho Pansa im Don Quijote I, 20 er-
zählt nud das ganz ähnlich in S(diwaben erzählt wird, Meier
Volksmärchen Nr. 90. [Frischbier. Preuss. Volksr. S. 88.
Bergli H, 83, Crane p. 155, Novellino 2(i, Pitre no. 138, Im-
briani, Nov. lior. p. 57'2, Braga no. 118, Coelho. Jogos p. 39,
Kranss 1, no. 60 — 63.]
Und hiermit sind wir am Knde der vorliegenden zwei
ersten Bände dieser reichen Sammlung angekommen.
Seitdem die vorstehenden Bemerkungen geschrieben sind,
sind noch zwei Bände (P^dinburgh 1862) erschienen, und da-
mit ist die Sammlung beschlossen. Ich werde über diese
beiden Bände, deren Inhalt nur zum kleineren Teil in das
Bereich dieser Zeitschrift gehört, in einem folgenden Artikel
kürzlich Bericht abstatten.
18. Anmerkungen zu A. Lang, Scotch Tales.
a) Rashin Coatie ^).
(Revue Celtique 3, 3(17- 373. 1878.)
3,;7 Nous avons ici, comme voit le lecteur, une Variante du
conte connu et repandu de Cendrillon et de sa pantoufie
perdue.
En Ecosse dejä nous trouvons ((uatre versions de ce
conte:
1 " Dans Chambers, Poi)ular rhymes of Scotlaiid, new
edition, L(nidon and Edinburgh, 1S70, p. iii^, une version du
comte de Fife (traduite par M. Loys Brueyre, Contes popu-
laires de la Grande-Bretagne, p. 39): Rashie-Coat etait fille
de roi et Ton voulait lui faire epouser un homme qui ne lui
plaisait pas. Sur le conseil de la 'hen wife' ^), eile demande
1) [Der Text Längs ist in der Zeitschrift ,Fulk-Lore' 1, 289 (1890)
wieder abgedruckt.]
-) Hen-wife, en frimc^ais „basse-eouriere."
l.s. Aiiniorkinigen zu A. Laiii,^ SL-utch Tales, a. 271
avaiit le inariage un vetement (Tor battu, [)iii,s, (|uaii(l eile
a celui-ei. un vetement fait des pliimes de tous les oiseaux,
et entiii im veteiuent de roseaux et une paire de paiitoufles.
Aiiisi iiuiuie, eile quitte la iiiaisou paternelle, va au lohi et
arrive au chateau dun roi oii eile entre eu Service eomnie
fiUe de cuisine. In dimanche, comme tont le monde est ä
l'eglise et quelle seule est restee pour veiller ä la cuisine,
une fee vient la voir, lengage ä mettre sa robe dor et ä se
rendre ä Teglise. La fee, pendant ce temps, s'occupe de la
(niisine et dit:
Ae peat gar anither peat burn,
Ae spit gar anither spit turn,
Ae pat gar anither pat play,
Let Rashio-Coat gang to the kirk the day.
A leglise, le fils du roi s'enanioure de Rashie-Coat (jui,
avant la fin du service, ([uitte brusquement leglise. Le
dimanclie suivant, eile va a Leglise avec son cüstunie fait de
plunies d'oiseaux, et le troisieme avec sou vetement de roseaux.
i^a derniere fois eile perd une pantouHe ä son | depart pre- 3(^8
cipite de l'eglise. Le lils du roi fait savoir qu'il epousera
la jeune fille qui chaussera cette pantoufle. Aucune des dames
de la cour n"y reussit, niais la vieille 'hen-wife' nuitile le
pied de sa fille de sorte ((u'elle puisse chausser la pantoufle.
Comme le fils du roi la niet dei'riere eile sur son cheval et
Lenleve, un oiseau chante dans le bois:
>«ippit tit and rlippit tit
Ah int the kiiig's son rides;
But bonny fit and pretty fit
Ahint the eaudron hides.
Le fils du roi revient sur ses pas et trouve Kashie-Coat.
Le debut seul de ce coute dittere du notre: le reste
Concorde presque entierement; le nom de Iheroine est le
meme. et les vers de la seconde partie du conte ne difterent
pas sensiblemeut ^).
') Chambers remarque (p. 48) que dans la Complaynt of Scotland,
publiee en 1548, il est fait Tnention, entre autres contes, de Pure Tynt
"272 '^u'' Märcli(?nforschung.
2 ^ Chambers cummuuique eiicore (p. HS) ime version
mutilee de ce conte qui provient d'iin autre eudroit du pays.
Dans cette version, un roi possedait une jolie pantoufle de
verre et voulait epouser seulement celle qui chausserait cette
pantoufle. Un ambassadeur pareourait le pays pour chercher
une teile jeune fille. Enfin il arrive ä une maison oü il y
a deux filles. L'ainee se mutile le pied de fa<;on a ee qu'il
puisse entrer dans le soulier: mais comme le roi l'enleve sur
son cheval, un petit oiseau chante:
Nippit tit and clippit fit
Ahint the king rides,
But pretty fit and little fit
Ahint the caldron hides.
Le roi revient sur ses pas, et c'est la soeur cadette qui chausse
la pantoufle.
3 " Un conte public par Campbell, Populär Tales ot" the
West Highlands, n** 43, et dont voici le resume:
Une reine maltraite sa belle-fille et lui fait garder les
moutons, sans lui rien donner ä nianger: mais un heiler gris
lui apporte de la nourriture. La reine envoie une fille de
sa 'hen-wife' au päturage pour observer sa belle-hlle. La
belle-fille dit ä la fiUette de mettre sa tete sur ses genoux
pour qu'elle lui arrange sa chevelure. La fiUette s'endort;
mais, laissant ouvert un oeil qu'elle a sur le derriere de la
tete, eile voit le belier apporter ä manger a la belle-fille et
3H9 eile rapporte le fait ä la reine. | On tue le l)elier sur lordre
de la reine. Celui-ci avait dit auparavant ä la belle-fille de
voler sa peau et ses os et de les rouler ensemble, et qu'ainsi
il ressusciterait. Mais eile oublie les sabots de l'animal, et
le belier ressuscite, mais boiteux. Ce qui suit dans ce conte
est confus et enchevetre. Une chose est claire, c'est (jue la
fille du roi va trois fois a Leglise et qu'ä la troisieme fois
eile perd par precipitation une de ses pautoufles dorees. Un
Rashiecoat; et Oanipbell, dans ses observations sur son conte 14, renvoie
au conte de Rashen Coatie dans la collection nianusi'rite des contes de
Pierre Buchan.
18. Aninerkunuon zu A. I>aiiy, ^ocitcli Tales, a. 273
priiice, (lui s'est aiiKiiinicIie de la lille du roi, veut epoiiser
la jeiiiie tillf (|iii chaiissera rette pautoutie. I^a iiiarätre
miitile It'S doigts de pied de sa pntpre fille pour que la pau-
toufie piiisse lui aller. Mais le jour de la noee, comme tout
le moude etait reuui, un oiseau se pose sur la fenetre et
erie trois fois: „Le saug est daus le soulier, et le petit pied
est daus uu coiu derriere le feu!" C'est ainsi qu'ou trouve
la belle-fille de la veiue.
Le helier gris de ee texte correspoiul au veau de uotre
recit de Rashin-Coatie. Le fait ((ue le belier ressuseite
quand ou reuuit ses us, mais renait boiteux parce qu'ou a
(»ublie de certaius os, est empruiite ä uiie traditioii tres-
repaudue ^), mais qui ii'est pas ici ä sa place.
40 Un autre coute de la colleetioii Campbell, le uo. 14,
est aussi une version du conte de Cendrillon. Dans ce coute,
un roi veut epouser sa propre tille, parce qne les vetements
de sa femme defuute ne vout ((u"ä celle-ci. La fille, sur le
conseil de sa n(turrice, demande ä son pere plusieurs vete-
ments magnili(iues et des pautoulies. l'une d'or et Lautre
d'argent, puis eile s'enfuit. Elle devient tille de cuisine dans
un chäteau. Sans qu"on s'en aper(;oive, eile va trois diman-
ches de suite ä l'eglise avec ses vetements de prix et ses
pantouties. Le Hls du roi devient amoureux (Lelle. Le
troisieme dimanche, eile perd par preci])itati(>n une de ses
pautoulies, et le tils du roi declare (|u"il epousera seulement
la jeune fille qui chaussera la pantouüe. Beaucoup essayent
et se mutilent les pieds ä cet eilet, mais en vain. Un
petit oiseau repete, a mesure que chacune essaie la pan-
toufle :
Big. big. cha "n aun duit a thig, ach d(t "n fe bliig a
tha fo läimh a" chöcaire! c'est-a-dire : "Wee wee, it comes
') Yüir J. W. Wolf, Beiträge zur deutschen Mythologie, t. I, ji. 88;
W. Mannhardt, Grermanische Mythen, p. 57; I. Y. Zingerle, Sagen aus
Tirol, no. 13 [2. Aufl. no. 22] ; Ohr. Schneller, Märchen und Sagen aus
Wälschtirol, p. 20; Revue celtique, t. I, p. 239; P. Kennedy, The
Fireside Stories of Ireland, p. 128; S. Baring-Grould, Household Stories,
no. b [s. Nachtrag].
R. Kühler, Kl. Schriften I. 18
274 '^i"' -MäiH'lKMit'orscluuig.
not 011 thee, but oii tlje wee oiie uiider tlie band of tbe
co(»k".
Oll porte eiifiu la paiitoiitle a la ciiisiiie oii se troiive
la fille du roi, et "aussitot''' (|ue \a paiitouHe fut sur le sol,
eile saiita au pied de la fille du roi" ^). |
370 Daus cette version, coinme daus c.elle de Fife et beau-
coup d'autres eu dehors de l'Ecosse, le coute de Ceudrillon
est mele a un autre qui, par beaucoup de ])oiuts, ressemble
ä celui de Peau d'Aue. Si, daus la versiou de Fife, la fille
du roi doit epouser non pas sou pere, mais uu homme qui
lui deplait, je suppose fort que Cbambers a modifie sou conte
pour ne pas eboquer ses leeteurs.
Mais assez parier des versions ecjossaises de ce coute.
Eu debors de FEcosse, je couuais les versious suivantes:
Freres (iriinm, Kiuder- uud Hausmärcbeu, uo. 21, et les
variautes daus les uotes du toiue IIF. J. (i. Büsebiug, Wöcbeut-
licbe Nacbricbteu. t. I, p. i:!?. et t. II, p. IS,")-. L. Becbsteiu,
Deutscbes Miirclieubucb, Leipzig, 1845, p. 2o2 ('Ascbeu-
brödeF) ; E. Meier, Volksmärebeu aus Srbwaben, uo. 4;
I. V. Ziugerle, Kiuder- und llausmärcbeu aus Tirol, 2e ed.,
uo. 23; A. Lodteus, Oude kiudervertelsels iu den brugscbeu
tougval, p. ")"); P. dir. Asbj(iriiseu et -F. Moe, Norske Folkee-
ventyr, uo. !!•: M. <>. Hylteu-Cavalliiis et (1. Stepbeus, Sveuska
Folk-Sagor ocb .Efveutyr, uo. 21; K. Maurer, Isläudisebe Volks-
sageii, p. 2S] : ,1. Arnasou, Isbf'uzkar Tbjodbsögur og Aefiu-
tyri, t. II. p. -iOC) (traduit daus la traductiou auglaise de
(;. E. .1. Powell et E. Maguussou, t. II, p. 235), et p. 312;
A. Waldaii. Ibibiuiselies Märcbeubucb, }). (ioS; K. W. Woy-
cicki, Poluiscbe Volkssageu uud Märcbeu, übersetzt von
F. II. Lewestaiu. p. 123; A. .1. (Ilinski. Pajarz jxilski. t. III,
p. 135; A. De (luberuatis, Zoolugical Mythology. t. 1. p. lUH.
et 11, p. 304 (coute russe de la collectiou Afauasjev, t. VI,
uo. 30); Wuk Stepbauowitscb Karadscbitscb, Volksmärebeu
der Serben, uo. 32; Das Aushiud. -labrgang 1S32. uo. 5S, p. 230
') Ce trait si^' rencoutre daus le l'ciitanieroiie de Basile, 1, 6: Des
((iio la ])antoiifle est ])res du ])ied de Liicrece, le sonlier y est entraine
„fuintiic 1(1 tiiMTo ciirrc a Im ralaiiiita".
18. AuiiitM-kuniien zu A. Litii;;-, Hcotrli Tales, a. -JJ")
((•(Mite grec): J. <i. Vdii Halm. (Iriecliisclie und alhniiesische
Märchen, no. '2: A. Sakellanos, Tu. Krjroaixd. t. 111. |). 145
(conte cypriote traduit par F. Lit'brerlit daii^ le Jahrbuch für
romanische und englische Litteratur. t. XI. j». Hr)4): Ch. Per-
rault, C'endrillou ou la petite pantuufie de verre; .1. Turiault,
Etüde .sur ]e laiigage creole de la Martinique, p. 'iU*; Madame
DAuhioy. Finette CendronM: D. Bernoni, Fiabe e Novelle
popolari vt'neziane, no. S; 1). ('oni])aretti, Novellini popolari
italiane. t. 1, no.'i.")-. V. Imbriani. La Xdvellaja fiorentiua. no. 11 -.
R. H. Busk. The Folk-lore of Korne, p. "ii; et Hl: (\. Basile,
II Pentamerone, dornata 1, Trattenemiento (>: (1. Pitre, Fiabe.
Novelle e Racconti })opolari siciliani, no. 41: M. Mila y j Fon- ni\
tanals. Observaciones sobre la poesia popnlar, j). 181 (conte
catalan traduit [>ar F. AYolf, Proben portugiesischer nnd cata-
lanischer Volksromanzen, p. 43): F. Maspons y Labros, Lo
Rondallayre, no. 20: \V. Webster, Basque Legends, p. l(i().
[Cox. (Inderella iS'.):;.]
Au petit vcau de notre conte ecossais correspoiident une
vache (laus Ics contes serbe et roniain, un taureau dans le
conte norvegien et un petit belier dans le conte sicilien.
Dans le conte serbe, la vache est la mere de Cendrillon'-)
qui a ete ainsi transt'ormee. Le [)ere s'est remarie: la belle-
mere donne ä sa belle-lille les troupeaux ä garder et lui
remet une qnantite de lin (|u'elle doit avoir file le s(»ir. Tout
ä cou]). au paturage. la vache se met ä parier et dit ä sa
lillc (|u"elle va niacliei' le liii et le lui rendre en lil (|ui lui
sortira j)ar Loridllc. '^»uand la btdle-niere apprend cela par
sa propre tille (|u"elle a envoyee secretement an paturage,
eile demande ä son mari de tuer la vache: celui-ci refuse
dabord. puis eiiHii consent. Avant dctre egorgee, la vache
') Un conte hongreis ile la eollcetion Erdehi traduit ]iar (>. Stier
dans SOS Ungarische Sagen und Märclien, no. 5, correspond si exacte-
nient a celui de la comtesse irAulnov (jue certaiuenioiit il cn pi-ovient
d^une facon directe.
-) ('online on voit })ar la traduction anglaise de ce conte donnee
nar il""? Mijatevics, Serbian Folk-lore, p. .">9, le nom serbe Papalhiga
correspond au f'rancais Cendrillon.
IS*
276 Zur Märchenforbchung.
dit k sa fille quelle ue doit pas manger de sa chair. mais
reimir ses os et les enterrer sous ime pierre derriere la mai-
son; piiis qiiand eile aura besoin de seeours, eile viendra ä
cette tombe et eile y trouvera de laide.
Dans le coute romain (Busk, p. 81), la vache que garde
la belle-fille remplit pour eile tous les travaux imposes par
la maratre et dit ehaque fois ä la jeiuie fille:
Butta sopr' alle corna a ine,
E vatene far Terba per me.[
Pendant qne la jeune fille s'eloigue, la vache se meta-
morphose en femme et accomplit le travail en peu de teraps.
La maratre decouvre le fait et ordonne de tuer la vache:
mais, anparavant, la vache dit ä la jeune fille quelle trou-
vera sous son coeur, eile tuee, une boule d'or: eile Tenlevera
et lui dira en cas de besoin:
Falk) dorato! Tallo doratu!
Vestimi d'oro e danimi riniianiurato I
Dans le conte norvegieii, c'est uu grand taiireau bleu.
Lorsque la fille du roi na rieii ;i manger de sa maratre, il
lui dit que dans son oreille gauche il y a une serviette. qu'en
la retirant et en l'etendant, eile aura ce qu'elle voudra a
boire et a manger. La maratre veut faire tuer le taureau,
mais taureau et jeune fille s'enfuient ensemble. 11s arrivent
au chateau dun roi. La le taureau dit ä la jeune fille de
372 le tuer, de lecor-jcher et de garder sa peau en un certain
endroit. Quand, plus tard, eile aura besoin de lui, eile n'aura
qu'a frapper en cet endroit avec un bäton. Dans une Variante
norvegienne (no. 8), la jeune fille trouve a boire dans une
oreille du taureau et ä manger dans Lautre. Cela etant
decouvert par la belle-mere de la meme fa^on que dans le
conte gaelique no. 43, on abat le taureau, mais saus que per-
sonne le Sache, hors la jeune fille. De ses os sort une
maison, et dans cette maison se trouvent trois vetements
merveilleux avec lesquels la jeune fille va trois fois de suite
a Teglise, etc.
18. Aniiierkuugen zu A. Lang, Sooteli Tales, a. 277
Dans le coiite sicilien, la jeiiiie fille a revu de soii pere
Uli petit belier (|iii liii dit: Mets ton travail sur nies cornes,
et je le ferai pour tüil Avant quon le tue par ordre de la
raaratre, il dit ä la jeune lille qu'elle ne doit pas nianger
de sa cliair, niais reunir et enterrer ses os. De ses os sor-
tent douze laquais ([ui menent la jeune fille. habillee, d'or,
a la fete du fils du roi, etc. ^)
[.es paroles rimees du petit oiseau daus les contes
ecossais sont tres-semblables ä celles du conte suedois:
Huggen liäl oeh klippen tä!
I ugnen är den soni gull-skon gar pä!
c'est-ä-dire „Talons rognes et doigts coupes! Dans le poele
est Celle a qui va le soulier d'or!'' Les variantes suedoises
fournissent aussi des variantes de ces vers.
Dans le conte norvegien un petit oiseau chante:
Et Stykke af Hiel
Og et Stykke af Taa ;
Kari Trsestakkens sko
Er t'uld af Blöd!
c"est-ä-dire ,,Un morceau de talon et un morceau de doigt!
Le soulier de Kari Trsestak est plein de sang!"
Dans une Variante norvegieune les vers sont ceux-ci:
Huggen HsdI op skaaren Ta !
I Gruen sidder den, soni Skoen runimer paa!
„Talons rognes et doigts coupes! Au foyer est assise celle a
qui va le soulier."
Dans le conte islandais des oiseaux cliantent: „Talon
rogne est daus le navire. son soulier est plein de sang: a
la niaison est assise iMjadveig, fille de Mani. une bien nieil-
leure fiancee. Retourne, fils du roi!"
') Dans beaucoup d'autres contes, en dehors du cycle de Cendrillon
et de la pantoufle perdue, figurent des vaclies, des taureaux et des
moutons qui filent pour une jeune fille maltraitee par sa maratre, ou
l'aident de toute autre facon, et que pour cela on met ä mort. Yoir
nies übservations dans Gronzenbaeh, Sieilianische Märchen, no. 32, et
Celles de M. Cosquin Contes populaires lurrains, no. 28.
•27s Zur Mitre-lu'iifursc'luing-.
373 Dans le coiite de Grimm deiix colombes chaiiteut:
Rucke di gue-k, riirke di giu'k,
Blut ist im Schuck;
Der Schuck ist zu klein,
Die rechte Braut sitzt noch daheim.
„Roiickedigoiick. rouckedigouck, sang est dans le soulier; le
soulier est trop petit; la vraie fiancee est encore ä la niaison."
Les vers des autres versions allemands sont analoges.
Daus le conte riisse deux colombes chantent: „Du saug
ä S(in pied! du sang ä sou i)ied!" Dans le coute serbe le
co(| de la maison cliaute : „Kikeriki! la jeuue fille est cachee
sous lauge h\-bas!" Daus le coute tclieque c'est uu chien
((ui aboie: ,,Haff! haff! haff! Notre maitre amene une femme
saus talou!'' et plus tard „une femme saus doigs de pied!"
Daus deux contes allemands (Grimm, t. 111, p. 36), cest
aussi uu chieu qui decouvre la lausse liancee en aboyant:
„AVou. wou. wou! soulier pleiu de saug!" ou „Haou, haou,
haou, haou. liaou ! inon maitre n'a pas la vraie femme!"
M. Luzel a publie. en fevrier IS?.?, dans le feuilleton
de lElecteur du Fiuistere, uu coute bretou, le Chat noir,
dont le debut coutient les elemeuts du conte de Cendrillon.
Uue maratre fait tuer la vache qui aimait et protegeait sa
belle-tille Yvonne. Quaud ou louvrit, ou trouva aupres de
sou canir deux j)etits souliers d'or, faits avec uu art raer-
veilleux. La marätre seu saisit eu disant: „Ce cera pour
ma fille le jour de ses uoces." Uu riebe priuce veut epouser
la belle Yvonne; mais le jour de la uoce la marätre essaie
de faire passer sa propre fille Louise pour Yvonne. Louise
est emmenee comme mariee, et pour qu'elle puisse chausser
les petits souliers d'or, ou lui mutile les pieds. Comme le
priuce moute en voiture avec eile pour aller a l'eglise, le
petit chien Fidele, (pii accompaguait Yvonne sur la graude
laude (juaud eile y menait paitre sa vache, se mit ä jap})er
de la Sorte: Hep-bi ! hep-bi! bep-hi! c'est-ä-dire „sans eile!
saus eile! sans eile!" Et ((uand le carrosse sortit de la cour,
il courut apres, en disant dans sou laugage:
18. Aiiiiierkungen /u A. Lang, Sccitcli Tales, ab. 279
O'est la laide, aux traits renfrognes,
Aux taloiis, aux orteils fognes;
Helas! lielas! et la jolie
Dans sa prisoii i)ltnire et sY'iiuuie!
I)) Nicht, Nouglit, Notliing^).
(Revue Celtique 8, 376— H78. 1878.)
Comparez les coiites suivaiits : 870
Campbell, Populär Tales of tlie West Highlands, 110 2
(hiiit variautes) :
W. Carletoii, Traits and 8tories of tlie Irisli Peasaiitry,
5e ed., t. T. p. 23 (The three Tasks);
P. Kennedy, The Fireside Stories of Ireland, p. 56; |
et en outre les contes que j'ai reunis dans Orient und Occident, h77
t. II, p. 108 — 114 [oben S. IBlJ, et dans mes commentaires
snr le no. 14 des Ehstnische Märchen de Kreutzwald, et sur
le no. 14 des Sicilianische Märchen de Gonzenbarh.
A cette liste jajoiite aujourd'hui:
fvalston, Rnssian Folk-Tales, p. 120: Miklosicli, Märehen
der Zigeuner no. 15; Bnsk, The Folk-Lore of Rome, p. 3;
Pitre, Fiabe Siciliane, no. 15: W. Webster, F^as(|ue Legends,
p. 120: Luzel, Le Filleul de la Sainte Vierge, Brest 1870.
[Zs. d. V. f. Volkskunde G, 64.]
Dans nombre de contes paralleles, il arrive que le pere
promet, sans le savoir, son enfaut a un etre hostile (ainsi
dans les versions gaeliques et dans Celles de Kennedy et de
Luzel); mais notre conte presente cette particularite (|u'il ne
croit pas avoir rien promis au geant, et qu'en fait il lui a
promis son fils qui s' appelle Nicht-Nought-Nothing.
Dans les contes gaeliques et dans le conte de Kennedy,
on trouve aussi les tentatives de faire passer dautres enfants
pour le prince.
On rencontre seulement dans les paralleles gaeliques,
irlandais et scandinaves le fait de nettoyer la grande etable.
0 [Der Text Längs ist abgedruckt in „The Folk-Lore" 1, 292
(1890).]
280 ^iii' -Märclieiiforsohung.
et seulemeiit daii.s les paralleles gaelique et irlaudais lascen-
sion de Tarbre a laide des doigts coupes de la jeime fille.
La seconde partie de notre conte depiiis la fuite du
prince jusqu'ä la fin est corrompue. 11 manque dabord des
details siir la facon dont s'eiifuirent le priiiee et la fille du
geant. Puls suivant lanalogle de la plupart des contes
paralleles, cpiaud le prince retourne chez ses pareiits, la fille
du geant devrait lui defendre d'embrasser qui que ce soit
ou de se laisser embrasser, et par Foubli de cette recomman-
dation, le prince devrait oublier la fille du geant. Cela
raanque dans notre version. Le prince arrive chez ses parents
Sans les connaitre et sans etre connu deux. et Ion ne nous
dit pas comment il devient si rapidement le fiance de la
fille du roi, c.-a-d. se sa soeur. D'apres lanalogie des autres
contes. la fille du geant devrait eveiller le souvenir du prince
d'une favon particuliere. k laide d'un coij et dune poule ou
de deux colombes, juste au moment oü Ion va celebrer les
noces du prince. Si au contraire, dans uoti'e conte. eile le
rencontre endornii dans le jardin et essaye en vain de le
reveiller. cest un trait emprunte ä dautres contes ^). |
37S Aux paroles par lesquelles la fille du geant dans notre
conte clierche ä eveiller le prince (I cleaned the stable, etc.)
on peut comparer les vers suivants dans le conte The Black
Bull of Norroway dans Chambers, Populär Rhynies of Scot-
land. p. Os [coniparez Campbell 4, 295]:
Seven lang years 1 -rerved for thee,
The glassy hill I elamb for thee,
Tlie lihiidy sliirt 1 wrang for thee,
And wilt tluiu mit wanken and tnni tu me ?
et cette Variante p. 101, ibid.
^) Yoici le trait dont il s'agit. L'heroine du conte troiive le mari
qu'elle a perdu niarie ou au moins fiance ä une autre; eile achete de
la nuuvelle epouse ou de la fiancee la permission de passer trois nuits
dans la chambre a coucher de son mari. Les deux premieres nuits,
c'est en vain qu'elle essaie de le reveiller, car sa nuuvelle femnie (ou
sa fiancee) lui a fait prendre un narcotique. Yoir lä-dessus nies obser-
vations dans Blade, Contes populaires recueillis en Agenais, p. 145.
18. Anmerkungen zu A. Lang, Scotch Tales, b. '2S1
Far hae I souglit ye, uear am I bruught tu ye;
Dear Duke o' Norroway, will ye no turn and speak to me?
et aiissi dans le conte irlandais The Brown Bear of Norway
daiis Kennedy, [.egendary Fiotioiis of the Irisli Celts, p. 57:
Fuur long years I was married to thee,
Thrce sweet babes I btn-e to thee,
Brown Bear of Norway, won't you turn to meV
Encore iine Observation sur lepisode oii la lille du geant
se tient sur un arbre, et oii son ombre >se reiiechissant dans
l'eau fait illusion a la fille et ä la femme du jardinier qui
croient voir leur propre ombre et se trouvent belies. Ou
peut comparer Campbell, p. H-t et 56, et le conte suedois
dans Hylten-Cavalliiis et Stephens, no. XIV, B. Ce trait se
renrontre aussi dans le conte si re})aiidu des trois citrons ou
des trois oranges, par exemple dans le P*entamerone V, 1), et
dans Gonzenbach, no. 13.
19. Anmerkungen zu Georg Widter und Adam
Wolf, Volksmärehen aus Venetien.
(Jahrbueli für ronian. Litt. 7, 1— Hf,. 121- ir)4. 27il- 299. 1866.)
1. Die zwei imgieichen Brüder.
Wir haben hier eine nicht durchaus gute und vollständige 6
Ueberlieferiiiig eines fast über ganz Europa verbreiteten
Märchens. Der Kern desselben ist, bei allen Abweichungen
der verschiedenen Fassungen im einzelnen, der folgende: Ein
guter Jüngling, der von seinem bösen Bruder oder (iefährten
geblendet und verlassen worden ist, belauscht ein Gespräch
von Geistern, Hexen oder Tieren und erfährt dadurch wuiuler-
bare Geheimnisse, wodurch er sein Gesi(,'ht wieder erlangt
und — in den meistea Fassungen — eine kranke Prinzessin
heilt und zur Gemahlin erhält. Der Bruder oder (iefährte
^(S2 ^iii" ^läreheiit'ürsc'huiii;'.
begiebt sieh später an denselben Ort. wo der andere das
Gespräcli vernommen, wird aber von den über die Enttleeknng
der (Geheimnisse erzürnten Geistern, Hexen oder Tieren be-
merkt und getötet oder geblendet.
Ich lasse nun die mir bekannten Volksmärehen in kurzen
Auszügen folgen, und zwar zunächst diejenigen, welche gleich
dem italienischen mit einer Wette beginnen. In einem
serbischen Märcheji bei Wuk Stephanowitsch Karadschitsch,
Volksmärchen der Serben, Nr. IG, streiten zwei Königssöhne
darum, ol) die Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit besser sei.
Sie wetten dreimal um (h-eihundert Goldstücke, und der erste,
dem sie begegnen, soll entscheiden. Jedesmal begegnet ihnen
der Teufel iu Mönchsgestalt uu<l entscheidet, dass die Un-
gerechtigkeit besser sei als die (ierechtigkeit. Da wettet der
Gute um seine Augen, dass die (ierechtigkeit besser sei, und
der Böse, weiter keinen Richter suchend, sticht ihm alsbald
beide Augen aus und lässt ihn in der Nähe einer (^)uelle
unter einer Tanne. Nachts baden sich Wilen (Waldfrauen)
in tler (Quelle, und der Blimle höi't, wie sie davon S[)rechen,
dass des Königs aussätzige Tochter nur durch das Wasser
dieser (Quelle, welches auch Stumme, Blinde und Lalime heile,
genesen könne. Am Morgen wäscht er sich in der Quelle,
wird wieder sehend, heilt die Prinzessin und erhält sie zur
Frau. Der böse Bruder, der dies erfährt, begiebt sich eben-
falls zur Tanne und sticht sich seine Augen aus, wird aber
von den AVilen entdeckt und zerrissen.
In einem finnischen Märchen in Eero Salmelainens
(Erik Rudbecks) Sammlung, Bd. 2, S. 172, ins Französiche
übersetzt von E. Beauvois iu seinen ,,(Jontes populaires de
7 la Norvege, de la Finlande et de la Bourgogne", | S. 139^),
begeben sich zwei Kaufmannssöhne in ihren ererbten Schiffen
auf Reisen uml versprechen sicli nach -lahresfrist wieder zu
treffen. Dies geschieht, und jeder hat sein Schiff voll AVareu.
') Eine deutsehe Uebersetzung dieses und des weiter unten l)e-
sprcH'henen finnischen Märchens verdanlce icli nerrn Pn)t". Dr. WiUielni
Sehott in Berlin.
lii. Aiiiiierkuiii;(_Mi zu Widtcr uwd Wdlf Nr. 1, 2<S8
Der ältere Biiuler hat seine Waren diiivli Ijetrug und Falsch-
heit, der jüngere durch l^hrlichkeit gewonnen. -lener be-
hauptet nun, im Handel sei die Unehrlichkeit vorteilhafter,
dieser — die Ehrlichkeit. Sie verwetten ihre ganze Habe,
und der erste, der ihnen auf ihrer Rückfahrt begegnet, soll
entscheiden. Dieser erste, der ihnen in einem Boot rudernd
begegnet, gehört zu (\e\i Leuten des Teufels und erklärt, dass
die Unredlichkeit auf der Welt am vorteilhaftesten sei. Hierauf
nimmt der ältere Bruder das Schitil' des Jüngern in FJesitz,
sticht ilim die Augen aus und überlässt ihn in einem Kahn
seinem Schicksal. Der Unglückliche landet an einer Insel,
wo ein Unbekannter ihm wuiulerbare Schneeschuhe giebt,
die ihn zweimal zu einer (^bielle bringen, deren Wasser zuerst
seine Schmerzen lindert, dann ihm die Augen wieder giebt.
Hierauf schenkt der Unbekannte ilim die Schneescliuhe. die
jeden dahin tragen, wohin er wünscht, und sagt ihm, er solle
die Nacht auf einer Fichte zubringen, wobei er wichtige (ie-
heimnisse erfahren werde. Der düngling tliut dies, und um
Mitternacht versammeln sich mehrere Teufel unter dem Baum.
Aus ihren (les[)rächen erfährt er, wie die kranke Knnii;s-
tocliter (durch Tau) geheilt, wie eine Quelle für das wasser-
bedürftige K('inigsschloss entdeckt uud wie die verscheuchten
Hirsche wieder in den kr>niglichen Park gebracht werden
könneil. Er begiebt sich zum König und wird durch IJe-
nntzung dieser (leheimnisse sein Schwiegersohn. Sein Bruder
kommt l)ald darauf mit ihm zusammen und erlangt Verzeihung.
Um ebenso sein (llück zu machen, erbittet er sich v(»m
Bruder dessen Schneeschuhe. Damit I)egibt er sich zu jenem
Baum, den er besteigt, ohne die Schuhe anzubehalten. Die
um Mitteriuicht erscheinenden Teufel entdecken gleicli die
Schuhe uud dann ihren Besitzer, den sie totprügeln.
Nach dem neugriechischen Märchen bei -I. G. v. Hahn,
Griechische und albanesische Märchen, Nr. 80, streiten zwei
Brüder, o!) das Beclit (»der das Unrecht regiere. Sie wetten j
endlich um die Augen, uml der Erzltischof soll entscheiden. 8
Dieser erkliirt. wie schon vorher ein alter Mann und dann
ein Klosterbruder, denen sie begegnen, dass das Unrecht
284 2i^i' ^liii'chenforschung.
regiere. Somit hat der jüngere verloren, und der ältere sticht
ihm die Augen aus und verlässt ihn. Nachts steigt der Blinde
auf einen Platanenbaum, unter welchem sich eine Menge
Teufel versammeln. Die jüngsten Teufel müssen dem alten
erzählen, was sie den Tag über gethan. Einer erzählt, dass
er die beiden Brüder verhetzt, ein zweiter, dass er zwei
andere Brüder uneinig gemacht, ein dritter, dass er der
Königin das Kind im Leib verkehrt gelegt habe. Ein vierter
hat nichts gethan und wird deshalb von den andern geprügelt.
Voll Zorn wünscht er, dass der Blinde seine Augen mit dem
Wasser der Quelle am Baum waschen möge, wodurcli er
sehend werde ; dass der Weinstock, um den die beiden andern
Brüder hadern, umgeliauen werde, und dass die Königin von
dem Quellwasser trinke, u]n gebären zu können. Der Blinde,
der all dies gehört hat, wird natürlich wieder sehend und
vom König, dessen Gemahlin er zur (leburt verhilft, reich
belohnt. Als der ältere Bruder später den Jüngern sehend
und reich findet, fragt er ihn, wie dies so gekommen sei.
Dieser antwortet: „Ich habe dir immer gesagt, dass das Recht
regiere!", worauf jener tot zu Boden stürzt.
Ein wendisches Märclien bei L. Haupt und J. A.
Schmaler, Volkslieder der Wenden, Bd. '2, S. 181, erzählt:
Ein Försterssohn trifft mit einem Fremden im AVirtshaus zu-
sammen. Der Fremde behauptet, dass sich für Geld das
grösste Unrecht in Recht verwandeln lasse, der Jäger aber
meint. Recht bleibe immer Recht. Sie wetten, und zwar setzt
der Fremde 300 Thaler. der Jäger seinen Kopf. Drei Rechts-
kundige entscheiden zu Gunsten des Fremden, der dem
Jäger zwar das Leben schenkt, aber ihn mit einem glühenden
Eisen blendet und ihm erklärt: dann wolle er glauben. Recht
bleibe Recht, wenn der Jäger wieder würde sehen können.
Der Blinde hört Nachts unterm Galgen drei Geister von
ihren Thaten sich unterhalten, und erfährt dadurch, wie er
(durch das Wasser der nahen Quelle) sein Augenlicht wieder
erlangen und wie er einer Stadt zu Wasser und einer kranken
Prinzessin zur Gesundheit verhelfen kann. So wird er wieder
sehend und heiratet die geheilte Prinzessin. Der Fremde
lit. Aiiiiierkuiiijcn zu Widtcr und Wulf Nr. 1. 280
gellt iiacli -hilirestVist aiR-li unter den (ialgeii. wird aber von
den (Jeistern zerrissen.
In einem deutschen Märchen bei Pröhle. Märchen für 9
die Jugend, Nr. 1. streiten zwei Brüder, ob Dank oder Un-
dank der Welt Lohn sei, und wetten deshalb um ihr Erbteil.
Wiederholte Erfahrung beweist ihnen, dass Undank der Welt
Eohn ist, weshalb der ältere dem jüngeren sein Erbteil nimmt
und die Augen aussticht und ihn verlässt. Nachts steigt der
Blinde auf einen Baum und erfährt aus den Gesprächen eines
Bären, Löwen und Fuchses, wie er seine Augen (durch Tau)
wieder erlangen, einen reichen Mann heilen und den Brunnen
im Königsschloss wieder fliessend machen kann, für welche
letztere That ihm der König die Krone abtritt. Der Bruder,
dem er später wieder begegnet, verzeiht uml alles erzählt,
steigt auf jenen Baum und wird von den Tieren zerrissen.
Dies sind die hierher gehörigen Märchen, die mit der
Wette beginnen. Ich habe das serbische und finnische
Märchen zuerst angeführt, weil sie am meisten mit dem
italienischen übereinstimmen, insofern in allen dreien der
Teufel den Wettenden den Entscheid giebt. Nicht eine eigent-
liche Wette, aber doch etwas ähnliches hat ein ungarisches
Märchen bei Mailath, Magyarische Sagen und Märchen, S. 157
[= 1-, 171 1. wonach zwei Brüder ausmachen, dass der.
welcher zuerst ein grösserer Herr als der andere werde, dem
anderen die Augen ausstechen darf. In der Folge wird der
jüngere vom älteren geblendet und unter einem Galgen ver-
lassen.- Dort vernimmt der Blinde aus dem Gespräch dreier
Raben, wie ein blinder Prinz seine Augen wieder erlangen,
ein Baum eines Königs wieder silberue Birnen tragen und
eine in Zauberschlaf liegende Prinzessin erlöst werden könne.
Er benutzt diese Geheimnisse und wird (iemahl der Prin-
zessin. Sein Bruder aber, der es ihm gleich thun will, wird
unter dem Galgen von den drei Raben umgebracht. [Wette:
dagic no. 55; vgl. Krauss 1, no. 74. 95, Finamore no. 14.
Pitre no. (i5, G. Basile "2, 44a, Coelho no. 20, Rondallayre
no. 15, Luzel, Veillees p. 2S1, Luzel, Legendes ehret. 2. 111.
Pio p. 227 = Misotakis S. 185, Afanasjef bei Ralston. Notesp. 21.]
28() '^i'T MärL'lientorscluing.
L)ie übrigen mir l)ekaiinteii ^) Iiierlier geliurigeii Märchen,
in denen von der Wette nichts vorkommt, finden sich bei |
10 Cirimm. KHM Nr. 1(»7 der älteren Ausgabe, „Die Krähen" -),
Wolf, Deutsche Märchen und Sagen, Nr. 4, p]y, Harzmärchen-
buch, S. 18S, Zingerle, Kinder- und Hausmärchen, Nr. 20,
[auch Nr. 13, 11, 58 und 31i>J, Molbe(;h. Lklvalgte Eventyr,
Nr. G, Grundtvig, Gamle danske Minder, Bd. 3, S. 118,
Asbjörnseu und Moe, Norske Folkeeventyr, Nr. 4'.>: Sahne-
lainen, Finnische Volksmärchen, Bd. 2, S. 183, K. v. K(illin-
ger). Sagen und Märchen (aus Irland). Bd. "2, S. 230, ,1. M.
de Goizueta, Leyendas vascougadas, 3. ed., Madrid 1856,
S. 9, (ierle, Volksmärchen der Böhmen, Bd. 1, S. 347,
Waldan, Böhmisches Märchenbuch, S. 271, „Ausland", 1857,
S. 1028 (rumänisches Märchen). [Köhler zu Jagic no. 55,
Cosquin no. 7, Hansen no. 8, Sutermeister no. 43. 17, Kristen-
sen 1, no. 48, Bondeson no. 1, Veckenstedt 1, 1(53, Rolland,
Alm. 3. 114, Cenjuand 1, no. 94. 95, Vinson p. 17, Schneller
no. 9 — 11, Andrews no. 12. Imbriani, Nov. mil. no. 10
') Unbekannt sind mir die von W. Grrinnn, Bd. 3, S. 189 citierten
deutsflien Märchen in den Feenniärchen, Braunschweig 1801, S. 168,
lind in dem Büchlein für die Jugend, S. 252, und das, wie mir Professor
W. Schott mitteilt, von Salmelainen 2, 171 erwähnte ehstnische „Wahr-
heit und Lüge'' in AViron Satuja (P]hstlands Märchen), 8t. Michael 1849,
2. Ausg., S. 5.
') An die Stelle „der Krähen" sind in den letzten Ausgaben „die
beiden Wanderer" getreten, ein zwar sehr schönes Märchen, welches
jedoch von dem ursprünglich zu Grunde liegenden wenig erhalten hat.
[Kristensen 2, no. 42.] ]S'ach diesem Märchen hört der Scluieider, dem
der Schuster die Augen ausgestochen hat. Nachts unterm (jalgen zwei
Gehängte sich unterhalten, und erfährt dadurch, dass der diese Nacht
fallende Tau jedem der sich damit wäscht, die Augen wieder herstellt.
So erlangt er sein Gesicht wieder und wandert weiter bis in eine Stadt,
wo sein Kamerad Hofschuster geworden ist und er Hofsclmeider wird.
Der König giebt ihm, da ihn der Schuster verleumdet, verschiedene
schwere Aufgaben auf, die er aber mit Hilfe von dankbaren Tieren, die
er sich auf seiner Wanderung zur Stadt verpflichtet hat, löst, und er
wird endlich Schwiegersohn des Königs. Der Schuster wird verbannt,
und als er unterwegs unter jenem Galgen schlafen will, liacken ilim
Krähen die Augen aus. Sehr ähnlich ist das ungarische Märchen bei
V. Gaal, Märchen der Magyaren, S. 175, wo drei Brüder ausziehen. Die
l!l. .\iiiiuTl\uiii;en zu Widter und Wolf Xr. 1. '2S7
(2. Teil). Nerucci iio. "i."!, Pitre, NdV. tose. iki. •J."!. Miklosidi
no. l'i, Beiträge 4, H. Radioff o, '.>4'.>. Hiviere p. ;^»5. — Aus-
fiihrlicli Katoiia, Ethiiol. Mitteil, aus liigani '2. HS. 1.")!).
Eine hebräische Erzälihmg des i). -lalirh. bei (Jaster, Folk-
Lore 7, '2'M).]
Die Hauptpersdiieu dieser Märchen sind l)idd zwei
Brüder, bald zwei beliebige Gesellen, die zusammen wandern,
im irischeu zwei (Jeschwisterkinder. Nur in den böhmischen
und in dem (irimmschen öMärchen siud es nicht zwei, sondern
drei Gesellen. Bei M(dbech heissen die Brüder bezeich-juend ii
(iodtro und Utro, l)ei Asbjörnsen Tro und Ltro. Der eine,
wenn es Biäuler siud. luitürlich immer der jüngere, wird von
dem andern aus Bosheit oder Missgunst, im irischen aus
Rache, der Augen beraubt: nur im tiroler Märchen bei Zin-
gerle, im baskischen und in einer norwegischen Variante
fehlt, wie ja auch im veuetianisclieii. die Blendung. Die
Wesen, deren Gesi)räclie belauscht werden, sind drei Teufel
(Zingerle) [Miklosidi no. 12], drei Hexen (Gerle, AVahhiu.
Bing 2. .■).■>). ein ganzer Hexensabbatli (Goizueta [Suter-
meister. Schneller, Kdudallayre, Imbriani] ). drei Bösewichter
(Salmelainen). [zwölf Herren (Zingerle 1. no. 13), drei Würmer
(Zingerle 2. ;^21). Krälien ( Miklosich Beitr. Coelho).] drei
Raben ((irimni, Ey), Katzen (Killinger), wilde Tiere, wie
Löwe, Bär, Wolf, Fuchs (Wolf, xMolbech, Grundtvig, Asbjörn-
sen), [Affe, Bär, Wolf (Ceniuand), Tiger, Fuchs, AVolf (Rad-
ioff). I>öwe. Eber, W<df ( Luzid), Vogel (Riviere)]. Die (Je-
beideu älteren stecheu dem jüngsten die Augen aus und brechen ilun
die Beine. Naclits liört er zwei Raben auf einem Hocbgericht sieh
unterhalten veu der Heilkraft des benachbarten Teicdies und des diese
Nacht fallenden Taues. So heilt er sieli seine Beine und gewinnt seine
Augen wieder und zieht weiter. Unterwegs heilt er mit dem Wasser
des Teiches mehrere Tiere und kommt dann zu einem König, wo er
seine Brüder wieder findet. Auf ihr Anstiften stellt ihm der König
schwierige Aufgaben, die er mit Hilfe der dankbaren Tiere löst. In
dem sonst ganz gleichen ungarischen Mändien bei Stier, Ungariscdie
Sagen und Märehen aus der Erdelyischen Sammlung, Nr. 10, fehlen <lie
Raben. Der Geblendete wird wieder sehend, indem er in einen Sumpf
fällt, dessen Schlamm wunderbare Heilkraft bat.
'•2SS Zur Märclienforschung.
lieimiiisse sind meii^t drei, und zwar: AViederherstellung der
Augen, Beseitigung- des AVassermangels in einer Stadt,
Heilung einer kranken Prinzessin (Grimm. AVolf. (irundtvig,
Waldau, Gerle). Im finnischen haben wir statt der Wasser-
findung eine Schatzhebung; bei Ey einen kranken König statt
der Prinzessin; bei Asbjörnsen neben den drei (ieheimnisseu
nocli zwei andere; bei Molbech bb)ss die Augenheilung und
die Hebung eines Schatzes: im baskischen, wie im venetia-
nischen, bloss die Heilung der Prinzessin. Im irischen Märchen
erfährt der Blinde, dass die Wallfahrt zu einem gewissen
Brunnen alle Gebrechen heilt, und so heilt er seine Augen
und die des Königs. Bei Zingerle kommen zur Beseitigung
des Wassermangels noch zwei Heilungen Kranker. In dem
rumänischen Märchen besteht das Geheimnis in einem Mittel,
wodurch der Blinde seine Blindheit und zugleich die Krank-
heit einer Kaiserin heilen kann, und dieses sagt ein Rabe
dem unter dem (ialgeu liegenden Blinden freiwillig. Der
Schluss der Märchen ist fast überall derselbe: der andere
Bruder oder Gefährte begiebt sich au denselben Ort, um
ebenfalls Geheimnisse zu erlauschen, wird aber dort umge-
bracht. In einem Märchen bei Asbjörnsen ereilt den Utro
weiter keine andere Strafe, als dass die Tiere diesmal sich
keine Geheimnisse mitteilen, weil sie meinen, dass eins von
ihnen das letzte Mal ausgeplaudert habe. Die Märchen noch
weiter in allen Einzelheiten unter sich zu vergleichen, würde
hier zu weit führen.
Wir haben bis jetzt nur Gestaltungen unseres Märchens,
wie sie in neuerer Zeit aus dem Volksmund aufgezeichnet
worden sind, besprochen; es lässt sich aber schon Jahrhun-
derte früher litterarisch nachweisen. Auf die Erzählung in
12 Jü. Pau-|lis „Schimpf und Ernst" (Kap. 489 ed. Oesterley) ist
bereits von den Brüdern Grimm in der Anmerkung zu ihrem
Märchen Nr. 107 kurz verwiesen worden. Nach Pauli streitet
ein Herr mit seinem Knecht, ob Wahrheit und Gerechtigkeit
oder Falschheit und Untreue das Regiment auf Erden haben.
Sie wetten, und zwar setzt der Herr hundert Gulden, der
Knecht seine Augen. Ein Kaufmann, ein Abt und ein Edel-
19. Anmerkungen zu Widter und Wolf Nr. 1. 2S9
iiiann entscheiden, dass P'alschheit nnd Liiredit regiere, nnd
so verlim't der Knecht. Der Herr sticlit ihm die Angen aus
und lässt ihn im Wald. Nachts hört der Blinde böse Geister
auf dem Baum sieh unterhalten und erfährt, dass unter dem
Baum ein Kraut wächst, welches ihm seine Augen erneuen
wird. Kr findet das Kraut und wird wieder sehend, und
heilt mit dem Kraut auch die blinde Tochter eines grossen
Landsherrn und erhält sie zur p]he. Sein alter Herr, dem
er alles erzählt, will auch das Kraut suchen, wird aber von
den Teufeln entdeckt, und einer sticht ihm die Augen aus. —
Ferner findet sich das Märchen in dem spanischen Katzeu-
buch, dessen Inhalt jedem Leser des Jahrbuchs durch die
dankenswerten Mitteilungen des Dr. Knust bekannt ist. Ich
kann mir eine Inhaltsangabe des betreffenden 28. Kapitels
ersparen, indem ich die Ijcser auf Band 6, S. 18 des dahr-
buches verweise. Auch in dieser Fassung halben wir die
AVette, doch werden dabei nicht die Aui;en aufs Spiel gesetzt.
Freilich büsst auch hier der Verlierende die Augen ein, aber
nicht durcii seinen (iefährten. Das spanische Märchen steht
den deutschen und nordischen besonders nahe, insofern auch
in ihm die wilden Tiere des Waldes es sind, die sich unter-
halten und von dem Blinden geh('»rt werden. — Endlich ein
Märchen der 1001 Nacht (übersetzt von Habicht, von der
Hagen und Schall, Bd. 11. S. 198), auf welches Moe in den
Anmerkungen zu Nr. 49 aufmerksam gemacht hat. Hiernach
lässt sich Abu-Nyut auf einer Reise in einen tiefen Brunnen
hinab, um Wasserschläuche zu füllen: sein Gefährte Abu-
Nyutyn zerschneidet die Stricke und überlässt ihn im Brunnen
seinem Schicksal. Abu-Nyut hört des Nachts zwei böse
Geister, die auf dem Brunnenrand sitzen, sich unterhalten,
und erfährt so, wie eine kranke Prinzessin geheilt und ein
grosser Schatz gehoben werden kann. Am Morgen von Vor-
beireiseuden aus dem Brunnen herausgezogen, macht er sich
diese (ieheimnisse zu Nutze und wird Gemahl der Prinzessin.
Nach einiger Zeit trift't er seinen Gefährten j Abu-Nyutyn als 13
Bettler, wie in den meisten oben besprochenen Märchen der
l)öse Bruder oder Gefährte zuletzt erscheint. Er verzeiht ihm
R.Köhler, Kl. Schriften. I. 19
^>!)() Zur ^lärclieiifdi'scluuig.
imd erzählt ihm alles, worauf jener sofort sieh zu dem
Brunnen begiebt und hineinsteigt. Nachts kommen die
Geister, beklagen sicli, dass ihre Geheimnisse entdeckt sind, und
schütten den Brunnen, als die Ursache dieser Entdeckung, zu.
Schliesslich muss ich noch erwähnen, dass Benfey, Pan-
tschatantra, Bd. 1, S. 370, von dem Grimmschen Märchen
Nr. 107 sagt: „Ich will schon jetzt bemerken, dass dieses
Märclien buddhistisch und wahrscheinlich durch die Mongolen
na("h p]uropa gelangt ist: seine letzt erreichbare Urform bietet
der Dsanglun, Kap. 33." [Schiefner, Ind. Erz. no. 16, Steel
and Teniple no. 41, Ralston, Tib. T. Notes p. 17.] Ohne Benfeys
Erörterungen vorgreifen zu wollen, kann icli doch nicht um-
hin zu bemerken, dass ich in der tibetischen P^rzähhmg weiter
keine Aehnlichkeit mit dem besprochenen Märchen finde, als
dass der Prinz Gedon von seinem bösen Bruder Digdon
unterwegs geblendet, beraubt und verlassen wird. Die Art,
wie Gethiu nachher sein Augenlicht wieder gewinnt, und der
ganze weitere Verhiuf der Erzälilung haben nichts mit unserm
Märchen gemein.
ti. Massafadiga.
16 Eine der vielen Varianten des Märchens von der Ueber-
listung eines Riesen durch einen Menschen, der dem
Riesen übermenschliche Stärke vorspiegelt, über welches
Märchen ich in diesem dahrbiich 5, 7 [dben S. S5] und in
Benfeys Orient und Occident, 2, t)<s3 [oben S. 262] zu Campbell
no. 45, Nachweise gegeben liabe. Dass der Mensch dem
Riesen gleich den ganzen Brunnen bringen will, findet sich
bei Grimm, KHM Nr. 183; Haltrich, Siebenbürgische Volks-
märchen. Nr. 27: Hahn, Griechische und albanesische Märchen,
Nr. 23. und iu dem Märchen aus der Bukowina in Wolfs
Zeitschr. f. (hnitsclie Mythologie, Bd. 2, S. 203. — Dass der
Mensch sich angeblich die Eingeweide ausschneidet, um
besser laufen zu können, scheint eine Entstellung zu sein ;
in den meisten hierher gehörigen Märchen (s. Jahrb. a. a. 0.)
wetten Riese und Mensch, wer am meisten essen kann, und
der Mensch schneidet sich scheinbar den Leib auf, um mehr
essen zu können, was der einfältige Riese dann wirklich
19. Ainiicrkuiii;en zu AVidtcM- iiud Wolf Xr. 1—8. -291
luu-liinaclit. [/iiigerle. "i. 111, Stnickerjaii 1, 40!), Webster
p. 19, Vinson p. 51, Cer(iu;ni<l iio. (!().] — [Zu der Frage
der Riesin: ,Soll ich sie ihm geben?' wobei sie die Schlüssel
zum Gelde meint, die der listige Knecht verlangt, während
ihr Mann an die Hacke denkt, nach der er den Knecht ge-
schickt hat, vgl. Cuscpiin 2, 53 Anm. Melusine 1. 471 [= oben
S. 15()|, Luzel. 5. ra[)p(»rt p. 31, Cerquand 3, 42, Webster
p. 10, Vinson p. 52, Imbriani, Nov. hör. p. 579, Coronedi-
Berti no. 18 = Giorn. na})ol. della domeuica 1(S82, no. 18,
Propugnatore 9, "2, 254, Ortoli p. 212, Ikotofetsy cap. 8
(Archiv, f. Littgesch. 10, 113). Die Geschichte vom fünf-
jährigen Knaben hi 1001 Nacht 15, 168: Syntipas p. 155
Sengelmann = Cassel, Mischle Siudbad 1888 p. 395, Baethgen,
Sindban S. 37, Libro de los enganos c. 24. — Eine ähn-
liche zweideutige Frage ,Toutes les deux' (embrasser) stellt
der Knecht bei Luzel 3, 226; Sebillot, Revue des trad. pop. 9, 340
no. 4*9, Kryptadia 1, 107. 127, Montanus, Gartenges. no. 73.]
3. Der (ievatter Tod.
Vgl. (irimm, KHM Nr. 44 und die Anmerkungen (hizu. u)
Den von W. Grimm gegebenen Nachweisen füge ich noch
hinzu das Märclien i)ei Schönwerth, Aus der Gberpfalz, Bd. 3.
S. 12, das aus der Bukowina in Wolfs Zeitschrift für deutsche
Mythologie, Bd. 1, S. 358, und das ungarische bei Stier, Un-
garische Volksmärchen aus (iaals Nacblass, Nr. 4, beide
letztere mit eigentümlichen Ausgängen, in einem slavischen
Märchen in Wolfs Zeitschrift, Bd. 1, S. 262, ist der Tod als
Gevatterin gedacht. Nur zum Teil hierher gehörig sind die
Märchen bei Vernaleken, Oesterreichische Kinder- und Haus-
märchen, Nr. 42, und (irundtvig, Gamle danske Minder, Bd. 2.
S. 13. In dem spanischen Märchen von Juan Holgado und
dem Tod (F. Caballero, Cuentos y poesias populäres andaluces,
Leipzig 1861, S. 83; F. W^olf, Beiträge zur spanischen Volks-
poesie aus den Werken F. Gaballeros, S. 70) ist das Märchen
vom Gevatter Tod mit dem von den Boten des Todes (Grimm,
KHM Nr. 177) verschmolzen, und dabei sind die Gevatterschaft
des Todes und die Lebenslichter weggefallen. Man vergl.
19*
292 ^iii' ^liii'L'heiitVn^cluuig.
auch noch über das Märcheu vom Ge\atter Tod: (jrimm, D.
Mythologie, S. sl-J ff., uud Benfey. Pantsehatantra, Bd. 1,
S. 525. [(ionzeubach iio. li>, Zs. d. V. für Volk.sk. 6, 67,
Bolte. Zs. f. vgl. Littgesch. 11. r,().]
•i. Die drei Bäumchen oder die drei befreiten
Jungfrauen.
24 Hiermit sind zunächst zu vergleichen ein ungarisches
Märchen bei Gaal, Märchen der Magyaren. S. 77, ein slavo-
nisches bei Vogl, Volksmärchen, S. 77. und ein neugriechisches
bei V. Hahn, Nr. 70. Alle diese haben das gemeinsame, dass
der jüngste von drei Konigssöhnen von seinen Brüdern an
einem Seil in einen Brunnen oder eine Höhle hinabgelassen
wird, wo er drei schöne Prinzessinnen erlöst. Die beiden
Brüder ziehen dann die Prinzessinnen herauf, lassen aber
den Bruder in der Tiefe. Aber ein Vogel (Adler bei v. Hahn,
Greif bei Gaal. Vogel P^inja bei Vooi) trägt ihn empor; die
Treulosigkeit der Brüder kommt an <leu Tag. und der jüngste
Prinz heiratet die jüngste und schönste Prinzessin. Das un-
garische Märchen beginnt damit, dass allnächtlicli von der
Speckfestung eines Königs ganze Teile verschwinden. Die
beiden ältesten Söhne wachen einzeln in zwei aufeinander
folgenden Nächten, fliehen aber, als sie einen Drachen kommen
sehen; der jüngste aber verfolgt den Drachen und sieht, wie
er in einer Höhle verschwindet. Das griecliische Märchen
beginnt in ähnlicher Weise damit, dass allnächtlich von dem
goldenen Apfelbaum eines Königs Aepfel verschwinden. Die
beiden ältesten Söhne wachen einzeln in zwei Nächten; als
aber eine schwarze Wolke sich auf den Baum herabsenkt
und daraus eine Hand nach den Aepfeln greift, flielien sie:
der jüngste aber, der in der dritten Nacht wacht, schiesst
in die AVolke und entdeckt, einer Blutspur folgend, einen
tiefen Brunnen. Der Anfang des slavonischen Märchens ist
von diesen beiden genannten und dem venetianischen
Märchen durchaus abweichend. — In dem polnischen Märchen
bei Woycicki, Polnische Volkssagen und Märchen, deutsch
von Lewestam, S. 111), sind die drei Brüder keine Prinzen,
19. Aiimerkungoii zu Widter und AVolf Nr. 4. 29H
sondern Baueriisühne. Sie laiieru einem Falken, der Nachts
die Fenster der Dorfkirche einstösst, auf. Die beiden ältesten
schlafen aber dabei ein, erst der jüngste bleibt wach, ver-
wundet den Falken und sieht ihn in einem Abgrund ver-
schwinden. Im weitern Verlauf ist an die Stelle des dank-
karen Vogels, der den Helden ans der H(ihle empor trägt,
ein Zauberer getreten. — Ferner gehören mehrere deutsche
Märchen hierher: Grimm, Nr. 91; Wolf, Deutsche Märchen
und Sagen, Nr. 21, Sommer, Sagen, Märchen und Gebräuche
aus Sachsen und Thüringen, Märchen Nr. (5, Colshorn, Deutsche
Märchen. Nr. 4S (vgl. au(;h Nr. 1), Curtze, Volksjüberliefe- 25
rungen aus AValdeck, S. 188. [Zingerle "2, 403.] In ihnen
sind die Helden meistens drei Soldaten, bei (Jrimm Jäger-
burs(;heii. Die Märchen beginnen immer damit, dass die drei
Gefährten mit einem Erdmännchen oder Zwerg zusammen-
treffen, welcher zwei von ihnen durchprügelt, vom dritten
aber bezwungen wird. Daran knüpft sich dann die Ent-
deckung des Loches, in welches der eine hinabgelassen
wird u. s. w.^). Bei Wolf und Curtze wird er später von
einem Vogel wieder emporgetragen, in den übrigen von den
Zwergen. [Bei Zingerle verwandelt sich der Zwerg in einen
Adler.] — In dem Märchen bei Vernaleken, Kindermärchen
aus Oesterreich, Nr. 54. wo ein Soldat und zwei Schneider
die Helden sind, fehlt das Erdmännchen. Auch hier trägt
ein Adler den Soldaten wieder empor. — Eine besondere
Gruppe hierher gehöriger Märchen bilden die Märchen bei
Grimm, KHM Nr. 1(56. Mülleiilioff, Nr. 16, Haltrich, Nr. 17,
Birlinger, Volkstümliches aus Schwaben, Bd. 1, S. 350,
(irundtvig, Gamle danske Minder, Bd. 1, S. 33, L. Haupt
und Schmaler, Volkslieder der Wenden, Bd. 2, S. 1(j9 (auch
in K. Haupts Sagenbuch der Lausitz, Bd. 2, S. 212), Waldau,
Böhmisches Märchenbuch, S. 346, und Schleicher, Litauische
Märchen, S. 12S. [Unten zu Schiefner, Awar. T. no. 2.] In
^) Das Lausitzer Märclieu in Haupts Zeitschr., Bd. 2, S. 358,
und in K. Haupts Sagenbuch der Lausitz, Bd. 2, S. 202, und das sla-
vonisehe vum kleinen Kerza bei Vogl, S. 187, gehören nur teilweise
hierher.
'294 Zur Märchenfurseliung.
den meisteu heisst der Held Hans, im bülimisclieii Mikes, im
litauischeu Martin, im wendischen ist er namenlos. Er ist
von ausserordentlicher Stärke ^), die er nach den meisten
Märchen durch langjähriges Trinken der Mutterbrust erlangt
hat, und führt einen schweren eisernen Stab oder eine mäch-
tige Keule. Seine treulosen (iefährteu sind im schweizerischen
Märchen (Grimm) der Taunendreher und der Felseuklipper,
im siebenbiirgischen der Baumdreher uud der Steinzerreiber,
im schleswigschen der Steiuspalter, der Bretsäger und der
Holzspalter, im dänischen der Steinhacker uud der Holzhacker,
im wendischen einer, der Bäume zerbricht, und einer, der
Bäume mit den Wipfeln zusammeubindet und auf einmal
umreisst, im schwäbischen ein Schuster und eiu Sclineider,
im bühmisclien ein Müller uud ein Tischler, im litauischen
26 ein Schmied uud ein Schneider. ! Auch in diesen schliesst
sich die Entdeckung des Loches u. s. w. ^) an das Abenteuer
mit dem Zwerg, an dessen Stelle im schwäbischen uud däni-
sclien eine Hexe erscheint. Im schleswigschen und sieben-
bürgischen wird Hans von einem Vogel, im litauischen wird
Martin von einem Drachen wieder emporgetragen. — Endlich
geh(»rt noch eiu finnisches Märchen bei Bertram, Jenseits der
Scheeren. oder: Der (ieist Finnlands, Leipzig 1S54. S. 1,
hierher. In diesem hat der Stallknecht Gyli)ho beim Holz-
fällen im Wähle den Waldgeist Pellerwoinen dadurch ge-
fangen, dass er seine Hände in einen Spalt des Baumes ge-
klemmt hat '^). Als der Geist ihm zu sagen verspricht, wo
die drei verschwundenen Königstöchter hingeraten sind, lässt
er ihn los, und l*ellerwoinen zeigt ihm nun ein tiefes Felsen-
') In dem oben besprochenen griecliisi lien 3Ii'un'hen wird von dem
Helden mehrmals gesagt, seine Stärke sei ihm angekommen und davon
habe der Erdboden gezittert.
-) Auch das walachische Märchen bei Scdiott, Xr. 10, erzählt, wie
Petru Firitscheil mit dem HolzkrinnmTuaclier und dem Btoinreiber aus-
zieht, wie sie mit dem Zwerg zusammentreffen und in der P'olge eine
tiefe Höhle entdecdcen, aber der weitere Verlauf ist dann ein ganz be-
sonderer. I^Miklosicli no. 2.J
^) I'ellerw. inen ents])richt in dem finnischen Märchen in nianclior
l!iu>i( lit de'" Zwerg oder Erdmännlein der verwandten Märchen. Wie
]ii. Aniiierkuiii^fu zu Wiiltrr und AVult' Nr. 4. 21)5
loch, lilsst ihn au Seilen hinab uiul steigt selbst nach. Unteu
weiden die <lrei Prinzessinneu befreit und von Pellerwoinen
empoi'gezoiien. Es waren alter drei sog. weisse Männer dem
Gylpho heimlich nachgeschlichen. Als mm die Priuzessiuuen
oben waren und Pellerwoinen eben auch den Gylpho empor-
ziehen will, stürzen sie hinzu, schneiden das Seil entzwei,
verjagen Pellerwoinen und bemächtigen sich der Prinzessinnen.
Gylpho aber ruft durch seine Flöte ^) Pellerwoinen herbei,
der einen Raben bringt, von welchem Gylpho em])orgetrageu
wird. Gylpho wird als der wahre Befreier der Prinzessinnen
anerkannt und heiratet die jüngste. — Dies sind die mir
bekannten Märchen von dem düngling, der drei Königstiichter
aus unterirdischer Haft befreit, selbst aber von den treulosen
Brüdern oder Gefährten unter der Erde gelassen wird, doch
bald wieder empor gelangt und die Verräter entlarvt. Die
Märchen in allen Einzelheiten, namentlich auf \ welche Weise 27
die Königstöchter befreit werden, der Befreier selbst wieder
auf die Oberwelt gebracht und endlich wieder erkannt wird,
untereinander zu vergleichen, würde hier zu weit führen.
Nur einen unser venetianisches Märchen besonders berühren-
den Punkt will ich noch besprechen. In unserm Märchen
geht der Held eine Zeit lang als Geselle zu einem Gold-
schmied, ohne dass es für den weitern Verlauf von Wichtig-
keit erscheint, dass er gerade ein Goldschmied wird. Es ist
hier aber, wie aus andern Märchen hervorgeht, eine Ent-
stellung anzunehmen. Im finnischen Märchen wird Gylpho
auch Goldschmiedegesell, und als die Königstöchter solche
Kronen verlangen, wie sie in der Felsenhöhle getragen, schafft
er sie mit Hülfe des Waldgeistes. Im ungarischen Märchen
arbeitet der Held erst beim Hofschneider, dann beim llof-
seine Hände, t-o wird bei C.'ulslu)ru, Nr. 1, Curtze S. 13!», Vugl, 8. 214,
und Schleicher, S. 133, der Bart des Zwergs in einen Holzspalt ge-
klemmt. [Miklosich Nr. 2, vgl. Cosquin Nr. 2, Schleicher S. 143, Grimm
Nr. 8, De Nino no. 93. Vgl. Köhler, Aufsätze S. 111.]
M Auch bei Sommer, Nr. li. wird der Zwerg durch eine Pfeife
herbeigerufen, ebenso bei Urimm, Nr. 91, die Erdmännehen. Ygl.
auch MüUenhofl, S. 440, Anmerk.
296 Zur Märchenforschung.
scliuster, eiKllicIi beim Hofgoldsclimied, imd schaft"t mit Hülfe
eines Zauberapfels ein Kleid, ein paar Schuhe und einen
Ring, wie die jüngste Prinzessin in der Goldburg getragen
hatte und jetzt verlangt. Im schleswigsehen und dänischen
Märchen wird Hans ebenfalls Goldschmied, und da er von
den Prinzessinnen Kleinode geschenkt bekommen hat, ist es
ihm möglich, als jene solche verlangen, sie zu liefern. Im
griechischen endlich wird der Held zwar kein Goldschmied,
aber Schneidergesell, und als die jüngste Prinzessin wunder-
bare Kleider verlangt, öffnet er eine Mandel, eine Nuss und
eine Haselnuss, die ihm die Prinzessin im Felsen geschenkt
hatte, und zieht daraus die Kleider hervor. Auch in einem
gälischen Märchen (bei Campbell, Populär tales of the West
Highlands, Nr. Ki), welches sich mit den hier besprochenen
überhaupt vielfach berührt und über welches ich in Benfeys
Orient und Occident "2, 296 [oben S. 191] gehandelt habe, finden
wir den Befreier der drei Töchter des Königs von Lochiin
(aus denselben Motiven) eine Zeit lang als Knecht bei einem
Schmied und er schafft die von den Prinzessinnen gewünschten
Kronen. Man vergl. auch Campbell, Nr. 5<S (S. 17). So
wird jedenfalls auch im venetianischen Märchen ursprünglich
der Held in seiner Verkleidung als Goldschmiedsgesell Kronen
oder andere Kleinode, welche die Prinzessinnen verlangen,
durch Hilfe seines wunderbaren Ringes (ein solcher kommt
auch in dem (Jriinmschen Märchen, Nr. 1()6. vor) herbeige-
schaft't hal)en. Den Turnieren des italienischen Märchens ent-
sprechen die Ritterspiele im griechischen. [Vgl. Köhler im
Jb. 8, 246 = unten ;i26; ferner Gonzenbach no. 5S und Zs. d. V.
f. Volksk. 6, 163. Schiefner, Awar. T. no. 2. Jagic no. 42.] 1
5. Der Herrgott, St. Peter und der Sclinüed.
2!» hl den Schwänken von Hans Folz, „Von wannen die
Affen kommen" (in Haupts Zeitschrift, Bd. S, S. 537) und
von Hans Sachs, „Ursprung der Aft'en" (Gedichte, Buch 4,
Teil 3, S. 69 d der Nürnberger Ausgabe von 1578,
[= Schwanke ed. Goetze no. 290] in Prosa umgesetzt in den
Grimmschen Märchen, Nr. 147) kommt nichts von grossem
19. Anmerkungen zu Widter und W(dt' Nr. 4 — 5. -J!)?
Huclimut des Schmieds vor. Clu-istus verjüngt nicht den
heil. Petrus, sondern einen alten Bettler. Der Schmied will
es ihm nachmachen und steckt seine alte Schwieger ins
Feuer; als sie aber gar zu sehr schreit, nimmt er sie wieder
heraus und steckt sie in den Löschtrog. Als die Frau des
Schmieds und ihre Schnur, die beide hoch schwanger sind.
die Missgestalt der verbrannten Alten sehen, entsetzen sie
sich so, dass die Kinder, die sie zur Welt bringen, Affen
sind. Von ihnen kommen die Affen her. — In dem Märchen
aus der Oberpfalz (Panzer, Bayerische Sagen und Bräuche,
Bd. "2, S. IS) ist der Schmied, wie in dem italienischen, sehr
hochmütig. Auf seiner Schmiede steht geschrieben: Meister
über alle Meister. Christus verjüngt die Mutter | des S(;hmieds. 3o
Der Schmied versucht dasselbe an einer alten Nachbarin und
ruft, als er sie ganz verbrannt und dann auf dem Ambos
zerhauen hat, den Herrn Christus zurück. Christus und
Petrus legen die Trümmer zusammen, bringen sie ins Feuer,
dann auf den Ambos u. s. w. Zuletzt wird ein Affe daraus.
„Anderes", sprach der Herr, „kann man nimmer heraus-
bringen". — In dem waldeckischen Märchen bei Curtze.
Volksüberlieferungen aus Waldeck, S. Sr) ff., ist es ein
Schmiedegesell, der den Pferden die Beine abschneiden und
neue ansetzen und alte Weiber wieder jung schmieden kann.
Als er zu einem Meister in Bamberg, der sich „Meister über
alle Meister" titulieren lässt. kommt, will dieser es ihm gleich
machen und versucht seine alte Frau jung zu schmieden, al)er
es gelingt ihm nicht, und auch der Cesell bringt endlich nur
einen Affen heraus. (Im waldeckischen Märchen ist dies
alles einem sonst garnicht hierher gehörigen Märchen einver-
leibt). — In dem norwegischen Märchen bei Asbjörnsen,
Nr. 21, kommen Christus und St. Peter auch zu einer
Schmiede, mit der lns(dn-ift: Hier wohnt der Meister über
alle Meister. Christus nimmt einem Pferde, welches beschlagen
werden soll, die Beine ab, beschlägt sie und setzt sie dann
wieder an ^). Dann schmiedet er die alte Mutter des Schmieds
') Dasselbe that Christus, um den Hufschmied Sanot Eligius, der
autli über seine Thür geschrieben hatte: „Elig, ein Meister über alle
•Ji)S Zur Märchenforscliung'.
wieder jimg. Der Schmied sucht ihm beides uachzumacheu,
aber mit schlechtem Erfolg. Weiter verläuft dann das nor-
wegische Märchen in das Märchen vom Schmied und dem
Teufel oder dem Tod. über welches man Grimm zu Nr. <S2
vergleiche. — [^^gl- Pitre no. 123 ^ Crane p. 18(), Melusine
5, 9S. Bolte, Archiv f. slav. Phil. 18, 134, Polivka ebd. 19,
254 no. 65, La Tradition 3, 250, Gittee p, 76, Gredt no. S54,
1, U. Jahn 1, no. 4(S, Knoop S, 203, Hörmann, Zs. des Fer-
dinandeums 1870, 226. For Ide og Virkelighed 1870, 1, 364,
Schreck no. 18, Halstou }). 157, Waldau, Slav. Blätter 1. 241
(1865).]
0. Die vier kuustreiclieu IJrüder.
32 Man vergl. Benfeys Aufsatz, „das Märchen von den
Menschen mit den wunderbaren Eigenschaften, seine Quelle
und seine Verbreitung'-', im „Ausland" 1858, Nr. 41 ff.
,[=Benfey. Kleinere Schriften 3. 94, Gonzenbach no. 45, Zs.
(1. V. f. Volksk. 6, 77, Kreutzwahl no. 3, unten zu Jagic
no. 46j. Unser Märchen stimmt am nächsten mit dem
deutschen bei Grimm, KHM Nr. 129, und dem von Benfey
noch nicht gekannten dänischen bei (Jrundtvig, Gamle danske
Minder, Bd. 2, S. 27. Dem „Mago" des italienischen ent-
H3 spricht der „Sterngncker" | des deutschen und der „Denker"
des dänischen ^) : dem Tisc^hler des italieniscdien der Schneider
des deutschen und der Zimmermann des dänischen, der alles
ausbessern kann und „Mester Flik-Flikker" genannt wird.
Der Schütze und der Dieb kommen in allen drei Märchen
vor. Ebenso die Erprobung der zurü(^kgekehrten Brüder
durch den Vater an dem Vogelnest; doch ist hier das
italienische Märchen uuvollstäudiü;, da der Zauberer nicht
Meister", zu bcscliäiuen, in Wolfs Deutschen Märchen und Sagen Nr. 17.
Desgleielien kommt es in einem Märelien bei Schönwerth, Aus der 01)cr-
pfalz, Bd. 3, 8. 77, und in einem walaeliisehen im „Aushmd", 1S.'>7
S. 1U7J, vor. [Oben S. i:iL> zu Binde 18SH 2, 151.]
') In einer Vaiiante des deutschen Märchens in Wolfs Zeitschrift
für deutsche Mytludogie, Bd. 1, S. :{;58, wird der eine Bruder nicht
Sterngucker, sondern „Allwisser", der andere niclit Schneider, sondei'n
„Küfer".
11). Aiiiuerluiiinen zu Widter und Wolf Xr. (>. -Xjy
erprobt wird. Er iiiü.sste entweder, wie im däui.sclieu der
Denker, angeben, anf welchem Banm ein Vogelnest sei, oder,
wie im deutschen der Sterngucker, wie viel Eier darin seien.
Darin, dass der Tischler, der das zertrümmerte Boot wieder
geflickt hat, als Sieger erkannt wird, stimmt das italienische
mit dem dänischen, wo ebenfalls der Zimmermann siegt.
Insofern das italieuisclie Märchen damit beginnt, dass die vier
Brüder ein und dasselbe .Mädchen zu heiraten wünschen und
der Vater das .Alädchen dem verspricht, der das beste
Meisterstück in seiner Kunst ablegt, nähert es sich mehr als
die andern abendländischen Formen den von Benfey nach-
gewiesenen orientalischen Formen des Vetälapantschavincati
und des Tutiuamcli. — Ich will bei dieser (ielegenheit nicht
unterlassen, eine merkwürdige, bisher unbekannte Behandlung
des Märchens von den kunstreichen Brüdern und ihren Streit
um die gerettete Jungfrau mitzuteilen. Sie findet sich in dem
jüdisch-deutschen „Maase-Buch'', über welclies M. Stein-
schneider im „Serapeum" 1804:, S. (JT tf. und isfji;. S. 1 ff..
berichtet hat. jedoch nicht in der ältesten Ausgabe von l(i()2,
sondern in einer wahrscheiidicli dem vorigen Jahrhundert
angehörigen. vielleicht aber auch in frühern Ausgaben. Aus
einei- kurzen Notiz Steinschneiders ( Serapeum- iSlii;. S. 10)
erkannte ich das Märchen und bat ihn um nähere Auskunft,
worauf er die Güte hatte, mir eine vollständige Abschrift oder
vielmehr Umschrift^) des jüdisch-deutschen Textes mitzuteilen.
Hiernach hat ein Melech (König) sieben Söhne, welche, zu Si
ihren Jahren gekommen, ausziehen, um etwas zu lernen.
Nachdem sie etliche IMeilen zusammen gereist sind, speisen
sie in einem Wirtshaus zu Mittag und machen unter sicli aus.
sich nach drei JaliriMi hier wieder zu treften, worauf sie auf
siei)en Strassen, jeder für sich, wegziehen. Als sie zur be-
stimmten Zeit sich wieder in dem Wirtshans zusammenfinden.
M Die Schreibung ist nicht modernisiert. Xur a in aweck, araus
für: hinweck, heraus, ist weggelassen; für das wechselnde aso und also
ist stets das letztere gesetzt, und für das stets abgekürzte un, d für t
in Land, endlicli und dergl. Die Interpunction ist beigefügt. [Teiidlau,
Fellmeiers Abende ISTjH S. Kj, Giünbaum S. iHj.]
300 Zur Märchenforschung.
liat jeder eine besondere Meloclie (Arbeit. Knnst) gelernt.
Der älteste hat eine Brille, durch die er fünfliundert Meilen
weit sehen kann: der zweite hat eine Fidel, bei deren Klang
alle Hörer einschlafen; der dritte kann einem das. was dieser
noch so fest in der Hand hat, unvermerkt nehmen ; der vierte
kann etwas noch so grosses in einen Sack stecken, dass es
niemand sieht; der fünfte kann mit einer Rute von einem
Lindenbaum zehntausend Mann totschlagen; der sechste kann
einen Vogel, wenn er aucli noch so hoch Hiegt und ein
Haferkorn im Maul hat, das Korn wegschiessen, ohne ilm zu
scliädigen; der siebente kann einen Mühlstein mit der Rechten
in die l^uft werfen, dass ihn niemand mehr sieht, und ilin
mit der Linken wieder auffangen. Sie beschliessen nicht
gleich heimzukehren, sondern erst gemeinsam noch weiter zu
ziehen, und kommen bald in eine grosse Stadt, wo eiu mäch-
tiger König wohnt, dem sie sich vorstellen, und der ihnen
ein Mahl giel)t. Wie sie nun gegessen haben — ich gebe
nun den Text des jüdischen Märchens wörtlicli — , sd ging
der älteste Bruder gleicli hinter dem Tisch herfür und macht
sich das Fenster auf und setzt si('h sein Brill auf, also sieht
er, wie auf fünfhundert Meil Wegs ein Madam Hochzeit
haltet, und der Bräutigam tanzt mit ihr, und sagt ein Wahr-
zeichen: ,,Sie iiat sechs Finger an ihr linke Hand." Sprach
der König: „Das ist mein Tochter. Es hat mir ein Kaiser
mein Tochter weckgeführt." Also sprach der König zu die
sieben Brüder: „Könnt ihr mir mein Tochter wiederschaffen,
soll sie einer von eu(;h zum Weib haben." Also sprachen
sie: „Ja. wir wötlln sie dem König wiederschaft'en." Sie
ziehten [zogen] dorthin, und da sie hin kommen, haben sie
sich anmelden lassen. Alsdenn hat man sie lassen vorkommen.
Vnd da sie sein hinein kommen auf der Hochzeit, alsdenn
hat der ander Bruder sein Fidel genommen und hat darauf
gespielt. Alsobald er gespielt hat, sein sie all mit einander
eingeschlafen. Alsdenn ist der dritt Bruder gekommen und
hat des Melech Tochter dem Bräutigam aus seiner Hand ge-
35 nommen, als er nit gespürt hat. | Nach dem ist kommen der
vierte Bruder und hat die Braut in Sack gesteckt, als man
19. Anmerkungen zu Widter und Wolf Xr. (5. ;^() ]
sie nit geseliii hat. wo sie ist liiiikoinineii, sonst hätt mau
sie wieder aweck geuommeii. Wie sie auf den [das] Feld
i<^ommeu mit ihr. es stund nit länger an als zwo Stund, dass
sie mit einander redeten, so kommt aus der Stadt heraus
etliche tausend Mann hinter sie. Als der fünfte Bruder das
sac'h. also springt er gesehwind zu einem Lindenhaum und
schneidt sieh ein Rut von dem Lindenhaum und darmit
derschlägt er sie alle mit einander bis auf vier Person; die
vier gingen wieder nach Haus und brengten [brachten] ihren
schlechten Botschaft wieder. Da das der König hört, war
er sich mezaer [betrübte er sich] darüber. Nun wölln wir
stehn lassen den König und W(illn anfangen von den sieben
Brüder. Die sieben Brüder gingen mit der Braut fort. Aber
da sie ein Zeit lang gingten, da waren sie müd von gehn
und wegen gross Geschlacks. Also setzten sie sich mit ein-
ander nieder. Und da sie sassen, so sprach der älteste
Bruder zu der Kallah [Braut], sie sollt ihn ein wenig lausen.
Da schlafteu sie alle mit einander ein. Unterdiesem der
König in der Stadt war sich sehr mezäer, als ihm so ein
Frevel ist geschehen. Da kani ein Müller, ein alter Mann,
und sprach zu dem KTinig: „Mein gnädiger König, sag mir
doch, warum er so seufzen thut." So sprach der König zu
ihm: „Du alter Narr, du kannst mir doch nicht helfen."'
Also bitt der Müller den König noch einmal. Also gedenkt
sich der König in sein Sinn : „Es ist oft ein schlechter Mann,
der einem bisweilen helfen kann'', — und verzählt dem
Müller die ganze Sach. Als der Müller solches liört. also
sagt er: „Gnädiger König, sorgt nit, ich will sie ihm wieder-
schaifen innerhalb vier und zwanzig Stund." Als der König
solches hört, also sprach er zu ihm: „Du sollst kein Müller
mehr sein, neiert [sondern] du sollst darnach ein Herr sein."
So ging der Müller weck : aber er war ein Mechasschef
[Zauberer] und macht sich zu einem Vogel und fliegt selbst
hin. wohin die sieben Brüder mit der Kallah geschlafen haben,
und nahm die Kallah in sein Maul und fliegt mit ihr in die
Hoch, das gab ein gross Geflader. Die Brüder hörten solches,
also sprangen sie geschwind in die Hoch. Also schiesst der
302 -^^1'" -Miirclieiiforsoluuig.
sechste nach dem Vogel und schiesst sie aus dem Maul, als
der Vogel mit die Kallah kein Schaden ist geschehen. Da
sprang der siebte Bruder und fangt sie auf, sonst war sie
zu todt gefallen, und bringt sie zu ihrem Vater. Nach alle |
36 den Sachen hat es ein gross Gezänk unter die Brüder geben,
welcher sie haben soll. Also sprach der ältst: „Sie gebürt
mir, denn wenn ich sie nit hätt gesehn, hätt ihr nicks gewüsst
von ihr zu sagen." Sprach der ander Bruder: Wenn ich
nicht hätt mein Fidel gehabt, so wären sie nit eingeschlafen,
so hätt wir sie nit bekommen können." Also sprach der
dritte: „Wenn ich nit dem Bräutigam sein Hand hätt auf-
gemacht, so hätt man sie nit bekommen können." Also sprach
der vierte Bruder: „Wenn ich die Biaut nit hätt in meiner
Tasch hinein gesteckt, hätt man sie uns in dem Hof wieder
weckgenommen." Also sprach der fünfte Bruder. „Wenn ich
nit hätt die Stadtleut dei'schlagen, war w^ir all umkommen."
So sprach der sechste: „Wenn ich sie nit hätt dem Vogel
aus dem .Maul geschossen, so war er mit ihr weckgeflogen."
Spricht der siebte Bruder: „Ihr Narren, was helft all euer
Reden? Wenn ich sie nit hätt aufgefangen, war sie doch
todt gefallen; hab ich sie doch mazzil gewesen | gerettet],
also gehört sie keinem als mich [1. mir]."
In diesem jüdischen Märchen haben wir eine ganz eigen-
tümli('he. von allen andern al)weichende Gestaltung des
Märchens von den kunstreichen Brüdern. Am nächsten steht
es dem russischen Märchen von den sieben Simeonen bei
Dietrich, Russische Volksmärchen, S. 30 (vgl. Benfey a. a. 0.,
S. lOli)). [Goldschmidt S. ICO.] In letzterem sind ebenfalls
die Brüder sieben an der Zahl. Der eine kann einen von
seinem Bruder im Flug angeschossenen Vogel im Herab-
fallen in der Luft auffangen, wie im jüdischen der eine den
aufgeworfenen Mühlstein auffangen kann. In beiden wird
diese Kunstfertigkeit dann in ähnlicher Weise an der Prin-
zessin erprobt, die freilich im russischen sich selbst in einen
Vogel verwandelt, um den Brüdern zu entfliegen, von dem
einen Bruder dann angeschossen und von einem andern auf-
gefangen wird. Von den übrigen Brüdern sind drei, der
U). Aniiierkuiii^fii zu AVidter und "Wolf ^'r. (j — 8. 'AO-i
Fernseher, der Dieb und der Schütze, beiden Märchen auch
gemeinsam, die drei andern in jedem verschieden. Beide
Märclien mögen auf einer gemeinsamen Grundform beruhen.
7. HepiH) Pipettji ^).
Der erste Teil vom Soldaten und dem unerkannten i'-^s
König im Räuberhaus erinnert an Grimm, KHj¥ Nr. lUO. —
Zu dem zweiten Teil, dem Märchen vom AVunschsack, in
den Tod und Teufel springen müssen, vgl. Grimm zu Nr. 82
und meine Nachweise im Jahrbuch 5, 4 [oben S. 83], zu dem
gascognischen Märchen „Vom Sack des La Ramee" [Unten
no. 14, Schneller no. 17. Zingerle 1, no, S, Birlinger 1, 363,
ßerntsen 1, no. S, Kremnitz no. i), Kristenseu 1, no. 29, Brug-
mau DO. 17, Archiv f. slav. Phil. 5, 648]. Ich erwähne hier
noch zur Ergänzung der (iriramschen Nachweise, dass auch
in dem Märchen bei Schr)nwerth, „Aus der Oberpfalz", Bd. 3,
S. 77, und in dem litauischen bei Schleicher, S. lOS, der
Schmied, der im Himmel keinen Einlass erhalten soll, Schurz-
fell oder Ranzen oder Hut (Birlinger 1, 367, Strackerjan 1,
276) hineinwirft und darauf springt, und nun erklärt, er sitze
auf seinem Eigentum.
(S. Der Drjiclieiitöter.
Hier haben wir eine Version des Märchens von ilen 132
treueii Zwilliugsbrüdern, über w^elches man W. Grimms
Anmerkung zu KHM Nr. 60 und 85, von Hahns Anmerkung
zu Nr. 22 der griechischen Märchen und meine Bemerkungen
im Orient undOccident 2, 118 [oben S. 179], vergleiche. Die drei
Hunde des italienischen Märchens sind aber aus einem andern
Märchen hereingekommen, welches man das Märchen vom
Drachentöter und seiner falschen Schwester und den drei
Hunden nennen kann [Vgl. zu Gouzenbach no. 26, Zs. d. V.
f.Volksk. 6, 69, Jb. 8, 246 = unten S.326, Brugman no. 11—13,
Melusine 1, 57, Coscpiin no. 37, Folk-Lore Andaluz S. 357,
Pitre Nov. pop. tose. no. 2, Romero no. 23]. In diesem Mär-
M Bepp(», Joseph; Pipa, Tabakspfeife.
;-}f)4 Zur Miirfhenfüi-schung.
eben tauscht ein armer rlüngling für Schafe oder Ziegen oder
Kälber oder Gänse von einem ihm begegnenden Unbekannten
(Jäger oder Fleischer) drei Hunde ein. Mit ihnen und mit
seiner Schwester zieht er in die Welt. Kr gerät zunächst in
183 ein Räuberhaus, dessen er sich mit Hilfe der Hunde | be-
mächtigt. Ein Räuber aber, der am Leben geblieben ist, ge-
winnt die Liebe der Schwester, und beide suchen den Jüng-
ling zu verderben. Mit Hilfe der Hunde werden ihre An-
schläge vereitelt. Der Jüngling zieht w'eiter. und es folgt
nun die Geschichte mit der Prinzessin und dem Drachen und
dem Kutscher, der sich die Erlegung des Drachen zuschreibt,
endlich aber durch die Drachenzungen entlarvt wird. Nach
der Verheiratung des Jünglings mit der Prinzessin kommt
seine Schwester wieder an den Hof und sucht ihn abermals
zu verderben, was jedoch die drei Hunde wiederum vereiteln ^).
Am vollständigsten findet sich das Märchen böhmisch, siehe
AVolfs Zeitschrift, M. '2, S. 440, und Waldau, S. 4(i9, ferner
in Siebenbürgen, siehe Haltrich, Nr. 24, und in Deutschland,
siehe Curtze, Nr. 2, und Panzer, Bd. 2, S. i)G. Die falsche
Schwester fehlt in den sonst entsprechenden Märchen bei
Grimm, KHM Bd. 3, S. 104, bei Zingerle, Kinder- und Haus-
märchen, Nr. (S (wo der Jüngling die Hunde erbt, nicht ein-
tauscht), bei Cavallius und Stephens, Schwedische Volkssagen
und Märchen, deutsch von Oberleitner, Nr. 13, bei Grundtvig,
Gamle danske Minder, Bd. 8, S. 120, und bei Schleicher,
Litauische Märchen, S. 4, welche letzteren manches eigene
enthalten. [Zigeunerisch bei Müller Nr. 5, Coelho no. 49,
Rernoni no. 10, De Gubernatis Z. M. 2, :^6, Veckenstedt 269,
Kreutzwald 2, no. 14, Visentini no. 15, Bondeson Sv. F. no. 72,
Berntsen 1, no. 15, Madsen S. 2!), Kristenseu 2, no. 17, Sv.
Landsmälen 5, 1, 5, Pli. vom Walde S. Sl.] Ganz eigentümlich
ist das griechische Märchen bei v. Hahn, Nr. 24. Auch ein
walachisches Märchen aus Siebenbürgen im „Ausland", 1S57,
S. 287, eins aus der Bukowina in Wolfs Zeitschrift, Bd. 2,
') In diesem letzten Teil ist zu vergleielien der Ausgang von
^>traparolas Märchen vom Draclientöter und den drei treuen Tieren
(Notte 10, Favola 8).
19. Anniorkinigeii zu Widter und Wolf Nr. f< — 9. 3()5
S. "iOli, und ein finnisches, s. Bulletin de la classe historieo-
[jhilol. de l'Academie de St.-Petersbourg, T. 12, S. 377, ge-
hören hierher, haben aber viel Abweichendes. Es ist leicht
begreiflich, dass die drei Hunde des Drachentöters in das
italienische Brüdermärcheu, wo ja auch der eine Bruder ein
Drachentöter ist. kommen konnten. Man vergl. auch das
schwedische Brüderniärchen bei Cavallius, Nr. 5A, und Prrdde,
Kinder- und llausmärchen, Nr. 5. — Die drei Hunde heissen
im böhmischen Märchen: Lamej (Brich), Trhej (Beiss), Pozor
(Obacht): im schwedischen: Hall (Halt), Slit (Zerreiss), Ly
(Horch); bei Panzer: Geschwindwiederwind, Bricheisemmdstahl,
Sostarkwiedieganzewelt; bei Curtze: Fassan, Greifau, | Brich- i-^^
eisenundstahl: bei Grimm ebenso, nur Haltan statt Fassan;
bei Zingerle: Geschwindwiederwiud, Packan, Eisenfest: im
walachischen: Erdeschwer, Höregut, Siehegut [bei Pröhle,
Km. no. 4: Stahl, Eisen, Hille; bei Pröhle, M. f. d. Jugend
no. 19: Geschwindwiedervvind, Bricheisenundstahl, Reissalles-
nieder; bei Veckenstedt: Bringspeise, Zerreiss, Bricheisenund-
stahl: bei Schnlenburg 2, 31: Greifan, Reissanf, Reissintan-
sendstttcke ; bei Knust no. 12: Eisen-, Stahl-, Broncefresser;
bei De Nino no. 36: Spezzaferro, Spezzacciaro, II pih forte
ditutti: im Archivio 2, 188: Fortuna, Tagliaferro, Tassinmare;
bei Luzel, Contes p. 23: Brise-fer, Sans-pareil: De Guber-
natis, Zool. Myth. 2. 36; Strackerjan 2, § 630: Engelien 1, 155].
Eigentümlich ist unserm italienischen Brüdermärchen,
dass der eine Bruder die Versteinerung des andern dadurch,
dass ihm ein Gespräch der P^nkelin der Hexe zufällig zu
Ohren kommt, erfährt, und dass die Versteinerten durch Be-
streichung mit dem Blut der Hexe wieder lebendig werden.
1). Der Kstige Knecht.
Vgl. das griechische Märchen von dem Jüngling und 137
dem Drakos oder der Lamia, welches v. Hahn, Nr. 3. in
mehreren Varianten mitteilt. Am meisten stimmt die Vari-
ante ans Tinos (Bd. 2, S. 182), nach welcher Kostanti von
seinem altern Bruder gehasst wird und auf dessen Veran-
staltung vom König erst den Befehl erhält, ihm die Diamant-
R. Köhler, Kl. Schriften. I. 20
30ü 2ur Märehenforschung.
(lecke des Drakos zu bringen, dann das Pferd und die Glocke
des Drakos, endlich den Drakos selbst zu stehlen. Letzteres
vollführt Kostanti ganz wie Tredesin. Er verkleidet sich
nämlich und beginnt den vor dem Turme des Drakos stehen-
den Platanenbaum zu fällen und sagt dem Drakos, er wolle
daraus einen Sarg für den verstorbenen Kostanti machen,
worüber sich der Drakos so freut, dass er den Sarg selbst
macht und sich hineinlegt, um ihn zu probieren. Darauf
schlägt Kostanti den Deckel zu und bringt den Sarg zum
K()nig. Der hämis('he Bruder muss ihn öffnen, der Drakos
springt heraus, verschlingt ihn und läuft davon. — In einer
Variante aus Ziza (S. 181) wird dem Pferd der Lamia von
dem Dieb sein Rock untergebreitet, gleichwie im venetia-
nischen Märchen Tredesin dem Pferd des Bären die Hufe mit
Stroh umwickelt. — Ferner ist zu vergleichen in Basiles
Pentamerone (3, 7) das Märchen von Corvetto, der einem
KTinig dient und bei ilim in hoher Gunst steht. Auf An-
stiften der neidischen H(iflinge erhält er von dem König die
Aufträge, ihm das Boss eines wilden Mannes (uorco, das
franz. ogre, vom lat. orcus), dann dessen Zimmertapeten,
endlich den Besitz des Palastes desselben zu verschaffen. Die
beiden ersteren stiehlt er dem wilden Mann, den letztern er-
langt er dadurch, dass er den wilden Mann auf listige Weise
umbringt, Das Stehlen des Bosses haben wir also im vene-
tianischen, im neapolitanischen und in den neugriechischen
Märchen; das Stehlen der Bettdecke im venetianischen und
ira neugriechischen, aber auch — wenn auch nicht als eigent-
liche Aufgabe — im neapolitanischen. Wie nämlich Corvetto
die Zimmertapeten stiehlt, sucht er auch die Bettdecke dem
138 schlafenden Uorco wegzuziehen, wobei dieser | erwacht und
seiner Frau sagt, sie s(dle ihn doch nicht bloss decken. Ebenso
erwacht im griechischen Märchen (Bd. 1, S. 77) der Drakos,
dem der „Schöne" die Bettdecke stehlen will : dabei nun
sagt er zur Drakäna: „Frau, du hast mich aufgedeckt!" Die
dritte Aufgabe, den Besitzer des Bosses und der Decke selbst
zu stehlen, ist bei Basile entstellt. — Die verglichenen Mär-
chen haben unter einander auch das gemeinsam, dass den
111. AiDncrkuiineii zu Widtcr und Wulf .\r. it. ;;()7
lleideu die Aufguheii auf N'eraiistaltung von Feiiuleii, um sie
zu verderben, gestellt werden und dass die Bestohlenen und
(lestohlenen nicht niensehliclie Wesen (Bär, Uorco, Drakiis,
Lamia) sind. Wir haben aber nun auch Märchen, in welchen
gelernten Dieben, ^leisterdieben, Autgaben gestellt werden,
um zu zeigen, wie weit sie es in ihrer Kunst gebracht haben,
und zwar sind auch hier (liesell)en Aufgaben: ein Pferd soll
aus dem Stall, das Betttuch soll unter dem Schlafenden weg
[entstellt zigeunerisch bei Müller 1, 152] — zuweilen auch
das Hemd der Frau — , endlich Menschen selbst, meist der
Pfarrer und der Küster, S(dlen gestohlen werden, welche
letzteren immer in einen Sack, der also an die Stelle des
Sarges oder der Kiste im italienischen und in den griechischen
Märchen getreten, gesteckt werden. Nicht in allen Märchen
kommen alle drei Aufgaben vor. Man sehe die Märchen bei
(Irimm, Nr. 19"2: AVolf, Deutsche Märchen, Nr. 5 = Wodana
S. 178; Kuhn und S('hwartz, Norddeutsche Sagen. S. 8(!2:
Schambach und Müller, Niedersächsische Sagen, S. HKi:
Vernaleken, Mythen und Bräuche aus Oesterreich, S. 27,
Kindermändien Nr. r)7: (irundtvig, (iamle danske Minder,
Bd. 3, S. (iS; Asbjörusen, Nr. 34: Campbell, l'opular tales of
the West Highlands, Nr. 40 (im Auszug im Orient und Occi-
dent 2, ()77 [oben S. 255]): Straparola 1, 2: Cenac Moncaut,
Contes populaires de la (lascogne, S. 90 (im Auszug im
-lahrbuch 5, 5 [oben S. <S4J). [Langkusch, Altpreuss. Monats-
schrift 15, 454, Veckenstedt S. 22,S, Lootens S. 43, De (luber-
natis no. 29, Sebillot, Litt. or. j). 112, Carnoy no. 11 [oben S. 111],
dagic no. 10, Lidzbarski S. 24().] Vgl. auch über die Erzählungen
von Meisterdieben Benfey, Pantschat. Bd. 1, S. 295. — Scliliess-
lich noch eine Bemerkung über den Namen des Helden des
italienischen Märchens, welcher Dreizehn heisst, weil er der
jüngste von dreizehn Brüdern ist. Ebenso heisst in einem
vlämischen Märchen (in J. W. Wolfs Wodana, S. 173, deutsch
in Kletkes Märchensaal, Bd. 2, S. 374 [AVolf, D. M. u. S.
no. 22. Unten zu B. Schmidt no. 11, Revue de lliist. de reli-
gions 10, <S5]) der Held, weil er so viel Kraft wie dreizehn
hat und auch so viel essen kann. „Dreizehn wird", wie
20*
30S Zur Märchenforschung.
ISchmeller, Bayrisches Wörterbuch, Bd. 1, S. 412, bemerkt,
„überhaupt für die ominöseste von den ungeraden Zahlen
1B9 gehalten: sie ist des Teufels Dutzend". Zu dem be-| kannten
Aberglauben, dass dreizehn nicht zusammen bei Tische sitzen
dürfen, welcher auch ausser Deutschland vorkommt, man
denke an Berangers Lied „Nous sommes treize ä la table",
mag Christi letzte Abendmahlzeit den Anlass gegeben haben.
10. Der arme Fischerknabe.
145 Kenner der italienischen Volksbücher (Storie popolari)
werden bei Lesung des vorstehenden Märchens sofort des
Volksbuches von Liombruno gedacht haben. Ich besitze
dasselbe durch die Güte Emilio Tezas in Bologna in einer
Ausgabe, welche folgenden Titel führt: „Bellissima Istoria di
Liombruno Dove s'intende, che fu venduto da suo Padre,
E come fu liberato, ed altre cose bellissime, come leggendo
intenderete. In Bologna 1S08. Alla Colomba. Con Appr. 12''."
Libris Catalogue 1(S47, Nr. 1456, führt eine zu Todi zu p]nde
des vorigen oder zu Anfang dieses dahrliuuderts gedruckte
Ausgabe in 12 '^ au. Wie die meisten dieser Storie popolari
alte, immer von neuem aufgelegte, hier und da veränderte,
jedenfalls im Text arg verwilderte und entstellte Gedichte
sind, so führt auch [jbris erwähnter Katalog, Nr. 1111, be-
reits „La historia delliombruno" in einem Druck in 4^ ohne
Ort und Jahr auf, der nach Libri zu Florenz am Ende des
15. Jahrh. gedruckt sein muss ^), und aus Libris kurzer In-
haltsangabe des Gedichts ergiebt sich, dass das moderne
VolksI)uch dem Inhalt nach im Nvesentlichen mit dem alten
(iedicht übereinstimmt. Näheres über die etwaige Verschieden-
heit werden wir hoffentlich bald erfahren, da Alessandro DAu-
cona eine Ausgabe des alten Gedichts für die in Pisa er-
scheinende „Collezione di antiche scritture italiane inedite o
rare" versprochen hat. Der Inhalt des Volksbuches ist der
^) Andere Avisgaben des 16. und 17. Jahrhunderts bei Libri,
no. 1112. 1113. Vgl. auch Brunei, Manuel du libraire, b. ed., Bd. 3,
S. 218. [Köhler zu Marie de France, Lais ed. Warnke 1885 S. LXXXIY.
A. d' Ancona, Pocm^tti pop. italiani p. 98. Abdruck des Volksbuches
bei Imbriani, Nov. fiorent. p. 454. Altdeutsche Blätter 1, 296.]
19. Aiiiiierkungen zu Widter und Wolf Nr. 10. :\()\)
folgeude: Ein unglücklicher Fischer trift't auf einem In.selchen
im Meer einen türkischen Corsaren, von dem er Fische und
Geld gegen das Versprechen, ihm seinen jüngsten Sohn zu
überliefern, erhält. Am andern Tag bringt er seinen sieben-
jährigen Knaben auf die hrsel und lässt ihn dort allein.
Bald darauf kommt der Corsar und will ihn fortführen, aber
der Knabe schreit so, dass jener entflieht. Ein Adler trägt
hierauf den Knaben weit durch die laufte in ein schönes
Schloss, wo der Adler sich in ein schönes Mädchen von zehn
.(ahren verwandelt. Dort bleibt der Knabe, und als er heran-
gewachsen ist, I wird er der Gatte des Mädchens, welches i46
eine Fee ist und Madonna Aquillina heisst. Nach einiger
Zeit ergreift ihn die Sehnsucht nach Filtern und Brüdern,
und die Fee giebt ihm ein Jahr Urlaub und schenkt ihm
einen Ring, durch den man sich alles herbeiwünsdien kann,
verbietet ihm aber, in der Heimat von ihr zu sprechen.
Durch Zauberei wird er im Schlaf in einer Nacht in sein
vierhundert Tagereisen entferntes Land gebracht, wo er mit
Hilfe des Ringes sich glänzend als Ritter ausrüstet und die
Seinen besucht und reich beschenkt. Der König von Granada
giebt ein Turnier mit der Hand seiner Tochter als Preis, und
Liombruno besiegt alle Gegner. Von den Baronen des Königs
herausgefordert, rühmt er sich hierauf vor dem K(inig, dass
er die schönste Frau habe, und macht sich anheischig, dies
binnen dreissig Tagen zu beweisen. Durch den Ring herbei-
gewünscht, erscheint Acjuillina vor dem staunenden König,
entfernt sich aber bald wieder. Liombruno eilt ihr nach, sie
aber macht ihm Vorwürfe wegen seiner Uebertretung ihres
Gebots und verschwimlet, nachdem sie ihm Ross und Waften
genommen. Liombruno trift't in einem Wald drei Räuber,
die sich um einen unsi(-htbar machenden Mantel und ein
Paar Stiefel, in denen man rascher als der Wind gehen
kann, streiten. Der älteste fordert Liombruno auf, zwischen
ihnen die Teilung vorzunehmen, und dieser bemächtigt sich
der kostbaren Gegenstände und zieht weiter. Kaufleute, die
er nach dem Land der Madonna Aquillina fragt, meinen,
dies k(inne nur den Winden l)ekanut sein. Mit Hilfe seiner
310 Zur 31ä^(■llelltol•^(•llun^;■.
Stiefel besteigt er einen selii' lidien Berg. ;iiit' dessen Spitze
die AVinde hei einem Einsiedler einzukehren pÜegeii, und he-
tVagt die AVinde. Nur der Sirocco kennt A(iuillinas Land,
wohin er am nächsten Morgen gerade znrüek will, nnd ge-
stattet dem Liomhrnuo, ihn dahin zu begleiten, was diesem
natürlich nur durch seine windschuellen Stiefel nn'iglich ist.
So kommt er in Acinillinas Land und, durch (hn Mantel
unsichtbar gemacht, in ihr Scliloss, wo er sich bald mit ihr
versühut.
In IJbris sehr kurzem Auszug des alten Gedichts findet
sich nur eine wesentliche Abweichung vom modernen Volks-
buch. In jenem verspricht nämlich der aruu' Fischer seinen
Sohn nicht einem Corsaren, sondeiMi, wie auch im Märchen,
dem Teufel, der dem Kmiben aber nachher auf der Insel
nichts aidniben kann, weil dieser das Zeichen des Kreuzes
nnicht.
[Aus dem (iedicht sind folgende italienische Märchen
abzuleiten: lml)riani Nov. fior. m). iM, C'omparetti no. 41,
Tuscan Fairy Tales no. 10, De Nim» H, no. <;*.). Pitre no. ol,
Archivio '.\. ')A'2 ( T'iiuimore no. Ki), Crane. Italian pop. tales
\). '■yi'A, 14. — Ferner vgl. Vernaleken no. 4."), Krauss 1,
no. s;>. Kamp 1871) p. -'i^i. Kristensen 1. no. o, Foestion,
Lappl. M. no. 55 = Friis no. 4(5, Koman. Stnd. "2. TiH,
no. '2-] .11s trois Lufts', Melusine '2. o"21 ,Le conte des trois
vents-, Germ. (J, ;]1)0, Zs. f. d. Altert. 21, 177.] |
147 Mit dem venetianischen Märchen und der Storia (Kd
liiombruuo vergleichen sich von aiulern IMärchen: Gaal, Mär-
chen der Magyaren, Nr. 7. Asbjorusen, Nr. U, und Grimms
Nr. !)2, mit der Variante in IUI. :l Diese Märchen gehen
gleich dem venetianischen (hivon aus. dass ein aruu'r Fischer
dem Teufel seineu Sohn verschreibt. Der herangewachsene
Sohn wird in ein Schiffchen gesetzt und den Wellen über-
geben. Fr landet an einem unbekannten Ffer, erKist ein;!
K(inigstochter und heiratet sie. Nach einiger Zeit verlangt
es ihn, seine Poltern zu besuchen. Im ungarischen Märchen
erlaubt es seine <iemahlin. verbit'tet ihm al)er. in der Heimat
ihrer zu erwähnen. Fr ab.-r. in seine Heimat durch einen
19. Aninerkungen zu AVidter und "Wolf Nr. 10. 31]
Zauberriiig versetzt, rüliint sk-\i gegen den Kiinig .seiner
Heimat, dass er eine schöne Gemahlin habe, nnd wünscht
sie, als der Kuuig zweifelt, dnrch den Zanberring herbei.
Sie erscheint, verschwindet aber hernach, nnd nimmt den
Ring mit sich. Im norwegischen Märchen verbietet ihm die
Königin, den Bitten seiner Mntter zn folgen. Die Mutter
bittet ihn dann, als er zn Hanse ist. ihren König zn be-
suchen. Kr folgt ihr und wird nun. wie im ungarischen,
veranlasst, mit seiner Gemahlin zn prahlen nnd sie herbei zn
wünschen. Sie erscheint, verlässt ihn aber alsbald wieder.
Im deutschen Märchen verbietet ihm die Gemahlin, sie durch
den Wunschring, den sie ihm giebt und wodurch er sich in
seine Heimat versetzt, ebenfalls in seine Heimat zu wünschen.
Er thnt es aber doch, da sein Vater nicht glauben will, dass
er Gemahl einer Königin sei. Sie erscheint, verlässt ihn aber
wieder und nimmt den Ring mit sich. — In allen Märchen
zieht der Fischerssohn nuu aus, seine Gemahlin zu suchen.
Unterwegs trifft er drei Brüder, die sich um ihr Erbe streiten,
nämlich um drei Wunschdinge (Gaal: Mantel, Schuhe, Beutel;
Asbjörnsen: Mantel, Stiefel, Hut: Grimm: Mantel, Stiefel,
Degen). Er soll ihren Streit entscheiden, bemächtigt sich
aber der Wunschdinge nnd gelangt durch sie wieder zu seiner
Gemahlin M. — Die | Uebereinstimmuug dieser Märchen, be- 148
sonders des ungarischen, in den Hauptzügen mit dem vene-
tianischen und besonders mit der Storia del Lioml>ruuo. liegt
auf der Hand. Wahrscheinlich versprach auch in den italie-
nischen Märchen ursprünglich der Fischer dem Teufel nicht
direct seinen Sohn, sondern wie im ungarischen, romanischen
') Das Märclieii bei Grundtvig, Gamle danske Minder, Bd. 2,
S. 186, weicht in einigen Punkten von den eben genannten Märchen ab,
ist aber wesentlich dasselbe. Zwei romanische Märchen, welche F. Obert
im „Ausland" 1856, 8. 20.50 (Der Fischerknabe) und S. 2123 (Iliane
Kostindane) mitteilt, würden in eins verbunden ein den genannten ganz
entsprechendes Märchen geben, in welchem nur der Erwerb der "Wunsch-
dinge fehlen würde. Letzterer fehlt auch in dem trotz manchen Ab-
weichungen in seinem Kern hierher gehörigen Märchen „Die eisernen
Stiefel" bei Wolf, Deutsche Hausmärchen, S. 198, und in dem sehr nahe
stehenden böhmischen bei Waldau, S. 24.
312 Zur Märchenforschung.
und dänischen [Maspons no. 16] das, was er zu Hause habe,
ohne es zu wissen, oder, wie im norwegischen, was seine
Frau unterm Gürtel trage, oder wie im deutschen, was ihm
zu Hause zuerst vviders Bein stosse. — Der Streit um die
AVunsclidinge, welche dann der erwählte Schiedsrichter sich
aneignet, kommt häufig in den Märchen vor. Man sehe die
Nachweise, welche Grimms in der Anmerk. zu KHM Nr. 92,
J. Griuim, d. Mythol., S. XXX, W. Wackernagel in Haupts
Zeitschr., Bd. 2, S. 542 ff., J. Moe in der Einleitung zu As-
björnsen, S. XXXll und Liebrecht im Orient und Occ, Bd. 1,
S. 132, gegeben haben und welche sich noch vermehren lassen.
11. Der Teufel heiratet drei Schwestern.
Man vgl. Grimm, KHM Nr. 46, Grundtvig, Bd. 2, S. 182
und Campbell, Nr. 41 (im Auszug im Orient und Occident,
2, 678 = S. 256). [Schneller no. 32 und Anfang von no. 30,
auch 31, Imbriani N. F. no. 1, Bernoni no. 3, De Gubernatis
Z. Myth. 2, 35, Gouzenbach no. 23, Tuscau F. T. no. 7,
Hahn no. ()S, Var. (drei Brüder), Zs. d. V. für Volksk. 6, 68,
Kreutzwald no. 20.] An der Stelle des Teufels steht im
deutschen Märchen ein Hexenmeister, im dänischen ein Berg-
152 mann, der | sich in einen Hasen verwandelt hat, im gaelischen
ein verzaubertes Ross, welches Nachts ein Mann ist. Diese
bemächtigen sich mit List dreier Schwestern nacheinander.
Hinter der verboteuen Thür ist im deutschen und gälischen
eine Kammer voll Blut und Frauenleichen. Im dänischen
wird die erste Schwester, die nicht des Bergmanns Frau
werden will, getötet und in eine Kammer geworfen: diese
Kammer zu öffnen wird dann den beiden andern Schwestern
verboten. Dem Blumeustrauss des italienischen Märchens,
den die Höllenglut versengt, entspricht im deutschen ein Ei
und im dänischen ein Apfel, von denen das Blut nicht weg-
gewischt werden kann, die aber die jüngste Schwester sorg-
fältig verwahrt, bevor sie die Kammer betritt. Im gälischen
Märchen waten die Schwestern in der Kammer bis ans Knie
im Blut, und die ältesten vermögen es nicht von den Füssen
wegzubringen und verraten sich so; der dritten aber leckt es
19. Aiiniorkungoii zu Widter iiml AVolt Nr. 11. ;^]3
eine Katze ab, nachdem ihr das Mädchen Milch gegeben hat,
was die beiden andern nicht gethan haben. Die getöteten
Schwestern werden von der jüngsten wieder lebendig ge-
macht ^), im gälischen durcli einen Zanberstab, im dänischen
durch eine Salbe, die in der Kammer sich findet, im deutschen
bloss durch Aneinanderfügen der zerhackten Glieder. Wie
im italienischen der getäuschte Teufel die drei Schwestern
in drei Kisten nach Hause tragen muss, so im gälischen das
Ross. Im deutschen und dänischen lässt die Heldin nur ihre
Schwestern in Kisten oder Säcken nach Hause tragen, sie
selbst flieht verkleidet und begegnet unterwegs noch dem
heimkehrenden Mann. Im deutschen Märchen darf der Hexen-
meister, wie der Teufel im italienischen, beim Tragen der Kisten
unterv^egs nicht ausruhen; so oft er es thun will, ruft das
Mädchen im Kasten: „Ich sehe dich!" Im gälischen darf das
Ross unterwegs nicht in die Kiste sehen, welches Verbot
ofltenbar motiviert ist. Im dänischen wird es zwar dem Berg-
mann nicht verboten, in die Säcke zu sehen, aber so oft er
es thun will, ruft eine Katze, die von der jüngsten Schwester,
wie im gälischen Märchen, Milch erhalten und ihr deshalb
die List mit den Säcken augegeben hat und nun, vom Berg-
mann mibe- 1 merkt mitläuft: „Ich sehe, ich sehe!" '^). — Das i.->3
Märchen findet sich auch finnisch, bei Salmelainen. Bd. 2,
S. 1(S7, doch kenne ich es nur ans der kurzen Inhaltsangabe,
die A. Schiefner im Bulletin der petersburger Akademie,
historisch-philologische ('lasse, Bd. 1"2 (1<S55), S. HTG, davon
giebt: „Wetchinen (ein dämonisches Wesen) weiss einem
Vater, den er hart bedrängt, nach und nach drei T/ichter
abzulocken, mit denen er gleich Ritter Blaubart verfahrt. Die
^) Bei Prölile, Märchen für die Jugend, Nr. 7, fehlt die Wieder-
belebung und Heimtragung der Schwestern.
'-) In einem andern Märchen bei Grundtvig, Bd. 3, S. 24 [Kristensen
no. 37], trägt der Bergmann alle drei Schwestern nach Haus und soll
unterwegs nicht in die Säcke sehen. So oft ers thun will, ruft das
Mädchen darin: „Ich sehe noch!" Diese Variante, in der der Berg-
mann anfangs in Schweinsgestalt erscheint, ist sonst dadurch ungeschickt
entstellt, dass die altern Schwestern nicht getötet, sondern nur in zwei
Kammern gesperrt werden, welche die jüngste trotz Verbot öffnet.
314 Zur MärcheiifV)rsc'hung.
jüngste, welche die beiden altern dnrcli Lebens^Yasse^ wieder
zum Leben bringt, bereitet ihm den Tod, nachdem er zuerst
ihre Schwestern und sie selbst in drei verschiedenen Kisten
nach dem P^lternhause getragen hat." — Da Schiefner an
Kitter Blaubart erinnert, so scheint auch im ' finnischen
das Verbot einer gewissen Kammer vorzukommen. Dies
Verbot fehlt in der norwegischen Form unseres Märchens,
siehe Asbjörnsen Nr. 35, nebst den Varianten. Hier ge-
raten die Schwestern nacheinander in die (iewalt eines Berg-
manns oder Riesen, der den beiden ältesten, weil sie sich
weigern, seine Liebsten zu werden, den Kopf abschlägt und
sie in den Keller wirft. Die jüngste, welche die Leichen der
Schwestern bemerkt hat, weigert sich nicht. Heimlich macht
sie dann durch eine Wundcrsalbe iiire Schwestern wieder
lebendig, und der Troll muss sie in Kisten oder Säcken nach
Hause tragen. Er soll nicht hineinsehen, und so oft er es
unterwegs thun will, ruft es: „Ich sehe dich". Nach der
einen Version lässt sich die jüngste Schwester aucli nach
Hause tragen, nach andern entflieht sie heimlich und lässt
eine Strohpuppe zurück, von welcher der heimkehrende Troll,
ganz wie der Teufel im italienischen Märchen, Essen ver-
langt u. s. w. — Eigentümliche Züge hat das von Fr. Obert
im „Ausland". ISöo, S. 473, mitgeteilte romanische Märchen
aus Siebenbürgen: Ein unbekannter freit nacheinander drei
arme Schwestern, denen er in seinem Haus in der Wüste
Ohren und Nasen von Menschen zu essen giebt, ehe er aus-
"eht. Die älteste wirft sie in die Asche, die zweite unter
154 die Schwelle. Als er nach | Hause kommt, ruft er: „Wo
seid ihr. Ohr und Nase?" Diese erwidern: „In der Asche!"
oder „Unter der Schwelle!" und er tötet die beiden Schwestern
und legt sie in eine Kammer. Die jüngste Schwester giebt
auf den Rat von vier Tauben, denen sie zu trinken gegeben,
Ohr und Nase der Katze zu fressen, tötet diese dann und
bindet sie auf iliren Bauch. Als nun der ^lann nach Hause
kommt und Ohr und Nase fragt, antworten sie: „Hier sind
wir im Bauch!" ^). Da giel)t der Mann dem Mädchen die
') Ganz bo ucler in iilmliclKT zweideutiger "Weise iiutwurten
1». Annieikuiig-en zu Wiiltrr und Wolf Xr. 11—12. 315
Schlüssel zuiii ganzen Hause, nur eine Kammer soll sie nicht
öffnen. Sie (ift'net sie aber cImcIi. und die Seelen der zwei
Schwestern schweben wie Nebel heraus und danken für ihre
Befreiung aus der Gewalt des Teufels. Sie machen ihr
iiierauf einen Sarg, den niemand öffnen kann, bis nicht der
Priester die Messe darüber gelesen. In diesen Sarg steckt
sich das Mädchen und die Seelen der Schwestern werfen ihu
in den Strom, der durch die Wüste fliesst. Der Sarg wird
von Sclnffern gefangen und dem Kaiser gebracht, der ihn
vergeblich zu (iftnen suclit. Endlich wird der Priester geholt,
und der Deckel hebt sich. Der Kaiser heiratet das Mädchen.
Ganz ähnlicli ist das griechische Märchen bei Halm Nr. 1*.)
[vgl. auch no. 7;^)j. Hier ist der „Hundskopf-' der Freier und
frisst die beiden ältesten Schwestern. Die dritte aber isst
die Hälfte der ihr gegebenen Nasen. Ohren und Knochen,
die andere giebt sie einem Täubchen. Auf die Frage des
Hundskopfs: „Wo seid ihr Knochen?" erwidern sie: ,.lm
Magen!-' Da ist der Hundskopf zufrieden und verspricht
dem 3Iädcheu. aus der Stadt mitzubringen, was sie wünsche.
Sie verlangt einen Gitterkasten, der sich von innen ver-
schliessen lässt. Er bringt einen solchen, und sie steckt sich
hinein und verschliesst ihn, sodass ihn der Hundskopf nicht
öffnen kann. Endlich trägt er ihn in die Stadt und bietet
ihn mit samt dem Mädchen zum Kauf aus. Der Königs-
sohn kauft ihn und heiratet das Mädchen.
12. Der Prinz mit der Scliweiiishaut.
Das Märchen tindet sich schon bei Straparola '2. 1. doch 2:i4
schliesst es hier mit dem Zerreissen — nicht Verbrennen —
der Schweiushaut. was keine bösen Folgen hat: die sonstigen
Abweiclumgen sind geringfügig. Aus Straparola unmittelbar
hat die Gräfin d'Aulnoy ihr Märchen vom Prinzen Frischling
(le Prince 31arcassin) geschöpft, und ihre Vorlage zwar aus-
Speisen in Märchen bei Grundtvig, Bd. 1, S. 104; Asl)jürnsen, S. 4K.ö.
481, Cavallius, S. 266 [284. Grundtvig no. 16 p. 206. ßergh, Xye Folke-
Ev. S. 13, Berntsen 2, no. 12, Hertzberi;-. Yidskepelsen : Finlaud p. 114.
Vgl. Ziiigerle S. 2Ö2: Öauerkraut und Totenbeine.]
316 Zur Märehenforschung.
geschmückt, aber unwesentlich verändert ^). Von den in
neuerer Zeit gesammelten Volksmärchen sind mit dem vene-
zianischen zu vergleichen: Haltrich, Nr. 43, Gaal, Märchen
der Magyaren, Nr. 15, Waldau, Böhmisches Märchenbuch,
S. 160, \Vnk Stephanowitsch. Nr. 10, Sch(»tt, Nr. 23, ein
anderes walachisches, von Obert im „Ausland", 1857, Nr. 43
(vgl. ßenfey, „Pantschatantra". 1, "ÜW!) mitgeteilt, und ein
albanesisches bei Halm, Nr. 100, [Gonzenbach no. 42. 43,
Zs. d. V. f. Volksk. (), 77, Imbriani, Nov. fior. no. 12; Nov.
mil. no. ('), Corazzini, p. 416. 429, Coronedi-Berti no. 1, Com-
j>aretti no. 9. 51, De Nino no. 41, Prato no. 4, Coelho no. 25. 34,
B. Schmidt no. 9: Krebs, Kremnitz no. 5, Pröhle Km. no. 31:
Igel.] Nur im siebenbürgischen Märchen ist der Held ein
Schwein, im böhmischen ein Bär, in dem einen walachischen
(bei Schott) ein Kürbis, in allen andern eine Schlange. Nach
dem Verbrennen der Haut, bezüglich des Kürbisses [vgl.
Consiglieri P. no. 2(5] — im albanesischen und böhmischen
Märchen nur nach der ^litteilung des (ieheimnisses an die
Mutter seiner Frau — verschwindet er. Im serbischen ver-
kündet er beim Verschwinden seiner schwangern Frau, dass
sie ihn nicht eher wiedersehen werde, als bis sie eiserne
Schuhe zerrissen und einen eisernen Wanderstab zerbrochen
habe, und nicht eher ihres Kindes entbunden werde, als bis
er sie umarmt habe. Im ungarischen soll sie ebenfalls nicht
eher entbunden werden, und ihre beiden Schuhe sollen ihr
nicht eher von den Füssen { fallen. Auch in den walachischen
soll sie nicht eher gebären krmnen, und es wachsen ihr sieben
eiserne Reife (Obert) oder sie legt sich selbst einen eisernen
Reif (Schott) um den Leib, und im albanesischen wird ihr
der Leib verschlossen. Im siebenbürgischen und böhmischen
wird keine Verwünschung ausgesprochen und die junge Frau
ist nicdit guter Hoffnung, aber bis sie ihren Mann wieder-
findet, hat sie im siebenbürgischen Märchen sieben Paar
Schuhe und sieben Pnar Kleider auf der Wanderuns; zer-
*) Die Histoire de Pertliarite et de Ferandiiie in den Contes
d'Antoine Hamilton, Paris 1820, I, 72, welche Benfey, „Pantschatantra",
1, 268 neben den Prinz Marcassin stellt, kenne ich nicht.
in. Ainiierkiiiiuen zu Widrer uml Wolf Nr. l'J. ;-J17
rissen ^). In allen vergiiclieiien Märchen nämlich zieht nun
die junge Frau ans, ihren Mann zu suchen. Sie erfährt
endlich seinen Aufenthalt, nachdem sie hei Sonne, Mond und
Wind und deren Müttern, im serl)ischen auch l)eini Abend-
stern, im walachischen (Schott) hei den heiligen Müttern
Mittwoch, Freitag und Sonntag -), im alhanesischeu bei den
zwei Schwestern der Sonne sich erkundigt hat. Von der
Frau, mit der sich ihr Mann inzwischen verlieiratet, erkauft
sie sich durch Kostbarkeiten, die sie von der Sonlu^ dem
dem Monde und dem Winde oder deren Müttern, oder von
den Müttern Mittwoch, Freitag und Sonntag, oder von den
Schwestern der Sonne geschenkt bekommen liat. für drei
Nächte die Erlaubnis, bei ihrem Gemalil zu schlafen. Im
siebenbürgischeu Märchen hat sie drei Xiisse — wie im vene-
tianischen: Nuss, Haselnuss, Kastanie — und im böhmischen
drei Kästchen, aus denen dann drei kostl)are Kleider hervor-
kommen, im allianesischen Nuss. Haselnuss und Claudel, aus
denen eine goldene Henne mit Küchlein, ein goldener Papagei
und eine goldene Wiege hervorkommen: in allen übrigen:
eine goldene Henne mit Küchlein, einen goldenen Spinnrocken
(Wuk, Schott) oder eine Spindel und einen goldenen Web-
stuhl (Wuk) oder eine Weife (Gaal) oder eine Haspel (Schott).
In allen Märchen — mit Ausnahme des von Obert mitge-
teilten , walachischen. welches einen besondern Verlauf hat — 256
erhält der Held von seiner zweiten Frau zweimal SchlatV
trünke, so dass seine erste Frau erst in der dritten Nacht
') Ein Paar eiserne Stiefeln niuss der Held in Wulfs Deutschen
Hausniärclien, S. 1!JS (Die eisernen Stiefel) zerreissen, bevor er seine
Gemahlin wiederfinden kann. [Unten zu Schiefner no. 14.]
-) Diese drei Miitter kommen auch bei Schott, Xr. 11 und 2.:), vor.
Vgl. Sehotts Bemerkung, S. 299. In den im „Ausland" mitgeteilten
rumänischen Märchen kommen vor: 1857, S. 288 die heiligen Mütter
Sonntag, Montag und Dienstag, S. 1029 die heiligen Mütter Mittwoch,
Donnerstag und Freitag, 185(1, S. 500 der heilige Samstag und der
heilige Sonntag, S. 2121 die heilige Mutter Sonntag. In einem roma-
nischen Märchen in Wolfs Zeitschrift, Bd. 1, S. 44, der heilige Sonntag.
In einem Märchen bei Wenzig, AVestslawischer Märchenschatz, S. 146
die heilige Xedelka, d. i. der erste Sonntag nach dem Neumond.
I-JlS Zur ^lärchenfor^chuiig.
von ihm erkannt wirtP). — In dem Märchen Basiles (Pen-
tamerone 2, 5) von der Schlange und in dem damit merk-
würdig genau übereinstimmenden dänischen bei Grundtvig,
Bd. "2, S. li)l, verschwindet der Held nach Verbrennung der
Schlangenhaut und seine (iattin zieht aus, ihn wieder zu
linden : wie die Wiedervereinigung aber bewirkt wird, ist
diesen Märchen ganz eigentümlich. — Andere hierher ge-
hörige Märchen, wie Grimm, KHM Nr. 108, ,Haus mein Igel',
und Nr. 144, ,Das Eselein' (vergl. Zingerle, Kinder- und
Hausmärchen aus Süddeutschland, S. 198), Waldau, S. 458,
,Der Igel', AVuk Nr. 9, ,Der Sclilangenbräutigam' Hahn, Nr. 31,
,Das Schlangenkind' (wo der sich anschliessende weitere Ver-
lauf ein fremder Zusatz ist), das russische Märchen von der
Bockshaut im Orient u. Occ, Bd. 2, S. 539), enden glücklich
mit der Verbrennung der Haut. [Gonzenbach no. 43, AVebster
p. 173, Stokes no. 10, Colshorn S. (58, Schröer, Wtb. der
Gottscheer Mundart S. "209, Häuften, Gottschee S. 100.] In
dem Märchen ,Die Schlange' bei Zingerle, S. 173. nnd dem
sehr ähnlichen ,Kong Lindornr bei Grundtvig, Bd. 1, S. 172,
genügt schon das Abstreifen der Schlangenhäute -); bei Prnhle, |
^) Der Besuch bei Uestirnen uud AVind, die von diesen erhaltenen
(iesehenke, die dafür erkaufte Erlaubnis, beim Gemahl zu
schlafen, und der Schlaftrunk kommen auch in dem (irimmschen
Märchen vom Löweneckercheu und ähnlichen vor, welche überhaupt
den hier besprochenen Märchen nahe stehen, insofern auch ihnen der
Held in Tiergestalt verzaubert ist. Vgl. W. Grimms Anmerkungen zu
Nr. 88 und 127, Campbell, Nr. 12 (Orient u. Occ. 2, 126 = oben
S. 187), Grundtvig, Bd. 2, S. 35. [Blade 1874, p. 145 = 1886 1, 267.
Gonzenbach no. 42, Kuhn-Schwartz, Nd. M. no. 11, Asbjörnsen, ny saml.
no. HO, Hylten-Cavallius no. 19 a. b, Arnason-Powell 2, 281, Poestion
no. 8, Kristensen 2, no. 52, Kamp, D. F. no. 914, Berntsen 1, no. 20,
AVigström 1, 253 no. 2, Kennedy p. 57, Revue celt. 8, 377, Troude et
Milin p. 181, Fleury p. 135, Oerquand no. 103 (entstellt), Rondallayre
2, HO. 3, 150, Bibl. de las trad. pop. esp. 1, 126, Coelho no. 44, Romero
no. 17, Finamore no. (>, Comparetti no. 51, Corazzini p. 416, Imbriani,
Nov. fior. no. 12, De Gubernatis no. 14, Archivio 1, 531. 424. 2, 353.
403. 3, 361. 363, zif/r/or 1, 289, Brugman no. 23, Godin 8. 119.]
^) In dem Märchen bei Zingerle hat nämlich die Schlange sieben
Häute. In der Hochzeitsnacht sagt sie zu der Braut: ,Zieh dich aus!'
Ut. Annierkuiigen zu Widtcr und Wolf Nr. 12. :\\\)
Märclieii für die -Jugend, \r. lo, iiiiiss dem Zauiiigel der 257
Kopf abgeschlagen werden. — Hervorheben will ich noch,
dass wie in dem venetianischen Märchen und bei Strapai'ola
der Prinz Schwein die beiden ältesten Schwestern tötet und
erst durch die dritte erlöst wird, so auch im dänischen der
Lindwurm zwei Prinzessinnen in der Brautnacht umbringt
und dann erst von einer Hirtentochter erhist wird. Bei
Grimm, Nr. 108, jagt Hans mein Igel die Tocliter des ersten
Königs fort und wird erst von (h^' des zweiten erlöst; bei
Pröhle wird der Zauuigel erst von der Tochter des zweiten
Königs und im albanesisehen JMärchen der Schlangenprinz
erst von der dritten Yezierstocliter zum Mann genommen.
In allen bisher besprochenen Märchen, von der ver-
brannten Tierhülle ist es ein Jüngüng, der die Haut ge-
tragen hat: es giebt aber auch ähnliche Märchen, wo es ein
Mädchen ist: Schambach S. -271 (Ziege), Hahn Nr. 14 (Ziege)
und äl (Dohle), .Maurer, Isl. Volkss. S. 28") (Sperling). Camp-
bell Nr. ()4 (Flenne). ^Voycicki S. 101 (Kr("»te). das russische
im 0. Bd. des Sammelwerks „Die Wissenschaft im 1'.». .lahr-
hundert'', S. 107 (Frosch), uiul das tinnische l)ei Beauvois
Contes popul. S. ISO (Frosch).
Ueber indische und andere orientalische hierhergehörige
Märchen vergl. Beufey, „Pantschatantra", 1, 254 ff.
Die Braut, die von eiueni wunderbaren 3luttergottesbild den Rat er-
halten hat, erwidert siebenmal: ,Zieh du dicli zuerst aus!', und so legt
die Schlange nacheinander die sieben Häute ab und erscheint als
Jüngling. Im dänischen Märchen hat König Lindwurm neun Häute,
und die Braut zieht auf Bat einer alten Frau zehn Hemden an. In der
Brautnai-ht sagt der Lindwurm: ,Wirt' ein Hemd ab!', worauf die Braut:
,Wirf eine Haut ab !', und so fort, Ids die neun Häute abgeworfen sind.
Hierauf peitscht die Braut die hautlose Schlange, badet sie dann in
süsser Milch, umhüllt sie mit den neun Hemden und legt sie zu sich.
Am Morgen liegt ein Jüngling bei ihr. In dem albanesisehen Märchen
bei Hahn, Xr. 100, muss die Braut ebenfalls auf den Rat einer Alten,
vierzig Hemden für die Brautnacht anziehen, und als der Bräutigam
sagt: ,Zieh dich aiis !', erwidert sie: ,Zieh dich auch aus!', bis nach
Abstreifuiig der vierzigsten Haut ein schöner Jüngling da steht. [Coraz-
zini p. 418, Prato no. 4, Pitre no. 56, Oomparetti no. 66, Coelho. Wig-
ström 1, 24.').]
'.\'2i) 2l'1' Märc'henforsrliung.
13. Die Prinzessin im Sarg- und die Schild waclie.
262 Vgl. Sommer, Sagen, Märchen und Gebräuche aus Sachsen
und Thüringen, Märchen Nr. 5; Curtze, S. 168; Simrock, |
263 Deutsche Märchen Nr. 2; Wolf, Deutsche Hausmärchen S. "258;
Ey S. 1: Stier, Ungarische Volksmärchen aus Gaals Nachlass
Nr. 10; „Ausland" 1858 S. 117 (rumänisches Märchen) und
Kletkes Märchensaal Bd. 2, S. 60 (ehstnisch). [Pröhle, M.
f. d. J. no. 11, Bindewald, Oberhess. Sagenbuch S. 142,
Grundtvig no. 13, Sebillot 3, no. 3, Krauss 1, no. 93, Ralston
p. 271. 274, [juzel, Legendes ehret. 2, 309.] Das sächsische
Märchen steht dem venetianischeu am nächsten. Es ist das
einzige, welches gleich jenem damit beginnt, dass ein kinder-
loser König ein Kind wünscht, und wenn es auch vom Teufel
käme, worauf in Jahresfrist die Königin eine Tochter, die
über und über schwarz ist und schon sprechen kann, gebar.
Das waldeckische Märchen beginnt auch damit, dass ein
König über seine Kinderlosigkeit bekümmert ist. Einst be-
gegnet ihm ein schwarzes Männchen, fragt nach der Ur-
sache seines Kummers und sagt dann, er solle ein Töch-
terchen erhalten, sie werde aber im zwölften Jahre wieder
sterben.
14. Der Höllenpförtner.
268 Eine Vermischung dreier sonst getrennt vorkommender
Märchen. Erstlich das Märchen vom Knaben, der beim
Teufel dient. Dass der Knabe als Höllenpförtner dient,
kommt bei Zingerle, Kinder- und Hausmärchen Nr. 7, und
Sagen, Märchen und Gebräuche aus Tirol Nr. 515, und bei
Schönwerth, Bd. 3, S. 37, Kristensen no. 19 vor; häufiger ist
es, dass der Knabe in der Hölle unter den Kesseln oder
Töpfen, in denen arme Seelen stecken, das Feuer schüren
muss und die Deckel nicht öffnen darf, (siehe Meier, Volks-
märchen aus Schwaben Nr. 74, Pröhle, Kindermärchen Nr. 71,
Simrock Nr. 24, C. Weiss, Aus dem Volksleben, Nürnberg
1863, S. 40, Müllenhoff Nr. 592, Grimm Nr. 100, und Bd. 3,
S. 38, AValdau S. 292) [Vernaleken, Mythen u. Br. S. 179,
Birlinger 1, 270, Strackerjan 1, 40S, Tö])pen S. 147, Mas-
l'.\ Aiinierkuiii;cn zu Widter und Wnlf Nr. 14—1.'). ;^21
piiiis -. 11(1. "21]. Ziiwcilcii \vii-(l. wie im veiietiani.^iclieu Mär-
chen — iui.^^drücklicli bemerkt, dass für den Iviuiben ein
Dienst gesnclit wird, „nnd sollt es ancli beim Teufel sein". —
Zweitens haben wir hier das Märchen von der Flinte, die
alles trifft, und von der (leige, die alles tanzen macht, über
welches ich im -lalirbucli '), 10, [(d)en S. SD. 134] Nacliweise,
denen ich jetzt noch <irundtvig", (iamle danske Minder, Dd. 3,
S. 75, [Toppen S. 147J beifüge, gegeben habe. — Endlich das
Märchen von dem Sack, in den alles, selbst der Teufel
springen mnss. S. olien [S. 30o] zu Xr. 7.
15. Das Rätsel.
Vgl. Campbell Xr. 22 (im Auszug im Orient und Occ. 272
2,o20 = oben 218): Grimm, KHMXr. 22: Vernaleken, Kimlerm.
Nr. 36; Zingerle, Sagen, Märchen und Gebräuche aus Tirol
S. -1:3() [De-Gubernatis no. 24, Ortoli [). 123. Xerucci uo. li»,
Neoell. \h>dlEKra 1, no. 7, M. Moe, Indberetning S. 18,
Bondeson Sv. F. no. ()3, Luzel 3, 320, Wossidlo 1, no. 97!)].
Im gälischen Märchen lautet das Rätsel: „Einer t<)tet zwei,
und zwei töten zwölfe, und zwTilfe vieruiidzwanzig, und zwei
kamen davon": im Grimmschen: „Einer schlug keinen, und
schlug doch zwölf": im österreichischen: „Eins schlägt zwölf,
zwölf schlagen neunundvierzig" : im tiroler: „Eins tötet drei,
drei töten zw('ilf". Ueberall liegt dem Rätsel der Vorfall zu
Grunde, dass Raben v(m einem vergifteten Pferd fresjsen nnd 273
sterben, und dass das Essen der toten Raben den Tod von
Menschen (Räubern) verursacht. Das zweite Rätsel des ita-
lienischen Märchens: „Ich war auf der dagd, habe geschossen
und das Futteral erwischt, was ist dieses?" kommt nur noch
im gälischen V(U% wo es lieisst: „i(di sclioss einen schönen
Hasen und nahm ihm das Fell und Hess ihn gehen!" Wie
nämlich im italienischen der Rauernbnrsche der Königin das
Hemd genommen hat. so hat im gälischen der Königssohn
der Ritterstochter den Plaid genommen. [Vgl. Dozon no. 2(1,
Coelho no. 38, Xerucci no. 50.] Bei (irimm fehlt das zweite
Rätsel, doch ist es wahrscheinlich auch ursprünglich da-
gewesen, denn der K(inigssohn behält hier den Mantel der
R. Kühler, Kl Scliriften I. 21
322 2ur Märchentorschung.
Köuigstücliter zurück und beweist damit, dass die Königs-
tochter bei ilim gewesen ist; ebenso wahrscheinlich auch im
österreichischen Märchen, wo der Königssohn den Ring der
Prinzessin beliält. Im tiroler Märchen wird dem Rätselgeber
die Aufbisung des Hätsels gar nicht heimlich entlockt; die
Prinzessin kann das Rätsel nicht lösen. Man vgl. auch
Dietrich, Russische Volksmärchen S. 16(S, Vogl, Volksmärchen
der Russen S. 8!). [Paspati uo. 1. Persische Erzählung im
Johanues-Album, Chemnitz 1S57, 2, 57.]
IG. Der standhafte Büsser.
275 Man vergleiche hierzu meinen Aufsatz: „Die Legende
von dem Ritter in der Kapelle", im .lahrbucli. Hd. (i, S. 326 ff.
17. Die grössere Lüge.
277 Die Märchen von Lügenwetten sind nicht selten, die
meisten schliessen aber, abweichend vom venetianischen, da-
mit, dass der eine Lügner etwas erzählt, was den andern an
seiner oder seiner Eltern Ehre kränkt, weshalb er „Du lügst!"
ausruft und so die Wette verliert [Luzel H. 447 |. In mehreren
dieser Märchen erzählt, wie im vejietianischen, der eine
Lügner, dass er an einer himmelholien Pflanze bis in den
Himmel gestiegen sei. hernach an einem Seil sich herab-
gelassen habe, zuletzt aber, da das Seil zu kurz gewesen.
herabgesi)ruugeii mid dabei tief in die Erde gesunken sei,
worauf er rasch luich Hause gelaufen, sich eine Axt, Spaten,
Schaufel oder dergl. geholt und damit herausgearbeitet habe.
Siehe (irimm, KHM Ikl. H. S. li).] (Anm. zu Nr. 112); Ver-
naleken, Kinderm. Nr. 4:); Schleicher S. 37; AVuk Nr. 44;
Vogl, Slavouische Volksm. S. ')\. [Strackerjau 2. 2!)S. Luzel.
('iu(|uieme rai)p. [). 43, Sebillot '2. uo. 3;"). Coelho no. ')7.
Janson uo. Ki, Kristensen 2, no. 38, 39, 40, Kamp D. F.
p. 8. 337, Bondesou Sv. F. uo. 2S mit Nyrops Anzeige Sv.
landsraalen "2, CLV.| \'gl. auch Wolf, Deutsche Märchen
27s Nr. 1*>. „Jan im Himmel", wo j jedoch keine Lügenwette vor-
kiunmt, sondern das ganze, wie (irimm Nr. 112, eben als
(ieschichte erzählt wird. [Müller, Siebenb. Sagen no. 174.]
l!i. AiiiiiiTkiuiiiXMi zu WidtLT und Wolf Nr. lH— is. ;^-)o
In dem luirwctiisclieii Märrlicii. AsIijöriLseii iio. ."JH. steigt der
Lügner an einer Tanne in den Himmel, aber das Wieder-
herahsteigen n. 8. w. fehlt: desgl. bei Arüllenhofi" S. 15;^, wo
der Lügner an Buchweizen in den Himmel steigt. In der
iieugrieehisc'hen Lügeiiwette hei Hahn, ^'r. 51), steigt der
Lügner an einer Kürhisptlauze in den Himmel und wieder
herah. — l(di hebe noch hervor, dass die in den Himmel
wachsende Pflanze nicht blos im venetianischen, sondern auch
im litauischen und im deutschen Märchen bei Wolf eine
Bohne ist. Auch in Märchen, die keine Lügeumär(dien sind,
kommt die himmelhohe Bohnen^jHanze vor, siehe meine Be-
merkung im dahrbuch. Bd. 5, S. 23 [=: oben S. 108]. —
Endli(-h ist noch zu bemerken, dass, wie im venetianischen
iMärchen der erste Lügner davon ausgeht, dass er eine ver-
misste Biene sucht, so auch in der Lügenwette bei Haltrich
Nr. ÖC [no. öS und .V.) der -1. Aufl., Straekerjan 2, ^Oi». Se-
billot]. und I)ei Wuk \r. 44. eine lliene gesucht wird.
Vgl. auch das ossetische Lügeuinärchen bei A. v. Haxthauseu
,,Transkaukasia'-'. Bd. 2. S. 40. — In dem Lügenmärchen
aus der Bukowina in Wolfs Zeitschrift für deutsche Mvtho-
logie Bd. 2. S. 201. kommt die himmelhohe Pflanze nicht vor,
wohl aber das der Lügner nach Hause läuft, um sich eine
Hacke zu Inden. mit der er sich aus einem Bauudoch heraus-
haut. [Miklosich. Beitrag zur Kenntnis der Zigeunermund-
ju-ten 4. 14.]
IS. Die beiden (Tevatteru.
In Bezug auf die Esel seier vergl. man die Schwanke 28-J
bei Meier, Deutsche Sagen, Sitten und (Jebriiuche aus Schwa-
ben Nr. 404. Birlinger. Volkstümliches aus Schwaben. Bd. 1.
S. A'M), 448. 44.'). und ScJimitz. Sitten und Sagen des Eitler
Volkes. Bd. 1, S. 104 [Frey, (iartengesellschaft ed. Bolte
S. 214]. Die Schalkheit mit dem Wolf, der die Schafe be-
springen soll, findet sich in einem gascoguischen Märchen,
wo aber dem Wolf eine AVidderhaut umgehängt ist. siehe
Jahrbuch, 5, 12 und Orient u. U(;c. 2, 502 [oben S. 91. 24S:
Müllenhott" S. 459, Wolf, Sachs. Hausfreund 1SS;3, 85]. Dem
Hasen Portalettere entspricht das Kaninchen in dem von
324 ^ui" ^rärc'henfui'f>cluuig.
Diir im Orient u. Occ. 3, 350 [oben S. '258] besprochenen itali-
enischen Volksbuch vom Bauer Campriano und die Ziege
Scarpaficos bei Straparola 1, ^5 : vgl. (Orient u. Occ. '2, 503
[oben h^. 241); Revue des laugues rom. 3, 3<S(), Dozon p. 24,
Schulenburg, Wend. Volkstum S. 41J. — Der Sehluss des
Schwankes kommt in fast ganz gleicher Weise in zwei litaui-
schen Märchen vor (siehe meinen Aufsatz im Orient u. Occ,
2, 500; oben 245), wo ebenfalls die Ueberlisteten dem Listigen,
der sich tot stellt, eine letzte Ehre anthun wollen, dabei aber
von ihm mit einer bereit gehaltenen Schere arg verstümmelt
werden [Scliulenburg, Wend. Volkstum S. 41].
19. Die Männer von Cogolo ^).
286 Der Schwank von dem Wachsen des Kirchturms hat
Aelmlichkeit mit dem Schwank vom Fortrücken der Kirch-
mauern, der von mehreren deutschen, ihrer Narreustreiche
wegen verrufenen Orten erzählt wird. Hier wird immer ein
Rock oder dergleichen als Zeichen, bis wohin die Mauer ge-
schoben werden soll, hingelegt. Ein Schlaukopf nimmt dann
den Rock an sich, und die Narren denken, die Mauer sei auf
den Rock geschoben worden. Man sehe Müllenholf, Sagen etc.
Nr. 110, Schmitz, Sitten und Sagen des Eitler Volkes Bd. 1,
S. 103, Niederhötfer, Mecklenburgs Volkssagen Bd. 4, S. 145,
Birlinger, Volkstümliches aus Schwaben Bd. 1, S. 449 [Cha-
pelot, Contes balzatois p. 17, Blade 3, 135, Häuften, Gott-
schee S. 121].
Der andere Schwank von den Männern von Cogolo er- ,
innert an die Sch(")ppenstädter, die sich in Braunschweig in
der Apotheke ein (xewitter verschreiben lassen und dort eine
Schachtel voll Bienen erhalten, an die Mistelgauer. die
von Nürnberg sich den Frühling holen wollen und eine
Schachtel mit einer Hummel erhalten, und an die Hornusser,
Bopfinger, Emeringer und Jühuder, die in Basel oder Nörd-
^) Cogolo, ein Ort am Fuss der IJerge, auf denen die Dörfer der
sieben deutschen Gremeinden stehen. Cogolo hat eine alte Pfarre und
eine Kirche zum heil. Christof, welche 14514 umgebaut, 1717 ganz neu
und grösser aufgebaut wurde.
i;i. Annierkuiigen zu Widtei* uml Wolf Xr. 19 — 21. 325
lingeu oder Zwiefalteii oder Güttiugeii gut Wetter verlangen
und denen man eine Schachtel mit einer Hornisse oder einer
Hummel oder einem Vöglein giebt. Siehe Kuhn und Schwartz,
Norddeutsche Sagen S. 150, Panzer, Bayerische Sagen und
und Bräu(;he Bd. 2. S. 173 und 564, Birlinger Bd. 1, S. 437
und 44(5 [Schambach u. ^liiller S. 244].
2t). Die bestolilenen Diebe. 287
•21. Die Eselsleiehe 1). 288
20. Italienische Volksmärchen.
(Jalirbueli für roman. Litteratiir s, 241—270. 1867.)
I.
Die nachstehenden drei italienischen Volksmärchen ver- 241
danke ich der freundlichen Mitteilung des Herrn Dr. Herman
Grimm in Berlin. Ein siebzehnjähriger, sehr schöner junger
Mensch aus der Gegend von Sora im Neapolitanischen, welcher
den Malern in Rom als Modell diente, hat sie ihm im Fe-
bruar lS6o in Rom erzählt und versichert, noch viele andere
zu kennen. Herr Dr. (irimm scliickte die Märchen noch
von Rom aus an seinen Oheim Jacob Grimm, der jedoch —
er starb bekanntlicli schon im September dessell)en Jahres —
') Erinnert an eine ähnliche Geschichte, welche einem Bauern-
burschen zu Kaltem in Tirol den Spitznamen: Ai Jesses (O Jesus!)
einbrachte. Drei von ihnen hatten als "Wilderer einen Hirsch geschossen,
auch in einen Sack gesteckt und verborgen, bis es Xacht war, wo sie
den Sack nach Hause trugen; ein Xachbar aber hatte ihnen zuge-
sehen, den Hirschen herausgenommen und einen toten Esel dafür
hineingesteckt. Als sie nun zu Hause den Sack aufbanden, waren das
erste, was herauskam, die beschlagenen Hinterfüsse des Esels. „Ai
Jesses!" riefen sie. „da haben wir gar einen Hirschen mit Hufeisen ge-
schossen."
326 Ziii" MärflientVirsi'luuii;-.
von iliiieii keinen öffentlichen Gebrancli gemacht hat. Durch
die Erscheinung der Volksmärchen ans Venetien in diesem
Jahrbuch (Bd. 7) dazu veranlasst, teilte mir Herr Dr. Grimm
die von ihm aufgezeichneten Märchen in zuvorkommendster
Weise mit und stellte sie mir ganz zur Verfügung. P^s
schien mir am angemessensten, sie an dieser Stelle bekannt
zu machen mit Beifügung von Verweisungen auf verwandte
Märchen.
1. Die drei lirüder und die drei befreiten
Königstöchter ^).
24(> Ks ist dies eine manche ganz eigentümliche Züge ent-
haltende Variante zu den Märchen, welche ich in diesem
Jahrbuch 7. 24 [oben 21)2] Widter-Wolf Nr. 4 zuzusammeuge-
stellt habe und zu denen auch noch das H. Märchen des
Siddhi-Kür (S. l(i f. der Uebersetzung von Jülg) und ein
burätisches im Archiv für wissenschaftliche Kunde von RuSkS-
land, Bd. 25, S. 51 gehören. — In Bezug auf die beiden
Hunde vgl. man das im Jahrbuch 7. 128 (Widter-Wolf Nr. 8)
mitgeteilte italienische 3Iärclien vom Drachentöter und meine
Bemerkungen dazu [oben S. 'M)'.]\.
•-2. Der Yertriig" zwischen Herren nnd Diener wegen
der Rene.
2.J0 Das Märchen von dem Vertrag zwischen dem Herrn
und dem Diener, dass, wer zuerst über das Dienstverhältnis
Reue empfindet oder — wie es gewöhnlich heisst — über
den andern zornig wird-), mit seiner Haut dafür büssen soll,
ist weit verbreitet. Vgl. v. Hahn Griechische und albanes.
M. Nr. 11 und Nr. 34, Schott Walachische M. S. 229, Wenzig
Westslavischer Märchenschatz S. ö. Schleicher Litauische M.
S. 45, Pröhle Märchen für die Jugend Nr. IG, Zingerle Kinder-
und Hausmärchen Bd. 2, S. 223, Asbjörnsen und Moe Norske
Folkeeventyr S. 31)4 und 3i)(i, ('a,m[)bell Populär tales of the
^) [Abgedruckt von Imbriaui, >'ovellaja fiorontina 1877 p. 74.]
-) ,"Wer zuerst Reue enii)liiidet', Campbell Xr. 45, Hahn Nr. 34.
20. Italieiiifirlic VolUsiniirclien ((iriinm ^.'r. 12.) ;^27
West Highlaiitls Nr. 45. [Oben S. 141) zu Luzel lu». e.J Im
it.Uieuischeu Märclieii soll nach dem Vertrag der Reuige ge-
scliundeu werden; die meisten andern Märehen begnügen sich
(himit. dass dem Reuigen oder Zornigen ein oder drei Riemen
aus dem Rücken geschnitten werden: in dem mäliriseli-wala-
clnschen bei Wenzig soll der Zornige die Nase, in den
deutschen die Ohren verlieren. Wie im italienischen Märchen
drei Brüder auftreten, von denen die älteren unglücklich sind,
so auch in den anderen Märchen, mit Ausnahme des griechi-
srhen [ Nr. 34, des walachischen, des einen norwegischen 251
(Asbiörnsen S. 394), des tirolischen und des gälischen.
Von den Streichen, durch welche der Diener die Reue
oder den Zorn des Herrn zu erregen sucht, kommen manche
ganz gleich oder wenigstens ähnlich in verschiedenen Märchen
vor. andere sind den einzelnen Märchen eigentümlich. Dies
näher zu erörtern würde hier zu weit führen: einiges habe
ich übrigens bereits im Orient und Occident "2, (iSH f. ^) be-
merkt. Hier genügt es, die Frage zu beantworten, ob die
in unserm italienisclien Märchen erzählten Streiche auch in
andern vorkommen .
AVenn der Knecht im italienischen Märchen, beauftragt,
Holz zu fällen, im Garten eines Nachbarn Weinstöcke und
Bäume umhaut, so ist dies ein sonst nicht vorkommender
Zug. [Vgl. Webster S. 0. 11.] Dagegen wenn er die Schweine
bis auf die Ohren und Schwänze verkauft. Obren und
Schwänze in die Krde steckt und seinem Herrn sagt, die
Schweine seien so dick und schwer geworden, dass sie in
die Erde gesunken seien, so kommt dieser Zug ganz so in
dem Märchen bei Pröhle vor, wo Hans die Kühe seines Herrn
einem vorübergehenden Fleischer bis auf die Schwänze ver-
kauft, die er in einen Morast steckt. In dem einen nor-
wegischen Märchen (Asbjörnsen S. 396) treibt der Bursche
die Schweine, die er hüten soll, zu seinen Eltern, nur eins
gräl)t er in einen Morast so ein. dass nur Borsten hervor-
ragen, nnd behauptet, die Schweine seien alle im Morast
') S. 683 Z. 12 V. u. lies statt ,soll dem andern': ,dom soll der
andere'. [Oben S. 262.]
328 2^"' Märclienforschun^'.
versunken. In einem andern norwegischen Märchen (S. 39.3)
treibt der Diener eines Riesen dessen Schweine ebenfalls zu
seinen Eltern, aber nachdem er ihnen die Scliwänze abge-
schnitten, steckt er diese in die Erde und ruft dem Riesen,
zu kommen und zu sehen, wie seine Schweine in die Hölle
führen. [(lonzenbach no. 37. Arnason-Poweiri, 550. Webster.]
Dass der Herr seinen Diener mit der Herde in den
Wald schickt, damit ihn dort der .Urco- fresse, kommt in
keinem andern der erwähnten Märchen vor. [Webster.] Dieser
Teil des italienischen Märchens, das Abenteuer mit dem Urco,
ist eine Variante des vielverbreiteten Märchens von dem
dummen Riesen oder Teufel und dem schwachen, aber ]
252 schlauen Menschen, der jenem ungeheure Stärke vor-
spiegelt, über welches ich im Orient und Occident 2, 683
und in diesem Jahrbuch 5. 7 f. und 7. K! [oben S. 262, 85, 290]
Nachweise gegeben habe. [(ioiizeiibach no. 41 und Zs.
d. V. f. Volksk. 6. 76. Gianandrea no. 7, Schneller no. 53.
54, Archivio 3. 533. Cosquiu no. 25. Veckenstedt. Wend.
Sagen S. (i>> und Verb, der Berliner (Jes. f. Authropol. 1877,
102, Mitt. der litau. litt. Ges. 2. 83. Kamp. D. M. p. 233,
Bergh, Sogur S. 21, Soge -Bündel S. 28, Winter -Hjelm
S. 164.] In den meisten Fassungen dieses Märchens — näm-
lich in <len im Jahrbuch 5. 8 angeführten, bei Zingerle 1,
Xr. 29 und bei v. Hahn Nr. 18 — kommt vor. dass der
schlaue Mensch aus einem Käse, den der Riese aber für
einen Stein hält. Wasser herausdrückt und dadurch dem
Riesen gewaltig imponiert. Im italienischen Märchen finden
wir zwar au<'li einen Käse, aber in anderer Verwendung. —
Wenn im italienischen Märchen der dritte Bruder zum Urco
sagt, er wolle den ganzen Wald mit einem Seil umbinden
und auf einmal umreissen. so vgl. man dazu Haltrich Nr. 27,
Grimm KH.Al 3. 33S (serbisch). Wolfs Zeitschrift 2, 204 (aus
der Bukowina), v. Hahn Nr. 23, Campbel] 2, 314. [Gianan-
drea, Schneller no. 53, 54, Webster, Cerquand.] (Bei (irimm
KHM Nr. 183 fragt der Schneider: , Warum nicht lieber den
ganzen AVald mit einem Streich?') — Auch der Zug, dass
der Mensch, den der Riese des Nachts erschlagen zu haben
20. Italienische Vulksniiirclien ((iriiiiiii Xr. 2). ;}-2i)
meint, am ^lorm'ii erkliirt. e.s hätteit iliii Nachts Flölie ge-
bi.sseiu timlet sich nicht aHeiii im italienischen Märchen, son-
dern auch in dem eben erwähnten aus der Bukowina, hei
V. Hahn Nr. IS, Hylten-Cavallius Schwedische Volkss. u. M.
S. 6, Meier Volksmärchen ans Schwaben Nr. 'M, Mülleuhoft'
Sagen et(^ S. 445. In dem griechischen Märchen Nr. '23 bei
V. Hahn sagt der Held, es hätten ihn Schnaken gestoclien:
in dem persischen bei Kletke .Märchensaal 3, .VT. ein Unge-
ziefer ]ial)e siebenmal mit seinem Flügel ant' seine Decke
geschlageu: in dem englischen bei Halliwell Populär rhymes
and nursery tales S. 67, eine Ratte habe ilm mit ihrem
Schwanz geschlagen. Vgl. auch Grimm D. Myth. S 508 f.
[Bartsch 1. 501, Bergh S. "24, Winter-Hjelra, Kamp, Brueyre
p. 17, De Nino n(». 4H, Gianandrea, Schneller no. 58.
AVebster.l — Das Werfen um die Wette kommt in den
meisten hierher gehörigen Märchen vor. aber meist in der
Art. dass der Kiese einen Stein, der Mensch einen Vogel
wirft. Vgl. Jahrbuch 5, 7 [oben S(5j und v. Hahn 2. 212.
Das italienische Märchen ist hier durchaus originell, ebenso
in Bezng auf die fünf [.^öcher in dem Banm.
Während in unserm italienischen ^lärchen die Geschichte
von dem dummen Kiesen und dem schlauen Menschen in die
(ieschiclite von dem Vertrag zwischen Herrn und Diener ein-
getlochten ist, sind beide merkwürdigerweise auch in dem j
gälischen Märchen (Campbell Nr. 45) verbunden, jedoch ganz 253
lose. [Ebenso bei Webster S. 6, Arne S. (53, Soge -Bündel
S. 2S.] Der Diener wird dort nicht von dem Herrn zum
Riesen geschickt, sondern geht von selbst zu diesem, nach-
dem er seinen vorherigen Herren zur Reue gebracht und ihn
verlassen hat. Endlich sind in zwei norwegischen Varianten
des Märchens vom dummen Riesen und dem schlauen Menschen
(Asbjörnsen S. IM)'^ und 3i)4) Elemente ans dem Märehen
von dem Vertrag zwischen Herrn und Diener aufgenommen
nnd in einem schwedischen Märchen (Hylten-Cavallius S. 9)
droht der Riese dem Hirtenknaben, falls er nicht nach seinem
Sinn sei, ihm drei Riemen aus dem Rücken zu schneiden.
330 Zur Märclienforscliuntf.
8. Der (ifriiKlkopf.
256 Mit diesem italienischen Märchen sind folgende nicht-
italienische zu vergleichen: v. Hahn 2. 197, 2. Variante,
Sommer S. 131. Vernaleken österreichische Kinder- und Haus-
märchen \r. <S, Ashjörnsen und Moe Nr. 14, Zingerle 1, Nr. 32,
2, .S. lux, Grimm Nr. 13(), Schamha(;h und Müller S. 278.
[Gonzenbach no. 2() und Zs. d. V. f. V(tlksk. (>, 6!), Cosquin
no. 12. Jagic, Südslav. M. uo. 17, Brugman no. 9, Pogatsch-
nigg, Carinthia 1865,438, Peter 2, 1S(I. 1S5, (Haltrich no. 11.
15.) Schneller no. 20, De Nino no. 45. Finamore no. 18,
Ortoli p. 108 (sehr entstellt), Webster p. 111. Sebillot. Contes
3, no. 9, Volkskunde 3, 110, Roumanian F. T. p. 27, Schreck
no. 15. (Suaheli-T. p. 381). Nicht hierher gehört , Grind-
köpfchen' bei Colshorn no. 15.] Das griechische Märchen
und das deutsche bei Somiuer beginnen, wie das italienische,
damit, dass kinderlose Eltern ein Kind wünschen. Im
griechischen verschafft es ihnen ein Drakos, im deutschen
ein graues Männchen. In bei<len wird dann der herange-
wachsene Knabe entführt, findet in dem Schloss seines Ent-
führers in einem ihm verbotenen Gemach ein Ross. ent-
Hieht mit diesem, wird Gärtnerbursche bei einem König,
erwirl)t die Liebe der Königstochter und endlich auch die
(lunst des Königs, nachdem er mit Hilfe des liosses des
Königs Feinde besiegt und — doch nur im griechischen
Märchen — vorher für des K(inigs Augen ein Heilmittel
(Hirschmilch) herbeigeschafft hat. In beiden Märchen findet
sich aber auch der vergoldete Finger und das vergoldete
Haupthaar. Im deutschen Märchen ist dem Jüngling näm-
lich auch verboten, au den Brunnen im Schlossgarteu zu
gehen. Er übertritt aber das Gebot und steckt den Finger
ins Wasser, der dadurch g(dden wird und den er mit einem
Läppchen umwickelt. Das graue .Männchen verzeiht ihm
diese erste L'el)ei'tretnng. Bevor der Jüngling dann flieht,
muss er auf (b-n iJat des Hosses sein Haar in dem Brunnen
waschen, als Gi'irtner aber es mit einem Tuch verhüllen, da-
257 mit es nicht bald Gesehen werde. Im I griechischen IMärchen
20. ItiilicniMlic VdlkMiiiirclicn ((irimiii Nr. 3). ',Y;\\
taucht der .Iriiii^liii^ den Fiiii-er in eine goldene Pfütze, welche
vor der ihm verhdtenen Kammer sich befindet, uml umwickelt
ihn dann: der Drakos aber, sobald er das sieht, packt ihn
und taucht ihn i;;iiiz in die Pfütze, so dass er am ganzen
Leibe gohlen wird. Als (hnin (b'r düngling ilieht, ruft ilim
der Drakos. (l^'V ihn verfolgt, abei- nicht erreichen kann, noch
zu, sich in dem Lande, wohin er komme, in die Haut eines
alten Manm-s zu stecken. w;is dami auch der düngling thut. —
Das österreichische Märchen i)ei Vernalekeu beginnt da-
mit, dass ein rliiger einem sehr armen Mann ein Säck(dien
voll (J((ldstücke giebt unter der Rediiigiuig, dass er nach
II dahren das holen dürfe, was der arme Mann denselben Tag
zu Mause finden werde. Zu Hause findet der Mann, dass
seine Frau einen Sohn geboren hat. r)er däger holt den
Knaben naidi I> -lahren und trägt ihn in sein Schloss. Einst
verreist er und verl)ietet ihm in der Nähe eines Teiches im
Schlossgarten zu gehen. Der Knabe thut es aber do(di und
steckt einen Finger ins Wasser, den er vergoldet wieder her-
auszieht und umwickelt. Der zurückkehrende däger peitscht
den Ungehorsamen durch. Hierauf das Verbot eines be-
stimmten Zimmers, die Lebertretung des Verbots uml damit
zusammenhängend die Flucht auf einem verwünschten Schimmel.
Die Vergoldung des Haupthaars fehlt. Der inzwischen zum
Jüngling gewMU'dene Knabe tritt bei einem König in Dienst
als Gärtner. Aeludich wie im grieschischen Märchen wird der
König krank und kann nur durch AVolfs-, Bären- und Hirscli-
milch geheilt werden. Der Jüngling schafft mit Hilfe des
Schimmels die Milch herbei und erhält die Hand der Königs-
tochter. — Im uorw^egischen Märchen fehlen, wie im öster-
reichischen, die kinderlosen Eltern. [Berntsen 1, Nr. 4.] Ein
armer AVitwensohn zieht aus und findet einen Dienst bei
einem fremden Mann, in dessen Wohnung ihm vier Kammern
verboten sind. In einer derselben findet er einen ohne Feuer
kochenden Kupferkessel und taucht seineu Finger hinein, der
dadurch vergoldet wird uiul den er mit einem Läppchen um-
wickelt. Der Mann vergiebt ihm diese Lebertretung, sowie
zwei frühere. In der vierten Kammer findet er ein Boss,
;>3'2 Zur Märeheuforscluing.
;iuf dessen Rat er sich in dem Kessel waschen niuss, wodurch
258 er schöner nnd kräftiger wird. Hier-|auf entflieht er auf dem
Rosse. Durch eine Perrücke von Moos, die ihm das Ross
anfertigen heisst, arg entstellt, tritt er bei dem Gärtner eines
Königs in Dienst. Die Perrücke erklärt er nicht ablegen zu
können mit den Worten: ,Jeg er ikke rigtig reen i Hovedet'.
Die Königstochter verliebt sich in ihn. und er wird ihr Ge-
mahl, nachdem er mit Hilfe des Rosses, anfangs unerkannt,
wie in dem griechischen und in dem deutschen Märchen bei
Sommer, die Feinde des Königs besiegt hat. — In einer nor-
wegischen Variante ist dem Jüngling verboten, sein Haar mit
Fett ans dem kochenden Kessel zu schmieren. Er thut es
aber doch, und dadurch wird sein Haar vergoldet. Hierauf
Flucht u. s. w. 1). — Von den Tiroler Märchen steht das
eine (2, li)<S) dem österreichischen und dem norwegischen
nahe; das andere hat manches besondere. Ein armer Bursche
tritt bei einem uralten Weibchen in Dienst. Er soll weder
in den Kessel in der Küche sehen, noch ein gewisses Käst-
chen öffnen. Er blickt aber endlich doch in den Kessel, und
da er darin nichts zu erkennen vermag, steckt er einen
Finger hinein, der dadurch vergoldet wird und den er mit
einem Läppchen umbindet. Hierauf öffnet er au('h das Käst-
chen und findet darin ein Zauberbuch, welches er einsteckt.
Indem erscheint die Alte, jagt ihn aus der Küche und wirft
ihm zornig den Kessel an den Kopf, so dass seine Haare
golden werden. Er zieht von dannen und bedeckt seine Haare,
damit sie nicht beschmutzt werden, mit einer Raumrinde.
Der weitere Verlauf, wie in den meisten der erwähnten
Märchen: er wird (iärtner bei einem König, besiegt das feind-
liche Heer und heiratet die ihn liebende Königstochter. [Lo
') In dem dänischen Märchen bei Grrundtvig 2, 170 fehlt das
Verbot eines bestimmten Gemachs und das damit zusammenhängende
Vergolden des Fingers. Hans muss sich hier auf Rat des Rosses vor
der Flucht sein Haar mit einem gewissen Kamm kämmen, und dadurch
wird es golden. Als (lärtnerbursche verhüllt er es mit einem
schmutzigen Tuche und giebt vor, er sei grindig, weshalb man ihn
(irind-Hans nennt. [Vgl. auch Madsen p. 76.]
20. ItaliL'iiiM'lie Viilk-iiiih'clicii ((iriiniii Xr. 'A). 33')
Küiulallayre 3. ikl 1 (lielfeiider Ksel). Homeru iio. S. 3S. Pi(»
p. 17'.) = Misotakis S. 1. (irmidtvii; im. 1'). Deuliii. < 'diites
du rn\ Camhriims p. l.')l.| Wiilireiid in dem einen Tiroler
Märchen an Stelle des liilfreielien verwünschten Rosses ein
Zauberbuch getreten ist, finden wir dafür in dem ebenfalls
hierhergehörigen (Irimmschen Märchen Nr. 13(;i) einen ver-
wünscliten wilden Mann. Ein Königssohn | lässt nämlich einen 2:/.)
von seinem Vater gefangenen wilden Mann frei und geht aus
Furcht vor dem väterlichen Zorn mit ihm. Im Wald führt
ihn der wilde Mann zu einem Brunnen und befiehlt ihm, Acht
zu haben, dass nichts hinein falle. Der Knabe taucht aber
unwillkürlich seinen Finger, der ihm weh thut, hinein, und.
indem er sich zu tief über das Wasser bückt, fallen auch
seiue Haare hinein, der Finger und die Haare werden da-
durch vergoldet. Wegen dieser üebertretung seines Gebots
entlässt ihn der wilde Mann, verspricht ihm aber, wenn er
in grosse Not komme, ihm lielfen zu wollen. Der dünge
dient zuerst — wie in dem norwegischen und dem einen
Tiroler Märchen — bei dem Koch eines Königs, wird aber,
weil er unter dem Vorwand, einen (irindkopf zu haben, nie
sein Hütchen abnimmt, aus der Küche verwiesen und (lärtner-
junge. Er heiratet endlich die Königstochter, nachdem er
mit Hilfe des wilden Mannes unerkannt den Feind des KTmigs
besiegt und dreimal einen von der Prinzessin ausgeworfenen
') Man vgl. Straparola .5, 1, Dietrich, Russische Yolksmilrcheii
Xr. 10, Vogl, Die ältesten Yolksraärchen der Russen S. .55, AValdau,
IKiliiiiisches Märchenlmch Ö. 50, Yulpius, Ammenmärchen, AVeiniar 1791,
1, 17H, Sommer S. 8ö, Zingerle, Kinder- und Hausmärcheu 1, Xr. 2.s [und
43 der neuen Auflage, Mijatovics p. 189, "Webster p. 22, Pio ]i. 179.|
In allen diesen Märchen kommt ein gefangener wilder Mann im
russisclien: ein Räuber — vor, den ein Knabe, meist ein Ivönigssoliu.
heimlicli aus seinem Kei'ker lässt, und die Märchen sind auch sonst
fast alle dem (rrimmschen sehr ähnlich, aber in keinem kommt der
vergoldende Brunnen vor. In dem russischen Märchen Xr. 4 bei Dietrich
fehlt der wilde Mann, es ist aber, davon abgesehen, dem Märchen bei
Zingerle sehr ähnlich, und zwar stimmen beide merkwürdigerweise aucli
darin iil)erein, dass im russischen der Held sieh ,Ich weiss nicht' nennt,
und im Tiroler ,AVer weiss ?' [Weissnitle bei Stier-Gaal Xr. S, Brug-
man S. 541. |
334 '^^i'" ^nii'i'lieni'iii'^i'liiiiig.
Apfel gefaugen hat ^). — Das niedersächsiselie Märclien
bei Schambach u. Müller ist sehr entstellt. — Man sieht aus
diesen kurzen Inhaltsangaben, dass das italienische Märchen
bei aller, bald grösseren, bald geringeren Aehnlichkeit mit
jedem der nichtitalienischen Märchen, die unter sieh näher
verwandt sind als mit jenem-), manche ihm allein eigene
Besonderheiten hat. ]
260 Wenn im italienischen Märchen der Jiingling sich einen
Spiegel kauft und hineinsieht, nm das Herannahen seines
Todes zu erkennen, so erinnert dies an das serbische Lied
vom Tod des Marko Kraljewitsch (Talvj 1, 240). Die Yila
verkündet dem Marko, dass er sterben werde, und fordert
ihn auf. ins Gebirge zu einem Brunnen zu reiten.
„Neige dich hinab aufs Brunnenwasser,
Dass dein Antlitz du im Spiegel schauest.
Siebest dorten, wann du sterben wirst!"
Marko that nach ihrem Wort, er ritt ins (lebirg, setzte sich
an den Brunnen und
Neigte sich hinab ins Brunnenwasser,
Sah im Wasser spiegeln sich sein Antlitz,
Und er sähe, wann er sterben werde.
II.
An die vorstehenden drei italienischen Märclien, welche
also gleich denen im vorhergehenden Bande dieses Jahrbuchs
zuerst von Deutschen gesammelt und veröft'entlicht worden
sind, möge sich die ^litteilung einiger italienischer Märchen
reihen, welche in nenester Zeit von Ita lienern anfgezeichnet
') Das Auffangen eines A])fels mit dem Sjieer kummt auch in
dem bülimischen Märchen vor, Waliluu S. 71. Vgl. auch Oam])bell
3, 191.
-) Icli liättc noch manche ^lärchen anführen kiinncn, welche den
verglichenen niclititalicnischen zum Teil sehr ähnlich sind, z. B. Grundt-
vig 2, 45, [MüUenhoff Nr. 12, Irabriani Nov. Fior. - no. 2, Folk-Lore
Rec. 3, 44], ich liabe sie aber an dieser Stelle weglassen zu müssen
geglaubt, weil sie mit den italienisc^hen Märchen gar zu wenig gemein
haben.
20. ItiiliiMiischi' Vtilksiiiärchen (Teza). MoÖ
1111(1 bekannt gemacht worden sind. Dass ich diese Mittei-
lung machen kann, verdanke ich der Frenndschaft Emilio
Tezas, vormals in Bologna, jetzt in Pisa, nnd vorzugsweise
seine den Märchen gewidmete Thätigkeit ist es, über die ich
zu berichten habe.
In seinem höchst anziehenden und inhaltreichen Schrift-
chen ,La tradizione dei Sette savj nelle novelline magiare'
(Bologna, tipi Fava e (iaragnani al Progresso ISfi-i) hat
E. Teza (S. -ii; ti". ) ein Märchen aus Venetien .Mela e Buccia*
erzählt, dessen Inhalt ich mit Vergleichung verwandter, zum
Teil bereits auch von Teza verglichener Märchen in den
Weimarischen Beiträgen zur Literatur und Kunst (Weimar
18(55) S. 11).-) f. [= Köhler, Aufsätze 1S94 S. 27] wieder-
gegeben habe, worauf ich die Leser verweise. In der- selben oiu
Schrift (S. 'y2 tf.) hat Teza noch ein zweites Märchen — nach
der Erzählung einer Dame aus Toscana — mitgeteilt, dessen
Inhalt folgender ist: Ein Königssohn hat einen Lehrer, der
durch gewisse Zauberworte Tiergestalt annelimen kann. Einst
lässt sich auch der Prinz von ihm in einen Raben verwandeln
und Hiegt weit, weit weg in ein fernes Land, wo er in einem
Garten eine wunderschöne Prinzessin sah, deren Spiegel mit
ihrem Bildnis er raubt. Hierauf fliegt er in seine Heimat
zurück, nimmt seine menschliclie Gestalt wieder an und er-
krankt aus Liebe zu der unbekannten Prinzessin. Diese in-
zwischen beschliesst in die Welt zu ziehen, um den geraubten
Spiegel zu suchen. Sie verkleidet sich als Arzt und zieht
von dannen. Sie kommt in ein Land, wo die Königstochter
krank ist, und wird zu ihr befohlen. Wie sie eines Nachts
neben dem Bett der Kranken sitzt, verlöscht das Li(;ht. sie
geht hinaus, um es anzuzünden, und findet drei alte Weiber,
weh'he um einen Kessel sitzen. Auf ihre Frage antworten
die Alten: .Ci sono tre teste e quando saranno cotte. la ti-
gliufda del re morirä\ Der verkleidete x\rzt lobt die Alten
und hilft ihnen einige Zeit das Feuer schüren. Je grösser
das Feuer ward, desto kränker wurde die Prinzessin. Der
verkleidete Arzt tr(istet aber den K()nig und lässt sich für
die nächste Nacht eine gute Mahlzeit bereiten. Diese bringt
o'.M'} ^i'i' ^liirL'lient'orscluiiig.
er mit vielem ^Veiu in der zweiten Naelit den drei Alten,
und als sie l)eti'nnken sind, wirft er sie ins Feuer, den Kessel
aber nimmt er vom Feuer weg, und so wird die Prinzessin
wieder gesund. Der König will sie dem Arzt zur Frau
gebeu, der aber dankt und zieht weiter und kommt in ein
zweites I.and. wo er zum kranken Königssohn gerufen wird.
Wie die verkleidete Prinzessin Nachts an seinem Bett sitzt,
erscheinen drei alte Weiber, richten ein Banket zu, salben
den Kranken von Kopf bis zu Füssen, dass er ganz gesund
wird, essen uiul trinken mit ihm, salben ihn dann wieder
und legen ihn — kränker als zuvor — zu Bett. In der
zweiten Nacht, wie die Alten den Prinzen das erstemal ge-
2a2 salbt haben, bedroht sie die verkleidete Prin-|zessin und jagt
sie aus dem Zimmer, und der Prinz ist genesen. Fmdlich
kommt sie in ein drittes Land, wo ebenfalls der Königssohu
krank ist. Die Prinzessin weiss kein Mittel, endlich vermutet
sie, ilass der Prinz vor Liebe kraid<: ist, dringt weiter in ihn
und erfahrt so. dass dies der l^-inz ist. der als Rabe ihren
Spiegel geraubt hat. und dass er aus Liebe zu ihr krank ist.
Da giebt sie sich zu erkennen, und der Prinz springt gesuml
vom Bett auf.
Dieses Märchen, zu dem ich keine Parallele weiss,
[Ralston [). ■J(S4] ist aber noch von derselben Rahmenerzählung
eingeschlossen, welche die einzelnen Erzählungen des be-
kannten , Papageienbuches' einschliesst. Ein Papagei nämlich
erzählt der Frau eines Kaufmanns, der verreist ist, das
Märchen, um sie von einem Ausgang abzuhalten, der ihrer
Treue gefährlich werden konnte.
in der Florentiner AVochenschrift .La Civiltä Italiaua",
ISI),'), Nr. .'], Pg. 45 hat Angelo De (Jubernatis folgende
.storia Sul)alpina' veröffentlicht, wie er sie von Frauen hat
erzählen hTtren:
Uua nuidre aveva un iiglio stupido, il (|uale. i)er la sua
stnpiditä, era bnono da nulla e le dava molestia. Ln gi(n'no
lo stupido, essemlo annoiato, va alla madre e le dice: ,.<>
nuidre. (u)sa ha da fare?" Allora la madre dice al figlinolo:
„Se nou sai cosa fare. piglia la porta e falla andare." E lo
20. Iralii'uisclic VolkMiiärclu'ii (De Cruljeriiatis). ;^;-J7
stupido utl obbedire, e a levar la porta dai cardini. e a met-
tersela sovra le spalle, ed ad iiscir cmi essa di casa, e a eam-
minare e a caiiiminare fiiio a notte. Allora. essendo veiiuta
la notte, lo .stupido ebbe paura. e cou la porta sovra le spalle
sali sovra la piinta di im albero. Meiitre esfli stava per
pigliar souuo, vemiero i ladri a coiitare sotto lalbero il
daiiaro rubato; allora, mezzo sonnoleiito. lo stupido lasciö
cadere sovr' essi la porta, e i ladri a fuggire spaveutati. ab-
bandouaiido tutto il daiiaro. Lo stupido discese e lo raceolse
e si mise in via.
A questo punto — setzt De Gubernatis hinzu — la
leggenda Subalpina va soggetta a numerose varianti secondo
le varie tradizioni locali; non avendo, per ora, | occasione di 203
riscontrarle, ne riserbo a miglior tempo lo studio.
De Gubernatis vergleicht mit dem italienischen Märchen
das von Liebrecht im Orient und Oecident 1. llß mitgeteilte
mongolische, wonach ein Dummkoj)f auf einem Felsen über-
nachtet, auf welchem auch Kaufleute sclilafeu. Plötzlich giebt
der Dummkopf einen tüchtigen Laut von sich, welcher eine
neben ihm liegende Trompete der Kaufleute ertönen macht.
Erschrocken fliehen die Kaufleute und lassen ihre Waaren im
Stich, welche der Dummkopf an sich nimmt.
Die " Mitteilung De Gubernatis veranlasste E. Teza in
einer der folgenden Xr. der genannten Zeitschrift (Nr. '). S. 79)
eine Fassung desselben Märchens aus Savignauo in der Ro-
magna bekannt zu machen:
Un marito aveva una moglie sciocca, e qnando il marito,
partendo di casa, le raccomanda di tirare dietro a se l'uscio,
la semplicetta solleva dai gangheri la porta, se la reca sulle
spalle e lo segne. AI villano il rifare la strada non gli va:
meglio dunque portar seco quell" iiicomodo i)eso. Giuuge la
notte, e paurosi di lupi e di orsi, se arrampicano sopra un
albero e vi si addormentano. Si appressano intanto i ladri,
che ai piedi di quel tronco si fanno ad anuoverare il denaro
rubato, sicuri di non avere testimonio traditore. A un tratto
la donna si riscuote e domanda cousiglio al marito: il l)uon
uomo si spaventa, che sa pur troppo che i malandrini non
R. Köhler, Kl. Schriften. I. 22
338 y^^^y ^lärclienforiscluui^'.
hl crederebbei'd tutta acciua di cielo: la rimi)r()vera, la mi-
naccia, poi quaud(» sente che non c'e piü riniedio, „e tu las-
ciala aiidare" le grida, e trema al viciiK» peric(d(). Ma la
donna iutende che il marito le dica della porta, e apre le
raaui, e (piella cade con ,spaventevole rumore da atterrire e
da scacciare tutti (jue" ladri.
La si direbhe — bemerkt Teza — la uüvella dei due
sciocchi: perche il dabben uomo ha tauta (uira che non gli
rubino la porta e lascia aperta la, casa. Ora e probabile che
uel racconto primitive, poi corrotto dai narratori, il primo a
frantendere fosse lui: che insomma alla donna il peso intolle-
2(i4 rabile fosse proprio la porta e non | altro. La novellina e
sparsa (|na e Vk. Volevo aggiungere le varianti della tra-
dizione bolognese: ma mi trovai in un viluppo e uon seppi
uscire dalle contradizioni e dalle misture con altri racconti
di gente scenux.
Teza verweist noch zur Vergleichung auf ein von Sim-
rock im Anhang zu seinen 'Deutschen Märchen' S. 'MVI mit-
geteiltes neugriecliisches Märchen ^).
Kndlich l)rachte Nr. IH der Civiltä Italiana noch die
folgende sehr eigentümliche Variante nach der Mitteilung
eines ,egregio scrittore Pugliese', F. Chieco, welcher sie in
seiner Kindheit von weiblichen Dienstboten hatte erzählen
hören. [Auch von lml)ri;uii Conti j)omig]ianesi pg. '2'2^ ab-
gedruckt.]
Un uomo avcva tre iigli, dei (piali due maschi di niente
Sana, ed nna feiumiiui di meute S(;ema. Qnesta era oggetto
di strapazzo nella famiglia, a lei i meschini avanzi di cibo,
a lei gli abiti dimessi quaud" erano ridotti a brandelli; si
che affamata sem[)re eil" era, e (piasi ignuda. Un di suo
padre, era di gennaio, vedendola tremare pel freddo, che
(piasi ogui membro aveva scoverto, prese dieci ducati, e,
mostraudüli alla liglia. le disse — quando verra maggio, con
questo danaro ti faro un abito nuovo, — e ripose il danaro
') Teza iioiint Simrocks Saniiiihuig ,mi librettiim tutta i^Tazia c
saporita i'1(*i;anza'.
2(1. Italiciiisclic Vulksiiiärclicu (Cliieco). 3;-39
in Ulla c<i88a. La povera sceiiia da ((uel di uel mattiiui 8ul
pianerottolo della scala, (jaiitava t^osi: — Quando xerrh inaggio
avrö Tabito miovo. — Ora, avveune, die uu dl [)a.ssan(lo per
di la Uli nierciaiuolo, iidi ({iiella cautilena. e le diiiiaudö : —
perdie (|uaiido vevrji maggio avrai Tabito uuovo? — E qui
la semplicettii ra(;('(»uto al iiierciaiuolo hi proniessa de! padre,
e indicö ove i die(-i ducati eraiid. AHora il luerciaiuob) disse,
<'Iie egli era Maggio che le aveva p(trtato labito nuovo (e si
dicendo le dette uu ])ezz(i di tela grossolaua) e cercava i
dieci diicati. La }»overa iniioceute prese la tela, e diede i
ducati al luevciaiuolü. Toniato a casa il fratello maggiure,
la sorella, tutta ilare, gli luostro la brutta tela, e gli raccontö
che Maggio era veiiuto, che le aveva dato Labito uiiovo. e
(die essa aveva dato a | Maggio i ducati riposti dal p^adre. 265
il fratello imbestialito, dette molte busse alla sorella, e aii-
dato a casa il fratello minore, che ammogliato era e piü
buouo, gli propose di uccidere la sorella. 11 friitello minore
si iiegö. Allora il maggiore menö seco in rampagna la so-
rella, e non aveiido corraggio di ucciderla vi(deuteiueute, decise
di accecarla, intrometteudole negli occhi nndto terreno, e })oi
di abbandonarla. Cosi fece, e fattala salire su (ruu pero
smisurato, Labbandonb. Si fece notte. Una banda di ladri
aiido a posare sotto a (|uel pero, e prima di spartire il ric-
chissinio bottiuo, accese un gran fuoco per eiiocere poi
agiielli e capretti. II fumo di qnel fuoco di legna verdi,
salendo, faceva lagrimare la i)overa scema che era sempre
sul pero. ed a niisura che le lagrimc sgorgavauo, la vista le
tornava limpida. AI principio scorse un ladro apie del pero,
e grido — ne veggo uno. — Per questa voce, (die non sape-
vauo donde venisse, i ladri incominciarono a temere di essere
scoverti. (lli occhi della scema, per nuove lagrime versate,
discersero un altro ladro e poi uu altro, e ad ogiii scoverta,
la scema tutta lieta dava un altro grido — ne veggo due,
ue veggo tre — , e, per no, maggiore cagione di paura pei
ladri. Finalmente la sciocca, avendone scorti ciuque, grido
forte — ne veggo ciuque, e basta! — A questo, i ladri non
si tennero piü, e fuggirono via,, abbandonando il ric(diissimo
340 '^^^'' Märchenforjiclunig'.
bottiuo, (li eul eraiio carichi miili e cavalli. La scema, scesa
dal pero, meno i muli ed i cavalli cavichi com' erano a casa
del fratello raaggiore suo assassino. Piechio, e domandato di
dentro chi fosse, rispose essere la sorella. Non fu rieeviita.
Allora essa andö a casa del fratello minore ammogliato, e
fu riceviita. A lui dette il ricco bottiiio, e raccoutö tiitto.
Nel sentir qiiesto la moglie del fratello, certa che qiiel bot-
tino arricchiva il marito, e prevedeiido cbe im dl sarebbe
stata forse cbiesta ragione a lui del cangiameiito di fortuna,
cerco d'ingarbugliare la mente della sciocca cognata. Mentre
questa era al focolare di casa, ando sul tetto, e per la rocca
del Camino verso quattro panieri di fichi secchi e di uva
266 passa in modo da far cadere fichi ed | uva innanzi alla
cognata. La povera sciocca dimandö al fratello cosa succe-
desse, e questi, indettato colla moglie, rispose che il cielo
pioveva fichi secchi ed uva passa.
Passarono molti mesi. II fratello raaggiore della sciocca
vedeva che il fratello minore comprava raolte case e grandi
terre. Andato a casa di lui, dijuando alla sorella che cosa
avesse fatto nella notte in cui era stata in campag6a. La
sciocca disse tutto ingenuamente. Allora il fratello maggiore
andö dal giudice per avere meta del bottino, o almeno, ma-
ligne com" era, per farlo togliere al fratello, perche mala-
mente aquistato. 11 giudice chiamö il fratello minore, e gli
dimandö del bottino: rispose non saperne nulla. II giudice
mandö per un gendarme a chiaraare la scema. Questa al
solito era vicina al focolare di casa; al focolare era uua pig-
natta in cui cuocevano delle fave. B(dlendo le fave anda-
vano di su e di giü: appena andavauo su, la scema le gher-
miva e le mangiava, e a squarcia gola cantava: — Chi sale
non scende — , alludendo alle fave. II gendarme udite quelle
parole, teme vigliaccameute, e tornato riferi al giudice la
creduta minaccia. Allora il giudice mandö quattro gendarmi,
ed a questi il fratello minore raccoraandö dicessero alla so-
rella che venendo via si tirasse dietro di se la porta di casa.
La povera scema udita lambasciata, sollevö dai gangheri la
l^orta e la tirö dietro di se, seguendo i gendarmi tino al
20. Italieiiisclie Volksinärchen (Cliieco). 341
giudice. Que.sti, che aveva iiiteso la raccomaudaziuo del fra-
tello, incoutanente fii certo, che quella douna era scema di
raente. e domandatala di (iiiella uotte in cui era stata fuori
di casa, la sciocca, come sempre faceva, racconto il vero. II
fratello minore protestava che quelle erano novelle, e che ad
Ulla scema di mente non doveva credersi pii'i che tauto. Sua
moglie aggiuugeva, che essa era certa che la povera cognata
üon saprebbe nemmeno indicare quäle fu quella tale notte.
II giudice dimaudo alla sciocca in quäle notte essa aveva
raccolto cosi ricco bottino, e questa memore della strana piova,
fispose: — In (juella notte in cui il cielo piovve tichi secchi
ed uva passa. — Allora il giudice ridendo molto, di certo
che era fattosi certissimo che | quella povera doiina fosse 267
sciocca, e che per ciö le sue parole non meritavauo fede al-
cuna, mandö via tutü. E cosi il fratello maligno resto in
poverta, e"l beniguo fu ricco.
Die Redaktion der Civilta Italiana hatte noch ausserdem,
wie sie S. 203 bemerkt, von mehreren PVeunden in Sicilien
und Calabrien Naclirichten über das Märchen erhalten, die
sie jedoch niclit weiter mitteilt.
Auch in deutschen, englischen und französischen Märchen
k<nnmt (bis Herab werfen der Thür, wodurch Diebe oder
Räuber erschreckt werden, vor, wie ich in diesem Jahrb. 5, '20
[oben 99] nachgewiesen habe. Den dort erwähnten deutschen
Märchen sind noch Vernaleken S. 204 u. Zingerle 1, Nr. 24
beizufügen. In gewisser Weise gehört auch ein tatarisches
Märchen in Radioffs Proben der Volkslitteratur der türkischen
Stämme Süd- Sibiriens, St. Petersb. 1<S6G, 1, 311 hierher.
[(Jonzenbach no. 37 und Zs. d. V. f. Volksk. 6, 73, Cos({uin
110. 22 (1, 241), ('arnoy no. 7, Simrock p. 3(13^ Möller p. 5S,
Kamp no. 361, Hahn no. 3!), Callaway p. 146, Sörensen,
Indiske äventyr efter Somadeva 1878 no. 48.]
Was das apulische Märchen insbesondere anlangt, und
zunächst den Umstand, dass das einfältige Mädchen die Du-
katen dem Mai giebt, so findet sich ähnliches mehrfach in
verwandten Märchen. In einem Märchen bei Prrdile, Kinder-
uiid Hausmärchen no. 50, heisst ein Mann seine dumme Frau
P)4'i ^iir Miux'lionfursc'luui^-.
Gold aufheben und einen Ochsen füttern für den langen
AVinter. Bei Colshoru. Märchen und Sagen Nr. ^^7, soll Oold
für Haus Winter aufgehoben werden, was die Kinder — hier
also nicht die Frau — missverstehen. Bei Meier, Volks-
märchen aus Schwaben S. 80H, holt die Frau Speck u. dgl.
für den langen Frühling, bei Zingerle 1, Nr. 14 n. 2, S. 1S5
Fleisch und Speck für den Fürpass, bei Grundtvig Gamle
danske Minder 1, 28 Geld für die grosse Not (den störe Nod).
Bei Wenzig S. 41 sollen Dukaten für den Notfall aufgehoben
werden, und der Mann sagt der Frau, die Dukaten seien Ge-
spenster, die Frau vertauscht nachher die Gespenster für
Töpfe ^). [Cos(iuin 1, "240 zu uo. 22, Luzel o, ;^94 (Noel,
Carnaval, Pä(|ues). Pinean p. 259, Revue des trad. pop. 12, (S9,
Firmenich 8, 295, 512, Weimarer Zeitung Deutschland 1877,
5. Febr.. Gredt no. 1214 (der lange Brochmond), Cock, Rond
deu Heerd no. 1, Kehrein 2. 97 (langer Ia'uz), Floffuieister
S. 55, Strackerjan 2, 291, Möller S. 5ß, Schneller no. 56, Im-
briani, Conti pomigl. no. 8, Halliwell p. ol (Good Fortune).] j
2(i8 In Bezug auf die Worte der Einfältigen, welche sie beim
Bohnenkochen singt: 'Chi sale, non scende', vergleiche man
im italienischen Volksbuch von Bertoldo die Frage des Königs:
'Chi sono gli ascendenti e discendenti tuoi?' uud Bertoldos
Antwort: '1 fagioli i (juali bolleudo al fiioco vauno asceudendu,
e disceudeiido su e giü per la piguatta' — , sowie meine Be-
merkung im Jahrbuch 5, 8 [oben S. 87 und 151].
Endlich die Art, wie der Bruder die Schwester glauben
macht, es regne Feigen und Rosinen, und dadurch später
ihr Zeugnis entkräftet, ist ein Seitenstück zu der bekannten
Geschichte von dem Papagei oder der Elster und der ehe-
brecherischen Frau, über welche man reiche Nachweise von
A. D'Ancona in seiner Ausgabe des Libro dei sette Savj di
Roma, Pisa 1864, S. 117 findet. Vgl. auch Orient und
Occident 8, 414. [(lonzenbacli uo. 'M und Zs. d. V. f.
Volksk. 6. 73.]
') El)pns() i^iebt die duinme Friui bei Griiiiin Xr. .Mi für 'rü))tV' die
,Gri('l\eliiii;'e', wie der Mann Goldstnekc i;enannt bat. liin und liei Haltrirh
Nr. (i2 die ,Kürl>isi<ernc'. |(hiodi : l'itre, X. )). t()>c. \>. ]s7.|
20. Itiilieiiit^c-lK- Vdlksiiiäiclieii (Teza). 343
Soviel über das apuliselie Märclieu.
Es bleibt mir noch übrig, auf ein neuerdings erschienenes,
leider aber ebensowenig wie das oben genannte in den Buch-
handel gegebenes Schriftchen Tezas hinzuweisen, welches
betitelt ist: 'l tre capelli d'oro del nonno Satutto. Novellina
boema\ (Bologna, tipi Fava e Garagnani IHHC)). Es enthält
die nach dem Original verfasste Uebersetzung des von Karl
daromir Erben in böhmischer Sprache aufgezeichneten, ins
Deutsche von Waldau (Böhmisches Märchenbuch S. 5<S7 ff.),
ins Französische von Chodzko (Contes des paysans et des
patres slaves, Paris 1864, S. 'M ff.) übersetzten Märchens
von den drei (ioldhaareu des alten Vseved, ausgestattet mit
Erläuterungen uiul Vergleichungen verwandter Märchen ^).
Zur Mitteilung italienischer Volksmärchen hat der Vf. in
diesem Schriftcheu keine Gelegenheit gefunden, wohl aber
weist er in der Einleitung seine Landsleute eindringlich da-
rauf hin. endlich ihre Volksmärchen zu sammeln. |
Das Volksmärchen hat — so bemerkt er S. 11 — in 269
den italienischen Provinzen verschiedene Namen. 'Flabe la
|novelliua] dicono i friulani: üaba il piü de" veneti, ma ro-
saria a Verona: esempio usa in quasi tutta Lombardia, ma
storia a Brescia, e a Cliiari pastocia, e a Romano, in quello
di Bergamo, panzanega, e proverbio a Pavia: nel Piemonte
c'e storia, ma a Quarguento, nell" alessandriuo, cuintuie: foa
a Genova: fola a B(dogna e nelle romagne: favola a Roma:
cuntu in Sicilia: e, con piu graziosa voce, in qnalche luogo
di Calabria, romanzella. Delle varietä questo non e che un
[)iccolo saggio: ue qui ho la opportunitä di farlo piü ricco'.
'Ma pui che i loro nomi- — fährt Teza fort — 'gioverä
raccogliere le novelline e non sdegnarsi di arare il campo
cogli altrui bovi; ma ridire con brevita e schiettezza i rac-
conti popolari. Diceva Martino Lutero che le maravigliose
storie che rammentava dalla piü tenera fanciullezza non le
avrebbe date per un tesoro. Ma io temo die (piesto amore
') S. 21 ff. hat Teza ein interessantes magyarisches Märchen aus
Ladislaus Merenyis Sammlung übersetzt, welches bisher wohl schwerlich
scliun in einer andern Ö))rache wiedergegeben worden ist.
344 2^"' ^nirchenforscluiiig.
alle prime memorie di qiiel forte e libero intelletto unii ac-
cresca disprezzo alle novelline, gia disprezzate abbastanza.
Agli ortodossi delle lettere collegherö an<-he gli orto-
dossi del catechismo. che di certi nomi odiano anche
le virtii. Facciamo tutti ([ualcosa: nna ghiarlandetta di tiabe
venete la ho anch" io; ma temo, ritradncendo e costretto a
riordinare. di vedermela appassire. Narrano di nna inge-
guosa donna, della Catalani, che, usa agli applansi del teatro,
nn ri<'C0 dono e gentile di alcnni ammiratori mandö ad nna
2ingana, come alla prima maestra nel canto. 1 novellatori
piccini, nou e da sperare: che troppo le cose proprie li
occn})ano: nia gli nomini che meritano ed hanno anche ne'
racconti le lodi, non saranno al popolo pii'i inginsti e spietati.'
Soweit Tezas Einleitnng. Alle Frennde der Volksmärchen
werden der von ihm in Aussicht gestellten Sammlung mit
Verlangen entgegen sehen und zugleich hoffen und wünschen,
(lass durch dieselbe seine Laudsleute zur Nacheifernng an-
270 geregt werden mögen. Die Italiener können eine Reihe in
neuerer und ueuester Zeit | von ihnen veranstalteter. wert-
voller Sammlungen ihrer Volkslieder aufweisen, ich erinnere
nur an die mir bekannten Tommaseo, Nigra, Alverä, Dalme-
dico. Marcoaldi, Neru('(ä. Righi, Tigri, Vigo; möchte daneben
bald eine ähnliche Reihe italienis(dier Märchensammler ge-
nannt werden kiinnen !
1270
21 Lieber A. De Gubernatis, Novelline.
(Göttingische gelehrte Anzeigen 1870, 1270 — 1277.)
Le Novelline di Santd Stefano di Calcinaia. Raccolte
da Angelo De-Gubernatis, e precedute da una introduzione
sulla parentela del mito con la novellina. Toriuo, presso
Augusto Federico Negro Editore, 4, Via Alfieri, 4. ISGil
8. 61 S.i).
') [Eine neue Auflage erschien 1894.]
21. Ueber De (iuboniatis, Xovelline di H. Stefano. '44:^^
Diese aus der „Hivista ('Oiitem})oranea iiazioiiale ita-
liana" besonders abgedruekte Sammlung" des Herrn Professor
Angelo De-riubernatis in Turin, dem die Märclienfreunde
schon die Aufzeichnung vier andrer italienisclier Märchen
verdanken (s. A. DAnconas Nachweis in der Einleitung zu
„La Leggenda di Vergogna e la Leggenda di Giuda", Bologna
1869, S. 68) entliält 35 Märchen. Was den Titel „Le No-
velline di Santo Stefano di Calcinaia" anlangt, so erklärt ihn
Herr De G. S. 16 selbst so: ,,D() loro ((uesto nome perche
le udii tutte narrare in questo borge; ma i narratori erano
per lo piii daltra terra; nondimeno tutti toscani." Mancdie
der Märchen sind sehr gut erzählt, andre aber sehr kurz und
gedrängt, mehr Inhaltsangabe als die eigentlichen Erzählungen.
Auf Nachweis von | Parallelen hat sich der Herr Herausgeber 1271
nicht eingelassen. Ich lasse die Titel der Märchen mit
einigen kurzen Bemerkungen dazu folgen. AVenn ich dazu
öfters auf Laura (ionzenbachs Sizilianisclie Märchen (Leipzig
1870), die mit vergleichenden Anmerkungen von mir ver-
sehen sind, verweise, so will icli (himit nicht blos auf das
betreftende sizilianisclie Märchen, sondern immer zugleich
auf meine Anmerkung dazu [Nachträge in der Zs. d. V. f.
Volkskunde 6, ')<S und Kil] verwiesen haben.
Nr. L La bella e la brutta. Vgl. das von De-Gu-
bernatis aufgezeichiu^te und von A. Wesselofsky in seiner
Eiideituug zur Novella della figlia del re di Dacia, Pisa isiili,
S. XXIX f. mitgeteilte piemontesische, das catalanische bei
Mihi y Eontanais observaciones sobre la poesia populär
S. 177 und daraus bei E. AVolf Proben portugiesischer und
catalanischer Volksromanzen S. ;!7 f., Basiles Pentamerone
3, 10 und Schnellers Märchen uiul Sagen aus A\'älschtirol
Nr. 8 [Tuscan E. Tales no. 1. 2]. In Bezug auf die s})inneude
Kuh s. meine Anmerkung zu Gonzenbach Nr. H'2. — Nr. '2.
La comprata. Liii nicht gut überliefertes und aus eigent-
lich nicht zusammengehörenden Teilen zusammengesetztes
Märchen. Es steckt darin das Märchen von den drei Sphme-
rinnen, über welches ich auf meine Nachweise in diesen An-
zeigen 1868, 1364 [oben 47] verweise. Zum Rest des Märchens
346 Zur ^[rtrclieiiforse'luuig-.
Vgl. meine Anmerkung zu Gouzenbach Xr. 1'4. — Nr. 3. II
trottolin di legno. Vgl. Gonzeubaeh Nr. 38 uiul zur
zweiten Hiilfte des Märchens ausserdem meine Bemerkung in
diesen Anzeigen 1868, 1381 [oben 6*2] zu Schneller Nr. 24. Wenn
im toscanischen Märchen „la citta" den Marchese mit der
Feuerzange, dem Besen und der Aschenschaufel schlägt, so
ist dies Entstellung; Schneller Nr. '24 und die a. a. 0. au-
1272 geführten Parallelen er-lgebeu, dass der Marchese sie vielmehr
schlägt. — Nr. 4. 1. e tre mele und Nr. 5 Le tre aranci.
Vgl. (louzenbach Nr. 13. Nr. .') enthält, wie Gonzeubaeh
Nr. 13. zugleich Elemente aus dem .Aliirchen von der ver-
gessenen Braut, s. darüber meine Anmerkungen zu G(nizen-
bach Nr. 14. — Nr. 6. Florindo. Ein offenbar nicht gut
erhaltenes, namentlich am Ende entstelltes Märchen. Man
vgl. meine Anmerkung zu Gonzeubaeh Nr. 14. — Nr. 7.
II re di Spagna. Nichts weiter als ein Auszug mit ein
2)aar unwesentlichen Aenderungen aus dem italienischen
Volksgedicht „Florindo e Chiarastella". über welches nuin die
Monatsberichte der Berliner Akademie Isiii), S. 3(S() f. nach-
sehe. — Nr. 8. Argentofo. Vgl. [Visentiui Nr. 34| die
unter dem Titel „Perche si dice e fatto il becco a loca" zum
Volksgedicht gewordene Episode des Mambriano des Fran-
cesco Bello. [Rua, Mambriano ISSS p. 31], über welche ich
nächstens auderswo ausführlicher handeln und sie auch in
deutschen Volksmärchen nachweisen werde, und Gonzeubaeh
Nr. ßS. -- Nr. 9. Le oche. Wie hier das junge Mädchen
sich in die Haut ihrer gestorbenen alten Mutter hüllt, so
vgl. mau das italienische Märchen, welches Temistocle (iradi
in seinem vortrefflichen „Saggio di lettere varie per i gio-
vani-' Torino 1865, S. 141 ff., insbesondre S. lö-i. mitgeteilt
hat, und das ITte hindostanische Märchen in den „Old Deccan
Days, or Hindoo Fairy Tales current in southern India.
Collected from (U'al tradition by -M. Frere". London 1S()8.
In beiden Märcheu hüllen sich die jungen und schönen Hel-
dinnen in die Häute alter Weiber. Vgl. auch v. Hahn Neu-
griechische und albanesische Märchen Nr. 6. Var. 2 und Nr.
45. w<i dii' Helden sich in die Häute alt» r Männer stecken,
21. UobtT De Gulicriiatib, Novelliiie cli S. Htct'anu. ;^47
iiucl (lats alte j (leutsche (iediclit von Saloiuoii und Morolf (^iii 1^73
von der Uagen.s und Biisching.s Deutsclien (iedichten des
Mittelalters [Anz. f. d. Alt. 7, 277], wo Morolf einen -luden
tötet, ihm die Haut ..(»l)erl]alb des Gürtels" abzieht, sie
,,l)alsainet'' und dann anlegt. In Bezug auf die (Jänse, welche
die Schönheit ihrer verkleideten Hüterin verraten, vgl. das
catalanische Märchen bei Mihi S. 181 = F. AVolf Proben
S. 42 und meine Anmerkung zu (ionzenbach Nr. 88. o4. —
Nr. 10. 11 guanto d" oro. Vgl. Gonzenbach Nr. 7 und
Simrock Deutsche Märchen Nr. 51. Das toscanische 3Iärcheu
ist am Schluss entstellt. — Nr. 11. 11 pesce e 1 "agn el-
lin 0. Vgl. (;(»nzenl)a(-h Nr. 4S und 4i). — Nr. 12. La
crndel matrigna. Vgl. Gonzenbach Nr. 2. 3. 4. — Nr. 18.
La cieca. Eine Ixise Königin lässt ihre Schwiegertochter in
den Wald führen, um dort ermordet zu werden, die Knechte
begnügen sich aber der jungen Kr»nigin die Augen auszu-
stechen, die sie der Alten bringen. Später verkauft die Alte
für gewisse Kostbarkeit^'n an die nicht erkannte Schwieger-
tochter die ausgestocheneu Augen. Solches AViederkaufen
ausgesto(diener Augen kommt in mehreren Mär(;Jien voi-. die
ich zu GonzenI)ach Nr. 84 auf S. 227 zusammengestellt halte.
Vgl. auch noch das eben erwähnte Märchen bei Gradi a. a.
i\ — Nr. 14. Sor Fiorante mago. Vgl. Grimm Xr. SS
und 127 und dazu meine Bemerkung im .Jahrbuch für roman.
Litteratur 7. 2ö() ^ [oben S. 81S ■•^|. — Nr. 15. 1 cagno-
lini. und Nr. K! 11 re di Na[)oli. Vgl. Gonzenbach
Nr. 5. — Nr. 17. 1 tre fratelli und Xr. IS il pescatore.
Vgl. Gonzenbach Nr. 8!) und 40. — Xr. IS hat den sehr
eigentümlichen Schluss, dass der eine verzauberte Bruder
nicht wieder entzaubert wird und der andre Zwillingsbruder
seine Stelle bei [ seiner Gemahlin wirklich und bleibend ein- 1-74
nimmt. — Nr. 11). 1 tre cipressi. Vgl. Gonzenbach Nr.
58. — Xr. 20. La penna del pavone. Vgl. Gonzenl)ach
Nr. 51. — Nr. 21. Ba s t o n er o eh ia. Vgl. Gonzenbach
Nr. 52, wo iu der Anmerkung noch ein von Gradi a. a. 0-
S. ISI mitgeteiltes Märchen zu erwähnen war. — Xr. 22.
Giovanni seuza paura. Vu,l. Grimm Xr. 4 und Gonzen-
348 Zur Märchenfors('hiiiig.
bacli Nr. 57. — >vr. '23. I^a fanciulla e il magu. FAn
nicht gut erhaltenes Märchen, das zum Teil zu den Märchen
von den dankbaren Tieren und von dem Riesen oder Unhold,
dessen Seele oder Lebenskraft an ein verborgenes Ei geknüpft
ist. gehört. S. A. AVesselofsky, Le tradizioni podolari nei
poemi d A. Pucci p. 11 ff. und meine Anmerkung zu Gonzen-
bach Nr. Ki. Zum Schluss des toscanischen Märchens vgl.
Schönwerth ans der Oberpfalz 'J, 219. Wolf Hausmärchen-
S. 3S1. Hahn Nr. 5. — Nr. 24. L" indovinello. Vgl. die
von mir im Jahrbuch für roman. und engl. Litt. 7, 272
[= oben 321] zusammengestellten Märchen. Der zweite Teil
des toscanischen Märchens — Lösung von Aufgaben durch
Hilfe dankbarer Ameisen. Wespen und Fische — gehört
eigentlich nicht in dieses Märchen. — Nr. 22. La prin-
cipessa che non ride. Vgl. Grimm Nr. (14, Meier Märchen
aus Schwaben Nr. 17, Pröhle, Märchen für die Jugend Ni-. 27,
Zingerle. Kinder- und Hausmärchen Nr. 4, Wenzig, West-
slavisclier Märchenschatz S. 59. Grundtvig, (Jamle danske
Minder 2. 200. \V(dfs Zeitschrift für deutsche Mythologie 2,
197. — Nr. 2(i. Se tu fai un miracolo piü hello di
(juesto io ti sposo. Vgl. Grimm Xr. 6 S und ausser den dazu
in der Anmerkung verglichenen noch die von mir in der
Revue celtique 1. 132 [^ oben S. 138] nachgewiesenen Märchen.
— Nr. 27. Pimpi ignudo. Vgl. [Child Rallads 8. 116, Frey,
Gartenges. ed. Bolte 189() no. 1. Djurklou S. 84, Sv. Landsm. 1,
572. 584. ie/.Ttor 2, 150] Simrock. Deutsche Märchen Nr. 1,
1275 Stracker-|jan Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Giden-
burg § 615, n, Asbjörnsen und Moe Nr. 43, Grundtvig 2,
209. — Nr. 28. Mammaciuco. Ein Märchen, das ich zur
Zeit sonst nicht nachzuweisen vermag. — Nr. 29. 11 ladro
(der Meisterdieb). Vgl. dazu meine Bemerkungen im Jahr-
buch für roman. Litt. 7. 138 [oben 307]. In Bezug auf die
List, sich scheinbar aufzuhängen, vgl. meine Bemerkung im
Grient und Occ. 2. 313. -^ Nr. 30 [Oben 210]. 1 due furbi e lo
sc e nid. Vgl. die von mir im Grient und Occ. 2, 486, 3, 350
[(dien 230] und zu Gonzenbach Nr. 70 und 71 zusammenge-
stellten Märchen, denen au<di noch hinzuzufügen ist ein
21. Ueber De (uiliciiiati^, ^^)vc■llille di 8. Stct'aiu.. :^,4;)
Märchen in (üuseppe Morosis in mehrfurlier Ivürksiclit wicli-
tigem AVerke ,.Stii(li sui dialetti gveci della terra (rotrauto.
Preceduto da una raccdlta di canti, leggeiide. pr^verbi e in-
duviuelli uei dialetti iiicdesinii^' (I.ecee ISTO). S. 74. — Nr. ;)1.
Gesu e Pipetta s. (iriimn Nr. Sl und die Aunierkmig dazu,
zu der icli in diesen Anzeigen 186N, 1M77 [oben .')!)] Nachtrage
geliefert habe, denen ich noch Centu Novelle Antiche. ed.
(lualteruzzi, Nr. 75 und Glinski Bajarz polski 'J, •220 hinzu-
füge. Das toscanische Märchen ist gleich dem hierherge-
hörigen italienischen Mär(^hen im Jahrbuch für roman. und
engl. Litt. 7, 87() (Nr. 11) entstellt und hat die Pointe ver-
loren. — Nr. 32. Compar Miseria. Ich verweise dazu auf
meine Besprechung von Fr. Champfleurys Recherches sur les
origines et les variations de la legende du bonhomme Misere,
Paris 1861, im Jahrbucii für roman. Litt. '), 23 [oben 103]
Champfleurys Schriftchen ist mit einigen Verändernngeii und
Verbesserungen, jedoch ohne Berücksichtigung meiner er-
wähnten Besprechung, in seinem neuen interessanten Buch
„Histoire de limagerie populaire," Paris 1869, | S. 10,') — 18<S, 1276
wiederh(dt worden. — Nr. 33. Maestro ProS|)ero. Nicht
eben gute Version des Mär(?hens vom Schmid und vom Teufel.
S. (irimm Nr. 82 und meine Bemerkungen im .lalirlnu-h .").
4 und 7, 12cS [oben <S3. 303]. — Nr. 34. II diavolo e il cou-
tadino. Vgl. Rabelais Gargantua 4, 47, dazu meinen Artikel
im Jahrbuch 3, 33S [= oben S. 77] und Müllenhotf Sagen
S. 278. — 3."). Le donne ne sanno un punto piü del
diavolo. Vgl. die 33. Novelle des Grand Parangon des
Nouvelles de Nicfdas de Troyes (publie d'apres le manuscrit
original par E. Mabille, Paris 1869). [Bolte, Zs. f. vergl.
Littgesch. 7, 457. 11, 71.]
Auf die Einleitung (S. 3 — 15), worin der Verfasser in
den Märchen vedische Sonnen-Mythen sucht und ündet, kann
und mag ich mich nicht näher einlassen. Ich begnüge mich
einige charakteristische Sätze daraus als Probe hier mitzu-
teilen. S. 10: „Un inno del Rigveda (5, 45. 7) dice che la
cagna messagiera Saramä trovo le vacche sulla via del sole:
il sole e adunque auch" esso ncl Rigveda in compaguia delle
;-)50 '^'ii' Märclieiit'orsfhuii"'.
vacclie: uii nitro iniiu (7, 81, 2) ei dice che il sole t'a sor-
gere iusieme le vacclie; abbiamo aduiKjue il garzoue giiar-
(liano tli vacclie della iiostra novellina: anzi pa<^upä8 o pecctraio
lo chiama asplicitameiite im iiino (6, 08, 2)." S. 12: „I.a
Cenerentola, nel fuggire, lascia iiidietro la sua paiitofola, che
la scoprirä; e la solita debolezza e vuliierabilitä delT eroe
come del siio avversario ne' piedi." S. 18: „11 giciviiie sole
e romiiveggeiite. ronnisapieiite, a pii'i riprese, nel Rigveda;
Taurora, a piii riprese, la svegliatrice, la sapiente; (juiudi
la fanciulla della iiovellina che sveglia dal liingo somio il
vago principe; (juiiidi rultinio veiiiito, il piii gioviiie de' tVatelli,
1277 che appare nella iiovellina, come il piii | accorto, il furbo, il
solo che vede, il solo che iudoviiia, il solo valeiite. il solo
che riesce." S. 14: „Prima di essere oniiiveggente, onnisa-
piente, fnrbo, Teroe solare vedico, nella iiotte tenebrosa. e
stato cieco, ossia non veggente, ignorante, sciocco; ed ecco
((uiiidi, come parini, spiegata Torigine dello sciocco presso la
nostra iiovellina popolare: il qnale poi, badisi bene, per lo
piii (' soltanto imo sciocco provvisorio, un tinto sciocco. im
Brut(i {»rimo, che nasconde tiiio ad iiiia buona o(M-asioiie il
sno iiuo accorgimento."'
Ref.. der wenn anch nicht für die Eiiileitimg, nmsomehr
aber für die Sammhmg selbst dem Herrn De-(i. sehr dank-
bar ist, hofl't nnd wünscht, dass derselbe, wie er der erste
Italiener gewesen ist. der eine grössere Anzahl italienischer
Märchen gesammelt nnd herausgegeben hat, so auch ferner-
hin an der Sammlung der Märchen seines Vaterlandes thätigen
Anteil nehmen möge.
22. Das Rätselmärchen von dem ermordeten
Geliebten.
(Kivista di letteratura |)u])olin-e 1, 213 — 221. 1877.)
213 Ein venezianisches Märchen^) hat folgenden Inhalt:
Eine Königin hat si(;h in einen Fürsten verliebt und be-
^) Bernoiü, 'l'radi/.. piip. voüicz., p. .54 — 58.
22. Das Kätst'liiiäiH'lien vuii dein ermordeten OeliebteLi. 551
sticht (lesliall) einen ilirer Diener, dass er üiren (ienialil auf
der dagd erschiesse. Aber der Diener erschiesst aus Versehen
den Fürsten. Die Königin verschaft't sich ins Geheim den
Scliädel. ein Auge und zwei Zähne des Getöteten, und lässt
sich aus dem Schädel einen Becher (una tazza (hi bevar)
machen, (his Auge lässt sie in einen Ring fassen und die
Zähne in die Absätze von Stiefeln setzen. Aus dem Recher
trinkt sie, den Ring steckt sie an ihren Finger, und die
Stiefel zieht sie an. Darauf erklärt sie ihrem Gemahl, sie
könne nicht länger mit ihm leben, und giebt ihm folgendes
Rätsel auf:
„Coli quel clie penso, bevo;
Con quel che vedo, porto*);
Coli quel che magno, sapo."
Wenn der König das Rätsel in acht Tagen nicht lösen kann,
so soll er weggehen und sie bleiben: kann er es lösen, so
will sie gehen. Der König befragt vergeblich viele „maglii" 214
und „stroleghi-', keiner kann das Rätsel lösen. Am letzten
Tag streift er in der Umgegend der Stadt umher und wird
endlich von der Nacht überrascht und nuiss bei einem Land-
mann einkehren. Zum Nachtessen wird ein Huhn aufgetragen,
und die älteste Tochter des Landmanns zerschneidet und ver-
teilt es. Sie giebt dem König den Kopf, ihrem Vater die
Brust, ihrer Mutter die Eingeweide, sich und ihren Brüdern
die Füsse und die Flügel. Auf die Frage ihres Vaters, wes-
halb sie das Huhn so zerteilt habe, antwortet sie: „Parche
el re xe el capo de tuti e el ga tanto da pensar. dnnque
a eh» go da la testa. A ti, che ti ga da lavorar per mante-
gnirne tuti nualtri. t"ö da el peto. parche ti ga bisogno de
peto per sfadigar. A la mama, che la ga da far altri fioi.
go da li interiori e va beu, e a nualtri putei. che no gavemo
che da corer e saltar, ne va ben le zate e le ale." Der König ist
über die Klugheit des Mädchens verwundert und legt ihr so-
fort das Rätsel der Königin vor. Am folgenden Morgen sagt
') Bei Bernoni steht: „Con quel che porto, vedo." Aber der
Sinn und die beiden andern Zeilen verlangen die von mir vorgenommene
Aenderung.
35"2 ^"'' 3Iärfhent'()rs(,'luuig.
sie ilim, es müsse auf eine Frau gehen, die sieh aus dem
Schädel ihres Geliebten einen Becher habe machen, ein Auge
desselben in einen Ring fassen und zwei Zähne in die Ab-
sätze ihrer Stiefel setzen lassen, »letzt verstellt der König
das Rätsel. Er begiebt sich nach Hause und lässt sich von
seiner Gemahlin Becher, Ring nnd Stiefel geben und tiiulet
darin den Schädel, das Auge und die Zähne. Die Königin
wird in einem Fass voll Pech verbrannt, und der König hei-
ratet die Bauerntochter.
Sehr übereinstimmend mit dem venezianischen Märchen
ist eins von der griechischen Insel Milo^). In diesem hat
sich eine Königin in einen schwarzen Diener verliebt, und
als der König dies erfährt, tötet er ihn heimlich und wirft
ihn in eine trockene Cisterne. Die Königin hat dies durch
ein Fernrohr gesehen und holt sich nach einiger Zeit heim-
lich den Kopf des Mohren. Ein Goldschmied muss ihr die
beiden Augen des Mohren in zwei Ringe fassen, die Zähne
in ein Paar goldene Pautoft'eln einsetzen'^) und aus dem
21.3 Schädel einen Beclier machen. Hierauf [ giebt sie dem König
folgendes Rätsel auf:
7« ßcoosTg qooö),
Ta /iiaanet^ 'jraroj,
Nov fioaT(o y.iu .Ti'fd).
'AvTf'ößoij^ T yiry 'y.FTrn\i
D. li. VVcniiit du fliehst, das trage icli,
Womit du kaust, das trete ich,
Den Verstand ^) halte ich und trinlve,
Rate, was ist das?
AVeiin der Kiinig binnen vierzig Tagen das Rätsel löst,
soll er die Königin töten; löst er es aber nicht, so soll er
sein Leben verlieren. Weder der König, noch einer seiner
^) Neos^dyviy.a 'Avä^.ey.ra, I, 29 — 34. [= Misotakis, Grriech. Volks-
luärchen 1882 S. 32.]
■^) Im griechischen Original sagt die Königin zum Groldschmied:
j'ä /^lov HÜjiitjg yal kva CfvyaQi rnoxXaxta /govaä xal yia viaxovri va /loTi
ßdh]g T« (V>vTta. Toaxläxia muss jedenfalls Schuhe oder Pantoffeln be-
deuten, und vraxovri ist vielleicht das italienische taoco.
•'') Nämlicli den Scliädel als Sitz des Verstandes.
'J'J. l)ii> Kät^(_■llllä^(■1lL'll vtm (Kiii rmiordctLMi Geliebten. ;];");-{
llilte (»der lioflente weiss das IJiitsel zu biseii. Am letzten
Tag' reitet der Kr)iiig und einer seiner (irossen aufs Land,
um zu sehen, (d) vielleicht ein Landmann das Rätsel deuten
k("»nne. Am Abeiul kehren sie unerkannt bei einem Land-
mann ein. Kin Huhn wird zum Nachtessen aufgetragen, und
die erwachsene Tücher des Bauern zerlegt es und giebt ihrem
Vafer den Kdpf, der Mutter das eine Bein, sich selbst das
andere, den drei kleinen Geschwistern die Brust und den
beiden fremden (lästen die Flügel. Nachts hört der K(inig,
wie die Tochter ilirem Vater auf dessen Frage, warum sie
das Huhn so zerteilt habe, erklärt, sie habe ihm den Kopf
gegeben, weil er das Haupt des Hauses sei, der Mutter und
sich die Beine, weil sie den ganzen Tag auf den Beinen seien
niul das Haus besorgten, den kleinen Kindern die Brust,
„weil sie den ganzen Tag an uusern Füssen sind" ^), den
Fremden die Flügel, w-eil sie am Morgen wieder fortiliegen
würden. Am Morgen legt der Kr)nig dem klugen Mädchen
das Rätsel der Königin vor, und sie erklärt ihm, es müsse
eine einen geliebt haben, der gestorben sei. und sie müsse
sich aus seinen Augen Ringe, aus seinen Zähnen Pantott'eln
und aus seinem Schädel einen Becher habe ma<'hen lassen,
-letzt verstellt der Kfuiig das Rätsel. Kr reitet mich Hause,
bist vor versammeltem Hof das Rätsel und lässt die Königin
aufhängen. Dann heiratet er die Banerntochter, nachdem j
sie ihm noch eine Probe ihrer Klugheit gegeben hat, die ich 215
liier übergehe.
Wie man sieht, stimmen das venezianische und das
griecliis('he Märchen in allem Wesentlichen überein ; in beiden
werden Schädel, Augen und Zähne des getöteten Geliebten
in derselben Weise verwendet, und die darauf gegründeten
b'ätsel sind fast w'örtlich übereinstimnn^nd; in beiden löst der
K(inig das Rätsel mit Hilfe einer Banerntochter, die vorher
durch eine eigentümliche — allerdings in beiden Märchen
verschiedene — Verteilung eines Huhns ihre Klugheit gezeigt
hat. [In einem Märchen aus den Abrnzzen bei Finamore
^) „yinri f/rf niij '/urxi \-7a jTodäoyta /in~:"' Der ISiiin ist mir nicht
g'anz i<liif.
R. Kühler, Kl. Schriften I. 23
354 '^wr Miirclieiiforschung.
110. 7 teilt der Prinz das Huhn, und die ßauerntucliter er-
klärt die Teilung.]
Die Lösimg des Rätsels mit Hilfe des Bauernraädchens
und die vorhergegangene Verteilung des Huhns ^) findet sich
nun auch in einem dritten parallelen Märchen aus Benevent ^),
in welchem aber die (Irundlage des Rätsels zum Teil eine
andere und die Fassung desselben eine ganz andere ist. In
diesem Märchen hat ein Kouigssohn einen Sklaven, den Ge-
liebten seiner Mutter, getötet, und diese hat sich heimlich
aus dem Schädel des (Jeliebten ein Gefäss ('na ggiarra), aus
den Füssen Leuchter und aus der Brust eine Schüssel ge-
macht, die übrigen (iebeine aber hat sie in ein Kissen gethan.
Dann gieht sie ihrem Sohn folgendes Rätsel auf:
Co ainniure niangio,
Co aniniore dormo,
Co ainiiiore vevo,
Me V(*to attuorno,
E ])iire u veco ■').
Wenn er es binnen 15 T^^gen errät, soll er sie töten;
wenn er es nicht errät, will sie ihn töten. Eines Tages reitet
der Königssdhu mit seinem Diener aus, ein Unwetter über-
217 rascht sie, | und sie kehren in einer elenden Strohhütte ein,
wo ein Alter mit seiner Frau und T()(diter wohnt. Eine
Henne wird aufgetragen uml von der Tochter verteilt, und
') In Tli. Bent'eys Zeitschrift Orient und Ocu. 1, 444 [zu Xasr-Eddin]
und in meiner Annierkuni;' zu L. (ionzenbaeli, Sicilianisclie Märchen,
n. 1 [und Zs. d. N'. f. Vidksk. H, öH], habe ieli niclit wenige P]rzählungen
nachgewiesen, in denen ein Huhn (xUm- ein anderer Vogel in mehr oder
weniger ähnlicher Weise zerlegt und verteilt wird. Ausser den drei
obigen Mäi'cdien kommen jetzt noidi iiinzu ein zweites griechisches
Märchen in den A'K>F/Jj/vixa UräÄFy.ra, 1, 25 — 29, eins aus Barga bei
D. Comparetti, Novell. |)0]). italiane, n. 48, und eins aus Avellino bei
V. Iinl)riani, 'A fata '>*driana, Pomigliano d'Arco, 187.5, }). 4.
-) F. Corazziui, I com])oninienti minori della lett. pop. italiana nei
priiicipali tlialetti, p. 41:52 — 4H5.
') I l^ei De Nino no. H8: ,Per amore io bevo, Per amore io sedo.
Per amore io mi specchio'. Bei Finamon^ no. 7: .^Fer'' e ssede, ^lor
e bbeve, Alze V occh-i-e minore veile'. |
'22. Das Riitseliiiürciheii von dem ("niiordeteu Geliebten. Hi)b
auf die Frage des Köiiig.s.s(dins erklärt die -luiigfrau die Ver-
teilung' folgeiidermasseii: „A paiisa Taggio data a tata, cli'e
11 capo de casa: la scella a u servitore, ca ä da ola": "iia
cos.sa a manniia. e "iia cossa a nie, c'aggio a sta" accosciata
.sottü a ies.sa: ;i porpa a hui, ca site rre." Darauf legt der
Köaig8S()lin ihr das Rätsel vor. und uachdein sie von ihm
erfahren hat. dass er den Sklaven getötet hat, giebt sie ihm
die Lösung. Nach Hanse zurückgekehrt findet der Königs-
sohn das Trinkgefäss, die Leuchter, die Schüssel und das
Kissen mit den (iebeinen. Die Königin wird in die Einsam-
keit geschickt, das Mädchen aber und ihre Eltern nimmt der
Königssolm zu sich.
Sehr nahe diesem Märchen aus Benevent steht ein
tschechisches^) folgenden Inhaltes. Ein Königssohn. der
Bräutigam einer Königstochter, ist von einem andern Königs-
sohn, der ebenfalls um die Königstochter geworben hatte, auf
der Jagd hinterlistig getötet worden. Die Königstochter Hess
sich aus dem Schädel ihres Bräutigams einen Becher, aus den
Knochen seiner Hände vier Leuchter, aus den Füssen Stuhl-
füsse und aus den Haaren einen (iürtel machen. Als dann
der M(ir(ler ihres Bräutigams von neuem um sie warb, er-
widerte sie ihm, sie wolle ihm am folgenden Tage beim
Abendessen ein llätsel aufgeben, und wenn er es bisen könne,
wolle sie ihn lieiraten, wenn er es aber nicht b'ise, solle er
seinen Koi)f verlier(Mi. Das Kätsel lautete:
Auf der Liebe sitze ich.
In die Liebe blicke icli,
^lit der Liebe unigürte ich niicli,
Aus der Liebe trinke icli dir zu'-).
Der Königssohn sagte, er sei ihre Liebe, und weim sie sich
auf seineu Schoss setze, ihn anblicke, sich von ihm umarmen
') G. Krek, Einleitung in die slavische Litteraturgescliiclite, S. 2B5.
'-) Im Original:
Na läsce sedim,
Na läsku hledim,
Läskou se ovijim,
Z läsky ti pripijim.
28*
356 ^ur Märchenfursc'hung.
218 las.^e I und ihn küsse, so sei das Rätsel gelöst. Die Königs-
tochter sagte ihm darauf die wahre Ijösiuig und liess ihn
köpfen.
Ein mit dem Rätsel dieses tschechischen Märchens nach
Fassung und Inhalt sehr übereinstimmendes Rätsel wird ur-
spriiuglicli wahrscheinlich auch in dem Märchen vorgekommen
sein, welches T. Gradi in la Vigilia di Pasqua di Ceppo ^)
erzählt. Der Beginn dieses Märchens ist dem des beneven-
taner ähnlich: eine verwitwete Ktinigin liebte den Sohn eines
Stallknechts, „soprannomato il Giudeo", und ihr Stiefsohn
tötet ihn auf der -lagd. Sie lässt sich aus seinem Schädel
eine Trinkschale, aus den Beinen, den Armen und den andern
grössern Knochen einen Sessel, aus den kleinern Knochen
einen Spiegelrahmen machen, und verlangt von dem Stief-
sohn bei Todesstrafe, dass er errate, woraus Trinkschale,
Sessel und Spiegelrahmen gemacht seien. Der Königssohn
entflieht und erfährt erst nach vers(;hiedenen Erlebnissen
durch „il grau indovinatore" die Lösung. Wahrscheinlich hat
ursprünglich in diesem Märchen die Königin nicht die ein-
fache Frage gestellt, woraus Schale, Sessel und Spiegelrahmen
gemacht seien, sondern ein wirkliches Rätsel gegeben, welches
etwa lautete:
Aus der Liebe trinke ich,
Avxf der Liebe spitze icb,
In die Liebe sehe ieli.
Ich habe nun noch ein sicilianisches Märchen aus
Palermo anzuführen, welches (!. Pitre'-) mitgeteilt hat. Es
lautet: „(k-era "na vota un re e "na rigina. Stu re e sta
rigina avianu un jardiiiu. Ea rigina sciniiia nua stu jardinu
e si facia Pamuri c" un scliiavu. Eu re, ch" "un era di 11
locchi, si nn" adduuau, e In fici ammazzari. Figuräraunni a
idda quannu si vitti ammazzari st" amanti! 'ün arriggiu cchiü.
Chi fa? Di tuttu lu so c(»r|)u, la peddi. si uni furniau an
1) S. 8—20.
-) Nuovo saggio di tiabe e nov. pop. sicil. (Kstratto daUa Kiv. di
fil. roni. voL I) Imola, 1873, n. IX „Lu re tureu".
22. Das Rätsclinärcheu von iIlmii eniiordeton Cxeliebteii. ;-}57
librii pi leggiri. rdcchiu specchiu pi vicüii. lossa "na seggia, la
testa IUI biccheri pi viviri. E ogiii joriiu facia im repitu e dicia:
Aiuuri morsi e la me cariii cheju ^),
Üra ch' Aimiri morsi, io raddisiu ;
Ainuri fici 'na seggia, e nii cci seju,
Clin lazziteddu d'oru mi strinciu.
Anniri lici 'na littra, e io la leju;
L' ot'clii (dii su' du' spei'clii nii eci aniniin;
Quannu 'im pozzu fari aiitni pejii l>ejii,
Vivn nt' Aniuri e stu cori sazziii.
Dieselben Verse hatte (1. Pitre iu seinen Cauti pop. sieil.-),
ans Marsala^) gegeben mit folgender sie erklärender Tra-
dition: „Reca la tradizione ehe in Costantinopoli nna donna
siciliana avesse perdnto la vita. Lo amante schiavo, non
sapendo come innnortalarne la memoria, a sfogar limmenso
sno dolore fece ridnrre a pergamena la pelle di lei. e vi
scrisse i propri peusieri ed affetti. (ili (lechi cnro e con-
servö come lucidi specchi, gli stinchi e le ossa delle braecia
ridusse a seggiola, i eapelli a laccetto, del cranio feee un
bieehiere."
Die palermitaner Traditio]! ist offenbar die bessere, aber
anch sie ist entstellt: sicherlich wird nrsprünglich die K()nigin
die Verse nicht als „repitn^' gesagt, sondern als Rätsel anf-
gegeben halien.
Dies sind die mir bekannten Versionen des Märchens,
welches man das Rätselmärchen von dem ermordeten Geliebten
betiteln kann. Was die den Rätseln zn Grnnde liegende
heimliche Verwendung gewisser Teile des Ermordeten betrift't,
so kommt nur die Verwendung des Schädels zu einem Trink-
gefäss in allen vor, und gerade diese Verwendung, die einer
alten, weit verbreiteten Sitte entspricht'^), wird gewiss schon
in der ältesten Fassung des Märchens vorgekommen sein. |
') I. e, aborrisoo.
'-) Yol. I, n. 407, n. .ö80.
=>) Die Folge der Verse i.st hier 1, 2, 5, fi, 'd, 4, 7, 8. V. 4 lautet
in dieser Fassung: Mi fici un lazziteddu e nii strinciu.
*) Man vergl. über die Sitte, aus den Schädeln erlegter Feinde
oder gestorbener Angehörigen Trinkgefässe zu machen, Jacob Crrimm,
358 ^ur Märohenfur^cliuug.
220 Zum Seliluss will ich uoeli zwei Rätselmärcheii auführeu,
die mit dem tschechischen und dem beneveutaiier und den
sicilianischen Versen eine gewisse Aehnlichkeit haben.
In einem niederdeutschen Rätselmärclien ^) spricht
eine Witwe auf dem Sarge ihres Mannes folgende Worte, die
als Rätsel aufgegeben werden:
D. h.:
Op Leef seet ek, Auf Liebe sitze ich,
Op Leef eet elv, Auf Liebe esse ich,
Un Leef lüclit mi, Und Liebe hält mich aufrecht.
Un lickes gvu mi. Und doch g-raut mir.
Nach einem englischen Rätselmärchen ■'^) soll eine zum
Tod verurteilte Frau begnadigt werden, wenn sie den Richtern
ein Rätsel aufgiebt, welches sie nicht lösen können. Sie giebt
nun folgendes auf:
Love I ^it, I see Love.
Love I stand, Love *ees not me.
Love I hold Riddle nie that,
Fast in band. Or hang'ed I '11 be.
Auf Liebe sitz' ich, Ich sehe Liebe,
Auf Liebe steh' ich, Liebe sieht mich nicht.
Liebe halte icli Errate mir das,
Fest in der Hand. Oder ich will gehängt werden.
Geschichte der deutschen Sprache, Bd. I, Leipzig, 1848, 8. 142 ff.; E. L.
Kuchholz, Deutscher Glaube und Brauch, Bd. I, Berlin, 1867, S. 227 ff.^
Krek, a. a. O., S. 2(i6 ff.; R. Andree, Ethnographische Parallelen und
Vergleiche, Stuttgart, 1878, S. 133 ff. — [In einem schottischen
Spruche bei R. Chambers, Populär Rhymes of Scotland * p. 328 = p. 108
ed. 1870 und bei W. Gregor, Notes on the Folk-lore of the North-East
of Scotland 1881 p. 82 ist nicht der Geliebte, sondern die Frau er-
mordet: ,1 sat wi' niy love, and I drank wi' my love, And my love
she gave me light ; TU give any man a ])int o'wine, That '11 read my
riddle right !' Die Auflösung lautet: ,1 sat in a chair made of my
mistress's bones, drank out of her skull, and was lighted by a candle
made of the substance of her body.']
') K. Simrock, Das deutsche llätselbuch, 2. Sammlung, No. 232.
22. Das Kätselmärrlicn von (U'iii ermordeten Gelieliteii. 25!)
Sie hatte näiiilicli eiueii Hund, der Love (Liebe) hiess,
getütet und aus seiner Haut sich eine Decke über ihren Stuhl,
Schuhsohlen und Handschuhe gemacht.
Dasselbe Kätsehnärchen kommt auch in Deutschland
mehrfach vor. aber der Hund heisst hier nicht Liebe, son-
dern hat irgend einen nichts ])edeutenden Namen, und aus
seiner Haut werden nur Schuhe gemacht. So heisst er in
dem Märchen bei H. Frohle^) Lilla, und das Rätsel, welches
ein zum Tod verur- teiltes Mädchen aufgiebt, lautet: 221
Auf Lilla geh ieh,
Auf Lilla steh ieh,
Auf Lilla hau ich meine Zuversicht.
Nun ratet, ihr Herrn, was das wohl ist.
Bei K. Müllen hoff'-) lautet das Rätsel, welches hier eine
Frau den Richtern aufgiebt, um ihren zum Tode verurteilten
Mann zu retten:
Auf llo geh ich,
Auf llo stell ich,
Auf llo komm' ich herangerannt,
IIo ist mir wohlbekannt,
Auf Ho kehr' und wend' ich mich,
Auf llo hab' ich Freud und Leid.
Ratet, ihr Herren, nun ist es Zeit.
llo heisst der Hund auch in dem Rätsel bei L. Strackerjan ^),
wo aber nicht erzählt wird, dass ein Verurteilter es aufgiebt:
Auf Ho geh ich.
Auf Ho steh ich,
Auf Ho verdien' ich all mein Geld.
Wer das kann raten, wer das kann denken,
Dem will ich ein Glas mit Wein schenken.
[VgL Ehlers, Schleswig-Holsteensch Kätselbok 1S65 no. 75, Wossidlo,
Mecklenburg. Yolksiiberlieferungen 1, 198 no. 9B3, dazu Ö. ::521.]
^) W. Henderson, Xotes on the Folk Lore of the Northern Counties
of England and the Borders, with an Appendix on Household Stories
by S. Baring-Gould, S. .318.
^) Märchen für die Jugend, Nr. 48.
-) Sagen, Märchen und Lieder der Herzogtümer Schleswig, Holstein
und Lauenburg S. 504.
■'') Aberglaube und Sagen aus <lem Herzogtum Oldenburg 2, 89.
3ßO ^111' Märclienforschun^^.
Endlieh ist iiüch ein Rätsel auziiführeii, welches A. Peter ^)
mitteilt.
Aiif Isop gell ich,
Auf Isop stell ich,
Isop trag' ich auf nieineu Häudeu.
Wei' das errät, deui will ich nieiuen Kiug schenkeu.
Auflösung: Schulie und Handschuhe verfertigt aus dem Felle
eines Hundes, welcher Isop hiess.
23. Zu Finamore, Tradizioni popolari
abruzzesi.
(Litteraturbhitt für german. und nmiaii. i'liilologie 1SS2, 320—822.)
Tradizioni popolari al)ruzzesi. raccolte da (1. Fiiuimore. Vol. 1.
Novelle (Parte prima). Lanciaud, ti})ogratia di K. Carahba.
lSS-_>. XL -248 S. s.
230 Der bereits durch sein sowohl für die Italien. Dialekt-
kunde, als für die Kunde des Volkslebens und der Volks-
ttberlieferungen wichtiges ,Vocabolario dell" uso abruzzese'
(Lanciano 1880) rühmlichst bekannte Verf. bietet uns in
diesem 1. Bande der .Tradizioni popolari abruzzesi' 52 Mär-
*) Vulkstüniliches aus Oesterreichisch-Schlesien 1, 12t). [Ferner
vgl. Ehlers no. 73. 353, Bartsch 1, 510, Niederd. Korresp.-Blatt 8, 23
(Up Uplak gän ik), Knoop, Ys. aus Hinterpommern 8. 87, Engelien 1,
208, Am ürdsbrunnen 2, 37. 172. 198. 243, Paudler, Xordböhm. Volks-
lieder S. 36 (Auf Berlin geh ich); Feilberg, Faelleskab p. 266, Kamp,
D. F. no. 2 (Skjöntanker jeg gaaer); besonders aber Wossidio 1. 321 zu
no. 962. In eigentümlicherweise ist das Rätsel benutzt in einem 1804 ent-
standenen Gedichte von F. Kind ,Die beiden Windspiele' (Gedichte
1808 S. 39 =2. Aufl. 1817 1,107). Hier erbaut das Edelfräulein Jucunde,
das den Freier der Hochmut in den Krieg geschickt hat, zu Venedig ein
Hospital und legt den aus dem heiligen Lande heimkehrenden Pilgern
ein Rätsel vor, das sich auf Konrads beide Rüden Liebe und Treue
bezieht, deren Felle sie stets an Arm und Brust trägt.]
28. ^''inaiiiurt.', Tntdizidiii ]>()])(ilari abruzzt'si. •)(;]
(;lieii aus Crtona u iiiare, l.aiiciaiio. S. Vito Cliietiuu, S. Eu-
saiiio (lel SaiiiiTo, Casoli, Gessopaleiia, Roccascalegua. Hovrello.
Villa 8a. Maria. Civitaluparella und Paleua. Von diesen
Märchen hat er die Mehrzahl seihst aufgezeichnet und zwar
meist aus dem Munde vdii dvs Tresens unkundigen Frauen,
die sie wiederum von ihren Müttern oder Grossmüttern ge-
hiirt hatten. Bis auf 13, welche in italienischer Sprache
wiedergegeben sind, sind alle übrigen Märchen in der Mund-
art der Erzähler aufgezeichnet, und sie liefern somit aucii
für die Dialektkunde willkommenes Material. Sie sind in
der oben angegebenen Reihenfolge der Orte zusammengestellt,
und den so gebildeten (iruppen gehen kürzere oder längere
Notizen voraus über die (lescliichte der Orte, über die Mund-
art. ül)er die F^rzähler und Erzählerinnen^). In jedem mund-
artlichen Märchen sind unter dem Text einzelne Wörter und
F<u'men ül)ersetzt oder erklärt, leider sind aber gar manche
W(irter, die auch im ,Vocabolario- fehlen, und manche keines-
wegs leicjit erkennbare mundartliche Umgestaltungen sonst
bekannter W(irter nicht übersetzt und erklärt, während da-
gegen manche an sich und ans dem Zusammenhang leicht
verständliche W(irter und Fiu'inen unnötiger AVeise berück-
sichtigt sind. Am Schlüsse der meisten ^lärchen sind kurze
Verweisungen auf andere italienische Märchen, die im Ganzen
oder in Einzelheiten L'ebereinstimmuug bieten, beigefügt. Der
Verf. sagt selbst (S. 10), dass er dazu nur einige ilim zu-
gängliche Sammlungen (.aicune raccolte che ho avuto tra
man<c) benutzt habe, und so lassen sich denn aus von ihm
nicht verglichenen Sammlungen italienischer Märchen manche
Nachträge liefern, wozu auch noch einzelne aus den ver-
glichenen, aber ni(dit ganz ausgenutzten kommen. Soweit
es der beschränkte Raum dieses Blattes gestattet, will Ref.
') S. 74 giebt F. die Titel von 50 Märehon, die ihm 5 Individuen
in S. Eusanio del Sangro hätten diktieren können, und S. 140 die von
15, die ilini von einer SOjährigen Frau in Gessopalena — ausser den
sechs mitgeteilten — diktiert worden sind, die er aber leider zurück-
behalten hat.
3(52 ^11'' Märc'henfürsrluuig-.
ZU eiuiseii Mävclieu die Nachträge oder sonstigen Ik-mer-
kimgen, die er zu machen liat, mitteilen.
Nr. 5. I^a fävele de lu serpende. Vgl. Straparula 4,
1 und dazu Liebrechts und Benfeys Aufsätze im Orient und
Occident 1, 3-1:1 tt"., sowie ferner Luzel. Second rapport sur
une mission en Basse Bretagne S. 1H4 f. und Cinquieme
rapport S. IS ff. — Nr. 10. La fävele de lu scarafnn-
gjielle (d. h. das M. vom kleinen Mistkäfer). Vgl. Basdes
Pentamerone 3, 5, womit ich im Jahrb. f. rom. Lit. 5, 15 [oben !>4J
ein gascognisches M. zusammengestellt habe. — Nr. 17. La
fävele de la tignusjielle (d. \\. das Märchen vom kleinen
Grindkopf). Vgl. das von mir im -lahrb. <s, 253 [oben 330]
mitgeteilte M. aus Sora im Neapolitanischen. — Nr. 21. La
serpucce. Vgl. auch Pentamer. 2, 2; Bernoni, Fiabe e no-
velle i)op. veneziane no. IT: Schneller. Märchen und Sagen
ans AVälschtirol no. 21; Busk. Tlu' Folk-iore of Home S. 57. —
Nr. 24. Frangeschjielle. Vgl. Straparola 1, 2 und De
Gubernatis, Novelline di S. Stefano di ('alcinaia no. 29.
Andere nicht ital. Parallelen s. in meiner Amn. zu einem
Südslavischen M. im Archiv für slav. Philol. 1, 2S3 und in
E. Cosquins Anm. zu seinen Contes populaires lorrains no. 70
(Romania 10, 1()2). — Nr. 25. Quacquaröne. Vgl. Schneller
S. 173 no. 3. — Nr. 2(5. La scartozze de sale. Vgl.
Pitre no. 10, Comparetti no. (iL Busk S. 403, Coronedi-Berti
110. 3, Bernoni no. 14. Die meisten dieser italieniscdien M.
habe ich bereits in meiner Anm. zu Blade, Contes p(q). rec.
en Agenais S. 152 zusammengestellt. — Nr. 28. La störije
de In pazze. Vgl. die alte französiche Farce vom Advo-
katen Pathelin, die bekanntlich auch in andern Literaturen,
z. B. von Reuchlin lateinisch, nachgebildet worden ist, und
Sebillot, Litterature orale de la Haute -Bretagne S. 138. —
Nr. 31. La storije de la Bbella Vijende. Vgl. ein
römisches M. bei Miss Busk S. 40(5. Beide sind abzuleiten
aus der berühmten uml in viele Sprachen übersetzten alten
französischen ,Histoire du Chevalier Paris et de la belle
Vieiine'. Sie ist in Italien verbreitet worden nicht allein
durch eine seit 1482 bis ins 17. .lahrh. öfters gedruckte
2'6. Fiiuuiiure, Tradizioni populari ahruzzesi. lM)-\
Pro.saübersetzuug. soiuleni auch durcli zwei im l(i., bezüglich
im 17. riahrh. verfasste Bearbeitungen in Ottaven von Mario
Telnccini, genannt il Bernia, und von Angeb» Albani aus
Orvieto, genannt il Pastor Poeta. deren letztere bis in die
allerneueste Zeit als Volksbuch gedruckt worden ist. Ich
kann hier nicht weiter auf das Verhältnis der beiden M. zu
ihrer Quelle eingehen und will nur bemerken, dass das abruz-
zesische M. ihr viel näher steht — wie es ja auch den Namen
Vieuna ( Vienne) beibehalten hat — als das römische, in dem
die Fabel viel mehr verändert, zum Teil entstellt ist. — Nr. H3.
Le fatte de disopre (d. h. 1 fatti d'Esopo). Drei Schwanke,
die der dem Maximus Planudes beigelegten, in viele Spraclien,
auch in die italienische, übersetzten Lebensbeschreibung des
Aesop entstammen. Vgl. in A. Eberhards Ausgabe des
Biog AiocojTov (Fabulae romanenses graece conscriptae, Vol. 1)
Cap. 12 und 17. — Nr. H4. Le fatte de sam Bjietre.
H kleine Geschichten von S. Petrus und dem Heiland. Zu
zweien hat der Hrsg. auf sicilianische M. verwiesen. Die
'S. besonders sinnige ist in einer andalusischeii Fassung von
Fr. Rodriguez Marin in der Sevillaer Zeitschrift ,La Fnciclo-
pedia- 18S0. S. 728 mitgeteilt worden. — Nr. HO. La si'ire
de In cunde. Vgl. auch ein von A. Gianandrea gesammeltes
M. in den von (\ (iargiolli zu den .Nozze Imbriani-Rosnati'
herausgegebenen , Novelline e Canti popolari delle Marche',
Fano 1878, S. 7, no. L — Nr. 88. Lu fatte deP üocchie'-n-
frönde. Neue interessante Version der Polyphemsage. Vgl.
Kr. Nyrops kleine vortreffliche Schrift , Sagnet om Odysseus
og P(dyphenr, Köbenliavn 18S1 [Nordisk Tidskrift f(U- Filo-
logi N. R. 5J, über welche F. Liebrecht in diesem Blatt 18,S2,
Nr. 1 berichtet hat. — Nr. 42. Lamore nen dure. Vgl.
Grimm KHM no. Kl, zu welchem M. eine wirkliche Parallele
nicht bekannt war. Verwandt ist eine russische Sage, s. F.
Liebrecht, Zur Volkskunde, S. 41 f. und 880. — Nr. 44. Le
fatte de le jjuumbri' (d. i. I fatti del gomitolo). Vgl.
Pitre no. 12!), zu welchem M. ich auch verschiedene nicht
italienische Parallelen anführen könnte. — Nr. 41). Ju mela-
granate. Vgl. auch Gonzenbach no. 20.
364 ^^11' ^räi'client'orscliung-.
Den folgenden Bänden der ,Tradizioni popolari abrnzzesi',
welche den '2. Teil der , Novelle' und dann iLeggende popolari
in verso', ,Canti' und ,Proverl)i' bringen sollen, sehen wir er-
wartungsvoll entgegen und wünschen daher, dass es Herrn F.
vergönnt sein möge, sie recht bald erscheinen zu lassen.
24. Riscontri alla fiaba rovignese El Poüliso
e '1 Padüeio.
(Giambiittista Ba-;ile 1, 621). 1SS3.)
In Nr. 5 hat Antonio Ive zu der von ihm mitgeteilten
fiaba rovignese El Poüliso e "1 Padüeio auf andere Märchen
hingewiesen, die jedoch fast sämtlich nur in der Form, nicht
im liduilt ähnlich sind. Wirkliche Parallelen der fiaba rovig-
nese sind die folgenden :
D. (t. Bernoni, Tradizioni popolari veneziane p, 81.
Antonio Tlianandrea, Novelline e habe popolari mar-
chigane No. 2.
Vittorio Imbriani, 12 Conti pomiglianesi p. 244 no. 11;
250 und 252 (varianti leccesi): 271 (Variante milanese; letztere
auch Novellaja fior. p. 552).
Gherardo Nerucci, Cincelle da bambini no. 8.
Giovanni Papanti, Novelline livornesi no. 4.
Giuseppe Pitre, Fiabe, novelle e racconti popolari sici-
liani no. i;}4.
F. Caballero, Cnentos, oraciones, adivinas y refranes
populäres e infantiles p. Jl.
Ein von F. Maspons y Labrös in der Bareelouaer
Zeitschrift: Lo (iay Saber 1S78, 15. Januar mitgeteiltes
Märchen. " .
A. Coelho, Contos po])ulares portuguezes no. 1.
E. Cosqin, Contes populalres lorrains no. 18 und 74.
Melusine Vol. 1, p. 124 (conte du Pays niessin).
24. Kl l'oiili-(, r '\ l'adiicid. ;^(;5
l'. Sebillot, Coiitcs popiilaircs de la Haute- Bretagne
110. CO.
Sel)illni . I.a litteratiire orale de la Haute-Hretague p. "io'i.
[Blade. Contes popidaires de la Gascogue 8. -I'A') iki. 1
,Le rat et la rate-.]
J. -G. von Halm, (iriecliisclie und albanisclie Märchen
no. 56.
M. Kremnitz, Kuinäni.sclie Märchen No. 15 (ans der
rnmänischen Suminlnng von F. M. Arsenie übersetzt).
Brüder Griniin. Kinder- und Hausinärchen no. 30.
P. Chr. Asbjiirnsen, Xorske Folke-Eventyr. ny Säm-
ling no. 103.
Alle diese Märchen sind nur verschiedene Versionen eines
und desselben Märchens, dessen Inhalt ist; ein Tier (Laus,
Floh, Maus, Ratte, Hahn) oder eine salsiccia oder ein ausser-
ordentlich kleines Kind fällt in einen Kochtopf (pentola) oder
in einen Kessel (caldaja) und kommt darin um. Seine Frau
oder Mutter oder Eltern oder sein Hausgenosse klagt und
weint darüber, und verschiedene belel)te und unbelebte Wesen
und Gegenstände, z. B. Thür, Fenster, Baum, Vogel, Brunnen,
Magd, die davon Kunde erhalten, geben in eigentümlicher
Weise ihr Mitgefühl zu erkennen.
25. Neohellenika Analekta 1, 1—2.
(Göttingische gelehrte Anzeigen 1871, 1401 — 1410.)
NFoelhjvixa " Avdkexra neQioöixMg mdfÖoi^icvd vtio to? I4i)l
fPiloloyixov 2!idk6yov 'Uagvaooov sjTioTaoia jm'TaiieÄovg ejit-
roojxrjg. Tofiog A.' lAjrgtXiog 1870. (pv/MlÖtor A. — "lovviog
1S70. fpiOdddiov B.' j 'Ev 'Aßtp'aig, ev rto ygaqjeko top 2.'rl-
Aoyov. /38, 'Oöog T6/(ß)]g, 3<S./ 1870. 8". 12S Seiten.
Die philologische (iesellschaft Parnassos in Athen hat
im danuar 1870 eine K(nnmission für Sammluii"' und Ver-
yy(')(\ Zur ^lärolieiit'iirscliung'.
(iffeiitlicliiiiig iieugriecliisclier Sitten iiiul l)räuclie. Märclieii,
Spricli\v(irter, Rätsel, Lieder und iiiuiidai'tliclier (llossare u.
dgl. erwählt. Als erste Frucht der eifrigen Thätigkeit dieser
Kommission, welche aus den Herren F. 1. Pliermpos, N. G.
Politis, S. P. Lampros. I. Abras und K. Sakkellaropulos be-
steht, haben wir die Zeitsclirift "^ XeotXbjviy.a WvdAry.ia zu
begrüssen.
Das erste Heft enthält elf Volksmärchen (()i]f(oj()ii
TTaodfivDiu). Bevor ich aber auf diese näher eingehe, halte
ich es nicht für übertliissig, bei dieser Gelegenheit erst ein-
1402 mal alle bisher ] veröffentlichten neugriechischen Volks-
märchen, die mir bekannt geworden sind, zu verzeichnen.
Es sind:
1. Zwei in der Zeitschrift ,Das Ausland', Jahrgang 1(S32,
Nr. .)S. S. -ioO, uml Nr. 61. S. 242, V(m Dr. Zuccarini in
deutscher Sprache auszugsweise mitgeteilte Märchen, nämlich
eins von Zjaxrojrorrd. d. i. Aschenbrödel (Variante zu Hahn
no. 2 und Sakelhirios no. 2) und eins von einem armen
H(dzhaner und einer (hinkbaren Schlange, der Tochter der
Schlangeidvönigin. Mit letzterem vgl. man das Suaheli-
Märchen .P)lessing uv Property in Steeres von mir im vorigen
Jahrgang dieser Anzeigen (Stück 42) besprochener Samm-
lung, wo der vertriebenen Königin ganz ebenso von einer
dankbaren Schlange gelohnt wird (S. 403 — 407). In letzterem
Märchen rät die Sclilange ilirer W(ddtliäterin, sich von dem
Vater der Schlange beim Abschied (h'ssen Ring, der ein
Wunschring ist, auszul)itten : im grie<-hischen .Alär<-hen ver-
langt die Schlange selbst von ihrer MuttiM' einen Wunschring
als Belohnung für iliren Wohlthäter.
2. Das von Fmlwig Hoss in den Blättei'n für iitterarische
Unteriialtuug 1885, Nr. 10 — 12. einem Einwohner der Insel
Psara nacherzählte Märchen , Georg und die Störche', wieder-
gedruckt in den von O. Jahn herausgegebenen ,Erinnerungen
und Mitteilungen aus (iriechenland v(ni L. Ross', Berlin l>>(\?),
S. 281 — 29S. Dieses Märchen, in welchem auch vorkommt,
dass der Held sich aus dem Schloss eines blinden Drachen
in derselben Weise wie Odysseus aus der Höhle des Polyphem
25. Neoliellciiika Aiialckta 1. ;-^(J7
rettet, herulit auf dem weitverbreiteten (üauheii. dass die
Stiirclie eine ferne Heimat halten, wo sie als Menselien le- beii. 140^
(iei'vasius v(m Tilbury (Otia imperialia H, 7:1 vgl. dazu Lieb-
reclits Anmerkung S. 157 f.) sagt von dem Volke der Equino-
cepliali: Hi liomines certis temporibus in (•i('(mias transfor-
mantur et apud nos (piotannis foetum faciunt. In den
Kvangiles des <i)ueu(»uilles, mtuvelle ed., Paris 1850, S. *,)H,
lieisst es: de vous dy pour certain que le cygoignes, (pii en
Teste se tiennent en ce pays et eu yver s"en retnurnent eu
leur pays, (|ui est entour le mont de Syuay, sout par delä
creatures coninie mius. Die Litauer sagen, man dürfe einem
Stnrcli nichts zu Leide thun, denn er sei anderwärts ein
Mensch (v. l'ettau und Temme, Die V(dkssagen Ostpreussens,
Lithauens und Westpreussens S. 285). Aus dem griecliischen
Altertum ist durch Aelian De natura animaliuni 8, 2H fol-
gendes überliefert: " A?,eiavSgog 6 Mvrdiog qijotr, tc7)v jTe/jioycov
Toi'c: äiia jitd'joayTag, (hav f/'c yy/gag dci iy.(i)VT(Li, jregiel&ovTag
(irTorg <hg rag ' i^xtarhiöag njoarg äj^ieijifiv tu f(())j eig ävdgomoi^
u()g(j ij)', y.(u Fvoeßeidg yc rT/g Fig Tohg yFivaf.ifrovg ät^Aov tovto
Jayi-ir.
8. Das von K. K \v 1 a m p i o s in seinem Buche •' O
'A/((/.gai'Tog i'jtoi tu. g6()a riig (irayn'rijßFinijg ' E/Jj'iÖog (St. Peters-
burg 1843), S. 7() — 1M4 neugriechisch und russisch mitgeteilte
Märchen T' aßäraTi) ri-gö (Das Unsterblichkeitswasser). Ewlani-
pios hat das Märchen im »fahre 1828 auf einer Fahrt von
Psara nach Audros ans (h^n .Munde eines Mannes, den seine
Reisegefährten y.rgn- 'AiiäganF nannten, aufgezeiclinet. Dieses
Märchen erzählt, wie ein K(inigssohn auszieht, um für seinen
kraidven Vater das Unsterblichkeitswasser zu holen, welches
sich am Ende der AVeit hinter zwei hohen Bergen befindet,
die nacli Art der Symplegaden immer auseinander-|gehen und 1^04
wieder zusammenstossen ^). Unterwegs tritft der Königssohn
ein schönes Mädchen, welchem die Mören (fj Moigaig) in der
^) In mehreren griechiseUen Märchen bei v. Hahn (s. das Sach-
register unter Wasser) befindet sich das Wasser des Lebens in einem sich
rasch öifnenden und schliessenden Berg, ebenso bei SakeUarios no. 8.
Vgl. auch AVenzig Westslaw. Märchenschatz S. 14S.
368 -^iii' ilinH'lienforscliung'.
dritten Xarlit nach seiner <ieburt die Kigeiiscliafteu, Rosen
zu lachen und Pei'Ien zu weinen, und einen unglückabwenden-
den Ring verlieln^n hatten. Der K(iuigssnhn und das Mädchen
verlieben sich in einander, und mit Hilfe ihres Riuges gelingt
es ilim, das Wasser zu Inden.
4. Drei .Alärclieu. welche .1. A. Huchon in seinem IJuch
,La (irece coutinentale et la Moree. Voyage, sej(Uir et etudes
hist()ri(|ues en 1S40 et 1S41% Paris 1843, in französischer
Sprache mitteilt [:= Legrand, Cnntes pop. grecs 1881 p. 133.
145. 161]. Er verdankt sie der Priuzessin Sebastitza Sutzo.
Das erste Märchen ,R()dia' (S. '263 — "267) |ül)ers. von Adolf
PxJtticher in der Deutsclien Rundschau, 7. dahrg. Heft 10.
Juli ISSl. S. 129—33, Misotakis 1.SS3 S. 64. Legraml. Coutes
p. lo3j, gehört zu den V(ui mir in der Anmerkung zu Gonzen-
bacli Nr. 2 [Zs. d. V. für Volksk. 6, 60] zusammengestellten
Märeheu, uml ich hätte es in dieser Anmerkung mit auf-
geführt, wenn es mir damals schon bekannt gewesen wäre.
Man füge auch noch De-Gubernatis Le Novelline di S. Stefano
Nr. 12 hinzu. Der in mehreren der Märchen vorkommende
antwortende Spiegel ist in unserm griechischen Märchen, in
einem der ungedruckten griechischen Märchen, wehdie Herr
Dr. lieruhard Schmidt (in dena) gesammelt hat uml veröffent-
lichen wird [1(S77 no. 17], uiul im albanesischen (Hahn
Nr. 103) durch die Sonne ersetzt. Zu dem letzten Teil des
Märchens von der schönen Rodia (Rodia durch eine Zauber-
uadel in einen Vogel verwandelt, eine ihrer Schwestern j
i-t05 nimmt ihre Stelle als Königin ein. u. s. w.) vgl. mehrere der
V(ni mir zu (iouzeid)ach Nr. 13 zusauimengestellten Märchen,
nämlich das sicilianische selbst, das rumänische, das pienmn-
tesische, das wälschtiroler, das deutsche aus 'Invd, das cata-
lanisclu^ und — am meisten abweichend — das des Peuta-
merone. — Mit dem zweiten Märchen ,Le Dracophage-
(S. 267—273) [= Misotakis S. 152] vgl. Hahn Nr. 25 [z.
Teil anders no. 52] und die and(M'n von mir zu (ionzenl»acli
Nr. 2!) [Zs. (L V. f. Y(dksk. 6, 70, Schiefner, Awar. Texte
uo. 4]. zusammengestellten Märchen. — Das dritte Märchen
.Le petit rouget sorcier- (S. 274 — 2(S0) [= Misotakis
25. Neohellenika Aiialektü 1. 3g9
S. 140] ist eine Ver.sion des Märchens von dem zersclmitteneu
Fisch und den Zwillingsbrüdern, über welches man meine
Nachweise zu Gonzenbach Nr. 39 und 40 nachsehe, zu denen
noch De-(üibernatis Nr. 17 und 18 zu fügen sind. Bemerkt
sei nocli, dass in dem ersten Märchen Nykteris, die Göttin
der Nacht, vorkommt, und in dem zweiten ein weibliches
Wesen, ,qui gouverne le jour et la nuit, en tenant dans ses
mains deux pelütons. Tun blanc et lautre noir qn'elle devide
successivement ä mesure qn'elle veut produire l'obscnrite ou
la lumiere'. Vgl. Hahn Nr. 52.
5. Das vom Grafen Lontsi aus Zakynthos in der Zeit-
schrift für dentsche Mythologie und Sittenkunde, Bd. 4, Heft 3
(Göttingen 1859), S. 320 — 324, in deutscher Sprache mit-
geteilte Märchen ans Zakynthos ,Die Gitroneujungfrau-. Vgl.
meine Anmerkung zu (ionzenbach Nr. 13.
6. Die bekannte reiche Sammlung J. G. v. Hahns.
Leider ist dem am 23. September 1S69 zu Jena viel zu früh
verstorbenen Manne nicht mehr vergönnt gewesen, auch die
griecliisclieu Texte der Märchen, wie er beabsichtigte, selbst
herausgegeben, es steht aber, | wie ich aus bester Quelle uos
weiss, deren Herausgabe durch eine berufene Hand in Aus-
sicht. [Pio, NeoekXrjvixä jxnQajiv&ia, Kopenhagen 1879; vgl.
G. Meyer, Neugriechische Studien 1, 43 (SB. der Wiener
Akademie 130, 4. 1894).]
7. Die vier Märchen, welche K. Simrock als , Anhang'
zu seinen , Deutschen Märchen' (Stnttgart 1864), S. 358 — 373,
unter der Ueberschrift .Neugriechische Märchen von Kalliopi'
in deutscher Sprache mitgeteilt hat. Kalliopi ist, wie mir
Simrock auf meine Anfrage freundlichst geschrieben, der
Name der Erzählerin, nicht aber ein Ortsname, wie ich in
meiner Anmerkung zu Gonzenbach Nr. 13 leichtsinnig an-
genommen. Kalliopi war aus Argos gebürtig und im Jahre
1846 in einer englischen Familie in Neapel Kiuderwärterin.
Superintendent Wolter in Bonn, damals Hauslehrer in jener
Familie, hat die Märcheji aus Kalliopis Munde aufgezeichnet.
Es sind folgende Märchen: 1. Das Töpfchen. Vgl. Hahn
Nr. 34, Vernaleken Nr. 17, Petermanns Mitteilungen 1856,
R. Köhler , Kl. Schriften. I. 24
370 2ur 3Iärchenforschiing.
S. 4()7 (Akwapim-Märclieu), Dietrich Nr. 8, Meier Nr. 22,
Zingerle 2, 56, Grimm Irische Elfenm. S. 42, Nr. 9 und die
zu Gonzeubach Nr. 52 von mir zusammengestellten Märchen,
wozu noch zu fügen T. Gradi Saggio di letture varie per i
giovani, Toriuo 1865, p. 181 und De-Gubernatis Nr. 21. —
2. Der närrische Knecht. Vgl. Hahn Nr. 34, besonders die
Variante aus Kukuli, und Schott Nr. 22. — 3. Die drei
goldenen Aepfel. S. meine Anm. zu Gonzeubach Nr. 13. —
4. Die heilige Paraskeue. Man s. auch Liebrechts Anmer-
kungen zu diesen vier Märchen im Orient und Occident 3,
378 f.
8. Acht Märchen aus Kypros, mitgeteilt von Athanasios
Sakellarios in seinem Werke ,Tä Kimgiaxd. ^To^uoq rgirog.
'H h Kimgo) ylCoooa, Athen 1868, S. 136—173 [2. Aufl. 1891],
1407 von F. Liebrecht im Jahrbuch für romanische und | englische
Litteratur 11, S. 345 — 385 ins Deutsche übersetzt und mit
kurzen vergleichenden Anmerkungen versehen. Das dritte
der Märchen (Der Vater und die drei Töchter) hat D. Com-
paretti italienisch übersetzt und erläutert in A. D'Anconas
Ausgabe von ,La Leggeuda di Vergogna e la Leggenda di
Giudas P^.dogna 1869, S. 116 ff.
9. Fünf Märchen, in Original und in italienischer Ueber-
setzung. in Giuseppe Morosis ,Studi sui dialetti greci della
Terra dOtranto', Lecce 1870, S. 73 — 76. Nr. 1 ist eine Vari-
ante zu der i)ekannten Anekdote von der Frau, die für den
Tyrannen Dionysius betet. Siehe meine Nachweise in diesen
Blättern 18()9, S. 766. — Nr. 2: ein Märchen von Ameise
und Maus. [Maspons ,Rondall.' 1, no. 13.] — Nr. 3: Märchen von
Trianniscia. Vgl. die von mir im Orient und Occident 2, 486 ft".,
3, 350 [(»ben 230] und zu Gonzeubach Nr. 70, 71 zusammen ge-
stellten Märchen, denen noch De-Gubernatis Nr. 30 und
Radioff, Proben der Volkslitteratur der türkischen Stämme Süd-
Sibiriens 1, 302 und 3, 332 hinzuzufügen. — Nr. 4: Variante
des bekannten Märchens von dem Manne und der Schlange
oder von dem Undank der Welt. Siehe meine Nachweise
zu Gonzeubach Nr. (59. |Vgl. unten S. 412 no. 6.] — Nr. 5: un-
bedeutendes kurzes Märchen von Ziege, Fuchs, Wolf und Igel.
25. Neohelleiüka Aiutlekta 1. 871
Dies sind die, mir hekaunt gewordenen, vor dem
Erscheinen der NeoeAAijviy.a ^AvnAty.rd veröffentlichten neu-
griechischen Märchen.
Wenden wir nns nun zu den Märchen der 'Avähxra.
Sechs derselben sind von A. M. Tatarakis aufgezeichnet, und
zwar fünf von der Insel Melos, eins ohne Ortsangabe; drei
aus dem Pehtponnes von N. G. Politis, die drei übrigen von
G. Ch. B., L. A. Belissarios und | Sp. P. Lampros ohne Orts- uos
angäbe. Den einzehien Märchen sind unter dem Texte hie
und da Wiu'terklärungen, und am Ende der einzelnen einige
vergleichende Bemerkungen beigefügt, die jedoch fast nur in
Hinweisen auf Buchon, Hahn und Sakellarios bestehen. P]s
sind folgende Märchen:
Nr. 1. Tfjg xaTO) yfjg 6 äcphn^ig [= Legrand, Contes pop.
grecs 1881 p. 1]. Der erste Teil dieses Märchens ist eine
Variante zu Hahn Nr. 73 (siehe dazu meine Anm. zu Gonzen-
hacli Nr. 23); mit dem zweiten Teil (die Heldin in Männer-
tracht im Dienst eines Königs, dessen Gemahlin sich in sie
verliebt und abgewiesen sie verklagt u. s. w.), vgl. Pentame-
rone 4, 6, Gonzenbacb Nr. 9 und das Märchen 'Belle-belle
ou le Chevalier fortune' der (irätin d' Aulnoy, über welches
Benfey im Ausland 185(S. S. 1039 ff. nachzusehen ist. —
Nr. 2. Ol (^(hÖFxa firjvFc;. [= Legrand p. 11 = Misotakis,
Ausgewählte griechische Volksmärchen 1S(S3, S. 109]. Vgl.
Pentamer. 5, 2 [Bolte, Archiv f. neu. Sprachen 9s, 82. Vgl.
auch Simrock S. 35S, no. 1, insofern hier Winter und Sommer
für gut erklärt werden]. — Nr. 3. 'O nqh'Tjjg 6 TgtooQcTyyag.
(Herr Dreiweinbeere). [= Legraud p. 15 := Misotakis S. 37].
lune Variante des Märchens von dem gestiefelten Kater,
dessen verschiedene Fassungen ich zu Gonzenbach Nr. 65 zu-
s'ammengestellt habe, wozu seitdem auch noch eine in Steeres
Swahili-Tales S. 13 (Sultan Darai) gekommen ist. In der
griechischen, wie in andern spielt ein Fuchs, nicht eine Katze,
die Hauptrolle. Herr Dreiweinbeere heisst der Schützling
des Fuchses, weil er nichts als einen Weinstock besass, der
alle Jahre nur eine Traube mit drei Beeren trug. So nennt
im sicilianischen Märchen der Fuchs seinen Schützling von
24*
372 Zur Märchenforschung.
dem Birnbaum, den er besitzt, 'Conte Piro'. — Nr. 4. "H
TCiTCivawa. [=: I.egrand p. 77]. Vgl. die von mir zu Gonzen-
bach Nr. 5 zusammengestellten Märchen, denen auch noch
De-Gubernatis Nr. IG hinzuzufügen ist [Schiefner. Awar. Texte
no. 12, Jagic no. 52]. — Nr. 5. Td xoQaxionxd. (Die Ge-
heimsprache). [= Legrand p. 21 = Misotakis S. 95]. Vgl.
1409 Sakellarios | Nr. 4 und Gonzenbach Nr. 1. [Zs. d. V. für
Volksk. 6, 59, Legrand, Contes p. 21, Georgeakis p. 101].
Zu letzterem vgl. jetzt auch noch das Rätsel bei Pitre, Canti
popolari siciliani 2, Nr. 847, welches Liebrecht vor kurzem
in diesen Blättern (S. (359) mitgeteilt hat. — Nr. 6. "H
ßaoiXiooa xal 6 ägdjitjg. (Die Königin und der Mohr). [= [We-
grand p. 29]. In diesem Märchen kehren zwei Bestandteile
von Nr. 5 — die Zerteilung des Huhns durch die kluge
Bauerntochter und die Sendung des Königs an sie — fast
ganz wieder, sind aber noch mit einem andern Rätselmärcheu
verknüpft. Wie hier die Königin die Augen ihres von ihrem
Gemahl getöteten Buhleu in Ringe fassen, seine Zähne in
Schuhe einsetzen und aus seinem Schädel ein Trinkgefäss
machen lässt und dann dem König ein auf diese Umstände
gegründetes Rätsel aufgiebt, so lässt in einem italienischen
Märchen (Temistocle Gradi, La Vigilia di Pasqua di Ceppo,
Torino 1870, S. 11) eine Königin aus dem Schädel ihres von
ihrem Stiefsohn erschlagenen Geliebten ein Trinkgefäss und
aus den andern Knochen einen Sessel und einen Spiegel-
rahmen machen und giebt dann dem Stiefsohn zu erraten
auf, woraus diese Gegenstände gemacht seien [oben S. 350:
Das Rätselmärchen von dem ermordeten Geliebten]. — Nr. 7.
'H ßaodoTiovXa xal 6 roomunjc:. (Die Königstochter und der
Hirt). [= Legrand p. 89]. Ein Hirt erwirbt die Hand einer
Königstochter dadurch, dass er ihr ein oder eigentlich zwei
Rätsel aufgiebt. die sie nicht lösen kann. Vgl. die von mir
im Jalirbuch für ronian. f.itt. 7, 272 [oben 321] mit dem
venezianischen Märchen Nr. 15 zusammengestellten Märchen
und De-Gubernatis Nr. 24. [Zu dem Rätsel des Ungeborenen
vgl. Legrand, G. pop. grecs p. 50, Andrews, Romania 10, 244,
Archivio 1, 188, Comparetti no. 49, Wossidlo 1, no. 980]. —
25. Neohellenika Analekta 1. 373
Nr. 8. Tu. airiyfiaTa. [= I^egraud p. 47]. Ein Rätselinürchen,
dem die bekannte, von Plinius H. N. 7, 36, Solinns 1, 124
(mit Berufung auf Solin im Libro de los enxemplos 102),
Festus p. 209 pietati, Valerius Maximus 5, 4, rom. 7, ext. 1,
Hyginus Fab. 254 und Nonnus Dionys. 2(), | 101 — 142 er- uio
zählte Geschichte von der Tochter, die ihren Vater oder
ihre Mutter im Gefängnis sängt nnd so vor dem Hungertod
bewahrt, zu Grunde liegt. Ein ebenfalls anf dieser Geschichte
beruhendes Rätsel in dem deutschen Volksbuch , Neuver-
mehrtes Rath- Büchlein' lautet: , Durch Seulen gesogen, ist
Herren betrogen, dess Tochter ich war, dess Mutter bin ich
worden, ich hab meiner Mutter einen schönen Mann erzogen.
Antwort: Es war ein Gefangener, so Hungers sterben sollte,
den säugte seine Tochter durch ein Loch einer Seulen, nnd
ernährte ihn'. Auch im griechischen Märchen reicht die
Tochter dem Vater durch ein Loch der Gefängniswand die
Brust. LVgl. Legrand p. XI, (ieorgeakis p. 108, Pitre, No-
velline no. 5, Vigo p. 5S5, no. 4083, Busk p. 322, Bernoni,
Indov. no. 63, Corazzini ]>. 414: ,La bona fia', Archivio 1, 4G8,
Giamb. Basile 4. 23 no. 33, Archivio 3, 73: ,La bona fia',
AVossidlo 1, 214 no. 9(58, Kamp, D. F. no. 850, Sv. Lands-
mälen 2, 8, 17 no. ^1)6, Henderson, Folk-lore of the northern
('ounties of England p. 339, Wolf, Niederl. Sagen no. 529
,Der Mammelocker', Wiedemann, Aus dem Leben der Ehsten
S. 279, Oesterley zu Gesta Rom. c. 215 , Mutter stillen',
Köhler zu Girart von Rossillon, Jahrb. f. roman. Litt. 14, 25,
.laques de Vitry c. 238, H. Sachs ed. Goetze 23, 470. 587,
Konrad v. Ammenhausen, Schachzabelbuch ed. Vetter V,
8423—8564, Zs. f. d. Altert. 13, 495, Th. Agrippa d'Anbigne,
Les Tragiques 1616 = ed. Laianne 1857 p. 17, Bild in
E. Mechlers Catechismus 1561 Bl. Kija]. Noch bemerke ich,
dass in dem Märchen S. 42, Z. 6 v. n. rov ävÖga Tyjg fidvag
f(ov zu lesen ist, nicht t6 jxaidl Tf]g fidvag juov. — Nr. 9. '//
jT6(jTai<; Tcor i.iey(lXo)v. [= Legrand p. 53 = Misotakis S. 62].
Unbedeutendes lehrhaftes Geschichtchen. — Nr. 10. T6
::Ta(jaf(i'ß( jov oTrarov. (Das Märchen vom Bartlosen). [= Le-
grand p. 57]. Variaute zu Hahn Nr. 37, über welches M.
374 Zur Märcheiifortschung.
mau meiue ßemerkiingeu in Pfeiffers Germama 11, 398 ff. [zu
Tristan und Isolde] nachsehe. [Unten zu Meyer, Alban. M.
no. 13]. — Nr. 11. 'O yvtog t;]^- yJ]Qa>;. Variante zu Hahn
Nr. 15 und 54, Vgl. auch Gonzenbaeh Nr. 6 und meiue
Anmerk. dazu. Das sicilianische Märehen steht unserem in
einigen Punkten uäher als die bei Hahn. [Beim Farzen eiueu
Sohn gebären: Pio p. 162, Basile, Peiitameroue 2, 3, Coraz-
zini p. 424, Irabriaui, Conti pomigl. p. 22. 50, Melusine 1, 41.]
Wir wenden uns nun zu dem zweiten Heft, welches
Volkslieder enthält. Vorausgeschickt ist von N. G. Politis
ein Verzeichnis von bisher erschieuenen besonderen Samm-
lungen neugriechischer Volkslieder und von Bücheru und
Zeitschriften, in denen einzelne veröffentlicht worden sind.
Der Verf. selbst betrachtet dies Verzeichnis nur als ein vor-
läufiges und stellt für eine spätere Gelegenheit ein vollstän-
1411 digeres | und genaueres in Aussicht. Die Lieder sind, teils
,öÄo)g ävexdora , teils 'dia(pegovTa nno rö)v dedijjuooiei'juevü)}' tv
dtcKfogoig ovÄAoyalg . p]s sind Sl au der Zahl, und zwar
"AouaTa y./,£(f'Tixd Nr. 1 — 7, Imooiy.ä Nr. S — 10, ÖojyijuuTiy.d
Nr. 11 — 32, igoniy.d y.ai lov yooov Nr. 33 — 62, doreia Nr. 63 — ßS,
fwoo/jjyia Nr. 69 — Sl. Den Liedern sind gelegentlich einzelne
Worterklärungen und Bemerkungen, besonders Verweise auf
bereits veröffentlichte Varianten der Lieder beigefügt. Zu
Nr. 38 wäre auf Passow Nr. 58S und ebenso zu Nr. 66 auf
Passow Nr. 623a zu verweisen, und so mag vielleicht noch
hie und da ein derartiger Nachweis nachzutragen sein. Es
findet sich viel Schr<nes und Interessantes in den hier ver-
öffentlichten Liedern. Ich beschränke mich aber darauf, nur
eins der interessantesten hervorzuheben. Es ist Nr. 16 (von
der Insel Melos), in welchem erzählt wird, wie Mawjanos
(Mavyiarck) vor dem König seine Schwester ihrer Schönheit
und ihrer Sittenstrenge wegen rühmt. Der König wettet,
er werde sie doch verführen, und er setzt seine Krone gegen
Mawjanos K(([)f ein. Mawjanos Schwester gewährt dem König
scheinbar eine Nacht, aber eine treue Dienerin nimmt dabei
ihre Stelle ein. Nachdem die Magd dem Kr)uig zu Willen
gewesen ist, schneidet er ihr den Huger mit dem Ring und
25. Neolielleiiika Analekta 1. ;^,75
eine Haarflechte ab, und bringt diese dem Mawjauos als
Wahrzeichen, dass er seine Schwester verführt habe. Aber
die Schwester erweist durch ihre unversehrten Hände und
Haarflechten, dass der König die Wette verloren hat. — Die-
selbe Geschichte ist noch in zwei andern neugriechischen
Liedern behandelt, nämlich in einem von J. L. S. Bartholdy
in seinen Bruchstücken zur nähern i Kenntnis des heutigen 1412
Griechenlands, Berlin 18U5, 1, 404 — -140, leider nicht im
Original, sondern nur in metrischer Uebersetzung mitgeteilten
Liede, welches er von einem alten Fischermeister am Nord-
gestade des Meerbusens von Arta hatte singen hören, und
in einem zuerst von Zampelios und dann aus dessen Samm-
lung von Passow Nr. 474 und von Th. Kind in seiner Antho-
logie neugr. Volkslieder S. 50 verött'entlichten. [Jf/r/or 1, 551.
3, 845, Legrand, Chansons no. 136, Jeanuarakis no. 294,
Köhler, Littbl. f. germau. u. roman. Phil. 1883, -iTO (Rochs,
Veilchenroman) und Zs. d. V. f. Volksk. 6, Gl zu Gonzen-
bach no. 7]. In ersterem heisst der Bruder Mawrogeni
(Schwarzbart), in letzterem Mawrianos (Mavgiarog). Die drei
Lieder verhalten sich der Art zu einander, dass die Lieder
Bartholdys und Zampelios' in einigen Versen, bald mehr,
bald weniger wörtlich, übereinstimmen, das Lied Bartholdys
aber auch mehrfach mit unserm melischen übereinstimmt. —
Bartholdys Lied Hess Jacob Grimm in den Altdeutschen
Wäldern 2, 181 ^'. wieder abdrucken als Paralelle zu dem
von ihm zuerst herausgegebenen altdeutschen Gedichte Rup-
rechts von Würzburg .Von zwein Kaufmannen' (Altdeutsche
Wälder 1, 35 ft'., v(ni der Hagen (iesamtabenteuer Nr. 68)
und zu einer von ilim mit diesem Gedichte verglichenen alt-
wallisischen Erzählung. Letztere Erzählung, die Grimm aus
Edw. Jones Relics of the welsh Bards, 2, 19. 20, im Auszug
mitteilte, liegt jetzt in vollständiger Uebersetzung aus den
Mahinogion der Lady Charlotte Guest vor im Anhang der
von San-Marte herausgegebeneu Uebersetzung vdu Tliomas
Stephens' Geschichte der wälschen Litteratiir vom 12. bis
zum 14. Jalirliundert, Halle 1864, S. 532 ft'. Von der Hagen
(Gesamtabenteuer. Bd. 3. S. XCIV f.) vergleicht noch Jacob
376 ■^^i' Märchenforschiing.
Ayrers ,Comedia vou zweien fürstlichen Räteu, die alle beede
1413 umb eines Gewetts willen umb ein Weib bulten | und aber
an derselben Statt mit zweien unterschiedlichen Mägden be-
trogen worden'. — Aber auch eine einzelne Stelle unseres
melischen Liedes giebt Anlass zu einer vergleichenden Be-
merkung. Es heisst von der Schwester des Mawjanos, als
sie hört, dass der König die Wette gewonnen zu haben sich
rühmt :
xai \ujiaivei xi hToXiL,ovvTav TgeTg juegnig xal rgelg vi'xraig,
ßdvei tÖv fjho jtqoomjto xn\ to rftyyaQi OT)jßi],
xai Tov xoodxov to q^Tegö ßdi'i-i xafinQcxpQvÖi.
[JfMor 3, 34(i.]
Bartholdy hat vielleicht ganz dieselben Verse vor sich
gehabt und nur in seiner freien Uebersetzung die drei Tage
und Nächte weggelassen:
Sie wechselt eilig das Gewand, schmückt bräutlicli ihren Leib,
Ihr Antlitz glänzt wie Sonnenpracht, ihr Busen wie der Mond,
Wie Rabenfedern wölben sich ums Aug die hohen Braun.
Die drei Verse finden sich nun ebenso in einem andern
Liede unserer Sammlung (S. lOG, in Nr. 44, ebenfalls aus
Melos) :
' Efißrjxe XI eoJOAiQovTav rgnc; ' fiigag xcu rgelg vv^raig,
ßdrfi Tor vjho jtqooojjto xnl to cpeyyaQi on'jd)],
xai TOV xoodxov to fpTeQO ßdvFi xafiaQoqgvÖi.
Und die zwei letzten Verse finden sich auch noch in
andern Liedern. In Liedern nämlich, mit welchen die Knaben
am S. Basilios- oder Neujahrstag und am ersten Mai, in den
Nachbarhäusern Geschenke heischend, herumziehen, wird die
Hausherrin unter anderem auch also angesungen (Passow
Nr. 295, V. 14—16 und 310, V. 23—25, vgl. auch Nr. 294,
V. 24—27) : |
1414 Kvgn ii ovTng ixivi]ntg, yd ,-7ac nTijv txxhjnia,
ßdvetg TOV iJAto jtqÖocüjto xal to q^eyyaqi OTtph],
xal TOV xogdxov to (fTego ßdvfig xa/tagoqgvdi
(auch : yanayocfgvöi).
25. Neolielleniku Aiialekta 1. ;-]77
Und in einem erzählenden Liede (Passow Nr. 438, V. 24.
25) will eine Frenndin die andere anffordern, sich recht schön
zu machen, und thut dit\s mit tlen Worten:
Bah Tor fjÄior jtqoocotto)' xai to qeyyaQi OTFidog,
xn) Tov xoQflxov To cpTEQOv ßäX^ ya'tTai'oqQvdi.
Die drei Verse unseres Liedes von Mawjanos gehören
also zu jenen typischen Versen, die, ursprünglich natürlich
für ein bestimmtes Lied gedichtet, in verschiedenen Liedern,
nicht immer passend, angewendet werden. So passt in
unser Lied der Vers
xal " fijiairpi xi ^OToXH^owrav rgelg fjfugatg xal rgelg vvj^Taic;
eigentlich durchaus nicht, da die Schwester keine Zeit zu
verlieren hat, um ihren Bruder zu retten, wie denn auch in
dem von Zampelios veröffentlichten [Jede nichts von dieser
Zögerung vorkommt. — AAas endlich noch den Vers
'Bdvei TOV fjho ttqoocojto xai to cpeyydgi OT)']&t]^
insbesondere betrifft, so vergleiche man die Worte eines
römischen Ritornells, welche ein Liebender an seine Geliebte
richtet (Römisclie Ritornelle. (iesammelt und herausgegeben
von C. Blessig, Leipzig 1860, S. 8):
Porti la luiia in petto, il sole in fronte —
u]nl folgeiule, eine sclnine Jungfrau schildernde Verse der
finnischen Kalewala (Rune 10, V. 89 ff. der Uebersetzung
von A. Schiefner) :
Von den Scliläfen strahlet Mondlieht,
Von den Brüsten Licht der Sonne,
Von den Hehnltern Lieht des Bären,
Von dem Rüeken sieben Sterne.
[Vgl. Schreck, Finnische Märchen S. 25. 83. Sii. 88. 102.
106. Am Ur-Quell 1, S. 57. 60. Prato, Zs. d. V. f. Volksk. 6, 24.]
Und hiermit scheiden wir mit vielem Danke und mit 14^5
den besten Wünschen für ihren weiteren Fortgang von den
NeoeXlrjvixä 'AvdXexTa. Es sind einige fernere Hefte bereits
erschienen, uns aber noch nicht zu Gesicht gekommen.
378 Zur Mäichenforscliung.
26. Bernhard Schmidt, Griechische Märchen.
Griechische Märchen, Sagen und Volkslieder.
Gesammelt, übersetzt und erläutert von Bernhard Schmidt.
Leipzig, B. G. Teubner 1877. [111], L^sa, [2] S. s». Mk. 6.
(Jenaer Litteraturzeitung 1878, 30') — 807.)
305 In diesem, vom Verfasser schon im ersten Teile seines
Werkes ,Das Volksleben der Neugriechen und das hellenische
Altertum' (Leipzig LS7L) versprochenen Buch erhalten wir
25 Märchen, 14 Sagen und 70 Lieder, letztere sowohl in
griechischer Sprache als auch in deutscher üebersetzung im
Versmass der Originale, die Märchen und Sagen nur in
Üebersetzung. Weitaus die meisten Märchen und Sagen hat
der Verfasser auf der Insel Zakynthos von einem am Aus-
gang des Knabenalters stehenden Zakynthier sich erzählen
lassen und griechisch niedergeschrieben, die übrigen sind ihm
aus Steiri im alten Phokerland, aus dem parnasischen Aräch!)ba,
aus Kallipolis imd Lesbos von griechischen Freunden mit-
geteilt worden. Die Lieder — es sind 17 Myrologien im
engeren Sinne, d. h. eigentliche Totenklagen, 22 Lieder von
Charos und der Unterwelt, 4 Hochzeitslieder, 16 Liebeslieder
und 11 Lieder verschiedenen Inhalts, und sie sind bald von
grösserem Umfange, bald von geringerem und geringstem
(2 Zeilen) — hat er auf den Inseln Zakynthos, Kephalonia
und Ithaka grösstenteils unmittelbar aus dem Munde des
Volkes niedergeschrieben, nur einen kleinen Teil erhielt er
durch schriftliche Mitteilung.
Der Verfasser hat S. 5 der Vorrede sich in für mich
schmeichelhafter Weise darauf berufen, dass ich. da mir die
Märchen und Sagen von ihm im Manuskript vorgelegt worden
waren, sie sämtlich als der Veröffentlichung wert bezeichnete,
und dasselbe glaube ich jetzt auch von sämtlichen Liedern
sagen zu dürfen. Aber der Wert des Buches liegt nicht
allein in den Märchen, Sagen und Liedern selbst, sondern
auch in der inhaltreichen , Vorrede' (S, 1 — 62) und den ge-
haltvollen .Anmerkungen' (S. 221 — 83). Erstere enthält
2(;. Soliiiiidt, Uriecliisohe Märohen. 379
ausser Mitteilungen über die Entstehung" der Sammlung und
über die Gesichtspunkte und (Irundsätze, nach welchen der
Verfasser als Sammler, Herausgeber und Uebersetzer ver-
fahren ist, zuvörderst reiche Nachweise über die bisherigen
Veröffentlichungen von neugriechischen Märchen, woran sich
Krörterungen über das Verhältnis der heutigen griechischen
Märchen zu der alten griechischen Mythologie und darüber,
dass schon im Altertum Volksmärchen vorhanden waren,
schliessen. Sehr richtig führt der Verfasser aus, dass die-
jenigen neugriechischen Märchen, in welchen nur einzelne
Züge altgriechischer Mythen, die auf den Verlauf der Er-
zählung keinen wesentlichen Einfluss haben, vorkommen,
keineswegs aus dem hellenischen Altertum zu stammen
brauchen, sondern jüngere und eingewanderte Erzählungen
sein können, in welche aber ältere im Volke noch fortlebende
p]rin:ierungen eingedrungen sind, während es allerdings auch
neugriechische Märchen giebt, welche eine altgriechische
Mythe geradezu zur rirundlage haben, also als Märchen alt-
griechischer Herkunft anzusehen sind. iVIärclien letzter Art
sind freilich bisher nur sehr wenige nachgewiesen, so iu
unserer Sammlung Nr. 4 ,Der König mit den Bocksediren',
eine Umgestaltung der Mythe von König Midas und seinem
Barbier, und Nr. 28 ,Die siebenköpfige Schlange', eine Um-
gestaltung der Mythe von Theseus und ^'om Minotauros. —
Besonders wertvoll sind sodann S. 20 — 48 der Vorrede, auf
welclien der Verfasser alles dasjenige, was er an neu-
griechischen Volkssagen in der ihm zugänglichen Litteratur
vorgefunden und notiert hat, in einem allgemeinen Ceber-
blick zusammengestellt hat, wobei jedoch alle diejenigen aus-
geschlossen sind, welche bereits im ersten Teile des , Volks-
lebens der Neugriechen' mitgeteilt oder erwähnt sind oder
im 2. Teil angeführt werden sollen, und ausserdem diejenigen,
welche mit Sagen der vorliegenden Sammlung verwandt
sind und daher in d<Mi Anmerkungen zu diesen ihre Stelle
gefunden hai)en.
Den Schluss der Vorrede l)ilden zwei Antikritiken; die
erste längere (S. 4(5 — (il) ist gegen C. AVachsmuths Anzeige
380 '^iii' Märchenforschung.
des 1. Teils des , Volkslebens der Neilgriechen' in den Göt-
tingiselien gelehrten Anzeigen v. J. 1872, St. 7, die andere
(S. 61 f.) gegen A. Dörings Anzeige im Philologischen Anzeiger
6, 510 — 14, gericlitet. Letztere hätte nach meiner Ansicht
t'üglicli ganz unberücksiclitigt bleiben, erstere aber in einem
etwas minder gereiztem Tone beantwortet werden können. —
Wenden wir uns nun zu den , Anmerkungen' (S. 221 — 83),
so hat der Verfasser in den zu den Märchen und zu den
Sagen ausser sonstigen Erläuterungen die anderwärts ver-
öfl'entlichten griechisclien Märchen und Sagen sehr sorgfältig
verglichen, in einzelnen Fällen auch ilim bekannte Märchen
anderer Völker berücksichtigt und öfters auf meine Anmer-
kungen zu L. Gonzenbachs sicilianischen Märchen verwiesen.
Dm Anmerkungen zu (ten I^ied^rn aber enthalten neben
sachlichen Erläuterungen und Vergleicliungen mit andern
griechischen Liedern besonders auch viele selir dankenswerte
sprachliche Erklärungen. — Möge es mir nun vergönnt sein,
einige Einzelheiten lietreffende Anmerkungen hier beizufügen.
Das S. 3 erwähnte vortrefflich erzählte TIuQafivdi Tfjq
306 ' AXovjtovg yjird Tijr ylwooar Tdiy iratdiojv besitze | ich in der
"ExÖooig 7T£jiijTTf]. "Ev^Adyvaig, ix rov rvjToyQa(f€(ov'EQjuov 1872',
und habe es im Archiv für slavische Philologie 1, 279 [unten
S. 41-3 no. (')] erwähnt. — Zu S. 7, Anm. 1 bemerke ich, dass
das griechische Märclien Nr. K! in der Hahnschen Sammlung
mit der ,Histoire de Rei)sinKr in den von Petis de la Croix
unter dem Titel ,Les müh' et un jours' übersetzten per-
sischen Erzählungen fast durclivveg so sehr übereinstimmt,
dass ein enger Zusammenhang zwischen beiden Erzählungen
unbedingt anzunehmen :ist. — Zu der S. 24. Anm. 1, be-
sprochenen griechischen Sage von dem März, der vom
Februar einen Tag borgt, linden sich Parallelen in Sicilien,
Spanien, Frankreich, der romanischen Schw<'iz, Irland, Schott-
land und England. Aber nur in Griechenland borgt der
März vom Februar, anderwärts borgen der Februar vom
März und der März vom April, und nicht blos einen Tag
sondern drei. Man sehe Paul Meyers Aufsatz ,Les jours
demprunt' in der Romania 3, 294 — 97, H. Vaschalde, Nos
26. Schmidt, (ri-iccliisclie Märchen. 381
peres. Proverbes et iiiaxinies [)o[)ulaire,s du Vivarais, Mont-
pellier 1S75, ]). 23, (I. Pitre, II giorno clei morti e le stvenne
(lei fanciiilli in Sieilia, p. 17 [Pitre Prov. sie. '^, 40. 4, 847.
Tirab(»sehi, Prov. bergam. p. 98. Ortoli p. 1. Coelho, Revista
(rethuol. Caballero p. 116. Syllogos in Konstantinopel 1874/75,
p. 348 b. Denbam, Proverbs 1846 p. 37 (Percy Soc. 20, 3).
Grant, Janiieson (bei Hampson). Romania 13, 170. 18, 107.
26, 98. Melusine 7, 169. 255. Zs. f. rom. Phil. 13, 330. (UX).
Zs. f. Volksk. 1, 23. 2, 81. Sauve p. 107], R. Chambers,
Populär Rhymes of Seotland, Edinburg 1870, p. 368, Notes
and <^ueries, 4. Series 10, 523; 5. Ser. 6, 18 [7. Ser. 6, 186.
309]. — Die S. 26 erzählte Sage aus Hydra erinnert an das
Grimmsche Märchen Nr. 78 und an die oft erzählte Geschichte
von der halben Decke (vergl. Von der Hagen, Gesammt-
Abenteuer, Bd. 2, S. LVff., und H. Oesterleys Nachweise in
seiner Ausgabe von J. Paulis Schimpf und Ernst, zu
Cap. 436). Zu dem ebendaselbst erwähnten ]walachiscben
Märchen verweise ich auf meinen Aufsatz ,Eine rfimische
Sage' in J. ^X. Wolfs Zeitschrift für deutsche Mytliologie
und Sittenkunde] 2, 110 — 13, wo ich das walachische Mär-
chen mit Festus p. 334 ed. 0. Müller, Pseudo-Callisthenes 2,
39 — 40 und einer Erzählung des Bischofs Ratherins zusammen-
gestellt habe. Man vergl. auch A. Mnssafia in den Sitzungs-
berichten der phil.-histor. Klasse der Wiener Akademie, 64,
606, und H. Oesterley in seiner Ausgabe des D(dopathos des
Johannes de Alta Silva, S. XX. [Jaques de Vitry ,Exempla
ed. Crane no. 288.] — Wie in der S. 32 angeführten Sage
aus Akarnanien die Zauberin Kultschina ihre Schuhe ver-
kehjrt anlegt, um ihre Verfolger zu täuschen', so lässt aus
demselben Grunde in einer von A. Schiefner mitgeteilten
indischen Erzählung ein Jüngling sich Schuhe mit zur Ferse
gekehrten 'Spitzen machen (Melanges asiatiques 8, 168).
In vielen deutschen Sagen (s. A. Kuhn, Sagen, Märchen und
Gebräuche aus Westfalen, 1, 77, Anmerkung zu Nr. 67), und
in einer ossetischen (s. A. Schiefuer in den Melanges asiati-
ques 5, 683) [Veckenstedt S. 16, Nr. 52 (vgl. S. 31, Nr. 97).
Bartsch 1, 305. 314. 318. 329. 442] werden von Verfolgten
|-{,S2 Zur Märchenforsohung.
den Pferden die Hufeisen verkehrt angesehlagen. — Wenn
nach den S. 38 angeführten Liedern Digenis stirl)t, weil er
einen Hirsch getötet hat, der auf dem Geweih ein Kreuz,
auf dem Kopf einen Stern und zwischen den Schultern die
Panagia hatte, st» erinnert dies an dentche Sagen vom wilden
Jäger, der auf einen ein Kruzifix zwischen dem Geweih
tragenden Hirsch geschossen hat. S. A. Knhn in der Zeit-
schrift für deutsche Philologie 1, 90 f. und 94. — Zu S. 42f.
bemerke ich, dass Vittorio Imbriani iu der Zeitsclirift 11 Pro-
pugnatore, Vol. 7. parte 1, p. 385, aus dem in Deutschland
jedenfalls seltenen, lH-21 zuerst erschienenen ,ltinerario da
Napoli a Lecce' von (iiuseppe Ceva-(irimaldi eine ins Ita-
lienische übersetzte Tdtenklage aus den griechischen Kolo-
nieen von Capo di Leuco mitgeteilt. S. 43 verweist der Verf.
auf die Myrologien in .Lelekas ArijjoTixi] ^AvDoXoyia, Athen
1852, S. 35'. Mir liegt eine, wie es scheint, sehr erweiterte
Ausgabe vor: zlijfWTixi] ' Av&oXoyia vrro MijaijA ^. Ae2.exo^<.
'Er ^Äöijvaig, ix Tcor 7neoj)]QUO)' Nty.okdov 'PovoonovXov 1868.
8". 224 Seiten. Lud: Jiifiorixrjs AriioÄoyiag //fj>oc devTsgoy,
vjTo Mi/ui^X Z. Äe/Jxov. Ibid. lS(i9. 8^. 27 Seiten. Im
1. Teil finden sich auf S. 151 — 160 unter dem Titel ^fMvmoi
xal x?MväfioC Totenklagen. Der Verf. der Anthologia heisst
übrigens nicht Lelekas, sonderu Ai^Aexog (s. S. 158 und 221
des 1. Teils). — In der Anmerkung ( S. 224) zu dem 4. Mär-
chen ,Der König mit den PuH-ksohren' erinnert der Verf.
u. a. auch an das serbische Märchen bei Wuk (Nr. 39) , Kaiser
Trojan hat Ziegenohren\ Es scheint ihm aber unbekannt
geblieben zu sein, was auch ich erst ilurch AV. Tomaschek in
der Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien, 1877,
S. ()79, gelernt hal)e, dass schon nach byzantinischer Sage
Kaiser Trajan Bocks(diren hatte. Wir lesen nämlich in des
Johannes Tzetzes Ghiliaden, 2, Histor. 34, V. 95 ff.:
'iJria dk Tgafavor '/Jyovaiv eyeir Todyov
"Otieq avrög ovy £VQi]xa ygnq)äig eyyeyQafifitvov
"H reo ix fiovrjg dxofjg igäv nvcbv ev&ioog'
'Oxsvrixog yäg 6 ävrjQ dixi]v avrcöv rcöv rgäycoi',
Kar OJ'J'^TOK fiFiijoy/To xa) rag roKivrag fti^f'ig'
26. Schmidt, Griechisclie Märchen. 3g3
"// TM OToaTereir xar' eyßQO>r xara. övoßdTdyr tÖtto)}',
Tcp jLtovov h'MTtonoßat '^P<i)]ii)]g iy&Qobi; jvyydveiv
Xai'gei ydg Tgdyog roig xo)jfivoig xal rulg öroßdroig TOJioig.
Auf die in diesen Versen enthaltenen wunderlichen
Erklärungsversuche des Tzetzes ist kein Wert zu legen. Aller
Wahrscheinlichkeit nach hat es eine Version der Sage von
König Midas^) gegehen, wonach Midas Bocksohren — nicht
Eselsohren — hatte, ja vielleicht war dies die ursprünglichere
Sage (s. B. Schmidt a. a. ().): diese Sage wurde aber auf
Kaiser Trajan, an den sich auch andere Sagen geknüpft haben,
(so die in vorliegendem Werk S. 31. Anm. '1 erwähnte),
offenbar wegen des Gleichklangs vim Tgaiavog und Tgdyog
übertragen. — Zu dem Märchen Nr. 11 bemerke ich, dass
auch in sicilianischen und italienischen Märchen (s. [oben
S. 307 zu Widter-AVolf no. 9. De Nino p. 167] G. Pitre, Fiabe,
Novelle e racconti popolari siciliaiii. Vol. 1, p. 290, 296,
297) der Held Dreizehn oder Dreizehner heisst (er ist hier
der jüngste von dreizehn Brüdern oder der Vater von drei-
zehn Söhnen), in einem baskischen aber (W. Webster, Basque
Legends, S. 195) [Cer(|uand uo. 61. Finam(tre no. 27. ('arnoy,
C. franv. p. 39.] Vierzehn, weil er so stark ist wie Vier-
zehn, und dass in zwei piemontesischen Märchen {D. Com-
paretti, Novelline popolari italiane, no. 54, (i. Pitre, Vol. 2,
p. 188) die Kraft eines Königssohns an ein goldenes Haar
auf seinem Haupt geknüpft ist, welches ihm seine Stiefmutter
abschneidet oder ausreisst. — Das Märchen Nr. 25 ,Die Sen-
dung in die Unterwelt' ist eine sehr hübsche eigentüm-
liche Version eines weitverbreiteten Schwankes, der sowohl
in neuerer Zeit vielfach als Volksmärchen aufgezeichnet
worden ist (s. z. B. Schott, Walachisclie Volksmärchen, Nr. 43,
Wenzig, Westslavischer Märchenschatz, S. 41, Grimm, Nr. 104,
M [^^gl- Köhler, Revue Celtique 2, 507 (zu 2, 197), J. Grimm, Kl.
Schriften 4, 216, Hagen, Minnesinger 3, 113. 4, .566. 734, Du Meril,
Etudes p. 432, Villemarque, Les romans de la Table Ronde 1860 p. 81,
Kuhnert, Midas in Sage und Kunst. Zs. der d. morgenl. Ges. 40, 549,
Revue des trad. pop. 1 237. 7, 356, Archivio 3, 370, Coelho, Contos
no. 50.]
384 Zur Märc'lienforscliung.
Mülleiiliof, Märchen aus Schleswig- Holstein, Nr. 10, Meier,
Volksmärchen aus Schwaben, Nr. 20, Pröhle, Kinder- und
Volksmärchen, Nr. 50, Zingerle, Kinder- und Hausmärchen
aus Tirol, Nr. 14, Baring Gould, Household Stories Nr. 3, As-
björnsen und Moe, Norske Folkeeventyr, Nr. 10, Cerquand,
Legendes et recits populaires du Pays basqne, 1, 53, Melu-
sine, 1, 133. 135. 352), als auch seit dem IB. .lahrhundert in
Dichtungen und Erzählungssammlnngen uns oft begegnet (s.
H. Oesterleys Nachweise zu J, Paulis Schimpf und Ernst,
Cap. 463^), und zu W. Kirchhofs Wendunmut, 1, 138, die
ich noch vermehren könnte). [Bolte zu Frey no. 61. Cosquin
no. 22. Gredt uo. 917. Leopold, Van de Scheide tot de
Weichsel 1, 527. North Indian Notes and Queries 5, 209,
no. 618.] — In dem Lied Nr. 20 kommen folgende Verse vor:
Kalcbg Tove lov Xagovra ! xrlßtos vd yevTovjue,
Nd qm<; t äjrdxia tov Aayov, OTfj&djiu djrö Tregdixi,
Nd 7Tu~jq xai rgijrahjo xgciol, irov nivovv ot dvTQeicojuh'oi.
Damit vergleiche man in einem kyprischen Lied bei
A. Sakellarios, Td KvjiQiaxd, 3, 12, die Verse:
KaXcög fjQxeq, XihojiajTJTOv, vd cpdg, vd mfjg jLDjTd jiiag,
Nd (pd]]g aÖQiv tov laov, vd cpäg ö(pT6v JTSQTixit',
Nd cpäg aQxoxeQdfivov, ifov tqcT)v dvTQSixcojuevoi,
Nd mf]g yXvxxmorov xQaaiv oe "yelav tov dvTQOvvov.
307 Und mit geringen Abweichungen finden sich dieselben
Verse in einem andern kyprischen Liede, S. 3. Eine möglichst
vollständige geordnete Sammlung derartiger formelhaft wieder-
kehrender Verse aus dem bisher bekannten neugriechischen
Liederschatz würde sehr anziehend und lehrreich sein. — In
den ebenfalls formelhaften Versen 17 und IS in dem 58. Lied
hätte auf meine Zusammenstellung in den Göttinger gelehrten
Anz. 1871, S. 1413 [oben 376], verwiesen werden können. —
S. 277 lautet eine Anmerkung zu V. 58 des 59. Liedes: ,Der mir
vorliegende Text des Liedes, welches ich auf Kephalonia
schriftlich mitgeteilt erhielt, bietet ßign, ein Wort, das mir
') ,Keller, Erzähl. 275' ist zu streichen.
2t). tSi'lmiiilt (iriccliischc Märchen, Sagen und Volkslieder. ;-]S5
vollstiiiidii; (liiukel ist. Die Erklärung .lviii|;\ welche mir ein
(irieche gab. wird allerdings bestätigt durcli das neuerdings
im '2. Bande der Neo£Xh]vixa 'AvdkexTn veröffentlichte rhoood-
Qiov KeqaA)i}]viaq, wo S. 178 /ieoada/TvAtda aufgeführt und
durch diaqpoooiv tldwy (VtxjiOdötn erklärt wird'. Es ist
dem Verf. entgangen, das (-ikja das venezianische vera
(ital. viera). Reif, Ring, ist. Der ^'erf. meint, ein Wort mit
der Bedeutung Ring passe überhaupt nicht au die Stelle,
worin ich ihm nicht beistimmen kann, und hat deshalb ßega
in ßeQTfx (Tasche) ändern zu müssen geglaubt. — Schliesslich
spreche ich nocli den gewiss von sehr vielen geteilten
Wunsch aus, dass der Verf. uns so bald als möglich mit der
Fortsetzung seines vortrefflichen Werkes über das Volksleben
der Neugriechen beschenken möge.
27. Anmerkungen zu Gustav Me^er,
Albanische Märchen.
(Archiv für Litteraturgeschiclite 12, ".»2— 14S. 1884.)
1. Das Mädchen mit der Ziege
(nach E. Mitkos, [4/.ßariy.ij Mt/.iana.. 1878, ]>. I<i5 no. 1).
Vgl. Grimm, KHM., no. 11 u. 141, Hahn, Griechische 9.->
und albanesische Märchen, no. 1, Basile, Pentamerone, V, 8,
Gonzenbach, Sicilianische Märchen, no. 4S uml 4!), De Guber-
natis, Le Novelline di Santo Stefano, no. 11, Bernoni, Fiabe
popolari veneziane, no. 2, Corazzini, I componimenti minori
della letteratura popolare italiana, S. 443, no. 9 (Märchen
aus Benevent), Busk, The Folk-Lore of Rome, S. 40, Melu-
sine 1, 419 (Märchen aus der Bretagne), De Gnbernatis,
Zoological Mythology, 1, 409 (rassisches Märchen, aus Afa-
nasjefts Sammlung, 4, 45, ausgezogen). [Zs. d. V. f. Volksk.
R. K ühler, Kl. Schritten. I. 2')
386 Zur Märchenforsehung.
t), 77, Arfert, Das Motiv von der imterschobenen Braut.
Diss. Rostock 1897 S. 21.]
Die Ziege des albanischen Märchens müsste nach
Analogie der parallelen Märchen der verwandelte Bruder des
Mädchens sein.
2. Die Frjiu und der Gev.atter
(lAlitkus 110. 2).
96 Vgl. das deutsche Märchen vom alten Hildebrand ((irimm,
KHM., Nr. 95, Meier, Volksm. aus Schwaben, Nr. 11, Korre-
spondenzblatt des Vereins für niederdeutsche Sprachforschung
4, 12. 50. 79. 6, 46) und ein schwedisches in A. Bondesons
Halländska Sagor, Lund ISSO, Nr. 26. In diesen Märchen
wird ein Bauer, dessen Frau mit dem Pfarrer buhlt, von
seinem Gevatter oder seinem Knecht oder sonst irgend wem
in einem Tragkorb oder dergleichen in sein Haus getragen
und wird so Zeuge davon, wie Frau und Pfarrer sich er-
lustigen. Nachdem der Pfarrer, die Frau und der Gevatter
je zwei auf die Umstände bezügliche Zeilen gesungen, thut
dies auch der Bauer und steigt dann aus dem Korb.
3. Die drei Oeselleii
(Mitkos 110. 4).
105 Wenn die Kutschedra zur Schonen der Erde sagt: „Be-
obachte den -lüugling aus dem Fenster, wie er Wasser trinken
wird, mit der Hand oder auf den Knien", und wenn sie dann,
als der Jüngling sich auf ein Knie niederliess, sein Haupt an
das Becken der Quelle legte und trank, sagt: „Vor diesem
Manne habe ich Furcht," so vergleiche man die Stelle im
Buche der Richter (Kap. 7), wo der Herr die zehntausend,
die mit Gideon bei dem Brunnen Harod geblieben sind, um
gegen die Midianiter zu kämpfen, prüft. Es heisst da V.
4 — 7 nach Luthers IJebersetzung : Und der Herr sprach zu
Gideon: „Des Volks ist noch zu viel, führe sie hinab ans
Wasser, daselbst will icli sie dir prüfen, und von welchem
ich dir sagen werden, dass er mit dir ziehen soll, der soll
mit dir ziehen, von welchem aber ich sagen werde, dass er
27. Anmerkungen zu Gustav JMeyer ^'r. 2 — 4. 8<S7
nicht mit dir ziehen soll, der soll nicht ziehen." Und er
führte das Volk hiiiah ans Wasser. Und der Herr sprach
zu Gideon: „Welcher mit seiner Zunge des Wassers lecket,
wie ein Hund lecket, den stelle besonders; desselben gleichen,
welcher auf seine Knie fällt zu trinken." Da war die Zahl
derer, die geleckt hatten aus der Hand zum Mund, dreihundert
Mann, das andere Volk alles hatte knieend getrunken. Und
der Herr sprach zu Gideon: „Durch die dreihundert Mann,
die geleckt haben, will ich euch erlösen und die Midianiter
in deine Hände geben, aber das andere Volk lass alles gehen
an seinen Ort."
4. Der zerschnittene Fisch
(Mitkob no. .">). '' ■< ■ ' •''■ ' '' '
Vgl. meine ^^achweise im Orient u. Occ. 2, 118 [oben ITil], io7
zu Gonzenbach no. 39 und 40 und zu Blade, Gentes pop. rec.
en Agenais, S. 148, die von Gosqnin, Gontes pop. lorrains
no. 5 (Romania 5, 33(5) und no. 37 (Romania 7. 563) und
die von W(dlner zu Brugmans Lit. .M. no. 10 uiul 11 (Leskien
und Brugman, Litauische Volkslieder und Märchen, S. 542).
Ferner vgl. Pio, Gontes pop. grecs. S. 60 {:= Hahn no. "23).
Mijatovics, Serbian Folk-lore, S. 256, M. Kremnitz, Rumänische
Märchen, no. 17, Goronedi Berti, Novelline pop. bolognesi, |
no. 16 (H Propugnatore 8, 2, 465), Visentini, Fiabe manto- los
vane, no. H), Nerucci, Novelle pop. montalesi, no. 8 (^ Im-
briani, Novellaja fiorentina, no. 28), Fiuamore, Tradizioni pop.
abrnzzesi, 1, no. 22, Gaballero, Guentos, S. 27, Goelho, Gontos
populäres portuguezes, no. 52, Sebillot, Gontes pop. de la
Haute-Bretagne, no. 18, Grundtvig, Danske Folketeventyr,
no. 8, Kamp, Danske Folkeieventyr, no. 13, Baltische Monats-
schrift, Bd. 23, Riga 1874, S. 343 (drei lettische Versionen
des Brüderm., mitgeteilt von A. Bielenstein). Die Gleichheit
der Brüder fehlt in dem alb. M., und natürlich fehlen auch
die damit zusammenhängenden Vorgänge.
Eigentümlich dem alb. M. ist, dass der erste gefangene
Fisch sagt, er sei das Schicksal des Fischers. Zu den Worten
„Ach, wie lange habe ich geschlafen!" und der Antwort s.
3g8 2ii'" ^lärclienforsfhung.
man meine Nachweise bei Sehiefner. Awarische Texte S. XV,
die ich jetzt noch sehr vermehren könnte. x\uch in Nr. 3
fragt der wieder zum Leben erwachte Held; „Ach. wie lange
habe ich geschhifen'.-' merkt aber dann gleicli selbst, dass er
nicht geschlafen hat.
5. I)er Zauberer und sein Schüler
(3Iitkos no. li).
jjQ Vgl. zunächst Halm Nr. 6S und Nr. 45^). Andere zu
vergleichende M. s. in meiner Aum. zu einem italienischen
M. im Jahrb. für rnnian. l.itteratur -S. 256 [oben S. 330], in
Cosquins Anm. zu seinen Contes pop. lorrains Nr. 12 (Ro-
mania 7, 216 und 9. 418) niulj in Wollners Anm. zu Brug-
mans litauischen M. Nr. 9. Ausserdem vgl. noch V. Po-
gatschnigg, Märclien aus Kärnten, Nr. 9, in der Carinthia
1865, S. 438 (kinderloser Kaufmann: Sohn dem Teufel ver-
sproclien: verbotener Stall; J^sel hat Fleisch, Bär Heu vor
sich; auf der Flucht Auswerfen von einem Tuch, einer Peitsche,
einem Kampel, die zu Eisfeld, AVald, gläsernem Berg werden);
Prym und Socin, Syrische M., Nr. 5S (kinderlose Leute: Sohn
einem Dämon versprochen; in einem Zimmer ein Pferd und
ein Löwe, vor ersterem Fleisch, vor letzterem Gras), Fina-
more, Tradizioni pop(dari abruzzesi, 1, Nr. 18 (kinderloser
König; Sohn dem Teufel versprochen; verbotenes Fenster,
welches in die Hölle sieht: verbotener Kasten, worin Sieb,
Seife, Kämm, die auf der Flucht gebraucht werden: verbotener
Stall, worin ein Pferd, auf dem der Königssohn entflieht.
(). Die listige Faule
(Mitkos no. 7).
Vgl. Grimm, KHM.. Nr. 128, wo die im Gebüsch ver-
steckte faule Frau ilirem Manne, der Haspelholz hauen will,
zuruft :
Wer Haspelholz haut, der stirbt,
Wer da haspelt, der verdirbt.
^) Von ersterem ist die erste Hälfte (S. 33 — 36), von letzterem der
mittlere Teil zu vergleichen.
111
27. Anmerkungen zu Gustav Meyer Nr. 5 — 8. 8cS9
7. Die Schöne der Erde
(Mirkos nu. 9).
Zu diesem M. verweise ich auf meine Anmerkung zu in
(lonzenbach no. 310 [Zs. d. V. für Volksk. 6, 70] und auf
die Cosquins zu seinen Contes pop. lorrains, no. 11. in der
Romania 5, 363 und 10. ÖOG, wozu noch nachzutragen sind
De Gubernatis, Zoological Mythology. 1. 288 (M. aus Osimo
in den Marken), Coronedi Berti, Novelline popolari bolognesi,
no. 9 (im Propugnatore 7, 1, 409), Nerucci, Novelle popolari
montalesi, j no. 57, Finamore, Tradizioni popolari abruzzesi, 118
Vol. I (Novelle), no. 30. Einige hergehörige, bisher aber
nicht berücksichtigte litterarische Erzeugnisse gedenke ich
später eingehend zu besprechen, zur Zeit bin ich es aus ge-
wissen (rrütuU^n noch nicht im Stande.
S. Die sieben Brüder mit den Wundergaben
(:\[itk(.s no. 10).
Vgl. Dozon Nr. 4. Pio S. 104, Basile, Pentamerone, 1, 5, 122
Sclmeller, Märchen und Sagen aus Wälschtirol, Nr. 31.
Alle diese M. beginnen damit, dass eine Laus oder —
im Pentamerone — ein Floh von einem Könige oder einer
Königstocliter gefunden, verwahrt und gefüttert wird. Zu
ausserordentlicher Grösse herangewachsen, wird (bis Tier ge-
tötet, uiul dann wird das getötete Tier oder dessen al)gezogene
Haut den Freiern der Königstochter vorgelegt, und nur den
soll oder will sie heiraten, der das Tier errät. Der Teufel
oder — im Pentamerctne — ein Uorco löst die Aufgabe und
führt die Königstochter mit sich fort. In den drei erstge-
nannten Märchen befreien 7 mit wunderbaren Eigenschaften
begabte Brüder die Kömigstochter ; in dem Tiroler thun es
4 Männer, die nicht Brüder sind. — In Dozons albanischem
M. haben die 7 Brüder folgende Eigenschaften: 1 hört bis
in die weiteste Entfernung: "2 vermag durch seinen Befehl
die Erde zu öffnen: 3 kann eiijem etw^as unbemerkt ent-
wenden: 4 wirft einen Sclmh bis ans Ende der AVeit: 5 brauclit
') Zeile 3 der Anmerk. ist 14'J (statt 193) und 158 (statt 188)
zu lesen.
390 Zur Märchenforscliung.
nur zu sagen, dass ein Tliiirm da sein soll, und alsbald ist
er da; 6 schiesst jeden Gegenstand aus höchster Höhe herab;
7 fängt, selbst wenn etwas ans dem Himmel herabfällt, es
mit seinen Händen auf. — '■ Von den 7 Brüdern des griechi-
schen M. hört 1, wenn er sein Ohr an die Erde legt, was in
der Unterwelt vorgeht; 2 hebt mit seinen Händen die schwerste
Last empor; 3 kann einen Schlafenden, ohne dass ders merkt,
berauben: 4 trägt auf seinen Schultern die schwerste Last;
5 klopft mit der Hand auf die Erde, und alsbald steht ein
Thurm von Eisen da; 6 trifft mit seinem Pfeile, w;is er will;
7 fängt in seinen Armen auf, was vom Himmel fällt. — Im
Pentamerone hört 1 dreissig Meilen weit: "2 macht, wenn er
spuckt, ein grosses Seifenmeer; 8 macht, wenn er ein Stück-
chen Eisen hinwirft, ein Feld von geschliffenen Scheermessern;
4 macht, wenn er ein Spänchen hinwirft, einen dichten Wald;
5 macht, wenn er Wasser auf die Erde spritzt, einen gewal-
. tigen Strom; 6 wirft einen Stein hin, und ein fester Thurm
steht da; 7 trift't eine Meile weit mit seiner Armbrust. —
Im Tiroler M. sieht 1 sehr scharf; 2 hört sehr scharf; 3 hebt
geräuschlos Thore aus: 4 geht so leise, dass ihn der mit
dem scharfen Gehör kaum hört.
Zwei von G. Pitre, Fiabe, Novelle e Racconti popolari
siciliani, 1, 19(5 f. und 197 f. nur im Auszug mitgeteilte M.,
in denen 7 mit wunderbaren Eigenschaften begabte Brüder
eine Königstochter von einem Zauberer, den sie hat heiraten
müssen, befreien, habe ich oben nicht mit genannt, weil sie
nicht wie die obigen beginnen, vielmehr wird in ihnen der
Zauberer der Mann der Königstochtm-, weil er einen Graben
zu überspringen oder eine sehr schwere Kugel sehr hoch zu
werfen im Stande gewesen ist.
Es giebt TU)ch zahlreiche, zum Teil ähnliche M. von
Brüdern mit wunderbaren Eigenschaften, die eine geraubte
123 Ju]igtVau wieder j gewinnen; da sie aber den obigen M. ferner
stehen, so genüge hier ein Verweis auf meine Anmerkung zu
einem si-rbischen M. im Archiv f. slav. Phil. 5, 37 [unten S. 43<S].
Ebenso giebt es au( h noch niancln^ M.. die damit be-
ginnen, dass die Hand einer Kiinigstochter nur dem zu Teil
27. AnincM-kungeii zu Griistav Meyer Nr. 8 — 11. 391
werden soll, der errät, dass die Haut, womit ein Kasten
überzogen oder eine Trommel überspannt ist oder woraus
ein Paar Seiiulie gemacht sind oder die über die Thür ge-
nagelt ist, von einer Laus oder einem Floh oder einer Wanze
ist; der weitere Verlauf dieser M., von denen nur Beispiels
halber Gonzenbach Nr. 22 und Blade, Contes pop. rec. en
Armagnae, S. 11 genannt sein mögen, hat mit den obigen
nichts zu thuii.
Schliesslich sei noch bemci'kt, dass die Brieftaube unseres
all). M. auch in dem griechischen und dem wälschtiroler vor-
kommt, bei Pitre 1, 197 aber der Brief einer Schwalbe an-
vertraut wird. [Ifhiov 1, 296. j
9. Die närrische Frau des Holzhauers
(Mitkos no. 11).
Vgl. den ersten Absatz meiner Anm. zu (ionzenbach 124
Nr. H7 [Zs. d. V. für Volksk. H, 78] uiul Cosqnins Anm.
zu seinen Contes pop. lorrains Nr. 57 (lies: 5S) in der Ro-
mania 9, 889.
Wenn die Frau für Goldstücke Töpfe kauft und ihnen
dann den Boden ausschlägt und sie im Zimmer aufhängt, so
vgl. Grimm Nr. 59, Schneller, M. und Sagen aus Wälschtirol,
Nr. 5(), Wenzig, Westslavisciun' Märchenschatz, S. 41. Bei
Haltrich, Deutsche Volksm. i aus dem Sachsenlande in Sieben- i25
Itürgen, Nr. 65 (62), zerschlägt die Frau die gekauften und
an die AVand geliängten Tfipfe, weil sie dem letzten nicht
Platz machen wollen. P)ei Kamp, Danske Folkeminder, S. 137,
Nr. 361, und bei Möller, Folkesagn etc. fra Bornholm, S. 56,
lässt sie den Wagen V(dl Tö[»fe nicht abladen, sondern um-
stürzen, so dass die Töpfe mitürliidi alle zerbrechen.
10. Die neidische Königstochter
(in Porös von Keinhold aufgezeichnet).
11. Das Mädclien im Kasten
(in Hydra von Heinhokl aufgezeiclinet).
Nahe verwandt ist die sogenannte Crescentia-Sage, jene 132
in den abendländischen Litteraturen des Mittelalters und auch
3J)2 Zui' Märchenforschiuig.
133 im Orient | uns begegnende Ges(;hi<'lite von der trenen Fran,
die zuerst von ihrem in sie verliebten Scliwager und später
auf ihrer Flucht von andern abgewiesenen Liebhabern fälsch-
lich angeklagt oder in Verdacht gebracht wird und bei der
schliesslich, da sie Krankheiten zu heilen vermag, alle, die
sich an ihr vergangen haben — auch ihr Mann — zusammen
kommen^). [Lidzltarski, Gesch. aus den ueu-;n-amä. Hdschr.
1896, S. 93.]
Man vgl. ferner das griechische M. von der Insel Astro-
palja (dem alten Astypalea) bei Pio S. 143. Nr. 7. welches
von einer Jungfrau erzählt, die, von einem .luden, den sie
nicht erhört hat, l)ei ihren Eltern verleumdet, von ihrem
Bruder getötet werden soll, al)er am Leben gelassen wird
und flieht, später als Gemahlin eines Königs abermals in
Folge falscher Beschuldigung Hieben muss und in einem
Kaffeehaus Diener wird, wo dann zufällig auf einmal Eltern,
Bruder, Gemahl und die verschiedenen Personen, die sie
fälschlich verklagt haben, zusammen kommen. [Spitta no. 6.]
Wie in unserm albanischen M. der Kasten mit den
Worten zum Kauf ausgeboten wird: „Wer ihn kauft, wird
es bereuen, und wer ihn nicht kauft, wird es wieder be-
reuen," so werden in einem andern albanischen M. bei
Dozon (Nr. 11 der Lebers.) und in zwei griechischen ^\.
{Nfoelhpnxä \ivaAey.Ta, 1, 1, Nr. 4, und Pio S. 05) ebenfalls
Kasten mit denselben oder fast ganz gleichen Worten aus-
geboten. In andern M. (vgl. Archiv für slavische Philologie
f), 78) wird dem Melden, der gewisse Gegenstände findet und
') Man vergl. ülier die Crescentia-Sag-e besonders A. Mussatias in
dem üezemberheft des Jahrgangs 1865 der Sitzungsberichte der phil.-
histor. Klasse der kais. Altademie der Wissenscliaften entlialtene und
auch besonders abgedruckte Abliandlung „Ueber eine italienische
metrische Darstellung der Crescentiasage" (Wien 1861!) und E. Rohde
Der griechische Roman und seine Vorläufer, S. 58-t. Den orientalischen
Versionen ist noch hinzuzufügen ein tatarisches M. in W. Radioffs
ProV'en der Volkslitteratur der türkischen Stämme Süd-Sibii'iens 4,
141 (Das Weib als Fürst). Fast ganz mir der (lescliichte der Repsima
in 1001 Tag stimmt das griechische M. aus Epirus bei Pio S. 66, Nr. 21
= Hahn Nr. 16.
27. Atuiierkuiiijcn zw Grusttiv Meyer Nr. 11 — 12. 393
sie an .sirh uiiniut. von seinem Rosse gesagt: „Wenn dn es
nimmst, wirst dn es berenen: wenn dn es nicht nimmst,
wirst dn es ancli berenen." In einem rumänischen M. (M.
Kremnitz. Hnmänische Märchen, Leipzig 1882. S. 224) wird
einem anf eine gewisse Frage geantwortet: „Wenn dn es
weisst, du es Iiercust: wenn dus nicht weisst. dus auch be-
reust.'' [Lerch. F(n-schniigen über die Knr(h'n 1, 33. 1857.
Lidzl)arski S. 1)4.]
I.)ensell)en iSefehl. (Kmi in uiiserni M. der IvTtnig giebt.
dass, wer l)eim Anblick seines an allen Qnelleu angebrachten
Bildes seufze, in den königlichen Palast gebracht werde,
giebt auch in einem griechischen M. V(ui Astypalea bei Pio
S. 12(), \r. (). ein König, der [ ebenso, wie der KTuiig des i:^4
albanischen M., eine verkleidete Frau ist. in Bezug auf ein
Bild, anf dem sie einen T(dl ihrer (beschichte hat malen und
das sie an einer Quelle hat aufhängen lassen. [Lerch 1. 37.
Lidzbarski S. 102.]
1*2. Der Pope und seine Frau
(in Hydra von KeinhoUl ant'gezeiclniet).
Der erste Teil des M. bis zur Verkleidung des be- i:36
trunkenen Popen ist eine eigentümliche Version der bekannten
alten und weitverbreiteten Erzählung von dem Ehemanne,
der vermittelst einer geheimen Thür oder eines Loches oder
eines unterirdischen Ganges, die sein Hans mit dem Nachbar-
hans verbinden, um seiue Frau betrogen wird. Vgl. über
diese Erzählung Dunlop-Liel)recht S. 197, DAncona in seiner
Ansgabe der „Novelle di Giovanni Sercam bi", S. 2<S5 (zn
Nov. 13), \V. Bacher in der Zeitschrift der Deutschen Mor-
genli.ndischen (iesellschaft 30, 141. und F. Liebreclit. Zur
Volkskunde, S. 127. Von Volksmärchen gehören hierher
Hahn Nr. 29, worauf schon DAncona a. a. 0. hingewiesen,
ferner Radloft" 4, 393. Prym und Socin. Syrische Sagen n. M.,
Nr. 11, und Busk, The Folklore of Rome. S. 399. Letzt-
genanntes M. steht der Novelle in Versen „Re Barbadicane
e Grazia'' von dem berüchtigten D. Batacchi j sehr nahe. Auch 137
eine Wiener Haupt- und Staatsaction (Karl Weiss. Die Wiener
394 Zur Märchenforschung.
Haupt- und »Staatsactioiieii, Wien 1854, S. 75 ff. Xr. 6), Kotze-
bues Lustspiel „Die gefährliche Nachbarschaft" und Platens
„Der Thurm mit sieben Pforten" behaudebi den Stoff.
[E. Zarncke, Rhein. Museum 30, 1, Christof. Armeno, Reise
der Söhne Giaffers, herausg. von Fischer und Bolte, 1896,
S. 219. Gramberg iu Dietrichs Braga 9, 49. 1828].
13. Der Jüngling und der Bartlose.
(Jixniik, Zur alhaiiischen S])racheiikunde ISSl, S. 6.)
142 Vgl. Dozon Nr. 12, Neoelhp'ixd 'AvaleHia 1, 1, 46,
Nr. 10 = Legrand, Contes populaires grecs, S. 57 (M. aus
dem Pelopomies), Hahn Nr. 37 (M. aus Epirus), [Archivio 2,
481, Visentini no. 5, Jecklin 1, 132], F. Franzisci, Cultur-
Studien über Volksleben, Sitten und Bräuche in Kärnten,
Wien 1879, S. 99 (M. aus dem Glantale in Kärnten), Cos-
quin, Contes populaires lorrains. Nr. 3 (Romania 5, 94), Jagic,
Südslavische M., Nr. la und b (Archiv für slav. l^hil. 1, 270
[unten S. 407]), Luzel, Veillees bretonnes, Morlaix 1879, S. 148,
und Cinquieme Rapport sur une mission en Basse Bretagne
(Extrait des Archives des missions scientifiques et litteraires,
3. Serie, T. 1), S. 2, Comparetti. Novelle popolari italiane, no. 5.
Alle diese M. sind Versionen eines und desselben M.,
welches man bezeichnen kann als das M. von dem Sohne
oder Paten eines Königs, der, als er sich zu dem Könige be-
geben will, unterwegs von seinem Diener oder (iefährten ge-
zwungen wird, mit ihm die Rollen zu tauschen, dann, nach-
dem er zuvor auf Anstiften des Betrügers verschiedene schwere
Unternehmungen hat ausführen müssen, von jenem getötet,
von der schönen Jungfrau aber, die er an den Königshof
hatte bringen müssen, wieder belebt wird und nun. durch
seinen Tod und sein Wiederaufleben eines dem Betrüger ge-
schworenen Eides entbunden, den Betrug entdeckt.
Die älteste Form des Einganges des M. ist wohl wie in
dem M. aus dem Peloponnes und in dem einen serbischen
die gewesen, dass ein König oder Kaiser auf einer Reise beim
Ue bernachten seiner Wirtin (einer AVitwe) oder der Tochter
seines Wirtes beigewohnt und ihr l)eiiii Al)schied gesagt hat,
27. Annierkung'en zu Gustav Meyer Nr. 13. 395
sie solle, falls sie einen Sohn znr AVeit bringe, denselben,
wenn er herangewachsen sei, zn ihm schicken. In Dozons,
Cosqnins und Luzels M. ist der König nicht der Vater, son-
dern der Pate des Helden. In dem kärntnerischen M. ist der
Held der Sohn eines Hauptmanns und seiner Frau, und der
Hauptmann hat noch vor seiner Geburt ins Feld ziehen
müssen: der herangewachsene Sohn zieht aus, den noch immer
nicht zurückgekehrten Vater aufzusuchen. Noch mehr ent-
stellt sind das epirotische, das andere serbische und das ita-
lienische M. In ersterem ist der Held der Sohn eines Kaisers
und seiner Gemahlin, der Kaiser muss aber auf lange Zeit
verreisen; in dem letztern ist der Held ebenfalls ein legitimer
Königs- oder Kaisersohn, der nicht seinen Vater aufsuchen,
sondern einen andern K(inig oder Kaiser besuclien will.
Der Betrüger ist in den griechischen, dem einen ser-
bischen und dem kärntnerischen ein Bartloser, in dem loth-
ringischen ein Buckliger, in dem einen bretonischen ein
Cacou ^), und eine Warnuug vor derartigen Menschen — in U3
dem bretonischen auch vor Lahmen — geht voraus. Es liegt
hier die alte weitverbreitete Scheu vor ^lenschen von auf-
fallendem oder entstelltem Aeusseren vor.
Was die Art betrifft, wie der Rolleutausch erzwungen
wird, so bedroht in Dozons M. der Betrüger den Paten des
Königs, der in eine Schlucht hinab zu einer Quelle gestiegen
ist. von oben mit einem schweren Steine. In dem M. aus
dem Peloponnes droht der Bartlose, den Brunnen, in den der
Königssohn hinabgestiegen ist. mit einer Steinplatte zuzu-
decken. In dem epirotischen. dem einen serbischen und dem
kärntuerischen wird der Zwang dadurch ausgeübt, dass der
Bartlose den Jüngling nicht wieder aus dem Brunnen herauf-
ziehen will. In dem lothringischen und den beiden bre-
tonischen M. hat sich der Betrüger des Pferdes des Jünglings
— und zwar in den bretonischen, während der Jüngling ab-
M „Les Cacous ou Caqiieux etaient des especes de parias, d'iu-
dividus liors de la soeiete et qui exeroaient ordinairement, en Bretagne,
le uietier de oordiers. On les eont'oud assez souveut avec les lepreux."
Yeillees bretonues S. 1.^1.
396 Zur Märchenforsohung.
gestiegen ist und ans einer Quelle trinkt — bemächtigt. In
dem italienischen M. drolit der Gefährte den Königssohn zu
erschiessen, und in dem einen serbischen endlich gewinnt er
dem Königssohn listig einen Ring ab, an dem ihn der Kaiser
als seinen Sohn erkennen soll.
In Dozons M., in den griechischen, dem kärntnerischen
und dem lothringischen muss der Jüngling dem Betrüger
einen Eid schwören, und zwar schwört er in dem albanischen
und den griechischen, nur dann oder erst dann wolle er den
Betrug entdecken, wenn er gestorben und wieder auferstanden
sei^); in dem kärntnerischen muss er schwören, nichts zu
verraten, so lange er lebe, und in dem lothringischen, erst
drei Tage nach seinem Tode jemanden zu sagen, dass er der
Pate des Königs sei. In allen diesen M. betrachtet sich der
Jüngling dann, nachdem er von dem Betrüger getcitet, von
der schönen Jungfrau aber wieder lebendig gemacht worden
ist, seines Eides entbunden. — In den serbischen, den bre-
tonischen und dem italienischen M. ist der Schwur weg-
gefallen, trotzdem sind aber in den serbischen und dem
italienischen die Tötung und Wiederbelebung des Helden ge-
blieben.
Unter den Aufgaben, die der Held in den verschiedenen
Versionen des M. auf Anstiften des Betrügers auszuführen
hat, ist die wichtigste die Herbeischaft'ung einer schönen
Jungfrau, an die sich dann wieder die Herbeischaffung von
Tote erweckendem Wasser knüpft. Dadurch schliesst sich
das M. an das weitverbreitete alte M. von der goldhaarigen
Jungfrau und den Wassern des Lebens und des Todes an
(siehe meine Anmerkung zu (ionzenbach Nr. <SH, 2, und die
Cosf|uins zu seinen Coutes lorrains Nr. 73 in der Romania 10,
177). [Zs. d. V. f. Volksk. 6, 172.] \
144 Wenn in unserm albanischen M. die Tochter des Schahs
den Brautwerbern erst übergeben w^erden soll, wenn jeder
300 Schüsseln Speisen isst und wenn einer von ihnen die
Reiter des Schahs überholt, und wenn dann die beiden unter-
^) In dem M. aus dem Pt4ii])()inies lieisst es: y.ni ry.aiif tÜv uoho
jrwg (i .Tfi)üf(i) y.ni yroicxo, totf ra rii iiaoTro/jofo.
27. Aiiiiierkuiigen zu (hishiv Meyer Nr. 13. )^!)7
wegs mitgeuomineueu wimderhar begabten Menschen helteml
eintreten, so vgl. Hahn Nr. ()3, Pio S. •21-J, Jagie Nr. 7 (Ar-
chiv für shivisclie Philol. 1, •J80) und ferner (lonzenbach Nr. 74
und die Parallelen in der Anmerkung dazu, die jetzt iu)cli
vermehrt werden kr)nnten. [Zs. d. V. f. Volksk. (5, KiS.]
Zu dem nur in unserm albanischen, nicht in den paral-
lelen M. vorkommenden Zug, dass ein Adler dem Helden
sich dankbar erweist, weil er eine Sclilange, welche die
jungen Adler fressen wollte, getötet hat, vergl. die von mir
bei Schiefner, Awarische Texte, S, 18 und von Cosqnin in
der Romania S, ,i8ß — 581) (zu Contes lorrains Nr. 52) zu-
sammengestellten M. und ausserdem noch Stokes. Indian Fairy
Tales, S. 18-2 u. 288, und Dozon Nr. 5.
Die Aufgabe, einen grossen Haufen Körner in kurzer
Zeit zu sortieren, mit ihrer Lösung durch dankbare Ameisen,
kommt nicht mir in allen Versionen unseres M. mit Aus-
nahme des einen serbischen und des italienischen — vor,
sondern auch in zahlreichen andern M. Bekanntlich muss
Psyche schon in dem M. des Apulejus die Aufgabe lösen,
und auch ihr helfen Ameisen, aber nicht aus Dankbarkeit,
sondern nur aus Mitleid. In manchen M, sind an Stelle der
Ameisen andere geeignete Tiere getreten. Vgl. Cosquin in
der Romania 10, 140 — 142 (zu den Contes lorrains Nr. 65).
[Pitre, Nov. tose. p. 78, 117, Archivio 3, H6i), Schulenbnrg,
AVend. V. p. 21].
Wegen der an einander S(.-hlagenden Berge, in deren
Mitte sich das Unsterblichkeitswasser befindet, siehe man
meine Nachweise bei Schiefner, Awarische Texte, S. 25, und
die Wollners bei I^eskien u. Brugmann, Litauische Volks-
lieder u. M., S. 54!) f., ferner Ralston, Rnssian Folk-tales,
S. 236, Dozon S. 92 und 131 i). Mikh.sich, Märchen der Zi-
geuner der Bukowina, Nr. 11.
Schliesslich bemerke ich noch, dass es noch eine andere
Märchengruppe giebt, in der ein Diener einen Prinzen unter-
wegs zwingt, mit ihm die Rolle zu tauschen, die aber übrigens
') Nach letzterer Stelle befindet sich die Tote-erweckendeSchwalben-
milch zwischen zwei sich ött'nenden und schliessenden Bero-en.
^-]98 Zur Mäi'cheiifürschimg.
sowohl im Eingang" als im weitern Verlanf von der liier be-
sprochenen Gruppe durchaus verschieden ist.
14. I)i<^ dankbaren Tiere.
(Jarnik 1881, S. 13.)
148 Man vergl. die von mir im Archiv für slav. Phil. 5, 27 und
40 (in meinen Anmerkungen zu den südslavischen M.
Nr. 41 und 47) [unten S. 437 und 440] besprocheneu M. und
ausserdem noch Dozon Nr. 9 und 10, das von Dozon S. 219 im
Auszug mitgeteilte cyprische M., Brugman, Litauische M.,
Nr. 29, wozu Wollner in der Anm. auf zahlreiche slavische
Parallelen verweist, und das von A. Socin in der Zeitschrift
der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 36, 29 im
arabischen Original und in Uebersetznng mitgeteilte M. aus
Märdin.
28. Ungarische und walaehisehe Märehen.
(Zeitschrift für deutsche Mythologie 2, 113—114. 1855.)
Bd. 1, S. 370 dieser Zeitschrift ist die ungarische Mär-
chensammlung von Stier in mit Reclit anerkennender Weise
kurz besprochen. Uns ist nur aufgefallen, dass Herr Stier,
der in den Anmerkungen verwandte deutsche Märclien lier-
beizieht, nicht darauf verfallen ist, die Märchen der benach-
barten Walachen anzusehen. Wir Iial)eii dies getlian und
folgendes gefunden.
Das Märchen Nr. 1 bei Stier ,die drei Königskinder'
ist in mehreren Zügen mit dem walachischen ,Petru FiritschelP,
Nr. 10 bei Schott, dasselbe. Die verbündeten treuen Tiere
(Fuchs, Wolf, Bär), die Tötung des vielköpfigen Drachen, die
Ermordung des Drachentöters im Schlafe — im walachischen
durch einen Zigeuner, im ungarisclien durch den roten Ritter — ,
und die Wiederbelebung mit Hilfe der treuen Tiere kommen
in beiden Märchen vor. Wenn sich der Drachentöter im
28. UngarisL'lie iiiid walachisclie ^lärclicii. 899
uugarisclieii Märclieu durch die tleii Draclu'ii aiisgehroclu'ueii
Zälme legitimiert, so tliut er dies im walachisclieii diiruh die
ausgescimittene Zunge, gerade wie Peleiis in der griechischen
Sage (Apollodor 3, 813) und Tristan (Gottfried von Strass-
burg Tr. \). '2'2S , "JH und 2&2 , 39 ed. Massmann). Im wa-
lacliischenlMärchen hat derDraclie zwölf Köpfe, imun-jgarischen lu
Märchen sieben, welche Zahl die Ungarn besonders zu lieben
scheinen.
Das uiigarisclie Märchen ,der Traum' (Nr. 2 bei Stier)
entspricht im wesentlichen dem walachischen .der weisse und
der rote Kaiser' (Nr. 9 bei Schott), ebenso das ungarische
Märchen (Nr. 1"2) ,des Bettlers G eschenk' dem walachischen
(Nr. 20) .die drei Wundergaben'. Die drei Pomeranzen
(Nr. 13 bei Stier) haben gemeinsame Elemente mit dem
walachischen Märchen (Nr. 25) ,die Ungeborne, Ungesehene',
nämlich die wunderliare Braut, ihre Beziehung zu Apfel und
Quelh\ <lie Zigeunerin, die Verwandhuig der Braut, das end-
liche (ilück. In Bezug auf die am Schlüsse des ungarischen
Märchens vorkommenden Metamori)hosen ist ein anderes wa-
lachisches .Märchen (Nr. S) ,die goldenen Kinder' zu ver-
gleichen.
Der ungarische J^isenlaci (Nr. 15) ist. insofern er seine
in der (iewalt von Drachen befimllichen Schwestern rettet,
dem walachischen AVundersohne der Kaiserin (Nr. 1) älinlich.
Das ungarische kleine Zauberpferd endlich (Nr. 3) erinnert
an ein ähnliches Pferd im walachischen Märchen Juliana
Kosseschana (Nr. IT).
Gewiss werden auch die hoffentlich bald erscheinenden
Märchen aus der Bukowimi vielfache Analogieen mit den
walalachischen und ungarischen bieteii. So erinnert der in
dieser Zeitsclirift 1, 44 vorkommende heilige Sonntag, in
einem romanischen Märchen aus der Bukowina, an die hei-
ligen Mütter Mittwoch, Freitag und Sonntag in Schotts Samm-
lung (S. 299 und 341).
4()() Zur MiirchenfoiisL'luing.
29. Contes des paysans et des patres slaves.
Traduits cii tVaiu/ais et ra|)i)i'()clie.s de leur source iudieniie
})ar AlexaiKlrc ClHidzkd, Charge du cdiirs de laiii;ue et
litterature slave au College de Franee. Paris. L. llacliette
et Comp. 1S64. IV u. 4l,X) S. in Octav.
(Gröttinger gelelirte Anzeigen ISHH, 1112—1120.)
1112 Vorstehendes Buch scheint l)isher in Deutschland ganz
unbekannt geblieben zu sein, und zwar ganz unverdienter
Weise, weshalb gegenwärtige Anzeige desselben noch nicht
zu spät kommen wird. Der allgemein gehaltene Titel „Märcben
slavischer Bauern und Hirten" kTtujite zu der Aniuihme
verleiten, als enthalte es Märchen aller oder doch der meisten |
ili.s slavischen Vrdker: de mist al)er nicht so. Es enthält vielmehr
nur (drei) czechische, (acht) shtwakische und (zehn)
polnische Märchen. Die czechischeu, S. ."il le soleil ou les
trois cheveux ddr du vieillard \'sevede, S. 77 la vierge aux
cheveux ddr und S. -JS.") 1 ojseau du tVu. siud uach Auf-
zeichnungen Karl daromir lu'bens (Mai. Prag IS.3S, 1S,')9,
1860) übersetzt und waren uns Deuts('hen schon durch die
Uebersetzung in Alfred Waldaus Brdimischem Märchenl)uch,
Prag 18(50, S. 587, 13 u. 131, bekannt. Die s]owakis(dien
Märchen sind aus der Sainuilnng übersetzt, welche eine Dame
Bozeiia Nemec (mit weililicher Endung: Nemcova) unter dem
Titel Slovenske Poliadki a Povesti (Slow. Mär(dien und Er-
zählungen) 18.')8 zu Prag herausgegeben hat. Bereits Jos(^f
Wenzig in seinem westslavischen Märcdienschatz Leipzig 1857,
und A. Waldau a. a. O. Iiaben mehrere Märchen nach den
Originalen dieser Dame ül)ersetzt; Chodzko hat aber l)is auf
zwei, S. 15 les douze inois und S. :> ) le reve, welche auch
von Wenzig S. 20 u. S. 10 übei'setzt sind, grade nur solche
übersetzt, wehdu^ uns liisher in keiner deutschen Uebersetzung
l)ekauut waren. Die polnisclien Märcheu eudli(di, sind der
Sammlung entnommen, welche Glinski unter dem Titel
,Baiarz Polski' 1858 zu Wilna herausgegeben liat. d'apres le
recit oral ih's villageois rutheues du district lituani(Mi (h'
29. Cliodzku, Contes des paysans et des ])ätres slaves. 401
N(iV(»i;r(»(lek. i)ays iiiital de Mickiewicz. (»u le graud |toete
aimait ä piiiser ses premieres inspirations." Hr. Cli. scheint
der erste zu sein, der Märehen dieser Samnilung in eine
iiiclit slaviselie Sprache ül)ersetzt hat. Ref. wenigstens erinnert
sicli niciit, bisher etwas über dieselbe oder ans ihr gehört
oder gelesen zu haben. Nach dem Citat S. 103 muss die
(ilinskische Sammlung wenigstens 4 | Bände umfassen, und nu
somit kann nur ein sehr kleiner Teil derselben übersetzt sein.
Zu bedauern ist, dass Hr. Ch. diesen übersetzten Märchen
niclit auch noch Märchen anderer slavischer Völker, namentlich
der Serben und der Russen, beigefügt iuit. Bekanntlich hat
Wuk Stephanowitsch Karadschitsch sehr schöne serbische
Volksmärchen gesammelt, die uns Deutschen durch die Ueber-
setzung seiner Tochter Wilhelmine zugänglich gemacht worden
sind, und in Russland sind — abgesehen von früheren durch
A. Dietrich und J. N. Vogl verdeutschten Aufzeichnungen —
in neuerer Zeit durch Afanasjew und Cliudjakow reiche
Schätze gehoben, wovon bisher leider nur einiges wenige
von A. Schiefner in Benfey's Ur. u. Ucc. 11, 174, Ö^JJ, 111, 1)3
und von Gustave Chavannes in seinem sehr lesenswerten
Aufsatze .Die russischen Volksmärchen' in dem Sammelwerk
,Die Wissenschaften im 19. Jahrhundert-, Bd. 9, S. <S9— 132
übersetzt ist. Hr. Cli. spricht auffallenderweise S. 37.3 in
seinem .Epilogue' nur von den Heldenliedern, nicht von den
Prosamärchen der Serben.
Ueber das Verhältnis der Uebersetzung zu den Originalen
kann Ref., dem die letzteren verschlossen sind, nicht urteilen.
Aus der Uebereinstimmung aber mit der deutschen uebersetzung
der auch von Wenzig (»der Waldau übersetzten Märchen
ergiebt sich, dass diese treu übersetzt sein müssen, und auch
die übrigen machen ganz den Eindruck, als seien sie treu
übersetzt.
Herr Ch. hat aber die Märchen nicht bloss übersetzt,
sondern auch wie der Titel sagt, ,rapproches de leur source
indienne'. Diese Quelle ist die indische Mythologie, aus
welcher der Vf. in zahlreichen Noten mit Belegen aus den
französischen üebersetzungen desRig-Veda. Ramayana, Maha-
R. Kühler, Kl. Schriften I. 26
402 '^ii'" ^lärclifiifoiscluiiis;'.
hliarata. Bagli;ivat-Puniiia (von Laiiglois. Fauche, Foucaux.
Pavie, Buniouf) viele Namen, Gestalten, Züge uiul Anschauungen
der Märchen herleitet. Wir wollen und können nicht in das
Einzelne eingehen und bemerken nur, dass der \i., dem
Benfey's Untersuchungen unbekannt sind, gleich sn numcheii
aiulern l\l;"irclie]it"(»rschern nur zu geneigt ist, in aUen Märchen
entstellte Urinythen zu sehen.
Auf die so anziehende und für die Krforscliung des
Ursprungs (K'r \'(flks-Mäi'chen nnerlässliche Vergleichung der
Märchen anderer Nationen hat sich der Vf. nicht eingelassen.
Nur zwei oder dreinuil erinnert er an shivische Varianten,
und S. 51 vergleicht er ein Grimmsches Märcihen, dessen
Uebereinstimmung er sicli dadurch erklärt, (hiss W. Grimm
eine grosse Zahl vini Märchen in Erdmaiiusdorf in Schlesien
— also auf ursj)rüuglicli slavischem G(d)iet — gesamundt
habe, was jedoch ein ai'gei- Irrtum ist. W. (irimni hat keine
Märchen in Erdmannsdorf gesamnudt, sondern nur das kurze
Vorwort zur (>. Aufl. der Märchen dort geschrieben, nml
spezitdl das von Iln. Cli. M'iglichene Märchen, welches bereits
in der I. Ausg. staml. ist aus Hessen.
M(ige es mir gestattet sein, auf den folgenden Seiten
zu den einzelnen Märchen die mir bekannten verwandten
Märchen kuiz nachzuweisen. Ich beginne mit den czechischen
IMärchen. Mit dem .von den drei (nddhaaren (\i'i< A'seved'
(S. Hl) vgl. UKiii das. wie oben bemerkt, auch von Chodzko
angeführte Grimmsche Märchen Nr. "ii), zu welchem W. (irimm
in den Anniei-kungen viele, aber m»cli nicht alle Varianten
luichgewiesen hat. [Unten zu riagic no. ;')(!] — Zu dem .von
derdungfrau mit den G oldhaaren' (S. 77) sind zu ver-
lud gleichen das jüdische Märchen bei Grimm KHM. 3, 111,
Pr(ihle Märchen für die ringend Nr. 18, (irimm Nr. 17 und
V. Hahn Griechische nml albauesische Märchen Nr. H7. — Zu
dem .vom lMMiei'vo<;el- (S. '285), welches nach S. 2<S(i sich
hei allen Slaven Hndet, vgl. (irimm Nr. 57 und meine ße-
nu'rkungeu im ( h-. u. Orr. 2, ()8(5 zu Campbells gacdischen
Märchen Nr. 4(! [oben S. 2(')5].
Von {\en slovakischen Märchen ist .Conversations avec
2!). t'liodzko, Contes des^ paysaus et des ])atres slaves. 403
les tlieiix oii iiii voyage (laus le suleil et daus la lime* (S. 95)
mir i'iue Variante des czechischen Märchens von den drei
(loldliaareu des Vseved, und eine andre, aber fast ganz
gleic'lie slowakische Aufzeichnimg von Dexuer ist von Wenzig
S. 36 übersetzt. — Zu dem Märchen des douze mois' (S. 15)
vgl. (irinini Nr. 13. — .La veillee ou riiomme large, Thonime
long et rhomme aux yenx de braise' (S. 177) findet sich
aiudi czechis(di bei Erben und übersetzt bei Wenzig S. 130
und bei Waldau S. 325, und man vgl. über dieses Märchen
Benfey im Ausland 1<S5<S, S. 1020 tt". 1038 tf., 10(i7 ff., zu
dessen Nachweisen man noch Curtze Volksüberlieferungen
aus Waldeck S. 75 und Kuhn Wästfälische Sagen etc. II, 23*.)
hinzufüge. — 'Kinkach .Martinko' (S. 340) ist eine hübsche
Variante zu Grimm Nr. 55. — Das Märchen ,Le temps et
les rois des elements' (S. 8) erinnert, insofern der Held
seine ihm geraubte Frau unter hundert ihr ganz gleichen
Frauen heraus erkennen muss, an ein anderes slowakisches,
von Ch. nicht übersetztes .Alärchen bei Waldau S. 248 (s.
besonders S. 265) und an Vernalekeji österreichische Kinder-
und Hausmärchen Xr. 4!). Die Aufgabe eine bestimmte
Jungfrau unter mehreren ganz ähnlichen heraus-
zuerkenne u begegnet übrigens auch in dem erwähnten
böhmischen Märchen von der Jungfrau mit den (ioldhaa-|ren 1117
(Ch. S. i)0) und in den Parallelen bei Pröhle und v. Hahn,
ferner bei Ch. S. 300, Straparola V, 1, (irimm KHM Nr. 62,
Schönwerth, Aus der Oberpfalz 2. 223 [Kuhn. Westf. Sg. 2,
249] und schon in einem Märchen Sonnidevas, s. Or. u. Occ.
2. 113 [oben 173]. — Zu den übrigen slowakischen Märchen
S. 1 de roi du temps', S. 53 'le reve" und S. 62 ,renfaut
perdu" weiss ich keine Parallelen anzuführen.
Wenden wir uns nun zu den polnischen Märchen. Das
scdiöne Märchen oder die schöne Legende (S. 103) von dem
Räuber Maday war schon in zwei polnischen Varianten
bekannt, bei K. W. AVoycicki Polnische Volkssagen und
Märchen (Aus dem Polnischen von F. H. Lewestam, Berlin
1839) S. 74 und bei Haupt und Schmaler Volkslieder der
Wenden 2, 315, aber die (TÜnskische Fassung ist die schönste
26*
404 2ur Märchenforscliung.
imd reichste. Dieselbe Legende wird mit meiir oder weniger
Abweichungen auch bei den Wenden in der Lausitz, in Li-
tauen, in der Walachei, in Siebenbürgen, in Dänemark und
mehrfach in Deutschland erzählt, wie ich gelegentlich anderswo
nachweisen werde. — [Bartsch, Schles. Provinzialbl. n. F. 4,
26 no. 4 (1865). Karlowicz, Wisla 2, 804. 3, 102, 300, 602
(1888—89). Archiv f. slav. Phil. 12, 497. Brugman no. 45.
Naake, Slavonic fairy tales p. 220. Notes & Queries 6. Ser. 10,
63 (Kriza 18: , Stephen the murderer'). Folk-lore Journal
2, 34. Skattegraveren 4, 103 (Cypri bisp). Jahn, Vra. aus
Pommern 1, no. 61. Peters, Aus Lothringen S. 167. Toppen
S. 123 Anm. Schulenburg, Wend. Vs. S. 60 (Barabas); Wend.
Volkstum S. 13. Baader S. 301 = Simrock, g. Gerhard
S. 38. Schambach-Müller S. 320 no. 63 (Barrabas). Schön-
werth 3, 35. Meier no. 16 (Matthes). Birlinger 1, 344.
Sepp, Altbayr. Sagenschatz S. 592. Elsäss. Neujahrsbl. 1846.
230. Pogatschnigg, Cariuthia 1865, 402. Schleicher S. 75.
Haltrich S. 167 no. 28. Schott no. 15. F. Müller, Rom-
sprache 1, 172 üo. 3. Ralston p. 376. Diederichs, Russ.
Revue 17, 139. Grundtvig 2, 49 (Midians Bett). Luzel, 5.
rapport p. 37. Grimm, Irische Elfenm. S. XXXV.] — ,L'hi-
stoire du prince Stugobyl et du Chevalier invisible" (S. 193)
ist mit geringer Abweichung dasselbe Märchen wie das rus-
sische vom starken Bulat bei Dietri(^h Russische Volksm.
Nr. 10 und bei Vogl Die ältesten Volksm. der Russen S. 55;
abweichender ist das griechische Märchen Nr. 37 bei v. Hahn,
in welches zugleich dns oben erwähnte Märchen von der
Jungfrau mit den Goldhaaren verwebt ist. — Zu dem Manchen
,resprit des stepp es' (S. 205), welcher Titel sich übrigens
nur auf den unwesentlichen Eingang bezieht, vgl. man das
russische Märchen bei Dietrich No. 2 und Vogl S. 1, wo
ebenfalls das Wunderpferd, die alte Hexe und der Zauberer
Katschei (Kostschei), dessen Leben an ein in mehreren in
1118 einander geschachtelten Gegen-|ständen steckendes Ei auf einer
fernen Insel geknüpft ist. Zu letzterem Punkt vgl. meine Be-
merkungen im Gr. u. Occid. 2, 101 [oben S. 159]. Die alte |;ute
Hexe Schaga in ihrer Hütte, ,posee sur une patte de coq.
29. Chodzko, Contes des paysans et des patres slaves. 405
comme .sur uu pivüt tournaiit% kommt auch iu dem später
zu erwähuenden Märchen vom Prinzen mit der goldenen
Hand vor und in einem von Chavannes a. a. 0. S. HO mit-
getheilten russischen Märchen. — ,L'imperissable- (S. 249)
ist trotz verscliiedenem Eingang und vielen Abweichungen
im Einzelnen doch wesentlich dasselbe wie ein böhmisches
Märchen bei Waldau S. 'MS (nach Kosjin z Radostowa).
Auch Campbeils gaelisches Märchen Nr. 17, welches ich im
Or. u. Occ. "2, 300 [oben 19')] besprochen habe, ist eine freilich noch
stärker abweichende Darstellung desselben Stoffs. Wenn in
den polnischen Märchen der Held und seine Brüder von
ihrer (ieburt jede Stunde um sechs Wochen wachsen, so dass
sie iiacli zwei Jahren erwachsen sind, so findet sich ein
solches schnelles Wachsen nach Stunden öfter in den
russischen Märchen, s. Dietrich S. 1, 70,^115, 144. [Rh. Mus.
1875, 219]. Auch die Schilderung der in diesem Märchen
als böses Wesen auftretenden alten Schaga findet sich rus-
sisch, s. Chavannes a. a. 0. S. 96 f. und 111 ff. und v.
Busse Fürst Wladimir und dessen Tafelrunde S. 109. —
,Le pleur des perles' (S. 315) ist eine sehr schöne Variante
zu (irimm Nr. 135, — Mit dem Märchen ,1a paresse, (S. 331)
stimmt bis auf unbedeutende Kleinigkeiten genau überein
das russische Märchen Nr. 13 bei Dietrich, und mit ihnen
vgl. mau Basiles Pentamerone 1, 3, (irundtvig Gamle dauske
Minder i Folkemunde, ny Sämling, S. 308, v. Hahn Nr. 8
und das Oldenwälder Märchen in Wolfs Ztschr. f. deutsche
Mythol. 1, 3<s. Das polnische und das russische Märchen
sind I in sofern entstellt, als, während in den übrigen der ill&
Dümmling wünscht, dass die Prinzessin, die ihn ausgelacht
hat, ein Kind bekommen möge, in diesen beiden gar nichts
vom Lachen der Prinzessin vorkömmt und der Dümmling
wünscht, dass die Prinzessin sich in ihn verlieben inöge,
wozu der weitere Verlauf nicht recht passt. — 'La nappe
nourriciere, la verge fouetteuse, la ceinture qui devient l'eau
et le chapeau fulminant" (S. 349) gehört zu Grimm No. 54.
Ein eigentümlich schöner Zug des polnischen Märchens ist
der. (hiss der Dümmling mit einem Baumstumpf im AVald
406 Z^ii' Märclienforschung.
inniges Mitleiden hat und ihm, da alle andern Bäume Mützen
von grünen Laub haben, .seine eigene Mütze aufsetzt und
schenkt, wofür eine alte Eiche, deren Sohn jener Baum ist,
ihm dann das Tischtuch schenkt. Schön ist auch, dass aus
den Blutstropfen des unter dem Fenster der Prinzessin
getödteten Helden ein Apfelbaum rasch emporwächst, von
welchem ein Apfel in das Zimmer der Prinzessin fällt und,
von ihren Tliränen benetzt, wieder zum Menschen wird. —
Verwandt mit diesem Märchen und zum Teil mit dem von
Fortunats Söhnen und ähnlichen (vergl. meine Nachweise im
Orient und Occidenti'. 12.3 [oben 1S(5]) ist S. 148 de tapis volant,
le bonnet invisible, la bagne aurifere et le baton assommeur'.
Drei der AVunschdinge gewiimt der Held durch List, indem
drei Teufel sich um dieselben streiten und ihn auffordern
die Teilung für sie vorzunehmen, — ein vielfach vorkom-
mender Zug, über welchen man meine Nachweise zu dem
loten Volksmärchen ans Venetien im 7ten Bande des Jahr-
buchs für romanische Literatur [oben S. 308] vergleiclie. —
1120 Zu den l»eiden Märchen | ,Le nain' (S. 125) und Te prince
de la main d'or' (S. 225) als ganzen weiss ich keine Par-
allelen: im einzelnen bestehen sie grossenteils ans geläufigen
Märchenmotiven. In dem erstgenannten Märchen kommt der
eigentümliche Zug vor. (hiss der Held, um einen Hasen aus
den Klauen einer grossen Eule zu befreien, einen Toten-
schädel, der im Weg liegt, ergreift und damit die Eule tot
wirft, worauf der Schädel zu sprechen anfängt und ihm
erzählt, dass er einem Selbstmörder gehört habe und von
Gott verurteilt sei, so lauge im Kot herumzurollen, bis er
einem Geschöpf Gottes das Leben gerettet habe, was nun
nach 777 Jahren geschehen sei. Wenn in demselben Märchen
der Prinz durch die Ohren des Wunderpferdes kriecht und
dadurch übermenschliche Stärke gewinnt, die er später nach
wiederholtem, aber umgekehrtem Durchkriechen wieder ver-
liert, so ist zu bemerken, dass derartiges wunderbares Durch-
kriechen durch die Ohren der Zauberpferde in den rus-
sischen Märchen häufig ist. s. Dietrich S. 47 und 185 und
Chavannes S. 102. 105 fi".. 115. [Brugnnin S. 858. Kaiston 25S.
29. Chudzko, C'untes des paysaiis et des patres slavcs. 407
Gliuski 1. 44. 47 Slj. Es scliciut dies eiu den poliiisclieii und
russischen 3Iiu'elien ganz eigener Zug. Der Riesenkcipf unseres
^[ärchens endlicli. vor welchem ein gewisses Schwert liegt,
kommt ebenfalls in einem russischen Märchen bei Dietrich
S. 236 und Vogl S. -247 vor. — Zu dem noch übrigen Märchen
vom Prinzen mit der (loldhand nur zwei Bemerkungen. Das
wunderbare Knäuel, das. wenn man es hinwirft, einem
den ^Yeg weist, begegnet nns auch bei Grimm Nr. 49. Wenzig
S. 107. Busse S. 115, Dietrieh S. :y2 und in 1001 Nacht, s.
Benfey Pantschat. I. 4SS. [Grundtvig no. 16 S. 204. Kamp,
DF. p. 299. Maurer S. 99. 277. 813. Poestiou S. 146, 251.
Nord und Süd no. 17. Krauss 1. no. 82 (Apfel). Folk-lore
Journal 1, 316. Folk-lore Kecord 2, 186 (Kugel). Sebillot
1. 185 (Kugel). Ortoli p. 184, 311. Prato p. 36. De Niuo
no. 13 p. 73. Spitta p. 17. 19. 130 (Kugel). Knoop no. 15
(Kngel). Peters . aus Lothringen S. 182 (Kugel).] Das
Märchen schliesst, ebenso wie das oben besprochene .le tapis
volanf, damit, dass der Held, um die Hand der (ieliebten
zu erhalten, sechs von ihr gegebene Rätsel lösen muss.
Die zw("ilf Rätsel der Ixdden Märchen sind übrigens einfache
Volksrätsel, wie sie überall vorkommen.
AVir schliessen unsere Anzeige mit aufrichtigem Dank
für die allen Freunden der Märchenlitteratur. welche der
slavischen Sprachen nicht mächtig sind, gewiss loKliwillkom-
mene Gabe des Herrn Chodzko.
30. Anmerkungeil zu V. Jagic,
Aus dem südslavischen Märchenschatz,
(Archiv für slavische Philologie 1, 267—289: nu. 1 — 15; 2, 614—641:
no. 16—35-, 5, 17—79: no. 36—58. — 1876—1880.)
1. Ein Prinz niid ein Araber (= Neger).
(a. Yqjinuric, Serbische Volksmärchen. 1869. Xr. 1. — I). Stefanovic,
Serbische Volksmärchen. 1821. Nr. 7.)
Viil. Hahn, griechische Märchen Nr. 87 und yeot/jjjny.a 272
ärdhy.Ta 1. 40. \r. l'>. In beiden serbischen und dem 2,rie-
40^ Zur Märehenforjohung^.
ohisrhen M. sind zwei auch gesondert vorkommende Märrhen
vereint, s. meinen Aufsatz in der Germania 11, 387 ff., beson-
ders S. 308 — 4iK>. nnd meine Bemerkung zu Gonzeubach.
sirilianische M., Nr. 83. II. [>Iijatovies ]>. 189. Bulgarisch im
.\n hiv ö, 79. Oben S. 394 zu Meyer Nr. 13.]
Wenn in dem zweiten serbischen Manchen ein Mäd-
i'hen nur den heiraten will, der sieh so versteckt, dass
sie ihn nicht finden kann, so vgl. man die von mir in
A. S<*hiefners awarischen Texten. S. IT (m Nr. 1^ msammen-
gestellten Märchen. [Im Charakter des bei Hahn gr. M.
Nr. 18 mitgeteilten M. w^ird vom Coso (= der Bartlose.
o aTar6g\ erzählt in einem. Vila 18t>7. Nr. 14. p. 717. mit-
getheilten M., w^elches später bespr»»chen werden wird.]
*2. Der Igel und der Fuchs oder der falsche Schwur.
(iVo>jiDOTii5 Nr. 2.»
2TS Vgl. die Fabel ..Der Fuchs und der Igel- Nr. 13 in der
Sammlung von Plohl-Herdvigov (Varasdin 18H8V wo siih
der Fuchs rühmt. 7 7 fachen Verstand zu besitzen, während
der Igel nur 3fachen hat. Und diH'h als sie in eine Wolfs-
grube hineinfielen, wusste eher der Igel Rat zu geben. Er
meinte, zuerst solle der Fuchs ihn beim Ohr packen und
hinauswerfen, dann werde er ienen beim Sk-hweif henuit-
ziehen. Der Fuchs folgte den Rat und warf den Igel
hinaus, dieser jedoch lachte jenen aus. dass er sich mit
77 fächern Verstände hatte betrügen lassen. Inzwischen kam
der Bauer und nahm den Fuchs gefengen. [Krauss 1. Nr. 13.
Inten zu Schiefner Nr. 7.]
Das Schworen beim Eisen i eiserner Falle"» kehrt in
einer anderen Fabel der Plohlschen Sammlung Nr. 14 wieder,
welche zu Nr. 13 [unten 4"*3 Nr. "28] des Anhanges der Wuksihen
Sammlung mitgeteilt werden wird. Ferner in der Tierfabel
ans Bosnien, welche Neusatzer Danica 18l>8 p. 5t.X> erschienen
ist. wo Fuehs, Wolf und Bär in Gesellschaft Wintervorräte
sammeln: als zur Teilung der Beute geschritten ward, fand
mau das meiste aufgezehrt. Mau beschuldigt den Fuchs.
doeh er beschwort seine rnschuld beim Eisen. Seinem Bei-
lin. A Miiirrl\ uii^c'ii /.\i \'. .lauii- Nr. I I!.
40})
spiclr will (Irr l>;ii- l'(ili;cii. er li:iiit ;iImi- mit der T;it/o S(»
lict'tii; aufs l-liscii. dass rr ucraimcii wird. [Kraiiss I. Nr. '21. 'J,
Nr. •_'.'►. (Iiiiiiin. K'.'iiiliait l-'ncli- >. lAWI. ('('\. \'(diit. Vscii-
Urimiis S. lAWIII und .".trj.l
:{. Dil' tiM'ulos«' Mutler.
( \' iiiiiuiN ir N r :!. )
hics M. i<\ t'iiic iiiaiii^idliat'lt' iiliciliidr itc l'"a,v.^iiiiL; i'iiics 214
writvi'ri)rcitctrii M.. wtddh's man das M. \(in dem (iliicks-
\nH('| ncnni'n kann, \ ul. das M. \(ini Nduid llctticni^ in
dem liii'kisilii'n Tut i-Nanndi. üImts. \(m Iniscn. Lcip/i;; IS,')?.
II. "-".Mir.. da> M. ..Lidsc;in jauni'- do (iratcn ( ay Ins ( < 'aliiiict
des l'\'es. '24. i'dTlV. <>rnvri's hadincs s. ."{.'{(I. \<^\, (irimni.
Kini. ;!. ;'.i'7>. Ilalm. Ciic.liisrjic M.. \\-. :U\. Wnk. \u|kMn.
(Irr Scrlicn. Nr. "Jii. Ilaltricli. hriitxin' \'(dksni. an.^ dem
Süclisrnlandi' in SichcnWiir^cn. Nr. i>. Mikld.^ii-ji. .M;ir( Ikmi nml
l/ii'dcr (Irr /iucunrr drr UnkuwiiKi ( I dirr dii' Mnndartcn
lind W ai!dr|-iini;('ii drr /i^riimr l'.iirnpas. I i. Nr. li. he (liiitcr-
iiatis. /()(dni;ical M\tlhdii^\. '. ."117 1.. "_'. ."Ml I'. I leider nur /u •JTf)
kiir/er .\n>ziii; ans .\t'aiia>ie\ s riissiseliem M. .'>. Nr. .");i).
[At'anasjeN s. Nr. •_'('.. ClindjakdV I. Nr. ■_'.'. und 2i>: .".. Nr. Il!>
(in rnss. M. \>\ es hald eine l''.iite mit i:(ddenein Va. hald
eine \\ iinderlieiine. \\(d(die statt l'äer sidlistuliin/.i'iide Meine
leiiti]. hietrieh. Iv'iis>ise|ie \'.dksiii.. Nr. ü. Iva(ll(dl'. riidieii
der \'nlk>litteratnr der tiirki>clieii Stinnme Süd - Sihirieiis. I.
177 (f.. (iaal. .M. <ler Mauyaren. s. j'.i.MI'.. Waldan. K.lliniisehes
Märelienliiieli . S. :i )ir.. (iriniin. KIIM, Nr. \22 (\ul. aiidi
Nr. (i I lind ilas I Iriielist liek in der \ iiiiierkiniL; da/.n i. I'n'dile.
M. fiii- die Jimeiid. Nr. IS. /iii-<M-|e. KIIM. ans Siiddentseli-
laiid. S. •_'(;) 11'.. |;n>k. The I'idk-h.re ,d' Umn.'. S. IICIV. Ln/e|
liat das M. |l.e |ietit niseaii a lOenl' dUrl aneli in der lli'e-
taL;ne ueriindeii. alier iimdi iiiclit \ er(dreiitli(dit. Stdullnt |.
IUI. II. ('(isi|niii 1. 7.'i. \iseiitini im. .".;;. |)e Niiin im. "_' I .
inilniani. ( niiti |Mniiiul.. deeklin I. 11'.'. i,i\ i^stad -Snndheri;
im. 1 ;; I |\(i|i!' niid Kliii;(d ). Spitta im. '.'. Sdcin. /A'itsclir. d. dtseli.
1 -^^enj. in's. .">(;. •2'.\X. S(diiet'iier. Ind. Kv/.. S. (uC). Steel
and Teni|de im. IC. I /id/.iiarski S. •_'.');!. Üaissac im. (!.
410 '^ur Märclienforschung.
Stumme, M. der Sdiluli 1895 S. 119 no. 15. Polivka, Ar-
chiv f. slav. Phil. 19, 26^ no. 16. Zs. d. Y. f. österr. Volksk.
•2, 222 110. 78.]
Unser serbisches M. und das griechische stehen sich wohl
unter allen am nächsten und würden wahrscheinlich noch
mehr übereinstimmen, wenn das serbische besser ül)erliefert
wäre.
Ganz eigentümlich ist unserni serbischen M. der Zug
von dem Spielen mit 'den Aepfeln und der dabei den Eltern
unbemerkt erwiesenen Ehrfurcht. ■
4. Lebt Marko Kraljevic noch?
(Vojinovic no. -t.)
27.Ö Zu dem Teil des M., wo der Held sich in den Sarg
legt, um dessen Mass zu probieren, und so gefangen wird,
siehe die Anmerkung zu \r. 9.
Wenn dann im serbischen M. der Held den Schwanz
eines Wolfes durch ein Loch in den Sarg hereinzieht und
der Sarg so vom Wolf fortgeschle[)pt wird, bis er emilich
276'zertrüinmert\vird, so vgl. man das Lügen- märchen im 35. Kapitel
der „werklichen Historien Hans Clauerts"^) und ein unga-
risches Lügenmärchen in Gaals ungarischen Y(dksm., übers,
von Stier, Nr. IS. In beiden M. wird einer von Räubern in
ein Fass gesteckt und erhascht durch das Spundloch den
Schwanz eines Wolfes, der nun das Fass fortzieht. In dem
ungarischen M. zerfällt endlich das Fass, der losgelassene
Wdlf entHitdit. und der Held des M. ist frei. In dem deut-
schen M. begegnet der die Tonne tortschleppende Wolf einem
Fuhrmann, der erst den Wolf todt und dann die Tonne ent-
zweischlägt, in einer Novelle Francesco Sacchettis (Nr. 17)
[Bülow, Novellenbuch 8. 531] hält ein junger Mensch, der
sicli in ein Fass versteckt hat, ebenfalls den in das Spund-
loch geratenen Schwanz eines Wolfes fest, der Wolf zieht das
Fass fort, wird alter endlich von dem F<iss erschlagen. 1 Krem-
M Vergl. üImt dieses Volksliiirli Goeilekes (Ti-uiidriss zur (feseliichte
■r (leiitselieii Dielitiin-- 1, 421. |Neu(lruek von Kälise 1882.]
;{(). A niiH'ikuiiüiMi zu V. Jagic Xr. 8 — 5. 411
iiitz HO. 1"-'. Kollaiid. I*";iiiii<' pop. 1. 14'-l. ■\lehis. 1, IM). Im-
hriani. ('dilti poui. p. i'NT. (iniiilKirg S. 80. Vgl. aucli
Kraiissl.no. 42. Gittee-Lemoiiiep. 1Ö4. Reuter, Werke 1. •JIU.]
(Das weitere Gespräcli des (Jreises (= Marko Kraljevic)
mit dem Fremden gehört dem Sagenkreis von den Helden,
Kaisern etc. au. welche nicht gestorben sind, sondern irgendwo
geheim uud versteckt fortleben. Vgl. darüber zuletzt die
Abhaudluug Pr(d'. Vesidovskis im Journal des Min. der Volks-
aufkl. IST.') unter dem Titel: Versuche zur Kiitwicklungs-
geschichte der cliristl. Legende (russisch). Was speciell die
Sage vom Fortleben des Kraljevic Marko betrifft, so vgl.
darüber ausser s. v. Marko Kraljevic im Vukschen Wörter-
buch (oder auch sein Buch ,,Zivot i obicaji'' p. "240) noch
eine schöne Erzählung aus Bosnien, mitgetheilt in Danica
IS(ii). p. (;3— G4.)
5. Die Heirat der zwölf Brüder.
( V(i,'inovic uo. b.)
Einer Parallele zu dem ganzen M. erinnere ich mich nicht, .j^g
Zu dem Teil des M. wo die Zaui)erin elf ihrer Töchter
statt der elf Jünglinge tötet, vgl. den Anfang von Xr. 9
und meine Anmerkung dazu.
AVie in nnserm M. die rochter der Zauberin, welche der
jüngste geheirathet hat, eine Feder von der goldenen
Henne ihrer Mutter mitgenommen , hat, und wie dann der 979
Fürst des Landes diese Feder sieht und von dem jüngsten
verlangt, dass er die Henne herbeiscdiaft'e, so nimmt in dem
von Miklosich mitgetheilten Zigeuner-Märchen Nr. 9 Tropsen,
der mit drei Brüdern bei einer Zauberin übernachtet und
veranstaltet hat. dass sie ihre Trichter anstatt der Brüder
tötet, eine Feder von einem Vogel der Zauberin mit sich
und muss dann auf Befehl seines Herrn, der die leuchtende
Feder sieht, den Vogel holen.
Weim im Anfang des M. Pfähle mit Menschenköpfen
besteckt vorkommen, so vgl. man Wnk Nr. 4. 23. Haltrich,
M. aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen. Nr. 3S (= Grimm,
KHM Nr. 191). Schiefner. Awarisehe Texte, S. 4. (32. Ral-
412 Zur Märclienforschung.
stoii, Riissian Folk- Tales, S. 93. [Schott Nr. 187, 188.
Hahn Mr. 2-2.]
Auf einige andere Einzelheiten des M. unterlasse ich es
diesmal näher einzugehen. [Zu dem kupfernen, silbernen
und goldenen Rosse, vgl. Ausland 1857, 1021) (rumänisch).
Kreutzwald S. 170. Schreck S. 139. — Dieselben drei Metalle
begegnen häufig in dieser Folge. Bäume: unter Nr. 43.
Grundtvig GdM. 2, 31. Asbjörnsen-Moe Nr. 19. Poestion,
Lappl. M. Nr. 21. Sebillot, Contes 1, no. 3. Kremnitz 246,
251, 278. Wuk S. 181. Brücke: Kremnitz S. 160. Rad-
ioff 4, 398 — 400. Schlesisches Volkslied im Deutschen Museum
1852, 2, 165. Sc bloss: Luzel, 5. rapport p. 11. Romero
p. 130. Ralston p. 75, 237 (auch Edelstein). De Guber-
natis, Zool. Myth. 1, 296; Florilegio 73. Schiefner, Ind. Erz.
Nr. 46, S. 476. Dsanglun S. 241, 271. Soge-Bundel S. 40—44.
Kamp, D. F. 298. Berntsen 1, 101. Müllenhoff Nr. 15.
Haltrich Nr. 11, 24. Zingerle 2, 326, 96. Deecke, Lüb.
Gesch. Nr. 84 (Mast). Bartsch 1, 268. 326 (Sarg). Zs. f.
dtsch. Phil. 8, 100 (Schlüssel). Asbjörnsen Nr. 51 (Rüstung).
Gonzenbach Nr. 9 (Sessel). Godin S. 126. 179 (Dach. Kugel).
Cosquin Nr. 43 mit Anm. Visentini Nr. 5. Roum. F. T. 69.
Comparetti Nr. 22 (Kristall, Silber, Gold). Corrazzini Nr. 19.
(Silber, Gold, Diamant). Brugman-Leskien 541, 555 (ebenso). Zs.
f. d. Alt. 29, 447 (russisch: ist Gold, Silber oder Kupfer das Wert-
vollste?)]
(>. Der Segen des li. Sabbas oder:
Ohne dich soll man nicht das Urteil sprechen können.
(Yojinovic no. 6.)
279 Eine ganz eigentümliche Fassung einer bekannten, weit-
verbreiteten Fabel [Schlange lösen], über welche man meine
Anmerkung zu Gonzenbach, Sicilianische Märchen, Nr. 69
nachsehe. Meinen dortigenNachweisen füge ich jetzt noch hinzu :
Haltrich, Zur deutschen Tiersage, S. 35, Nr. 29 [Märchen Nr. 87],
Asbjörnsen, Norske Folke-Eventyr, Ny Sämling, Nr. 95, Deulin,
Contes du roi Cambriuus, 3. ed., Paris 1874, p. 141, Com-
paretti, Novelle popolari italiane. Vol. I, Nr. 67, Pitre, Fiabe,
novelle e racconti popolari siciliani, Nr. 273, Morosi, Studi
30. Aiinierkungcn zu V. Jagic Nr. 5 — 7. 413
8ui dialetti greci della terra dOtraiito, Leere 1<S7<), S. 75,
Nr. 4, loanilidis, ^loTogla xa) nranoTix)) TgaTTFCovrioq , Kon-
stantiüopel 1870, S. '2{M\, Scliiefner, Aiisfülirlieher Beri(;lit
über V. Uslars Kürinisehe Studien, St. Petersburg, 187H,
(Memoires de l'Academie Imperiale des Sciences de St.
Petersbourg, Vlle Serie, Tome •20, Nr. 2), S. 91, Nr. 3,
Bastian, Geographische und ethnoh)gische Bilder, S. 239 und
278. Die Fabel ist auch ganz vortrefflich in einem neu-
griechischen Volksbuch erzählt, welches mir in folgender
Ausgabe vorliegt : UaQafwß^i rrjg dXovjrovg \ xara tijv yXomaar
T(7)v jiaidicov, CO Jigoasredr] xal ßixgoj' n dii]yr]jLia 6 BovQxoXaxag.
"Exdooig TZEfXTxrr]. "Ev'Aß'tp'aK;, ex tov TVJToyQfKpsiov'EQfiov, 1872.
Wann dies Volksbuch zuerst erschienen ist, weiss ich nicht.
[Köhler, Zs. d. V. f. Volksk. 6, 166 zu uo. 69, Krohn. Mann und
Fuchs 1891 S. 38, Jacobs, Indian f. t. 1892 no. 9, Decourde-
manche, Fahles turques 1882 no. 40, Joos 1, no. 77, Hörl,
Bacchusia 1677 p. 4— 2(1, Zs. d. V. f. Volksk. 6, 339
(Pedersen uo. 7).]
7. Der kluge Jägersohii und die neidischen Minister.
(Vojinovif nu. 7.)
Vgl. Hahn, Griechische M., Nr. 63, ein von J. Pio in der 20
Tidskrift for Philologi og Pädagogik, 7. Jahrgang, Kopen-
hagen 1866, S. 67 ff., aus Syra mitgeteiltes Märchen, und
Wuk, serbische M., Nr. 12. Die griechischen M. stehen
unserm serbischen M. näher als das bei AVuk.
Man s. auch meinen bereits oben zu Nr. 1 zitierten
Aufsatz in der Germania 11, 389 ff'., wo ich S. 401 das M.
aus Wuks Sammlung, und meine ebenfalls bereits zu Nr. 1
zitierte Bemerkung zu Gonzeubach, sicilianische M., Nr. 'S3,
II, wo ich das M. ans Hahns Sammlung besprochen habe.
[Köhler, Zs. d. V. f. Volksk. 6, 172 no. 83. — Zu dem in
den Trog des Ungeheuers gegossenen Branntwein vgl. Wuk
S. 101, Grimm 3, 121, Gaster, Mag. f. d. Litt, des Ausl.
1879, 613 zu Ispirescu p. 103. Unten zu Jülg S. 93.]
414- 2iir Märcheiifurscluiut;'.
H. EinniJil hat mich die Mutter i^eboreii.
(Vojiuuvic iiu. 8.)
281 Zu dem Schluss des M. vgl. Halm, Griechische M., Nr. 70.
In dem griechischen M. giebt ein Prinz einem Drachen einen
einzigen Schwertschlag. Darauf bittet ihn der Drache: Gieb
mir noch einen Schlag, damit ich rasch verende! Er aber
sprach: Meine Mutter hat mich nur einmal geboren. Da zer-
platzte der Drache, weil ihm der Jüngling keinen weiteren
Schwertschlag gab. [Liebrecht, Z. Volksk., S. 334, R. Köhler,
Melusine 5, 37: ,Ne frapper qu'un seul coup'].
S). Die ueitlischeii Brüder.
(Vojiiiovic HO. 9.)
283 Mau vergleiche die von mir zu Schiefner, Awarische
Texte, S. X — Xll (zu Nr. 3) besprochenen M., ferner Pitre,
Fiabe, novelle e racconti popolari siciliani, Nr. 33 u. 35,
Miklosich, Märchen u. Lieder der Zigeuner der Bukowina,
Nr. 9, Ralston, Russian Folk-Tales, S. 148.
Wenn in unserem M. der jüngste Bruder gemästet wird
und dann gebraten werden soll, listiger Weise aber die Mutter
des Drachen in den Kessel stösst, so sind von den ver-
wandten M. zu vergleichen: Pitre Nr. 33 u. 35, Hahn Nr. 3.
und zwar besonders Variante 4, Hylteii-Gavalliiis und Stephens
Nr. 3, A, und das in der Anmerkung dazu mitgeteilte M.
aus Dybecks Runa, Asbjörusen und Moe Nr. 1, Grundtvig 1,
210. Ferner vergl. man folgende mit unserm sonst unver-
wandte M. : Wnk Nr. 35, Haltrich Nr. 37, Wittstock, Sagen
u. Lieder aus dem Nösner Gelände (Bistritz 1860)), S. 25,
Ralston S. 165, Haupt u. Schmaler, Volkslieder der Wenden,
2, 173, Peter, Volkstümliches aus Oesterreichisch-Schlesien, 2.
165, Grimm Nr. 15, Hylten-Cavallius und Stephens Nr. 2,
Russwurm, Sagen aus Hapsal etc., Nr. 96, Radioff, Proben
der Volkslitteratur der türkischen Stämme Süd-Sibiriens, 1,307
(siehe auch S. XIII), Steere, Swahili Tales, S. 385.
Man s. auch meine Anmerkungen zu Nr. 4 und 5.
Der letzte Teil unseres M. — die Befreiung der Prin-
30. Ann)erkuiii;eii zu V. Jagic >«'r. 8 11. 415
zessiii aus dem Suhlaugeihschldss — kouiint in den verwandten
M. nicht vor.
10. Der grösste Spitzbube von der Welt.
(Yujinuvic iio. 10.)
Vergl. Grimm Nr. 19'_\ AVolf, Deutsche IMärcheu und 284
Sagen. Nr. ö. Kuhn und Schwartz, Norddeutsche Sagen etc.,
S. -ii)-, Schanibach und Müller, Niedersächsische Sagen und
Märchen, S. 31t), Vernaleken, Mythen und Bräuche aus
Oesterreich, S. "27, (irundtvig, Gamle danske Minder, 3, 6S,
Asbjörnsen und Moe, Norske Folkeeveutyr, Nr. 34, Arnasou,
Icelandic Legends, translated by Powell and Magnusson, "2,
()09, Lootens. Oude Kindervertelsels in den Brugschen Tong-
val, S. 43, De (iubernatis. Novelline di S. Stefano, Nr. 29,
Straparola. Piacevoli Notti, 1. 2, Cenac Moncant, Ccmtes po-
pulaires de la Gascogne, S. 99, Blade, Contes et Proverbes
recueillis eu Armagnac, S. Ifi, Campbell. Populär Tales of
the West -Highlands, Nr. 40 (Orient und Occident 2. 677).
[Ölten S. 255 u. 305 zuWidter-Wolf no. 9, (.'osquin no. 70. Luzel,
Veillees bret. p. 21<S, Fleury p. 167, Webster p. 140, Fina-
more no. 24, Prato, (Ui ult. lavori p. 23, Hansen, Zs. d.
Ges.f. schleswig-holst. Gesch. 7, 217, Brugman no. 37, Krauss 1,
no. 55].
In fast allen diesen M. finden wir die erste Probe des
serbischen M. in mehr oder weniger ähnlicher Weise wieder.
Der zweiten Aufgabe des serbischen M. entspricht die eine
bei Asbjörnsen, wo der Braten vom S])iess gestohlen werden 285
soll, aber die Art der Lösung ist ganz verschieden. Die
dritte Aufgabe — Entwendung eines Ringes — kommt bei
Grimm und De (üibernatis vor, aber ebenfalls in anderer
Weise geh'ist.
11. Der Teufel und sein Freund.
(Vojinovid no. 11.)
Dieses M. erinnert an die Erzählungen, in denen einer, 9^5
dem die Aufgabe gestellt ist, gleichzeitig seinen besten
Freund und seinen ärgsten Feind zu bringen, seinen Hund
41(1 Zur Märchenforsohung-.
und seine Frau bringt. Siehe die reiche Zusammenstellung
von Erzählungen dieses Inhaltes bei A. Mussafia, lieber eine
altfranzösische Handschrift der k. Universitätsbibliothek zu
Pavia, Wien 1870 (Sonderabdruck aus dem 6-1. Bande der
phil. histor. Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wissen-
schaften), S. r>(S tt". 1). [Vgl. unten S. 4()ö zu no. 55].
12. Schatarbegs Paläste.
(Yojinovic no. 12.)
286 Eine Variante des berühmten M. vom gestiefelten
Kater, von welchem ich zahlreiche Versionen in meinen An-
merkungen zu (ronzenbach Nr. 65 und zu Schiefner, Awa-
rische Texte, S. XVI, Nr. (5 zusammengestellt habe, denen auch
noch Pitre, Fiabe, novelle e racconti popolari siciliani, Nr. 8(S und
ein M. aus Languedoc in der Revue des langues romanes 3, 396
hinzuzufügen sind.
13. Der Meister und der Geselle.
(Vojinovic no. 13.)
28 Zu dem Eingang vergleiche man das von Schiefner im
Bulletin de l'Academie Imperiale des Sciences de St. Peters-
bourg 1"2, 205 = Mehmges asiatiques 5, 170 bekannt ge-
machte ossetische Märchen vom Häuptlingssohn Mäuseohr.
In diesem hat sich Mäuseohr während eines Hagelwetters in
einen hohlen Baum verkrochen und ist ganz trocken ge-
blieben; nachher begegnet er einem durchnässten Teufel,
der ihm ein zauberkräftiges Blatt verspricht, wenn er ihm
erkläre, weshalb er so trocken geblieben sei.
(In einem im serb. dalm. Mag. 1S66, p. <S1 mitgeteilten
M. hat ein Zigeuner seine Kleider dadurch tro('ken erhalten,
dass er sie in ein Bündel zusammenwickelt, auf einen Stein
gelegt und sich darauf gesetzt hat. Ihm begegnete der Teufel
') Die S. 67 erwähnte hierher gehörende Erzählung von Merlin
siehe bei Aniador de los Rios, Historia critica de la literatura espaiiola'
5, 60 und 3.o9. Vergl. auch Jahrbuch für ronian. und englische Litte-
ratur 12, 295: Zu der altspanischen Erzählung von Karl d. Gr. und
Sibille.
30. Aiiiiif rkmii^en zu V. Ja<;i(' Xr. 12 — 15. 4.]^7
uiul wollte auf jedeu Fall wissen, wie jener trorken geblieben
war. Der Zigeuner liess sich zunächst vom Teufel nach
Hause tragen u. s. w.) [Decourdemanche, Sottisier de Xasr-
Eddin Hodja 187S no. i^^].
Wenn der Zauberer, um sich an einem Weibe zu rächen,
alle Feuer in der Stadt aushischt. und nur au jenem Weibe
Feuer entzündet werden kann, so ist die bekannte Sage vom
Zauberer Virgilius, die auch von einem Zauberer Heliodor
und von dem griechischen Kaiser Leo dem Philosophen er-
zählt wird, zu vergleichen. Siehe Coniparetti, Virgilio nel
medio evo 2, 106 und 111 ff.
Auch der Schluss unseres M. erinnert an die Sage vom
Tode des Virgil. Siehe meine Bemerkung in der Revue cel-
tique 1, l'S'S [= oben S. 140] und Coniparetti a. a. 0. 2, 156 ff.
14. „Wer was thut, alles für sich/'
(Yojinovic uo. 14.)
Ich verweise zu diesem M. auf A. Webers Aufsatz „Ueber 288
eine I^jisode in Jaimini-Bhärata) in den Monatsberichten der
Berliner Akademie lS(i!), S. 10 — 1<S und S. 377 — 8S7. und
A. Veselovskis Aufsatz „Die Gründung ('onstantinopels'-' in
der Russischen Revue, hgg. von C. Röttger. Bd. 6, S. 181 — -202.
Von den in diesen beiden Aufsätzen zusammengestellten
Märchen und Dichtungen, denen man noch Baring-Gould,
Household-Stories, Nr. 6 beifüge, steht Hahn. Griechische M..
Nr. "20 dem serbischen am nächsten. [Romania 6, 161. Dozou
no. 13, Krauss 2, no. 88. 64].
15. Zauberhaftes Au- uud Loshiudeu.
(Yojinovic no. 15.)
Vergl. Hahn, griechische M., Nr. IK». „Häuschen, dem 289
ein Mohr in den Mund speit", und das von Schiefner in dem
Bulletin de TAcademie Imperiale des scieuces de St. Peters-
bourg 12, 205 = Melanges asiatiques 5, 170 bekannt ge-
machte ossetische „Märchen von dem Häuptlingssohn Mäiise-
ohr-'. In diesen beiden parallelen M. lassen Häuschen und
Mäuseohr eine F'rau mit aufgehobenen Kleidern einherschreiten
R. Köhler, Kl. Schriften. I. 27
4iy Zur Märchenforschun^.
und mehrere Personen an einander haften. Händchen hat
von einem Mohren die (labe erhalten, dass alles, was er
sagen werde, geschehen solle, Mäuseohr aber von einem Teufel
ein Blatt, welches er blos umzuwenden braucht, damit ge-
schieht, was er will. (Einige Aehnliclikeit mit dem vor-
liegenden serb. M. hat das unter Nr. 13 in Vila (Belgrad
1867, p. 703) erschienene, wo ein Schäfer mit seiner Flöte
alles zum Tanzen bringt. Das M. wird später mitgeteilt und
besprochen werden.) [Grimm no. (U „Die Goldgans".]
IG. Bas Celik.
(Yuk Stefano vic Karadzic, Serbische Märchen, 2. Aufl. 1870 S. 185.)
618 „Bas Celik" findet sich in englischer Uebersetzung in
dem Buche ,Serbian Folk-Lore. Populär Tales, selected and
translated by madam Csedomille Mijatovics. Edited. with an
intrdduction by the Rev. W. Denton', London 1874, S. 14()f.
(,Bash-Clialek-. or .True Steel*. ) [Krauss 1, no. 34].
„Bas Celik" und „Der rote Wind" (Vila 18(;<s, 447)
sind Versionen des M. von den Tierschwägern. Vgl. be-
sonders J. A. Buchon, La (irece contineutale et la Moree
• S. '2(u („le Dracophage") [^ Legrand p. 145], Hahn, Grie-
chische M. Nr. 25, Ralston, Russian Folk-Tales S. 85 und 9S,
Schief ner, A warische Texte Nr. 4. [Cos(iuin no. 40, Dozon
no. 15.] Ausserdem vgl. ein ungarisches M.. das ich in zwei
Fassungen kenne, nämlich in der bei Maihith, Magyarische
Sagen. Märclien und Erzählungen "2, 133 und in der, welche
Miss Busk. The Folk-Lore of Rome S. I(j7 auszüglich mitteilt.
[Gaal-Stier no. 1. Tsaganelli no. 2.] Zwar kommt in dem
ungarischen M. nichts von der Tierschwägerschaft vor, aber
übrigens bietet es viele Uebereinstimmungen, so das Suchen des
Feuers, das Binden der Morgendämmerung, die Begegnung
mit den Riesen, die schlafende Königstochter — bei Mailath
auch die Anspiessung der Schlange, welche eben die Königs-
tochter beissen wollte — die Entführung der Gattin des
Helden durcli den Zwergenkönig und ihre Wiedergewinnung,
naehdem sie von dem Zwerg erfragt hat. wo seine Stärke
sich befindet.
;{(). AiimerkunKtMi zu V. Jagic Xr. lö— 21. 419
Wie in dem serb. M. Ras Oelik dem Helden drei Leben
schenkt, sn verspricht in einem russischen parallelen M.
(Ralston S. 98) Koshchei für seine Befreiung .to save him
from three deaths\
17. Cela = der tilatzkopf.
(Yuk).
Vgl. die von mir im Jahrbuch für romanische u. eng- eio
lisclie Litteratur 8, 256 [= oben S. 330] zusammengestellten
M. Das serbische M. ist offenbar unvollständig erhalten; wir
erfahren nicht, wer Cela von Haus aus ist und wie er zu
dem Drachenpferd gekommen.
18. Der eiserne Mann.
(Vyiik). [= Krauss 2, no. 147.]
[Zum ganzen M. vgl. Ausland 1880, S. -257: Der Eisen- tj20
mann. (Zigeunermärchen aus Rumänien).]
Zu deui Anfang vgl. das indische M. bei Benfey, Pan-
tschatantra 1, 2()1, Hahn Nr. 07, Woycicki, Polnische Volks-
sagen u. M.. S. 101, Chavannes. Die russischen Volksm.. in
„Die Wissenschaften im 19. dahrh." 9, 107 und das finnische
M. bei Beauvois, Contes populaires de la Norvege, de la
Finlande et de la Bourgogne, S. 180. In allen diesen M.
schiessen Prinzen Pfeile al), und wo die Pfeile hinfallen,
sollen sie ihre Braut finden, oder, wie es im russischen M.
heisst. wer ihnen die Pfeile wiederbringt, soll ihre Gattin
werden. Auf diese Weise erhält der eine Prinz im indischen
und im griechischen M. eine Aeffin, im russischen und im
finnischen einen Frosch, im polnischen eine Kröte zur Frau.
19. Fisch als Pate.
(Vuk). [= Krauss 2, no. 144.]
20. Die Schwiegertochter der Kaiserin ein Schaf. * 21
(Vuk). f=:^ Krauss 2, iio. 142.]
21. Wilen-Berg.
(Vuk). [= Krauss 1, no. 85.]
420 ^^^^ Märc'henfurschung.
2'i. Ein Mädchen als Vogel.
(Vuk).
622 Dies M. ist ins Englische übersetzt von Frau Mijatovics
a. a. 0. S. 119. [Krauss 2, no. 140.]
28. Ein Kaiser wollte seine Tochter heiraten.
(Yuk). [= Krauss 2, no. 188.]
A^arianten bei Mikerlicic S. 23 und Valjavec no. 12.
624 Vergl. die von mir zu Gonzenbach, Sicilianische M., Nr. 38,
zusammengestellten M., ferner De Gubernatis, Le Novelline
di S. Stefano, Nr. 3, [Rivista 1, 86, Archivio 1, 190. 2, 21 u.
27], Pitre, Fiabe etc., Nr. 43, Busk, The Folk-Lore of Rome,
S. 66, 84, 90, Comparetti, Novelline popolari italiane 1,
Nr. 57, [= Nerucci no. 11, Imbriaui, Nov. fior. p. 158, Fina-
raore no. 3, De Niuo no. 17], Maspons y Labros, Lo Ron-
dallayre 1, Nr. 26, Luzel, Cinquieme rapport sur une mission
en Basse-Bretagne, S. 35, Ralston, Russian Folk-Tales, S. 159
u. 161, [Cosquin no. 28, Bartsch 1, 479, Legrand p. 217,
Webster \). 165 (158), Dozon no. 6, Brugmau no. 24, Mas-
pons 2, no. 1(), Consiglieri-P. no. Ki. Köhler, Zs. d. V. f.
Volksk. 6, 75 zu no. 38].
Der Goldstern auf der Stirn findet sich in dem paral-
lelen b(ihmischen M. bei Waldau, Böhmisches Märchenbuch,
S. 502, ein goldenes Kreuz auf der Stirn bei Vernaleken,
Oesterreichische Kinder- u. Hausm. Nr. 33.
Das Kleid aus Mäusefellen kommt bei Waldau a. a. 0.
nnd bei Zingerle, Kinder- u. Hausm. aus Süddeutschland,
S. 231, vor. (Vgl. auch die Prinzessin Mäusehaut in der
ersten Ausgabe der Grimmschen KHM. Nr. 71).
Wie in dem serbisclien M. jedes der drei Kleider so fein
ist, dass es in eine Nussschale geht, so tliut bei Grimm
625 ^r. 65 Allerleirauh ihre drei Kleider | in eine Nussschale. In
anderen M. kommen wunderbare Nüsse, Mandeln u. a. vor,
aus denen, wenn man sie öffnet, kostbare Kleider u. a. her-
vorgehen.
Zu der List der Kaisertochter mit dem Bad und dem
Plätschern der Enten vgl. das sicilianische M. bei Pitre, wo
80. Aiinu-rkungeii zu V. Jagic !Xr. 22 — 23. 421
den Euten zwei durch ein Baiul verbiiudeue Tauben ent-
sprechen, deren eine in dem Wassergefiiss festgebunden ist.
[Irnbriani].
Den vorgeblichen Städte nameu der serbischen M. ent-
sprechen in mehreren der parallelen M. ähnliche vorgebliche
Länder- oder Städtenamen, nämlich bei Miss Busk S. 87 u.
88: Frustinaia (Peitschenland), Stivalaia (Stiefelland), Schiaffaia
(Ohrfeigenland); C<iniparetti: Batti-paletta in sulle ginocchia
(Aschenschaufelschlag an die Knie), Batti-sferza in sulle spalle
(Peitschenschlag auf die Schultern). Batti-molle in su" piedi
(Feuerzangenschlag auf die Füsse): De Gubernatis: Battimolle,
Battigranata (Besenschlag). Battipaletta; Vernaleken: Besen-
wurf, Bürstenwurf, Kaniniwurf; Campbell, Populär Tales of
the West Highlands 1, "225: Königreich der zerbrochenen
Waschbecken, Leuchterland. [Bartsch: Stiefelschmeiss, Bürsten-
schmeiss: Brugman: Stiefel-, Messer-, Handtuchschloss; De
Nino: Monte Stivale. M. Paletta, M. Tenaglia; Finamore:
So" dde stuvele mije "n ghepe-chieva; Archivio 1. 190:
Batti-stivali, B. briglia. B. paletta; ebd. 1, 196: Batti-paletta;
B. molli. B. sella; ebd. 1, 197: Batti-paletta, -moUi. -soffiare.
Picchia-staffa. -frusta. -briglia; ebd. 1. 198: Frusta. Pedata,
Schiaifo; ebd. '2, "21: Idda di li fiietti, -briddi, -sproui; ebd.
2, "27: Ziddäi di r' ij)roui. -ri seddi, -ri fuetti; Corazzini p. 437:
Battistivali. Battecanzetta. Batteattaccaglie; ebd. p. 488: ,da
quel paese, che quando i nomina d'andare a la festa, i da
il baston zo per la testa'; Ortoli, p. 98: Royaume de bride,
deperon. de cravache; Consiglieri-P. : Land of the boot. -the
towel, -the Walking strick; Branca no. 37: terra la bota,
-verdasca, -toalha; Webster p. 161: Beaten with the slipper;
Legrand p. 220: (ii'ilville. Ecruvillonville. Bolineville. —
Halliwell. Nursery rhymes p. 25. .Kind Sir, if the truth I
must teil, At the sign of the Basin of Water (Broken-Ladle,
Broken-Skimmer) I dwelP. Child 8. 17G (Catskin's Garland:
vgl. Folk-Lore Record 3, 1). Grimm KHM. ^ no. 71: 'aus
dem Lande, wmi man den Leuten die Stiefel nicht an den
Kopf wirft'].
Ich verweise ferner auf folgende nicht eigentlich parallele.
422 Zur Märchenfursc'hung.
aber verwandte M. : Schueller, Sageu u. M. aus Wälsclitirol.
Nr. 24: Palettada (Asclienschaufelschlag), Mojettada (Feuer-
zaugeuschlag); Asbjöruseu und Moe, Norske Folke-Eventyr,
Nr. 19: AYaschlaud, Handtuchlaud, Kammland; Gliuski, Ba-
jarz Polski 3, 141. 143. 146: aus dem Land, wo sie den
Mägden Wasser in die Augen schütten: aus der Stadt, wo
sie den Mädchen Sand in die Augen werfen; aus dem
Palast, wo sie die Mägde mit der Peitsche ins Gesicht schlagen:
Woycicki, Polnische Volkssagen u. M., S. 124: aus der auf-
gehobenen Peitsche, aus dem goldenen Ring: Hahn Nr. 14:
Walgerholz, Schüreisen.
24. Drei Ringe.
(Vuk). [= Krauss 2, iiu. 1:^6.]
25. Die l)öse Schwiegermutter.
(Vuk). [= Kraubs 2, no. 148.]
627 Vgl. die von mir in Schiefners Awarischen Texten S. XXI
(zu Nr. 12). und in der Zeitschrift Melusine 1, 213 zusammen-
gestellten M. [Unten S. 4G3 zu no. 02.]
26. Abermals die böse Schwiegermutter.
(Vuk).
628 Zu dieser Vcir. vergl. Mijatovics S. 238, Gaal-Stier, Un-
garische Volksm., Nr. 7. Ausland 1858, S. 118 (rumänisch),
Schott. Walachische M.. Nr. 8, Haltrich, Deutsche Volksm.
in Siebenb., Nr. 1. Miklosich, Zigeuner-M. Nr. 1. [Kremnitz
no. 3.]
27. Die drei Kaisersöhue.
(Yuk). 1= Krauss 2, no. i;:54.]
630 Vgl. die von mir bei Schiefner, Awarische Texte, S. XIX
(zu Nr. inj zusammengestellten M. [Maspons y L. 2, 39 manadet
descombretas]. — Wegen der zwei die Stadt mit den Händen
auskehrenden 3Tädchen, welchen der Prinz zwei Besen giebt,
und des das Wasser mit ihren Haaren emporziehenden Mädchens,
\V('1( liiMU der Prinz ein Seil "iebt. seh.' man in meiner Au-
30. Aniiierkungeii zu Y. Jagic Nr. 23--28. 423
merkuiiu, zu G(»iizenb;u-Ii Nr. 13 den vierten Absatz auf S. 212
[Knliler. Zs. d. V. f. V<dksk. ÖfiS. Jf/mtr 1, 160] und füge
uoeli hinzu De Gubernatis. Novelline di S. Stefano. Nr. 2
(Frau, die das AVasser mit den Haaren lieranszieht und ein
Seil bekömmt; Frauen, die mit der Zunge kehren und einen
Besen erlialten: Frau, die den Backofen mit ihren Brüsten
reinigt und ..due involti'' erhält), Imbriani. La Novellaja
tiorentiun. 2. Ausg. Nr. 16 (Bäckerin. die den Backofen mit
den Händen reinigt und Lai»i)en und Kidirbürste erhält),
Hahn, Nr. 4!) (Drakäna. die mit ihren Brüsten den Backofen
reinigt und mit ihren Armen das Brot liineinschiebt) und
Nr. KH) (Sonnenschwestern, die den Backofen luit ihren
Brüsten auswischen und statt der OfVnschaufel die Hände
brauchen).
•28. Der lebendij^gescliiintlene Bock.
(Yuk). [= Krause 1, uo. 21.]
Vgl. Vernaleken. Oesterreichische Kinder- und Haus- (;3i
märclien, S. 116 (Nr. 22) und S. 0-I6. und <irimm. KH.M.,
Nr. 36. [Firmenich 2, 227, CoS(juin no. 47, Coellio no. 3.
Morosi no, ö = Legrand 181, Imbriani N. F. no. 42 n. Anm.,
Pitre Nov. pop. tose. no. 49.] In dem von Vernaleken (Nr. 22)
aus dem südlichen BöhnnMi mitgeteilten M. hat ein Bnuer
Sc4ner lügnerischen Ziege wegen seiiu'ii zwei Srdinen,
seiner Tochter und seiner Frau den Kopf abgesclilageu und
will daiiw die Ziege schlachten, die ;il)er mit geschorener
Haut und mit einem Messer im Hals entkommt und in ein
Fnclisloch flieht, den Fuclis und eine Kuh verjagt. al)er von
einer Ameise ans dem Loch getrieben wird. In der von
Vernaleken in den Anmerkungen (S. 346) auszüglich gegeltenen
Tiroler Variante entflieht die boshafte Ziege, mit mehreren
Messern im Hals, in eine Bärenhöhle; Bär. Fnclis und Wolf
fürchten sich vor ihr. aber eine Ameise vertreibt sie. In
dem Grimmschen M.^) schert ein Schneider seiner Ziege,
^) Das M. von der Ziege ist hier mir Einleitung und Schluss von
dem bekannten, aber sonst nur für sich vorkommenden M. vom Tisehchen-
deckdich, Goldesel und Knüppelausdemsack.
424 ^^"' Märchenforsehuiig.
(lereDtwegen er seine drei Söliiie Verstössen hat, den Kopf
glatt nnd jagt sie fort; sie flieht in eine Fnchshöhle nnd
trotzt dem Fnclis nnd dem Bär, weicht aber einer Biene.
Endlich gehört aber noch znm Teil hierher ein von
Afanasjew anfgezeichnetes nnd von Schiefner ins Dentsche
übersetztes M. (in der Zeitschrift „Das Inland", Jahrg. 1S61,
Nr. 21, nnd darans wiederholt von C. Sallnninn, Dentsches
Lesebnch, 1. Tl., Reval 1875, S. SO). Dieses M., welches
eine Variante des M. von den Hansti(M'en im Waldhanse
(s. meine Anm. zn (ionzenbach Nr. (Jlj) [Zs. d. Y. f. Volksk.
6, 165, Bolte, Zs. f. vgl. Littges.-h. 7, 454. 11, G*!] ist,
beginnt damit, dass ein Herr, der für einen Pelz noch ein
halbes Hammelfell braucht, einem seiner Hammel das Fell
auf einer Seite abziehen lässt. Der halb ges(-hnndene Hammel
flielit noch mit anderen Tieren vom Hofe seines Herrn, nnd
sie leben in einer Hütte im AValde. Ein Wolf nnd andere
Waldtiere suchen sie vergeblich daraus zu vertreilien, endlich
aber vertreibt der Igel mit seinem Stacliel den Hammel, dem
seine Genossen folgen.
Znm Schluss des M. der Plolilscheu Sammlung vgl. oben
1, 273, Nr. 2 [oben S.
29. Die Junten Werke gehen iiiclit verloreii.
(Vuk). [= Krauss 2, no. 133.]
632 Dies M., welches sich in englischer Uebersetzung iu der
Sammlung der Frau Mijatovics S. 96 (,(io()d deeds are never
lost') findet, ist eine Version des bekannten M. von dem
für seine Beerdigung dankbaren Toten, aber entstellt,
insofern der dankl)are Tote durch einen Engel ersetzt ist,
der den Helden für die Loskaufung der Königstochter nnd
der armen Bauern belohnt. Man s. über das M. von dem dank-
baren Toten meine Zusammenstellungen in derCJermania 3, 199,
im Orient und Occ. 2, 322 und 3, 93 [oben S. 5. 220]. in der
Revue critique dhistoire et de litterature 1868, Nr. 52, S. 414,
zu Gonzenbach Nr. 74 nnd in W. Försters Ausgabe des Ric-hars
li bians, Wien 1874, S. 28. Meinem Freunde, Professor Hugo
Weber in Weimar, verdanke ich seitdem iu»ch die Kenntnis
HO. Aiinierkun,i;oii zu V. Jiigic Nr. 28—29. 425
auch zweier litaiii.sclier M. von dem daukliareu Toten, die ich
nach 8eiiiei' Uebersetzimc, hier im Auszug gel)e. Das eine
ist im russiseheu Litauen — in Kmlrejawischken im Kreis
Retowo in Zenuiiten — aufgezeichnet und von L. (leitler
in seinen Litauischen Studien. Prag 1S7(). S. 21 — 23. mit-
geteilt: das and(M'e ist im preussischeii Uta neu aufgezeichnet
und lumdschriftlich im Besitz AVel)ers.
Der Inhalt des erstgenannten M. ist folgender: Ein König
liatte drei Sfthne. von denen er einen nicht leiden konnte.
Er gali ihm daher di'eihundert <loldstncke und Hess ihn damit
gehen. \v(diin es ihm getiel(\ Auf die Frage des Sohnes,
W(diin er gehe]i solle, wiid-cte der König mit der Hand und
sagte: Dahin! Der Krniiu,ssolin ging nun imnuM' gerade aus
in der von seinem \'ater angedeuteten Hichtung und kam
endlich auf einen Kirchhof. Hier traf er drei Männer, die
eben damit l)eschäftigt waren, einen Toten, der ihnen drei-
hundert <ioldstücke schuldig war. wieder auszugraben, um
ihn dann zu verbrennen. Nachdem der Krmigssohn sie ver-
gel)lich fnssfällig gebeten liatt(\ dies nicht j zu thun, bezahlte 633
er mit seinem (ield ihnen die Schuld (Ws Toten. Hierauf
trat er in die Dienste eines alten Kaufmanns, der ihn lieb
gewann und ihm sein gajizes A'ermögen hinterliess. Als er
nun einmal in Handelsgeschäften auf dem Me(n'e fuhr, wurde
sein Schiff durch den Sturm an eine Insel getrieben, auf der
er drei ebenfalls V(nii Sturm daliin verschlagene Königstöchter
traf, deren eine er mit sich nalim und heiratete. Inzwischen
hatte der König mich allen Seiten hin vornehme Roten aus-
geschickt, um die verlorenen Töchter zu suchen. AVer sie
fände, sollte sicli eine derselben zur Gemahlin wählen und
ein Vierteil des Königreichs erhalten. Der eine der Boten
kam in die Stadt, wo jener Königss(din als Kaufmann lebte,
und sah dort die Königstochter. Er kaufte vielerlei bei dem
Kaufmann und lud ihn mit seiner Frau auf sein Schiff" zum
Mittagessen. Als sie auf dem Schiff waren, Hess der (iesandte
heimlich davonsegeln. stiess daim den Königssohn ins Meer
und zwang die Königstochter zu schwören, niemandem zu
sagen, dass sie vei-heiratet sei. Als er mit der Köingstochter
426 Zi'i' Märcheiiforsohung.
bei ihrem Vater angelangt war, erhielt er den vierten Teil
des Reiches, und l)ald S(dlte aueh die Hochzeit mit der
Königstochter stattfinden. Aber der Königssohn war nicht
ertrunken, vielmehr war, als er ins Meer gestossen worden
war, plötzlich ein Mann in einem Kahn gefahren gekommen
nnd hatte ihn gerettet und ans Ufer gebracht. Der Manu
sagte ihm, er sei die Seele jenes Toten, den er für die drei-
hundert G(ddstücke losgekauft hatte, und belehrte ihn, wo
seine Frau sei und wie er sie wiedergewinnen könne. Der
Königssohn ging in die Stadt, wo seine Frau sich befand,
und gab sich ihr heimlich zu erkennen. Als nun der für
die Hochzeit der Königstochter mit dem Vornehmen bestimmte
Tag herangekommen war und alle Gäste versammelt w^aren
und in die Kirche fahren wollten, sagte die Königstochter:
„An welchem Unglückstage war es? an jenem Tage verlor
ich den Schlüssel zu meinem Schränkchen, in welches ich,
als ich in der Dienstbarkeit war, die allerkostbarsten Ding(3
zu legen pflegte; aber heute habe ich ihn unvermutet wieder-
gefunden. Deshalb, (hi ich nicht weiss, was zu thun, frage
ich Euer Liebden, wie ich mich benehmen soll. Muss ich
den alten Schlüssel gebrauchen oder den neuen, den ich an
der Stelle des ersten habe machen lassen?" Alle antworteten:
„Den ersten!"'). Da sagte die Königstochter durchs Fenster
zeigend: „Sieh, da ist mein erster Mann, aber dieser (indem
^) Diese Frage von dem alten und neuen Schlüssel kuninit
sonst nicht in den parallelen M. von dem dankbaren Toten vor, dagegen
in vielen anderen M., so auch in einem litauischen bei Schleicher, S. (i.
[Grrimm no. 67; in der 1. Ausgabe S. 277 no. 59 (Prinz Schwan), :^ •',
167, Kuhn-Schwartz, Nd. S. p. :352, Müllenhoff S. 390. 403, Wolf, Hm.
S. 216 = Vernaleken, Km. S. 243 = (iaal, M. der Magyaren S. 173,
Montanus 1, 331, Simrock, Der gute Gerhard S. 139, Schambach-Müller
S. 256 no. 1, Russwurm, Eibofolke 2, 274, Kristensen, 1, no. 3, Fleury
p. 149, Troude et Milin j). 257, Luzel, Rapports p. 187 ,1/homme-pou-
lain'; 5. rapport p. 28 ,Lliiver et le roitelet'. La princesse Troiol, Le
loup gris, L'homme-crapaud, La sirene et l'epervier. Pradere, La Bre-
tagne poetique p. 119, (Villemarciue, Barzaz-Breiz " ]). 492), Webster
p. 41, Coelho no. 73 (Consiglieri-Pedroso no. 9), Braga no. 24. 96, Ralston,
Songs p. 356, Zs. f. österr. Volkskunde 3, 31. 235, Lemke 2, 143. 203.]
30. Anmerkungen zu Y. Jagic Nr. 29. 427
.sie auf den Vdriieliinen deutete) ist der zweite !•' Und sie
erzählte alles, wie es ihr ergangen. Da wurde der Vornehme
hingerichtet, der Königssohn aber erhielt den vierten Teil
des Reiches und wurde zum Nachfolger des Königs bestimmt.
Das andere litauische M. erzählt: Der Sohn eines Fürsten,
der zu nichts taugte und den sein Vater mit einem Schiff
v(dl Weizen ausgeschickt hatte, sein (ilück zu versuchen,
kam in eine Stadt, wo überall an den Ecken geschrieben
stand: „Gerechtes Gericht". Die Strassen waren menschenleer
und wie ausgestorben, plötzlich aber stiess er auf grosse
Schweine, die einen Mann zerrissen. Er zog sein Schwert,
erschlug die Schweine und liess den Toten ehrenvoll begraben.
Dann begab er sich zum Könige der Stadt und fragte, was
das für eine (ierechtigkeit sei. dass Menschen auf der Strasse
von Schweinen zerrissen würden. Der König erwiderte, jener
sei einem etwas schuldig gew'esen und habe nicht l)ezahleu
können, darum sei er von den Schweinen zerrissen worden.
Der Fürstensohn bezahlte die Schuld und kehrte zu seinem
Schiff zurück. Hier fand er zwei sclnine Frauen, die der
Schiffer geraubt hatte und für die er dem Schiffer das ganze
Schiff" mit dem Weizen gab. Er kehrte zu seinem Vater
zurück, der sehr böse war. aber ihm doch nach einem Jahre
wieder ein Schiff mit Waren gab. Die eine der Frauen,
die eine Königstochter war, gab ihm ihren Ring mit, uml ihr
Bild wurde vorn am Schiff' j angebracht. Er kam in die Stadt (i34
des Vaters der Kiinigstochter, ihr Rild am Schiff" wurde erkannt,
und der König, dem er alles erzählte und den Ring der
Tochter übergab, versprach ihm die Tochter zur (iemahlin
zu geben und ihn zu seinem Nachfolger zu machen, wenn
er sie ihm zurückl)rächte. Von einigen Grossen begleitet,
kehrte er nachhause zurück uml holte die Königstochter.
Auf der Fahrt zum Körnig aber stiess ihn eines x\bends einer
der (irossen ins Meer. Er ertrank aber nicht, sondern gelangte
auf eine kleine Insel, wo er zwei Jahre lang von Fischen
lebte. Da kam eines Abends ein Mann herangerudert, dessen
Hände und Füsse abi^efressen waren, und erzählte ihm. dass
im näclisten Monat die KönilListochter jenen Grossen heiraten
428 Zur Märchenforschung.
solle, dass er ilm aber übers Meer bringen werde, wenn er
ihm seinen erstgeborenen Sohn verspräche. Der Fürstensohn
that dies nnd wurde in jene Stadt gebracht, wo er am
Hochzeitstage den Grossen entlarvte nnd selbst die Königs-
tochter heiratete. Als er einen Sohn bekam, erschien sein
Retter nnd verlangte ihn, erlaubte ihm aber auf sein grosses
Bitten, den Sohn 15 Jahre zu behalten. Als diese vergangen
w^aren und der Fürstensohn seinen Sohn an die verabredete
Stelle brachte, fand er jenen bereits dort. Dieser gab sich
ihm als der Geist jenes von den Schweinen zerrissenen nnd
von ihm begrabenen Mannes zu erkennen und liess ihn seinen
Sohn behalten.
30. Die Prinzessin und der Scliweinliirt.
(Vvik). [= Krauss 2, no. 131.]
635 Vergl. ein anderes serbisches M. bei Frau Mijatovics
S. 173 (nach der Vorrede zu schliessen, aus den Bosnjacke
narodne pripovijetke, Sissek 1870) und Miklosich, M. der
Zigeuner derBukowina, Nr. 7. [Vgl. unten S. 464 no. 54, Schulen-
burg, Wend. Volkss., S. (16, Wend. Volkstnm S. 42, Brug-
man S. 53(), Kristensen 1, no. 12j. In dem erstgenannten
lässt sich die Königstochter von einem Hirten vier Lämmer
geben und entblösst dafür nacheinander ihre beiden Schul-
tern, auf deren jeder sie einen Stern, ihren Hals, auf dem
sie einen Mond, und ihre Brust, auf der sie eine Sonne hat.
Als dann die Königstochter dem zur Gemahlin gegeben wer-
den soll, der diese geheimen Male kennt, und der Hirt sie
angegeben hat, behauptet ein Zigeuner, er habe die Zeichen
auch gewusst. Darauf giebt der König jedem siebzig Piaster,
womit sie in die Welt ziehen sollen, nnd wer damit in Jahres-
frist das meiste erworben, soll die Prinzessin erhalten, u. s. w.
— In dem Zigeunermärchen hat die Kaisertochter auf der
Stirn eine Sonne, auf dem Busen einen Mond, auf dem Rücken
Sterne. Um drei junge Ferkel von einem jungen Schweine-
hirten zu erhalten, entblösst sie sich dreimal, so dass dieser
die Zeichen sieht. Aber auch ein Kaisersohn, ihr Liebhaber,
kennt die Zeichen, nnd da also beide Anspruch an die Kaiser-
80. Aiinit-rkmiueii zu V. .liii^ie Nr. 2!) - 38. 429
toclitiT haben, bestimmt der Kaiser auf den Hat seiner Mi-
nister, (lass die Prinzessin niul die beiden Freier in einem
Bette schlafen sollen „et qui tenebit eam in complexu, ille
dncet eam". Der Hirt hat sich Snssigkeiten, Aepfel nnd
Brot mit ins Bett genommen und isst. Anf die Frage der
Prinzessin, was er esse, sagt er zuerst „Meine Lippen!", dann
„Meine Nase!", endlieh „Meine Ohren!" und giebt jedesmal
davon der Prinzessin zu kosten. Die Prinzessin ruft „Gott!
wie süss!", woranf der Kaisersohn allemal sagt: „Meine sind
noch süsser!" und sich Lippen, Nase und Ohren abschneidet
und der Prinzessin darbietet, die sie aber wegwirft. Noch
in der Nacht stirbt der Kaisersohn und wird aus dem Bett
gestossen, und am Morgen findet die Kaiserin den Hirten
und ihre Tochter einander in den Armen liegend. [Bei Dozon
Rapports sur une mission litt, en Macedoine p. 57 hat die
Samovila ,le soleil sur la face, la lune sur la poitrine, les
etoiles sur les vetements'. Prato, Zs. d. V. f. Volksk. .">, ;^)77.]
31. Der Basilicuinstrauss.
(Viik). [= Krauös 1, iio. 73.]
Vergl. Basile, Pentamerone 1, 2 („La Mortella", d. i. die 63«
Myrte) und das mehr abweichende sicilianische M. „Rosa-
marina" bei Pitre Nr. 87. [Pitre, Nov. pop. tose. no. 6.]
In einem neugriechischen M. (Halm Nr. "21) bittet ein
Ehepaar Gott um ein Kind, und wäre es auch nur ein Lor-
beerkern. Aus dem Lorbeerkern wird ein Lftrbeerbaum. in
dem ein schönes Mädchen sich befindet, wehthes schliesslich
einen Prinzen heiratet. Der Verlauf ist aber von dem ser-
bischen, dem neapolitanischen und dem sicilianischen M. ganz
verschieden.
32. Das Heilmittel gegen Hexerei.
(Yuk). [= Kraiiss 2, no. l'M).]
33. Ein Kind wie ein Pfefterkorn.
(Vuk).
In dem serbischen M. bei Frau Mijatovics S. 12;3 ('Sir 638
Peppercorn') bitten Eltern, die ihre drei Söhne verloren
430 ^'^ii" ^liirchent'orsc'liung.
haben, Gott um einen neuen Sohn, und wäre er nicht grösser
als ein Pfei^'erkorn ; übrigens aber ist dies M. nur teilweise
ähnlich.
Wenn der Held in unserem M. der ihn verfolgenden
Schlange ein Stück Fleisch von seinem eigenen Fuss
hinwirft, so vergl. man meine Aum. zu (ionzenbach Nr. (il,
ferner Pitre 2, 209. 235. 24<s. Mijatovics S. 141, Schiefner,
Awarische Texte Nr. 2. [Zs. d. V. f. Volksk. 6, KU. Blade 1,
190. 202.]
In Bezug auf das Ausschneiden der Sclilangenzungen
vergl. meine Anm. zu (ionzenbacli Nr. 40, zu der ich jetzt
noch manche Zusätze machen könnte. [Zs. d. V. f. Volksk.
6, 75.]
34. Der Traiiin.
(Vuk). [= Knuiss 2, iio. 129.]
640 Zu dem ersten Teil des M. (bis zur Verheiratung mit
der Königstochter) vgl. zwei magyarische M. in Erdelyis
Sammlung 1, 4()(1, und 4, 269, von denen ich tlas erste aus
der Cebersetzung in Stiers Ungarischen Sagen und Märchen,
Nr. 2, das zweite aus r)enfeys auszüglicher Mitteilung im
Ausland 1859, S. 569 [= Kl. Schriften 3, 199] kenne, ferner
ein rumänisches M. bei Schott, Nr. 9, und ein hürkanisches
bei Schiefner, Ausführlicher Bericht über Baron F. von Uslars
hürkanische Studien, 1872, S. 99. In diesen M. wird ein
Jüngling, weil er, wie vorher seinem Vater oder seiner ]\lutter,
so auch einem König oder Kaiser seinen Traum nic]it er-
zählen will, eingesperrt oder eingemauert, schliesslicli aber
der Gemahl der Tochter des Kaisers oder Königs, naclulem
er mehrere von einem feindlichen Fürsten gestellte Fragen
und Aufgaben gelöst hat. Das hürkanische M. stimmt inso-
fern besonders mit dem serbischen, als in ihm der Jüngling
Nachts aus seinem Gefängnis in das Gemach der Tochter des
Sultans geht und ihre Liebe gewinnt und so sie fernerhin
Naclits besucht; in dem ungarischen und dem rumänischen
bringt die Prinzessin dem eingesperrten oder eingemauerten
Jüngling Nachts Nahrung.
:!0. Aiiiia'rkun>;L'n zu Y. Jagic ^h•. 83 3»;. 43]^
Wie in dem serbischen M. der -lüngling einen \\'urt"s[)ie8S
über die Stadtmauer wirft, so zieht in dem von Stier über-
setzten ungarischen M. der eingemauert gewesene -lüngling
einen von dem Tatarenkönig in die Mauer desSchh)Sses geschlen-
derten ungeheuren Pfeil heraus und schleudert ihn ins Ta-
tare nlager zurück.
Zu dem zweiten Teil des serl)ischen M. (die Lösung der
v(ui den Türken gestellten Aufgaben mit Hilfe des Hörers,
des Läufers, des Werfers, des Essers und des Trinkers) vgl.
man die von mir in meiner Anmerkung zu Gonzenbach Nr. 74
und im flahrbuch für romanische und englische Litteratur 1'2,
412 besprochenen !\1., ferner Asbjörusen, NorskeFolke-Eventyr,
Nr. 79, Friis, Lappiske Kventyr og Folkesagn, Nr. 21, deutsch
von Liebrecht in der Germania 15, 1S4, und Radioff, Proben
4, 460. [Oben S. 397. Zs. d. V. f. Volksk. 6, 168 zu no. 74.]
85. Der heilig:e Sabbas und der TeiifeL
(Yuk). [= Kraus 2, no. 1.33. J
Vgl. die V(»n mir bei Filade, Contes populaires recueillis ti4i
en Agenais. S. l.M. zusammengestellten M. Das serbische
M. hat manches eigentümliche. Wie in ihm der Teufel von
einem Heiligen überlistet wird so auch im wälschtiroler
(Schneller Nr. 2: St. Johannes und der Teufel). [Blade 3,
159 (LSSH), Carnoy p. 62, Sebillot 1, 284; Trad. 1, 328,
Rolland 1. 150. Revue des langues rom. 2S. 47, Webster p. 43,
Braga no. Sl, Germania 26, 123, Korrbl. f. siebenb. Landesk.
]S^6. i')><. Krauss 2, no. 153, Kristensen 4, no. 399, Bondeson.
Halläudska sagor no. 17, p. 70: Sv. fs. no. 47, Nvrop. Sv.
landsm. 2, CVl. Certeux-Carnoy 1. 55 f.]
36 (Stefanovic 1871 no. 1). Ein Vater und seine zwei Söhne.
[^^ Kraiisö 2, uo. (51.]
Zu dem letzteren M. [Stojanuvic no. 13] vgl. das mäh- 18
risch-walachische M. (aus Kuldas Sammlung) bei Weuzig.
Westslavisclier Märchenschatz, S. 86, wo der Freund des von
seinen verheirateten Töchtern schlecht behandelten Alten
diesem bei dem auf seinen Rat veranstalteten Gastmahl eine
43'2 Zur Märchenforschung.
Truhe bringt, die angeblich voll (iekl, in der That aber voll
Seherben ist, und die bekannte Geschichte vom Kolben im
Kasten. (H. Oesterley zu Pauli, Sehini[)f und Ernst, Kap. 485.)
•H (Stef. H). Radovan und Slavojka.
j9 38 (Stef. 4). Die Hirten und das alte Weib.
39 (Stef. ;-)). Die Ooldkeller.
21 Man vgl. [Pio no. 10, S. 159 = Misotakis S. 71, Hahn
no. 45, Prym-Socin no. 32, Kremnitz no. 6 (statt Augen Seele
von den Elfen geraubt)] ferner folgende M.:
1. Serbian Folk-lore. Populär Tales selected and trans-
lated by Madam Csedomille Mijatovics^), London 1874, S. 248
bis 55: The Dream of the Kings Son, aus den in Sissek er-
schienen bosnischen Volksmärchen — s. (d)en Bd. 1, S. 268,
Nr. 6 — übersetzt. In diesem Märchen müssen drei Königs-
söhne eines Morgens ihrem Vater ihre Träume erzählen. Der
Jüngste, der geträumt hat, er habe sich seine Hände ge-
wasciien und dabei hätten seine Brüder ihm das Waschbecken
und seine Mutter das Handtuch gehalten, der König aber habe
ihm das Wasser ül)er die Hände gegossen, wird wegen dieses
Traumes von seinem erzürnten Vater Verstössen. Er findet
in einem Wald in einer Höhle einen blinden Alten, bei dem
er bleibt und das Essen besorgt, während der Alte, auf einer
grossen Ziege reitend, seine Ziegenherde auf die Weide treibt.
Eines Tags aber bleibt der Alte zu Hause und schickt ihn
auf die Weide, nachdem er ihn gewarnt hat, den neunten
Berg zu betreten, sonst würden die Vilen ihm die Augen
22 herausnehmen, wie sie ihm selbst gethau. Der Königs-jsohn
betritt natürlich trotztlem den neunten Berg, und alsbald
umringen ihn die Vilen. Er schlägt ihnen vor, mit ihm um
die Wette über einen Baum, den er gespalten und in dessen
Spalt er einen Keil gesteckt hat, zu springen, und wenn sie
') So heisst die Dame, eine geborne Engländerin, nicht Mijatovies^
wie auf dem Haupttitel und auf der Kückseite des Schmutztitels ge-
druckt ist.
3(>. Aiiiiiorkiuiü-iii zu y. Jjmic Xr. H7 30.
433
uiclit diwiWn'v spriiiy,.,! k.iimt.'ii. s,.llteii sie ilmi seine Alicen
lassen. Die Vileii sind dazn l.ereit. und es oeli„gt ihm,
gleich die erste Vila. wie sie über den Banm .springen
will, durch das Herausschlagen des Keils in den Spalt ''zu
klemmen, und er lässt sie nur unter der Bedingung wieder
frei, dass er seine Augen behalten darf und dass der blinde
Alte wieder sehend werde. Die Vilen geben ihm ein Kraut,
wodurch der Alte sein Gesicht wieder erhält. Am nächsten
Morgen giebt der Alte, ehe er auf die Weide geht, dem
Königssohn die Schlüssel zu acht Kammern der Höhle, ver-
bietet ihm aber die neunte, über deren Thür der Scldüssel
hängt, zu öffnen. Trotzdem öffnet der Königssohn diese
Kammer und findet darin ein goldenes Ross. ein goldenes
Windspiel und eine goldene Henne und goldene Küchlein.
Kr flielit auf dem Ross und nimmt Windspiel, Henne und
Küchlein und ausserdem — auf Geheiss des Rosses — einen
Stein, etwas Wasser und eine Schere mit. Der Alte verfolgt
ihn auf seiner grossen Ziege, und der Königss.dm muss des-
halb auf Gehei.ss des Ro.sses den Stein. (hi.s~Wa.sser und die
Schere nacheinander auswerfen. Aus tleni Stein wird ein
Berg und aus dem Wasser ein Strom, wodurch der Alte auf-
gehalten wird, an der hingeworfenen Schere aber vei-wundet
sich die Ziege, und der Alte mu.ss deshalb seine Verfolgung
aufgeben. Er ruft dem Königssuhn zu. er möge zwei Esel
kaufen und mit deren Haut Ross und Hund verhüllen, weil
man ihn sonst ihretwegen töten würde. Henne und Küchlein
hat der Königssohn in einen Sack gesteckt. Er kcmmt end-
lieh unerkannt in das Reich seines Vaters. Dieser hatte einen
breiten und tiefen Graben graben lassen und die Hand seiner
Tochter dem versprochen, der mit seinem Ross über den
Graben setzen würde, aber niemand hatte dies bisher, ob-
schon bereits ein Jahr verflossen war. gewagt. Der Königs-
sohn führt den Sprung aus, aber, da er äi-mlich gekleidet Ist
und sein Ross ein Esel zu sein scheint, lässt ihn der König
mitsamt Ross und Hund in den tiefsten Kerker werfen. Anl
nächsten Morgen finden die ausgeschickten Diener anstatt des
armen Mannes und des Esels einen .schöngekleideteii Jung-
R. Köhler, Kl. Schriften I. 28
434 ^^^^ Märclieiiforscliung.
ling und die goldenen Tiere im Kerker. Der König holt ihn
selbst aus dem Kerker und giesst ihm AVasser ülier seine
Hände, während die Königin das Handtuch und die Prinzen
das Waschbecken halten. „Jetzt ist mein Traum erfüllt!'-' ruft
der Königssohn und giebt sich zu erkennen ^).
2. J. T. Naake, Shivonic Fairy Tales, London 1(S74,
S. 232 — 37: The Wicked Wood-Fays (From the Bohemian).
Hier tritt ein armer Knabe Yanechek (Janitschek) bei einem
Alten ohne Augen in Dienst als Ziegenhirt. Der Alte ver-
bietet ihm die Ziegen auf einen gewissen Hügel zu treiben,
da dort die „flezinky" (Wicked Wood-F'ays) zu ihm kommen
und ihm im Schlaf die Augen ausreissen würden, wie sie
einst dem Alten es gethan. Janitschek treibt aber doch die
Ziegen auf den Hügel, und dort erscheinen ihm nacheinander
drei schöne Mädchen. Er verschmäht den Apfel, den ihm
die eine zum Essen, und die Blume, die ihm die andere
zum Riechen bietet, weil er weiss, dass er dann einschlafen
würde, und als ihn die dritte kämmen will, zieht er einen
verborgen gelialtenen Zweig von einem Dornbusch hervor
und schlägt sie damit auf die Hand, wodurch sie nicht von
der Stelle kann, und bindet ihr die Arme damit. Dasselbe
thut er mit den beiden anderen auf ihr Geschrei wieder-
kommenden Mädchen. Dann holt er den Alten herbei und
fordert von den AValdmädchen dessen Augen. Die älteste
führt ihn in eine Höhle, wo ein Haufe Augen liegt, und giebt
23 ihm ein Paar. Aber als er sie dem Alten einge-|setzt hat,
ruft dieser: „Das sind nicht meine Augen, ich kann nur Eulen
sehen!" Janitschek warft das Mädchen ins Wasser und erhält
dann von dem zweiten zwei Augen, nach deren Einsetzung
der Alte erklärt, er könne nur Wölfe sehen. Auch dies
W'aldmädchen wird von »lanitschek ins Wasser geworfen. Mit
den Augen, die ihm nun das jüngste Waldmädchen giebt,
kann der Alte nur Hechte sehen, und deshalb soll auch sie
') In Bezug auf den Inlialt des Traums des Königssohnes vergl.
man die von mir in der Melusine 1, 384 [oben S. 145] zusammen-
gestellten M. (Man beachte dazu die „Errata" auf S. 592.)
HO. Anmerkungen zu Y. Jagic Xr. 39. 435
ins Wasser geworfen werden, aber sie bittet nm (imule und
giebt dem Alten seine richtigen Augen wieder.
3. Schott, AValachische Märchen Nr. 10. In diesem
übrigens nicht hierher gehörigen M. ^) kommt folgende Epi-
sode vor, die ohne weiteres herausgenommen werden kann:
Der Held des Märchens, Petru, kommt zu einer blinden
Alten, deren Schafe er hütet. Trotz ihrer Warnung vor einer
AValdschlucht, in der die Drachen bansen, die ihr das Augen-
licht geraubt, treibt er doch die Schafe dahin mnl bläst auf
seiner Hirtenpfeife. Die Drachen kommen heran nnd bitten
ihn, sie auch so schön blasen zu lehren. Er verspricht dies
zu thun, spaltet eine Eiche, klemmt einen Keil hinein und
heisst dann die Drachen ihre Krallen in den Spalt stecken,
indem er vorgiebt, sie würden dann, so wie sie auf ein ge-
gebenes Zeichen die Klauen wieder herauszögen, eben so gut
wie er die Pfeife spielen können. Die Drachen stecken ihre
Klauen in den Spalt, Petru zieht den Keil heraus und zwingt
die so gefangenen Drachen ihm zu sagen, wie die Alte ihr
Augenlicht wiedererhalten kann. Sie muss sich dreimal in
einem nahen Milchteich die Augen waschen.
4. Miklosich. Zigeuner- Märchen, Nr. '2. In diesem M.,
einer Variante zu dem eben angeführten walachischen, kommt
der Held zu einem blinden Alten und seiner ebenfalls blinden
Frau, deren zehn Schafe er weiden soll. Der Alte warnt ihn,
nach rechts auf den Acker der „Zene^' zu treiben, da sie ihm
Sdiist auch wie den Alten die Augen herausreissen würde.
Am dritten Tag treibt er doch auf den Acker der Zene und
bläst auf seiner Fbite. Eine Zena kommt und fragt nach
seinem Spiel. Plötzlich zerbricht er mit seinen Zähnen die
Flöte, als die Zena gerade im besten Tanzen ist. Um an-
geblich eine neue Flöte zu machen, geht er mit der Zena zu
einem Ahornbaum, haut mit einem Beil hinein und fordert
sie auf. aus dem Spalt das Mark herausholen. Als sie ihre
Hand hineingesteckt hat, zieht er das Beil heraus, und sie
ist gefangen. Er zwingt sie nun ihm zu sagen, wo die Augen
') Es ist eine Variante [^zu unserer Nr. 42 unten.
28*
436 2"*' Märelienforschung.
der beiden Alten sind und wie sie ihnen wieder eingesetzt
werden müssen. Als die Alten ihre Augen wieder haben,
reiten sie auf einem IJoek und auf einem Schaf zu ihren Ver-
wandten.
AVenn in unserem serbischen M. der Alten ein Katzen-
auge eingesetzt wird, so miisste nach Analogie des tschechi-
schen und anderer sonst verwandter M., in denen Menschen
Tieraugen statt Meuscheuaugen eingesetzt werden ^). die
Alte eigentlich irgendwie merken, dass sie ein Tierauge er-
halten hat.
Es ist auch noch an eine Episode eines teleutischen M.
bei Radloft" 1, 31 ff. zu erinnern. Hier kommt der Held zu
einem blinden alten Ehepaar. Trotz der Warnung des Alten
reitet er auf dem grossen Weg nach Sonnenuntergang und
trifft den Unhold Ker Jutpa, den er tötet und in dessen
Innerem er unter anderem einen silbernen Kasten findet. In
dem Kasten liegen die Augen der beiden Alten, und er setzt
sie ihnen wieder ein.
40 (Stef. 6). Der türkische Pascha und der dum nie Peter.
26 Vergl. dazu meine Bemerkungen im Orient u. Occident
•2, ()(SHf. [= oben S. ■2()"2], im Jahrbuch für romanische und eng-
lische Literatur 8, 250 [oben S. 32()], in der Melusine 1, 473
[oben S. 141)] und in der Zeitschrift für romanische Philologie
3, 156 f. und die E. Cos(|uins in der Romania 7. 558 ff", (zum 36.
seiner lothringer Märchen). Den Parallelen ist noch hinzu-
zufügen Imbriani, La Novellaja fiorentina. Nr. 48. [Ortoli 204.
Visentini no. 11.]
Wenn am Schluss unseres Märchens die Käuber sich
zählen u. Peter sich dabei auslässt u. s. w., so vergleiche
man meine Anmerkung in der Zeitschrift für romanische
Philologie 3, 312 f. zu einem in der Romania S, 252 mit-
geteilten picardischen Märchen (S. 313, vorletzte Zeile,
lies: „die Third Series seiner Sammlung'') [= obeu S. 112 f.].
') Vgl. Grimm KHM jS'r. lls und <lie Anmerkung dazu und Mai-
lath, Magyarische Sagen u. s. w. "J, 2\'2.
30. Anmerkungen zu A'. Jayic Nr. :5!i— 43. 437
Wenn iu dem M. der Sammlung des Prof. Valjavec der
Diener, der den Laib Brot ganz zurückbringen soll, das
Weiche aus der Mitte herausschneidet, die Rinde aber ganz
nach Hause bringt, so vergleiche man A. Coelho, Contos
populäres portuguezes, IJsboa 1S70, Nr. 28 (Kinder dürfen
ein Brot essen, aber nicht zerschneiden) und E. Veckenstedt^
Wendische Sagen, S. 161, 171 und 218 (die Kuchen der
Ludki dürfen gegessen werden, sollen aber ganz bleiben).
41 (Stef. S\ Draacojlo imd Dragaiia.
[^ Krauss 2, nu. 84,]
Zu der Erwerbung des Wunscli tuches vgl. unten [S. 440] 27
Nr. 47 und die Anerkennung dazu.
Wenn dann Hund und Katze das gestohlene Tuch wieder
erlangen, es [Dozon p. 220 u. no. 10.] aber auf dem Rück-
wege ins Meer fallen lassen, so vgl. Hahn, Griechische M.,
Nr. 0. Radlotf, Proben 1. 85 u. 3, 895, Schneller, M. aus
Wälschtirol. Nr. 44. A. Coelho, Contos populäres portuguezes,
Nr. 17. Absjörnsen. Norske Eolke-Eventyr. Nr. 83. endlich
auch die feruestehende 13. Erzählung des Siddhi-kür. [Brug-
man no. 29. Leger no. 15, oben S. 39s no. 14.]
42 (Stef. 9). Sisan-Mazan und der Ellenbart-Spaiiuelioch.
Zu vorstehenden M. verweise ich auf meine Anmer- 3a
kungen zu zwei italienischen Märchen im Jahrbuch für ro-
manische Litteratur, 7. 24 ff., und 8, 246 [oben S. 292 u. 32(5],
zu Gonzenbach Nr. 58 [Zs. d. V. f. Volksk. 6, 163] und zu
Schiefners Awarischen Texten Nr. 2, und auf E. Cosquins
Anmerkungen zu Nr. 1 und 52 seiner Contes populaires
lorrains in der Romania 5, 87 ff. und 8. 5S3 ff". [Krauss 2,
no. 139].
Sehr bemerkenswert ist im M. von Sisan-Mazan die mit
drei Seelen begabte Mutter, die ihre Seelen ihrem auf wunder-
same AVeise entseelten Sohn und dessen Gefährten einhaucht.
48 (Stef. 10). Ein kupferner, silberner und goldener Baum.
Vgl. ein von F. Ubert im Ausland 1857, S. 1028, mit- 33
geteiltes rumänisches M. aus Siebenbürgen. In diesem M.
438 '^ui' MärcUenforscliung.
verspricilt ein K(inig demjenigen, der aus der Krone eines
bis in die Wolken reichenden Baumes ein Blatt herabhole,
seine Tochter und die Hälfte seines Reiches. Ein gewisser Mann
gelaugt durch eine wunderbare goldene Axt, die er als Knabe von
Christus geschenkt bekommen hat und die ihn, nachdem er
sie in den Baum gehauen und sich an dem Stiel mit beiden
Händen fest gehalten hat, emporzieht, in die Krone des
Baumes, wo er in einem Schloss eine schöne Jungfrau findet.
Er bringt dem König drei Blätter, heiratet aber nicht die
Königstochter, sondern jene Jungfrau. [Üeber die Reihe Kupfer,
Silber, Gold oben S. . . no. 5.|
44 (Stef. 11). Ein redemies Schaf.
34 Dies M. ist zum grössten Teil folgenden M. von einem
in ein Lamm oder Schaf oder Reh verwandelten Bruder und
einer Königin gewordenen Schwester sehr ähnlich: Gonzen-
bach Nr. 48 und 49, De Gubernatis, Novelline di Santo
Stefano, Nr. 11, Bernoni, Fiabe jxtpolari veneziane, Nr. 2,
Corazzini, 1 componinienti minori della letteratura popolare
italiana, S. 44H, Hahn, griechische M., Nr. 1, (irimm, KHM.,
Nr. 11. Auch ein bretonisches, von Luzel in der Melusine
1, 41i) mitgetheiltes M. „Les neuf freres metamorphoses en
nioutons et leur soeur" ist zu vergleichen [Zs. d. V. f. Volks-
kunde 0, 77].
45 (Stef. 1-2). Die Plejaden.
36 Dem M, aus Voca steht ganz nahe das von Frau Mijatovics,
Serbian Folk-Lore, S. 123 ff. aus der Sisseker Sammlung
übersetzte M. „Sir Peppercorn'-'.
46 (St(f. 13). Abermals die Plejaden.
37 (Vgl. die von Benfey im Ausland 1858, Nr. 41 ff
[=1 Kleinere Schriften 3, 94], von mir im Jahrbuch für romanische
u. engl Litteratur 7, 30 [oben S. 298] und von A. Wesselofsky
in seiner Ausgabe von Giovanni da Prato, 11 Paradiso degli
Alberti, Vol. 1, Parte 2, S. 238— 2C0, zusammengestellten M.,
und ausserdem Gonzeubach 4."), Pitre 1, 19(; (II Mago T;iragna)
und 197 (Isette fratelli), Gomparetti, Novelliiu' popohiri italiani.
30. Anmerkungen zu V. Jagic Nr. -13-^-16. 439
Nr. 19, Tendlaii, Fellmeiers Abende, Fraukf. a. M. l<sr)6,
S, 16, Griiiultvig, Daiiske Folke-Eveutyr, Nr. 17, uiul Bastian,
Geograpliisclie iiiid etlmologische Bilder, Jena 1873, S. 265
(aus einer siamesischen Märcliensammlnng) [oben S. 389 no. 8.
Krauss 1, no. 3'2. 33, Aelriov l'ßdü, Luzel, Contes pop. 3, 312,
Sebillot Contes p. 1 no. 8, Dozon no. 4, Pio 212 = Misotakis
S. 20, Pitre, Nov. pop. tose. no. 10.]
Dem Drachen mit der feinen Spürnase in dem serbischen
M. entspricht [in den .parallelen M. ein Mensch, der dnrch
scharfen Geist oder dnrch scharfes Gehör oder Gesicht oder
durch Rechenkunst (im (Siddhi-kür) oder Astrologie oder
Zauberei oder Kenntnis der Vogelsprache (bei Morlini,
Straparola, Basile) oder durcli eine Brille (im jüdischen M.
iru -hilirbuch 7, 33 und 'bei Tendlau) entdeckt, wo die ge-
raubte Jungfrau sich befindet.
Ein Meisterschütze und ein Meisterdieb kommen in den
meisteil parallelen M. vor.
Wie im serbischen M. der eine Drache ein ausgezeichneter
Maurer ist, der einen festen Turm rasch baut, so kann in
dem sicilianischen M. der eine Bruder mit einem Faustschlag
(Gonzenbach) oder „appuntando lil dito sul pavimento"
(Pitre S. 19S) einen eisernen oder ehernen Turm hervor-
bringen.
Dem Drachen, der im Fangen unübertroft'en ist. ent-
spricht im russischen M. bei Dietrich S. 33 der Bruder, der
einen von seinem Bruder geschossenen Vogel aufzufangen
versteht, und im jüdischen der Bruder, der mit der Rechten
einen Mühlstein so hoch in die Luft werfen kann, dass ihn
niemand melir sieht, und ihn mit der Linken wieder auf-
fängt.
Sehr merkwürdig ist die Aehnlichkeit des Schlusses des
dänischen M. bei Grundtvig a. a. 0. mit unserm serbischen.
Der König wusste nicht, welchem der sechs Brüder er die
Prinzessin geben sollte, und auch die Prinzessin | wusste nicht, ös
welchen sie vorziehen sollte. „Da aber unser Herr (iott
nicht wollte, dass unter den Brüdern Zwietracht entstände,
so Hess er alle sechs Brüder und die Prinzessin in einer
440 ^ur Märchenforschung.
und derselben Nacht sterben und nalim sie und setzte sie als
Sterne an den Himmel. Es ist das sogenannte Siebengestirn.
Der Stern, der am hellsten glänzt, ist die Prinzessin, aber
der matteste ist der Meisterdieb."
47 (Stef. 14). Der Schulkiiabe und die junge Schlange.
40 Vgl. insbesondere Hahn, (Iriechisclie M., Xr. i>, ferner
Sciineller, M. aus Wälscbtirol, Nr. 44. Asbjornsen, Norske
F(dke-Eventyr. Nr. 63, Grundtvig, Danske Folke-Eventyr, 2,
Nr. 3 und ein Märchen aus dem Akwapim-Lande in Peter-
manns Mitteihmgen 1856, S. 470. [Vgl. (tben S. 398 zu
Alban. M. no. 14, Veckenstedt S. 147, Pogatschnigg no, 5,
(Friis no. "JO = Poestion no. "23), Dozon no. 9 u. 10 u. S. 219,
Brugmaii iio. 29]. In allen diesen M. kommt ein Jüngling
in den Besitz eines Zauberringes oder eines anderen ma-
gischen Gegenstandes, erlangt mit Hilfe desselben die Hand
einer scliönen vornelimen Jungfrau, meist einer Königstochter,
verliert dann durcli die Treulosigkeit seiner Frau den
Talisman, gewinnt ihn aber endlicli wieder. Von diesen
M. unterscheideil sich das bekannte M. der Tausend und
einen Nacht von Aladdin uiul der Zauberlampe uml dessen
zahlreiche europäische Seitenstücke, die ich hier nicht auf-
zählen will, dadurch, dass in iinien die Frau des Helden
niclit untreu ist und dass er den Talisman nur infolge ihrer
Unkenntnis oder ihrer Unül)erlegtheit oder ganz (dine ilire
Schuld verliert.
In dem griechischen M., welches unserem serl)isclien be-
sonders nahe steht, hat ein Junge eine Schlange vom Tode
errettet, und sie fordert ihn auf, sie zu ihren Eltern zu
bringen und von ihrem Vater zum Lohn dessen Siegelring
zu verlangen. Wenn man an dem Siegelring leckt, so er-
scheint ein schwarzer Mann und führt jeden Befehl aus.
Als der Jüngling durch seine Mutter beim König um die
Hand seiner Tochter anhalten lässt. muss er ein Schloss
bauen, das grösser ist, als das des Königs, und dann die
Strasse zwischen beiden S(,'hlössern mit Ciold pflastern. Seine
Gemahlin entlockt ihm später sein Geheimnis, entwendet ihm
HO. Aiiincrkungen zu Y. Jagic ^'r. 47 — 4.s. 441
dann den Ring und flielit mit einem Schwarzen, den sie liebt,
auf eine Insel im Meer. Die Art, wie der junge Mann den
Ring wiedererlangt, ist durchaus versdiieden von unserem
serbischen Märchen, welches in diesem Teil auch von allen
anderen oben angeführten M. sich unterscheidet.
Wenn in unserem und dem griechischen M. der -liing-
ling auf Anweisung der geretteten jungen Schlange sich von
dem Schlangenkönig, ihrem Vater, den Zauberring als Be-
bdinung tM'bittet, so vergl. man dazu den Anfang von Nr. 41.
[Steel-Temple no. '2H]. In einem anderen griechischen Märchen
(Ausland 18H'2, Nr. 61, S. 24l') verlangt eine Schlange, die
ein Mann vom Tode gerettet und ins Reich der Sclilangen
gebracht hat, von ihrer Mutter, der Schlangenkönigin, einen
Wunderring für ihren Retter. In einem Swahili-M. I»ei Steere,
Swahili-Tales. S. 408 rettet eine junge Frau eine Schlange
vom Tode und erbittet sich dann auf ihre Anweisung v(ni
deren Vater den Wunschring. Vgl. auch noch Schiefner,
Awarische Texte. S. W (aus dem Kandjur) |^ Ralstim, Ti-
betan Tales no. ö] und Radlotf. Proben. 1. 88 u. 4, 16-_>.
48. (Stef. 15). Ylatko und der djinkbare Tote.
Vgl. das von mir in A. Sclii(^fn(n"s Uebersetzung im 43
(h'ient uiul Occident 8. -Ki [= oben S. -l] mitgeteilte gross-
russische M. aus Chudjakows Sammlung M. ein Zigeuner-M.
bei Paspati. Etudes sur les Tschinghianes ou Bohemiens de
1 Empire Ottoman, S. 200, und ein armenisches in Haxt-
hauseiis Transkaukasia. 1, S^o (auch ])ei Benfey, Pantscha-
tantra. 1. 21i> und in Pfeiffers Germania 8. •202).
In dem grossrussis( hen M. zieht Hans mit HOO Ru-
beln in die Welt. In (Muer Stadt sieht er, wie einem ge-
fangenen ungläubigen die Adern ausgezogen werden. Er
kauft ihn für seine HOO Rubel los, führt ihn zu einem Priester
und lässt ihn taufen. Am dritten Tag stirltt der Unglück-
liche an seinen Wunden, nachdem er gebeichtet und das
^) Auf die eigeutüinliche sibirische Gestaltung des russischen M.
in Radlotfs Proben 1, 329, brauchen wir nicht einzugehen.
442 2ur Märchenforschung-.
Abendmahl empfangen hat, und wird mit allen Ehren be-
graben. Hans zieht weiter und sieht mit einem Mal einen
Engel, der vom Himmel herabkommt und sich ilim nähert.
Der Engel bietet sieh Hans als Oheim an: was sie erwerben,
wollen sie teilen, und Hans solle thun, was er ihm befehle.
Sie kommen in eine Stadt. Hans geht auf den Markt, um
sieh als Arbeiter zu verdingen. Der König siebt ihn und
fragt ihn, ol» er sein S( hwiegersohn werden wolle. Hans ist
dazu bereit, nachdem er den Oheim erst gefragt hat. AVie
die Leute sagen, hat die Königstochter schon sechs Männer
gehabt und alle erwürgt. Die Hochzeit wird gefeiert, und
als das Paar in das Scblafgemach geht, legt der Oheim sich
an der Schwelle nieder. Als das Paar eingeschlafen ist,
kommt ein Drache geflogen, und der Oheim schlägt ihm mit
dem Säbel das Haupt ab. Nach zwei Monaten will Hans
seine Heimat besuchen. Unterwegs kebren sie in einem
Räuberbaus ein, aber der Oheim erschlägt und verjagt in
der Nacht die Räuber, und am Morgen finden sie viel (lold,
welches sie mitnelimen. Als sie an die Stelle kommen, wo
der Oheim dem Hans zuerst erschieuen war, sagt der Oheim,
sie mttssten sich nun trennen, und da sie ausgemacht bätten,
alles zu teilen, wollten sie auch die Frau teilen. Er zersägt
die Frau in zwei Hälften, und aus ihrem Innern kommen
junge Drachen geflogen. Er reinigt und wäscht die Fin-
geweide der Frau und l)esprengt sie mit AVasser, worauf
sie wieder lebendig dasteht. Er erklärt dann dem Nefit'en,
dass er ihn auf allen AVegen und Stegen bescliützt habe, weil
er ihm gehorsam gewesen sei. Danu nehmen sie Abschied
von einander. — Dass der Engel hier den Geist des dank-
baren Toten vertritt, ist klar.
In dem — nicht gut erhaltenen — Zigeunermärclien
sieht ein K(inigssohu, wie Juden einen Toten ausgegraben
baben uml schlagen, weil er ihnen 12 Piaster schuldet. Der
Königssohn bezahlt die 12 Piaster. Der Tote folgt ihm und
bietet sich ihm als Genossen an. p]r fiihrt ihn in ein Dorf,
wo eine Jungfrau ist, der schon mehrere Männer in der
Hocbzeitsnacbt gestorben sind. Der Königssohn hält mit ihr
3U. Aimierkungon zu Y. Jagic Nr. 4S. 443
Hochzeit, und der Tote geht mit ins Brautgemaeh. Um
Mitternacht sieht er einen Drachen aus dem Munde der
— schlafenden — Frau kommen, er zielit seinen Degen und
sclilägt ihm seine drei Köpfe ab. Sie kehren zum Vater
des Königssohnes zurück. Sie teilen die erworbenen Reich-
tümer, aber der Tote verlangt an(;Ii die Teilung der Frau.
¥jY ergreift und biiidet sie und zückt seinen Degen; sie öffnet
den Mund und schreit, und aus ihrem Munde fällt der Dra(;lie.
Der Tote zeigt nun die von ihm abgehauenen Drachenköpfe,
giebt sich zu erkennen und verschwindet.
lii dem armenischen M. findet ein reicher Mann in
einem Walde Männer, die einen Toten, der ihnen Geld schuldig
geblieben, an einen Baum aufgehangen haben und entsetzlich
schlagen. Er bezahlt die Schuld des Toten und begräbt ihn.
Jahre vergehen, und er veraruit. Ein reicher Mann bietet ihm
seine Tochter an. der schon fünf Männer in der Hoclizeits-
nacht gestorben j waren. Er bittet um Bedenkzeit. Während- 44
dem kommt ein Mann zu ilim und bietet sich ihm als Diener
an, er verlangt keinen Lohn und keine Kost, aber die Hälfte
von seinem künftigen Hab und (int. Sie werden einig, und
der Diener rät ihm zu der Heirat. In der Hochzeitsnacht stellt
sich der Diener mit einem Schwert ins Brautgemach. Als
die Neuvermählten eingescldafen, kriecht eine S(dilange aus
dem Munde der Braut hervor, der Diener haut ihr den Kopf
ab und zieht sie heraus. Nacli einiger Zeit verlangt er die
Teilung alles Hab und (iuts, auch der Frau. Sie wird, den
Ko[)f nach unten, aufgehangen, um von dem Diener mitten
durch gespalten zu werden. Da gleitet eine Schlange aus
ihrem Munde heraus. Der Diener sagt, es sei die letzte
Schlange und sein Herr könne nun ohne Gefahr mit seiner
Frau leben. Dann giebt er sich als den Geist jenes Toten
zu erkennen und verschwindet.
Diese M. bihlen eine besondere Gruppe der M. von dem
dankbaren Toten (s. oben [S. 424] meine Anm. zu Nr. "21)).
Wir ki'iuuen sie zum Unterschiede von den andern M. viui
dem dankl)aren Toten kurz bezeichnen als die M. von dem Toten
und von der liraut mit den Schlangen oder Drachen im Leibe.
444 ''^iii' Märclienforsclunig.
Die von dem dankbaren Toten wirklich ausgeführte oder
wenigstens vorbereitete Halbierung der Frau, die wohl
auch in unserem serbischen M. ursprünglich anzunehmen ist,
hat zum Zweck, die noch im Leib der Frau befindlichen
lebenden Schlangen oder die kopflosen toten Schlangenleiber
zu entfernen '). In andern M. von dem dankbaren Toten
hat die von ihm verlangte Teilung der Frau ein anderes Motiv.
S. meine Anmerkung zu Gonzenbacli Nr. 74 '•^). [Zs. d. V. f.
Volksk. 6, 16S].
Wegen der Probe mit dem Apfel — in dem M. von
Vlatko — verweise ich auf meine Anmerkung zu Gonzen-
bach Nr. 90 und füge noch hinzu Webster. Bas(jue Legends,
S. -iO-J. [Zs. d. V. f. Volksk. C, i)73.1
49 (Stef. KV). Der Prinz und die drei Schwäne.
46 Von den zahlreichen M., in denen der Held einer dämo-
nischen Jungfrau, die sich in einen Vogel (meist Schwan
oder Taube) zu verwandeln vermag, ihr Gewand oder ihren
Schleier oder sonst etwas raubt und sie dadurch zwingt,
sein AVeib zu werden, bis sie sich ihr F^igentum wieder ver-
schafft und verschwindet, worauf er sie zu suchen auszieht
und sie auch endlicli in ihrer Heimat findet und — nachdem
er dort verschiedene Aufgaben gelöst hat — wieder mit ihr
vereint wird, seien folgende hier genannt, in denen, wie im
serbischen, der (ilasberg oiler der gläserne Berg die Heimat
der »lungfrau ist: Zingerle, Kinder- und Hausmärchen aus
Tirol, Nr. 37, Simrock, Der gute Gerhard und die dankbaren
Toten, S. 68, = Deutsche Märchen, Nr. G5, Vernaleken,
Oesterreieliische Kinder- und Hausmärchen, Nr. 4<S und 50,
Hoffmeister, hessische Volksdichtung, S. 58 [Berntsen 2, no. 18
d'Ancdna, Poemetti popolari 1S87 p. 69.] In einem griechischen
47 M. bei Hahn Nr. 15'^) ist zwar | nicht von dem gläsernen Berg,
*) Vgl. auch ein elistiiisohes M. von einer bezauberten Prinzer^sin
in Kletkes Märchensaal, 2, 60.
^) Daselbst ist S. 250, Z. 18 natürlich „Treue" statt „Frau^' zu
lesen.
') Dies griechische M. gehört zu einer besonderen Gruppe der M. .
von der verlorenen und wiedergewonnenen Schwanenjnngfrau. S. meine
15(1. Anni('rkiiiii;rii zu \. Jai;ic Nr. 4^i .')(). 44')
aber vdii der yUisenieu Stadt die Rede, und in dem l)üli-
misclieu bei Waldau. Böhmisclies Märchenbuch, S. ■24<s. ent-
spricht dem gläsernen Berg der goldene Berg, in dem pol-
nischen bei (ilinski. Bajarz Polski, 4, (SO, der ku})ferne. und
in zwei ihrem Inhalt nach auch hierher gehörenden birmani-
schen Dramen (('os(piin in der Komania 7, 53() [== Contes
pop. de Lorraine 2, 19] und A. E. Wollheim Chevalier da
Fonseca, Die National -Litteratur sämtlicher Völker des Orients,
•2, 853) der silberne Berg.
Wo der Glasberg u. s. \v. liegt, erfährt der Held meist
erst nach langem Herumfragen bei den Herrschern über
die Tiere oder bei Sonne, Mond und Winde. Ein Herrscher
über die Wolken, deren eine den Glasberg kennt, kommt wie
in dem einen M. bei Mikulicic, so auch in dem hessisciien
bei Hotiuieister vor.
50 (Stef. 17). Das kluge Mädchen.
Man vgl. Vuk, no. 25, Chudjakoff, Welikorusskija Skazki ."so
(d. i. Grossrussische M.), Moskau ISGO, no. 6 ^), Haltrich no. 45
(46), Grimm, no. 94, Pröhle, M. für die dugend. no. 49.
Zingerle, KHM. aus Tir(d, no. 27. Golshorn, M. und Sagen.
no. 26, Kehrein, Vidkssprache und Volkssitte im Herzogtum
Nassau, 2, 99, G. Nerucci, Sessanta novelle popolari nionta-
lesi, no. 8 (vorher schon bei V. 1. [d. i. V. Imbriani], Due
Habe toscane, Xapoli 1876, S. 11), [und no. 15, (vorher schon
bei Gomparetti no. 69)] Comparetti, Novelline popolari italiane.
no. 43 (M. aus Barga, Provinz Lucea), Corazzini, l componi-
menti minori della letteratura popolare italiana. S. 4S2 ( M.
aus Bergamo). Pitre, Fiabe siciliane. no. s, Kevue des langues
Anmerkung zu Gonzenbach Xr. 6 [Zs. d. V. f. Volksk. (i, Hl|, wo man
Zeile 9 ,.A8em" lese und noch folgende 31. liinzufüge: NFos'/.hjriy.a 'Ard-
IsxTa, Bd. 1, Heft 1, Nr. 11, Pitre Nr. ,^0 und d<is tatarische bei Radiott" 4,
318, dessen Held Zyhanza der Dschanschah der 1001 Xacht ist. Vgl.
noch Cosquin in der Romania 7, 534 [no. .32].
^) Eine vollständige wörtliche Uebersetzung dieses M., von welcliem
Ralston, Russian Folk-Tales, S. 31, nur den letzten Teil im Auszug mit-
geteilt hat, verdanke ich einem Freunde.
446 ^^"' MjircluMiforscIiung'.
rouiaiies, 3, 402 (M. iiu.s Laiigiicdoc), Cerquarid, Legendes et
recits populaires du pay.s basqae, no. 73, Kennedy, Fireside
Stories of Ireland, S. 91. [Grundtvig 2, no. 10, Bondeson
HO. 71, De Nino no. 16, Pitre, INov. pop. to,s(-. no. 15, Riviere
p. 159.]
In allen diesen M. wird ein Mädchen geringer Heri^nuft
von einem König oder irgend einem angesehenen Mann, der
ihre grosse Klugheit vorher mehrfach erprobt hat, geheiratet.
Nach einiger Zeit soll sie aber wieder nach Hause zurück-
kehren, und zwar in der Mehrzahl der M., weil sie einem
Mann, gegen den ihr Mann in einem Rechtsstreit ganz un-
natürlich entschieden hatte, Anweisung gegeben hatte, ihrem
Manne die Widernatürlichkeit seiner Entscheidung durch ein
ebenso widernatiirli(;hes unmögliches Beginnen anschaulich zu
machen. Da sie aber das, was ihr am liebsten ist oder was
ihr am meisten gefällt — im baskischeu M. so viel als vier
Männer tragen kiinnen mit si(!h nehmen darf, so nimmt
sie ihren Mann mit sich, der durch zu vieles von ihr veran-
lasstes Trinken oder durch einen ihm von ihr beigebrachten
Schlaftrunk in tiefen Schlaf versunken ist ^).
Es gehören auch noch hierher Visentini, Fiabe manto-
vaue, Nr. 36, welches M. mit der Heirat des Königs und der
klugen Fischerstochter abschliesst, ein wendisches M. bei
Veckenstedt, Wendische Sagen, Märchen und abergläubische
Gebräuche, S. 330, in welchem auch die Heirat fehlt, und
Sclileiclier, Litauische M., S. 3 [Brugman no. 34], in welchem
zwar die Heirat und auch der Rechtsstreit vorkommen, aber
die Verstossung fehlt. ]
51 In den meisten dieser M. wird dem klugen Mädchen
von dem König oder von wem es sonst ist aufgegeben,
^) "Wie bereits von Grrimra zu Nr. 94 beniei'kt ist, kommt auch in
einer talmudischen Erzählung vor, dass bei einer Scheidung eine Frau
das Beste im Haus mit sich nehmen sollte und daher iluen Mann, als
er trunken war, in ihres Vaters Haus tragen liess. Vgl. A. Tendlau,
Das Buch der Sagen und Legenden jüdischer Vorzeit, 3. verm. Aufl.,
Frankfurt a. M. 1873, S. 49f. und 358, wo Midrasch Jalkut Cap. 17 als
Quelle angegeben ist.
HO. Aumerlvungen zu V. Jagic Nr. 50. 4.4.7
unter gewissen scheinbar unmöglichen, weil sich gegenseitig
ansschliessenden Bedingungen zu ihm zu kommen. Ich
lasse diese Bedingungen und ihre Krtullung hier folgen.
Gj. K. Stefanovic: weder zu Fuss, noch zu Ross,
weder auf dem Weg, noch auf Seitenwegen,
weder angekleidet noch unangekleidet,
weder mit Jagdbeute, noch ohne Jagdbeute,
weder im Hemde, noch ohne Hemde.
Das Mädchen hüllt sich in ein Fischernetz, setzt sich
auf einen Esel, hat ein Hemd im 8choss, woran sie näht,
und bewegt sich vorwärts nach dem Faden ihrer Naht. Indem
sie die zwei Hasen, die sie bei sich hat, vor den Hunden
laufen lässt, kommt sie mit und ohne Jagdbeute.
Mikulicic : weder zu Fuss. n(»ch reitend,
weder angezogen noch nackt.
Der Vater des klugen Mädchens wickelt sich auf den
Rat seiner Tochter in ein Fischernetz und setzt sich auf einen
kleinen Esel, so dass seine Füsse die Erde berühren.
Stojanovic: weder zu Fuss, noch zu Wagen,
weder auf dem Wege, noch ausserhalb des Weges,
weder nackt, noch angezogen.
Das Mädchen hüllt sich in ein Fischernetz, setzt sich auf
einen Bock, welchen sie mit Baststrick zügelt, und zieht auf
auf der Strasse zwischen dem Fahrgeleise, in der Mitte, wo
die Richtung der Deichsel läuft, dahin.
Chndjakoft': nicht zu Fuss, nicht zu Ross,
nicht im Schlitten, nicht im Wagen,
nicht nackt, nicht bekleidet,
weder mit einem (Jeschenk, noch mit einem
Gegengeschenk ^).
Das Mädchen hüllt sich in ein Fischernetz, kommt auf
Schneeschlittschuhen und überreicht dem Wojewoden eine
Taube, die aber, indem das Mädchen sie loslässt, davonfliegt.
^) Doch wohl, nach der Auflösung und nach der Aufgabe in dem
siebenbürgischen M. zu urteilen, eigentlich: weder mit einem Geschenk
noch ohne ein Greschenk.
44(S ^ur Märcheiit'orsc'liiuig'.
Haltricli: nicht gefahren, nicht gegangen und nicht geritten,
nicht angekleidet und nicht nackt,
nicht ausserhalb dem Wege und nicht im Wege,
mit etwas, das ein Geschenk und kein Gesclienk ist.
Das Mädchen wirft ein Fischgarn über sich, setzt einen
Fuss auf den Rücken eines Bockes und schreitet mit dem
andern auf dem Roden im Fahrgeleise. Zwischen zwei Teller
hat sie zwei kleine Wespen gelegt, die natürlich fortfliegen,
als der König den einen Teller aufhebt.
Grimm: nicht gekleidet, nicht nackend,
nicht geritten, nicht gefahren,
nicht in dem Weg, nicht ausser dem Weg.
Das Mädchen wickelt ein Fischgarn um sich, bindet es
einem Esel an den Schwanz und lässt sich so von ihm in
dem Fahrgleise fortschleppen, so dass sie nur mit der grossen
Zehe auf die Erde kommt.
Pröhle: nicht reitend, nicht fahrend und nicht gehend,
nicht bekleidet und nicht nackt,
nicht bei Tage und nicht bei Nacht ^). |
52 Das Mädchen hüllt sich in Borke, spannt einen Bock vor
einen zweiräderigen Karren, tritt mit einem Fuss auf den
Karren, mit dem andern auf den Schwanz des Bockes und
kommt so bei Anbruch des Tages zum König.
Zingerle: unangekleidet und doch nicht nackt,
nicht bei Tage und nicht bei Nacht,
niclit auf Strassen und nicht auf Seitenwegen.
Das Mädchen lässt den AVeg bis zur Stadt mit Brettern
belegen, wirft sich ein Fischernetz um uiul geht in der Abend-
dämmerung über den Bretterweg in die Stadt.
*) Nach der indisciheu 8age war dem Dämon Yritra zugesichert,
nicht durch Trockenes und nicht durcli Feuchtes, nicht durch Steine
und nicht durch Holz, nicht durcli Geschoss und nicht durch Messer,
und nicht bei Tag und nicht bei Nacht getötet zu werden. Indra
brachte ihn deshalb in der Dämmerung init Schlamm um (Benfey im
Ausland 1H.')9, S. 591) [= Kl, Schriften 8, 214].
HO. AimRrkvmt;i'n zu V. Jaii,'ic Nr. 50. 449
Colsliorii: iiiclit hei Tage und iiiclit hei Nacht,
nicht gegangen und nicht gefahren,
nicht gehuifen nnd nicht geritten,
nnd sie soll Zeug anhaben und keins.
Das Mädchen nia(dit sich aus Nesseltuch, das kein Zeug
und auch was ist, ein Kleid, legt sich darin auf einen Esel
und kommt so Schlag Mittags an einem Mittwoch oder Sonn-
abend — das sind keine Tage — zum Amtmann.
Veckenstedt: nicht bei Tage und nicht bei Nacht,
nicht in Kleidern und auch nicht nackt,
niciit zu Fuss nnd nicht zu Pferde.
Das Mädchen hüllt sich an einem Mittwoch in ein Fisch-
netz und setzt sich auf einen Bock.
Schleicher: weder nackt, noch bekleidet,
weder zu Pferd, noch zu Fuss. noch zu Wagen,
weder auf dem Wege, noch auf dem Fusspfade,
noch neben dem Wege,
im Sommer und zugleich im Winter.
Das Mädchen hängt sich ein Netz um, setzt sich auf
einen Bock und reitet immer im Fahrgeleise zu dem Herrn
und stellt sich in den Wagenschnppen zwischen einen Wagen
und einen Schlitten^).
Nerucci: ue digiuna ne satolla,
ne ignuda ne vestita,
ne di giorno ne di notte,
ne a piedi ue a cavallo.
Das Märchen hat nur ein weiches Ei gegessen, ist im
Hemd und hält ein Netz um sich, tritt mit einem Fuss auf
den Rücken einer Ziege und kommt so in der Morgen-
dämmeruns' beim Könio; an.
') In dem grossrussischen M. kommt vor, dass dor Wojewode das
kluge Mädchen, nachdem sie zu ihm unter den oben mitgeteilten Be-
dingungen gekommen ist, selbst am andern Tag besucht und sie fragt,
wo er sein Pferd anbinden s(dle. Sie antwortet: „Binde es zwischen
Sommer und Winter!" und meint damit zwischen Schlitten und Wagen,
die vor dem Hause standen.
R.Köhler, Kl. Schritten. I. 29
450 ^^^^' ^lärfhenforsohuug.
Corazzini: gne iiüda gnu estita.
gue a pe. gne a caäl.
gne per Tos, gne per la poita.
Das Mädchen wickelt sich nackt in ein Netz, legt sich
wie eine Last auf eine Ziege und kommt diurli den Garten
zum Palast des Königs.
[Visentini: ne nuda ne vestita.
ne per vie ne per sentieri.
ne a piedi ne a cavallo.
e standu ne fimri ne dentro del palazzo.
Das Mädchen entkleidet sich und hüllt sicli in ein Netz
und steigt rittlings (monta cavalcioni) auf ein Schaf — ist
)3 also weder zu Fuss ^och zu Pferd, und berührt weder
Strasse noch Fusspfad — : am Palast angekommen, lässt sie
das Schaf die Schwelle halb überschreiten, und so ist sie
weder ausserhalb inicli innerhalb des Palastes.
Revue des lanü;ues runuuies; ni primo ni sadoulu id. i. ui u
jeun ui rassasiee).
ni bestido ni nudo.
ni ä pe ui a cabal.
ni per cami ni per carieiro (d. i.
ni {i;ir chemiu ni par mute).
Das Mädrhen ass täsHi^'h zwei Teller Hirse, an diesem
Taii" nur einen. Sie zog ein Hfunl ;in. liess alier die eine
Schulter nackt. ..Se mettet sur uu carras e marchet la mitat
sul cami e lautni dins le bal. un pe cau.ssat e l'autre des-
caus; atalet un ase e uno cabro al carras e partisquef
(= ^EUe sassit sur un trainenu et 7n;irch;i un pied sur le
chemin. un pied dans le fosse: un ji'iimI iliausse et lautre
dechausse. VM^- y attela un anr- et une chevre. et partit"*).
(_"er(|uaii(l: nii-lit bt-i Tau und nidit bei Nacht,
nicht bekleidet und nicht entkleidet,
nicht zu Fuss und nicht zu Pferd.
Das Mädchen hüllt sicli in ein Zieuenfell. setzt sich auf
eine Zieue und kninnit Schhiu Mittt-rnai/ht am Schloss an.
od. Aiiiiierkiinirfn za V. Jaijic Nr. 5U. 451
Kennedy: neitlier witli yoiir clotlies uor withoiit them,
iieitlier riding in car üor eoacli. iior on a beast's back,
nor carried in any way. uor Walking oii your t'eet.
Das Mädflien hüllt sieh nackt in ein Fischernetz und
bindet dies an den Schwanz eines Esels, "and she was neither
carried, nor riding. nor Walking, but staudiug ou her two big
toes in the net. and guiding and whipping the poor assol,
that was dragging her along very mueh against his will".
Die Aufgabe, nicht bekleidet und nicht unbekleidet,
nicht zu Fuss und nicht zu Pferd und dergl. zu kommen,
begegnet uns aber auch in anderen sonst nicht parallelen
Märchen und Sagen.
In der Ragnar-Lddbniks-Saga (Kap. -A; verlaugt Kagnar,
dass Kraka (Aslaug) -zu ihm komme weder bekleidet noch
unbekleidet, weder gespeiset noch nüchtern, nicht allein, und
doch solle sie auch kein Mensch begleiten. Kraka hüllt sicli
nackt in ein Fischnetz und lässt ihr langes Haar darüber
fallen, geniesst ein wenig f>auch [vgl. Bondeson] und lässt
den Hund ihrer Ptiegemutter mit sich laufen.
Xacli schwedischer Sage will Koni? Frey oder, uacli
andern Angaben, Sigtrud die Disa. die Tochter eines seiner
Ratgeber, zu Rate ziehen, wenn sie zu ihm kommt
nicht zu Fuss und nicht zu Pferde,
nicht zu Wagen und nicht zu Wasser.
nicht bekleidet und nicht unbekleidet.
nicht in einem Jahr und nicht in einem Monat,
nicht bei läge und nicht bei Nacht.
nicht bei zunehmendem und nicht bei abnehmenden Monde.
Sie spannte zwei Jünglinge vor einen Schlitten und Hess
nebenan einen Bock führen, über den sie das eine Bein legte,
während das andere im Schlitten stand, nnd dabei war sie
mit einem Netz bekleidet. Sie kam am dritten Tage vor dem
Weihnachtstag. an einem der Tage, die nicht zum Jahre selbst
gerechnet werden, bei Vollmond imd in der Dämmerung.
(Afzelius. Vcdkssagen und Volkslieder aus Schwedens älterer
und neuerer Zeit, übersetzt von Ungewitter. 1. 83. Rndbeck,
Atlantic»" Pars 2, 205.) [Braga no. 57.]
29*
452 ^ii'" Märflieiifui-ficluing.
lii einem iiorwegischeu M. (Asbjörusen Nr. 68) will ein
Königssohn ein Mädchen, mit dem er ein Liebesverhältnis
gehabt hat, nnr heiraten, wenn sie zn ihm komme |
54 nicht im Wagen fahrend und nicht reitend.
nicht gehend und niciit im Schlitten fahrend^),
nicht hungrig und nicht satt,
nicht nackt und nicht begleitet.
nicht bei Tag und nicht bei Nacht.
Das Mädchen geniesst drei Gerstenkörner, hüllt sich in
ein Netz, setzt sich auf einen Schafbock, so dass die Beine
auf die Erde reichen, und bewegt sich so vorwärts und kommt
im Zwielicht zum Konigssohn.
In einem hessischen M. bei Wolf. Hausmärchen, S. IIG,
soll eine Königstochter zu ihrem Mann, einem Schäferssohu,
kommen
nicht nackend und niciit l)ekleidet,
nicht gegangen, nicht gefahren und nicht geritten.
Sie wickelt sich in ein Fischgarn und kriecht auf allen Vieren.
In einem schwäbischen M. bei Meier Nr. 28 befiehlt
ein Herzog dem Müller Hans ohne Sorgen zu ihm zu kommen
nicht bei Tag und nicht bei Nacht,
nicht nackt und nicht bekleidet.
nicht zu Fnss und nicht zu Pferd.
Auf den Rat seines Mahlknechts reitet er am Mittwoch
auf einem Esel, ein Fischgarn umgehängt, zum Herzog.
Aus einer Handschrift des 15. Jahrhunderts habe ich im
Weimarischen Jahrbuch ö, 889 ein deutsches Rätsel mitge-
teilt, worin gefragt wird, wie man es anfangen müsse, wenn
man zu seiner Geliebten kommen solle
weder bei Tag oder bei Nacht,
w'eder ob der Erden, noch unter der Erden,
weder nackt, noch angelegt (d. i. angezogen, bekleidet).
^) Im Original : ikke kjöronde og ikke ridende,
ikke gaaende og ikke ageiide.
Kjürc wird, wie mir mein hocliverehrter Freund P. Clir. Asbjürnsen
mitgeteilt hat, haujjtsiu'hlirli vom Faliren im Wagen, age mehr vom
Fahren im Schlitten üehraudit.
30. Aiimerkuiii;on zu V. Jagic Xr. 50. 458
Die Antwort ist, man solle am Mittwoch kommen, mit
einem Beine anf einem Esel sitzen und mit dem andern auf
der Erde gehen, einen mit der AVnrzel ausgegrabenen Baum
auf den Kopf setzen und ein Fischgarn anthun.
Die zu Lyon 1619 erschienenen „Questions enigmatiques"
enthalten (S. 37) ein von mir ebenfalls im Weimarischen
Jahrbuch a. a. 0. 340 mitgeteiltes Rätsel, wonach einst ein
grosser Herr einem seiner ünterthanen befahl, zu ihm zu
kommen
ne a pied, ne a cheval,
ne par la voye, ne par le chemin.
ne nud, ne vestu.
und seinen Freund und seinen Feind mitzubringen [vgl.
Romania 10, 27]. Der Mann kam auf einem Esel, en menant
le dict asne par les ornieres des chemins, war nur mit einem
Fischernetz bekleidet und brachte seine Frau und seinen
Hund mit sich.
In dem von (üulio ("esare Croce ^) verfassten berühmten
Volksbuch „Le sottilissime astuzie di Bertoldo'' befiehlt ein-
mal König Alboin dem Bertoldo, am folgenden Tag zu ihm
zu kommen, ma che non fosse
ne nudo, ne vestito.
Bertoldo erscheint in ein Fischernetz gewickelt.
In einem finnischen M. in Salmelainens Sammlung 3,
101, stellt, wie A. Schiefner im Vorwort zu Radioffs Proben
der Volkslitteratur der türkischen | Stämme Süd-Sibiriens 1, 55
S. XIII, mitteilt, ein König einem Häuslerknaben die Aufgabe,
zur Stadt zu kommen:
weder bei Tage, noch bei Nacht,
weder auf dem Wege, noch am Rande des Weges,
weder zu Ross, noch zu Fuss,
weder bekleidet, noch nackt.
weder innerhalb, noch ausserhalb.
') Ueber diesen interessanten Bologneser Volksdicliter (geb. 1550,
gest. 1609) hat neuerdings Olindo Guerrini ein wertvolles Buch „La
vita e le opere di G. C. Crooe", Bologna 1879, veröffentlicht.
454 Zur Märchenforscliung.
Der Knabe geht in der Morgendämmerung zur Stadt auf dem
Boden eines Grabens, au einem Fuss ein Sieb, au dem andern
eine Bürste, in ein Ziegeufell gehüllt, und setzt sich auf die
Thür der Vorhalle, das eine Bein nach innen, das andere
nach aussen haltend.
In einem tatarischeu Märchen bei Radioff a. a. 0., 1, 60,
sagt ein Brautvater zu dem Vater des Freiers:
Mit Pelz komme nicht, ohne Pelz komm auch nicht!
Den Weg betritt nicht, vom Wege weich nicht ab!
Ohne Pferd k(imm nicht, mit einem Pferd komm auch nicht!
Nach der Weisung seines Sohnes zieht der Alte einen aus
einem Netz genähten] Pelz an und reitet auf einem Stocke
auf dem Rande des Weges.
In einem andern tatarischen M. bei Radloft' 4, 201 ver-
liebt sieb ein Fürst in eine kluge und schöne Frau und be-
fiehlt ihrem Manne — bei Strafe des Todes oder der Ent-
lassung seiner Frau — zu ihm zu kommen
nicht auf dem Wege und nicht ausserhall) des Weges,
und dann weiter:
nicht zu Pferd, nicht ohne Pferd,
nicht mit einem Rock, nicht ohne Rock.
Auf den Rat seiner Frau kommt der Mann das erste Mal
auf dem Rande des Weges gegangen, und das zweite Mal
auf einem Stock geritten' und in einem aus einem Netz ge-
machten Rock.
In einer von A. Schiefner aus dem tibetischen Kaudjur
übersetzten indischen Erzählung (Melanges asiatiques 7, 685)
befiehlt König Dshanaka dem Pürna, er solle ilim Reis unter
gewissen Bedingungen zubereiten und schicken lassen. Unter
diesen Bedingungen kommen auch die folgenden vor:
nicht auf dem Wege uud nicht ausser dem Wege,
nicht reitend, aller auch nicht zu Fusse.
Nach Mnliaushadas, des Sohnes Pürnas, Angabe niuss der
Bote, der den Reis dem Köuii; bringt, mit einem Fuss auf
dem Weg und mit dem aiuleni neben dem Weg neben uud
30. Anmerkungen zu V. Jagic Nr. 50. 455
an einem Fiiss einen Schnh tragen, au dem andern nnbe-
scliulit seiu^).
Vergessen wir aucli niclit der Aufgabe, halb geritten
und halb gegangen zu ivommen, in den Gesta Romanorum,
Kap. 124, in Johann Paulis Sehimpf und Ernst, Kap. 423,
und in dem Sehwank des Hans Saehs „der Heeker mit den
drei seltsamen Stücken" (Gedichte, 2. Bueh, 4. Teil) -). In
den Gesta Romanorum wird die Aufgabe'*) gebist, indem der
Betroffene über den Rücken | seines Hundes das rechte Bein f)Q
legt, als ob er ritte, mit dem linken aber auf der Erde geht,
bei Pauli und Hans Sachs, indem er mit dem rechten Fuss
in den Stegreif seines Pferdes tritt und sich an den Zügel
hält und mit dem linken Fussj geht. In letzterer Weise
wollte auch ein Teil der Schildbürger das Gebot des Kaisers
von Utopien, ihm halb geritten und halb gegangen entgegen
zu kommen, erfüllen, indem jeder von ihnen einen Fuss im
Stegreif haben und mit dem andern auf dem Bdden gelien
sollte: andere aber meinten, man solle sicli in zwei gleiche
Haufen teilen und der eine sollte reiten, der andere gehen;
und noch andere, deren Ansicht durchdrang, meinten, man
solle dem Kaiser auf Steckenpferden entgegenreiten ^). denn
') Also wie in dem M. aus Languedoc.
-) Es sind dies verschiedene Fassungen jener bekannten Erzählung,
in welcher ein Unterthan seinem Herrn zu gleicher Zeit seinen grössten
Feind und seinen grössten Freund, in mehreren Fassungen auch seinen
besten Diener und seinen besten Lustigmacher vorführen soll, und dem-
zufolge seine Frau, seinen Hund, seinen Esel und seinen kleinen Sohn
bringt. Man vgl. über diese Erzählung, der wir soeben auch in den
Questions enigmatiques begegnet, A. Mussafia, Ueber eine altfranzösische
Handschrift der k. Universitätsbibliothek zu Pavia, Wien 1870, S. 58 ff.
= Philol.-histor. Sitzungsberichte der Wiener Akademie (Jahrg. 1870,
Märzheft), Bd. «4, S. 602 ff. [vgl. oben S. 415 zu no. 11].
■') „quod al curiam regis pedester et equester pariter i. e. semie-
quitans et semiambulans veniret" heisst es im Original ; in der fran-
zösischen Uebersetzung (Le Violier des histoires romaines, chap. 148):
„qu'il iroit ä luy moitie a eheval et moitie a pied ensemblement^ ; in
der altdeutschen (Cap. 28): „daz er auf den hof des küuiges halber
chom geritten und halber gegangen".
*) Die Nürnberger antworteten den Boptingern auf ihre Frage, wie
456 ^ur Märchenforsehung.
man sage. Steckenreiten sei halb gegangen. (Von der Hagen,
Narrenbuch, S. 101 und 131 f.)
Endlieh gedenke ich eines M. bei Campbell, Populär
Tales of the West Higlilands 3, 40. Darnach hat sich Grainne,
Fionns Gemahlin, in Diarmaid verliebt und fordert ihn auf,
mit ihr zu entfliehen, aber Diarmaid erwidert (nach Campbells
Uebersetzung): „I will not go with thee; I will not take thee
in softness, and I will not take thee in hardness: I will not
take thee without, and 1 will not take thee within; 1 will
not take thee in horseback, and 1 will not take thee on foot."
Darauf kam (irainne eines Morgens zu Diarmaids Haus auf
einem Bock geritten, und als er herauskam, stand sie zwischen
beiden Seiten der Tbür und sagte zu ihm: „I am not without,
I am not within, I am not on foot. and 1 am not on a horse,
and thou must go witli me.''
Soviel über die Aufgal>e, nicht so und nicht so, oder
weder so noch so zu kommen.
Wenden wir uns nun zu einigen andern Einzelheiten
unserer südslav. M.
Wenn zwei derselben mit der Frage eines Königs be-
ginnen, wie viel sein Bart wert sei, worauf das kluge
Mädchen in dem einen antwortet „Soviel als die Monate Juli,
August und September", und in dem andern „Soviel als drei
Regen im Jahre", so vergleiche man Vuk Nr. "25, wo der
Kaiser, nachdem er die Klugheit einer Tochter eines armen
Mannes schon durch mehrere Aufgaben und ein Rätsel M er-
probt hat. auf seine Frage, wie viel sein Bart wert sei, von
dem Mädchen die Antwort erhält „Soviel als drei Regen zur
Sommerszeit-', und das M. aus Languedoc, welches damit be-
ginnt, dass ein König bekannt machen lässt, wer erraten
könne, wie viel sein Palast wert sei, solle sein Brot erhalten,
und wenn es ein Mädchen sei, wolle er es heiraten, worauf
sie den Kaiser eiiipfangen sollten, sie seien halb geritten, halb gefahren.
Die Bopfinger kauften aber in Nördlingen sogenannte hölzerne Messgäul.
Birlinger, Volkstümliches aus Schwaben 1, 485.
') Was man am weitesten höre? Den Donner und die Lüge.
36. An 111 erklinge 11 zu V. Jagic Xr. 50. 457
eine Kühlerstochter antwortet, ein Tau (uno rousinadu) im
Monat August sei mehr wert als der Palast.
Mit (lern Anfang des slovenischen M. stimmen das gross-
russisehe, das Tiroler bei Zingerle a. a. 0. und das nieder-
sächsische bei Colshorn a. a. 0. Alle vier M. beginnen da-
mit, das zwei Männer einen Rechtsstreit haben, und der
Richter ihnen drei Rätsel aufgiebt, damit der, welcher sie
richtig löst, gewonnen haben scdl. Der eine löst sie falsch,
dem andern sagt seine Tochter die richtigen Lösungen. Es
sind aber die Rätsel mit den richtigen Lösungen die f(dgenden:
Im slovenischen M.: Was ist das Schnellste? Die Gedanken.
Was ist das Süsseste? Der Morgenschlaf.
Was ist das Kostbarste? Die Erde. |
Im grossrussischen M.: 57
Was ist geschwinder als Alles? Der Gedanke.
Was ist in der Welt das Fetteste? Die Erde, weil sie alle
Erzeugnisse hervorbringt.
Was ist das Lieblichste in der Welt? Der Schlaf, denn da
ruhen alle Sorgen.
Im Tiroler M.:
Was ist das Schönste auf der Erde? Der Frühling.
Was ist das Stärkste auf der Erde? Der Erdboden.
Was ist das Reichste auf der Erde? Der Herbst.
Im niedersächsischen M.:
Was ist fetter als Fett? Der Erdboden, dejin aus ihm kommt
alles Fett, und in ihn geht alles zurück.
Wie schwer ist der ^lond? Der Mond hat vier Viertel, und
vier Viertel sind gerade ein Pfund.
AVie weit ist der Weg zum Himmel? Nicht länger als eine
gute Tagereise, denn es steht in der Bibel: Heute
wirst du mit mir im Paradiese sein.
Was die falschen Löisungen betrifft, so meint in dem
slovenischen M. der Reiche, das Schnellste sei der Schuss,
das Süsseste Zucker und Honig, das Kostbarste Silber und Gold.
In dem grossrussischen M. antwortet der eine, ein Pferd
von ihm sei das Schnellste, ein Ochse von ihm sei das
Fetteste, das Weib das Lieblichste. Ganz ähnlich im Tiroler
45s Zur Märchenfurscliung.
M.: „Das Schönste ist mein Weib, das Stärkste sind meine
Oclisen, das Reichste bin ich selbst." Im niedersächsischen
M. lanten die falschen Antworten: „Drei Pfund Fett sind
fetter als ein Pfund; der Mond wiegt halb so viel, als wenn
er voll ist; wie w-eit der Himmel ist, kann der Amtmann
selbst erfahren, wenn er dort ankommt."
Dieselben Rätsel wie im grossrussischen M. ^) kommen
auch in dem nassauischen M. bei Kehrein a. a. 0. vor (was
am süssesten, was am fettesten und was am geschwindesten
ist), doch werden sie dort nicht von einem Richter zwei
Prozessierenden aufgegeben, sondern von einem König einem
Bauern, der zu viel von des Königs Feld weggezackert hat.
Auch hier giebt des Bauern Tochter ihrem Vater die richtigen
Lösungen (der Schlaf, die Erde, die Gedanken).
Auch in dem siebenbürgisch -sächsischen Märchen bei
Haltrich a. a. (>. kommen drei Rätsel vor, w^elche das kluge
Mädchen löst. Der König giebt sie einer ganzen (Gemeinde
auf, die über den Eingang ihrer neuen Kirche hatte schreiben
lassen: „AVir leben ohne Sorgen," und die kluge Tochter
eines armen Burghüters sagt ihrem Vater die xAuflösungeu.
Die Rätsel sind, welches der schönste Klang, der schönste
Sang und der schönste Stein sei, und die Auflösungen: der
Glockeuklang, der Fngel Gesang, der Weisen Stein.
Wie in dem slovenischen M. der Richter dem klugen
Mädchen gekochte Eier zum Ausbrütenlassen schickt
und sie ihm dagegen gekochte Hirse zum Säen, so schickt in
dem litauischen M. der Herr dem Mädchen ebenfalls gekochte
Eier und sie ihm gekochte Gerste. Auch bei Vuk Nr. 25
schickt der Kaiser dem Mädchen gekochte Eier zum Aus-
brüten, sie al)er lässt ihren Vater gekochte Bohnen säen und
dem vorüberkommenden Kaiser, der sich darüber wundert,
sagen, gekochte PJohnen könnten eben so gut aufgehen, als
aus üekochten Eiern Küchlein kommen. In dem grossrussi-
') [Vgl. die nordostjakisfhen Räti<el no. 35 — 38 bei Ahlquist S. 20:
,Ein Fettes: Die Erde. Ein Leichtes: Der Verstand. Ein Süsses: Der
Öc'liliif. Ein Wolilschmeckendes: Das Salz'. E. Schmidt, Schnell wie der
Gedanke; Euphorion 1, 47. Wossidlo 1, 225 no. 974 : ,Was ist süss?']
80. Aunierkungen zu V. Jagic Xr. 50. 459
sehen M. dagegen schickt (h'r Wojewode dem klugen Mädchen
keine gekochten, sondern nngekochte Eier, verlangt aber, dass
sie daraus bis morgen Küchlein ausbrüte. Sie lässt ihm am
Morgen sagen, die Küchlein würden bald ausgebrütet sein
und müssten mit Frühsaathirse gefüttert werden, er möge
einige Hirsenkörner, die sie ihm schicke, säen und hiinien
einer halben Stunde wachsen und reifen lassen.
Wenn in dem M. der Jugendzeitschrift Bosiljak der
Kaiser dem Mädchen ein Bund Flachs schickt, um daraus
für ihn und sein Heer Hemden zu machen, und sie ihm da-
gegen eine Nadel schickt, um daraus Hufeisen für seine
Reiterei machen zu lassen, so liegt hier-- andern Parallelen
gegenüber — wohl eine | Entstellung vor. Bei Vuk Nr. "25 .^e
[vgl. Grundtvig] nämlich schickt der Kaiser dem Mädchen ein
Bündel Leinen, um ihm daraus Segel und Taue und alles,
was man an einem Schiffe braucht, zu verfertigen: sie aber
schickt ihm dagegen ein Stück(dien Holz, woraus er ihr erst
einen Rocken, eine Spindel und einen Webstuhl schnitzen solP).
In dem siebenbürgischen M. soll das Mädchen dem König aus
zwei Fäden ein Hemd und ein Paar Lnterhosen machen, sie
aber schickt ihm zwei Beseidiölzchen, um ihr daraus erst einen
Webstuhl und ein Spulrädchen zu machen. In den italieni-
schen M. bei Nerucci, Comparetti und Corazzini soll aus einer
geringen Menge Flachs eine grosse Menge Leinwand verfertigt
werden, das Mädchen schickt aber dem König drei oder vier
Agen aus dem Flachs und verlangt, dass ihr daraus ein Web-
stuhl gemacht werde. Ganz anders ist die Sache bei Chud-
jakoff: hier schickt der Wojew^ode dem Mädchen Garn, woraus
sie bis morgen Leinwand weben und ein Hemd nähen soll;
das Mädchen schickt ihm am Morgen Leinsamen und lässt
ihm sagen, das Hemd sei fast ganz fertig, er solle aber den
') Auch in (Ilt russischen Lebende von Petrus und Fevrunia ver-
langt ersterer von letzterer, sie solle ihm, während er im Bad sitzt,
aus Flachs Hemd, Hosen und Handtuch verfertigen, wogegen sie ihm
ein kleines Holzscheit schickt, um ihr erst daraus einen Webstuhl zu
machen. Siehe AYesselofskys Aufsatz im Journal d. Min. der Volksauf-
kläruni;- 1S71, Xr. 4, 2. Abt. 95— U'2. namentlich S. 98.
460 2^11' ^lärchenforsehung.
Leinsamen säen binnen einer halben Stunde davon gesponnene
Fäden ihr bringen.
Wenden wir uns zu dem Rechtsstreit in unseren M.
Wie es sich in dem serbischen M. um ein Kalb handelt,
das zu Stuten gelaufen ist, und in dem slovenischen um ein
Füllen, das zu einer Kuh gelaufen ist, so handelt es sich bei
Grimm, Pröhle und Kennedy um ein Füllen, das zu Ochsen
gelaufen ist, und bei Colshorn um ein Eselfüllen, das von der
Eselin zu dem Esel eines andern Bauern gelaufen ist. Wenn
dagegen in dem M. bei Stojanovic der Lahme und der Blinde
sich streiten, ob das in der Nacht geborene Füllen von der
Stute des Blinden oder von dem Wagen des Lahmen her-
rührt, so vergl. man die M. bei Haltrich, Nerucci, Comparetti,
('er(|uand. Schleicher. Bei Haltri(;h hal)en ein Ochsengespann
und ein Stutengespann eines Nachts neben einander gestanden,
am Morgen findet sich ein Füllen unter dem Ochsenwagen,
und der Herr des letzteren behauptet, es komme von seinem
Wagen. Bei Nerucci hat eine Kuh eines Bauern, als sie
Nachts an den Wagen eines andern Bauern gebunden war,
ein Kall) bekommen, welciies der Herr des Wagens am
M(n'gen beansprucht. Bei Comparetti sind zwei Bauern, der
eine mit einer trächtigen Eselin, der andere mit einem Hand-
wagen, eines Sonntags an eine Kirche gekommen, als es ge-
rade zur Messe läutete, und deshalb hineingegangen, nachdem
der eine seine Eselin an den Wagen des andern gebunden
liatte; während der Messe bekiunmt die Eselin ein Junges,
u. s. w. Bei Cer({uand hat das Schaf eines Hirten zufällig
auf dem Felde in den Karren eines ackernden Bauern ge-
lammt. Bei Schleicher heisst es ganz kurz, es seien drei
Leute gewesen, einer hätte eine Peitsche, der andere einen
Wagen, der dritte eine Stute mit einem Fohlen gehabt, und
um das Fohlen hätten sie gestritten, indem der eine gesagt
hätte: „Das ist das Fohlen meiner Peitsche," der andere:
„Das ist das Fohlen meines Wagens," der dritte: „Das ist
das Fohlen meiner Stute." Bei Chudjakotl" endlich hat ein
Bauer von einem andern dessen trächtige Stute geliehen, um
Rüben vom Felde zu holen, und hat sie dann die Nacht noch
30. Anmerkungen zu V. .lagie >i'r. .')(). 4(;l
bei sic-Ii helialtcii: während der Naelit wirft sie ein Füllen,
welches der Entleiher nieht heransgieht, indem er behanptet.
eine Hübe auf dem AVagen sei lebendig geworden und gtdnire
also ihm M. ,
Wie in dem M. bei Stojanovic die Fürstin den Streitenden 59
sagt, der Fürst sei anfs Feld gegangen, nni die Frösche, die
seine Hirse frässen, mit Asche nnd Bohnen aus Hollunder-
geschosseu zu schiessen, wie hierauf der Lahme einwendet,
die Frösche frässen ja keine Hirse und man könne sie nicht
mit Asche und Bohnen erschiessen. nnd wie ihm die Fürstin
erwidert, ein Wagen könne auch kein Junges bekommen, so
sagt ähnlich imsiebenbürgischenM. die Königin den Streitenden,
ihr Gemahl sei im Kornfeld und schiesse Fische, und giebt
dann dem Mann mit dem Ochsenwagen auf seine Frage, wie
im Kornfelde Fische sein könnten, zur Antwort: „So gut. wie
ein Ochsenwagen ein Füllen w^erfen kann!"
Alit dem slovenischen M., in welchem der im Rechts-
handel unterlegene Mann auf den Hat der klugen Frau des
Richters auf einen Berg gehen und dort thun muss. als ob
er fische, sind in dieser Beziehung die M, bei Pröhle. (A)ls-
horn, (irimm, Keiniedy, ('oniparetti [Grundtvig, Bondeson]
und Cerquand zu vergleichen. In den beiden erstgenannten
wird auf einem Berg, in dem letztgenannten in der Kirche,
in den übrigen auf der Strasse gefischt. Während in den
übrigen M. der Fischende selbst dem über sein Beginnen ver-
wunderten K(inig u. s. w^ eine Antwort giebt, wie die. dass
es eben so möglich sei. auf dem Lande Fische zu fangen,
als das eine Kuh ein Füllen werfen könne und dergl., ist es
in dem M. bei Pröhle wohl minder gut die Königin, die die
Antwort giebt. In dem litauischen M. ist die Sache über-
haupt anders gewendet. Hier muss die kluge Frau auf
W\insch ihres Mannes, der selbst keinen Rat weiss, den Streit
schlichten und führt deshalb die Streitenden auf einen Bers:
') Auch bei Pitre hat ein Gevatter dem andern seine trächtige
Stute zu einer Reise geliehen, und die Stute bekommt nnterw^^ eirr
Junges, welches der Gevatter nicht herausgeben will, da die Stute es
bekommen habe, als sie in seinen Händen gewesen sei.
462 Zur Märchent'orsfhung.
inid lieisst sie da mit einem Netz fischen, und da .sie das
nicht können, sagt sie zu ihnen: ,,So wenig ihr auf dem
Berge fischen könnt, so wenig kann eine Peitsche ein Fohlen
haben und ein Wagen auch niclit, sondern nur einzig und
allein eine Stute kann ein Folilen haben."
Bei Pitre und Nerucci muss der, dem sein Füllen oder
Kalb durch den König abgesprochen worden ist, auf den Rat
der Königin nicht auf dem Lande jfischen, sondern im sici-
lianischeu M. laut um Hilfe rufen, weil die Fische aus dem
Meere kämen und auf <len Berg fliegen, und in dem toscani-
schen einen See mit einem durclilöcherten Löffel ausschöpfen
wollen. Letzteres Beginnen findet sich ganz ähnlich auch in
dem M. bei Corazzini; dort ist es aber ein Hirt des Königs,
der immer keinen Lohn erhält und der deshalb auf den Rat
der Königin mit einem Sieb aus dem Meer schöpfen und dem
verwunderten K(inig sagen muss. er verdiene dabei eben so
viel als bei seiner Arbeit für den KTmig.
Zu dem Vukschen M., insofern darin der Bauer, der
durch das Urteil des Kaisers sein Kalb verloren hat, auf den
Rat der Kaiserin Hecht und Karpfen bei dem Kaiser ver-
klagt, weil sie seine Hirse gefressen, zu dem M. bei Mikulicic,
insofern (hiriii der unschuldig zum Tode Verurteilte auf den
Rat der Königin vor dem (lericlit gekochte Bolnien pHanzt,
und zu dem M. in der Zeitsclirift Bosiljak, insofern der Kaiser
darin ein Kalb einer armen Frau für ein Reh ansieht und
es erschiesst, und die arme Frau auf den Rat der Kaiserin
Brennesseln drischt und dem Kaiser auf seine Frage erwidert,
die Brennessehi könnten eben so gut Korn sein, wie ein Kalb
ein Reh, weiss ich keine Parallelen [H. Sachs, Fabeln ed.
Goetze 2, XXI 1 zu no. 338, Bolte zu Frey S. 279, no. 11].
Schliesslich erinnere ich an Benfeys Aufsatz, welcher in
der Zeitschrift „Das Ausland". Jahrg. 1859, Nr. 20, 21, 22,
24 und 25, erschienen und betitelt ist „Die kluge Dirne.
Die indischen Märchen von den klugen Rätsellösern und ihre
Verbreitung über Asien und Europa" [= Benfey, Kleinere
Scliriften 3, 156 — 222], In diesem Aufsatz leitet Benfey be-
kanntlich die europäischen M. von der klugen Dirne, von
30. Aiini<'il<uni;eii zu V. Jai;ic Nr. 50 — 52. 463
denen ilini damals | nur die Fassungen bei (irimin, Colsliorn, «o
Vnk Nr. "iö- Haltricli und Schleiclier vorlagen, aus einem
indisclien M. von der klugen nnd scharfsinnigen Vicakha, der
iSciiwiegertochter eines Ministers, her.
51 (Stef. IS). Einem Mä«lchen blülit eine Böse anf dem
Kopfe, liinter ihr wächst Gras nnd anf diesem Grase
weidet ein goldenes Pferd.
Vgl. Wenzig, Westslawischer Märchenschatz, S. 45 (böli- ei
misches M.). Ausland 1S58, S. 90 (rumänisches M.), Hahn,
griechische M., |Nr. "iS, Mailäth, Magyarisclie Sagen etc., 2,
209, Comparetti, jNovelline popolari italiaue, no. 25, Gradi,
Saggio di letture varie per i giovani, S. 141, Pitre. Fiabe etc.,
no. |()2, Maspons yi LabriKS, Lo Rondallayre, 3, 114, Cosqnin,
Contes pop. lorrains, no. 85 (Romania 7, 552).
In allen diesen M. — mit Ausnahme des böhmischen
und des lothringischen — hat die Heldin ähnliche vvuiulerbare
Eigejischaften wie in unsern beiden slavischeii. und in allen
werden ihr die Augen ausgestochen und nachher wieder-
gekauft ^).
Es giebt noch viele übrigens ähnliche M.. in denen aber
das Ausstechen und Wiederkaufen der Augen fehlt. S. zu
Gonzenbach no. 8;^ und 34 und zu IMtre no. 62 [Zs. d. V. f.
Volksk. <;. 72. Oben S. 12H zu Blade 1, 226].
52 (Stef. 19). Brnder nnd Schwester, beide goldhaarig
nnd silberzäh nig.
ich verweise auf meine Anmerkungen oben Bd. 2, S. 627 64
und 628 [= oben S. 422 zu no. 25. 26].
Der schönen Djuzelgina, die der Bruder seiner Schwester
holt und die dann die Wahrheit au den Tag bringt, ent-
sprechen die Schöne des Landes (Hahn, Nr. 69, V. 1), die
Tzitzinäna {Neoe/d. 'Arnhxjd 1. 1, Nr. 4) [oben S. 372] und
die schöneJeseusulchar (Schiefner, Awarische Texte, Nr. 12).
^) In dem italienischen M. bei Comparetti werden ausserdem die
Hände, in dem böhmischen die Hände undFüsse abgeschnitten, in dem loth-
ringischen die Hände undFüsse abgeschnitten und die Zähne ausgebrochen.
4(54 '^ii'' ililrcluMifür.schuni;'.
53 (Stet. iO). Veljko Lovic uiitl Kusljo.
66 Dies M. hat ziiiii Teil Aeliuliclikeit mit Nr. 58 unten,
welches man nebst meinen Anmerkungen vergleiche [Bartsch
1, 483 ,Clara\vunde^].
Die List, durch welche die Kaiserstochter entführt wird,
indem der Entführer, als Kaufmann verkleidet, sie auf
sein Schiff lockt, um seine Waren zu besehen, kommt
auch in dem verwandten serbischen M. bei Vuk Nr. 12 vor,
in dem deutschen M. vom getreuen Johannes bei (irimm
Nr. G und in dessen Parallelen im Pentamerone 4, 9 und
Waldaus böhmischem Märchenbuch S. 407, in dem russischen
M. von den sieben Simeonen bei Dietrich Nr. 3 und in dem
altdeutschen Gedicht von Kudrun ((i. und 7. Aventiure).
[Wollner zu Brugman S. r)36. Köhler, Anz. für d. Altert.
9, •243. 253. 255.]
Wenn Lovic das Schloss der Prinzessin und dann die
von ihr ins Meer geworfenen Sclilüssel dazu herbei-
schaffen muss, so vgl. man Waldau, Böhmisches Märchen-
buch, S. 39(5, Luzel, Quatrieme Rapport, S. 183 und S. 201,
und Veillees bretonnes, S. 169 — 174, Cosrpiin, Contes po|)u-
laires lorraius [1, 49j. no. 3 ( Romania 5. 94).
54 (Stet. 21). Veljko und Daiiiika.
ßg Ich verweise auf meine Anmerkung oben [S. 428] zu Nr. 30
und auf de Gubernatis, Le Novelline di Santo Stefano, Nr. 28.
In letzterem M., welches ich früher vergessen hatte anzu-
führen, soll nur derjenige die Hand der Tochter des KTmigs
von Portugal erhalten, der errät „ciö ch' ella aveva addosso".
Ein Bauerbursche Mammaciuco treibt sein mit seiner Jacke
ganz verhülltes Schwein am Schloss vorüber. Die Prinzessin
sieht es und will wissen, was es sei. Mammaciuco enthüllt
aber das Schwein erst, nachdem auch die Prinzessin sich vor
ihm ganz entkleidet hat. Er begegnet hierauf einem Signore,
der an den Hof will, um das Rätsel zu lösen, und verkauft
ihm das Geheimnis, dass die Prinzessin drei Goldhare an sich
habe. Sodann kleidet er sich als Signore und erscheint eben-
falls am Hofe. Während jener nur hat sagen können, dass
30. Aninerkuni;<'n zu V. .Titi;ic Nr. 53 56. 4().')
die Prinzessin drei (ioldhaare an sich habe, (dine angeben zu
können an welcher Stelle, sagt Mammaeiueu. dass sie die
(loldhaare unter der rechten Brust hat. Der Hof entscheidet
nun, dass die Prinzessin sich zwischen beide Bewerber zu
Bett legen und dass der, dem sie am Morgen zunächst liege,
sie zur Frau bekommen solle. Mammaciuco beschmutzt des-
halb die Stiefel seines Mitbewerbers, und der üble (leruch
veranlasst die Prinzessin, sich von letzterem ab und ersterem
zuzuwenden. [Ungar. Revue 1886, 481.]
55 (Stef. -2-2). Upravda und Krivdii (Gerechtigkeit und
Ungerechtigkeit).
Vgl. die von mir im Jahrbuch für romanische und eng- (;«
lische Litteratur 7, 6 fl". [= oben S. 281 Nr. l]^) und von
Cosquiu in der Romania 5, 345 ff. [no. 7] zusammengestellten
M. und ausserdem noch Zingerle, Kinder- und Hausmärchen
aus Tirol, '2. verm. Aufl., Nr. 13, und Kinder- und Haus-
märchen aus Süddeutschland, S. ")3 und 31!), das von R. Hansen
in der Zeitschrift der Gesellschaft für Srhleswig-Hulstein-
Lauenburgische Geschichte 7, 233 mitgeteilte dithmarsische
M., Pitre, Fiabe Nr. 65, Cerquand, Legendes et recits popu-
laires du Pays basqne, 1, 51, Coelho, Contos populäres portu-
guezes, Nr. 20. Luzel, Yeillees bretonnes, S. 25S und 281,
Miklosich, Zigeuner-M., Nr. 12, und Beiträge zur Kunde der
Zigeunermundarten, 4, 3. AVie Ralston in dem von der
Folk-Lore Society herausgegebenen Folk-Lore-Record, Vol. 1,
S. 91, angiebt, finden sich in Afanasjevs russischer Märchen-
sammlung sieben Versionen unseres Märchens. [Goldschmidt
S. Gl.] Das mailändische M. in Imbrianis Novellaja fiorentina
S. 601 gehört zum Teil auch hierher.
56 (Stef. 23). Wer einmal iinglücklich ist, ist in der That
unsrlücklich.
Ich behalte mir für eine andere Gelegenheit die Be- 74
sprechung aller der zahlreichen hier in Frage kommenden M.
^) S. 9 habe ich Mailäth, Magyarische Sagen und Märclien, 8. 157
zitiert; ich hatte damals nur die erste Aufhige (Brunn 1825) vor mir;
R. Kühler, Kl. Schriften. I. 30
4()() ^^11' Märchenfurschung.
vor [Köhler, Aufsätze 1894, S. 99, ,Vum (ilück und Unglück']
und zähle an dieser Stelle nur diejenigen auf, die dem bei
Valjavec besonders nahe stehen, nämlich Waldau, Böhmisches
Märchenbuch, S. 5<S7, = Chodzko, Contes des paysans et des
patres slaves, S. 31^)' Glinski, Bajarz polski, 3, 178, Grimm,
KHM., ^Y. 29, Meier, Volksm. aus Schwaben, Nr. 79, Pröhle,
M. für die Jugend, Nr. 8, Curtze, Volksüberlieferungen aus
Waldeck, M. Nr. 14, (irnndtvig, (Jarale danske Minder, 1, 159,
Nr. -214, und 169, Nr. 215, Asbjörnsen und Moe, Norske
Folkeeventyr, Nr. 5, Nicolovius, Folklifwet i Skytts Härad i
Skäne. 2. iipplagan, Lund 18G8, S. 37, Archiv für wissen-
schaftliche Kunde Russlands 16, 236 = Grässe, Märchenwelt,
S. 169 (finnisches M. aus Salmelainens Sammlung), A. de
Trueba, Guentos de vivos y muertos, 3. edicion, Madrid 1879,
S. 123 (El yerno del rey), Gaal- Stier, Ungarische Volksm.,
Nr. 17. In allen diesen M. kommt, wie in dem bei Valjavec,
eine Briefvertauschung vor, in Folge deren ein Jüngling
geringer Herkunft der Schwiegersohn eines Königs oder doch
eines vornehmen oder reichen Mannes wird. Er wird dann
von dem Schwiegervater, der ihn verderben will, ausgesendet,
Haare oder Federn des Teufels, des Alten Allwissend, eines
Riesen, eines Drachen, eines gewissen Vogels zu holen oder
an den Teufel oder ein anderes Wesen eine Frage zu richten,
unterwegs aber wird er noch von anderen Personen gebeten,
ihnen auf gewisse Fragen Antwort zu verschaffen. [Scham-
bach-Müller, no. 2 und 3, Goldschmidt, Russ. M., S. 147,
Wlislocki no. 10, Bolte. Altpreuss. Monatsschr. 35, 149.]
57 (Stet. 24). Die Versucliuiig und Belohnung des
Grerechten.
[— Krauss 2, no. 101.]
in der zweiten Auflage (Stuttgart und Tübingen 18.87) steht das frag-
liehe M. (Die Brüder) Bd. 1, S. 1B9.
') Das tschechische Original hat, wie Chodzko angiebt, K. Erben
zuerst in dem Prager „Ma'i" auf das Jahr 1860 veröftentlicht und dabei
zugleich die zahlreichen slavischen Varianten verglichen. Erben hat
es dann auch in seine 18(i5 zu Frag erschienene Sammlung von hundert
30. Anmerkungen zu V. Ja^ic Nr. .tO 58. 4(17
58 (Stef. '2b). Die vicruiMlzwanzii»' an einem Tage ge-
borenen Brüder.
hl diesen beiden M. [von denen das zweite auch bei 77
Kraiiss 1, no. 80 zn finden ist,] haben wir Elemente zweier
zuweilen verbundener Märciien, nämlich 1. des M. von dem
Jüngling, der mit seinen Brüdern bei einem dämonischen
Wesen übernachtet und dnrch Vertauschnng der Lagerstätte
oder der Kopfbedeckungen oder dergleichen veranlasst,
dass jenes Wesen seine eigenen Töchter statt der fremden
Jünglinge nmbringt, der dann auf Befehl eines Herrschers
demselben AVeseu mehrere Gegenstände entwenden nnd zuletzt
es selbst herbeischafifen muss^), nnd "2. des M. von der gold-
haarigen -lungfrau, die ein Jüngling einem König holen
muss, schliesslich aber selbst zur Gemahlin erhält-).
Am nächsten steht in manchen Beziehnngen nnsern beiden 78
M. ein Zigenner-M. bei Miklosich Nr. 9. In diesem sind
vier Brüder bei einem Herrn anf ein Jahr in Dienst getreten
und haben sich jeder ein Pferd als Lohn bednngen. Nach
Ablauf des Jahres wählen die älteren gute Pferde, Tropsen,
der Jüngste, aber ein kleines Füllen, welches ihm gesagt hat,
er solle es sich ausbitten. Das Füllen wird, nachdem es noch
einmal au seiner Mutter getrunken, ein gewaltiges Koss. Die
vier Brüder kommen zu einer alten Zauberin mit vier Töchtern,
die sie heiraten wollen. Die Alte thut, als sei sie es zufrieden,
" will aber Nachts den Brüdern die Köpfe abschneiden; da je-
doch Tropsen sich und seinen Brüdern die Hüte abgenommen
und sie den Mädchen aufgesetzt, so schneidet die Alte letzteren
die Köpfe ab. Hierauf entfliehen <lie Brüder, nachdem Tropsen
slavischen Volksniärehen aufi^enoninien und daraus hat es E. Teza u. d. T.
.1 tre capelli d'oro del Nonnu Satutto" (Bologna 18(Ui) übersetzt und
erläutert.
') S. meine Anmerkung zu Schiefner, Awarisehe Texte, Xr. 3 und
oben [S. 414] zu Nr. 9, wo man noch hinzufüge AVebster, Basque Legends,
S. 16 und 77, u. Coelho, Contos pop. portuguezes, Xr. 21.
-) Es genüge hier auf meine Anmerkung zu Gonzenbaeh Nr. 83, 11,
und auf die Cosquins zu Nr. 3 seiner Contes lorrains (Eomania 5, 94)
hinzuweisen.
30*
4.ßS 2^'' Märt'henforschung.
eine Feder eines goldenen Vogels der Alten gegen den Willen
seines Rosses mitgenommen hat. Sie treten bei einem Grafen
in Dienst. Tropsen steckt seine Feder in die AVand, nnd sie
dient ihm als Lenehte. Seine neidischen Brüder melden dies
dem Grafen nnd stiften dann an, dass der Graf verlangt,
Tropsen solle ihm den goldenen Vogel der Alten holen.
Tropsen führt dies mit Hülfe seines Rosses aus und holt
ebenso dann dem Grafen die Jungfrau vom Grunde der
Donau. Die Jungfrau verlangt nun, dass auch ihre Ross-
heerde aus der Donau herbeiges<'hafft werde, und als Tropsen
sie mit Hülfe seines Rosses geholt hat, muss er die Stuten
melken und in ihrer siedenden Milch baden. Sein Ross
bläst die Milch külil, und Tropsen steigt ans dem Kessel
noch scliöner hervor, als er schon war. Nun steigt auch
der Graf hinein, kommt aber darin um, und die Jungfrau
heiratet Tropsen.
Das Bad in der siedenden Stutenmilch, die vom
Ross des Helden kühl geblasen wird, kommt auch in einem
verwandten rumänischen M. bei Schott Xr. 17 vor. In einem
anderen verwandten rumänischen M. in der Revue linguis-
tique 5. 248 muss sich der Held in einem mit Ziegenmilch
gefüllten, von selbst kuchenden Kessel baden, aber sein Ross
wiehert, und der Kessel kocht nicht. [Veckenstedt, S. 233,
Wollner zu Brngman no. 5 p. 527, 528, 529, 532, 536, Siedendes
Oel: Archivio 3, 370, Ofen im A£?.tiov.] In einem tata-
rischen M. bei Radioff 4, 373 ist an die Stelle der Milch
siedendes Wasser getreten, in w-elchem der Held unverletzt
bleibt, weil er sein Ross neben den Kessel gebunden hat.
In den sicilianischen M. bei Gonzenbach Nr. 83 und Pitre
Nr. 39 entspricht ein Kalkofen, in dem der Held unverletzt
bleibt, weil er sich mit Schaum seines Rosses bestrichen.
Vgl. auch Halm, (Griechische M. Nr. 63. Bei Schiefner,
Awarische Texte, Nr. 1, S. 8, wird ein tiefer Brunnen mit
der Milch roter Kühe angefüllt, in den nur der alte König
springt, um sich zu verjüngen, aber untersinkt und ertrinkt.
Wie in unserem M. das Ross des Helden, als er ver-
schiedene Gegenstände findet, zu ihm sagt: ,,Wenn du es
30. Aniuerkiuiueii zu V. Jagic Nr. 58. 469
nimmst, so wirst du es bereueu: nimmst du es aber
nicht, so wird es dir leid sein!" so spricht das Ross auch in
den oben erwähnten M. bei Schott Nr. 17, als der Held eine
goldene Krone, in der Revue linguistique a. a. 0., als er ein
goldenes Band, und bei Sciiiet'ner S. 5, als er einen Gold-
flaum liegen sieht. [Vgl. Kremnitz S. 224: ,Wenn du es
weisst. du es bereust, wenn du es nicht weisst, da "s auch
bereust.- Firdosi und Nizami (bei Spiegel, Eran. Altertums-
kunde 2. 59(). G14): .Wer von den Steinen des Weges mit
sich nimmt, wird es el)enso bereuen wie die, welche sie
liegen lassen." Pseudd-Kallisthenes 2, 40. 41.] Oben in Nr. 20
warnt das Ross den Helden, den Giddvogel zu schiessen, von
dem er (hinn drei Federn nimmt. In einem verwandten bre-
tonischeii M. bei Luzel. Veillees hretonnes, S. 152, findet
Petit-Louis eine leuchtende Pfauenfeder, und in einem zweiten
parallelen bretonischen M. bei Luzel, Quatrieme Rapport,
S. 190. findet Gwilherm eine goldene Locke, in beiden warnt
das Ross den Helden, Feder oder Locke aufzuheben. [Dozon
no. 12, Brugman S. 532. Je?aior 1, 304.1
Wie in dem zweiten unserer M. das Ross des Helden
zum Schutz vor dem gewaltigen Ross, das es in die Gewalt
des Helden liringen soll, in neun Biiffelhäute genäht wird,
so wird bei Luzel, Quatrieme Rapport. S. 199, das Ross in
20 Ochsenhäute eingenäht, bei Schott a. a. O. werden ihm
drei Büftelhäute aufgepiclit. und bei Radioff a. a. 0. S. 382
werden dreissig Pferdefelle über seinen Nacken gelegt. In
dem erwähnten, nicht ganz gut iil)erlieferten Zigeuner-M.
kommt das Aufpichen von 12 Fellen auf den Rücken des
Rosses auch vor. aber nicht an der rechten Stelle. [Brugman
S. 530, Hahn 1, 1(39 no. 22.]
31 NE FRAPPER QU'ÜN SEUL COUP.
(Melusine 5, 37—38. ISliu.)
1. Dans une conte serbe, publie en allemaud par M. Jagic 37
(Archiv f. slav. Philologie, 1, 1876, p. 281 no. 8), un avor-
470 ^^"' Märchenforschuug.
ton haut d'un empaii puursiiit uu hoiniiie qiii seu allait une
niiit du mouliii ehez lui. L'homme lui donne uii fort coup
de räteau. „Frappe eneore une fois", dit l'avorton, mais
rhomnie repond: „ma mere m'a enfante une fois". Ij'avor-
ton etait le Diable, et il creva de colere, parce que riiomme
n'avait pas voulu frapper eneore une fois.
2. Dans ma note sur ce eonte [oben S. 414] je n'avais fait de
rapprocliement qu'avec un eonte grec de Halm (Grieehische
Märchen no. 70). La un prince donne un coup d'epee ä un
dragon, et le dragon lui dit: „Donne-moi eneore un coup,
afin que je meure vite." Mais le prinee: „Ma mere ne m'a
enfante qu'une fois." La-dessus le dragon creva, parce que
le prince ne voulut pas lui donner uu second coup d'epee.
3. Quelques annees plus tard, Liehrecht s'occupant de
ce theme dans son livre Zur Volkskunde, p. 333, ecrivait:
„C'est un trait frequent dans les legendes qnun uouveau
coup frappe ou tire, ä sa demande. sur un etre fantastique,
detruit Feütet du premier: aussi ce uouveau coup est-il refuse
par celui a (jui on le demande. Aiusi dans les contes nor-
vegiens d'Asbjoernsen (Norsk Huldre-Eveutyr, 3e ed., p. 192)
le tireur Pierre tire trois fois a la tete uu troll (lutin ou
etre fantastique), et celui-ci lui dit: „Tire eneore une fois."
Mais Pierre etait trop malin pour le faire, car ce coup serait
revenu sur lui-meme.
„Dans une legende islandaise publice par Arnason (T. 1,
p. 14»), un certain Svein traverse un fantome avec son cou-
telas. Celui-ci a l'air d'en avoir peu de souci et dit seule-
ment: „Retire et frappe eneore une fois." — „Garde ce que
tu as" repond Svein, et le fantume s'eloigne. — Autre
legende du meme ouvrage (T. 1. p. 023): Thorleif qui s'entend
en magie, veille sur uue jeune fille que menace un fantome.
Une nuit (|u'ii sc tieut pres de soii lit. il cherche en bas
avec soll long coutcnu. et sur la pointe de celui-ci il ramene
uu meiiihrc humaiii. „Frappe eneore u\\(' fois". dit uue voix
de dessous terre. „Un scul chritiinent sufdt m ('h;i(|ne fois",
repnnd Thorleif.
31. Ne fra])per qii'uii seul ooup. 471
„Daus iiiie. legende (rAmruin, daus Mülleulioff (Sagen
etc. der Herz. Schleswig-Holstein, Kiel, 1845, no. 297), un
liomme frappe une sorciere qni est montee sur ses epaules;
eile est forcee d'en descendre, mais eile lui dit d'abord:
„Encüre un coup!" Et riiomme repond: „Je m'en garderai
bien!" Au jour suivant il se montra que la sorciere etait
sa fiancee; et un second coup l'aurait guerie."
Puis Liebrecht, apres avoir cite les contes serbe et grec,
termiue ainsi: „Ce trait se rencontre donc dans le nord
comme dans le sud de l'Europe."
Depiiis, jai retrouve six contes qui appartienneut ä ce
cycle et je vais les resumer:
4. Dans un coute turc traduit eu alleniaud par Ignace |
Künos (Ungarische Revue, 1S88, p. KU), Atola, fils d"un 38
cheval. jette a terre un dev (genie) qu'il a grievenient blesse
d'un coup de lance. Le dev lui dit: „Si tu es un homme,
donne-moi un second coup dans le flanc!" Atola repond —
comme les heros des cimtes grec et serbe: „Ma raere ne
m"a enfante ([uune fois." 11 savait qu'un second coup de
lance remettrait le dev sur pied.
5. Le heros d'un coute kurde, Hasanek, a coupe la tete
ä un dev d"un coup de l'epee apparteiumt a celni-ci. La
tete dit: „Donne un second coup." Mais (juelquuii qui
connait les devs a fait la le(;on ä Hasanek et celui-ci repond:
„Je ne donne pas un second coup, car le heros n"a qn'une
parole." (P. Lerch, F'orsch. über die Kurden etc., Ire partie,
Saint-Petersbourg, 1857, p. 57).
6. Dans un coute arabe d'Egypte, Mohammed lavise part
pour tuer le taureau de la vallee noire. Quand il la trouve,
il lui porte un coup du poignard que lui a donne une ogresse.
Le taureau lui dit: „Frappe encore une fois." Mais Moham-
med, style par Logresse, n'en fait rien, et repond: „Le coup
de la jeunesse ne se repete pas". La-dessus le taureau
tombe et meurt. Si Mohammed avait frappe un second coup,
il aurait ete tue par le taureau. La merae histoire lui
arrive avec le taureau de la vallee rouge. Les deux tau-
472 Zur Märchenforschung.
reaux sont les lils du Sultan des Genies. (Spitta-Bey. Contes
arabes, Paris, 1883. p. 17—19.)
7. Dans un conte kabyle un fils de roi trappe uii ogre
avec un poignard rpie celui-ci lui a donne: „Kncore un coup!"
dit logre. Mais le fils de roi a appris d'une des femmes de
logre qu'il ne devait frapper quun coup avec le poignard;
autrement Togre ne mourrait pas et le tuerait. 11 dit donc
a l'ogre: „Secoue la tete." L'ogre le fait, et sa tete tombe,
une moitie ä gauche et l'autre raoitie ä droite (J. Riviere,
Recneil de Contes kabyles, Paris, 1882, p. 241—242).
8. Dans un conte lapon, un Lapon lutte avec un stallo
(genie); il est sur le point de succoraber et detre tue par
le stallo. La femme <lu Lapon vient alors en cachette, et
frappe le stallo par derriere, dun coup de hache entre les
deux epaules. Le stallo se retourne et dit a la femnie:
„Frappe encore une fois." Mais le Lapon crie : „Ne le
frappe plus et laisse-le comme il est, mais arrache-le de
moi!" La femme fait ainsi. le stallo tombe sur le dos et
meurt (Qvigstad et Sandberg, Lappiske Eventyr etc., Kristiania,
1887, p. L58).
9. Dans le mabinogi (recit) gallois de Pwyll. })rince de
Dyved, Arawn, roi d'Annwyn, charge Pwyll de combattre en
son lieu et place contre le roi Hafgan et il dit ä son rem-
pla(;ant: Hafgan ne survivra pas au coup ((ue tu lui donueras;
mais s"il te prie de lui donner un second coup, ne le fais
pas, quelles que soient ses priores; car, lors<|ue jai agi ainsi
moi-merae, il a combattu avec moi le second jour aussi bien
(|ue le premier. (San Marte , en appendice k sa traduction
(allemande) de Thistoire de la litterature galloise de
Th. Stephens, Halle, 1864, p. 429—430. — Les Mabinogion,
traduits par J. Lotli. Paris, 1889, t. I, p. 32—35.)
[Vgl. Melusine 6, 28. 8, 23, Basset, Etudes sur la Zenatia
du Mzab 1892 = Publ. de l'ecole des lettres dAlger 12
p. 152. Stumme, Mirchen der Schluh 1895 S. 154: Houwäru
1895 S. 123.]
32. Der undankbare Sohn un<l die Kröte. 473
32. Der undankbare Sohn und die Kröte.
Ein kroatischer oder serbischer Text, mitgeteilt von I^-ofessor
Danicic, mit Bemerkimgeu von Dr. R. Köhler.
(Archiv fiir islavisehe Pliilolo»-ie 8, 21.") — 219. 1878.)
Die älteste mir bekannte Ueberlieferimg der Geschichte 2X6
von dem nndaukbaren Sohn und der Kröte findet sich in dem
Boniim universale de apibus des im 13. Jahrhundert lebenden
Thomas von Cantimpre (Cantipratanus). falls nicht etwa eine
noch nngedruckte franzTtsische Erzählung in Versen älter ist.
Den Inhalt der letzteren giebt A. Tobler im Jahrbuch für
romanische und englische Litteratur, 7, 411 also an: „Ein
pflichtvergessener nndankbarer Sohn, der seines Vaters Bitte
um Speise abgeschlagen hat, wird dadnrch bestraft, dass das
grösste Stück Fleisch der Schüssel ihm als Kröte an die Lippe
springt^)."
Die Erzählung in dem genannten Werke des Thomas von
Cantimpre aber (Lib. II, cap. 7. § 4) lautet: \
In Normanniae partibus vir admodum dives erat, sed 217
ignobilis. Hie filium liabel)at unicum et dilectum, quem
delicate educaverat ad robur viri. Convenit ergo patrem
miles quidam nobilis cum amicis, dicens: Filia est nobis de-
cora uimis et prudens, })er (piani. si tibi placuerit. posteritas
tua exaltari poterit et juvari. Hanc filio tuo dabimus in
iixorem, hoc tamen modo, ut cedas possessionibus nniversis,
et filius tibi et matri. quamdiu advixeritis, abundantissime
providebit. Casus enim diversi sunt, in quibus filins tuus
posset, te in possessione manente, haereditate frustrari. Hoc
patre andiente et haerente sub dubio, ab amicis tandem com-
pulsus est, etsi inente pavidus. cedere cunctis bonis. Peractis
ergo nuptiis. filius et uxor ejus anno quidem priino honoravit
parentes. victum copiosius ministravit, sed secundo minus et
tertio inverecundius quam decebat. Quarto autein anno, sug-
M Vul. in Betreff dieser Erzählung auch A. Weber, Handschrift-
liche Studien auf dem Grebiete romanischer Litteratur des Mittelalters,
1, 10 (16), 21 (16), 26 (28), 29 (22), 34 (:S6).
474 2ur Märcheiitorscliung'.
gereute iixore, filius pareutibiis j^iiis domimculam parvam in
opposito domus siiae constitiiit. ut minus esset iudecentia
sennm juvenibus onerosa, ibiqne eis secretius insufficienter
necessaria ministrarent. Pertulit ergo senex pater ibidem
cum nxore deerepita non modicam egestatem, et vix interdum
(btmum filii audebat intrare, sed per clientuliim mandabat ea,
quibiis carere nun poterat. L-na aiiteni diernm accidit, ut
mater, ex opposito domus suae visa auca infixa verui in domo
filii, diceret viro suo: Me t'eminam magis decet paueis esse
contentam, tu autem vadas ad domum filii et saltem semel
esurientem aninium saties de auca, ([uam ibidem vidi esui
praeparatam. Hoc audito, senex innixus baculo properabat
ad domum filii, sed mox ut eum filius vldit, aucam retraxit
ab igne et clam al)Scondit. statiuKpie patri obvius. quid quae-
reret, in(|uislvit. Et mox factum pater notans dissimulavit et
rediit ad domum suam. Filius igitur puellae pr^ecipit, nt mox
aucam reponat ad ignem. Nee mora. ubi pnella in thalamo
aucam vidit, bufonem maximum aucae pectori haerentem in-
venit. Ea ergo clamante, accurrit junior dominus, nisusque
bufonem excutere, ut violenter institit. bufo ab auca resiliens
faciem adeo fortiter conantis invasit. ut nnlla arte vel con-
silio deponi posset. aut excuti, sed sie multis annis hominis
nequitiam inhaerendo punivit. Et erat illud supremi stuporis
miraculum. et si quando monstri illius pars ali(iua taugebatur,
ac si percuteretur in corde, ita h(tmo sensibiliter laedebatur.
Gonterritus igitur mirabiliter et contritus adiit dioecesanum
episcopum. et cum omni dolore confessus pro poeniteutia re-
cepit ab illo, ut per omnes fines Xormanniae et Galliae civi-
tates revelata facie circuiret et ubique narraret populis
eventum rei, ut per lioc exemplum sumerent filii lionorare
parentes et discerent, quam periculosum sit et nocivum vicem
non rependere laboribus, quos ipsi parentes filiis impenderunt.
Hunc ergo hominem cum bufonis monstro circumeuntem, ut
diximus. frater Joaimes de Magno Ponte, ordinis praedica-
toruui. sicut per ipsum nobis relatum est, vidit in juventute
Parisiis palain referentem omnibus et monstrantem, quod j)r()
iidionoratione parentum passus fuerat multis annis et adliuc
H2. Der uiidiuikbare >io\n\ und die Kröte. 475
secundum Dei voliintatein pateretur. Hunc })ostea. sed iiou
per dictum fratrem -loaiinem. aiidiviimis saiietoruin qiioriiiidani
precibus liberatuiu. et dispariiisse subito foedum moüstrum.
Die Erzählung des Thomas von Cantimpre ist im Original
oder in Uebersetzung in manche andere mittelalterliche Werke
unverändert übergegangen. | So in das Speculum exemplorum 2U
(in civitate Argentina 1487. distinctio 5. 84) und in eine
deutsche Sammlung von Predigtmärchen (Franz Pfeiffer, Alt-
deutsches Uel)ungsbuch, Wien 1S66, S. 194). Aus Thomas
hat nachweislich Johannes Herolt (Discipuhis) in seinem
Werke de eruditione Christifidelinm (in dem Abschnitt de
quarto praecepto) geschöpft, aber bei ihm verwandelt sich
ein Stück des Bratens, als es der Sohn in den Mund führen
will, in eine Kröte ^). Andere mir bekannte spätere Fas-
sungen der Erzählung haben wieder andere, aber immer un-
wesentliche Abweichungen von Thomas. In einer Fassung in
dem „Seelen Trost" (Frommanns Deutsche Mundarten. 1. 'ilG)
wird ein Schmied gerufen, der den „grossen breiten Wurm",
der dem Sohn ins Gesicht gesprungen ist, mit Zangen herab-
reissen soll, der Wurm aber sieht ihn so schrecklich an. dass
er vor Furcht zu Boden fällt und erklärt, das sei kein Wurm
sondern der böse Feind, weshalb der böse Sohn mit dem
Wurm liegen blieb und starb. In Johannes Paulis Schimpf
und Ernst. Kaj). 4o7 -). in Luth(M-s Tischreden (hgg. von
K. E. Förstenninn. 1. •JOB) und in Wilhelm K'irchhofs Weiuhin-
^) A. Hondorf, Promptuariuni Exomidoriini, Historien- und Exenipel-
buph 2, Eisleben 1599, 62, eitiert nicht Herolts obengenanntes Werk,
sondern seine oft gedruckten Sermones de tempore [et sanctis cum
Promptuario exemplorum], ohne nähere Angabe, wo sich da die Ge-
schichte finde. [Etienne de Bourbon 1877 no. 16H, Crane, Mediaeval
Sermon-books p. 77. Hist. litt, de France 23, 193, Bütner, Epitome bist.
1.596 Bl. 497, Lautenberger 1617 in Birlingers Alemannia 4, 264, Zanacli,
Histor. Erquickstunden 4, 1, 547, Horst, Dänionom. 2, 479, Roxburghe
Ballads ed. by Chappell 2. 74 (1874).]
'-) Aus Pauli haben die Brüder (trimm die P^rzählung in ihre
Kiniler- und Hausmärchen als Nr. 145 aufgenommen, und zu dieser Xr.
der Grimmschen M. bemerkt E. du Meril, Etudes sur (luelques point ;
d'arche(dogie et d'histoire litteraire, Paris 1862, S. 473, man erzähle
476 Zur Märclienforschung.
mut, 5, 110, wird ausdrücklich gesagt, aus dem versteckten
Braten sei eine Kröte geworden, während bei Thomas die
Kröte auf dem Braten sitzend gefunden wird. In einer fran-
zösischen Moralite des 16. Jahrhunderts, die unsere Geschichte
behandelt (s. Parfait, Histoire du Theatre frau^ois, 3, 153 if.)
versteckt der Sohn eine Pastete, und als er sie dann auf-
schneidet, kommt eine Kröte heraus. Auf Weisung seines
Bischofs geht der Sohn zum Papst, der ihn von der Kröte
befreit und ihm aufgiebt, sich die Verzeihung seiner Eltern
zu erwerben. Ob der von Ph. Wackernagel, Bibliographie zur
Geschichte des deutschen Kirchenliedes im 1(5. Jahrhundert,
S. 71 [Goedeke Grdr. ^ 1, 316, 53], bibliographisch beschriebene
Meistergesang „Ein schons lied in de^ Nachtigals seuften don
von der krotten und von dem Romer, der seinem sun sein
hab und gut übergab'-' (Nürnberg 1509), ausser dem, dass
er den Schauplatz nach Rom verlegt, noch besondere Ab-
weichungen hat, weiss ich nicht.
Neben dieser Geschichte von der Kröte, die dem undank-
baren Sohn ins Gesicht springt, giebt es aber nun auch eine
im übrigen ganz gleiche, nicht minder alte (ieschichte, wo-
nach eine Schlange den Hals des Sohnes umwindet. Der
ältere Zeitgenosse des Thomas von Cautimpre. Cäsarius von
Heisterbach, erzählt sie in seinem Dialogus miraculorum
(6, 22) und in seinen Homilien (1, p. 141). Hiernach ver-
steckt ein Sohn — juvenis ((uidam saecularis de Moseila, si
bene memiui nomine Henricns — vor seiner Mutter, die ihm
all ihr Hab und Gut abgetreten hat und die er dann aus
dem Hause gestossen hat, ein gebratenes Huhn, dass er mit
seiner Frau essen wollte. Als dann der Kasten, worein das
219 Huhn gethau worden war, geöffnet wird, findet man in | der
Schüssel an Stelle des Huhns eine Schlange, und wie der
Sohn sich niederbeugt, springt sie eni})or und schlingt sich
(lies Märclieii luu-li in ilcr Nurmaiidif. |H(iiiiaiiiii 10, 2, Melusine 1,403.
8, 10, Luzel, Legendes ehret. 2, 179, Hynians, Les images pop. flaniandes
au 16. siecle 1870, j). 20, Braga no. 170, Pröhle, :\I. f. d. Jug. no. 43.
Schulenhurg, Wend. Volkss. S. 292, Becker-Roose-Thiele, Litau. u. preuss.
Vülkssagen 1S47 JS. 107 no. 37.]
H'2. Der iiiidiiiiUharc Sdlui und die Kröte. 477
um seinen Hals, ('iiiu comedente comedit. et (|uotiens ei siib-
traliebautur cibaria vel adhibebantiir ali(iua, ([uibiis deponi
deberet. instrumenta, ita cdlluni hominis strinxit. ut intumes-
cente faeie oculi de sedibus suis moverentur. ,,flam" — so
schliess't Cäsarius die Erzählung — „tredecim anni sunt elapsi
plus minus, ex quo ista eontigerunt. Nam ductus est idem
Henricus in carruca per provinciam nostram ad diversa sanc-
torum limina, et viderunt eum multi. Quem praedi(;ta mater,
poenae ejus compatiens, materno affectu sequebatur."
Diese Erzählung des Cäsarius findet sich ziemlich treu
übersetzt in dem oben genannten „Seelentrost'' (Deutsche
Mundarten, 1, 215), der also sowohl die Erzählung von der
Schlange als die von der Kröte enthält, und kurz zusammen-
gezogen in des Engländers Johannes Bromyard (j 1419) Summa
praedicantium (F, V, •2'2): A. Hondorf a. a. 0. citiert sie, und
Joannes Maulius giebt sie in seinen Locorum commuuium
collectanea, Francofurti ad Moenum 156S, S. 226, mit einigen
unwesentlichen Aenderungen.
Schliesslich bemerke ich noch, dass Legraud d'Aussy,
Fabliaux, 3. edition, Paris 1829, 4, 126, und H, Oesterley in
seiner Ausgabe von Paulis Schimpf und Ernst, S. 524, einige
Citate über die Geschichte von der Kröte geben, die ich nicht
vergleicheu kann^).
33. Vergleichende Bemerkungen zu dem
litauischen Märehen von dem hstigen
Menschen und dem dummen Teufel.
(Mitteilungen der litauisidieu litterarisehen Gresellschaft 1, Heft 3,
S. 164—166. 1880.)
In dem oben S. 88 — 88 [von Jurkschat] mitgeteilten
litauischen Märchen von dem listigen Menschen und dem
^) Das Citat Oesterleys „Aeerra pliilol. 6, 63" ist zu streichen, da
dort sich andere Geschichten von undankbaren Kindern finden.
478 ^^1'" ^Iiii'<'lit;iitui'8cliuug.
dummen Teufel kenue ich folgende Seitenstücke ^) : ein
mährisch-walacliisches in J. Wenzigs Westslavischem Märchen-
schatz S. 164, eins aus der Bukowina in J. W. W(dfs Zeit-
schrift für deutsche Mythologie und Sitteiikunde 1 , LSO,
165 eins in J. Haltrichs | Deutschen Volksmärchen aus dem
Sachsenlande in Siebenbürgen Nr. 28 (— 27 der 1. Ausgabe),
eins in A. Peters Volkstümlichem aus Oesterreichisch-Schlesien
2, 190 und eins bei F. Schönwerth, Aus der Oberpfalz 8, 75.
Die vier ersten Märchen haben — bei aller sonstiger Ver-
schiedenheit von einander und von dem litauischen — das
miteinander und mit dem litauischen gemein, dass in ihnen
ein oder mehrere Teufel einen Menschen zum Wettlaufen
und zum Wettringen auffordern, und dass der Mensch den
Teufel wegen des Wettlaufens zunächst an seinen kleinen
Sohn (bei Wenzig und Peter) oder Enkel (bei Haltrich) oder
Bruder (in Wolfs Zeitschrift), womit er einen Hasen meint,
verweist und wegen des Wettringens an seinen alten Gross-
vater oder Knecht (bei Peter), womit er einen Bären meint.
In dem oberpfälzischen Märchen fehlt das Wettringen, aber
neben dem Wettlaufen, wobei sich der Mensch ausbedingt,
dass sein Alter, d. h. ein Hase, mitlaufen darf, kommt —
ganz wie im litauischen — auch das Wettklettern vor,
worin der Junge des Menschen, d. li. ein Eichhörnchen, gewinnt.
Wenn dann in dem litauischen Märchen der Teufel den
Menschen noch zu einem zweiten Wettlauf, nämlich um den
Torfbruch herum, auffordert und der Mensch, um sich an-
geblich das Laufen zu erschweren, dabei ein Pferd zwischen
die Beine nimmt, d. h. darauf reitet, und auf diese Weise
siegt, so ist hierin nur das mährisch -walachische Märchen
vergleichbar, in ihm trägt, nachdem zwei andre Teufel schon
im Wettlaufen und Wettringen unterlegen, ein dritter Teufel
ein Pferd dreimal auf dem Rücken im Wald herum, muss
jedoch dabei auszuruhen: der Mensch aber trägt das Pferd
nicht auf dem Rücken, sondern zwischen den Beinen, d. li.
er reitet darauf, und braucht natürlich nicht auszuruhen.
^) [Eine andre litauische Fassung gab Bassanovic 1886 in den
,Mitteilungen' 2, M(\.\
3)3. A Olli listii^en Menschen uiul (Inniincu Tenfel. 579
Wie das litauische Märchen mit einer Erb teil iing
zwischen den Brüdern beginnt, so auch das aus der Bukowina;
aber die Erbschaften und die Art, wie der Jüngste, der das
wenigste geerbt hat, mit dem Teufel zusammentrifft, und was
er ihm alsbald vorlügt, alles dies ist in beiden Märchen ganz
verschieden.
Wenn in dem litauischen Märchen der Mensch dem Teufel
sagt, er wolle mit dem Faden einen Teil des Waldes um-
schlingen und ausreissen, so ist dazu der erste Teil des
siebenbürgischen Märchens zu | vergleichen, in dem der Held, ig6
der von den Teufeln vorgeschickt worden ist, eine Eiche aus-
zureissen und in die Hölle zu bringen, ein grosses Seil nimmt
und vorgiebt, er wolle damit gleich den ganzen Wald um-
binden, ausreissen und nach Hause schaffen; und ebenso wird
noch in verschiedenen andern Märchen von listigen Menschen,
welche Teufeln, Riesen oder andern dämonischen Wesen un-
geheure Stärke vorspiegeln, erzählt, dass sie thun, als ob sie
mit einem Seil einen ganzen Wald umreissen wollten.
ich erlaul)e mir, diesen Bemerkungen noch den Wunsch
anzuschliessen, dass die in den , Mitteilungen' zur Veröffent-
lichung kommenden litauischen Märchen auch fernerhin mit
deutscher L'ebersetzung versehen werden mögen, damit sie
auch den gleich mir des Litauischen nicht mächtigen Märchen-
freunden zugänalich sind.
34. Eine litauische Sage und das deutsehe
Volksbuch von Fortunatus.
(Mitteilungen der litauischen literarischen Gesellschaft 2, 148 — 149. 1884.)
In E. Veckenstedts Mythen, Sagen und Legenden der
Zamaiten "2, 57 findet sich eine Sage folgenden Inhalts:
Ein Bauer, der unterwegs verwundet worden war und
blutend und allein am Wege lag, betete zu dem Wegegott um
_j.,S() Zur Mäi-L'heiiforocliung.
Hilfe. Alsbald kam eine Frau, verband iliii und beute die
149 Wunde mit Zaubermitteln und sagte dann j zu ihm: „Ich bin
Laima, die Herrin des Glückes; der Wegegott hat mich ge-
sandt, dir zu helfen. Hier hast du auch eine Börse, in
welcher du stets (ield finden wirst, nur musst du alle Jahre
an diesem Tage ein armes Mädchen ausstatten." Der Bauer
fand nun immer Geld in der B(irse, Ins er an einem Jahrestag
unterliess, ein Mädchen auszustatten, worauf die Börse ihre
wunderbare Eigenschaft verlor.
Eine auffallende üebereinstimmung mit dieser Sage bietet
das bekannte, alte deutsche Volksbuch von Fortunatus ^).
Darin (K. Simrock, Die deutschen Volksbücher 3, 89) er-
erscheint dem Fortunatus einst in einem Walde in der Bretagne
eine schöne Frau, giebt sich ihm als Fortuna zu erkennen
und fordert ihn auf, eine von ihren sechs Gaben, nämlich
Weisheit, Reichtum, Stärke, Gesundheit, Schönheit und langes
Leben sich zu wählen. Da er den Reichtum wählt, giebt sie
ihm einen Säckel, in welchem er, so oft er hineingreife, zehn
Goldstücke finden werde. Auf seine Bitte, Fortuna möge für
dieses Geschenk auch von ihm etwas verlangen, verlangt sie,
er solle sein Lebtag immer an diesem Tage — es war der
erste des Brachmonats (Simrock, S. Iö3) — drei Dinge um
ihretwillen thun, nämlich 1. den Tag feiern, '2. an ihm kein
ehlich AVerk vollbringen und 3. an ihm eine arme, mannbare
Jungfrau zum Zweck ihrer Verheiratung ehrlich kleiden und
mit 400 Goldstücken beschenken.
Man wird nicht anders können als eine Einwirkung des
deutschen Volksbuchs auf die litauische Sage annehmen
müssen. Ich weiss nicht, ob das in so manche Sprache über-
setzte Volksbuch auch ins Litauische oder ins Polnische je
übersetzt worden ist. Darüber werdenLeser dieser „Mitteilungen'-'
Auskunft geben können. Wenn es aber auch keine solche
Uebersetzungen geben sollte, so wird doch immerhin der In-
') Man vergleiche über das Volksbuch den tretfliclien Artiktd
„Fortunatus" von J. Zacher in der Allgemeinen Encyklopädie von Ersch
und Gruber, 1. Sektion, 16. Teil, Leipzig 1847, S. 178—187.
84. Fortimatiis. 4,m
halt des (leutr^clieu Volksbuchs durch den Verkehr mit deu
Deutschen in Litauen bekamit geworden sein können M.
35. Nasr-eddins Schwanke.
(Orient und Occident 1, 481—448. 764 7H5. 1862.)
Vor einigen Jahren ist ein Büchlein erschienen, das ge- 431
rade in dem Kreise derer, die es besonders anziehen muss,
völlig unbekannt geblieben zu sein scheint; ich meine die-
jenigen, welche den Ursprung und die Verbreitung von Mär-
chen, Novellen und Schwänken zu erforschen haben. Möge
es mir vergönnt sein durch diese Zeitschrift, in deren Bereich
jenes Buch recht eigentlich gehört, die Aufmerksamkeit auf
dasselbe zu lenken. Sein Titel lautet:
„Meister Nasr-eddins Schwanke und Käuber und Richter.
Aus dem türkischen Urtext wortgetreu ül)ersetzt von Wilh.
von Camerloher, und resp. Dr. W. Prelog, Mitgliedern der
Morgenländischen Gesellschaft in Konstantinopel. Mit einem
Titelkupfer. Triest, Buchdruckerei des österreichischen Lloyd.
In Kommission bei A. V. Geisler in Bremen. 1(S57. VI und
1-2 Seiten kl. 8."
Das türkische Büchlein von Nasr-eddins Thaten und Ein-
fällen, das uns hier nach einem Konstantinopolitanischen
Drucke vom Jahre 1849 übersetzt ist, ist — wie der Ueber-
setzer in dem Vorwort bemerkt — in türkischen Landen wie
kein anderes verbreitet und ein Lieblingsbuch von Alt und
Jung. Ueberall hört man auch seine derben Spässe selbst
von Kindern erzählen.
Die Vorrede giebt uns leider nichts Näheres über Nasr-
eddin und wie weit seine Existenz geschichtlich beglaubigt
*) [Inzwischen ist von verschiedenen Seiten die Echtheit der von
Yeckenstedt gesammelten Ueberlieferungen angefochten worden; vgl.
Bezzenberger, Altpreuss. Monatsschrift 22, 158 — 346, Brückner, Archiv
für slav. Philol. 9, 1, Karlowicz, Melusine 5, 121.]
R. Kühler, Kl. Schriften I, 31
4^2 Zur MärcheiifurrjL'huiig.
432 ii^t- an. Aus ] den Sdiwänken selbst geht liervor, dass er in
Kleinasien zur Zeit Sultan Ala-eddins f IHOT und Timurleuks f
140-1: lebte. Er hat den Titel Hodsclia d. h. — wie der Ueber-
setzer S. i bemerkt — Meister, Lehrer, Volkslehrer mit Recht
und Pflicht des Predigtamtes in den Spreugels -xAIoscheen. Der
vielbelesene Flögel führt den TSasurreddin Chodscha aus Jengi-
Scheher oder Neapolis als Hofnarren Kaiser Bajazets I. auf
((leschichte der Hofnarren S. 176 ff.). Flögel hat, wie er
selbst sagt, aus de la Croix Geschichte des osmauischen Reichs,
deutsch, Frankfurt 1769, 1, 150 geschöpft, de la Croix zum
Teil aber wieder aus Kantemirs Geschichte des osmauischen
Reichs, deutsch, Hamburg 1745, S. 76. In der vorliegenden
Uebersetzung der Schwanke Nasreddins kommt aber Bajasid
nicht vor. Hammer erwähnt in seiner Geschiehte des osma-
nischen Reiches 1, 186 (auch 5, 236) Akschehr — auch in
unsern Schwänken Nr. 3, 26 und 54 vorkommend — als Nasr-
eddins Grabstätte und erzühlt in einer Anmerkung (1, 629)
die Geschichten aus Kantemir.
[Lieber Nasr-eddin haben ferner gehandelt: <ioethe in den
Erläuterungen zum Westöstlicheu Divan (Werke 4, 30(5. 352
ed. Hempel). — Barker. A reading book of the turkish
language. 1S54. — »1. F., Khoja Nasr-ed-din Effendi. Garten-
laube 1864, no. 3, S. 3S f. — Ethe, Essays und Studien 1872,
S. 234 — 254: ,Ein türkischer Fulenspiegel." — Decourdemanche,
Les plaisanteries de Nasr-Eddin Hodja; Paris 1876 (126 no.). —
Decourdemanche, Sottisier de Nasr-Eddin Hodja; Bruxelles
1878 (321 no.). — Murad Efendi (= F. v. Werner), Nassr-
eddin ('hodja. Ein osmanischer Eulenspiegel; Oldenburg 1878
(29 gereimte Historien). — Mehemed Tewfik, Die Schwanke
des Xassr-ed-din und Buadem, übers, von Müllendorff; Leipzig
1890 (Reclams IJniversalbibl. 71 ~[- 1'^'* ii<^>-)- — Moulieras,
Les fourberies de Si Djeh'a. Gontes kabyles recueillis et
traduits; Paris 1892 (60 no. mit wertvollen Litteraturnach-
weisen). — M. Ilartmann, Schwanke und Schnurren im isla-
mischen Orient. Zs. d. V. für Volkskunde 5, 40 — 67 (181)5). —
Casanova, Qara-Qouch: Memoires publ. par la mission archeol.
franv. au Caire 6, 447 — 491 (1893; vgl. Basset, Revue (h^s
35. Xasr-oddiiis Scliwänko. 4«^3
trad. pop. i>, l"i<S). — Basset, Etüde sur la Zeiiatia du Mzah
lSl)-2, p. \0-2. 107. 109. 172. 175.
Kroatisch: Nasradiu iliti Bertoldo i njegova pritaiika
doinisljatost, liiiiiheiiost i lukavstiiia. U Zadrii 1857. 120 S.
S ". — Runiäiiisch: Aiitüu Pann, Näsdräväniile im Nastratiu
Hogea culese si versiiicate. Biicuresti 185:1 87 S. 8 ^ (Gaster,
Literatura populara romana 1883, S. KU. Gaster, Chresto-
mathie roumaine 2, 3()4. 1891). Vgl. Ispirescu, Snuve sau Po-
vesti Populäre, 2. Ed. Bukarest 1875 (Gaster, Magaziu für
die Lit. des Auslandes 1871), 564. 580. 595. 013). — Grie-
chisch: YJ Naotgadiv Xcovr^ag. Aup/rjfiaia avTOv äoreln y.al
rrFgiegya. Athen 1872. Vgl. das naxische Märchen uo. 33
in den NeoFÄ).)]vixd 'AvdÄexTa 2, 103 — 108 (1874): 'O XaoTgadlv
XÖT'Cag.]
Wünschenswert wäre es auch gewesen zu erfahreu. ob
es verschiedene Ausgaben der Schwanke giebt, welche Schwäuke
von älterer, welche von jüngerer Ueberlieferung sind. Leber
diese und so manche andere sich aufdrängende Frage giebt
uns die gar zu kurze Vorrede keine Auskunft. Sie teilt uns
eben nur mit, wie ausserordentlich beliebt die Schwanke sind
um! dass der Uebersetzer das Buch „als charakteristische
(,>uelle der Kenntnis uiul Erkenntnis türkischen Wesens'' über-
setzt und unbeschnitten der Oett'entlichkeit übergeben hat.
Die Schwanke selbst sind 125 an der Zahl, Handlungen
und blosse Einfülle und Aeusserungen eines teils einfältigen
und närrischen, teils witzigen nnd schalkhaften Menscheu.
Weini daher der Uebersetzer in dem Vorwort, ebenso wie
Hammer a. a. O. und Wilhelm Schott, der am 2. Mai 1853
in der Berliner Akademie, wie wir aus den Monatsberichten
derseli)en wissen, einen leider nicht gedruckten Vortrag über
Xasreddin gehalten hat ^), den Nasreddin den türkischen
Eulenspiegel nennen, so passt diese Bezeiclinung nicht. Eulen-
spiegel ist stets ein durchtriebener Schalk, der nie etwas Ein-
fältiges oder Dummes ] sagt oder tliut. sondern stets wohl _,j3
') Hoffentlich wird dieser Vortrag- des berühmten Akademikers
nicht für immer ungedruckt bleiben [s. unten H. 504].
'dl*
^>^ij. Zur Märchenforsclmng.
berechnete Streiche und Possen mit vollem Bewusstseiu aus-
führt, um andre zu necken und zu verspotten. Nasreddin
dagegen ist ein echter Narr, d. h. ein Gemisch von grenzen-
loser P^infalt und Dummheit und von Geist uml Witz, etwa
— wenn man einen Deutschen vergleichen will — wie ('laus
Narr.
AVir treften nun unter den Schwanken des Türken manche,
die uns auch anderwärts her bekannt und zum Teil älter als
Nasreddin sind.
Nasreddin mag trotzdem eine historische Person gewesen
sein, und manche der ihm beigelegten Einfälle und Handlungen
mögen ihm wirklich angehören, dagegen sind aber auch —
wie dies immer und überall geschieht — andere, ursprüng-
lich ihm nicht angehörende auf ihn übertragen, ihm angedichtet
worden, und zwar nicht etwa bloss ursprünglich türkische,
sondern auch solche, die den Türken von andern Völkern,
bekannt wurden, wofür einzelne ursprünglich türkische wieder
dem Auslände zugeflossen sein mögen.
Ich hebe nun einige Schwanke heraus, die mit Schwänken
anderer Völker mehr oder minder verwandt sind.
[No. 1 (= Murad Efendi no. 3 = Müllendorff no. 30 =
Decourdemanche 1878 no. 1. Moulieras p. 19. Hartmanu
Zs. 5, 65): Nasreddius kurze Predigt. — Vgl. Widmann,
Peter Leu no. 18 (Bobertag, Narrenbuch S. 135). Laienbuch
cap. 20. Kurzweil. Zeitvertreiber 1668 S. 80. Asbjörnsen
no. 82 (Auswahl S. 286). Kamp, D. Fm. no. 42. Ispirescu
p. 18.]
[No. y (= Murad Efendi no. 16, Müllendorft no. iyH^
Decourdemanche no. 41, Moulieras p. 35): Die Zeitrech-
nung vermittels der Steinchen im Topfe kehrt bei Ispirescu
p. 86 wieder und erinnert an den Besenkalender in Wick-
rams Rollwagen no. 47; vgl. auch Frey no. 14.]
Nach Nr. 10 [= Murad no. 4. Decourdemanche no. 20.
Moulieras p. 31] antwortet Nasreddin auf die Frage, was
mit dem alten Monde geschehe, wenn der neue scheine:
,Man zerbricht ihn und macht Sterne daraus.' Ein ander
mal (Nr. 109) meint er, aus den alten Monden würden Blitze
35. Nasr-eddins Schwanke. 4(S5
gemacht. Die erstere Antwort erinnert an den Glauben auf
der Insel Sylt, dass die alten Jungfern nach ihrem Tctde aus
den alten Sonnen Sterne schneiden müssen (Müllenhoff Sagen,
Märchen und Lieder der Herzogtümer Schleswig, Holstein
und Lauenburg S. 359). [Unten S. 505.]
Die Geschichte Nr. 23 [Moulieras p. 37, Decourdemanche
no. 57] vom Meister, der neben einem plätschernden Brunnen
immer fort zu pissen meint, kommt in Bebeis facetiae (über
111 no. 1G7) von einem Betrunkenen vor: Quidam ebrius,
dum noctu juxta a(iuas ex canalibus proflueutes minxisset,
cum labentis aquae strepitum et murmura audiisset, continua
nocte stetit, credens se urinam emittere et illius strepentis
sonum audire. Von Claus Narren '^) heisst es (S. 446 der
Frankfurter | Ausgabe von 1587): Claus schorlet oder bronzet 4R4
im Regenwetter au eine Wand und meinet, sein AVasser
trütte. weil das Dach oder die Rinne treuflete, und wolte
nicht abtreten, bis einer zu im trat und dergleichen sich
stellete und wider davon ging, da höret Claus auf und Hess
es bleiben. [Beroalde de Verville, Moyen de parvenir, eh. 39:
Passage. Tallemant des Reaux, Historiettes 10, 171 (ISlil).]
[No. 31 (== Decourdemanche no. IS. Moulieras no. 32
p. 31). Beim Nahen des Jüngsten Tages schlachten die
Schüler das Schaf Nasr-eddins, und dieser verbrennt ihre
Kleider. Vgl. Schiefner, Kürinische Studien 1873 S. 90.
(Mem. de l'acad. de St. Petersbonrg Serie 7, 20, no. 2)].
Ebenso wie nach Nr. 47 [^ Deconrdemanche no. 92.
Moulieras p. 43.] Nasreddin in Kurdistan, als er sich in
Gegenwart von Kurden vergessen hat, sagt: ,Was verstehen
Kurden von türkischen Winden!', so entschuldigt sich eine
deutsche Magd in Gegenwart von Franzosen (Kurtzweiliger
Zeitvertreiber, herausgegeben durcli C. A. M. von W. 1(5(58,
S. 279j. [Lyrum Lamm no. 348.]
[No. 35 (= Ethe S. 247. Mnrad no. 1. Decourdem. no. 111;
Moulieras p. 45. Hartmann Zs. 5, 56. Griechisch p. 13):
') Vgl. über Claus Narr Flögeis Geschichte der Hofnarren, S. 283 ff.,
Lappenbergs Ulenspiegel S. 382, und die verschiedenen deutschen
Litte raturgeschichten.
4rSG Zur Märchent'orschung.
Ein Kessel gebiert und stirbt. Vgl. Lerch, Kurden 1, 10.
Schiefner, Hürkanisehe Studien 1872 S. 97 (Mem. de Taead.
7, 17 no. 8). Stumme, Tunisische Märchen 2, 130. Büttner,
[.ieder der Suaheli 1894 S. 88.]
Merkwürdig ist Nr. 49 [= Dec. no. 175. Griech. p. 14.
Moulieras p. 53], die ich hier vollständig mitteile. Eines
Tages stieg der Meister auf einen Baum und fing an den
Ast, auf welchem er sass, abzuschneiden. Ein Mensch, der
unten vorbeiging, rief: He, Mann, was machst du? Du wirst
nun, so wie der Zweig gefällt ist, herabfallen. Der Meister
gab diesem keine Antwort, und wirklich fiel er, als das Holz
durchschnitten war, plötzlich herab. Sofort stand er auf,
lief hinter dem Menselien drein und sagte: He, Mann, du
hast gewusst, dass ich falh:'n werde, du wirst auch wissen,
wann ich sterbe! — und packte ihn am Collet. Der Mensch
konnte sich nicht los maclien und sprach: Pack deinem Esel
eine schwere Last auf und treibe ihn eine Anhöhe hinauf;
wo er das erste mal farzt, fährt die Hälfte deiner Seele aus;
wo das zweitemal, da entfährt sie ganz und gar, und es
bleibt dir keine Seele mehr! Der Meister machte es so und
legte sich auf dem Phitze, da es das zweite mal gewesen, hin
und sagte: Siehe, nun bin ich gestorben! und blieb liegen.
Sogleich versammelten sich die Leute um ihn, brachten eine
Tragbahre, legten ihn darauf und sagten: Lasstuns ihn nach
Hause bringen. Als sie auf dem Wege an eine kotige
Stelle gekommen waren, sagten sie: Wie werden wir hier
hinüber kommen? und sprachen unter einander. Sogleich
streckte der Meister seinen Kopf iuis der Bahre und sagte:
Als ich noch am Leben war, ging ich immer auf diesem
Wege da hinüber.' Man vergleiche hiermit eine indische
Erzählung, welche A. Weber aus dem indischen Werke
,Bharatakadvätrinvikä' |d. h. die zweiunddreissig (Geschichten)
von den Bettelmiinchi'u] in den Monatsberichten der Berliner
Akademie lcS(;(), S. 71 f. [= Indische Streifen 1. 249. Vgl.
Thorburn, Hanin'i 1S7() p. 20(). Stokes, Indian Fairy Tales
p. 80, Archivio 2, 550. Pitre, Fiiibe 8, 144 no. 158. Sebillot,
Revue des trad. pop. 9, 888 Le troisieme pet de Läne] über-
I
35. Nasr-eddiiis 8clivvänkL'. 4S7
setzt hat. Sie lautet: ,lii Elakapura wohnten viele] Bettelmöuche 435
P^iner von ihnen, Namens Dandaka, ging einst, als die Regen-
zeit kam, in den Wald, um für seine Zelle einen Pfosten zu
holen. Dort sah er an einem Baum einen weit hervor-
gebogenen Ast und stieg hinauf, um ihn abzuhauen, und
zwar setzte er sich auf denselben Ast und begann ihn an
der Wurzel abzuhauen. Da kamen einige Wandersieute des
Wegs, sahen, was er machte, und sprachen: ,He, Mönch,
erster aller Dummköpfe ! Du musst doch nicht einen Ast
abhauen, auf dem du selbst sitzest! Denn, wenn du es so
machst, so wirst du, wenn der Ast bricht, herunterfallen und
sterben.' Darauf gingen die Leute ihres Wegs. Der Mönch
aber beachtete ihre Rede weiter nicht, blieb sitzen, hieb den
Ast ab, und als derselbe herabfiel zur Erde, fiel er auch mit
nieder. Da dachte er in seinem Geiste: ,Jene Wanderer
waren in der That einsichtsvoll und wahrheitredend, weil
alles so eingetroifeu ist, wie sie gesagt haben: folglich muss
ich auch tot sein!' Darauf lilieb er auf der Erde wie tot
liegen: er sprach nicht, stand nicht auf und atmete nicht.
Die Leute, die in der Nähe waren , richteten ihn zwar auf,
aber er stand nicht: sie suchten ihn zum Reden zu bringen,
aber er sprach nicht. Da Hessen sie den andern Mönchen
sagen: ,Euer (ienosse Damlaka ist heruntergefallen und ge-
storben.' Da kamen die M(in(he in Menge herbei, und als
sie sahen, dass er wie tot war, hoben sie ihn auf, um ihn
zu bestatten. Als sie nuji alle , ihn mit sich fortnehmend,
ein Stück Wegs gegangen waren, da kam eine Stelle, wo
der AVeg vor ihnen nach zwei Richtungen sich teilte. Da
sagten die einen: ,Wir müssen links gehen'. Die andern
aber sagten: , Rechts'. So zankten sie sich alle, und es wollte
zu keiner p]ntscheidung kommen. Da sagte der auf der
Tragbahre befindliche Mönch: ,He, zankt eucli nicht! So lange
ich am Leben war, habe ich mich immer an den linken Weg
gehalten.' Da sagten einige: ,Er hat immer die Wahrheit
ges]3rochen. Alles, was er sagte, ist immer wahr gewesen.
Drum lasst uns links gehen !' Drauf gingen sie alle auf
dem linken Wege weiter. Da sprachen Wandersieute, die
k
^<i,^ Zur Märchenfursfliung.
da standen: .He. ihr Mönche, ihr seid gar zu grosse Dumm-
köpfe, dass ihr diesen zu verbrennen geht, während er noch
lebt'. Sie antworteten: ,Er ist ja tot!' Die Wandersieute
aber sprachen: ,Er kann doch niclit tot sein, da er noch
spricht!' Da setzten sie die Bahre zur Erde, und er erzählte
4:3(; ihnen unter heiligen Beteue- ; rungen alles von der Einsichtig-
keit der AVandersleute an u. s. w. Darauf lilieben die andern
ganz unschlüssig stellen, und es kostete den Leuten grosse
Mühe sie zur Erkenntnis zu bringen, bis sie endlich heim-
gingen. Auch Dandaka stand nun auf und ging seines Wegs,
nachdem er von den Leuten tüchtig ausgelacht war-. — Weber
bemerkt a. a. 0. S. 69 zu dieser Erzählung : ,Eine andere
orientalische Recensiou dieser Erzählung ist mir nicht bekannt:
der Kern derselben, das Abhauen des Astes durch den darauf
sitzenden Simpel, ist eine bei uns oft wiederholte Geschichte,
die sich aber auch, oft genug ereignet liaben mag, wie ich
denn auch selbst einmal wirklich Augenzeuge des identischen
Vorgangs gewesen bin', [v. d. Hagen, ^Sarreuburh S. 177,
Hansen, Zs. f. schleswig-liolst. Gesch. 7, 223 no. 4. Am Ur(|uell
4,72. 100]. lu unserer türkischen Erzählung findet sich also
eine andere orientalische Recensiou. In der indischen Recen-
sion fehlt, wie man sieht, der umstand, dass der Narr dem
Vorübergegangenen nachläuft und ilin fragt, wann er sterben
werde; vielmehr hält er sich, sobald er herabgefallen ist, für
tot, weil die Vorübergehenden ihm gesagt haben, er werde
herabfallen und sterben.
Es gibt al)er noch eine orientalische Erzählung, nämlich
eine taniulische, die freilich nur mit dem Anfange unseres
türkischen Schwankes, aber dabei genauer, als jene indische
Erzäliluiig, stimmt. Ein Schüler des Par;imarta fällt hieruacli
trotz der AVa.rnung eines vorübergehenden Brahmanen von
einem Aste, auf dem er sitzt und den er abhaut. Da er
deshalb den Brahmaoeu für besonders kundig der Zukunft
hält, läuft er ihm eilig nach und fragt ihn, wann sein Meister
sterben werde. Jener antwortet, weil ihm gerade nichts
anderes einfällt: .Ein kalter Hinterer ist ein Zeichen des
Todes!- Hierauf verläuft die Geschichte auf eine uns hier
35. Jfasr-eddins Schwanke. 4.,S9
nicht beriilireude Art. (Siehe: Fahrten iiiul Abenteuer Gim-
pels und Compauie. Ein tamulisches Reise- und Scherz-
märchen. Nacherzählt von J. G. Th. Grässe. Dresden 1859.
S. 56). In diesem tamulischen Schwanke haben wir wie im
türkischen die Frage des Herabgestürzten nach der Zeit des
Todes, obschou nicht nach der des eigenen, und eine darauf
gegebene scherzhafte Antwort [Brockhaus, Her. d. sächs.
Gesch. d. Wiss. "i: 1S50. Oesterley, Zs. f. vrgl. Littgesch. 1.54].
Am genauesten jedoch mit der ersten Hälfte des tür-
kischen Schwankes stimmt ein litauische s Märchen (Schlei-
cher, Litauische Märchen, Sprichworte, Rätsel und Lieder
S. 41), das freilich auch weiterhin dann einen ganz andern
Verlauf nimmt, j Es lautet: .Es war einmal ein Taglühner, 437
der hatte einen Sohn, und der liess sich einen kleinen Wagen
machen und kaufte sich eine schimmelfarbene Stute. Er
fuhr nun in den Wald, stieg auf einen Baum und liieb Aeste
zu Besen. Als er auf dem Baume war und Aeste abhieb,
kam ein Kaufmann gefahren mit viel Ware, der sagte zu
ihm: ,Du wirst vom Baume fallen'. Der Kaufmann war noch
nicht weit gefahren, da fiel jener auch wirklich vom Baume.
Er setzte nun dem Kaufmann nach, und als er ilm eingeholt
hatte, fragte er ihn: ,AVeun du wusstest. dass ich vom Baume
fallen würde, so musst du auch wissen, wann ich sterben
werde, und das sollst du mir sagen-. Der Kaufmann sagte:
,Wenn deine Stute zum dritten Male einen streiclien lässt,
dann stirbst du-. Damit fuhr er weiter, und jener ging wieder
an die Arbeit. Als er genug Besen gemacht hatte, lud er
seinen Wagen voll und fuhr von dannen. Die Stute ging
nicht schnell genug, er hieb ihr eins auf, und sie liess einen
streichen — da ward er schon unwolil. Da gab er der Stute
zum zweiten Male einen Hieb, und sie liess einen zweiten
streichen — da legte er sich schon auf den Wagen nieder.
Da kamen die Kaufleute auf einem Frachtwagen gefahren,
die hatten viel teuere Ware; da kam der Besenbinder gerade
an einen kleinen (iraben, über den die Stute nicht hinüber
wollte: er gab ihr einen Hieb, und sie liess den dritten
streichen; da fiel er rücklings vom Wägelchen uiul war tot.
4i)() Zur Märchenforsclumg.
Die Kaufleute liefen herbei ,Was ist das? Was ist dir ge-
scheheu?'- Er war und blieb aber tot. — Der weitere Ver-
lauf des MärcKens gehört einem ganz andern Märchenkreise,
der eine ausführliche Behandlung verdient, dem vom listigen
Bauern, an. Die Kaufleute tragen nämlich den Besenbinder
für tot in ein Wirtshaus, wo er aber auf einmal sich wieder
aufrafft und nun die Kaufleute mehrfach anführt und um
ihr Geld betrügt. Natürlich gehören diese beiden Teile nicht
eigentlich zu einander; der Besenbinder, der die Kaufleute
betrügt, ist ein sehr listiger Bursche; der aber vom Baume
fällt und den zukunftskundigen Kaufleuten nachläuft und die
Zeit seines Todes von ihnen wissen will, ist ein einfältiger
Narr. Wenn im ]itauis(then Märchen nicht ausdrücklich ge-
sagt ist, dass der Besenbinder auf dem Ast sitzt, den er
abhaut, so mag dies eben geschehen sein, um den später
4SS so schlauen Besenbinder nicht von Anfange an gar zu I ein-
fältig erscheinen zu lassen. Wie kommt dann aber der Kauf-
mann dazu, ihm seinen Sturz vdrauszusagen? Wir haben hier
eins von den vielen Beispielen in der (ieschichte der Märchen,
Novellen u. s. w. , wie bei Verbindung zweier nicht zu-
sammen gelnirender Stoffe oft jeder einzelne entstellt und
getrübt wird. Höchst wahrscheinlich verlief das litauische
Märchen, das dem türkischen so nahe steht, dass es selbst
die scherzhafte Bestimmung der Todeszeit ganz ähnlich hat,
ursprünglich in gleicher Weise wie jenes. — Dass Menschen
einen Ast abhauen oder absägen, auf dem sie sitzen, wird
öfters, wie auch Weber bemerkt, als Zeichen der Dummheit
in deutschen Schwänken erzählt, ohne jedoch weiteres daran
zu knüpfen, so z. B. von einem Witzenbürger (von der
Hageus Narrenbuch S. 477) und von dem Ammann der Horn-
usser im Aargau (Birrcher das Frickthal, Aarau 185i), S. 13).
[Unten S. 505. Webster p. (ii). Oben S. 135 zu Blade 3, l-i3.]
[No. 51 (= Murad no. lM) = Decourdem. no. 301; Mou-
lieras p. ()7): Der Regen, der dem einen Schwiegersöhne
nützt, sehadet dem andern. Ist völlig die äsopische Fabel
narijg yju Dvynjmeq (no. 1(56 ed. Halm).]
Der Schluss der 54sten Erzählung, [== Murad no. 27.
3ri. Xasr-eddins yclnväiiko. 491
JMmilieras p. 81 iio. 20. Decourdem. no. 19J wie der Meister
eineu -luden vor (iericht nicht nur um sein geliehenes Geld,
sondern auch um einen Pelz und ein Maultier betrügt, die
er eben erst von ihm geborgt, stimmt mit dem Schlüsse des
Grimmschen Märchen [no. 7] ,der gute Handel', desgleichen
mit der "iOsten Novelle des Sabadino delli Arienti (Dunlop
S. 271) und mit der ISten des Timoneda, welche Liebrecht
zu Dunlop a. a. 0. vergleicht [Revue des trad. po[). ISDl,
UH. Polivka, Archiv f. slav. Phil. 19, 245 no. 19].
[No. 55 (= Ethe S. 242. Murad no. 17. Miillendortl"
no. 52. Decourdem. no. 21. Monlieras p. 81. Griech. p. 19):
Kleider küssen, weil nur diese bei den Leuten Ansehen
verschaffen. Vgl. Pauli no. 41(1. Kühler, Zs. d. V. f. Volks-
kunde (), 74 und Jahrb. f. roman. Litt. 14. 425 zu Papanti,
Dante p. 157.]
[No. {)'A (=: Murad no. 2S. Decourdem. no. 243. Mon-
lieras p. (iL Griech. p. 4) : Lsel als Richter. Vgl. Bolte,
Zs. d. Ver. f. Volkskunde 7, 93. Tliorburn, Baunü 1<S7(3,
p. 20S.J
In Nr. 65 [= Ethe S. 243. Murad no. 5. Müllendorff
no 12. Griech. S. 4. Decourdem. no. 235. Moulieras no. 29,
p. ()0j wird erzählt, wie Nasreddin einst einem, der seinen
Esel borgen will, erklärt, der Esel sei nicht da. Plötzlich
schreit aber der Esel im Hause, worauf jener sagt: .He,
Meister, du sagst, der Esel sei nicht hier, er schreit ja
drinnen'. Da antwortet der Meister: ,Was bist du für ein
sonderbarer Mensch, da du einem Esel glaubst, mir aber,
einem Graubarte, nicht glauben willst ?' Dieselbe Geschichte
befindet sich in Timonedas Sobremesa y alivio de caminantes.
parte IL no. (52 (Novelistas anteriores ä Cervantes, Madrid
1850, pag. LS2). Daselbst sagt der Herr des verläugneten
Esels: Necia condicion es la vuestra, compadre; que? mas
credito tiene el asno (|ue yo ? — Asi nie paresce. Pues
entrad [)or el. [Büttner 1S94 S. S7, Kirchhof 3, 139, Baraton,
Poesies diverses 1705.]
Dem Anfang des eben erwähnten Grimmschen Märchens,
wo der Bauer den Fröschen Geld in den Teich wirft, ist der
492 ^"*' ^lärcheuforschung.
69ste Schwank Nasreddins insofern ähnlich, als der Meister
Fröschen ebenfalls eine Handvoll Geld in den See wirft,
freilich nicht um es zu zählen, sondern um sich Honigteig
439 dafür zu kaufen. In | den Anmerkungen (3, 19) erinnert
Grimm daran, dass auch Bertoldino die Frösche beschwichtigt,
indem er Goldstücke nach ihnen wirft. [Bei Moulieras no. 38
verkauft Si Djeha seinen Ochsen an die Eule, deren Ruf er
ebenso missversteht.]
Der TOste Schwank [= Murad no. 22. Decourd. no. 58.
Hartmann 5,64. Moulieras p. 39] von Nasreddin, der drei
Fragen christlicher Mönche (Wo ist der Mittelpunkt der
Welt? Wie viel Sterne sind sichtbar? Wie viel Haare hat
mein i^art?) beantw^ortet, ist ein neues Beispiel zu den zahl-
reichen Erzählungen von .den drei Fragen", die uns zunächst
immer an Bürgers Kaiser und Abt erinnern. Ich mag hier
nicht näher auf dieses reiche Kapitel eingehen und ver-
weise nur auf Hollands Nachweise in Kellers Fastnachts-
spielen S. 1490 und in seiner Ausgabe der Schauspiele des
Herzogs -Julius S. 896 und auf Pröhle, G. A. Bürger, sein
Leben und seine Dichtungen, Leipzig 1856, S. 115 flf.^\
[Oben S. 267 zu Campbell no. 50. Pauli no. 55. ('hild no. 45.
Moulieras, Locpiian herbere 1890 p. LIX. LXllI. ßraga,
Contos trad. 2.86 no. 1()0. Gaster, Lit. pop. rom. p. 167.]
Dazu füge ich noch vier, wie es scheint, weniger be-
i/^^^-"-'''^ kannte Beliandlungen. Teofilo Folengo (1491 — 1544) erzählt
im 8ten Gesänge seines burlesken (iedichts Orlandino, dass
Rainer einem Abt in Sutri vier Fragen aufgibt. Rainer sagt
(Strophe 38 und 39) :
]\Ia perche siete un spirito diviuo,
(iiial piii nou ebbe (il voglio dir), Platune,
Oerco saper da voi, quanto e vicino
II Ciel da terra in ogni regione,
^) Zu der Frage in , Kaiser und Abt': "Wie viel der Kaiser wert
sei, vergleiche man die von mir mitgeteilten Rätsel im "Weimarisolien
Jalirbueh 5, 35-1 f.
i
35. Nasi-eddiiis Sclnväuke. 493
Dioo V empireo supra '1 cristalliiio,
Vostra Eocellenzia intenda il mio senuuno :
Oltra di questo, dite giustaiueiite,
Quaiito e dall' Oriente all' Oecidente.
Due cose giunte a queste intender anco
Desidero, Monsignure Griffarosto:
Dite (piacendo a voi) ne piü ne manco
Qiiante son gocce d'aequa, c' ha l'angosto
Adviaco mar insino al lido Franeo,
Pigliando il Greco col Tirreno accosto.
Ultini am eilte, buoii servo di Dio,
Vorrei sajjer, quäl or e il peiisier mio.
Der Koch Marcolfs des Abtes zieht deu Ornat seines Herrn
an und begil)t sich zu Rainer, dem er die Fragen folgender-
massen beantwortet. Auf die erste antwortet er (Str. 64):
Og'gi voi iiii faceste il primo assalto,
eil' io narri quanto il Ciel da terra dista,
Presto rispondo, che gli e solo un salto,
Provandol seiiza il probo del Seotista:
II Diavolo cascaiido gia giü d'alto,
Quaiido privollo Dio dell' alma vista,
Senza di tanti Astrologi la cura,
Vi tolse giustain eilte la misura.
Die Antwort auf die zweite Frage lautet (Str. 65):
Perclie dall' Oriente all' Oecidente
Una giornata fa, se'l Sol non mente.
Auf die dritte (Str. 66) :
Quanto alla terza anibigua dimanda,
Ch' e di saper quant' acque siano in mare,
Rispondo, che se ai fiumi si comanda,
Con lui non debban l'oude sue meschiare,
Yoglio che in polve il corpo mio si spanda,
Se, quante gocce son, non so contare;
Perche come potrei torvi misvira,
Senza levar de' fiumi la mistura?
Auf die vierte Frage endlich antwortet der Koch, Rainer
denke, er sei Abt.
Hiernächst füge ich noch eine Erzählung aus dem oben
erwähnten , Kurzweiligen Zeitvertreiber' 1668, S. 70 hinzu.
^g^ Zur MilrcliL'ut'urseluuig.
Danach soll ein Gefangener nnr dann freigelassen werden,
wenn er der Königin sagt: wie viel sie wert sei, was das
Zentrnm der AVeit sei. und was sie gedenke. Ein Bauer
tauscht die Kleider des Gefangenen und sagt der Königin,
sie sei 29 Silberlinge wert: dann macht er einen Kreidepuidvt
auf den Tisch und erklärt, dies sei der Mittelpunkt der AVeit,
wers nicht glaube, möge nachmessen. Drittens sagt er der
Königin, sie denke, er sei der Gefangene. In den P^rzählungen
des Sieur d'Ouville (f 165() oder 1657) findet sich die (ie-
schichte mit vier Fragen (L'elite des contes du Sieur d'Ouville,
a la Haye 1703, 1, -296). [= Recreations fr. 1658, 1, 292
= 1681, 1, 207, Wolf in AVagners Archiv 1, 328 (1874).]
Ein Edelmann befiehlt seinem Pfarrer, der für einen Wahi--
sager gilt, weil er etwas von Astrologie versteht, ihm zu
441 sagen: Ou est | le milieu du monde? Ce que je vaux. Ce
que je pense. Ce que je croy. Der Müller verkleidet sich
für den Pfarrer, führt den Edelmann ins Feld und giebt
irgend einen Punkt für den Mittelpunkt der AA'elt an. Eltenso
beantwortet er die zweite und vierte Frage in der bekannten
V\^eise. Auf die dritte aber antwortet er: Ma foi, je gagnerai,
raonsieur, (jue vous pensez plus a vötre profit qu' au mien,
et par ce moyen je croy avoir satisfait a vötre demande.
F^ndlich führe ich noch P)althasar Schupps Schriften
(Frankfurt 1701) 1, S. 91 f. an. wo der treffliche Schupp er-
zählt, dass einst ein König von Frankreich den faulen Mönchen
eines Klosters aufgegeben habe, ihm zu sagen, wie viel Sterne
am Himmel seien, wie viel er wert sei und was er im Sinne
habe. Der Müller des Abts zieht dessen Kleider an und be-
giebt sich zum Kiinig, dem er auf die erste Frage antwortet,
es seien 99 7()7 0O0 Sterne, wenn ers nicht glauben wolle,
möge er hinauf steigen und sie selbst zählen. Die Antworten
auf die beiden andern Fragen sind die bekannten. [Ganz
ähnlich Peter der Grosse und das kummerlose Kloster,
Erman a. a. 0.]
Die 71. Geschichte [= Murad no. 24, Decourd. no. 61,
Moulieras p. 37, Griech. p. 7] erzählt, dass der Meister einst
dem Timurlenk eine Pflaume schenkte und dafür ein
;i5. Xasr-edilins Schwanke. 4-U5
Geldgeschenk erhielt. Dadurch gereizt, wollte er nach einiger
Zeit dem Fürsten rote Kühen hringen. unterwegs aher rät ihm
jemand lieber Feigen zu schenken. Er befolgt diesen Rat
und bringt dem Fürsten einige Pfund Feigen. Sofort giebt
Tiniur den Befehl, die Feigen dem üeberbringer au den Kopf
zu werfen. Während dies geschieht, dankt Nasreddin laut
Gott, und zwar — wie er auf Befragen erklärt — dafür, dass
er nicht die Rüben gebracht habe, die ihm den Kopf zer-
schlagen haben würden. — Etwas anders wird diese Ge-
schichte in Kantemirs Geschichte des osmanischen Reichs,
und darnach von de la Croix und von Flögel Geschichte der
Hofnarren S. 176 f. erzählt. [Hammer, Hist. de l'empire
Ottoman '2, 464. 1840.] Hiernach sollte Nasreddin als Abge-
ordneter der Stadt Jengi-Scheher dem Timurlenk Früchte
zum Geschenke bringen. Seine Frau empfiehlt ihm hierzu
Quitten, er aber nimmt Feigen. Als er sie dem Timur über-
reicht hat. lässt der sie ihm einzeln an den Kopf werfen,
und bei jedem Wurfe ruft Nasreddin aus: Gott sei gedankt!
Auf Tiniurs Frage sagt er (hmn, dass er Gott dafür danke,
dass er nicht dem Rate seiner Frau gefolgt sei und Quitten
gebracht hal)e, die ihm den Kopf zerschmettert haben |
würden ^). — Aehnlich ist eine hebräische Erzählung (Sagen 442
der Hebräer. Aus den Schriften der alten hebräischen Weisen.
Aus dem Englischen des Heinnin Hurwitz, Leipzig 1826,
S. 69 if.). F]in Greis in Galiläa erhält vom Kaiser Hadriau
') Hieran reiht sich hei Kanteiiiir eine weitere Geschichte, die
Flügel el)ent'alls mitgeteilt hat. Nasreddin bringt dem Timurlenk einen
Wagen voll Gurken, wird aber vom Thürhütcr erst vorgelassen, nachdem
er ihm die Hälfte dessen, was er dafür bekommen werde, versprochen
hat. Timurlenk befiehlt dem Zudringlichen für die 500 Gurken 500 Stock-
schläge zu geben, Kasreddin weist aber die Hälfte dem Thürhüter zu.
Flögel erinnert dabei an die 195. Novelle des Sacchetti, über die und
ähnliche Geschichten man Dunlop-Liebrecht S. 257 vergleiche. Zu
Liebrechts Nachweisen füge man Niederhöffers Mecklenburgs Volks-
sagen 3, 196, wo die Geschichte von Wallenstein und einem Güstrower
Pferdeliirten erzählt wird. [Oesterley zu Pauli no. Hl 4, Grundtvig 2, 208,
Gasalicchio 2, no. 46, Cardonne, Melanges 1, 185, AVeil 1001 Nacht 4,
70, Büttner 1894 S. 86.]
^96 Zur Märt'henfor.scluing.
besonderer UiiLStäride wegen für einige wenige Feigen eine
reiche Belohnung. Als dies seine geizige Frau hört, veran-
lasst sie ihren Manu, dem Kaiser einen ganzen Sack voll
Feigen zu bringen. Der Kaiser, über die Zudringlichkeit er-
zürnt, lässt sie dem Schenker an den Kopf werfen. Nach
Hause zurückgekehrt sagt der Mann zu seiner Frau: , Grosses
und vieles Glück hab ich gehabt. Ein grosses Glück war es
für mich, dass icli zu dem Kaiser Feigen, und keine Pfirsichen
trug, denn sonst hätten sie mich vielleicht gesteinigt. Und
viel Glück war es für mich, dass die Feigen reif waren, weil
ich sonst meinen Kopf nicht wieder heim gebracht hätte.'
[Melusine 1, 279, D' Ouville, Elite 1, 48.]
[No. 74 (= Murad no. 25, Decourdemanche no. 244).
Unterschied zwischen Timur und einem Sopha. Vgl. Gladwin,
The persian moonshee, story 52, Sandrub, Delitiae no. 107,
De La Monnoye, Oeuvres 2, 163.]
Der 75. Schwank Nasreddins [= Murad no. 15, Müllen-
dorff no. 39, Hartmann 5. (53", Griech. p. 2;>. Moulieras p. 27,
186, 38, Decourdem. no. ()2] ist der 4. Novelle des 6. Tages
des Boccaccio bis auf die letzte, anders gewandte Antwort
Nasreddins fast gleich. Schon F. W. Val. Schmidt hat in den
Beiträgen zur Geschichte der romantischen Poesie S. 63 zu
der Novelle Boccaccios bemerkt: , Dieser Spass ist entlehnt
(nach der handschriftlichen Nachricht eines verstorbeneu
Orientalisten) aus dem Nussreddin Hatscha, welcher zur Zeit
des Timurlenks in Anatolien lebte; nur macht der Koch bei
Nussreddin den Witz mit einer Ente, bei Bocc. mit einem
Kranich.' Andere occidentalische Fassungen des Schwankes
siehe bei Dunlop- Liebrecht S. 237. [Pauli no. 57, Coelho
no. 54, Wodami S. 149 = Wolf, D. M. no. 32, Schiefner,
Rhampsinitsage: Mel. asiat. 6, 164.]
[No. 77 (= Ethe S. 247, Müllendorff no. 38, Decourde-
manche no. 73, Moulieras p. 40. Griecliisch p. 10). Nasr-
eddin verliert bei einem nächtlichen Streit, den er schlichten
will, seine Bettdecke. Vgl. Pitre, Proverbi sicil. 4, 337 :
,Tutta la sciarra e pri la cutra.']
Der 81. Schwank [= Ethe S. 243, Decourdem. no. 32,
35. Niii^r-tHldins Scliw iiiikc. 497
Griecli. |). 1<). Moulieras p. 83] ist die alte und weit ver-
breitete (ieschichte vom aiigefülirten Diebe, der sieb am
Mondstralil b erablassen will. Vgl. die Nacbweise bei
Schmidt. Petri Alfonsi disci-jplina clericalis S. 156, Dunlop- 443
Liebrecbt S. 195 f. und 484 und Benfey Pantscbatantra 1,
77 f. Aueb Hans S;icbs (Werke, Nürnberg 1579, 5, 37() d)
[=z Fabeln ed. (ioetze no. 331 J bat die Gescbicbte nach dem
Bucbe der Wei.sbeit als Schwank bearbeitet. [( laster. Lit. pop.
rom. p. 166, Gesta Rom. no. 136.]
[No. 97. Nasreddin speist die ungeladenen Gäste mit
Brei. Vgl. Ispirescu p. 3, auch Decourdemanche no. 47 und
Moulieras no. IS, p. 36, Prato Revue des trad. pop. 2, 563.]
[No. 105 (= Decourdemanche no. 313, Moulieras p. 68):
Mein Horoskop ist ein Bock (statt Ziege). Vgl. Kirchhof 1,
244: Hammel Gottes, statt Lamm Gottes.]
Der HO. Schwank [= Decourd. no. 290, Griecb. p. 29,
Moulieras p. 65] erzählt, wie Nasreddin einen Beutel mit Geld
verbergen will, ibii deshalb an die Spitze einer Stange bindet
und die Stange auf einem Hügel seines Gartens aufpflanzt.
Ein Dieb hat ihn beobachtet, nimmt den Beutel herab, be-
schmiert die Spitze der Stange mit Mist und steckt sie wieder
an ihren Platz. Als der Meister später sein Geld braucht
und es nicht findet, dagegen aber den Rindermist sieht, sagt
er: ,Ich habe ausgesprochen: auf diese Stange kommt kein
Mensch herauf, von hier nimmt niemand das Geld: wie ist
nun auf die Spitze derselben ein Rind heraufgekommen? Das
ist fürw^ahr eine curiose Geschichte! Gott sei ihm gnädig!'
Derselbe Schwank wird noch heute in der Eifel erzählt
(Schmitz Sitten und Sagen des Eitler Volkes 1. 304). Die
Bauern eines wegen seiner Schildbürgerstreiche bekannten
Dorfes sollen einst die Gemeindekasse in den Gipfel der
hohen Dorflinde gesteckt haben. Als sie später Geld brauchen
und den Beutel herunter holen, finden sie statt des Geldes
Kuhkot darin. Sie hätten aber den Verlust des Geldes gern
verschmerzt, wenn sie nur hätten begreifen können, wie es
einer Kuh möglich gewesen auf den Baum zu kommen und
das Schelmenstück auszuführen. — Auch Claus Narr a. a. 0.
K. Köhler, Kl. Schritten. I. :^2
4.J^)S '^iii' 3Iärclieufor.beliung.
S. 154 wundert sich, als ihm jemand in seine Schuhe Pferde-
mist gethan, wie das Pferd habe hinein kommen können.
[Eyering 1, 591, Bolte, Zs. f. vgl. Litt. Gesell. 7, -i:Q{) f.,
Waas, Die Quellen Boners, Giessen 1897.]
[No. 115 (Moulieras p. 33). Die Thränen nicht durch
die heisse Suppe hervorgerufen, sondern durch traurige
Gedanken. Vgl. Pauli no. iu'2.]
Nach dem 124. Schwanke [=^ Decourd. no. 28, Moulieras
p. 33] wähnte der Meister einst, als er den Mond in einem
Brunnen sich spiegeln sah, der Mond sei in den Brunnen ge-
fallen, und holte Haken und Stricke, um ihn herauszuholen.
Ebenso wollte einst ein Kiebinger in Schwaben den Mond,
den er im Neckar sah, mit einem Netze herausfischen (Meier
Schwäbische Sagen S. 3G1). Aehnliches wird von den Büsu-
mern in Holstein erzählt (Müllenhoff Sagen . . . Schleswigs,
Holsteins und Lauenburgs, Nr. 111). Auch Claus Narr (a. a. 0.
S. 478) wähnt, die Sterne, die er im Wasser sich spiegeln
sieht, würden ersaufen; ja, derselbe soll sogar geglaubt haben
selbst ins Wasser gefallen zu sein, als er sein Bild darin sah
(S. 4(55). Philo (Barthol. xVnhorn) in seiner Magiologia
(Augustae Rauracorum 1(175, S. (J99) erzälilt, dass Bauern
444 einen Esel aus einem Bache | hätten trinken sehen, in
welchem der Mond schien. Als (hirauf der Mond von Wolken
bedeckt war, hätten sie gedacht, der Esel habe ihn ver-
schluckt, und hätten, um den Mond zu befreien, das Tier ge-
tötet und aufgeschnitten. [Oben S. 90 zu Cenac Moncaut
p. 130, Blade 3, 142, Ortoli [). 252, Ispirescu p. 103, L.
Vives zu Augustinus de civ. dei 1(320 p. 3(55 (Notes and
Queries (i, 12. 490), Scliiefuer, Melanges asiat. 8. 1<S0
no. 34 = Ralston, Tibetan Tales 1882 no. 45. — Monden-
sticher; (Jurieuse Reisebeschreibung Androphili 1735, S. 780,
Dunger, Rundäs 187(t, S. 24(5 f., Notes and (lUieries 4, 4, 570:
Moonrakers.]
Dies sind die Schwanke Nasreddins, zu denen ich ver-
wandte bei aiuleru Vrdkern anzuführen im Staude I)in. Andere
werden noch an(hn'e Hilden. Vorläulig aller werden diese
Beispiele genügen darzuthun, dass mau bei Untersucliung
35. ^'asr-eddins öcliwäukL". 4.9;)
nach ür.spniiig und Verbreitung oewisser Schwanke diese
türkische Saininlnng nicht unberücksichtigt hissen darf.
Den Schwanken Nasreddins ist noch eine Erzählung
,vom Räuber und vom Richter' beigefügt, die — wie der
Uebersetzer bemerkt — der Konstantinopolitanischen Stein-
druck-Ausgabe jener Schwanke seit .Fahren aks Saum für
jede Seite beigeschrieben zu werden pHegt. Ob die ganze
Erzählung von dem jungen Manne, der aus Not einen Raub
zu begehen beschliesst. diesen an einem Richter ausführt,
dabei aber durch seine Korangelehrsamkeit und Klugheit dem-
selben so gefällt, dass er seine Tochter zur Frau bekommt,
sonst noch vorkommt, weiss ich nicht, wohl aber kann ich
dies von einem Teile derselben nachweisen. Der Räuber
speist bei dem Richter und wird von ihm aufgefordert, eine
Gans, drei Mühner und fünf Eier passend zu verteilen. Der
Räuber zerlegt nun zuerst die (Jans dergestalt, dass er dem
Richter den Kopf, der Hichterin den Hals, den beiden Kindern
die Flügel und den beiden Dienern die Füsse giebt, sell)st
aber den Rumpt behält. Er erklärt diese Verteilung dann
so: .Du, Landesrichter, bist das Haupt, und dir gebührt der
Kopf: was dein Weib betrifft, so bist du ihr Geliebter, sie
beugt dir den Nacken, ihr gebührt der Hals; die zwei Kinder
sind deine Flügel, ihnen gab ich also die Flügel: deine zwei
Diener sind Tag und Na(dit vor dir auf den Füssen, ihnen
gebühren die Füsse der Gans. Was mich betritt't, ich bin
fremd, niemand gehört mir, also muss der Rnmpf der Gaus
mir gehören, deini ich habe weder Weib noch Kind noch
Diener, ich bin ein Mensch ohne Arme, Flügel und Füsse'.
Als der Räuber dann die drei Hennen verteilen soll, giebt er
(Kinder und Diener sind weggegangen) eine Henne der
Richterin, sich selbst aber zwei, und erklärt: ,Die Henne ist
eins und ihr beide dazu macht drei, ich bin eins und die
zwei Hennen dazu macht drei.' | Von den Eiern giebt er sich -tib
eins, dem Richter eins und der Richterin drei. ,AVir beide,"
sagt er zum Richter, , haben jeder schon von INatur zwei Eier,
eins dazu macht drei; dein Weib aber hat von früher keins,
darum hab' ich ihr drei gegeben'. [S. Benfeys Nachtrag S. 504.]
'62*
500 ^^1^' Märchenforscliung.
Hiermit vergleiche mau folgende hebräische Erzählung
(Sageu der Hebräer. Aus den Schriften der alten hebräischen
Weisen. Aus dem Englischen des Heimann Hurvvitz. Leipzig
1826, S. 142 ff. ) [Carmoly, Le jardin enehante no. 11]. Ein
junger Hebräer soll sich als Sohn und Erbe seines verstorbenen
Vaters bei einem Freunde dieses letztern durch drei sinn-
reiche Dinge legitimieren. Die eine Probe gehört nicht
hierher, wohl aber die beiden andern. Der Jüngling soll bei
Tische 5 Hühner verteilen, während die Tischgesellschaft aus
dem Hausherrn, dessen Frau, zwei Söhnen, zwei Töchtern
und ihm selbst besteht. Er behält zwei Hühner für sich und
giebt den übrigen je ein halbes. Später erklärt er dem
Hausherrn: ,Da ich fünf Hühner unter sieben Leute nicht
vollkommen der Menge nach verteilen konnte, that ich es
doch, dass eine gleiche Zahl herauskam. Denn dn, dein
Weib und ein Huhn that drei, deine Söhne und ein Huhn
that ebenfalls drei, und zwei Töchter mit einem Huhn thaten
wieder drei, und zwei Hühner mit mir thaten wieder drei'.
iMnn soll er am Abend derselben (iesellschaft einen Ka,|)auii
zerlegen. Da giebt er dem Herrn den Kopf, der Frau was
er im Unterleibe fand, den Töchtern die Flügel, den Söhnen
die Beine, das Uebrige behält er. Er erklärt sich darüber
dann also: ,Der Kopf ist der vornehmste Teil des Körpers,
und darum gab ich ihn dir als Herrn des Hauses. Ich legte
deinem Weibe vor, womit das Hnhn gefüllt ist, zum Zeichen
ihrer Fruchtbarkeit. Die beiden Söhne sind die Stützen
deines Hauses, und so gab ich ihnen die des Kapauns. Deine
Töchter sind mannbar, du wünschest, dass sie bald davon
rtiegen mögen, und so gab ich jeder einen Flügel. Ich selbst
kam in einem Bote und will wieder in einem Bote heim,
und behielt darum das Gerippe' [Grünbaum p. 428, Köhler
zu Gonzenbach no. 1 und Zs. d. Y. f. Volksk. 6, ^^'i)].
Man sieht, die Verteilung der Hühner geschielit im türki-
schen und im hebräischen Schwanke in ganz gleicher Weise,
die des Kapauns oder der Gaus in ganz ähnlicher. Während
im türkischen zwei Kinder und zwei Diener vorkommen,
linden wir im hebräischen zwei Söhne und zwei Töchter, des-
35. Nasr-eddins Schwanke. 501
hall) mus.ste die Erklärimg etwa.s auder.s ausfallen. Die Frau
erhält im Tür- ki.schen den Hals, im Hebräischen das Innere 446
des Unterleibs. Endlich ist in beiden Erzählungen verschieden
erklärt, warum der Zerleger für sich den Rumpf behält.
Die Teilung des Kapauns oder dergleichen begegnet uns
aber auch deutsch. Aus einer der hel)räischen Erzählung
ziemlich nahestehenden Quelle muss Philipp Harsdörffer
geschöpft haben. In seinem Nathan und Jotham: Das ist
geistliche und weltliche Lehrgedichte, Nürnberg Ki^O (2. Teil,
.lotham 11, S. 151) lesen wir:
Die Zerlegkunst.
,Die Zerlegkunst war auf eine Zeit zu (iast gebeten und
zerschnitt ein Hun. wie gebräuchlich, teilte es auch folgender
(iestalt aus: Dem Hausvater gab sie das Haubt mit dem
Halse, dem Weib das Eiugeweid, den zweyen Söhnen die
zween Schenkel und Füsse, den zweyen Töchtern die zween
Flügel, und behielt den Leib oder die Krippen für sich. Auf
Befragung hat sie diese Austheilung also verantwortet: Dem
Haubt in dem Hause gebührt das Haubt und der Hals, sowol
wegen dess Gehirns und Verstandes, als wegen der Sorge für
die Nahrung. Dem AVeiI)e, welche Kinder traget, und alle
Hausglieder mit Speise versorget, habe ich, mit solchem Ab-
s(dien das Eiugeweid zugeleget, den T("»chtern, aber, die aus
dem Hause fliegen und sich anderweit verheurathen, hal)e ich
die Flügel gegeben, und den beiden Söhnen, als Säulen des
Hauses, die zween Füsse. Das Gerip habe ich für mich be-
halten, zu bedeuten, dass ein Arbeiter seines I^ohns werth,
und das ein jeder von den Werken seiner Hände essen soll.
Mit dieser sinnreichen Deutung war der Hausw'irth sehr wol
zufrieden und hielt es für der Zerlegkunst beste Prob'.
Harsdörffer weicht von (b^r hebräischen Erzählung in der
Auslegung des Gerippes und in dem Umstände ab, dass der
Herr ausser dem Haupte auch den Hals erhält.
In zwei Punivten genauer mit dem türkischen Schwanke
kommt die Erzählung in Johann Paulis Schimpf und Ernst
(Frankfurter Ausgabe 15S8, S. -23) [=: ed. Oesterley no. 58]
502 Zur MärchenforSL'hung.
überein. Hiernach bat ein Edelmann seinen Beicbtvater zu
Gast geladen und fordert ihn auf, einen Kapaun zu zerlegen.
Anfangs will der Mönch nicht: .leb kann nichts damit, wer
wolt mich lehren Httner zerlegen?' Auf weiteres Drängen
447 erklärt er dann: ,Muss ich ihn zerlegen, | so will ich nach der
Schrift zerlegen'. Hierauf teilt er dem Edelmann den Kopf,
der Frau den Kragen (Hals), den Töchtern die Flügel, den
Söhnen die Schenkel und das üebrige sich selbst zu. Als ihn
dann der Edelmann fragt, wo es geschrieben stehe, dass man
einen Kapaun also zerteilt, antwortet er: , Junker, in meinem
Haupt steht es also geschrieben. Ihr seid das Haupt in
eurem Hans, darum hat encb billich das Haupt von dem
Kappen zugebört. Mein gnädige Frau ist die nächst nach
euch, und das nächst nach dem Haupt, billich bat ihr der
Kragen zugehört. Und den Jungfrauen gehören die Flügel
zu, die fliegen in ihren Sinnen hin und lier, und haben Sorg,
was sie für Männer überkommen und wie sie versorgt werden,
darum haben ihnen von Rechts wegen die Flügel zugeliört.
Und den zweien Söhnen gehören die zw^eeu Schenkel zu,
darum dass auf ihnen das ganz Geschlecht stehet, und die
Schenkel tragen den ganzen Kappen, darum gehören ihnen
die Schenkel zu. Nun ist es ein Ungestalt an einem Vogel,
der weder Kopf, noch Kragen, noch Flügel, noch Schenkel
hat, und ein Mönch in einer Kutten hat den Schnabel auf
den Rücken, darumb so hat der Kappe mir zugelnirt'.
Hier erhiUt also wie in der türkischen Erzälilung die
Frau den Hals, wenn auch nicht aus demselben Grunde, des-
gleichen kommt die Art, wie der Mönch rechtfertigt, dass er
den Rumpf behalten, der türkischen Erzählung näher als den
andern.
Endlich habe ich noch einen Schwank von Hans Sachs
,der Münnich mit dem Capaun' anzuführen (Werke, Nürnberg
1590, -2, 4. 72 d) [Fabeln ed. Goetze no. 21,"). Meistergesang.
s. Or. und Occ. 2, ß7(i. AVünsche, Zs. f. vgl. Littgesch. 11, oC],
welcher am 4. .\ugust ]5,^)S gedichtet ist. Darnach speist
ein Mönch bei einem Edehnauii .in Raierland, von gutem
Stamm, docli unnciianut-. Der Kibdmaim l.'nt ihm. um ihm.
H5. Nasr-eddiiis Srlnväiike. 503
,(larmit eine Reverenz zn tluiu', einen Kapann vor. anf dass
er ihn ,nach Gebühr höflich und gar artlich' zerlege. Nachdem
der Mönch sich entschuldigt liat, dass er nicht viel Geprängs
und Höflicldvcit könne und deslialb den Kapann nur nach der
alten AYeise zerlegen werde, ,wie maus zerlegt vor alten
Tagen', zerlegt er ihn ebenso wie der Mönch bei Pauli. Dann
erklärt er, dem Edelmann habe er den Kopf gegeben als dem
Haupte, der Frau den Kragen, weil sie für Haus und Küche
nnd allen Vorrat. ,was man muss haben in den Kragen", sorge,
den Söhnen die Füsse, weil anf ihnen der Stamm und das
Geschlecht 1)eruhe, den T(('htern die Flügel. |
weil sie in Lieb sind rund und Üück, 448
wo sie geschmückt mit Reverenzen
sind bei der Pklelleut Hoftänzen.
Den ,gestümmelten Böttig' habe er sell)st als ein armer
Manu genommen, der selbst das nngeschaffenst sei, im Lande
hin und her fliege, ein Vogel und doch nicht flück, mit dem
Schnabel auf dem Rücken, wie eine Gans barfuss.
Hans Sachs hat manche Schwanke ans Paulis Buche, das
seit 1522 in vielen Ausgaben erschien, entlehnt, aber in diesem
Falle mag er doch einer andern Quelle gefolgt sein, da er —
wie man sieht — in der Erklärung der Verteilung nicht
immer genau mit f^auli stimmt. Wenn bei ihm die Frau den
Hals erhält, weil sie für die Nahrung sorgt, so trifft diese
Auslegung mit Harsdr»rtfer überein, wo jedoch nicht die Frau,
sondern der Herr auch den Hals bekommt.
Hiermit scheiden wir von den türkischen Schwanken mit
lebhaftem Danke gegen die l)eiden Uebersetzer, die uns die-
selben zugänglich gemacht haben. Leider ist der Uebersetzer
der (Jeschichte vom Räuber und Richter, Dr. Prelog, wie wir •
S. 5() des Büchleins erfahren, während des Drucks am 9. Mai
1855 zu Pera am Typhus verstorben.
Weimar. December ISiiM.
Zn S. 440 der Beantwortung der o. Frage vgl. meinen
Aufsatz im .Ausland' 1859 S. 489, 511 und 590 [= Benfey,
Kleinere Schriften 3, 17S. 210].
504 2^^'' Märchenl'orsclumg.
Zu S. 445 bemerke ich, dass die Verteilung der fünf
Eier wesentlich ebenso in dem Peregrinaggio di tre giovani
figlivoli del Re de Serendippo, Venetia 1557, erscheint (vgl.
für jetzt Pantschatantra 1, S. 125 und , Ausland* 1859 S. 568;
ich werde dieses interessante Buch später genauer behandeln)
[Orient und Occident 3, '2(^4. Wetzel, Reise der Söhne (iiaffers
ed. Fischer und Bolte 1896 S. 207. Montanus, Gartengesell-
schaft no. 14 ed. Bolte].
Theodor Benfey.
764 Zu Nasreddins Seh wanken.
In meinem Aufsatze über Nasreddins Schwanke in dieser
Zeitschrift 1, S. 432 erwähnte ich einen bisher ungedruckten
akademischen Vortrag über dieselben von AAllhelm Schott
und si)rach die Hoft'nung aus, dass dersellie nicht für immer
ungedruckt bleiben möge. Herr Professor Dr. Schott hat nun
die (lüte gehabt mir folgendes darüber zu schreiben, was ich
mir ei-laube liier mitzuteilen:
,Was ich vor einigen dahren auf Grund einer kleinen
und zum Teil sehr schlechten Auswahl der Schwanke (in einer
Art Sammelsurium unter den Dietzischen Handschriften) in
einer Klassensitzung der Akademie vortrug, verlohnte den
Abdruck nicht, und besitze ich nur noch eine Abschrift des
türkischen Textes jener Auswahl, sichrere Schwanke sind
überaus unwitzig und unsauber bis zum Ekel: einer der
witzigsten ist derjenige, worin das personifizierte Aggregat
jener St-liwänke oder der verkörperte Brennpunkt, an den
sie gleich Krystallen anschliessen, die erste Bekanntschaft mit
dem Ei-oberer Timur macht, bei dem er sich für einen (iott
der Erde ausgiebt. Von Timur aufgefordert die enggeschlitzten
Augen seiner tatarischen Odaliks zu erweitern, entschuldigt
er sich (himit. dass er als Gott der Erde nur über die Regionen
vom Gürtel abwärts Gewalt habe'. [Decourdemanche no. 293.]
Dieser hübsche Schwank findet sich in der Camerloher-
schen Uebersetzung nicht.
Ich benutze diese Gelegenheit noch zu zwei Nachträgen
zu meinem Aufsatze.
I
35. Nasz-eddins Schwanke. 505
Zu Nasreddins Behauptung (Nr. 10), das,s aus dcu alten
Monden Sterne gemaclit werden, hätte icli an eine Stelle in
Heinrich Heines Scln-iften erinnern können. Derselbe (Nach-
träge zu den Reisebildern. Hamburg 1831, S. 98) lässt eine
ir-|ländische Dame sagen: .Als ich noch klein war, in Dublin, 765
und zu Mutters Füssen sass, früg ich sie einst, was man mit
den alten Vollmonden anfange. Liebes Kind, sagte die
Mutter, die alten Vollmonde schlägt der liebe Gott mit dem
Zuckerhammer in Stücke und macht daraus die kleinen Sterne.'
[.Aus den alten .Alonden lässt unser Herr Gott halt die Sternl
schnitzen.' heisst in: Alberns Gschnack und boshafte Nacli-
redn von meinn Landsleutn den bravn Gestreichern, gsammelt
von den Schanzl- Barbier in AVien. Hersfeld 1834, S. 50,
no. ()6. — Reinisch, Die Nuba-Sprache 1, 175). 1879.]
Zu Nr. 4!) habe ich vergessen ein Märchen der Sachsen
in Sie1)enbürgen (Haltrich Nr. 66) anzuführen. In diesem
zieht ein junger Mann, dem Frau, Schwiegermutter und Vater
Beweise von grosser Narrlir-it gegeben haben, aus. um zusehen,
ol) es noch Dümmere gebe, und findet verschiedene weit düm.mere
Leute. Unter andren tritt't er einen, der einen Ast, auf dem er
sitzt, absägt. Er ruft ihm vergeblich zu. er werde herunter-
fallen. Der Narr fällt wirklich herunter und läuft nun jenem
nach und fragt ihn. da er (MU Prophet sei, nach der Zeit
seines Todes. , Macht euch nur schnell auf nach Hause' —
ist die Autwort — ,denn bis euer Pferd dreimal von hinten
bläst, seid ihr tot!' Der Arme geriet in nicht geringe Angst,
band schnell sein Pferd vom Baume, schwang sich darauf
und trieb es mit den Sporen heftig an. Das aber liess gleich
in der Angst einen fahren. ,Ach! das ist schon einmal' rief
er und trieb es noch ärger an. Bald Hess es wieder einen.
,Das ist schon zweimal' rief er bestürzt, und die Haare
standen ihm zu Berge. Er spornte das Pferd noch mehr, da
liess es den dritten. ,Das ist dreimal!' sprach er; ,ach, jetzt
bist du tot!' Er stieg ruhig ab und legte sich nieder an den
Weg. Der Fremde aber hatte ihm aus der Ferne zugesehen,
kam zu ihm und sprach: ,Was ist mit euch? was macht ihr?-
„Ach (iott, ach Gott, ich bin tot und muss jetzt hier li.'gen
506 ^11'' Märchenforschuiig'.
1111(1 liiu SO hungrig. Seid so gut, lielier Manu, und geht und
sagt meiner Frau, sie solle mir zu essen bringen! Denn das
wird sie doch einsehen, dass ich Toter nicht nach Hause
kommen kann." Der Mann dachte: ,Der ist noch viel dümmer
als deine Leute daheim!' und ritt weiter.
Dieses siebeubürgisclie Märchen steht dem türkischen
Schwanke und auch dem von mir angeführten litauischen
selir nahe.
[Seit dieser Aufsatz erschien, sind noch viele andere
Sammlungen von Nasr-eddin-Geschicliten in türkischer, ara-
bischer, berberischer und andern Sprachen bekannt geworden,
die, an Umfang und Inhalt sehr verschieden, auch manche
altbekannten Schwanke auf den türkisclien Spassmacher über-
tragen. So erscheint bei D eco urd ein auch e iio. 7'2 die aus
Athenäus herstammende List des Philoxenos, der die kleinen
Fische auf der Tafel des Dionysios über den Tod seines
Vaters befragt (Moulieras p. 40. Müllendorff, Ruadem, no.
LT. Pauli, Anh. no. 7. Hermes '2\. 818. '2ö. 4(;i)V. no.
<S4 die Geschichte vom Eselsei (Moulieras p. 42, Frey ed. Holte
S. 214): 110. 8S der Arzt und seine Schüler (Clitella) aus
Poggios lateinischen Facetien, die ja, wie die von Decourde-
manche übersetzten , Fahles turques' (1S82) lehren, im IG. Jahr-
hundert von türkischen Autoren gelesen und übertragen
wurden (Moulieras p. 48): no. 12G Poggios ,Vivum sepnl-
crnm' (Fncetiae 179S 1, 140. Moulieras p. 47); no. 208 des-
selben ,Fabula Mancini' (Facetiae 1, 68. Bolte zu V. Schu-
mann no. 24 und Frey S. 2S2); no. 218 seine , Mulier demersa'
Moulieras p. 56)^); no. 278 sein ,Aureum soinuium' (Frey
no. 77); no. 128 des Schneiders Traum von der I^appenfahne
^) Uebei- diese Fabel von der ertriuikenen bösen Frau, die ihr
Mann stromaufwärts sucht, vgl. Oesterley zu Pauli no. 142 und
Kirchhof 4, 186, Keller, Erz. aus altdtsch. Hss. S. 204, Liebrecht, Orient
und Occ. :?, :{7<) zu Sinirock no. 61, Etienne de Bourbon no. 244. 299.
lloniulus, aj)p. .'jS, Barth, Fabulae Aesopicae 5, 20, AMtry Xr. 227,
Germania ;{, 420. 5, 48. 28, 422, Lundorf 1, Nr. 87, Ebeling, Taubmann 1882
S. :S22, Yademecuni für lustige Leute 2, Nr. 16; Firmenich 2, 253. Zs.
f. dtscli. Phil. 24, 33:^, Chasse-chagrin 1679 p. 139, Adam, Les patois
lon-iiiiis issl |). i:;«.), 15(ui(b_'son, Sv. Fs. Nr. 37. 38 Nvro}), Sv. landsm. 2.
35. Nasr-cddins Scliwiuike. 507
(IL Sachs, Fab. u. Scliwäuke ed. Goetze no. 334. Bolte zu
Frey S. 256, Aura.) ; no. 148 der Rescliluss der Mäuse, der
Katze eine iSclielle anzuhäugeu (Moulieras p. 49. Pauli no.
634) ; uo. 174 die Wette des Ehepaars wegen des Thürzumachens
(Moulieras p. 52. ßolte, Das Danziger Tlieater 1895, S. 226.
Zeitschrift für vergl. Litteraturgeschichte 11); no. 222 die
auf dem Kopfe des Richters erschhigene Fliege (Moulieras p.
57. Pauli no. 673); no. 269 der Schüler aus dem Paradiese
(Frey uo. 61); no. 26 die Yerl)reniunig eines von Ungeziefer
wimmelnden Hauses (\a\. Schumann no. 1, Frey S. 276.
Deutsche Mundarten 2, 547. Menghin, Südtirol S. 166)].
In der V(in Moulieras (p. 21 — 23) excerpierten ara-
b i s c h e n Fassung begegnen mehrere Ehebruchsnovellen aus dem
Sindbadbuche, darunter auch das ,Weib im Brunnen' (Boccaccio
7, 4, Ispirescu p. 37); in der b er berisch en Sammlung von
Moulieras erscheint als Nr. 22 die schon in der Disciplina
clericalis auftauchende gesprächsweise Mitteilung von allerlei
den Angehörigen des Fragers zngestossenem Unglück (Moulieras
p. 24) ^); no. 23 Aristoteles von Phyllis gezäumt und geritten
(Moulieras p. 19, Müllendortt", Bnadem no. 99); Nr. 36 und
46 — 50 Teile des Märchens von List und Leichtgläubigkeit usw.
In der von Murad L^fendi nachgebildeten türkischen
Sammlung enthält Nr. 23 die aus den (iesta Romanorum im.
106 bekannte Erzählung vom Traumbrod; Nr. 9 (:— Müllen-
dorf no. 3), der verwunschene Esel, ist die weitverbreitete
Geschichte von dem listigen Diebe, der (h^n Bauer einen
Esel stiehlt und dann vorredet, er sei zur Strafe seiner Sünden
auf eine Zeit in jenen Esel verwandelt worden. Varnhagen
(Longfellows Tales of a wayside iun und ihre (Quellen 1884
S. 124) bespricht eine Novelle von Michele Colombo (1794),
ein Gedicht Pirons (Oeuvres 8, 323 = Poesies badines 1885
p. 73) und eine Erzählung Longfellows ,The monk of Casal-
maggiore'. Weitere Bearbeitungen des Schwankes sind: 1001
') Vgl. noch t'raiie zu Jaoques de Yitrv no. 205. Thorburn,
Banm'i ]). ISri ,A "(uid liar', Hammer, Rosenöl 2, 274, lllade 1S67 ji. 37.
,La bi.^ito düu bourdile', Anastasins (iriin, Grediclite 1844 8. 316 ,Bütenart',
Bulte, Zs. d. V. f. V, Ikskunde 7, '.i9-\
508 ^"*' ^lärchenforsclmng.
Naclit übers, von Weil 4, 64. Certeux-Carnoy, [/Algerie tra-
ditionelle 1, 49. Basset, Revue des trad. po}). 9, 130. 10,
626. Villot, Moeurs des indigenes de lAlgerie 1888 p. 12().
Sachau, Felliclii-Dialekt von Mosul no. 4 (Abb. der Berliner
Akademie 1895). Retif de la Bretouue, Les contemporaiues
36, 332 (1784): Nouv. 221 ,La baillive et la procureuse-
fiscale, 5. conte: Le voleur ane-par penitence. Cbapelot,
Contes balzatois 1871 p. 27. Sebillot, Revue des trad. pop.
11, 633. Pitre 3, 146 no. 151. 4, 402. Arcbivio 4, 390.
5. 205. hnbriani, Conti pomigl. p. 78. Lor. Pignotti, Nov.
4 ,11 veccbio e l'asino'. Coelbo no. 6('). Vademecuni für
lustige Leute 1, no. 43 (1767) ,Der Eseldieb'. Firmenich 1,
303. 531. Simroc-k, M. no. 12. Pröble, KVM. no. 3. Wolf,
DMS. no. 33; Niederld. Sagen S. 702. Der Bär 2. 117 (1<S76).
K. Braun-Wiesbaden, Zeitgenossen 2, 282 (1S77) .Der Ochs
und der Kapuziner'. Sachs. Hausfreund (siebenbürg. Kalender)
1862, 101 ,Der Müller und sein Esel'. Westfäl. Bauern-
kalender 18'Sl, 107. Gredt, SagenschiUz des Luxemburger
Landes 1885, S. 641 no. 1215. Leopold, Vau de Scheide
tot de Weichsel 2, 85 (l,s<S2j. Zeitschr. für Volkskunde 2,
265 (1889): albanesisches Märchen. Eine Variante, in der
statt des Esels ein Mehlsack erscheint, in den Münchener
Fliegenden Blättern 106, 47 (1897) ,Der gefoppte Bauer'.
In der g riech isclien Bearbeitung findet sich auf S. 18
die Faliel von der Eichel und dem Kürbis. Vgl. Tabarin,
Oeuvres ed. Aventin 2, 175 (1858). La Fontaine, Oeuvres 2,
197 ed. Moland 1S72 = Fahles 9, 3 ,Le gland et la citrouille'.
Cats, Wercken 165S, Invallende (iedachteu S. 40 ,Van een
pompoen en eycke'. Gleim, Fabeln 17(S6 S. 175 = Werke
3, 425 (ISII). J. B. Michaelis, AVerke 2, 41 (1791): ,Der
Bauer unter der Eiche'. J. A. Schlegel, Fabeln und Er-
zählungen 1769 S. 27 ^ Neue Reitr. zum Vergnügen des
Verstandes und AVitzes 3, 151. The Pleasing Instructor p.
365 ,The Atheist and Acorn'. Knowles, Folk-tales of Kashmir
p. 321.
Der türkische Name Chodja ist in dvn arabisrhen Be-
arbeitiiiii;eii in den gut arabischen Dschuhä umgewaiulelt
85. Nasr-eddins 8rli wanke. 509
worden: daher .staiiimen Formen wie Dscliauha (I^einiseh, Die
Nuba-Spraclie 1, 162. "236. Stumme, Tunis. Märchen 2, 126;
Houwära no. 6; Ztsehr. dvv deutsch, morgenl. Ges. 48,403),
Dschochi (Lidzbarski S. 240), (lohä (Soein, Arab. Sprich-
wörter 1878 S. 3 no. 38. Prym-Socin, Tür 'Abdin S. XXV),
(lalian (maltesisch: Archivio 14, 458), Si Djeh a (Moulieras),
Giu;^a im Albanischen, Giucca, Ciucco im Toscanischen, Giufa
im Sicilianischeu (Pitre, Nov. pop. tusc. p. 195. Köhler, Zs.
d. V. f. Yolksk. 6, 73 zu Gonzenbach no. 37)].
36. Jülg, Mongolische Märchen.
Die neun Nachtrags-Erzählungen des Siddhi-Kür und die Ge-
schichte des Ardschi -Bordschi Chan. Eine Fortsetzung zu
den „Kalmükischen Märchen." Aus dem Mongolischen über-
setzt mit Einleitung und Anmerkungen von Prof. Dr. Bern-
hard 'lülg. Innsbruck. Verlag der Wagnerschen üniversi-
täts-Buchhandlung. 1868. 8«. XVI und 132 S.
(Göttinger gelehrte Anzeigen 1868, 192»!— lii:31.)
Gleichzeitig mit dem grössern Werk „Mongolische Märchen- 1926
Sammlung. Die neun Märchen des Siddhi-Kür nach der aus-
führlicheren Redaction und die (ieschichte des Ards(thi-Bordschi
Chan. Mong(disch mit deuts(dier üebersetzung und kritischen
Anmerkungen herausgegeben von B. .lülg'' (Innsbruck 1868,
Preis 5 Thaler) ist die obige Einzelausgabe der deutschen
üebersetzung erschienen, ebenso wie früher neberx der grossen
Ausgabe des kalmükischen Siddhi-Kür (Leipzig 1866) die
üebersetzung auch einzeln erschienen war, wofür die jener
Sprachen unkundigen und sie nicht zu erlernen gewillten
Märchen- und Sagenforscfier dem Herausgeber zu besondrem
Danke verpflichtet sind. Den Märchen geht, wie schon der
Titel anzeigt, eine Einleitung voraus, und erläuternde dankens-
werte Anmerkungen folgen. Die Vergleichung der Märchen
51Q Zur Märciienfurrichung.
mit denen anderer Völker glanbte der Hr. Heransgeber (s.
S. VH), „einige gelegentliche Hinweisnngen in den Anmer-
kungen abgerechnet, anch diesmal — wie bei demkalmükischen
Siddhi-Kür — bewährteren Forschern auf diesem Gebiete
überlassen zu müssen." Ref. erlaubt sich in dieser Bezieh-
ung einige Bemerkungen bfizufügeu. wie sie sich ihm bei
der ersten Lektüre der ^lärchen ergeben haben. Sie machen
1927 natürlich keinen Anspruch auf V()ll-|ständigkeit, werden aber
genügen, um zu zeigen, wie wichtig diese Publikation für
die vergleichende Märchenforschung ist.
Die 14. Erzählung des Siddhi-Kür, „die Knotennase",
in welcher ein Armer (leister belauscht und einen ihnen ge-
hörenden \A'unschsack entwendet, worauf sein habsüchtiger,
reicher l^ruder sich an eben denselben Ort begiebt, al)er von
den (ieistern bemerkt wird, die ihn für den Dieb des Sackes
halten und ihm zur Strafe seine Nase lang ziehen nnd neun
Knoten hineinknüpfen — diese Erzählung erinnert an die von
mir im .lahrI)U('h für romanische und englische Litteratur 7. (i
[oben 281] besprochenen Märchen von den beiden Brüdern, deren
einer ein (iespräcli von (leistern, Hexen oder Tieren belauscht
und daraus ihm sehr nützliche (lelieimnisse erfährt, während
der andere, der sich später ebenfalls an denselben Ort begiel)t,
von den über die Entdeckung ihrer Geheimnisse erzürnten
Geistern, Hexen oder Tieren bemerkt und getötet oder ge-
blendet wird. — Die 19. Erzählung „der arme Weber
und die indische Königstochter" erinnert im ganzen
an das Märchen vom tapfern Schneiderlein (Grimm IvHM
Nr. 20) und die /ahlreichen ähnlirlien Märchen. Wenn der
Weber, der ein feindli(;hes Heer besiegen soll, von seinem
Ross, das er nicht zu lenken versteht, in ein Dickicht ge-
tragen wird und sich dort an einen Baum anklammert und
denselben dabei umreisst. worin die Feinde ein Zeichen über-
menschlichen Heldentums sehen, so kömmt fast ganz dasselbe
in dem Hindu -Märchen „der starke T(ipfer" (Old Deccan
Days; or, Hindoo Fairy Legends, current in Southern India.
Collected from oral tradition by M. Frere, Lond(ni iSficS,
Nr. 16) vor. In dem holländischen Märchen von klein
yt). Jüly, Mongiilisclie .Märihcu. ,j [ 1
Kcibisie I (Grimm KHM. 3, 33) und in den wiilsclitiroler vom i928
starken Schuster (Schneller Nr. 53 und 54) kdmnit ebenfalls
dieser Zug vor, nur ist an die Stelle des Baumes ein Inilzernes
Kreuz getreten. [Hansen, Zs. d. (ies. f. schleswig-holst. Gesch.
7, •225. Schönwerth 2, 287. Zingerle 2, 15. Veckenstedt,
Arch. der Berl. Gesellschaft für Authrop. 1877, S. 103 =
Wend. Sagen S. 71. Gdsquin 1. 100. 2, 353.] Mit den
dem Weber gestellten Aufgaben, einen Fuchs und 9 Dämonen
zu töten, vergleicht sich in den Märchen vom tapfern Schneider
u. dgl. der Fang des Ebers und des Einhorns und die Tötung
der Riesen. — Die 21. Erzählung „das plane sc limie dende
Bettelpaar" gehört zu den von Benfey Pautschat. 1, 500 f.
besprochenen Schwänken, denen mau Udch Sclineller Märchen
und Sageu aus Wälschtirol Nr. 47 beifüge. — Zur 22. Er-
zählung „der König mit den Eselsohren", einer merk-
würdigen Version der griechischen Sage vom Midas, verweist
Jülg auf das irische ^lärchen vom König [jabi-adli Lidngseach
mit den Eselsohren und auf das serbische vom Kaiser Trojan
mit den Ziegenohren. \'gl. aber auch noch die w^eiteren
Nachweise von Liebrecht zu Ihinlop Anm. 153 und im flahrb.
für roman. u. engl. Litt. 3, 86 und von Du Meril Etudes
sur (juelques points darcheologie S. 432. — Die 23. Erzäh-
lung hatte Beufey nach Schiefners Mitteilung bereits im
2. Bande seines l^intschatantra S. 532 als Nachtrag zu der
von ihm im 1. Bande § 92 besprocheneu Märchengruppe von
dem Verbrennen der Tierhülle im Auszug bekannt ge-
macht. Hiernach hatte Liebrecht schon im Jahrb. für roman.
u. engl. Litt. 3, 83 — und später in der Germania 12, 82
— auf eine merkwürdige Lebereinstimmung der mongolischen
Erzählung mit dem ägyptischen Märchen von Satu und Anepu
aufmerksam gemacht. In beiden erregen auf einem Fluss
hergescliwommene Haarlocken einer schönen Frau in
einem König das Ver-, langen nach der unbekannten Eigen- 1929
tümerin der Haare, gleichwie in der Tristansage und in den
von mir in der Germania 1 1 , 389 ft". verglichenen Märchen
die von Vögeln fallen gelassenen Haare einer Unbekannten
gleiches verursachen, [ünteu zu Schiefner, Aw. Texte Nr.
193L
^\-> Zur Märchenforschung.
14.] Wenn in dem moiioolischeii Märchen (S. 54) ein Mann
in die Verbannung geschickt wird mit dem Verbot, nicht
eher zurückkommen zu dürfen, als bis er eiu paar steinerne
Stiefel abgetragen, so erinnert dies an europäische Märchen,
wo eiserne Schuhe durchgelaufen werden müssen, ehe die
verlorene Gattin wiedergefunden wird. Siehe Pentamerone 5,
4, V. Hahn Nr. 25, 73, 102, das venezianische Märchen Nr. 12
im Jahrb. für roman. Litt. 7, 249 [oben 31(5], Wuk Nr. 10,
Pröhle KM. Nr. 31, Wolf HM. S. lys (in letzterem wird die
Gattin gesucht). [Unten zu den awar. Texten Nr. 14.]
Wenden wir uns nun zum Ardschi- Bordschi. Die Er-
zählung vom veruntreuten Edelstein (S. (i9) findet sich
mit unwesentlichen Abweicliungen unter den von Francis
Gladwin in seinem Persian Mooushee herausgegebenen per-
sischen Erzählungen (Nr. 14). In der Erzählung von Vi-
kramäditjas Geburt geniesst die kinderlose Königin einen
gewissen, von einem Lama gesegneten Brei: den übrig ge-
bliebenen Bodensatz isst eine Dienerin; Königin und Dienerin
bekommen dann Söhne, die später eng verbundene Freunde
werden. So geniesst in dem italienischen Märchen von Mela
und Buccia (Weimarische Beiträge zur Littcratur und Kunst
5. 196) [=: Köhler, Aufsätze S. 27 f.] eine Königin einen
Apfel, dessen Schale ilire Kammerfrau isst: nach 9 Monaten
bringen beide Knaben (Mela und Buccia) zur AVeit, die in
treuster Freundschaft heranwachsen. [Cos(juin zu no. 5.]
S. 93 wird erzählt, dass auf Vikramäditjas Rat beim Heran-
nahen des Heeres der Schim-|nus 400 Gefässe voll Branntwein
aufgestellt werden, über welche die Schimnus herfallen und
sich völlig berauschen, in welchem Zustand sie dann er-
schlagen werden. So berauscht in der griechischen Sage
Bakchos ein indisches Heer, indem er ein Gefäss Weines auf-
stellt oder gar einen Fluss in Wein verwandelt (s. des Ref.
Schrift: Ueber die Dionysiaka des Nonnus von Panopolis
S. '28 u. 71). Man vgl. auch die List des Cyrus gegen die
Scythen bei Justin 1, 8 und die Erzählung der Gesta Roma-
norum Cap. 88. [Oben S. 413 zu Jagic Nr. 7. Helvicus 2,
97. Weil, Bibl. Legenden S. 235. Goedeke, Mittelalter
36. Jülg, Mongolirtc'he Märchen. 513
S. 10-2. Orient u. Occ. 1, 346. Heidelhg. Jahrb. 18(58. 311.
Iviebreclit. Zur Volkskunde S. 72. Folk-lore Record 1, 122.
GriniDi KHM. Nr. 13(> der älteren Aufl. Guerrini, Croee
p. -iO-i, 158. H. Müller, Au.s Davos 1875 S. 27. Schneller
S. 213. Hahn Nr. 63. Pio p. 215. Ae'/aiov 1, 305. Legraud
p. 64.] — Zu der Geschichte vom weisen Papagei (S. loil)
war auf Benfey Pantschat. 1. 246 — 249 zu verweisen, wo die
P^rzählung besprochen ist. (Zu der von Benfey gegebenen
Uebersetzung ans der Gukasaptati vgl. AV. Pertsch in der
Zeitschrift der Deutschen morgeuländischen Gesellschaft 21,
519, Aum. 1). Weit genauer aber als die von Benfey ver-
glichenen Erzählungen der (.'ukasaptati und des persischen
und türkischen Tuti-Nameh stimmt mit der mongolischen
Geschichte eine Episode in dem Hindu-Märchen „die Wande-
rungen des Yicram Maharajah'' in den schon oben erwähnten
„Old Deccan Days" (S. 114), welche höchst interessante
Sammlung icli demnächst zu besprechen gedenke, wobei ich
auf diese Geschichte zurückkommen werde. — Die letzte Er-
zähliiüg des Ardschi-Cordschi „der falsche Eid-' (S. 111)
hatte Hr. Prof. Jülg schon früher als „ein Seiteustück zum
Gottesgericht in Tristan und Isolde" besonders herausgegeben.
Jetzt verweist er in der Anmerkung auf die Anzeigen jener
Specialansgabe von F. Eiebrecht in den Heidelberger Jahrb.
l'S66, Nr. 59, und von ('omparetti in der Revue critique 1867,
Nr. 12: er hätte aber nuch noch auf die Anzeige Beufeys in
diesen | Blättern 1867, St. 17, und auf die des Ref. im Eitter. 1931
Centralblatt 1867, Nr. 35, verweisen können. In Bezug näm-
lich auf die im Anfange der mongolischen Erzählung vor-
kommende Zeichenspraehe vergleicht Benfey in jener An-
zeige die erste Erzählung der Vetälapankavinvati in Eassens
Anthol. sanscr. ed. Gildemeister S. 6. wo der Prinz die von
der Geliebten gemachten Handbewegungen nicht versteht,
während sie sein (lefährte auslegt.^ und Ref. liat auf seinen
Aufsatz „Rosenplüts Disputaz eines Freiheits mit einem Juden"
in Pfeiffers Germania 4, 4S2 ff. hingewiesen.
R. Kühler, Kl. Schriften I. 33
514 ^^i^' ^färclienforschung.
37. Steere, Swahili Tales.
Swahili Tales as told by iiatives of Zanzibai'. With an Engiisli
translatioii. By Edward Steere^), LL. D., Rector of Eittle
Steepiiig. Lincoliishire, and Chaplaiu to Bishop Tozer. London:
Bell & Daldy, York Street, Covent Garden. IST;). 8". XVI und
504 Seiten.
(Göttinger gelehrte Anzeigen 1870, 1(3.^H — 1H63.)
165(> Dieses Buch enthält ausser einigen Spruch vv(irtern. Rätseln
und Gedichten die weiter unten aufgezälilten Märchen und
und Fabeln, sämtlich in Suaheli-Sprache und in englischer
Uebersetzung. Der Herausgeber hat sie in Sansibar als Mis-
sionär gesammelt. „The following tales", sagt er im Vor-
wort S. V, „were taken down in the first place as a help to
mv own endeavours tu master the language of Zanzibar, and
are now printed chieÜy as a help to those who are to follow
me in the Sfime work. 1 have tried thereforc to make the
trauslation as literal as possibjc .... All the tales are printed
exactly as they were related-'. Die Wichtigkeit dieser Samm-
lung in sprachlicher Rücksicht, die sich noch mehr nach dem
Erscheinen des am Ende des Vorworts angekündigten Hand-
l»uchs der Suaheli-Sjn-ache herausstellen wird, niuss ich andern
zu beurteilen ü1)erlass('ii. Ich will nur vor allem die Auf-
merksandvcit der Frennde der vergleichenden Märchenkunde
auf die Sauinilung lenken.
Die Suaheli — über die man Näheres in Th. Waitz
Anthropologie der Naturvölker '2, HBH ff. und 4'i'2 f. und in
16.57 von der Deckens Rei-|sen in Ost- Afrika, bearbeitet von
0. Kersten, 1, lö ff. hndet — sind ein Misch volk aus Ehi-
geboreuen und Arabern, welche letztere vor den Portugiesen
schon Jahrhunderte lang die Ostküste Afrikas beherrschten
und wieder seit KiilS anf Sansibar die herrschende Klasse
bilden. Aber nicht l)los Araber uiul Suaheli l)ewohnen San-
M IBiscliof steere, geh. ISi'S, f 27. Aug. 1SS2 zu Zauzihar. Vgl.
TriihnerV Heronl X. S. Vol. :?, -.14.1
37. SteiM'e, Swaliili 'I'ales. 515
silmr. In ciiiciii der Mi'irclicii licisst es (S. -I'A'A): ,,lii tlie towii
arc vve Arabs, thcre nre Kiir()|)ea.tis, there ai'c Hauvaiis also,
thei'e are llindees also, tliere arc, too. all tlic poor that are
111 it", (1. h. iiHcli den Krläiiternugcn des Hg. (S. 500): 1. Die
Araber und die lialb-arahisclieii Suaheli, 2. die Ba,iivaiieii,
(1. li. heidnische Inder, besonders ans Katscli, -i. die Hindi,
d. h. inuluiinedanische Inder. 4. die Enropäer, etwa HO oder 40,
5. die Neger-Sklaven und Freigelassenen. Nach einem andern
]\I. (S. ;>]7 uiul ;^'Jo) kommen dazu noch Komorianer von
der Insel Angasija oder (iross-Komoro, vgl. v. d. Decken
S. <S7. Unter diesen Verhältnissen ist es sehr begreiflich,
dass wir nnter (h^n Snaheli-lMärchen s(dche finden, die uns
ans arabischen oder indischen Quellen bekannt sind. Wir linden
aber auch Märchen, die mit europäischen, bisher noch nicht bei
Arabern oder Indern nachgewiesen übereinstimmen. Vielleicht
sind manche dieser Märchen asiatischen l'rs])rnngs, wenn er
auch noch nicht erwiesen ist. und die Suaheli haben sie ans
Asien erhalten. Nicht ininniglich erscheint es mir al)er
andrerseits, dass manche dem Verkehr mit JMiro[)äern, ganz
besonders mit den Portugiesen, die zweilinndert dahre San-
sibar beherrschten, entstammen.
Die einzelnen Märchen und Fabeln sind nun die folgenden.
The Story of tlie AVashermaii's Donkey. (S. ;j. ) Dii-
(iescliicht(^ vini (b'in Ks(d, [ der kein Herz und keine (»hren i658
hat [Oesteidey zu (iesta, Rom. SH; [{oinulus app. 4i). Ecbasis
captivi ed. Voigt p. 57. Hochholz. Zs. f. dtscli. IMiil. 1. ISI.
Scherer, Kl. Schriften 1, l.s-_>. Keidel, Zs. f. vgl. Littgesch. 7.
•J() f. Tawney. Kathä Sarit Sägara 2, (S5. St<'inschneider.
Zs. der d. morgenl. des. '27. '>(>'■>. Scjiiefner. Kürin. Studien lS7o.
S. !)5. Krohn, -lournal de la soc. iinno-ougrienne (i, loj. ein-
gesclilossen in die Hahmenerzälilung von dem Haitische und
dem Affen, der sein Hei'z auf dem liaum gelassen hat.
S. Benfey l^nitschat. 1. 420 ff. und 4;!0 ff. [Thorbnru.
Hannii p. 219. Steel and Tem})le no. 21, JMide. Tawney,
Kathä Sarit Sägara 2, S4. Folk-Lore -lournal o, 12cS. (iriftis,
riapanese Fairy AVorld 1S,S7, p. 15y. Langegg l.o45. I)rauns(j4.
(laster, Monatssclir. f. (Ies(di. d. diidentuins oO. . . . Nr. 8.
3:!*
')\Q Zur Märchenforsohung'.
Liebrecht. Zur Volksk. 8. 122.] Beiuerktniswert ist, dass im
Sualieli-Märclien ein Hase oder ein Kaninchen (s. S. VllI der
Vorrede) den Löwen und den Esel betrügt. Anch in zwei
andern Märchen dieser Sammlnng, in zwei Betschuanen-
Märchen (Bleek, Reineke Fnchs in Afrika, Weimar 1S70,
S. 75: Zeitschrift der Deutschen morgenländischen Gesell-
schaft 16, 471), in einem woloffischen (Bleek S. 144) und in
einem Bari-Märchen (mitgeteilt von Mitterrntzner in derselben
ebengenannten Zeitschrift 21, 221 und in seinem Werk über
die Sprache der Bari) ist der Hase das listige Tier. — Sultan
Darai (S. 13). Von diesem Märchen, welches eigentlich erst
S. 50 beginnt, indem das Vorhergehende mit dem Folgenden
nur ganz äusserlich lose zusammenhängt, sagt der Heraus-
geber S. VIII: „Sultan Darai" is in its lirst part like all tales
of stepmothers, and in its last curiously like „Puss in boots".
Ich habe die bisher bekannten Varianten des M. vom ge-
stiefelten Kater — sämtlich aus Europa bis auf eine aus Sibirien
in meiner Anmerkung zu Laura (ionzeiibachs Sicilianisohen
Volksm. Xr. 05 [Zs. d. V. f. Volksk. 0, l(i5] zusammen-
gestellt. An die Stelle der Katze ist in einigen M. ein Fuchs,
auch ein Hund, im Suaheli-M. eine Gazelle getreten. Eigen-
tümlich dem Suaheli-M. ist das P^nde, wonach der Sultan
Darai, der durch di(^ Gazelle Sultan geworden ist, zur Strafe
seiner Undankbarkeit — er lässt die (jiazelle, ohne sich um
sie zu bekümmern, sterben und dann in einen Brunnen
werfen — eines Morgens sich wieder iu seiner frühern Heimat
1659 und in seiner Armut ] findet. — An Indian Tale (S. 141),
welche Erzählung ich sonst nicht nachweisen kann. — The
History of Mohammed the Lauguid (S. 151), aus
lOOlNacht, wie auch Steere S. VI bemerkt. S. in der Breslauer
Uebersetzung im 13. Bande die Geschichte des Abu Muham-
med Alkeslan, in Weils Uebersetzung 2, 365: Geschichte
des trägen Abu Muliammed. — Sultan Majnün (S. 19*J).
Nachdem sechs Söhne des Sultans nicht haben verhindern
können, dass ein grosser Vogel die eben reif gewordenen
Früchte eines Dattelbaums des Sultans in der Nacht frisst,
indem fünf der Prinzen einschliefim und der sechste sich
37. Hteere, Swahili Tales. 517
leiclitsinnig vom Baum entfernte, vvat^ht eudlieh. als die
Datteln wiederum reif geworden, der jüngste Sohn, der bisher
nur in der Küche sich aufgehalten hatte und deshalb vom
Sultan verachtet war. Er bleibt wach und ergreift den Vogel
an einem Flügel und lässt ihn nicht eher los, als bis ihm
der Vogel eine Feder von sich anbietet, durch deren Ver-
brennung der Prinz ihn jederzeit herbeirufen k(inne. Der
zweite Teil des Märchens erzählt dann, wie derselbe Prinz
eine menschenfressende Katze endlich erlegt, nachdem er vor-
her verschiedene andre Tiere, die er dafür gehalten, (Hund,
Zibethkatze, Zebra. Nashorn. Elefant) get(idtet hat. Die
beiden Teile des M. stehen in gar keinem Zusammenhang;
wahrscheinlich bestand ein solcher früher dadurch, dass der
Prinz im zweiten Teil jenen Vogel durch Verbrennung der
Feder herbeirief, um sich von ihm irgendwie helfen zu lassen.
Zu dem ersten Teile vgl. man den Anfang der von mir zu
Gonzenbach Nr, 64 zusammengestellten Märchen, — Goso,
the Teacher (S. ■JS7). Die Schüler des Goso, deren herab-
gefallene Frucht eines Kalabassen -Baumes erschlagen hatte,
suchen den. der jene Frucht herabgeworfen. Zuerst ergreifen 1660
sie den Südwind und beschuldigen ihn, aber der Südwind sagt:
,.lf l was the chief, should 1 be stopped by a mud wall?"
Sie wenden si6 han die Lehmwand, aber diese weist sie an
die Ratte, die Ratte an die Katze, die Katze an den Strick,
der Strick an das Messer, das Messer an das Feuer, das
Feuer an das Wasser, das Wasser an den Ochsen, der Ochse
an die Zecke, die Zecke im die Gazelle, welche letztere in
der That die Frucht herabgestossen hatte. Indem die Schüler
jeden neuen Angeschuldigten anreden und dabei immer mit
denselben Worten die Reihe der vorher Angeschuldigten auf-
zählen, sagen sie endlich zur Gazelle: „You are the gazelle
which eats the tick, and the tick sti(-ks to the ox, and the ox
driiiks de water aiul the water puts out the fire, and the fire con-
sumes the knife, and the knife cuts the rope, and the rope ties
thecat, and the cat eats the rat, and the ratbores through the mud
wall, and the mud wall stops the south wind, and the south
wind threw down the calabash, and it Struck our teacher
,")|g Zur irärclioiit'orscluuig.
(loso: von should not do it." — Tlie gazelle held its tongiie,
without saying a word. And thev said: „This is the one that
tlirew down the calabash, and it strnck our teaclier Goso,
and we will kill him." And tliey took the gazelle and they
killed it. — Steere sagt S. YIIl der Vorrede: Goso the Teacher
is absnrdly after the pattern of the Honse that Jack bnilt.
Deutsche Leser werden an den bekannten Spruch vom Herren,
di'r den Jokel (däkek .lochen) ausschickt, denken. Dieser
und ähnliche in Deutschland und ganz Europa verbreitete
Sprüche scheinen bekanntlich einem jüdischen Osterlied zu
entstammen (s. meinen Aufsatz in der Germania 5, 4(53 tif".).
16(31 Die Reihe: | Feuer. Wasser, Ochse, kommen wie im Suaheli-M.
so schon im jüdischen Osterliede und in vielen der Nachbil-
dungen vor. In Bezug auf die Aufeinanderfolge: Wind,
Lehmwand, Maus, vergleiclie man das imlische Märchen von
der in ein Mädchen verwandelten Maus (Benfey Pantschat,
L o7/i ff.. -2, 2()"2 ttV), wo Wind. Berg, Maus auf einander
folgen. In der französisclien Fassung dieses Märchens bei
Marie de France Fable H4 ist an die Stelle des Berges ein
steinerner Turm getreten, und in der altdeutschen Umbildung
des Märchens von der ^laus in das von dem freienden Kater
(s. Germania 2. 4X4) haben wir die Keilie: Wind, Steinhans,
Maus. Katze. — Seil dear, dont seil clieap (S. 297).
Diese Erzählung erinnert an die von mir zu Gonzenbach
Nr. 50 [Zs. d. V. f. Volksk. (J, KU] zusammengestellten. —
The Hare, the Hyaena, an the Lion (S. 297). Auch in
diesem Tiermärchen erscheint der Hase als sehr listig. —
The Story of Hasseebu Kareem ed Deeu and the King
of the Suakes (S. 333). Diesem M. liegt, wie auch Steere
p. VI der Vorrede erinnert, ein M. der lUOl Nacht zu Grunde:
Weils Uebersetzung 4, 103. Hammer- Zinserling 1, 301. —
The Kites and the Crows (S. 3(i5). Nach der indischen
Fabel von dk^n Eulen und dei- Krälic S. Benfey Pantschat. 1. 338.
— The Hare and the Lion (S. ,')71). Abermals vom listigen
Hast'u. — TheSj)irit wlio was clieated l)y theSnItan's
Sou (S. 3S1). Zum ersten Teil v^l. die von mir im Jahr-
buch für romanische Litteratur s. 2.")() ff", [üben S. 330] zu-
37. Steere, Swaliili Tales. ,j 1 y
sjiinmeiigestellteii M. Im Siialicli-M. fehlt das Verbot des
Oettuens des einen Zimmers. Zum Sclilnss, wie der Dämon
umkommt, vgl. Haltrich Nr. 87. Wuk \r. 85, Hylten-Cavallius
Nr. 2, Grimm Nr. 15, Peter Volkstümliches aus Oestereichisch-
Schlesien 2, 1G5, { Russwurm Sagen aus Hapsal Nr. 96. Haupt i662
und Sehmaler Wendische Volkslieder 2, 173. Radloff Proben
der Volkslitteratur der türkis(-hen Stämme Süd-Sibiriens 1,
306, Nr. 13. [AVittstock, Sagen aus dem Nösner Gelände 1860,
S. -25. Godin S. 3<;. Ralston ]>. 165, 16S. Coelho Nr. 28.]
— P)lessing or Property (S. 393). Eine ganz eigentüm-
liche Gestaltung des M. von dem ^lädchen ohne Hände
(s. darüber meine Anmerkung zu Gonzenbach Nr. 2-1 [Bean-
manoir, Oeuvres ed. Suchier 1. LXVj). Wenn im Anfang des
M. der sterbende] Vater die Kinder fragt: „Will you have
blessing or property?'^ so vgl. Campbell Populär Tales of
the West Highlands Nr. 13, 16 und 17 und Chambers Populär
Ivhymes of Scotland, 3d ed., S. 239,' wo Mütter ihre Kinder
wählen lass:^ii zwischen dem grossen oder gaiizim Kuchen
mit ihrem Fluche und dem kleinen oder halben mit ihrem
Segen. AVenu im Anfang des M. das Mädchen von dem
Verleilien ihres Kochtopfes und Mörsers lebt, so vgl. den
Anfang von Straparola 11, 1 und Asbjörnseu und Moe Nr. 28.
— The Clieat and the Porter (S. 413). Auch dieser
kurzen Erzählung liegt nach Steere (p. VI der Vorrede) eine
Erzählung der 1001 Nacht zu (!ruude. die ich jedoch in
Lanes englischer Uebersetzung nicht finde und <lie ich auch
in den deutschen Liebersetzungen nicht gefunden habe. —
The Ape. the Lion, and the Snake ( S. 425). Eine
Variante des bekannten M. von den dankbaren Tieren und
dem undankbaren 3Ienschen, über welches Benfey Pantschat. 1,
192 ft". gehandelt hat. Bemerkenswert ist. dass das Suaheli-M.
mit den Gesta Romauorum c. 119 im besondern insofern
übereinstimmt, als in beiden die dankbaren Tiere dieselben
sind. — T(»bacco ( S. 415). Die einfältigen Bewohner v(m
Pc Uli )a essen den Tabak. — The Lioness and tbe Ante-
lope (S. 435). Die Antilope hält eine Löwin, die sie an-
greift, da I durch zurück, dass sie ihr zuruft: Welcome cousin! iges
520 ^111' ^lärchenlorschung.
— Liongo (S. -441). Sage von einem starken und listigen
Mann, der nur getötet werden konnte durch einen Stich
mit einer kupfernen Nadel in den Nabel.
S. VII der Vorrede erwähnt Hr. Steere, dass der verstorbene
langjährige französische Konsul auf Sansibar, M. Jablonsky,
eine grosse Anzahl Suaheli- Märchen in polnischer Sprache
aufgezeichnet hatte. Ob diese Sammlung nocli vorhanden
ist, sagt Hr. Steere nicht. Es wäre jedenfalls sehr schade,
wenn sie der AVissenschaft verloren wäre oder verloren ginge.
38. Steele, Kusa Jataka^^a.
An Eastern Love-Story. Kusa .lätakaya, a Buddhistic Legend:
rendered. for the first time, into English verse. from the
Sinhalese Poem of Alagiyavanna Mohottäla, by Thomas Steele,
Ceylon Civil Service. London: Trübner and Co.. (iO Paternoster
Row. 1871. Xll und 260 Seiten. 8^
(Göttintfer gelehrte Anzeigen 1872, 1205 — 1225.)
1206 Das uns hier in englischer Lebersetzung vor-jliegende
singhalesische Gedicht ist von Alagiyavanna, der als einer
der besten Dichter Ceylons gilt, verfasst, und zwar, wie uns
der Dichter selbst im Prolog und im Epilog des Gedichts
mitteilt, im Jahre 1532 der Aera König Sakas (d. i. im
Jahre 1610 unserer Zeitrechnung) und auf Veranlassung
Menikhamis. der Gemahlin Attanayakas, eines vornehmen
Singhalesen, in dessen Diensten der Dichter als Sekretär
(Mohottäla) stand. ,The translation* — sagt der üebersetzer
S. IX — .reads stanza for stanza with the original, which con-
sists of six hundred and eighty-seven stanzas of four lines
each, all four rhyming alike, with, not unfre(juently, double
rhymes in the middle of the lines. The translation is in
many places necessarily freer. Old Ballad Measure has been
chosen as the one best adapted to convey the spirit of the
88. Steele, Kusa Jatakaya. r)21
original, and as affording room for amplifying, where neees-
.sary, int« iMiglisli vei\se, the remarkable eompression wliicli
occasionally distinguishy Sinhalese poetry'. Der Inhalt des
Gedichtes, welches anf dem Ku(;a-Jätaka, einer jener Pali-
Legenden über die 550 frühern p]xistenzen Bnddhas, bernht,
ist folgender: In der Stadt Knsavati im Lande Malala in
Dambadiva lebte König Okavas mit seiner Gemahlin Silavati
lange Zeit kinderlos. Endlich verkündet Sakra (Indra) der
Kiiiiigin, sie werde einen hässlichen nnd versti'uidigen nnd
einen schönen nnd tliörichten Sohn bekommen, nnd fragt
sie, welcher der Erstgeborne sein soll. Die Königin erwidert,
der hässliche nnd verständige solle es sein. So wird znerst
Kusa — eine Verkörperung Bnddhas — nnd nach ihm
Jayanpati geboren. Herangewachsen und von seinen Eltern
gedrängt, sich zu vermählen, nnd anfangs seiner Hässlich-lkeit 1207
wegen widerstrel)end. trägt er endlich einem geschickten
Goldschmied auf. ein goldenes Franeubild zn verfertigen, und
verfertigt gleichzeitig selbst ein solches. So schön das Werk
des Goldsclimieds ausfällt, so steht es der von Kusa ver-
fertigten Bildsäule nach; denn diese ist so schön und natür-
lich, dass der Goldschmied, als er sie sieht, nicht in das
Gemach zn gehen wagt, da er glanbt, die Braut des König-
sohns sei darin. Kusa erklärt nun seiner Mutter, wenn man
eine Königstochter fände, die dem von ihm verfertigten
goldneu Bilde ganz gleiche, so sei er bereit sie zn heiraten.
Alsbald werden die Minister mitsamt der goldenen Statue
ansgesandt. In allen Städten sollen sie die Statue an öffent-
lichen Plätzen aufstellen und Acht haben, ob man nicht beim
Anblick des Kunstwerks etwa sage: Die und die Königs-
tochter gleicht diesem Bilde. Lange ziehen die Minister ver-
geblich umher, überall hören sie nur. wie das Volk beim
Anblick der Statue sich äussert, nur eine (iöttin könne so
schön sein. Endlich kommen sie in die Stadt Sagala - - das
ZdyynXa der Griechen, bekannt als Residenz des Yavana-
Königs Melinda (Menander), 140 v. Chr.. wie A. Weber in
seiner Anzeige unseres Buchs im Lit. Centralbl. D^Tl, Nr. 31
bemerkt. Dort residiert Madu, der König tles Landes Madu-
522 ^^^'' ^JSrclienfurschung.
rata, Vater von acht Töchtern, deren älteste die wunderschöne
Prabavati ist. Die Minister haben vor Tagesanbruch die
Statue in der Nähe des Köuigsschlosses aufgestellt. Bald
nach Sonnenaufgang kommt die alte Pflegerin der Prabavati
mit mehreren Dienerinnen ans dem Schloss, nni Wasser zum
Bad der Prinzessin zu holen. Wie die Alte die goldene Figur
erblickt, so macht sie. in der Meinung, es sei Prabavati. ihr
1208 hef-|tige Vorwürfe, dass sie ohne ihr Wissen allein den Palast
verlassen habe, und giebt ihr zuletzt einen Schlag anf die
Wange, wobei sie denn erkennt, dass sie nicht die Prinzessin
selbst, sondern nur ein ihr ganz gleiches Bild vor sich hat.
So haheji endlich die (iesandten die gesnchte Königstochter
gefunden. Sie halten alsbald bei dem König nni ihre Hand
an, und die Werbung wird angenommen. Nachdem sie nach
Kusavati zurückgekehrt und deu glücklichen Erfolg ihrer
Sendung gemeldet haben, reisen bald darauf Kusas Eltern
nach Sagala, um die Braut zu holen. Als die Königin die
Brant sieht, steigt in ihr die Befürchtung auf, die s-chöiie
Prabavati werde, wenn sie den hässlichen Kusa sehe, sich
nicht entschliesseu können, seine (iemahlin zu werden. Sie
giebt deshalb vor. in ihrer Familie sei es alter fester Brautth,
dass die Braut dem Bräutigam vermählt werde, ohne ihn ge-
sehen zu ha heu. nnd dass das vermählte Paar nur im Dunkel
der Nacht bei einander sein dürfe; erst wenn die junge Frau
sich guter Hoffnung fühle, höre diese Beschränkung auf.
Prabavati ist bereit, sich diesem Brauch zu fügen, und reist
mit dem Königspaar nach Kusavati. Bald nach der Vermäli-
lung dringt Kusa, dem sein Vater die Königsheri'schaft bei
seiner Vermählung überlassen hat. in seine Mutter, ihm de-
legenheit zu verschaffen, Prabavati heimlicli zu sehen. Die
Königin gestattet ihm, dass er sich einmal als P^lephanten-
wärter, das andere Mal als Stallknecht verkleidet und so seine
Gemahlin seh(Mi kann. Prabavati, welche ebenfalls ihren
Gemalil heindich zu sehen wünscht, wird von ihrer Schwieger-
mutter getäuscht, indem ihr sclniner Schwager ihr gezeigt
wii'd. Eines Tagt\s aber, als Prabavati in den Lustgärten |
l2o;i herumwaiidclt. giebt Kusa. der sich vei'steckt hat. sich ihr zu
:^f^. Steelo, Kusa JiitaUava. 523
erk<^'mieii. Entsetzt üher seine Hässli(,'likeit. erklärt Prabavati.
seine (iemaliliu nicht bleiben zu kiinnen. und kehrt zu ihren
KItcru zurück. KTuiii;- Kusa konnte die Entferuung seiner
(ieniahlin nicht ertragen und folgte ihr bakl nach Sagala.
Dort trat er zuerst als Spielmann, als Töpfer, als Kranz-
flechter auf. ohne Prabavati sehen zu können, endlich ward
er Gehilfe des königlichen Kochs und faud als solcher Ge-
legenheit, sie wiederiiolt zu sehen und zu sprechen, aber es
gelang ihm nicht, auch nur ein freundliches Wort von ihr zu
erhalten, vielmehr erklärte sie immer wieder von neuem, er
sei zu hässlich. als da.ss sie mit ihm leben könne. So ver-
gingen sieben Monate, und Kusa war im Begriff, wieder heim
zu kehren, da naht göttliche Hilfe. Der Götterkönig Sakra
veranstaltete es, dass sieben Nachbarkönige falsche Briefe er-
hielten, in denen König Madn jedem von ihnen seine Tochter
Prabavati zur Gemalilin anbietet. Die sieben Könige machen
sich alsbald — jeder mit einem gewaltigen Heere — auf, die
Braut zu holen. König Madu weiss kein anderes Mittel, alle
sieben Könige, die mit Krieg drohen, zufrieden zu stellen, als
wenn er Prabavati in sieben gleiche Stücke zerschneiden lässt
und jedem Ki'inig ein Stück giebt. Schon werden hierzu An-
stalten getroffen, da entdeckt Prabavati ihrer Mutter die An-
wesenheit Kusas. Als Kömig Madu dies erfährt, erweist er
sofort seinem Schwiegersohn die gebührenden Eliren, und
Prabavati erfleht von ihrem Gemahl Verzeihnng und Kettung.
Kusa verzeiht der reuigen Gemahlin und bloss durch drei-
maliges Rufen, er sei König Kusa — welches Rufen freilich
wie hunderttausend Donner klang — jagte ] er die sieben 1210
fleere in die Flucht und nahm die Könige gefangen. Kraft
eines wunderbaren Edelsteins, den der (iöttterkruiig dem
Sieger um den Hals hängt, wird Kusas Hässlichkeit in gött-
liche Schönheit verwandelt. Nachdem Kusa die sieben Könige
und die sieben Schwestern Prabavatis mit einander vermählt
hat. kehrt er mit der nun glücklichen Prabavati in sein Reich
zurück.
Dies ist die Geschichte Kusas und Prabavatis. wie sie
das sinuhalesische Gedicht erzählt. Gedenken wir aber auch
524 '^^^^' ^iärchenforschung.
noch der die Geschichte einfassenden Rahmenerzählung (Str.
22 — 79 und (579 — 684) und der in Str. 380 — 356 enthaltenen
Episode über eine frühere Existenz Kusas und Prahavatis.
Nach der Rahmenerzählung hat Buddha selbst, vom Himmel
hernieder gestiegen, den Mönchen eines berühmten buddhis-
tischen Klosters die Geschichte Kusas erzählt, und zwar um
einen Mönch dieses Klosters, der sich von Frauenliebe hatte
überwältigen lassen, dadurch zu entschuldigen, dass also auch
Buddha selbst in einer früheren Geburt leidenschaftlich ge-
liel)t habe. Kusa aber und Prabavati waren, wie die er-
wähnte Episode erzählt, in einem früheren Leiten Schwager
und Schwägerin in einem Dorfe gewesen. Einst hatte die
Schwägerin die für ihren Schwager bestimmten Reiskuchen
einem Itettelnden Pasemuni (eine Art heiliger Asceten) als
Almosen geschenkt, der zurü<'kgekehrte Schwager aber war
ihm nachgeeilt und hatte sie ihm wieder abgenommen. Die
Schwägerin war darüber sehr betrübt und brachte dem Mönch
einen Krug voll frischer geklärter Butter. Aber auch der
Schwager bereute sein Benehmen und gab dem Pasemuni die
1211 Reiskuchen zurück. Zum Lohn für diese letztere Gutthat
wurde er als Königssohn Kusa wiedergeboren, aber zur Strafe
für die vorausgegangene Uebelthat mit Hässlichkeit begabt.
Die Schwägerin wurde als Prabavati wiedergeboren.
Weder der englische Lebersetzer des Kusa Jatakaya.
noch die Gelehrten, die bisher seine Cebersetzung öffentlich
besprochen haben — ich meine Albrecht Weber im Litte-
rarischen Centralblatt 1871, Nr. 31, Leon Feer in der Aca-
demy 1S71, Nr. 33 und in der Revue critique 187'i, Nr. 1,
Felix Liebrecht in den Heidelberger Jahrbüchern 187-2, Nr. 14
— haben bemerkt, dass es eine tibetische Variante der
Kusa-Legcnde giebt. Sie hndet sich in dem von Isaak -lacob
Schmidt im Original und mit Uebersetznng herausgegeben
tibetischen Werk ,Dsauglun. oder der Weise und der Thor'
(St. Petersburg 1843) im 13. Kai)itel (S. 91 ff. der ueber-
setznng). [Aus dem Kandjur ist eine andre tibetische Version
übersetzt bei Schiefner, Awar. Texte 1873 S. XLVI = Ralston,
Til)etan Tales 1882 no. 2 ,Kusa dataka\] Hiernach herrschte
38. Steele, Kusa Jatakaya. 5-25
eilist ein König Maliäscliakuli in Dscliaml)U(lvi|). l^r hatte
keinen Soliii, was ilini vielen Knmmer inaelite. Da erbarmte
sich endlich Dschadschiii, der Kehcrrscher der (ITitter. seiner
lind brachte ihm. als Arzt verkleidet, vielerlei im Schnee-
gebirge gesammelte Arzneien, welche in ^lilch gekocht, von
den Gemahlinnen des KTtnigs genossen werden sollten. Die
Nebengemahliimen nahmen die Arznei, aber die Hanptge-
mahlin, welcher der Geruch der Arznei nnangenehm war nnd
welche keinen Glanben daran hatte, verschmähte sie. Bald
daranf fühlten sich die Nebengemalilinnen schwanger. Da
sich noch der Bodensatz der Arznei vorfand, so Hess ihn die
Hanptgemalilin schnell anfkochen nnd trank ihn, woranf auch
sie bald schw^anger wnrde. Die Xel»eugemahlinuen gebaren
nnn am Ende ihrer Monate jede einen | Sohn von grosser 1212
Schönheit, und endlich gebar anch die Hanptgemahlin einen
Sohn, aber von solcher Hässlichkeit, dass er Dongdnm (Holz-
klotz) genannt wurde. Als die Prinzen herangewachsen
waren, verheirateten sie sicli, nur Prinz Dongdnm inclit. Nach
einiger Zeit grift" ein benachbarter König das Reich an und
schlug die Brüder Dongdums mit ihrem Heer in die Fhudit,
da zog Dongdnm allein, nur mit der Trompete und dem
Bogen seines Grossvaters versehen, dem Feind entgegen nnd
sobald er in die Trompete blies, deren Ton donnergleich war,
Hob der Feind. Wegen dieses Sieges fassten der KTmig und
die Königin erst Zuneigung zu ihrem Sohn und beschlossen
auch ihn zu verheiraten. Der KTtnig Hess für ihn um die
schöne Tochter des Königs Lischiwatscha werben, wobei einer
seiner schönen Söhne für Dongdnm ausgegeben wnrde. Die
Werbung wurde angenommen, und die Braut feierlich von
dem Schwiegervater eingeholt. Prinz Dongdnm aber durfte
sich ihr nicht bei Tage zeigen, sondern nur die Nächte bei
ihr zubringen. Nach einiger Zeit unterhielt sich Dongdums
(Jemahlin mit ihren Schwägerinnen und rühmte die Tapfer-
keit und Stärke ihres Gemahls und die Zartheit seiner Haut.
Da erwiderten die Schwägerinnen, ihr Mann sei äusserst häss-
lich und einem Holzklotz gleich. In der folgenden Nacht
zündete Dongdums Gemahlin, als er eingeschlafen war, eine
52H "^^^i" ^liii'clienforsclumg.
Lampe an, und als sie nun seine Hässliclikeit sah, entsetzte
sie sich und Üoh auf der Stelle zurück in ihr Vaterland.
Als Prinz Dongdum dies am Morgen erfuhr, folgte er in ihr
Vaterland nach. Während er sich dort — wie es scheint,
incognito — aufhielt, kamen sechs Könige mit ihren Heeren,
1218 und jeder ver-jlangte die Tochter des Kfinigs Lischiwatscha
zur (lemahlin. König Lischiwatscha hielt Rat mit seinen
Ministern, und einer schlug vor, die Prinzessin in sechs Stücke
zu zerhauen und jedem der Könige eins zu geben, ein andrer
aber meinte, der König solle bekannt machen, wer die sechs
Könige besiege, solle die Hand der Prinzessin und die Hälfte
des Reichs erhalten. Lischiwatscha folgte dem letzteren Vor-
schlag. Als die öffentliche Bekanntmachung geschehen war,
zog Prinz Dongdum mit seinem Bogen und seiner Trompete
den sechs Königen entgegen. Beim blossen Klang der Bogen-
sehne und der Trompete waren die feindlichen Heere vor
Schreck gelähmt, worauf Dongdum den sechs Königen die
Köpfe abschnitt, ihre Heere aber in seine Dienste nahm. So
erhielt Dongdum KTmig Lischiwatschas Tochter zum zweiten
Mal zur (lemahlin und kehrte mit ihr in sein Land zurück.
Auf sein Befragen, warum sie ihn verlassen, erklärte sie, sie
habe es gethan, weil er so überaus hässlich sei, und sie ge-
glaubt habe, er sei kein Mensch. Der Prinz nahm einen
Spiegel, und als er seine Hässlickkeit gesehen hatte, ging er
in einen Hain und wollte sich töten. Da erschien ihm
Dschadschin. der Beherrscher der (iötter, und gab ihm einoi
Schönheit verleihenden Talisman, den er beständig an seinem
Scheitel tragen sollte. Als Dongdum in seinen Palast zurück-
gekehrt war, erkannte ihn natürlich seine (iemahlin nicht, er
bewies ihr aber, durch Ab- und Wi(b'ranlegen des Talismaus,
dass er wirklich Dongdum sei. und beide lebten nun in Ein-
tracht. Der Name Dongduni wurde aber in der -Folge in
Siilaschan (skr. Sulötschana?) verwandelt.
1214 Diese (leschichte des Prinzen L)ongdum er-, zählt im
Dsangluii Luddha dem König Sugtschan njiugpo, in dessen
Gegenwart er vorher sechs Irrlehrer besiegt hatte, und er-
klärt ihm, die sechs Irrlehrer seien früher jene sechs Könige
B!S. Öteele, Kusu J;itak;»ya. 527
und er selbst Prinz Dongdum gewesen. Auf die Frage des
Königs, dureli welche früher begangene Handlung Dongdum
so gross und mächtig und doch dabei so hässlich geworden
sei, antwortet Buddha, Dongdum und seine (iemahliii seien
in einem früheren Leben ein (»elmüller niul seine Frau ge-
wesen. Der Oelmüller habe einst einem an l'nterleibsbe-
schwerden leidenden und deshalb um < »el bittenden heiligen
Anachoreteu unter Schmähworten nur den Abfall von Gel
gegeben, die dazu gekommene Frau al)er habe dies wieder
gut gemacht, indem sie dem Heiligen gutes Oel gab und
auch in ihrem Manne Reue erweckte, sodass fortan der
Heilige das ihm nötige Oel von ihm erhielt. AVeil der Oel-
müller den Heiligen geschmäht und ihm den Abfall von Gel
gegeben, ward er als sehr hässlich wieder geboren, weil er
dies Benehmen aber alsbald bereut und gutes Oel geschenkt
hatte, ward er als Königssohn wiedergeboren, wie seine Frau
für ihre Outthat und Ehrfurcht gegen den Heiligen als Königs-
ttichter.
Da (las Kusa-dataka noch nicht herausgegeben oder
übersetzt, iidch auch nur auszugsweise Ijekannt gemacht ist,
so k(innen wir nicht be|iau[)ten, aber wir dürfen für walir-
scheinlich halten, dass der singhalesische Dichter an der Kr-
zählung selbst nichts oder wenig geändert haben wird. Wenn
die tibetische Erzählung auch aus dem Kusa-Jataka her-
stammt, so hätte letzteres (hinn freilicli im Tibetischen nicht
unbedeutende Veränderungen erfahren. Es ist aber wcdil
auch nniglich, dass das Kusa-Jataka | und die tibetische Er- 1215
Zählung unabhängig von einander aus einer gemeinsamen
Quelle geflossen sind.
S. 198 erzählt der englische Lebersetzer gelegentlich in
eim^r Anmerkung, der König Bhuw'aneka Bahn VH. von Ceylon
(1534 — 42) habe eine goldene Statue seines Adoptivsohns
mit einer Gesandtschaft nach Lissabon geschickt, um die
Hilfe der Poi-tugiesen zu erbitten, der Prinz sei in Lissal»on
in eftigie getauft worden, und die (iesandtschaft mit portu-
giesischen Hilfstruppen nach Ceylon zurückgekehrt. Wenn
dazu aber Herr Steele bemerkt : .The sending of the golden
^^S ^'^"' Märclienforscliung.
statiie t(» Europe may have siiggested one of the maiii iiicideuts
<if th'iM poem-, so irrt er ganz gewiss. Icli zweiHe kaum, dass
alles, was von der goldenen Statue in dem (iedicht erzählt
wird, sich sclion im Kusa-Jataka vorfindet; sollte dies aber
nicht der Fall sein, so wird Alagiyavanna aus andern älteren
Dichtungen geschöpft haben. [Bild einer gesuchten Braut in
Schiefner, Ind. Erz, Mel. asiat. 8, 303 = Ralston, Tibetan Tales
p. 191. j Sehr merkwürdig stimmt in Bezug auf die Statue
und was damit zusammenhängt mit uuserm Gedicht eine Er-
zählung übereiu, die uns bis jetzt nur in dem altfranzösichen
Dolopathos vorliegt, hoffentlich aber bald auch durch Oesterley
im lateinischen Original verliegen wird. Im Dolopathos (V.
10224 ff'.) lässt nämlich ein junger Römer, der keine Lust
zum Heiraten hat, um dem ewigen Zureden seiner Ver-
wandten und Freunde ein Ende zu machen, von einem Bild-
hauer ein sehr schönes Frauenbild verfertigen und erklärt,
nur diejenige zur Frau nehmen zu wollen, die dem Bilde
gleiche. Er stellte hierauf das Bild auf einem Pfeiler vor
seinem Hause auf. Eines Tages kamen Fremde vorbei, aber
als sie das Bild sahen, blieben sie stehen, verneigten sich
1216 vor 1 demselben und grüssten es ehrerbietig. Auf Befragen
des jungen Römers, der alles gesehen, erklärten die Fremden,
das Bild sei einer Dame in Griechenland, der sie für er-
wiesene Wohlthaten zu grossem Danke verpilichtet seien,
ganz ähnlich, und deshalb hätten sie es so ehrerbietig ge-
grüsst. Vielleicht hielten ursprünglich in einer älteren Fassung
dieser Erzählung die Fremden das Bild, durch dessen Na-
türlichkeit getäuscht, für die griechische Dame selbst und
grüssten es deshall).
Wie Herr Steele sagt, wird Alagiyavanna von seinen
Landleuten als einer ihrer ausgezeichnetsten Dichter auge-
sehen. Auch wir, die wir nur nach der üebersetzung ur-
teilen können, können nicht verkennen, dass wir einen Dichter
von Empfindung und Phantasie vor uns haben, der anschau-
lich und lebendig zu erzählen und glänzend und farbenreich
zu schildern versteht, freilich zuweilen aber auch breit und
schwülsti«-- wird.
38. Bteele, Kusa Jatakaya. 529
Die der Uebersetzuiii; nachfolgenden erlänternden Noten
(S. 193 — "231) werden vielen Lesern gleich dem Referenten
ganz willkommen sein, wenn sie ancli für den gründlichen
Kenner nichts Nenes bieten mögen. Zn zwei Stellen ver-
misst Referent eine erUuiternde Note. Wir lesen Str. 128 :
Thus w'hen that fair-eyeil ladv sore aft'liction's fire endured,
The fflory of her worth and grace erelong relief procured:
The king of Gods' cohl, roeky throne gkiwed bright with sudden
heat,
And red as redhot iron bhides, so hot becanie the seat.
129: 1217
As Sakra with his tliousand eyes gazed over every land,
The hapless Queen, witli lieart distraught, he saw dejected
stand, u. s. w.
Und später St. 528 :
By virtue of King Kusa's worth and high desert — the Lord
Who praotised ten high attributes, required of One adored,
And who, as Buddha, afterwards brought heavenly joy to nien —
Through his desert tlie rocky seat of Sakra gb)wed again.
529 :
Then Sakra, with his thousand eyes, his thousand eyes divine,
Looked fortli upon the world of nien with eountenance benign.
And saw the Lordly One worn-out with weariness and eare,
At not abtaining his behned, sweet Prabavati fair.
Der in diesen Strophen, die zngleich als Probe der eng-
lischen Uebersetzung dienen mögen, sich zeigende (ilaube,
dass der kalte Felsensitz des Götterkönigs Sakra oder Indra
plötzlich glühend heiss wird, wenn treftliche Menschen leiden,
hätte wohl eine Anmerknng verdient. In einer bnddhistischen
Legende, welche Fr. Spiegel in seinen Anecdota Palica 1.
13 ff. im Original und in üel)ersetzung bekannt gemacht
hat, findet sich folgende entsprechende Stelle (S. 44 f.)
[Bastian, Die Völker des östlichen Asien, 1. 434]: ,Als Kfiuig
Dhamraasodhaka, (der das (lesetz Buddhas sucht), sein schönes
Reich den Räten überlassen hatte, so ging er in den AVald
das vortreffliche Gesetz suchend. | In dem Augenblicke aber, 1218
als er in den Wald ging, zeigte sich durch die Büsserkraft
R. Kühler, Kl. Schriften I. 34
^30 ^^'^' ^liii'L'lienfüi'sc'himg.
des Erhabenen der Sitz Indras glühend. Da dachte der
Götterkünig: Wahrlieh mein Marmor.sitz ist heiss geworden,
was ist denn wohl die Ursache? Als der Götterkönig auf
die AVeit sah, erblickte er den grossen König Dhannnaso-
dhaka, der ganz Indien durchsucht und keinen Gesetzlehrer
gefunden hatte, in dem Zustande eines in den Wald ge-
gangenen^ Auch hier tritt nun Indra wie in den beiden
Stellen unsres Gedichts helfend ein. Spiegel bemerkt dazu
S. 67: .Bekanntlich nehmen die Brahmanen gleichfalls eine
Rückwirkung der starken Busse auf ludra an. Im Buddhis-
mus hat sich jedoch, wie man sieht, die Sache etwas anders
gestaltet".
Den ,Notes' hat Herr Steele noch drei wertvolle Zugaben
folgen lassen, zunächst S. 232 — 40 einige interessante Mit-
teilungen unter dem Titel ,Buddhistic and otlier remains in
Hambantota District'. Dieser District, in welchem der Verf.
Verwaltungsbeamter ist, liegt im südlichen Teile Ceylons.
Nach örtlicher Ueberlieferung war diese Gegend ehemals so
diclit bevölkert, dass ein Eiciihörnclien von einem Haustirsi
zum andern springend, ohne den Erdboden zu berühren, von
Mägama, der Hauptstadt des Districts, bis Anurädha})ara im
Norden der Insel gelangen koinite. Geradeso pflegte man
bei uns von einem grossen Walde zu sagen: das Eichhorn
springe Meilen lang über die Eichen fort. S. das (irimmsche
Wörterbuch H, Sl.
Die zweite Zugabe, S. 241 — 4(1, sind zwanzig in eng-
lische gereimte Verse verschiedener Art übersetzte sin-
ghalesisclie Epigramme, welche dem ,Pratyasataka' (Century
of Maxims), einer Anthologie aus verschiedenen Dichtern,
1219 eütnom-|men sind. ,When, or by wbom' — sagt Herr Steele —
,tl]is anthology was compiled, is not known. It bears evidence
of borrowing from tlie Hitopadesa'.
Die dritte Zugabe endlich, S. 247 — r)7, bilden vierzehn
,Siiilial('se Stories^, von denen leider nicht gesagt ist,
ob sie Büchern oder mündlicher Ueberlieferung entnommen
sind. Die erste Geschichte How to restore speech
to a dumb' (S. 247) ist eine Variante des Märchens von
aS. SttH'lc, Kusa Jatakaya. 531
der sclnveigsaiiu'ii Xaniii-Dnkiiii iiiid von der lebendig ge-
wordenen liölzernen Frau im mongolischen Ards(dii-nordschi
(S. 9U der Üehersetzung von Jülg). — Die zweite (Jescliichte
•Tlie Pandit and tlie She-Fieud- (S. "248), sclnm in den
, Notes' (S. '21 -S) etwas kürzer aus den datakas erzählt, hat
folgenden Inhalt. Eine Yakinni (d. i. eine hexenartige,
menschenfressende Frau, vgl. auch A. Webers Indische Skizzen
S. 111) hat einer badenden Frau ihr Kind geraubt, wird
aber von der Mutter eingeholt, und beide begeben sich zn
lUiddha, der damals gerade als ein Pgrosser andit auf P^rden
weilte, und jede der Frauen erhebt Ansprüche auf das Kind
als auf das ihre. Buddha, der die Yakinni gleich an ihren
roten und nicht zwinkernden Augen erkennt, zieht eine Linie
auf dem Boden und stellt die Yakinni auf die eine, die
Mutter auf die andere Seite. Dann muss die erstere das
Kind an den Beinen, die letztere es an den Armen fassen,
und beide sollen nun so das Kind über die Linie zu sich zu
ziehen siudien. uml diejenige, der dies zuerst gelingt, soll
als die Mutter anerkannt werden. Die wirkliche Mutter wird
dann daran erkannt, dass sie dem Kinde durch das Ansich-
reissen Schmerz und Schaden anzuthun fürchtet. [Benfey,
Ein Teil des mongol. Ardschi-B. und Stücke des Pantschat.
in Singhalesischen — (iött. Nachrichten 1873, S. 404 — 407
= Kleinere Schriften 3.2;)2]. — Diese (leschiclite, bei der \
natürlich jeder Leser, glei(,-h Herrn Steele (S. 218), sofort 122(]»
an das Urteil Salomos im ersten Buch der K(inige 3,
IC) fi". denkt, wird fast ganz übereinstimmend, aber kürzer
im tibetischen Dsanglun (S. 344 der Schmidtschen Ceber-
setzung) also erzählt: ,Es waren aber ausserdem noch zwei
AVeiber da, welche si(di um einen Knaben stritten, deren
Recht der König Dseipa (eine Verkörperung Buddhas) in
scharfsinniger Weise erkannte, indem er den beiden Weibern
l)efald: „Jede von euch beiden fasse (bis Kind an einer Hand
und ziehe es an sich ! Welche es bemeistert, die soll es (als
ihr eigenes) mitnehmen". Demgemäss zerrte diejenige, welche
nicht Mutter des Kindes war. dasselbe ohne Mitleid und ohne
Besorgnis ihm Schaden zuzufügen mit aller Gewalt an sich,
:!4*
532 ^ui' Märcheiifor«cliung.
wogegeu die wahre Mutter, obgleich sie stärker war, — (in
der singhalesischen Erzählung ist die Yakinni die stärkere)
— aus Liebe zum Kinde und um ihm nicht zu schaden, nur
schwach zog. Der König erkannte alsbald (die Wahrheit)
und sprach zu der Frau, die heftig gezogen hatte: „Es ist
nicht dein, sondern das Kind der andern: gestehe es ehrlich"!
worauf das Weib, welches sachte gezogen hatte, das Kind
als ihren Solm mitnahm'. — In einem andern tibetischen,
ebenfalls aus Indien stammenden Werke, im Vinaya (s. Ben-
feys Mitteilung im Ausland 1859, S. 487 [= Kl. Schriften
8, 169. S<diiefner, Mel. asiat. 8, 527] und in seinem Pantschat.
Bd. 2, S. 544) nimmt sicii ein Mann , der von seiner Frau
keine Kinder hatte, noch eine Frau, mit der er einen Sohn
zeugt, den sie aus Furcht vor der ersten Frau dieser schenkt.
Nach dem Tode des Mannes streiten beide Frauen um den
Sohn, da mit demselben der Besitz des Hauses verknüpft
1221 ist. Die kluge Vicäkhä heisst beide Frauen den | Knaben mit
aller Kraft an sich ziehen. Die wahre Mutter werde vor-
sichtig ziehen, um ilen Sohn nicht zu verletzen, auch sollte
man Anstalt machen, die unrechte Mutter, wenn sie zu stark
zöge, mit einer Gerte zu schlagen. — Das von Stanislas dulien
übersetzte chinesiehe gerichtliche Drama ,Huei-lan-ki' (Ge-
schichte des mit Kreide gezogenen Kreises) behandelt eben-
falls den Rechtsstreit einer Hauptgemahlin und einer Neben-
gemahlin um den Sohn der letzteren und hat seineu Titel
von dem Kreise den der Statthalter Pao-Tching, vor den zu-
letzt dnr Handel kommt, mit einem Stück Kreide auf dem
Boden ziehen liisst und in welchen er den Knaben hinein-
stellt, damit ihn dann beide Frauen gleichzeitig an sich zu
ziehen versuchen sollen. (Man s. über dieses Drama W. Schott
im Magazin für die Litteratur des Auslandes 1860, S. 201,
und Kleins Geschichte des Dramas 3, 460 ff.) -- Für sich
steht eine von Scdiott a. a. O. S. 431 aus einem chinesischen
Werke (iDie Lampe des Unstern Hauses') mitgeteilte Er-
zählung. Auch hier streiten Ehefrau und Kebsweib, indem
beide gleichzeitig geboren haben, erstere aber einen Sohn,
letztere eine Tochter, nnd das Kebsweib sich den Sohn unter-
38. Bteele, Ku^^a Jatakaya. 533
gesclioben hat. Die wahre Mutter wird liier daran erkannt,
dass sie, als scheinbar das Kind auf Befehl des Richters ins
Wasser geworfen wird, ihm nachspringt, um es zu retten. —
AVährend Benfey (Ausland 1859, S. 487 = Kl. Sehr. 3, 171
Pantschatantra 2, 544, Orient und Occid. 2, 17()j geneigt
ist, diis Salomonische Urteil ans Indien herzuleiten, sieht
A. Weber in seiner oben erwähnten Anzeige des Steeleschen
Buchs vielmehr in der indischen Erzählung ,eine weitere Spur
jener occidentalischen Einflüsse, an denen ja die Pali-Litteratur,
weil sie eben aus den j Volkskreiseu ges('höpft hat, glück- 1222
lieber Weise weit reicher ist als die wesentlich auf
priesterlichem Boden erwachsene brahmanische IJtteratur".
[Salomos urteil in Pegu : Douce, lllustrations of Shake-
speare p. 551. Pulle, ün progenitore indiano del Bertoldo
1888 p. 24 (Studi ed. dalla Univ. di Padova 3, no. 11).
Rhys David, Jataka p. XIV, XVI. North Ind. Notes and Queries
8, 175. 5, 209. Academy 1887, no. 79G. Gladwin,
Persian moonshee 1801 no. 1. Liguana, Pompei e le novelle
indiane (Actes du (>. congres des Orientalistes 3, 121. 1885).
Crane, Ital. pop. T. 38-2. Jacobs, Folklore Oongress Report
1891 p. 96.] — Wenden wir uns nun zu den übrigen sin-
ghalesischeu Erzählungen. The Tumpaua fool (S. 249).
Ein Einw^ohner von Tumpana — ,the peo[)le of wich are not
very bright or clever- -- findet unterwegs im Walde eine schöne
Quelle und läuft schnell nach Hause, um seine Nachbarn, die
an Wasser Mangel leiden, zu rufen, damit sie die Quelle
ausgraben und mit sich nehmen. Herr Steele bemerkt dazu:
,A story almost precisely the same is, Mr. Campbell of Islay
informs the writer. current in tlie Highlands, being told of
men of Assynt. (Andere Erzählungen von Narrenstreichen
der Einwohner von Assynt s. in J. F. rami)beirs Populär
Tales of the West Highhinds 2, 382 [oben 2G()]). — The golden
pumpkin (S. 250). Ein Mann gab einem Freunde einen
goldenen Kürbiss aufzuheben und erhielt einen messingnen
zurück. Das Gold, sagte der Freund, habe sich in Messing
verwandelt. Der Eigentümer des Kürbisses l)eruhigte sich
scheinbar bei dieser Erklärung, entführte aber nach einiger
534 ^^11' Märclienfurschung-.
Zeit den Knaben jenes Frenndes und brachte dem Vater an
seiner Stelle einen Aflfen zurück, indem er sagte, der Knabe
sei in einen Affen verwandelt worden, wie der goldene Kür-
biss in einen messingenen. Vgl. Pautseliat. 1, 21 und die
verschiedenen von Benfey §. 101 und Oesterley zu Kirch-
hofs Wcndunmut 1, 191 aufgezählten Bearbeitungen. [Holte
zu Val. Schumann no. 11; Frey S. "279.] Unsere singhale-
sische p]rzählung steht der Bearbeitung in der 3ten Nacht
des Papagaienbuchs Naclischebis (siehe W. Pertsch in der
Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft
1223 "21, 517, Iken S. 25, Rosen 1, (w) insofern be- \ sonders
nahe, als hier für die Söhne des Betrügers junge Bären sub-
stituirt werden, wälirend im Pantschatantra und sonst ein
Vogel den Knaben des Betrügers geraubt haben soll, —
The faithful mongoose (S. 250). Variaute zu Pantschat.
5, 2. S. dazu Benfey § 201 nebst Nachtrag in Bd. 2, S. 547
und Oesterley zu Pauli 257 und Kirchhof 7, 109. Steele er-
innert nur an die welsche Geschichte von Llewelyu und dem
treuen Hund Gelert. — The wity crane outwitted (S. 251).
Variante zu Pantschat. 1, 7. S. dazu Benfey § GO. Aus der
siamesischen Bearlieitung des Pantschatantra findet sich die
Fabel im Orient und Occident 3, 172. — The cobra and
the polanga (S. 252). Geschichte von dem Ursprung der
Feindschaft zwischen diesen beiden Schlangenarten. — Cutting
off one'snose to spite an enemy (S. 253). Einem Nase-
losen beim Antritt einer Reise zu begegnen gilt als böses
Omen. Ein Mann schnitt sieh deshalb die Nase ab, um einem
Feinde dies böse Omen zu bereiten. Daher die sprichwört-
liche Redensart, die als Ueberschrift gesetzt ist. ,To this
may perhaps be traced the origin of the common English
saying: Cutting oft' one's nose to spite one's face!' — The
braggarts (S. 253). Hübsche Variante zu Pantschat. 5, (5.
Vgl. auch die Fabel vom Fuchs mit seinem Sack voll
Listen und von der Katze. S. Iknfey Panschat. Bd. L S. 31()
und Oesterleys Romulus S. 94. [Benfey. Nachr. 1874, 407
= Kleinere Sehr. 3, 324. Wright, Latin stories no. 62.]
— The Queen and the jackal (S. 254). Vgl. Pantschat. 4,
38. Steolo, Kusa Jiitakaya. 535
8 und die 16. Nacht in Nachscliebis Papageienbiiche, s. Pertseli
a. a. 0. S. 525, Iken S. 54, Rosen 2, 4. — The rat and
the garandiya (S. 255). Ein Mann ting eine Schlange nnd
eine Ratte nnd steckte beide in ein Getass, iiber das er ein
siebenfach übereinander-|gefaltetesTnchfest ])and. Die Sehhinge 1224
wollte die Ratte fressen, aber diese stellte ihi* vor, sie würde
dann doch gefangen bleiben niul wahrscheinlich endlich Hnngers
sterben, sie möchte sie lieber am Leben lassen und auf ihrem
Kopfe in die Höhe heben, damit sie — die Ratte — das
Tuch durchnage. Die Schlange hob die Ratte hierauf in die
Höhe, und diese nagte auch die sieben I^agen des Tuches
durch, aber so, dass nur sie selbst hiudurchkonnte, die Schlange
aber gefangen blieb. [Benfey a. a. 0. S. 407: S. 255 The
rat and the garandiya hängt mit dem Abschnitt des ursprüng-
lichen Sa nscrit -Werkes über Politik zusammen, welches Pan-
tschat. 1, § 219, S. 514ft'. besprochen ist; darauf beruht auch die
kurze Fassung in Bliartriharis Nitigatakam Stroplie 2, 82.] —
The cranes, the cobra, and the mongoose (S. 255).
Vgl. Hitopadesa 4, 5 und Paiitschat. 1, 20. — How to outwit
a thief (S. 25(1). [Einige Aehnlichkeit bietet Sulzbach S. 98.]
Ein Mann, dem ein Kästchen mit Juwelen gestohlen war,
hatte einen bekannten Dieb in Verdacht, ohne ihn überfuhren
zu können. Der Richter, an den er sich wendete, sagte ihm,
er solle eine Zeit lang sich ruhig halten, dann aber Klage
erheben, als habe der Dieb einen weissen Ochsen, von dem
doch bekannt war, dass er dem Dieb wirklich gehörte, ihm
gestohlen. Der Bestohlene that dies, und als dann der Dieb
und der Bestohlene mit ihren beiderseitigen Zeugen des Ochsen
wegen vor Gericht verhandelten, schickte der Richter lieimlich
im Namen des Diebes einen Boten an dessen Frau, mit dem
Auftrage, die Frau möge ihm das gestohlene Juwelenkästcheu
schicken, um den Richter damit zu bestechen. Die Frau
ging in die Falle, und so kam der Diebstahl heraus. —
Cunning beats strength (S. 257). Wette zwischen Löwe
und Scliildkröte, ganz ähnlich dem bekannten Wettlauf zwischen
Hasen und Igel. S. Anm. zu Grimm KHM, Nr. 187, wo
auch noch hinzuzufüaen eine Betschuanen-Fabel von Stein-
536 2^^ Märchenforschung.
1225 bock und Schildkröte (Ausland 1S5S, S. 232) | und eine sia-
mesische von dem Vogel Phaya Karuth und der Schildkröte
(Orient und Occid. 3, 497). — Dies sind die von Herrn Steele
mitgeteilten singhalesischen Erzählungen, und er beschliesst
sie mit folgenden Worten: ,01dworld household stories are
very plentiful in Ceylon. The foregoing may be of interest as
showing liow rieh a field, one little harvested yet, lies open
to the gleaner. When it is remembered tliat, l)esides the
aboriginal wild race, the Veddahs, the Island is the home of
Sinhalesa, au Aryan race from the upper Valley of the Ganges,
of Tamils, of Moors, the deseendants of the ancient Arab
navigators who, as Sinbad avouches, voyaged offen to Serendib,
of Malays, not to mention Parsis, Chinese, Kaffirs from
Eastern Africa, Maldivians, Bengalis, and many others, men
of widely diverse descent and creeds, the abundance of, so
to speak, unwrought folk-lore will be readily recognised. It
is the writer"s hope, should the present venture meet with
favour and acceptance, to öfter a larger and more varied
selection to the reader hereafter'.
Wir hoft'en und wünschen, dass Herr Steele uns recht
bald mit dieser in Aussicht gestellten Sammlung erfreue.
Möge er aber ja nicht versäumen, bei jeder einzelnen Er-
zählung sorgfältig Auskunft zu geben, ob sie mündlicher
Uelterlieferung oder Büchern entnommen ist. Für jetzt scheiden
wir von ihm mit bestem Danke für den Genuss und die Be-
lehrung, die wir aus seinem — Dank dem Hrn. Verleger audi
äusserlich anmutenden — Buche geschöpft haben.
39. A. Schiefner, Awiirische Texte Nr. 1. 537
39. A. Schiefner, Awarische Texte.')
(Memoire« de rAcademie Imperiale des Sciences de St. Fetersbourg
7. Serie, Tome 19, no. (3, p. IV— XXVI. 1873.)
1. Das Meerross^).
Der Inhalt dieses Märchens lässt sieh in Knrzem so zu- iv
sammenfassen: Drei Königssöhne ziehen aus, um das von
ihrem Vater im Traum gesehene Meerross zu suchen; sie
kommen an drei Wege und einen Stein mit einer auf diese
AVege bezüglichen Inschrift, der jüngste schlägt den gefähr-
lichsten Weg ein: er kömmt in den Besitz des Meerrosses
und einer Tochter des Meereskönigs, auf der Heimfahrt trifft
er seine Brüder in Not und Elend als Brot- und Fleisch-
verkäufer und nimmt sie mit sich ; unterwegs veranstalten
sie aus Neid, dass er in einen Brunnen fällt, und kehren
allein zu ihrem Vater zurück; durch das ihnen entflohene
Meerross wird aber jener aus dem Brunnen herausgezogen.
Hierzu vergleiche man:
1. Den kirgisischen Büchergesang von Hämra und seinen
zwei Brüdern bei Radioff, Proben 3, 518—597. Die drei
Brüder ziehen ans, um die Nachtigall zu suchen, die ihr
Vater, der König Kusrau in Misir. im Traum gesehen hat
(S. 535). Sie kommen zu drei Wegen und einem mit der
Schrift (S. 540):
Wer den mittleren Weg- g'eht, kehrt heim.
Wer den untern Weg geht, der kehrt nicht heim.
Was auf dem oberen Wege geschieht, weiss Gott.
Die älteren Brüder schlagen den mittleren Weg ein,
Hämra den unteren. Mit Hilfe einer Peri Korluk erlangt
I
') [Anton Schiei'ner, geb. 1817 zu Reval, gest. IH. Nov. 1880. Vgl.
Wiedemann, Russ. Revue IH.]
-) Diejenigen Märciiensammlungen, die im 'd. Bande der Grimm-
schen Märchen und hinter meinen Anmerkungen zu Laura Gonzenbachs
Sicilianisehen Märchen verzeichnet sind, eitlere ich meist ganz kurz
nur mit dem Namen des Sammlers, neuere Sammlungen eitlere ich mit
ausführlicherem Titel.
538 Zur Märchenforsehung.
Hämra die Nachtigall (S. 565). Auf der Heimfahrt trifft er
in einem Wirtshause seine Brüder als Diener des Kochs (S.
58"2), bezahlt ihre Schulden (S. 584) und zieht mit ihnen
weiter. Unterwegs stechen sie ihm die Augen aus und werfen
ihn in einen Brunnen (S. 586). Die Nachtigall, die sie ihrem
Vater bringen, verkündet diesem nach einiger Zeit Hämras
(jeschick (S. 591). Mit den Klagen der Eltern um Hämra
schliesst das (iedicht, ist aber offenbar unvollständig, Wo-
zu hätte Hämras Geliebte Korluk ihm (S. 580) ein Büschel
Haare gegeben, das er im Fall der Not ergreifen und da-
durch sie herbeirufen sollte? In dem vollständigen Gedichte
A' hat Hämra ohne Zweifel die Peri her-|beigerufeu, ist von ihr
aus dem Brunnen gebracht und wieder sehend gemacht worden,
und hat, nach Hause zurückgekehrt, die verräterischen Brüder
entlarvt.
2. Das griechische M. Nr. 72 l)ei Hahn. Hier suchen
die Königssöhne für ihre neuerbaute Kirche die Nachtigall,
die an der Kanzel hängen und schlagen soll, wenn der Priester
das Evangelium liest. Sie kommen zu drei AVegen und einer
Säule mit der Inschrift:
Wer diesen Weg zieht, der kann davon komuien.
Wer jenen Weg zieht, der muss umkommen.
AVer den dritten W(-g zieht, der wird ganz gewiss nicht
wieder kommen ^).
Der jüngste schlägt den dritten Weg ein und erlangt
durcli den Rat einer dankbaren Viper die Nachtigall. Auf
der Rückfahrt befreit er seine in Elend geratenen Brüder.
Diese stürzen ihn in einen Brunnen und kehren mit der
Nachtigall zu ihrem Vater zurück. Kaufleute ziehen den
jüngsten Königssohn, durch sein treues, den Brunnen nicht
verlassendes Pferd aufmerksam oemarlit. wieder heraus.
') In einem andern griet-hischen M. (Hahn Xr. 70), welches übrigens
zu einem andern Kreis gehört, kommen drei Königssöhne zu drei Wegen
und drei Steinen mit folgenden Inschriften:
Wer diesen Weg geht, der kommt davon.
Wer diesen Weg geht, der kditunt vielleicht davon, vielleicht auch nicht.
Wer diesen Weg ueht, der kommt niciit davcm.
H9. A. Schiefner, Aw:u-isclu> Texte Xr. 1. 539
3. Grimm ^h^ 57, Wolf Haiism. S. -iSO, Ziugerle Sagen,
Märchen und Gebräuche aus Tirol .S. 446 = Kinder- und
Hausmärchen aus Tirol, "2. vermehrte Auflage Gera, 1870,
Nr. 49, Asbjörusen Nr. <S3, Waldau S. 131 = Chodzko S.
255, Glinski 1. 15, Vogl Volksmärchen der Russen Nr. 2,
Wolfs Zeitschrift 2, 889 (aus der Bukowina), Schott Nr. 26,
Ilaltrich Nr. 7. Radloft' 4, 146. [Campbell no. 46. Kennedy
p. 47. Cosquin no. 19 ,Le petit bossu'. Sebillot, Contes pop.
de la H. Bretagne 1, 1 und 3, no. 15 (entstellt); Litt. or. p. 56.
Carnoy, Romania 8, 234 no. 6 ; vgl. oben 110. Cerquand no. 101
(entstellt). Webster p, 182. Visentini no. 12 (Hexe statt
des Fuchses). Archivio 3, 233 (Fuchs = dankbarer Toter),
373. 551. Romero no. 10. Madsen p. 3. Germania 27, 104.
Friis no. 44 = Poestion, Lappl. M. no. 53. Wigström 1,
261 (Fuchs = dankbarer Toter). Brugman no. 6, 7. 8. Ralston
p. 286. Leger no. 19. Kremnitz no. IS. Riviere p. 231
(Alte statt des Fuchses). Lidzbarski S. 45.] Alle diese M.
sind verschiedene Versionen eines und dessHll)en M., welches
man „das M. von den drei K önigs söhnen, die nach dem
goldenen Vogel ausziehen, und von dem hilfreichen Fuchs
oder Wolf-' nennen kann. In fast allen diesen M. — nur
nicht in dem tatarischen bei Radiott" — üben die älteren
Brüder an dem glücklichen jüngsten auf der Heimfahrt Ver-
rat. Bei (irinim und bei Haltrich werfen sie ihn in einen
Brunnen, aus dem ihn der Fuchs mit seinem Schwänze wieder
herauszieht. In Wolfs Hausm. werfen sie ihn gebunden in
eine Löwengrube, aus der ihn der Bär — der hier die Stelle
des Fuchses oder Wolfs der übrigen ^I. versieht — rettet.
In dem norwegischen M. werfen sie ihn in einem Fass ins
Meer, und der Fuchs schleppt das Fass ans Land. In den
übrigen M. töten sie ihn, der Fuchs oder Wolf aber belebt
ihn wieder. Bei Grimm und Zingerle hat der jüngste vorher
erst seine verschuldeten Brüder vom Galgen losgekauft, bei
Haltrich hat er sie als Kellner und Stallknechte angetrott'en
und losgekauft. Die drei Wege und die Inschrift kommen
nur in dem polnischen, dem russischen und dem sibirisclien
M. vor. In dem polnischen M. kommen die drei Brüder zu
drei Wegen und einer Tafel, auf welcher steht:
540 ^ur Märchenforschung.
Kto pojedzie prosto,
Spotka sie z chtosta |
Yi Za grzech, ktory iiczyni;
Kto sie uda w prawo,
Ten zaplacze Izawo,
Bo przeciw bratu zawiiii ;
A kt(» w lewo pojedzie,
Bedzie nie w jednej biedze,
I z rak swoich braei zginie.
lu dem russischen M. kommen nicht alle drei Brüder,
sondern nur der jüngste zu drei Wegen und zu einem Pflock
mit der Inschrift:
Wer den Weg gerade aus zieht, wird hungrig und kalt werden;
Wer zur Rechten zieht, wird lebendig und gesund, aber sein
Pferd des Todes sein:
Wer zur Linken zieht, wird ermordet werden, aber sein
Pferd wird lebendig bleiben.
Der Prinz schlägt den Weg zur Rechten eiu.
In dem tatarischen M. kouimen die Kiinigssöhne zu drei
Wegen und einem Pfahl, auf wehheu geschrieben ist:
Der Mensch, der rechts geht, wird sehr reich werden;
Der Mensch, der auf dem mittleren AVege geht, wird ziemlich
reich werden;
Der Mensch, der links geht, wird nicht heimkehren.
Der jüngste geht links.
In dem M. der 1001 Nacht (Breslauer Uebersetzung,
Bd. 10) von dem Prinzen Hassan und dem grünen Vogel,
das auch hierher gehört, fehlen die beiden Brüder, aber drei
Wege und die Inschrift kommen auch hier vor. Hassan kommt
zu drei Wegen und einer Pyramide, auf deren drei Seiten
steht: „Weg der Glückseligkeit", „Weg der Reue", und „Wer
diesen Weg einschlägt, kehrt vermutlich nie wieder". Letzteren
schlägt der Prinz ein.
4, Das von Dietrich Nr. 1 und von V(»gl S. 119 über-
setzte russische M. vom Zarensohn Ljubim und dem be-
flügelten Wolf. In diesem M. ziehen die beiden altern Söhne
eines Zaren aus, um sich Frauen zu holen. Da sie nicht
39. A. SrlüefiKM-, A\varii<che Texte Nr. 1. 54I
zurückkehren und iiicht.s von sich hören hissen, sucht der
jüngste Sohn l.juhim sie auf. Kr kommt zu drei Wegeu
und einer Säule mit der Inschrift:
Wer auf die rechte Seite geht, der wird satt sein, aber
sein Ross wird hungern (gesättigt werden, aber sein i'ferd
wird verhungern — nach Vogl):
Wer gerade aus geht, der wird selbst Hunger leiden,
aber sein Ross wird satt sein (Vogl: selbst verhungern, aber
sein Pferd wird gesättigt werden):
Wer auf die linke Seite geht, der wird von dem ge-
flügelten Wolf getötet werden.
Ljubim zieht links und überwältigt den geflügelten
Wolf und gelangt mit dessen Hilfe in den Besitz des leben-
digen und toten Wassers und einer schönen Prinzessin. Er
findet seine Brüder erschlagen und belebt sie wieder. Aus
Neid hauen sie ihn in Stücke, aber der Wolf belebt ihn
wieder. |
5. Hahn Nr. 51: Drei Königssöhne suchen den von einem vii
Drakos ihrem Vater geraubten Zauberspiegel. Der jüngste
erlangt den Spiegel und eine schöne Jungfrau. Auf der
Rückfahrt trift't er seine Brüder unterwegs so herunterge-
kommen, dass der eine Ochsen, der andere Schweine hütet.
Er bezahlt ihre Schulden und nimmt sie mit sich, wird aber
von ihnen in einen Fluss gestürzt, aus dem er sich jedoch
wieder ans Land rettet.
(). Endlich vergleiche man die M. von drei Königs-
söhnen, die ich unten zu Nr. 10 beigebracht habe. Auch
in diesen M. üben die altern Brüder an dem jüngsten Verrat,
und zwar in den meisten, nachdem er sie eben erst durch
Bezahlung ihrer Schulden frei gemacht — in manchen vom
(Jalgen losgekauft — hat. In dem schwäbischen M. werfen
sie ihn in eine (Jrube, in dem ungarischen in einen Brunnen,
in den übrigen verfahren sie auf andere uns hier nicht weiter
angehende Weise.
Das sind die mir erinnerlichen M., die mit dem awa-
rischen M., in soweit wir dessen Inhalt oben zusammengefasst
haben, sich vergleichen lassen. Das awarische M. enthält aber
54"2 Zur Märcheni'orschung.
noch eine Episode von dem gefiiii denen (roldflaum und
von der Gewinnung der Tochter des Meerkönigs, von der
dieser Goldfiaum herrührt. Hierzu vergleiche man das wala-
chische M. Nr. 17 bei Schott. Hier findet Prinz Petrn eine
goldene Krone, nnd sein Pferd sagt zu ihm: „Wenn dn sie
nimmst, wird es dich reuen, nnd wenn du sie nicht nimmst,
wird es dich ebenfalls renen." Ein alter König verlangt dann
von Petru, dass er ihm die Besitzerin der gefundenen Krone,
die Prinzessin .luliana Kosseschana, schaffe. Petrn führt dies
ans, die Prinzessin will aber den alten König nicht eher
heiraten, als bis er sich in der Milch von wilden Stuten ge-
badet habe. Der Prinz muss diese Milch schatten, und der
König kommt in der heissen Milch nm. Dass das Bad den
König angeblich verjüngen soll, ist im walachischem M. ver-
gessen. [Vgl. oben S. 467 zn Jagic no. 58.]
Die Episode des awarischen M. nnd das w^alachische M.
gehören zu dem Märchenkreis von der goldhaarigen Jun g-
fran, die ein Jüngling einem alten König holen mnss, schliess-
lich al)er selbst zur (iemahlin erhält. S. darüber meine
Nachweise zu Gonzenbach Nr. 83, 2. [Zs. d. V. für Volks-
kunde (). 172.]
Wenn im awarischen nnd im walachischen M. das Ross
dem Helden anf seine Frage, ob er den Goldflaum oder die
Krone nehmen solle, antwortet, es werde ihm leid thnn oder
ihn renen, wenn er sie nehme und wenn er sie nicht nehme,
so vergleiche man das sonst nicht parallele neugriechische M.
Nr. 4 in dem ersten Hefte des ersten Bandes der NeoeXhjvixn
''AvdhxKi (Athen 1870)^), wo (S. 21) ein Jude ein Kästchen
feil l)ietet mit den Worten: „Wer es nimmt, wird es be-
reuen, und wer es nicht nimmt, wird es auch bereuen."
[Pio p. 9;^> = Misotakis S. 20. Oben S. 468 zu Jagic no. 58.]
Wenn am Schluss des awarischen M. das Mädchen ihre
Flechten abschneidet nnd daraus ein (iO Ellen langes Seil
windet, mit welchem das Ross seinen Herren aus dem Brunneu
\) Mau ündet eine Besprechung dieses Heftes von mir in den
Cröttingis<'lien gehdirten Anzeigen 1S71, Ötück 36 [= oben S. :^65|.
39. A. Si'hiefiier, Awarische Texte ^'r. 1 — 2. 543
zieht, so vergleiche man eine Stelle in dem Heklengesang von
Siuläi Märgäu l)ei Kadloff •_>, 627. [Sebillot ;3, no. 15, Rad-
\oü' 4, 397, Child 1, 401).J Hier will Südäi Märgäns Gemahlin
ihren Gemahl aiüs der (irnbe, in die | ihn seine Schwäger ge- viii
stürzt haben, heranszielien. Zuerst lässt sie seines Rosses
Schweif in die Grube hinab, aber er ist 3 Klafter zn kurz;
dann lässt sie ihr eignes Haar hinab, aber es ist 1 Klafter
zu kurz: endlich holt das Ross ein Mädchen herbei, dessen
Haar 100 Klafter lang ist. Das Haar erreicht den Südäi
Märgän. aber das Mädchen vermag ihn nicht heraufzuziehen.
Erst als das Haar an den Sehweif des Rosses gebunden ist
und alle drei ziehen, wird der Held aus der Grube gezogen.
2. Bährenohr.
Eine Version des M. von dem Jüngling, durch den
drei Königstöchter aus unterirdischer Haft befreit werden,
der selbst aber von seinen treulosen Brüdern oder Ge-
fährten unter der Erde gelassen wird, bald jedoch wieder
eni[)or gelaugt, die Verräter entlarvt u. s. w. S. meine An-
merkung zu Gouzenbach Nr. 58. |Zs. d. V. f. Yolksk. 6,
163.] Insbesondere vergleiche man die von mir im Jahrbuch
für roman. Litteratur 7, 25, Zeile 13 ff. [oben S. 293] zu-
sammengestellten M., zu denen noch hinzuzufügen sind: Cols-
horn Nr. 5, Schneller Nr. 39, Zingerle Kinder- und Haus-
märchen aus Tirol, 2. verm. Aufl., Nr. 10. [Cosquin no. 1
und 52, Sebillot Contes 2. no. 26; Litt. or. p. 81, Archivio 3,
537, Pitre, Nov. tose. no. 3. De Gubernatis, Florilegio p. 72,
Coelho no. 22, Braga no. 47, IJomero no. 19. Legrand p. 191.
Dozdn U(i. 5, 'O tv KoyoTavTtvojTO/.et eÄhjr. (fiXoXoy. ovAAoyo^
G, 3()3: 'O Finri'}]^ o Aiovjcjlo}]^. Oben S. 437 zu Jagi('* no. 42,
Brugman no. 16 mit Wollners Anm. Mijatovics p. 123 .Sir
Peppercorn,' Schulenburg, AVend. Yt. S. 30 (Kamp no. 1).|
In alleu diesen M. ist der Held von gewaltiger Stärke, aber
nur bei Colshorn und in dem wendischen M. ist er der Sohn
eines Bären, weshalb er in ersterem Peter Bär heisst. In
dem schwäbischen M. (BirUnger) heisst er Hans Bär, es ist
aber nicht gesagt, dass ein Bär sein Vater ist. In dem
544 ^"'' Märehenforschung.
Tiroler M. heisst er Bärenliaiisel, weil ihn eine Bärin gesäugt
hat ^). In den meisten M. sind die (iefährten des Helden
ebenfalls von besonderer Stärke: der Tannendreher und der
Felsenklipper (Grimm), der Baumdreher und der Steinzer-
reiber (Haltrich), einer, der Bäume umbricht, und einer, der
Bäume mit den Wipfeln zusammenbindet und dann auf ein-
mal umreisst (Haupt), der Steinspieler, der Eisenknüpfer und
der Baumdreher (Colshorn), ein baumausreissender Kohlen-
brenner und ein sieben Mühleu mit seinem Atem treibender
Müller (Zingerle), ein baumausreissender Riese und ein viele
Mühlen mit einer Handkurbel bewegender Riese (Schneller).
In dem auch zum Teil hierhergehörigen M. bei Schott Nr. 10
sind der Holzkrummmacher uiul der Steinreii>er die Ge-
fährten. [Comparetti no. 35, Miklosich no. 2, Schreck no. 3.J
Wie im awarischen M. der Baumschlepper und der eine
Mühle auf seinen Knieen drehende Mensch, als Bärenohr
ihnen begegnet und sie fragt, was sie für Kraftmensclien |
IX seien, ihm antworten, sie hätten keine Kraft, aber Bäreuohr
solle kräftig sein, — so sagen auch bei Colshorn der Stein-
spieler, der Eisenknüpfer und der Baumdrelier zu Peter Bär,
den sie nicht kennen, sie seien stark, aber Peter Bär sei
^) In einem russischen M., von dem ich nur den Anfang kenne
(mitgeteilt von W. Schott in Ernians Archiv 22, .090 und in den Monats-
berichten der Berliner Akademie 1866, S. 252), das aber vielleicht über-
liaupt hierher gehört, lebt die Frau eines Popen mit einem Landstreicher
im Wald und bringt — nach Hause zurückgekehrt — einen Knaben
zur Welt, der wie der Held des awarischen M. Bärenohren hat. Er
wäclist — was in russischen M. öfter vorkommt — nicht nacli Jahren,
sondern nach Stunden, wie der Held des awarischen M. ; nach Verlauf
eines Tages ist er, als sei er einen Monat alt, und nach Verlauf eines
Monats, als sei er ein Jahr alt. Man nannte ihn Iwaschko Biirenohr.
Vgl. auch den Hans Bär (Sohn einer Frau und eines Bären) bei
Strackerjan 2, 326, den Bärensohn (Sohn einer Frau und eines Bären)
bei Wuk Nr. 1 und das Bärenkind (Sohn eines Priesters und einer
Bärin) bei Hahn Nr. 75 [Miklosich no. 2 (Sohn eines Priesters und
einer Stute), Cerquand no. 81, Visentini no. 32 ,CTiovanni delT Orso',
Berntsen 1, no. 12 ,Björnöre'; 2, no. 3 ,Hans Björnson' (1, no. 30:
Königstochter, entstellt), Ungarische Revue 1887, 753. Rassmann, Dtsch.
Heldensage 1, 360—365].
39. A. Scliiefiior, Awarisohe Texte Nr. 2. 545
noch viel stärker. [Halm in». (i3, Syllogos. Pio p. 212 =
Misotakis S. 20, Mijatovies p. 123, Coellio no. 22, Berntsen 2,
110. 3.]
Wie im awarischen M. der laiigbärtige Zwerg auf einem
Hasen reitet, so auch in dem erwälmten M. bei Schott und
in dem slavonischen vom kleinen Kerza bei Vogl S. 211,
welches M. zum Teil hierher gehört. Im awarischeu M. ist
es ein lahmer Hase, im walachischeu ein halber, im slavo-
nischen einfach ein Hase.
Im awarischeu und im slavonischen M. (Vogl S. 215)
reisst der Hasenreiter den Baum, in dessen Spalt sein Bart
eingeklemmt ist, aus und entkommt so, den Baum mit sich
schleppend. Im litauischen M. (Schleicher S. 134) entkommt
der Zwerg, indem er sich den in den Baumspalt einge-
klemmten Bart mit der Wurzel ausreisst. [Miklosicli uo. 2.
Berntsen 1. no. 12. Rassmaun 1, 803.]
Von da an. wo die von Bärensolin befreite Jungfrau
von den Gefährten emporgezogen wird, stimmt das awarische
M. mit dem griechischen bei Hahn Xr. 70 sehr überein.
Wie im awarischeu Bärenohr in die Unterwelt fällt, weil er
trotz der AVarnung der Jungfrau statt auf den weissen auf
den schwarzen Hammel gesprungen ist, so sinkt im griechi-
schen der Held noch einmal so tief in die Unterwelt hinab,
weil er das schwarze Lamm statt des weissen gefangen hat.
In lieiden M. tötet der Held dann eine Schlange oder einen
Drachen, die eine Quelle hüten, und verlangt dafür als Be-
lohnung von dem uuterweltlichen König, in die Oberwelt ge-
bracht zu werden, worauf ihn der König zu einem Adlernest
weist. In beiden M. tötet hierauf der Held eine Schlange,
welche die jungen Adler fressen will, und wird dafür von
den alten Adlern auf die Oberwelt getragen. [Mijatovies.
Dozon. Comparetti no. 35.] Wie er im awarischen M. unter-
wegs dem ihn emportragenden Adler, der Fleisch verlaugt,
aus seiner eignen Lende Fleisch ausschneidet, so schneidet
er sich im griechischen ein Bein ab. In beiden M. bemerken
die Adler auf der Oberwelt, dass ihr Schützling hinkt, und
R. Kühler, Kl. Schriften I. 35
546 ^^'" Märohenforschiing.
speieQ, als sie die Ursaclie des Hinkens von ihm erfalireii,
dass Lendenstück oder das Bein wieder aus.
In Betreff dieses letzteren Zugs, dass der Held sicli selbst
Fleisch abschneidet, um den ihn emportragenden Adler
unterwegs zu füttern, und dass der Adler dies Fleisch dann
wieder ausspeit, verweise ich auf meine Anmerkung zu Gonzen-
bach Nr. 61. S. auch unten zu Nr. 8. [Zs. d. V. f. Volks-
kunde 6, 164, Brugman S. 556, De Gubernatis, Florilegio
p. 74, Comparetti no. 35, Corazzini no. 19.]
Wie im awarischen M. S. 14 Bärenohr zum König sagt:
„Wenn ich das nicht bringe, so ist der Säbel dein, der
Hals mein," so sagt in einem serbischen M. (Wuk Nr. 9)
eine Frau zum Kaiser: „Hier ist dein Schwert, und hier auch
mein Kopf" und in einem griechischen (NeoeUijvixd \-ird-
Xexxa 1, IS) ein Mädchen znm König: ,,Nd ro ojraßi oov rd
xl ö ImiiKK fif>r y.rn y.oy^e f(f." Aehnlicli ist es auch, wenn in
einem M. bei Steere, Swahili Tales, as told by natives of
Zanzibar, London 1870^), S. 205, 217, 281, Söhne zu dem
Sultan, ihrem Vater, sagen: „Du bist das Messer, ich bin das
Tier." [Paris und Vienne. Rosen. Bulgar. Volksdichtungen
S. 231: „Hier mein Haupt und dort dein Säbel." Prym-Socin
S. 252: „Hier ist mein Kopf und dort ist dein Schwert."
Radioff -1, 201: „Der Kopf ist mein, das Schwert ist euer."
Bio p. 131. 142. Zs. d. d. morgenl. Ges. 36, 245 (Märdin).]
X 3. Die Kart und Tschilbik.
Vgl. Gonzeubach Nr. 83, Imbriani La novellaja milanese,
Bologna 1872, Nr. 1 (= II Propugnatore, Vol. 3, P. 1, pag.
398 = Imbriani, Nov. fior. -p. 340: ,E1 Tredesin'), Hahn
Nr. 3, Luzel Contes bretons, Quimperle 1870, pag. 1, Widter-
Wolf Nr. 9. [Oben S. 306 und 414 zu no. 9, Zs. d. V. f.
Volksk. 6, 171, Luzel, Contes 2, 231, Carnoy, Litt, orale
p. 241 = Sebillot, Contes des prov. no. 9 (entstellt),
Archivio 3, 372, De Nino no. 30 (Tredecine), Visentini
') Man findet eine Besprechung dieser Märchen von niii' in den
Güttingischen gelehrten Anzeigen 1870, Stück 42 [oben S. 51 4J.
39. A. Scliieiiier, Awarisclie Texte Nr. 2—3. 547
no. -t ('Tredif'iiio), Neriicci no. 41 (OrluDdiiio), If/r/or 1, 099:
'O <Pi()oevTh'OQ^ Keviie de 1" hist. des reliy. K), <S5 (I^e Capitaiue
Treize), Vinsoii p. SO, Webster [>. Ki (Petit Perro(iuet) und 77
(Malbrouck; bes. p. 78. <s5j, Coellio im. '1\ (,loäo Pequeiiito),
Cüellio, Coiitos iiac. no. 16, ßriigiiian iiü. 5, Riviere p. 'J25. 281. |
lii dem sieilianischen M. übernachtet Caruseddu mit
seineu zwei älteru Brüdern bei einem Dragu (Meusclienfresser).
Der Dragu verschlingt seine eignen schlafenden Töchter, deren
Kopftücher Caruseddu sieb und seinen Brüdern umgebunden
und denen er die Mützen von sich und seinen Brü(kn-n auf-
gesetzt hat. Caruseddu tritt darauf mit seinen Brüdern bei
einem König in Dienst und muss auf Anstiften seiner nei-
dischen Brüder dem König (bis sprechende Pferd des Dragu,
dessen Bettdecke mit den goldenen Clöckchen und endlich
{[^n\ Dragu selbst herbeischaffen^).
In dem mailandischen M. übernachtet Tredesin mit
seinen 13 Söhnen bei einem Mago (MenschentVesser). Der
]\Iago tötet seine eigniMi Srdine, (Ui Tredesin ihre weissen
J\lützen mit den roten seiner STihne vertauscht hat. Ein
König, zu dem Tredesin hierauf kommt, fordert ihn auf, ihm
den Papagei des Mago, (Uinn dessen Bettdecke mit Glöckcben
und endlicli den Mago selbst zu bringen.
In dem einen griec bischen M. (Variante!) legt Skan-
dalös drei gohlene Aepfel von den Köpfen der drei Kinder
des Drakos über sich und seine (b'ei altern Brüder, und so
schlachtet die Drakäna ihre eignen Kindei'. Skandalös tritt
dann mit seinen Brüdern l)ei einem Kiinig in Dienst, schwän-
gert die Königstochter und muss deshall) dem König das
Flügelpferd des Drakos, dessen Bettdecke mit den Schellchen
und endlich den Drakos selbst bringen. p]ine andere Version
(Textmärchen) erzählt, dass der Schöne mehrere betrügerische
Streiche ausgeführt hat, und dass ihm deshalb der König be-
') In Gonzenbach Nr. 30 kommt auch vor, dass der Held des M.
auf Anstiften seiner Brüder dem König den Säbel des Menschenfressers,
bei dem er aber noch nicht gewesen war, und dann den Menschen-
fresser selbst bringen muss [Villemarque, Barzaz-Breiz 10, Merlin 3].
35*
548 2ur Märchenforschung.
fiehlt, das Flügelpferd des Drakos, bei dem der Schöne vor-
her noch nicht gewesen war, die Bettdecke desselben und
endlich ihn selbst zu bringen. In einem dritten griechischeu
M. (Variante 2) übernaclitet Zenjos mit seinen 11 Brüderu
beider Lamia. Zenjos vertauscht die Decken der 12 Töchter
der Lamia mit seiner Decke und denen seiner Brüder, und so
tötet die Lamia ilire Töchter. Hierauf treten die Brüder bei
einem König in Dienst, dem Zenjos auf Anstiften seiner nei-
dischen Brüder die leuchtende Bettdecke der Lamia, ihren
Hengst und endlich sie selbst bringen muss. In einem vierten
M. (Var. 3) übernachten 9 Brüder bei der Lamia, die eine
blaue Decke über iJire Töcliter und eine grüne über die
9 Brüder deckt. Zozos. tler jüngste der 9 Brüder, ver-
tauscht die Decken, und die fjamia tiitet ihre Töchter. Auf
Anstiften seiner Brüder muss dann Zozos dem König das
Pferd der Lamia, dann das in ihrem Besitz befindliche Ding,
welches aus Naclit Tag und aus Tag Nacht macht, endlich die
XI Lamia selbst | bringen, lu einem fünften M. endlich (Vari-
ante 4) übernachtet Kostanti mit seinen beiden illteru
Brüdern beim Drakos und stiehlt den Ring der Drakäua.
Nachher muss er auf Anstiften der Brüder die Diamantdecke
des Drakos, dessen Pferd und (ilocke und schliesslich dm
selbst dem König bringen.
In dem bretonischen M. übernachten Allanic und ein
Gefährte bei dem Riesen Goulaffre. Goulaffre tötet seine
beiden Töchter, deren Mützen Allanic mit seiner und seines
Gefährten Mütze vertanscht hat. Auf Anstiften seines Ge-
fährten muss Allanic den Halbmond und den goldenen Käfig,
welche Goulaft're dem König geraubt hatte, dem König wieder
holen und dann den Riesen selbst bringen. [Sebillot 1,
no. 19 ,La Perle' (entstellt).]
In dem venezianischen M. muss Tredesin, der jüngste
von 13 Brüdern, auf Anstiften einer boshaften Magd für
seinen Herrn die Decke, das Pferd und den redenden Vogel
des grossen Bären und endlich diesen selbst stehlen.
In allen diesen M. muss also der Held erst zwei oder
mehrere Gegenstände, die im Besitz eines dämonischen
39. A. Schiefiier, Awarische Texte Nr. 3. 549
Wesens sincU), dann das dämonische Wesen selbst 2) herbei-
schaffen, nnd zwar hat in fast allen M. der Held früher
einmal im Hause jenes dämonischen Wesens übernachtet nnd
durch Vertauschung der Lagerstatt oder der Decken oder der
Kopfbedeckungen oder goldener Aepfel veranlasst, dass jener
Unhold seine eigenen Kinder umbringt.
Es gibt nun aber auch M., in denen der Held oder die
Heldin einem dämonischen Wesen, bei dem sie früher einmal
übernachtet hatteu, und das durch sie, wie in obigen M.,
getäuscht seine eignen Kinder umgebracht hatte, mehrere
kostbare Gegenstände entwenden, nicht aber das dämonische
Wesen selbst herbeischaffen müssen. [Kamp no. 271. Bon-
deson, Sv. F. no. 3(). Berntsen 2, no. 14. Miklosich no. 9.
Folk-lore Journal 2, (SS. Krauss 1. no. SO. Jagic no. .')S ^ oben
8. 4()7. Kaiston p. US.]
In einem polnischen M. (Glii'iski 2, 5, ins Französische
ül)ersetzt von Chodzko S. 249) übernachtet Niezginek (d. h.
der Llnvernichtbare) mit 1 1 Brüdern bei der Baba Jaga,
deren 12 Töchter sie freien wollen. Niezginek verstellt die
Betten, in denen er und seine Brüder liegen, und die, in
denen die Töchter der Baba Jaga liegen, und so werden den
12 Mädchen von dem Znuberschwert der Hexe die Köpfe
abgeschnitten. Späterhin muss Niezginek auf Anstiften seiner
Brüder einem König die Gusla und das Zauberscliwert der
Baba Jaga holen [oben S. 40.")].
Ein tschechisches M. (Waldau S. 36S) stimmt bei aller
M feiner dieser Gegenstände ist in allen M. mit Ausnahme des
bretoniselien eine Bettdecke. — Wenn Tscliilbik, um die Bettdecke der
Kart zu stehlen, vom Dach aus mit einer langen Lanze die Kart mehr-
mals sticht, worauf die Kart die Decke hinauswirft, im Wahne, sie
stecke voll Flöhe, so ist nur das eine griechische M. (Var. 4) ähnlich,
wo der Drakos die Bettdecke vor das Fenster hängt, weil Kostanti durch
das Dach drei Schilfrohre voll Ungeziefer auf das Bett des Drakos ge-
schüttet hat [Miklosich no. 9].
-) In dem italienischen und dem einen griechischen M. legt das
dämonische Wesen sich in einen Sarg, in dem angeblich sein Feind be-
graben werden soll, um zu probieren, ob er gross genug sei, und wird
so gefangen [Gianandrea p. 32].
550 Zur Märchenforschuiig.
Verschiedenheit in der Ausführung im Grunde mit diesem
polnischen überein. Prinz Zalmir und seine Brüder über-
nachten bei einer Hexe. Zaiinir verstellt die Betten, und
XII die Hexe tütet deshalb ihre | 7 Töchter. Später muss Zalmir
auf Anstiften seiner Brüder von der Hexe einen gewissen
Vogel, einen Hund und ein Fass für einen König holen.
In einem gae lisch en M. (Campbell Nr. 17) übernachtet
Maol a Chliobain mit ihren beiden älteren Schwestern im
Hause eines Riesen. Nachts befiehlt der Riese seinem Burschen,
die Gäste zu töten, aber Maol liat ihre und der Riesentöchter
Halsbänder vertauscht, und so werden die Riesentöchter ge-
tötet. Später fordert ein Pachter (in einer Variante: ein
König) Maol auf, ihm des Riesen Kämme, sein Lichtschwert
und seinen Bock (in Varianten: seine sprechende Bettdecke
und seinen sprechenden goldenen Hahn und seine sprechende
silberne Henne, oder: sein Gold und Silber, ein Lichtschwert,
seinen Bock, seinen Schild und seinen Bogen und Köcher)
zu bringen [oben S. 1!).')].
Mit dem gaelischen M. stimmt ein irisches M. (P. Kennedy
The fireside stories of Ireland, Dublin 1870, S. 8). Hier ist
Hairy Ronchy, die jüngste von 3 Schwestern, die Heldin,
Die Gegenstände, die sie dem Riesen entwenden muss, sind
eine sprechende goldene Bettdecke, ein liichtschwert und ein
Bock mit goldnen Glocken um den Hals.
In einem schwedischen M. (aus Dybecks Runa mit-
geteilt in der Anmerkung zu Hylten-Cavallius und Stephens
Nr. 8, A) setzt Roll, der jüngste von 8 Brüdern, sich und
seinen Brüdern die Hauben der Rieseutöchter und diesen
die Knabenmützen auf, und so teilet der Riese seine Töchter.
Ein König fordert nachher Roll auf. ihm die goldene Decke,
die AVeilinaclitsgans und das über 7 Königreiche leuchtende
Holz des Riesen zu holen.
Auf Basiles Pentanierone 3, 7. Asbjörnsen Nr. 1, Hylten-
Cavallius Nr. 3, Grundtvig 1, 11)4. 205, [Kristensen 1, no. 18,
li). Djurklou ]). 1], Kreutzwald-Löwe Nr. 8 und auf das
englische M. von Jack und dem Bohnenstengel (Kletke
Märchensaiil 2, 158) gehe icli hier nicht näher ein. In allen
I
I
H9. A. Schiefiier, Awarisiche Texte Nr. 3—4. 551'
diesen M. entwendet der Held oder die Heldin einem dämo-
nischen Wesen mehrere kostbare Besitztümer, es kommt aber
darin weder vor, dass das dämonische Wesen, dnrch den
[leiden oder die Heldin getäuscht, seine eignen Kinder tütet,
noch dass das dämonische Wesen selbst lebend in die Gewalt
des Helden oder der Heldin gerät.
Viele der in dieser ganzen Anmerkung genannten M.
stimmen unter sich noch in besonderen Einzelheiten überein,
die ich aber au dieser Stelle hervorzuheben unterlasse, da
gerade im awarischeu M. diese Züge fehlen.
4. Der schwarze Nart.
In diesem M. sind zwei sonst einzeln vorkommende M.
verbunden, nemlich das von dem Sohne, der drei Näclite
auf dem (Irabe seines Vaters wacht und infolge davon
der Gemahl einer Königstochter wird, und das von den Tier-
schwägern.
Von dem ersten M. habe ich die mir bekannten Ver-
sionen zu Kreutzvvald-Löwe Nr. 13 zusammengestellt, die
man vergleiche. [Bartsch 1.492. Knoop S. 192 no. 4. Brug-
mann no. 4. Verhdl. der Berliner anthropol. Gesellseh.
1882, 268. 1888, 340.]
Von dem M. von den Tierschwägern linden sich Ver-
sionen bei J. A. Buchon La Grece continentale et la Moree,
Paris 1843, S. 267 [= Misotakis S. 152J, Hahn Nr. 25,
rionzenbach Nr. 29, | Knust Nr. 2, Basile Pentamerone 4, XIII
3 und in den Volksmärchen von Musäus (das M. „Die drei
Schwestern", s. Grimm 3, 325). [Oben S. 418 zu Jagic no. 16.
Zs. d. V. f. Volksk. 6,70 no. 29. Pitre, Fiabe no. 16: Novel-
line pop. tose. no. 1. 2. De Gubernatis, Florilegio p. 212.
Comparetti no. 20 = Crane p. 342 = Kaden S. 134. Fina-
more no. 23. De Nino no. 20 (statt der Tiere Veuto Maggiore,
Scirocco, Sole). Mai)ons y Labros 3. no. 27. Braga no. 8.
Romero no. 1. Coelho n(». 16. Mailäth 2,135. Brugman
no. 20. Ralston p. 85. 98. Verhdlgen der anthropol. (ies.
in Berlin 1882, 271 = Russische Revue 20,186. 23,158. —
Vgl. auch Cosquin no. 40. Wuk no. 4. Krauss 1, no. 35.
552 2^11' Märchenfoi'^chung.
79. 81.] Von diesen M. stimmt das von Biichon mitgeteilte
griechische am meisten mit dem awarischen überein. In diesem
griechischen M. befiehlt ein sterbender König seinen drei
Söhnen , nacli einander je eine Nacht anf seinem Grabe zu
beten und seine beiden Töchter den ersten, die um sie werben,
zu geben. Nachdem der älteste Sohn auf dem Grab gebetet,
kommt ein arm und elend aussehender Mensch und verlangt
die Hand der einen Schwester. Die beiden altern Brüder
wollen sie ihm nicht geben, aber der jüngste besteht auf
der Erfüllung des väterlichen Gebots. Nachdem der zweite
F^ruder jtuf dem (irab des Vaters gebetet, kommt ein noch
elenderer Mensch und verlangt die zweite Schwester, die er
auch erhält, obwohl die beiden älteren Brüder sie ihm nicht
geben wollen. In der dritten Nacht betet der jüngste Bruder
auf dem Grab des Vaters. In der Ferne sieht er einen hellen
Glanz, geht ihm nach und findet 40 Brachten, die einer in
einem hohen Turm eingeschlossenen Königstochter nachstellen.
Er tötet die Drachen und wird (iemahl der Königstochter.
Nach einiger Zeit entführt ein schwarzer Zauberer — dem
schwarzen Nart des awarischen M. entsprechend — die Neu-
vermählte, worauf der Prinz auszieht sie zu suchen. Unter-
wegs trifft er iu einem Schloss seine älteste Schwester als
Gemahlin des Königs der Vögel. Der König der Vögel lässt
alle Vögel zusammenkommen. Ein alter lahmer Adler, der
dem hinkenden Mausvogel des awarischen M. entspricht,
kennt den Wohnort des schwarzen Zauberers und bringt den
Königssohn dahin. Sie treffen die Gemahlin des Prinzen im
Garten des Schwarzen und entfliehen mit ihr, aber der Schwarze
holt sie auf seinem geflügelten Boss ein und haut den Prinzen
in 2 Stücke. Der Adler trägt die beiden Stücke zum König
der Vögel, der sie zusammenlegt und mit Unsterblichkeits-
wasser begiesst, so dass der Prinz wieder lebendig wird.
Der Prinz zieht weiter und tritt't in einem zweiten Schloss
seine zweite Schwester, als Gemahlin des Königs der Tiere.
Er erfährt von diesem Schwager, wie er ein dem Flügelross
des Schwarzen gleiches Boss erlangen kann. [Wuk no. 4].
Ein Berg bringt nemlich alle Jahr ein solches Boss zur
39. A. Scliiet'iicr, Awaiisclio Texte Nr. 4. 553
Welt, aber es ist sehr schwer dem Berg zu nahen und das
Ross zu bändigen. Der Prinz verschafft sich das Ross und
entführt damit seine (lemahlin glücklich dem Schwarzen.
in dem von Hahn mitgeteilten griechischen M. empfiehlt
ein sterbender König seinen drei Söhnen, darauf bedacht
zu sein, ihre Scliwesterji bald zu verheiraten und dann
selbst zu heiraten, dem jüngsten Sohn sagt er noch besonders
heimlich, er habe für ihn eine Elfin versteckt, die er
sich holen solle, wenn seine Schwester und Brüder ver-
heiratet seien. Nach dem Tode des Königs kommen Löwe,
Tiger und Adler und wollen die drei Schwestern. Die
altern Brüder weisen die Freier ab, aber der jüngste
gibt ihnen die Schwestern. Als später der jüngste Bruder
die verlorne Elfiu sucht, kommt er unterwegs zu seinen
Schwestern. Diese fragen erst ihre Männer, was sie anfangen
würden, wenn ihre Schwäger kämen, worauf sie antworten:
„Die altern würde ich in lauter kleine Kochstücke zerreissen,
den jüngeren auf die Augen küssen", [Jagic no. Ki. Pogat-
schnigg, Carinthia 18G5. 399 no. 5] — welche Erklärung der
im awarischen M. | („Die älteren würde ich an einen Brat- XIV
spiess stecken, dem jüngsten so viel ich mag Dienste leisten")
entspricht. Der Schwager Adhn- ruft alle Vögel zusammen,
und ein lahmer Habicht weiss, wo die Elfin weilt, und bringt
den Köinigssohn zu ihr.
In dem siciliauischen M. befiehlt ein sterbender König
seinem einzigen Sohn, er solle seine drei Schwestern denen
zu Frauen geben, die zuerst vorüber gehen würden, wenn
drei Nelkeuknospen aufgeblüht wären. Die Könige der Raben,
der wilden Tiere uml der Vögel gehen als junge vornehme
Männer vorüber und erhalten die drei Königstöchter. Als
später der Bruder die schöne Cardia sucht, kommt er unter-
wegs zu seinen drei Schwestern und gelangt schliesslich mit
Hilfe seiner Schwäger in den Besitz der schönen Cardia.
In dem von Knust aufgezeichneten italienischen M.
soll ein junger König nach dem letzten AVillen seines Vaters
seine drei Schwestern den ersten besten geben, die um sie
anhalten würden. Ein Kaminfeger, ein Kesselflicker und ein
554 ^i^'' Märrheniorsohung.
RegeDSchirmtrödler verlangen die Königstöchter und erhalten
sie. Der weitere Verlanf stimmt so ziemlich mit dem sici-
lianischen M. überein. Sclilechte üeberliefernng ist es, wenn
nnr der eine Schwager als König der Tiere, die andern nur
als seine Brüder bezeichnet werden.
In Basiles und Musäus M., die unter sicli sehr überein-
stimmen, ist der Bruder der drei Schwestern erst nach ihrer
Verheiratung mit den drei in Tiere ^) verwünschten Prinzen
geboren und zieht, als er herangewachsen ist, aus, um die
Schwestern aufzusuchen.
Wenn in dem awarischen M. die drei Brüder Pfeile
abschiessen, um da zu übernachten, wo diese eindringen
[Mailäth 2,135], so erinnert dies an M., in denen Königssöhne
Pfeile abschiessen, um da, wo sie hinfliegen, eine Gattin zu
suchen. Siehe Benfey Pantschat. 1, "261, Hahn Nr. G7,
[Ae/aiov 1,330], Woycicki S. 101, Beauvois S. 180 (fiunisches
M.). In einem russischen M. (Chavannes S. 107) schiessen
drei Zarensöhne auf Befehl ihrt'S Vaters Pfeile ab, und die
Mädchen, die die Pfeil(^ wiederbringen, sollen ihre Gattinneu
werden.
Ein sehr eigentümlicher Zug des awarischen M. ist es,
dass der Alte, zu deni die drei Brüder kommen, ihnen einen
Schlauch reicht, den sie, um gastliclie Aufnalime zu finden,
mit Lügen anfüllen sollen, und den die beiden altern
Brüder trotz Lügen und Blasen nicht zu füllen vermögen, in
den aber der jüngste die 18 Schlangenohren wirft. Die
Stelle ist in ihrem Zusammenliang nicht recht klar, jedenfalls
erinnert sie an das M. vom Hasenhüter, der einen Sack oder
mehrere Säcke (bei Asbjörnsen: eine grosse Brankufe) voll
Wahrheiten oder — bei Bechstein und Asbj(irnsen — voll
Lügen sagen soll. Siehe Ammenmärchen 1, 138, Wolf
Hausm. S. 142, Bechstein Nr. 37, Kuhn Westfäl. M. Nr. 7,
Etlar S. 130, Asbjörnsen Nr. 98, Wenzig S. ()5. [Krauss 1,
no. 40 (eine Mulde voll Worte sprechen): Deulin, Contes
dun buveur p. 173 (trois sacs de malices)].
M Bei Masilc: Falke, Hirsch, Deiidiin, bei Musäus: Bär, Adler,
Dclnliin.
39. A. Scliiefner, Awarische Texte Nr. 4. 555
Zu der Stelle des aAvariscIieu M.. wo die Jungfrau den
zerstiiekten Körper des »lüugliugs iu den Quersack und
auf sein Ross legt, welches ihn zu dem Nart trägt, der ihn
wieder belebt, vergleiche nuui Sakellarios Tri KimgiaHa 3,
173 (deutsch im Jahrb. für | roman. u. engl. Litteratur 11. XV
384), Halm Nr. 32, Variaute und Nr. Gö, Variante 1 und 2,
Wenzig S. 153, Ausland 1856, S. '21'2'2 (rumänisches M.),
Gonzenbach Nr. 20 und (w. [Miklosich no. 11. (13). Verhdl.
der Berliner anthropol. des. 1882, 271.]
Wenn der wiederbelebte Jüngling sich mit den Worten
erhebt „Ich war stark eingeschlafen!" und der Nart
erwidert „Du warst in einen unerweckbaren Schlaf versunken",
so vergleiche man Dietrich S. 10: Ach wie wir lange ge-
schlafen haben! — Ihr würdet noch lange schlafen, wenn
ich nicht wäre. S. 13: Ach wie lange ich geschlafen habe!
— Du hättest ewig geschlafen, wenn ich nicht wäre. [Vogl
S. 43. 131, 133. Ralston p. i)l.] Wenzig S. 153: Ach wie
lange hal)e ich geschlafen! — Du hättest in Ewigkeit ge-
schlafen, wenn ich dich nicht aufgeweckt hätte. [Waldau S.
22, 148.] Glii'iski 1, 33: Wie süss habe ich geschlafen! —
Du hättest in Ewigkeit geschlafen und Gottes Sonne nie mehr
gesehen, wenn ich dich nicht erweckt hätte. S. 14(1: Ach
wie süss habe icli geschlafen! — Du schliefst schon den
ewigen unerweckbaren Schlaf. 3.31: AVie süss habe ich ge-
schlafen! — Du hättest in Ewigkeit gescldafen. Salmelainen 1,
148 (von Schiefner im Bulletin 12, 385 angeführt) : Oho wie
lange habe ich geschlafen! — Noch länger hättest du ohne mich
geschlafen [Ermans Archiv 13, 585. Schreck S. 105. 127.]
Ahlquist Mordwinische Grammatik S. 102: Ach ich hal)e
lange geschlafen! — Wenn wir dich nicht gefunden liätten,
würdest du für immer geschlafen liaben. Wolfs Z. für d.
Mythol. 2, 398 (M. aus der Bukowina): Ach ich habe lange
lange geschlafen! — Du hast nicht geschlafen, sondern deine
Brüder hatten dich getötet. Diese Beispiele möge genügen,
lii manchem M. kömmt nur der Ausruf des vom Tod Er-
weckten vor, z. B. Wolf D. M. n. S. S. 140: So fest haben
wir noch nie geschlafen! Hahn Nr. 32. Var. : Ei wie lange
556 2^11' ^liii't'lieiiforscliung'.
habe ich geschlafen! Nr. 69: Ach wie fest haben wir ge-
schhifen und wie leicht sind wir aufgewacht! Gonzenbach
Nr. 40: Ach wie lange habe ich geschlafen! Radioff 3, 830:
Ach ich habe fest geschlafen! 4, 97: AVir haben lange ge-
schlafen! Chodzkü bemerkt zu der oben angeführten zweiten
Stelle aus Glinski : „Oh! qne j'ai bien dormi! C'est mot pour
mot ce (jue disent souveut les heros Indiens au moment oii
ils ressuscitent. Voyez la legende de Savitri." Man ver-
gleiche auch Marie de France Lai d'Eliduc V. 1066: Dens,
tant ai dormi. [Dazu Köhlers Anmerkungen 1885 S. CVIII
Miklosich no. 10: „Mutter, tief habe ich geschlafen". Halm
"J, 274. Schleicher S. 59. Oben S. 387 zu Meyer no. 4. Jones
A: Kropf p. 58. 113. Brugman S. 400: ,Ach wie hal) ich gut
geschlafen!'- , Schau nur, wo du dich schlafen gelegt hast und
wo du jetzt aufgestanden bist!' — Ebd. S. 428. 436. Wollner,
Volksepik der Grossrussen 1879, S. 136: .Habe ich aber jetzt
lang geschlafen!" Rumänisch im Mag. f. d. Lit. des Ausl.
1877, 518: ,Ach ich habe doch lange geschlafen!' ,Du würdest
in alle Ewigkeit geschlafen haben' . . . Kremnitz S. 211.
Pio p. <S0. Mdurier p. 31: , Malheur ä moi! Comme j'ai
longtemps dormi!' Prym-Socin S. 65: ,Ah, wer hat mich aus
diesem langen Schlafe aufgeweckt?' Schiefner, Kalewala S.
80 f. Stokes, Ind. F. T. p. 83. Luzel, Contes bret. p. 31:
.Que j'ai donc bien dormi!' ,Oui, et si bien dormi (|ue, saus
mio et mon onguent, vous ne vous seriez jamais reveille'.
Ebd. p. 79. Luzel, Revue celt. 4, 43.S. Sebillot 2, 117. 3,
33: ,Ah, jai dormi bien longtemps'. Visentini p. 45: ,Dio
mio, ((uanto lio dormito'. Giamb. Basile 4, 20 b. Pitre, Fiabe
2, 135; Nov. pop. tose. p. 63. Keller, Erzählungen aus alt-
deutscheu Hss. 1855 S. 375, 23: ,AVie ist mir! Wie habeich
also lange geslafen!'
5. Ohai.
Eine Version des weit verbreiteten M. von dem Zauberer
und seinem Lehrling oder Diener. Vgl. die von mir in
der Revue celtitpie 1, 132 (unter III = oben S. 138) zusammen-
gestellten M., zu denen noch De-Gubernatis Le novelline di
39. A. 8cliiofncr, Awarisclie Texte Nr. 4 .">. 557
Santo Stefano, Toi-iiio LSIil). no. -ilP) und Hadloff 4, 157 hin-
zuzufügen sind. [Haltricli - uo. 14. Ve(4<.enste(lt S. 255. 257.
Kristensen 2, no. 4. Bondeson no. (!. Ein Soge-Buiidel S. 74.
Krauss 2, no. lOi). Mijatovies p. 2(H). 215. Brugman S. 597.
De Gubernatis, Florilegio p. 207 (Erlenwein). Pitre, Otto
Habe no. 4; Fiabe no. 52. Comparetti no. <))). Pellizzari
1, 111. De Nino no. '']b. Visentini no. <S. Braga no. !). 10.
Coellio no. 15. J^hior 1, H21. Dozon no. Ki. Spitta no. 1.
Langle, Le grillon p. <Si). Vgl. Cliild 2, 401 f.]
Dem Eingang des awarischen M., wonach der nacldierige
Zauberlehrling durch seinen Vater die Tochter des Kiinigs
zur Frau verlangt und der König erklärt, er solle sie er-
halten, wemi bei ihm eine grössere Kunstfertigkeit als bei
einem andern Menschen gefunden j werde, ist nur der Eingang XVI
des M. aus S. Stefano ähnlich, wo ebenfalls der Jüngling die
Hand der Königstochter verlangt und die Königstochter selbst
ihm erwidert: Se tu fai uu rairacolo piu hello di (juesto, io
ti sposo. [Mijatovics p. 215.]
Wenn im awarischen M. der Vater des -lünglings sich
ermüdet auf einen Hügel setzt und „Ohai'' ruft, worauf ein
Mann erscheint und fragt, warum er ihn gerufen habe, so
kommt in den parallelen M. [ausser Ralston p. 22(S; Comparetti
no. G3 (Bene mio) JeXTior 1, 321 (14/, äkoTl] dieser Zug zwar
nicht vor, wohl aber in übrigens nicht verwandten M. Bei
Gonzenbach Nr. 23 erscheint einem Greis, der vor Müdigkeit
„Ohime'' senfzt, der Ohime, und Nr. 15 erscheint bei dem-
selben Ausruf der König Stieglitz. Bei Hahn Nr. 73 und
110 erscheint auf den Ruf „Ach" ein Mohr, [Zs. d. V. f.
Volksk. (3, 6S.]
Wie in dem awarischen M. der Zauberlehrling nach dem
Rate der Tochter des Zauberers nach jeder Lehre dem Zauberer
sagt, er verstehe sie nicht, nnd deshalb endlich vom Zauberer
fortgeschickt wird, so antwairtet in dem parallelen serbischen
M. der Lehrjunge des Teufels auf den Rat eines alten Weibes
*) Ich habe diese Sammlung in den Gröttinger gelehrten Anzeigen
1870, St. 32 besprochen [= oben S. 344].
558 ^^^^' ^läfolionforsolunig.
dem Teufel immer, er liabe noch nichts gelernt, und wird
deshalb auch endlich vom Teufel fortgeschickt. In dem
parallelen griechischen M. lernt der Jüngling auf den Rat
einer Jungfrau das ganze Zauberbuch auswendig, stellt sich
aber vor dem Dämon, als lerne er nichts.
6. Hnkutschi Chan.
Eine Variante des berühmten M. vom gestiefelten
Kater. Zu [den von mir von Gonzenbach Nr. 65 nachge-
wiesenen Fassungen^) dieses M. sind ausser diesem awarischen
noch hinzuzufügen: NeoekXiiny.a 'AvdÄexTa, Tonog Ä, (PvAlähiOr
A\ no. 3 [töjlioi; B, p. 66 no. '25], Imbriani La novcllaja
fiorentina, Napoli 1871, Nr. 8. [= 2. ediz. 1877 no. 10],
Radioff Proben 4, 358, Steere Swahili Tales, S. 13. [Oben
S. 416 zu Jagic no. 12. Zs. d. V. f. Volksk. 6, 165. Pitre
no. 88 = Crane p. 347. Pitre, Nov. pop. tose. no. 12.
Finamore no. 46. De Nino no. 53. Corazzini no. 13. Revue
des langues rom. 3, 31)6. Bergh 3, lU. Krauss 1, no. 24. 25.
Paasoueu, Journal de la soc. finuo-ougr. 12, 138. Lerch 1,
83. Polivka, Archiv f. slav. Phil. 19, 248 no. <s. (loldschmidt
S. los. Riviere p. !)!). Knowles p. 186. [.al Behari Day
no. 18.]
Dass ein Fuchs die Hauptrolle spielt, iiat (Uis awarische
M. mit den russischen, dem bulgarischen, den sibirischen, dem
finnischen, dem griechischen und dem sicilianischen überein:
in der einen norwegischen Variante (aus Solöer) und in zwei
schwedischen (aus üpland und Westgothland) ist es ein Hund,
in dem Suaheli M. ein Gazelle, sonst überall eine Katze.
Das Leihen des Masses zum Geldmessen und das
Steckenlassen eines Geldstückes kommt ausser im awarischen
M. auch in den russischen, in dem einen sibirischen (Radloft" 4.
351»), im finnischen, im griecliischen und im florentinischen
vor; in dem andern sibirischen M. (Radioff 1, 272) ist eine
Wage an die Stelle des Maasses getreten. Das Sichtot-
^) Schalte daselbst S. 242, Z. H> v. u. ein „Cliiuljakows riissiselie
M. Lief. 3 Nr. 98: Stepan Bogatij" und lies Z. 13 v. u. „den russisclien"
(statt: dem r.) und Z. 2 v. u. „der russischen" (statt: des v.)
H9. A. Sfliiofncf, A\v;irisclie Texte >{r'. (i — 7. 55'.'
stellen des Fuelises oder des eutspreclieiideii Tiers kommt
ausser im awarischeii M. aucli im biilgarisclieii. im siciliaiiisclieii,
im iieapolitanisclieii, im üoreutiiiischeii, im wclsc^litiroler und
im Sualieli-M. vor. [De Nino. Revue des 1. roni.]
7. Der schwarze Fuchs. XVII
Vgl. Haltrich Nr. 3S (von W. Grimm in die 7. AuH. der
KHM als Nr. IUI aufgenommen), Hahn Nr. 61, Schott Nr. IH.
[Oben S. 4:07 zu -lagic no. 1. Sv. Landsmälen 5, 1, 55 (Zs.
f. d. Phil. -22, 113). Mourier no. 6. Mag. f. d. Litt, des In-
u. Ausl. 1884, 374 (Fisch, Hirsch, Adler, Schakal), elxl. 2G7
(Jonas. Fisch)].
In dem siebenbürgische n M. sind ein Rabe, ein Fisch
und ein Fuchs die dankbaren Tiere, und zwar sind sie
dankbar, weil der Jüngling nicht auf sie geschossen, und dem
Fuchs auch noch einen Dorn aus dem Fnss gezogen hat.
Der Rabe steckt den Jüngling in eins seiner Eier, der Fisch
verschluckt ihn, der Fuchs verwandelt sich in einen Krämer
und (ieu .lüugling in ein Meerhaschen, welches die Königs-
tochter dem Krämer abkauft und welches ihr unter den
Zopf kriecht.
In dem griechischen M. sind die dankbaren Tiere ein
Fisch, ein Adler und ein Fuchs. Den Fisch hat der Jüngling
auf dem Saude gefunden und ins Meer gewälzt, den Fuchs
hat er nicht erscliossen, den Adler hat er sich ganz auf die-
selbe AVeise wie der Held des awarischen M. verpflichtet.
Er erhält vou den Tieren eine Schuppe, ein Haar und eine
Feder, um sie im Fall der Not zu verbrennen. Der Fisch
nimmt dann den Jüngling in seinen Rachen, die Adler tragen
ihn bis zum Himmel hinauf, der Fuchs gräbt eine Höhle bis
unter den Sitz der Prinzessin, in die der Jüngling schlüpft.
Im walachischen M. sind die drei Helfer ein Adler,
dem der Scbweinehirt den lahmen Flügel verbunden hat, ein
Fisch, den er vom Sand ins Wasser geworfen, und der Wald-
geist, dem er seine Not klagt. Der Adler trägt ihn über die
Wolken empor, der Fisch steckt ihn unter seine Schuppen
und taucht bis auf den Meeresgrund, der Waldgeist ver-
5(30 Zur Märelienfor.^L'liung.
wandelt iliii iii eine Rose und steckt sie der Kaisevtocliter
ins Haar.
Wenn im awarischen M. der Jüngling zum Fuchs sagt:
„Wohlan denn! zerreisse heute den Sack deiner Kunstgriffe'-',
so liegt hier eine Anspielung auf die — bisher allerdings,
soviel ich weiss, noch nicht im Orient nachgewiesene — Fabel
vom Fuchs mit dem Sack voll Listen zu Grunde. S.
Grimm Reinhart Fuchs S. CLXXXVIII, 363. 42i>, KHM. Nr. 75
nebst Anmerkung. Robert Fahles inedites 2, "227, Oosterley
Romulus S. 94. [Hahn no.91 (Fuchs und Igel). Krauss 1, no. 13
(Fuchs und Igel). Radioff 1, 215 (Fuchs und Kranich).
Oben S. 408 zu Jagic no. 2. Voigt, Ysengrimus S. 138.]
8. Balai und Boti.
Von da an. wo der Königssohn auszieht, um zu erfahren,
was zwischen Balai und Boti vorgegangen ist. vergleiche man
die von Garcin de Tassy in der Revue Orientale et americaine
4, 1 — 130 übersetzte und darnach von Liebrecht im Orient
und Occident 2, 91 ff. auszugsweise mitgeteilte, aus dem
Persischen stammende hindustanische Erzählung und das vom
Freiherrn von Haxthausen, Transkaukasia 1, 320 — 327, nach
mündlicher üeberlieferung erzählte persische M. (wiederholt
in Benfeys Pautschat. 1, 445 ff'.).
In der hindustanischen Erzählung giebt die Königstochter
XYIII ihren Freiern die Frage auf: | „Was hat Gül (Rose) dem
Sanaubar (Cypresse) gethan?'' und wir erfahren dann, dass
Sanaubar ein König und Gül seine Gemahlin ist. In dem
persischen M. fragt die Königstochter: „Was hat die Senoba
dem Gül, und was hat Gül der Senoba gethan?'-' Hier ist
Gül ein Knecht Salomons und Senoba Güls Weib.
Wie im awarischen M. der Königssohn von einem Adler
zu Baiais Burg getragen wird, so wird in der hindustanischen
Erzählung Almas von dem Vogel Simorg in das Land Sanaubars
getragen, und zwar tragen in beiden Erzählungen die Vögel
den Königssohn aus Dankbarkeit dafür, dass er eine
Schlange getötet hat. die die Jungen der Vögel fressen
39. A. Schiefiier, Awarische Texte Nr. 7—8. 561
wollte ^). In dem pcisischeu M. gelaugt der Held zu Fuss iu
Salomous Garten.
Ganz eigeutümlicli dem awari.sclieu M. ist die Wunscii-
peitsehe des Balai, und dass Balai seiner Erzählung wieder-
holt refraiuartig die AVorte „AVenn er zurückkehrt, werde ich
dem Freunde einen Pfeil nachsenden" einschaltet und dann
wirklich dem Königssohu einen Pfeil nachsendet.
Das Alittel. welches Balai anwendet, um sich wach zu
halten, nämlich dass er sich in den Daumen sclmeidet und
Salz darein streut, wendet zwar Sanaubar in der liindusta-
nischen Erzählung nicht an; allein in einem andern hindusta-
nischen Roman, nämlich in dem unten S. XIX erwähnten
Roman von Taj-ulmuluk und Bakawali, schneidet Taj-ulmuluk
unter fast gleichen Umständen sich iu einen Finger und streut
Salz darein (S. 93 der Uebersetzung G<ircin de Tassys.)
[Stokes, Ind. F. F. p. 174. Brugman S. 8ß4. 525: Dornen.]
Zu dem im Eingang des awarischen M. vorkommendeTi
Ringkampf, in welchem die Krmigstochter ihre Freier dadurch
besiegt, dass sie ihren Busen entblösst. vergleiche man ein
Märchen in 1001 Nacht (Bresiauer Uebers. J5. 2 1(5. J. Scott
Tales etc. 1, 159), wo eine Prinzessin, die nur den. der sie
im Zweikampf zu Pferde besiegt, heiraten will, einen Prinzen,
M Eben deshalb tragen bei Radlott' 4, 32 die alten Züziilü -Vögel
und daselbst S. 117 die Adler-Mutter den Helden über ein grosses Meer.
[Stokes, Ind. F. T. p. 182. 288, ». Cosquin zu jio. 52]. Bei Frere Nr. 1
tragen die jungen vor der Schlange geretteten Adler selbst den Helden
in eine ferne Gregend. In Nr. 2 unserer awarischen M., in dem in der
Anmerkung dazu angeführten griechischen M., bei Haltrich Nr. 17, bei
Yogi Slavou. Yolksni. S. 110, bei Kadloff 3, 317 tötet der Held in der
unterirdischen Welt eine Schlange oder einen Drachen, welche die
Jungen von Adlern oder andern grossen Vögeln fressen wollen, bei
Gaal M. der Magyaren S. 101 beschützt er die Eier eines Greifen vor
dem Hagel, bei Yernaleken Nr. 54 füttert er blos junge Adler, und
deshalb wird in allen diesen M. der Held von den alten Yögeln zur
Oberwelt emporgetragen. In Nr. 7 unserer awarischen M. und in dem
in der Anmerkung verglichenen griechischen M. tötet ein Jüngling
ebenfalls eine Schlange, die junge Adler fressen will, und wird deshalb
später von den alten Adlern in die Lüfte emporgetragen, damit ihn die
Königstochter nicht finden soll.
R. Köhler, Kl. Schriften I. 36
^Q2 Zur Märchenforschung.
der nahe daran ist, sie zu besiegen, endlich doch dadurcli be-
siegt, dass sie sich plötzlich entschleiert.
9. Bruder und Schwester.
Vgl. Hahn Nr. 6d, wo aber der Bruder schliesslich die
Schwester, die eine Strigla ist, tödtet. [JeATior 1, 809.
Mijatovics p. "256. Ralstouip. 170; Academy 18S3, June p. 4:50c
(ossetisch). Seidlitz, Ausland 18S3 no. 8, 5 (Karatschai).]
XIX 10. Das Mädchen, das König war.
Vgl. Grimm Nr. 97, Wolf HM. S. 54, Meier Nr. 5, Sim-
rock Nr. 47, Vernaleken Nr. 52 und 53, Zingerle 2, 225,
Pröhle KM Nr. 29, (sehr entstellt), Schleicher S. 26, Toppen
S. 154, Etlar S. 1, Hylten-Cavallius Nr. 9, Campbell Nr. 9,
Gonzenbach Nr. (M und das ungarische M. aus Merenyis
Sammlung bei E. Teza I tre capelli del nonno Satutto, Bo-
logna 18()(). S. 21. [Oben S. 422 zu Jagic no. 27. Zs. d.
V. f. Volksk. ('). 1()5. Brugman S. 532 zu no. S. Vecken-
stedt S, 75. 79. 211. Philo vom Walde S. 71. Knoop no.
13. 15. Bergh, Sogur S. 28: Nye Folke-eventyr S. 20.
(Soge-Bundel S. 35). Berntsen 1, no. 1 (gehört teilweise zu
Schiefner no. 3). Sv. Landsmälen 5, 1. 67. Kristensen 1,
no. 24 (Prinsessen i Arabien) und 25 (Prins Karl); vgl. 2,
110. 18. Finamore no. 29. Nerucci no. 46. Comparetti
no. 37. Ivdiuero p. 91 (entstellt). Kremnitz no. 20. | Alle
diese M. sind Varianten eines und desselben M., welches
man bezeichnen kann als „das M.* von den drei Königs-
sölinen. die nach einem Heilmittel für ihren Vater
ausziehiMi, und von der schönen .Jungfrau (Königstochter,
Fee), mit web-her der jüngste der Königssöhne, während sie
im Schlaf liegt, der Liebe pllegt." Das M. findet sich auch
als dänisches und schwedisches Volksbuch von dem König
von F^ngland und seinen drei Söhnen Artus. Karl und Wil-
helm — auch handschriftlicli isländisch — , s. Nyerup Almindelig
Morskabsläsning S. 227, Bäckströin Svenska Folkböcker 2,
Oefversigt S. 7, Hylten-Cavallius och Stephens Svenska Folk-
Sagor och Aefventyr S. 151 und 166. Dem hindustanischen
39. A. Sehiefner, Awarische ^laichen Xr. 9—11. 5(53
von (Jarciii de Tassy übersetzten Roman „Taj-ulmuluk und
F.akavvali" von Nilial Cli;in(U) liegt das M. ehenfalls zu
(irunde. Auch die Erzäliluug der 1001 Nacht (Breslauer
Uebersetzung, Bd. 11, 185) von Aladin. dein Solin des Sultans
von Jemen, und seinen zwei ßrüdern gehört hierher. [Cos(|uin
1. 217 zu no. 19.]
Das awarische M. hat vieles Eigentümliche.
Wie im awarischen M. der König zu dem ältesten Sohn
sagt: „Zu der Stelle, zn welcher du gelangt bist, bin auch
ich in der Jugend gelangt, bevor die ans Feuer gestellten
Mehlklösse gar wurden", und zu dem zweiten: ,,Zu der Stelle,
zu welcher du gelangt bist, bin auch ich in der Jugend ge-
langt, bevor man eine Pfeife ausrauchen konnte", so sagt
ähnlich bei Schott Nr. 17 ein König zu seinen beiden ältesten
Söhnen: „Wenn ihr. um in jene Stadt zu gelangen, ein ganzes
Jahr gebraucht habt, so könnt ihr n(M li nicht heiraten: denn
ich ritt in einem hall)en Tag cUihiu".
11. Held Xasnai.
Vgl. die Erzäldung in des Martin Montanus Wegkürzer,
Strassburg 1557, Bl. 18 — 25 (wiederholt in der ersten Aus-
gabe des (iriminschen KHM. Nr. 20, 1 = „Sieben auf einen
Streich geschlagen!") [Niederdeutsches Jahrbuch 20. 185]
(irimm KHM.. 2. und fidgende Aufl.. Nr. 20 (Sieben auf
einen Streicli!"), Zingerle 2, 12 („Schneider Freudenreich
schlägt siel)en auf einen Streich!") und 108 („Sieben auf
einen Streich!"), Schönwertii 2, 280 („Sieben auf einen Schlag.
wer I maclit es mir nach?"), Sutermeister Kinder- und Haus- XX
märchen aus der Schweiz. 2. vermehrte Aufl.. Aarau 1S73,
Nr. 80 („Sibe tödt in eim Streich ohni Zorn!"), das von
(iriinm KHM. 3, 31 zum Teil abgedruckte holländische Volks-
buch viin Klein Kobisje („Ick heet Kol)isjen den oiiversagden,
ick sla der seven met eeneii Slagir'), das M. aus der Buko-
*) La doctrine de l'amour ou Taj-ulniuluk et Bakawali, ronian de
Philosophie religieiise, par Xihal Chand de Delhi, traduit de l'Hindoustani
par M. Garcin de Tassy. Paris 1858 (Sonderabdruck a>is der Revue
d'Orient von 1858.)
36*
5ß4 ^^^^' ^li'fchenforschung.
wiua in Wolfs Zeitselir. 2, 203 („Sieben Seelen auf einmal!"),
Pröhle KM Nr. 47 („Ich habe neun im Unzorn erschlagen!"),
Vonbuu Sagen Voralbergs Nr. 70 („Zehn unter einem Streich er-
schlagen"), das dänische Volksbuch, über welches Nyerup Almin-
delig Morskabsläsning S. 241 kurze Nachricht giebt (der Schuster-
gesell tödtet hier 15 Fliegen auf einen Sclilag), Kuhn mär-
kische M. Nr. 11 („Rechts zwölfe, links elfe!" steht auf den
beiden Seiten des Hirschfängers des Schneiders), Birlinger 1,
356 („Vier und zwanzig auf einen Schlag!"), Grimm KHM.
erste Ausg. Nr. 20, 2, („Neun und zwanzig auf einen Streich !"),
Meier Nr. 37 („Ich habe ohne Zorn dreissig totgeschlagen
auf einen Streich!"), Hahn Nr. 23 („Mit einem Schlage habe
icii vierzig getötet!"), Gaal-Stier Nr. 11 („Ich bin der, der
liundert auf einen Streich todtgeschlagen hat!"). Schneller
Nr. 53 und 54 („Htuis der Starke, welcher hundert und
darüber erschlagen hat! — „Der starke Hans, welcher mit
einem Streich sieben verwundet und hundert erschlagen hat!"),
Gonzenbach Nr. 41 („500 Todtc und 300 Verwundete"),
Imbriani La novellaja milanese, Bologna 1872, S. 25, 2(i, 27
und 42 = II Propugnatore, Vol. 3, P. 2, Pg. 200, 201, 202
und 499 („lo sono il ca])0 gnerriero delle mosche, ([uattro-
eento n'ho ammazate e Cinquecento n'lio fcrite!" — „(Jon una
mano ne masso cin(|uecento". — „Cent i ho mazzaa e cent i
ho de mnzzä." — „Giovanni Vedino nlia nuizzaa cincent in
d'on colp sol: eont pusee ghen fuss sta;!, cont i)usee ne
averia mazzaa.") [Cosquin no. 8. Köhler, Zs. d. V. f. Volksk.
(), IC) zu Gonzenbach no. 41. Bartsch 1, 501 no. 14 (Fünfzig
auf einmal). Hansen, Zts. f. schlesw. -holst. Gesch. 7, 225
no. 5 (24 Mann). Pogatschnigg, Carinthia 18()5. 356 no. 4
(99). Schuleuburg S. 23 (7 Mann). Veckenstedt S. 214.
Krauss 1, no. 94 (50). Goldschmidt S. 130 no. 15. Chavannes
S. 123. Naake p. 22. Miklosich no. 3 (100 Seelen). Im-
briani, Nov. fior. no. 45. De Nino no. 43 (200—365).
Gianainlrea no. 7 (Giuanni Ben forte, che a cinque cento diede
lamortej. Hibl.delastrad. esp. 1, 121 (Meta-siete-de-un-trompon).
Braga no. 79 (sete de una vez). Romero no. 18 (Jorio Gura-
39. A. Scliiefner, Awarische Märchen Nr. 11 — 12. 565
mete che de um golpe meton sete). Sv. Laiidsm. 1884, A,
S. 26 (7).]
In allen die.sen M., mit Ausnahme des M. aus der Ober-
pfalz, erschlägt der Held des M. — meist ein Schneider
oder ein Schuster — eine Anzahl Fliegen und bringt dann
eine darauf bezügliche Inschrift an seinem Hute dder sonst
wo an oder rühmt sich auch nur mündlich der That. Die
betreffenden AVorte sind jedem der M. in Parenthese mit
Gänsefüsschen beigefügt, nur nicht dem dänischen, da Nyerup
sie nicht angiebt. In dem M. aus der Oberpfalz tötet der
Schneider selbst keine Fliegen, er findet nur ein rotes Band
mit der Inschrift „Sieben auf einen Schlag, wer macht es
mir nach?" und bindet es sich um.
Fast alle M. sind auch im weiteren Verlauf dem awa-
rischen ähnlich, insofern der Fliegentödter scheinbar Proben
von grosser Stärke und Tapferkeit ablegt, und zwar gegen
wilde Tiere, Kiesen und feindliche Heere, wie Held Nasnai
gegen den Drachen, die drei Narten und das ungläubige Heer
siegreich ist.
Wie im awarischen M. die drei Narten unter dem Baum,
auf welchen Nasnai geflohen ist, in Streit geraten und sich
selbst erschlagen, so auch die drei Riesen [bei Schulenburg]
im AYegkürzer und im holländischen Volksbuch, aber während
die drei Narten darüber streiten, ob Nasnai zu fürchten sei,
geraten die drei Riesen dadurch in Streit, dass der im Baum
über ihnen | sitzende Schneider Steine auf sie wirft und sie XXI
dadurch aus dem Schlaf erweckt, und sie sich nun gegenseitig
beschuldigen geworfen zu haben.
12. Die schöne Jesensiilchar.
Vgl. das M. von den beiden neidischen Schwestern in
1001 Nacht, Hahn Nr. 69, NeoeXX^iviyA \4vdhxTa 1,1, Nr. 4,
Straparola 4, 3, Imbriani La novellaja fiorentina, Napoli 1871,
Nr. 6 und e^iis, Gonzenbach Nr. 5, De-Gubernatis Nr. 16,
Schneller Nr. 26, F. Maspons y Labros Lo Rondallayre,
quentos populars catalans, Barcelona 1871, Nr. 14, (S. 60)
und Nr. 25 (S. 107), Gaal S. 390, Pröhle KM Nr. 3, Wolf HM
56ß Zur Märchenforsclumg.
S. 16S, Veriialeken Nr. 34 = Peter 2, 195), Zingerle 2, 11-2
uud 157, Meier Nr. 72, Frominaun, Die deutschen Mund-
arten 4, 2G8, Grimm Nr. 96. [Köhler, Melusine 1, 213 =
oben S. 143, zu Jagic no. 25 = oben S. 422, zu Blade 1,
66 = oben S. 118, Zs. d. V. f. Volksk. 6, (50, uo. 5, Cosquin
zu no. 17, Prato, Quattro novelline pop. no. 2, Finamore no. 39,
Caballero p. 71, Dozon no. 2, Kristensen 1, no. 23, Ausland
188, 747, Lal Beliary Day no. li), Riviere p. 71, Socin, Zs.
d. dtsch. morgenl. Ges. 36, 259 (Zelt := Himmel, Teppich =
Erde, gold- und silberlockiger Sohn), Spitta no. IL]
AVeim im Eingang des awarisclieu M. der König drei
Schwestern belauscht, von deiieu die eine sagt: „Wenn der
König mich zur Frau ]iähme, würde ich aus einer Wollflocke
so viel Tuch weben, dass man damit das ganze Heer bekleiden
könnte," die zweite: ,.lcli würde mit einem Maass Mehl das
ganze Heer sättigen," die dritte: „Ich würde dem König einen
Sohn mit Perlenzähnen und eine Tochter mit goldenen l^ockeu
gebären" [vgl. Prato 1880 p. 9S und Zs. d. Y. für Volksk. 5,
377], — so stimmt von den oben genannten M. am meisten
das sicilianisclie, wo der König hört, wie drei Schwestern beim
Spinnen sich unterhalten und die eine sagt: „Wenn ich den
Königssoll n zum Manne bekäme, so wollte ich mit vier Gran
Brot ein ganzes Regiment sättigen (Variante: mit einem Stück
Tuch die ganze Armee bekleiden), und es sollte noch übrig
bleiben." die zweite: „Ich wollte mit einem Glas Wein einem
ganzen Regiment zu trinken geben, und es sollte noch übrig
bleiben," die dritte: „Ich wollte ihm zwei Kinder gebären,
einen Knaben mit einem goldenen Apfel in der Hand und
ein Mädchen mit einem goldenen Stern auf der Stirn." Bei
Pröhle sagt das eine Hirtenmädchen beim Vorübergehen vor
dem Königsschloss: „Wenn mich der König zur Frau nähme,
ich w(jllte allen Soldaten neue Hemden geben," die zweite
Schwester: „Ich w(dlte ihnen .lacken und Hosen geben," die
dritte: „Ich brächte ihm drei Kinder zur Welt mit goldenen
Kreuzen auf der Stirn." Bei Zingerle 2, 158 sagt die eine
von den drei Töchtern eines Bauern, bei dem ein Ritter über-
nachtet: „Wenn ich einen so sch(inen IMuiui bekiime, müssten
39. A. Schiefiier, Awarisolie Märchen Nr. 12. 567
meine Kinder werden wie Milch und Blut," die zweite: „Meine
Kinder müssten lieblicher aussehen als Schnee und Wein," die
jüngste: „Ich müsste Kinder kriegen so schön wie weiss' und
rote Rosen, und ihre Haare müssten sein wie von pnrem
Golde!" Bei Straparola hört ein Höfling, wie die eine von
drei BäckerstTtehtern sagt: „Se io havessi il maestro di casa
del re per mio marito, mi dö (|uesto vanto, che io con un
bicchiero di vino satiarei tutta la sua corte," die zweite:
„E i(i mi do questa lode che se io havessi il secretissimo
(uxraeriere del re per marito, farei tanta tela con un fuso del
mio, che di bellissime e sottilissime camiscie fornirei tutta la
sua Corte," die dritte: „Ed io mi lodo di questo, che se io
havessi il re per mio | marito, gli farei tre hgliuoli in un XXII
medesimo parto, due machi e una femina, e ciascuno de loro
haverebbe i capelli giü per le spalle annodati e mischi coa
finissimo oro e una collana al colle e una Stella in fronte."
Bei Imbriani Nr. (! hört der Koch des Königs drei Schwestern
sich unterhalten, die eine sagt: „Se Sua Maestä mi desse per
moglie al suo scudiero, (pianto sarebbon meglio le cose!" —
die andere: „Oh me, se mi desse al suo maestro di casa,
quanto gli andrebbon meglio le cose!" — die jüngste: „Oh,
se Sua Maestä mi sposassi, io gli farei tre figii: due maschi
ed una femmina; i maschi di latte e sangue e i capelli d'oro,
e la femmina di latte e sangue e i capelli d'oro e una Stella
in fronte." In dem M. der 1001 Nacht sagt die eine der
drei vom Sultan belauschten Schwestern: „Ich wünsche mir
den Bäcker des Sultans zum Mann, ich wollte mich recht satt
essen in dem Sultans-Brot," die zweite: „Ich wünschte die
Frau des Oberkochs des Sultans zu sein, da würde ich leckere
(ierichte essen," die jüngste: „Ich wünsche die Gemahlin des
Sultans zu sein, ich würde ihm einen Sohn schenken mit
goldenen Haaren auf der einen und silbernen auf der andern
Seite, dessen Tliränen, wenn er weinte, als Perlen aus seinen
Augen fielen und dessen Lippen, wenn er lachte, einer Rosen-
knospe glichen." Bei Hahn Nr. ()9 (aus Syra) belauscht der
Königssohn drei Schwestern, die eine sagt: „Ich wollte, ich
hätte den Koch des Königs zum Mann, um von allen guten
5ß3 Zur Märehenforschung.
Sachen seiner Tafel zu essen," die zweite: „Ich wollte lieber
seinen Schatzmeister, damit ich Geld vollauf hätte," die
jüngste: „Wenn ich den Sohn des Königs zum Mann hätte,
so würde ich ihm drei Kinder gebären, Sonne, Mond und
Morgenstern." [Vgl. Pitre 1, 330.] In der Variante aus Epirus
sagt die eine Schwester: „Ich wollte, ich sässe an der könig-
lichen Tafel, wie sollte es mir da schmecken!' — die zweite:
„Ich wollte, ich wäre in dem königlichen Schatze, wie viel
Geld wollte ich da holen!" — die dritte: „Ich wollte, ich
hätte den Königssohn zum Mann, denn ich würde ihm dann
ein Knäbchen und ein Mädchen gebären, so schön wie der
Morgenstern und Abendstern" (Variante aus lüuböa: „Ich
wollte ihm drei goldne Kinder gebären"). In dem M. in den
NeoEkhjvtxä" ÄvdlexTa sagt die eine Schwester: „Ich wollte,
ich hätte den oijuitC^ des Königs, damit ich sein Backwerk
recht heiss essen könnte," die zweite: „Ich wollte, ich hätte
den Koch des Königs, damit ich von allen Speisen des Königs
essen könnte", die jüngste: „Ich wollte, ich hätte den König,
damit ich alles Schöne liätte, ich würde ihm auch drei Kinder
gebären, Sonne, Mond und Stern." Bei Gaal S. 390 wünscht
die eine der vom König belauschten Bäckertöchter den Leib-
kutscher des Königs, die zweite den Jäger des Königs, die
dritte sagt, sie wünsche den König selbst und werde ihm drei
Kinder gebären, jedes mit einem Stern auf der Stirn und mit
goldeuen Haaren. Bei De-Gubernatis Nr. 16 sagt die älteste
von drei Försterstöchtern: „lo sposerei volentieri il cuoco
del re," die zweite: „E io il palafreniere," die dritte: „Ed
io il re, e, s" ei mi pigliasse, gli farei ad un parto due iigli
ed una figlia, con una Stella sul fronte e con capelli d'oro."
Einer der Gendarmen, die auf Befehl des Königs die Gespräche
der Leute in ihren Häusern behorchen müssen, meldet dies
dem König. In dem einen katalonischeu M. (S. 107) sagt
eine von drei Schwestern, als gerade der Königssohn vorbei
XXIII geht: „Wenn ich mich verheiratete, | würden meine Kinder
einen Stern auf der Stirn bekommen." In dem M. aus der
Grafschaft Mark in Frommanns Deutschen Mundarten hört
ein König, wie ein Mädchen zu andern sagt: „Wenn mich
39. A. Schiefner, Awarische Märchen Xr. 12. 569
der König nähme, so würden wir Zwillinge bekommen, einen
Jnngen mit einem goldenen Stern anf der ßrust nnd ein
Mädchen mit einer goldnen Kette um den Hals." Bei
Schneller ISr. 26 und Grimm Nr. 96 sprechen die Mädchen
nur Wünsche, aber keins eine Verheissung aus. Bei Schneller
wünscht die eine der vom König belauschten Schwestern den
Mundbäcker des Königs znm Mann, die zweite den Koch, die
dritte den Königssohn. Bei Grimm hüten drei Schwestern
ihre Kühe, und als der König mit Gefolge vorüber znr Jagd
zieht, weist die älteste auf den König und ruft den Schwestern
zu: „Wenn ich den nicht kriege, so will ich keinen!" Die
beiden andern weisen auf die beiden Minister, die auf beiden
Seiten des Königs gehen, nnd rufen die nämlichen Worte.
Ausserdem vergleiche man zu dem Eingang des awa-
rischen M. auch noch:
1. Bechstein Deutsches Märclienbiich, Leipzig 1845, S. '250
(Der Knabe mit den goldenen Sternlein). Hier belauscht
ein Graf drei Mädchen, von denen die eine sagt, wenn der
Graf sie zum Weib nähme, so wollte sie ihm die leckersten
Speisen kochen, die zweite, sie wollte ihn und seine Kinder
recht gut warten und pflegen, die dritte, sie wollte ihm zwei
Knaben mit goldnen Sternlein auf der Brust gebären.
2. Folgende unter einander parallele M.: Glinski 2, 46
[Godiu S. 1(35, Schreck no. 11], Ermans Archiv 13, 580 (fin-
nisches M.) und das russische M. in Alexander Puschkins
Poetischen Werken, übersetzt von F. Bodenstedt 1, 47. In
dem polnischen M. sagen drei Schwestern: „Wenn mich der
König zur Frau nähme, würde icli mit einem Kloss das ganze
Heer speisen" — „Ich würde mit einem Faden das ganze
Heer kleiden" — „Ich würde im ersten Jahr zwei Söhne ge-
bären, jeden mit einem Mond auf der Stirn und mit Sternen
auf dem Kopf." In dem finnischen M. sagen die Schwestern:
„Ich würde aus drei Flachsfasern für alle Bewohner der
Königsburg Hemden machen" — „Ich würde aus drei Weizen-
körnern für alle Bewohner der Burg Brot backen" — „Ich
würde in drei Niederkünften jedesmal drei Söhne gebären."
Bei Puschkin will die eine Schwester, wenn sie Zarin würde.
570 2ur Märchenfurfichung.
der ganzen Welt ein Fest geben, die andre der ganzen AVeit
Leinwand weben, die dritte dem Zaren einen Heldensohn
gebären.
3. Folgende unter sich parallele M. : Gaal- Stier Nr. 7,
Ausland 1858, S. 118 (rumänisches M.), Schott Nr. 8, Halt-
rich Nr. 1. [Oben S. 42'2 zu Jagic no. 26, vgl. Archivio 3,
372 no. 10.] In dem ungarischen M. sagen drei Schwestern:
„Ich wollte, wenn mich der König zur Frau nähme, ihm von
einem Wocken Hanf ein Zelt weben, so gross, dass alle seine
Soldaten darunter Platz hätten" — „Ich wollte ihm aus einem
Weizenkorn einen Kuchen backen, dass alle seine Soldaten
satt davon würden." — „Ich wollte ihm Zwillinge mit gol-
denen Haaren gebären, und der eine sollte einen Stern auf
der Stirn haben, der andre eine Sonne, und beide einen
goldnen Ring an dem Arm." In dem rumänischen M. im
„Ausland" sagen drei Schnitterinnen: „Ich würde dem Kaiser-
sohn seinen Hof mit einem Laib Brot ernähren" — „Ich
würde ihm seinen Hof mit einer Spule Caru kleiden" — „Ich
würde ihm zwei Knaben mit goldnen Haaren gebären." Bei |
XXIV Schott kommt nur eine Verheissung vor, ein Mädchen sagt:
„Wenn mich dieser Jüngling zum Weib nähme, würde ich
ihm goldne Kinder gebären." Noch mehr entstellt ist Haltrich
Nr. 1, wo zwar die andern Verheissungen vorkommen, aber
die des goldnen Kindes — die wichtigste — fehlt. Eine
Magd, welche Hanf zupft, sagt, als der König vorüberreitet:
„Wenn mich der König zum Weib nähme, würde ich ihn und
seinen ganzen Hof mit meinem Hanf kleiden," eine andere
welche Korn schneidet, sagt: „Und ich würde, wenn er mich
zu seiner Köchin machte, ihn und sein ganzes Hans mit
meinem K(n"n ernähren." Der König heiratet die erste, und
sie gebiert ihm dann zwei Kinder mit goldnen Haaren.
4. Curtze Nr. 15. Hier sagt eine Wirtstochter, wenn der
Prinz sie heirate, wolle sie ihm viel tausend Soldaten stellen,
die zweite, sie wolle ihm viel tausend Tonnen Gold stellen,
die dritte, sie wolle ihm einen Sohn gebären, der solle einen
Stern von 7 Zacken vor der Stirn haben und solle sich am
Tag 7 mal etwas wünschen krmnen.
39. A. Schiefuer, Awarisclie Märchen Xr. 12. 57|
5. Hahn Nr. 11-2. Die älteste von drei Schwestern sagt:
,,Weuii ich den Konigssohn znni Mann hätte, würde ich sein
ganzes Heer mit einem einzigen Laib Brot ernähren, nnd es
sollte davon noch übrig bleiben", die mittlere sagt: „Ich
würde sein ganzes Heer mit einer einzigen Spnle Garn
kleiden, nnd es sollte davon noch übrig bleiben," die jüngste:
,,Weun ich ihn hätte, so branchte er mich nur einmal anzu-
s-ehen, und ich würde davon schwanger werden, nnd ein Kind
gebären und denudch -lungfrau bleiben."
Wenn in dem awarischen M. die unschuldige Königin in
eine Eselshant gehüllt an das Thor gestellt wird und jeder
Ein- und Ausgehende sie anspeien muss, so sind hierin am
ähnlichsten das M. von den zwei neidischen Schwestern in
1001 Nacht, wo die Sultanin an der Thür der Hauptmoschee
in einen Verschlag mit einem offenen Fenster gesperrt wird
und jeder, der in die Moschee geht, ihr ins Antlitz speien
muss. Gonzenbach Nr. 5, wo die Königin in einen Verschlag
am Fuss der Treppe des Schlosses gesteckt wird und jeder,
der die Treppe hinauf oder hinunter geht, ihr ins Gesicht
speien muss, und Hahn Nr. 69, Variante 1, wo die Königin
am Eingang des Schlosses bis an den Kopf eingemauert wird
und jeder Vorübergehende sie auspeien nnd ins Gesicht
schlagen muss. [Prym-Socin no. NH (Büffelhaut), Socin, Zs. 36,
•259 (Kamelshaut). Spitta no. 1 1 (Treppe. Anspeien, Tier),
Dozon no. -2. Mijatovics p. 240, Pitre 1. 328. 330. Kamp 1S79
no. 6. Joh. de Alta Silva, Dolopatlios p. 75. j
Der Hirschkuh, die im awarischen M. [und bei Pitre
no. 36] die ausgesetzten Kinder ernährt, entspricht bei Hahn
Nr. 69 eine Ziege.
Wie im awarischen M., als das goldlockige Mädchen sich
im Bach badet, eins ihrer goldnen Haare fortschwimmt,
in den Krug einer Witwe gerät und von dieser den Frauen
des König gebracht wird, so schwimmen in einem M. im
Siddhi-Kür (Jülg Mongolische M. S. 57). als sich eine schöne
Frau im Fluss badet, einige ihrer wunderbaren Haare fort
und lileiben endlich an dem Schaumlöftel einer Magd hängen,
die sie dem KTmig überbringt. Auch in dem altägyptischen
572 Zur Märchenforsehung.
M. von Satu und Anepu schwimmt eine Haarflechte von der
Frau des Satu auf dem Flusse daher und wird von einem
königlichen Beamten bemerkt und aufgefangen und dem
König gebracht; s. Wolfs Zeitschrift für deutsche Mythologie 4,
237 und Liebrechts Bemerkungen in der Germania 12, 82
und in den Heidelberger Jalirbüchern 186s, S. <sli). [Cosquin 1,
LXV und 2, 302 zu uo. 73, Golther, Studien zur Littgesch.
M. Bernays gewidmet 1893, S. 167, Gaster, Folk-lore 7, 232.] |
XXV In den meisten der parallelen M. ziehen die Brüder oder
der Bruder aus, um ein wunderbares Wasser, einen wunder-
baren Baum und einen sprechenden Vogel zu holen, und
werden dabei in Steine oder steinerne Bildsäulen (Salzsäulen
bei Wolf) verwandelt, die Schwester zieht ihnen nach, ge-
langt in den Besitz jener Wunderdinge und entsteinert die
Brüder.
Dem . sprechenden und tanzenden Apfelbaum des awa-
rischen M. entspricht bei Straparola der singende Apfel und
in dem neugriechischen M. in den NeoelXtjviy.a \h'älex7a der
goldne Apfel.
Die bald an einander schlagenden, bald auseinander
gehenden Felsen des awarischen M. , hinter denen der
wunderbare Apfelbaum sich befindet, begegnen uns auch in
dem neugriechischen M. , welches K. Ewlampios in seinem
Buch '0 \4jiidQavT0'; , St. Petersburg 1843, S. 76 — 134, mit-
geteilt hat. Hier befindet sich das Unsterblichkeitswasser
hinter zwei derartigen holien Bergen^). Natürlich denkt man
auch an die altgriechischen Symplegaden.
Wenn in dem awarischen M. der Bruder nach der schönen
*) In andern neugriechischen M. befindet sich das Wasser des
Lebens in einem Berg, der sich zu gewisser Zeit rasch öffnet und
rasch wieder schliesst. Ö. Hahn Nr. 5, Variante, 37, 65, Variante 1
und 2, 69, Sakellarios Nr. 8. [Oben S. 397 zu Meyer no. 13. Ashior
1, 313. 315. Friis no. 48 = Poestion, Lappl. M. no. 57. Sebillot, Contes
3, 203.] In einem slowakischen M. bei Wenzig S. 148 findet sich das
Wasser des Lebens in einem Berg, der sich Mittags rasch öffnet und
wieder schliesst, und das des Todes in einem links von jenem befind-
lichen Berg, der sich um Mitternacht rasch ött'net und wieder schliesst.
39. A. »Scliiofiier, Awarisohe Märclieu. 573
Jeseusulchar auszieht, am L'fer des Flusses, jenseits dessen
ilir Palast steht, sie dreimal ruft und, da sie nicht hervor-
kömmt, nach dem ersten Ruf bis zu den Knieen, nach dem
zweiten bis zum Herzen, nach dem dritten ganz zu Stein
wird, so bieten nur die "2. Variante zu Hahn Nr. 69 [Spitta
no. Hl] und das M. in den Neoe?Mjvixa. ^ivdXexTn Aehnli(;hes.
In letzterem zieht der eine Bruder ans, die Tzitzinäna, welche
die Sprachen aller Vögel versteht, zu holen. Er kommt vor
ihr Haus, und ruft dreimal „Tzitzinäna", sie ruft dagegen
allemal ^^Mägfiaoo'-^, und nach ihrem ersten Ruf wird er bis
zu den Knieen, nach dem zweiten bis zu den Scheidceln, nach
dem dritteji bis zur Mitte zu Stein. Da verbrennt er einige
Barthaare, die ihm der Mönch, der ihn und seine (ieschwister
aufgezogen hat, für den Notfall gegeben hat, und alsbald er-
scheint der ^fönch und ruft die Tzitzinäna, die dem Ruf ge-
horcht, den Jüngling und alle die andern am Ufer befindlichen
entsteinert und dem Jüngling folgt. In dem andern grie-
chischen M. zieht der Bruder nach der Schönen des Landes
aus, die jenseit des trock,enen Flusses wohnt. AVer sie holen
will , dessen Pferd muss (^rst diesseits des Flusses wiehern,
und wenn sie das (lewieher nicht hört, wird er mit dem
Pferd zu Stein. Das Pferd des Bruders wiehert , al)er die
Scheine hört es nicht; es wiehert noch einmal, da hört es die
Schöne und fragt: „Wer ist gekommen, mich zu holen?"'
Darauf reitet der Jüngling durch den Fluss und holt sie, und
alle die Versteinerten werden wieder lebendig.
Dass die Scliwester im awarischen M., als sie auszieht,
ihren Bruder zu suchen, ihre Schuhe mit Stahlsohlen besclilägt
und einen eisernen Stab in die Hand nimmt, ist ein Zug, | derxxvi
in keinem der parallelen M. vorkömmt, wohl aber treffen wir
in andern M. eiserne Schuhe und Wanderstäbe bei
Wiinderungen in weite Fernen. Vgl. Wuk Nr. 10 („Von nun
an siehst du mich nicht eher, als bis du, mich suchend, eiserne
Schuhe zerrissen und einen eisernen Wanderstab zerbrochen
hast"), Pröhle KM. Nr. 31 („Du wirst erst mit mir vereint
werden, wenn du einen eisernen Stock und einen eisernen
Schuh abgelaufen hast"), Hahn Nr. 102 („Lass mir 3 Paar
574 Zur Märchenforsehung.
eiserne Schuhe und 3 Stäbe machen, ich will durch die
ganze Welt ziehen, bis ich ihn gefunden"), Nr. 25 („Wenn
du mich finden willst, so lass dir eine eiserne Krücke und
eiserne Schuhe machen"). In andern M. fehlt der eiserne
Stab, und nur die eisernen Schuhe sind geblieben, so Pen-
tamerone 5, 4 [= Liebrecht "2, 184] und Gonzenbach Nr. 42:
7 Paar eiserne Schuhe, Imbriani La novellaja milauese Nr. (i
und Hahn Nr. 73: 3 Paar eiserne Schuhe. Wolf HM. S. 198:
eiu Paar eiserne Stiefel, Widter-Wolf Nr. 12: ein Paar Schuh-
sohlen von Eisen. In einem kirgisischen Heldeugesang bei
Radioff 3, 276 lesen wir: Kosykäm zog eiserne Schuhe an,
nahm einen eisernen Stab in seine Hand. In einem M. des
Siddhi-Kttr (Jiilg Mongolische M. S. 54) lässt ein König einem
Mann steinerne Stiefel anziehen und verbannt ihn, bis er diese
Stiefel abgetragen habe. [Consiglieri-Pedroso no. 26 (Eisen-
schuhe, müssen genetzt werden). Pitre 2, 24S. Imbriani,
Nov. fior. - no. 12. De Gubernatis no. 14 (eiserne Schuhe,
Stab und Hut). (Iradi. La vigilia di Pasqua di Ceppo 1870
no. 2 (Schuhe. Stäbe). Braga no. 30. Bibl. de los trad.
esp. 1, 129. 187. Rondallayre 2. (il (3 Paar Schuhe). Luzel,
Rapport 186 (3 Paar eiserner Schuhe), Dozon p. 95 (3 Paar)
Kremnitz no. .'> (3 Paar Sandalen und Eisenschuhe), Com-
paretti no. 51 (7 Paar Schuhe), Corazzini p. 419, Archivio
1, 533 (7 Flaschen voll Thränen. 7 Paar Eisenschuhe, Stab,
Hut), Archivio, 2, 404 (7 Paar P^isenschuhe. 7 Stäbe, 7 Flaschen
mit Thränen), Rondallayre 3, 153 (6 Paar Eisenschuhe,
3 Flaschen mit Thränen), Ortoli p. 8. 11 (7 Paar Eisenschuhe
und 3 Holzstäbe), Archivio 3, 361. 3()3 (7 Paar Elsenschuhe
und 7 Frauenkleider). AVebster p. 39 (7 Paar Schuhe, 6 von
Leder und 1 von Eisen), Castren. Ethnolog. Vorlesungen über
die altaischen Völker 1857 S. 194 (Stab von 90 Klaftern
Länge und 90 Schuhsohlen), Schulenburg 1882 S. 27, Krauss,
1. no. 70. 37, Passow, Tragudia romaika no. 505, 7. Crane
p. 324. 142, Prato, Quattro novelline p. 160 f, Sarnelli. Posile-
cheata ed. Imbriani 1885.
So bestimmen Pilger die Länge ihres AVeges nach den
zerschlissenen Schuhen: vgl. Ragnar Lodbroks-Sage
39. A. Schiefner, Awarisclu' Märclit^ii Nr. 12 — 15. 57ä
Übers, von Kdzardi ls,s(i S. HO ) und :>;> >. (irimm, Reinhard
Fnchs S. LX. Voigt, Ysengrimus l<ss4 S. 14o (B. 3, V ;'579).
In der italienisc-lieu Dichtung ,Snperl)ia e niorte di Senso" zeigt
der Tod. der den Ritter Wahn endlich in (iestalt eines Flauem
überlistet, ihm einen Wagen voll abgenutzter Schuhe, die er
bei der Verfolgung verl)raucht habe (A. d'Ancona. Poemetti
popolari italiani 1.SS9 p. l-il; dazu Köhler ebd. p. ^-tf.);
ebenso Ortoli p. '224:. Schuchardt bei d'Ancona p. 65. Xerucci
no. 8H, Coniparetti 1, no. 5ü. Bei Absteraius (fab. 58. Waldis
2. S4. Hita. copla U46, Grimm KHM. 3, 142) ist an Stelle
des Todes der Teufel getreten, der dem ihm verfallenen Sünder
die in seinem Dienste zerrissenen Schuhe vorhält. In einer
verbreiteten Ortssage fragt der Teufel, der einen Felsen herbei-
schleppt, um eine nen erbaute Kirche zu zerschmettern, eine
ihm begegnende alte Frau, wie weit es bis dahin sei: sie
erwidert, sie komme daher und habe alle die Schuhe unter-
wegs zerrissen, die sie auf dem Rücken trage: entmutigt
lasst der RTise deu Bluck faHeii (Bensen. Altertümer von
Kotenburg (.. d. Tauber 1.S41. S. 74, Merz. Rothenburg S. 119).
Vgl. Panzer •_'. 57 (Vilseck); Schönwertli 2. •iO'i. Schmitz.
Sitten des Eitler Volkes 2. 113 (Malmedy. Remaculus): E.
de la Fontaine, Luxemburger Sagen no. 312; Liebrecht, Ger-
mania 7. 5U1, Firmenich 1. 366 (Wenigem). Djurklou 1860
S. 62 (Oerebro. Riese), Hunt 1862 p. 309 {Shrewsbury. Riese j:
Rodenberg. Ein Herbst in Wales S. 145, Possart. Morgenblatt
1841. no. 56^57 (Reso in Finnland. Riese)].
15. Der Mensel) und der Vogel.
Die vielverbreitete, zuerst im Barlaam und Josaphat
vorkommende Fabel von den drei Lehren des Vogels. Man
sehe die reichen Nachweise Hermann Oesterleys in seiner
Ausgabe der Gesta Romauorum, Berlin 1872. S. 739 (zu Cap.
167). zu denen ich nur die hebräische Darstellung in Ibn
Chisdais Prinz und Derwisch, 21. Pforte, nachzutragen habe.
S. W. A. Meiseis Uebersetzuug von Ibn Chisdais Prinz und
Derwisch (Stettin 1847 und 2. umgearb. Aufl. Pest 1860).
Auch M. Steinschneider, Manna. Berlin 1847, S. 41 ff., und
576 ^"'^ 3Iär(-henforsehuiiij.
A. Tendlaii. Fellmeier.«; Al)en(le. Frankfuit a. M. 1856. Xr.
21. liaben die Fabel aus ..Prinz und Derwiscir' übersetzt.
[Grünbaum S. 24:9; dazu Köhler unten S. 580. Caxtons
Aesop ed. Jacobs 18s0 1, 265. E. Kuhn. Barlaam 1893
S. 75. Vitry no. 2S. Greoory Bar Hebraeus. Stories ed.
Budge 1S97 no. HS2.]
40. lieber Grünbaum, Jüdisch-deutsche
Chrestomathie.
Max Grünbaum, Jüdischdeutsche Chrestomathie, zugleicli ein
Beitrag zur Kunde der hebräischen Litteratur. Leii>zig,
Brockhaus, 18S2. XII und 5S7 S. 8". — U M.
(Anzeiger für deutsches Alt-rfuiii 9. 402 407. 188.S.)
402 Grünbaunis Jüdischdeutsche Clirestoinatliie herürksiehtigt
nicht die gesamte jüdischdeutsche Litteratur. sondern nur den
allerdings grössten Teil derselben, der aus L'ebersetzungen
hebräischer Bücher besteht oder seinen Inhalt vorzugsweise
hebräischen Büchern entnommen hat. nicht aber die L'eber-
setzungen und Bearl)eitungen nichthebräischer Bücher und
Stoft'e^). Aus der jüdischdeutschen Litteratur in der ange-
gebenen Beschränkung giebt die Clirestomathie zahlreiche,
bald mehr, bald weniger umfängliche Bruchstücke und Aus-
züge, und zwar sind die Texte nicht in jüdischdeutscher
403 Schrift, sondern — mit Ausnahme der zahlreich vorkom- men-
den hebräischen Worte, die hebräisch gedruckt sind, denen
aber immer die deutsche Uebersetzung beigefügt ist — in
^) Die Uebertragung niclitliebräiseher Schriften in die jüdisch-
deutsche Sprache, sowie die jüdischdeutsche Umgangssprache, die
jüdischdeutsche Litteratur in den slavisohen Ländern und , anderes mehr'
hat der A'^erf., wie er S. IX f. sagt, in einem besonderen Buche behandelt,
dessen früheres oder späteres Erscheinen von der Aufnahme der Chresto-
mathie abhängen wird. Hoffentlich erscheint es recht bald!
40. Grünliaiuii, Jüdisch-deutsclie Clirestuniatliie. 577
lateinischer Schrift gednickt. Für den (iermaiiisteii ist die
Chrestomathie vorzugsweise in sprachlicher Beziehung von
grosser Bedeutung, indem sie ihm Gelegenheit gibt, sich auf
die bequemste Weise von der jüdischdeutschen Sprnclie eine
nähere Kenntnis zu verschaffen, als bisher ohne selbständiges
Studium der jüdischdeutschen Litteratur möglich war. Abge-
sehen von dem sprachlichen Interesse, auf das näher ein-
zugehen ich andern besser überlasse, bieten die mitgeteilten
Texte und Auszüge auch inhaltlich viel Anziehendes und Be-
lehrendes, und insbesondere ist ihre Lektüre allen denen zu
<3mpfehlen, die sich für Märchen und Erzählungen, Parabeln
und Fabeln , Sprichwörter und Bilder und deren Geschichte
und Verbreitung interessieren. Zu einer Anzahl derartiger
Texte und Auszüge möge es mir gestattet sein hier einige
Bemerkungen mitzuteilen, die zum Teil Bemerkungen des
Verfassers der Chrestomatliie ergänzen.
S. 184. Zu der aus dem Midrasch Abchir übersetzten
Sage von Noah, dem der Satan beim Pflanzen des Wein-
stocks hilft, indem er ein Schaf, einen Löwen und ein
Schwein über dem Weinstock schlachtet, bemerkt der "N'er-
fasser, sie finde sich ähnlich in Arnolds arabischer Chresto-
mathie S. 53 (nach Damiri). Es war aber vor allem zu
erinnern, dass in anderen rabbinischen Quellen, die J.A.Fabricius
Cod. pseudepigr. vet. fest. 1, "275 anfülirt, der Satan auch
noch einen Affen schlachtet, und es war darauf liinzuweisen,
(lass die Sage auch unter den Christen weite Verbreitung
gefunden liat. Man sehe die Nachweise H. Oesterleys zu
Gesta Romanorum, Kap. 159, wo Heidelb. Jahrb. 18()1: (statt
ISßi^) zu lesen ist, und denen ich noch hinzufüge x\ltd.
Blätter 1, 41 2 Xr. 18 (Weiifsegen), J. Scheible, Die fliegenden
Blätter des IG. und 17. Jahrhunderts S. 135 — 42 (ein kurz-
weilig Gedicht von den vier unterschiedlichen Weintrinkern).
Job. Martin Usteri Dichtungen, Berlin 1831, S. 33 (Briamel vom
Wyn), G. Brunet zu seiner Ausgabe des Violier des Histojres
Pomaines, Paris 1858, S. 371, Victor Hugo Les miserables,
livre 6, chap. 9, A. Wesselofsky in der Russischen Pevue
13, 138 f. [Meister Stephans Schachbuch V. 2575 : Weller. Dich-
R. Köhler, Kl. Schriften I. 37
578 ^^^^^' ^läroliciiforseliiuig.
tuiigen des IG. Jalirliiiiulerts IST-l, S. 4o; Roset'eld, Cliamus
1599 Bl. B6b: Holzscliiiitt zur (ienesis in Coburgers Bibel 1483,
ein andrer von Yirgil Solis (Bartsch no. 256); Strauch,
Vjschr. f. Littgesch. 1, 83; Tijdsehrift voor Noord-Nederhinds
Muziekgeschiedenis 1, 194; Vondel, Werken 1, 276 (1855);
Herder, Werke 26, 367: Shivische Blätter hsg. von Lnksic
1, 408 (1865. l^rben); Bar-Hebräus, Zs. d. morgen!. Ges.
40, 412; Grünbaum ebd. 41,652.]
S. 201 bemerkt der Verfasser, eine mitgeteilte Geschichte
erinnere an ,das Urteil des Schemjaka'" bei Chamisso und
ähnliche Sagen bei Benfey Pantschatantra 1, 394 f. Ich be-
nutze diese Gelegenheit, um auf einen Aufsatz ,o conto do
justo juizo' von F. Adolpho Coelho in seiner Revista d'ethno-
logia e de glottologia, fasc. 2—3, Lisboa 1881, S. 108—38,
hinzuweisen, in welchen der ausgezeichnete portugiesische
Gelehrte zahlreiche Versionen des Märchens mitgeteilt und
in ihrem Verhältnis zu einander untersucht hat. Einige Nach-
träge wird ein späteres Heft der Revista bringen. [Hartmann,
Zs. d. \'. f. Volksk. 5,51; Lidzbarski S. 258; Folk-lore
dounial 1885, 339; Ralston Tibetan Tales p. 29; Ortoli p. 193:
Madsen p. 27.]
S. 215 — 18. Variante der von Geliert in seinem Gedicht
Das Schicksal behandelten Geschichte. Der Verfasser
404 verweist dazu | S. 218 auf die Aufsätze von Brockhaus und
von Behrnauer in der Zs. der deutschen morgenläudischen
Gesellschaft 14, 706 und 16, 762. Man vgl. aber auch
Hammer Rosenöl 1, 124, J. Perles, Zur rabbinischen Sprach-
und Sagenkuude, Breslau 1873, S. 96, und G. Paris L'ange
et Termite. Paris 1S80 ( Separatalxiruck aus den Comptes-
i'endus des seances de I'academie dvs ius('ri[)tions et heiles
lettres (W Fanuee 1880). S. 21 tt". [Köhler, Zs. d. V. f.
Volksk. 6. 173 no. 92: 0. Rohde, Rostocker Diss. 1894;
Zs. f. dtscli. Phil. 28, 457: Ratschky, Gedichte 1791 S. 328
(Parnell übersetzt).]
S. 218 — 22. Abi-aham niul die Götzen bi Ider. Vgl.
üeiifey Pantschat. 1, 376 f, ,1. Landsberger, Die Fabeln
40. (iraiiliauiH, .li'uliscli-dciitsclie ('lircsttniiatiiic. 57i)
des Soplids S. ,")(; und \\. Sucliirr Denkmäler [)roveiizalif>;clier
Litteratur iiiid Sprache 1, ()27 f.
S. -J-JT (vgl. aiicli S. 1 (;:>). Die ägpti.schen Frauen, im
Anblick der Scliönlieit .Josephs versunken, schneiden —
statt in die ihnen vorgesetzten Orangen — sich in die Hände.
Vgl. meine Aufsätze in der (lermania 14, '243 und i^s, 11,
und eine Stelle in dem jüdischdentschen Purimspiel , Joseph'
bei F. Chr. B. Ave-fvallemant Das deutsche Gaunertum,
;!. Teil, Leipzig l.S(;-2, S. 501 ').
S. 241. Parabel von den drei Freunden. Vgl. Oester-
ley zu (iesta Rom. Kap. 238 nnd Romanische Studien 4,
11 und 82. [Vitry no. 120].
S. 242. Zu dem talmudischen Sprichwort in jüdisch-
deutscher Uebersetzung ,das kemel hat sich wein herner mit
brengen, aso hat man ihm die obren derzu abgeschnitten'
vgl. die Aesopische Fabel ,6 y.dfUjXog xnl Zevg' nnd dazu
r.enfey Pantschat. 1, H02.
S. 242. Der sterbende Alexander und seine Mutter.
Vgl. liierzu — ausser dem was der Verfasser S. 248 anführt —
M. F. Stern, Zur Alexandersage, Wien 1861, J. Zacher
Pseudocallisthenes S. 179 ff, W. Racher Nizämis Leben nnd
Werke S. 11!) und H. Knust Mitteilungen aus dem Fskurial
S. 48 f. und 801. [Kühler, Aufsätze S. 180. Gregory John
Bar-Hebraeus, Laughable stories ed. by Rudge 1897 no. 88.
Diez, Buch des Kabns 1811, S. (')24.1
S. 245. ,Wenn alle die himel parmit weren, un all die
gemusich röhren federn weren, nn all die wasser tint weren,
is nit zu derschreil)en die grosse wunder gottes.' Vgl. dazu
meinen Aufsatz ,ünd wenn der Himmel war Papier' iji Ben-
') Xiflit allen Lesern dieser Zeitschrift wird es bekannt sein, dass
in dem angeführten Werk S. 198 — 537 des 3. Teiles über jüdischdeutsche
Sprache und Litteratur handeln nnd 8. 319 — 512 des 4. Teiles ein jüd-
deutsches, freilich nur die hebräischen und fremdsprachlichen Wörter
verzeichnendes und erklärendes Wörterbuch enthalten. Merkwürdig-,
dass Grünbaum Ave-Lallemants, der zwar kein Sprachgelehrter von
Fach ist, dessen jüdischdeutsche Stadien mir aber doch recht verdienst-
lich sclieinen, gar nicht erwähnt.
37*
580 ^'^"' Märchenforschung-.
feys Orient imcl Occident "2, 544 ff, zu dem ich uodi sehr
viel nachtragen könnte. [Ethnohjg. Mitt. aus Ungarn 1, ol-2.|
S. 24(S. Zu der Geschichte von dem Habsüchtigen
nnd dem Neidischen vgl. die Nachweise von Oesterley zu
Pauli Nr. 647, denen ich noch hinzufüge Rabbi Barachiae
Nikdani Parabolae vulpium, transl. opera R. P. M. Hanel
S. J., Pragae KJGl, S. 377 (parabola invidi et cupidi) und
S. 235 (parabola duorum simiorum et leonis), Libro di novelle
405 antiche, Bologna 1868, Nr. 15, Goedeke im Orient | und Occi-
dent 1, 543 (Nr. 11), F. Adolpho Coelho Revista d'etlino-
logia e de glottologia, fascic. 2 — 3, Msboa 1881, 8. 142,
A. Rosenberg Sebald und Barthel Behani, Leipzig 1875, S.
128. [Vitry no. 196. Bedier Fablianx p. 414.]
S. 249. Die drei Lehren des Vogels. Der Verfasser
verweist dazu S. 251 auf Ibn Chisdais Prinz nnd Derwisch,
Kap. 21, und auf Arnolds arabische Chrestomathie S. 34 und
erst in den , Berichtigungen und Zusätzen' (S. 587) auch auf
Benfey Pantschat. 1, 380. Man sehe aber auch Oesterleys
Nachweise zu Gesta Romanorum Kap. 1()7, denen noch hinzu-
zufügen sind A. Schiefner, Awarische Texte Nr. 15, mit meiner
Anmerkung auf S. XXVI [oben S. 575 f.], Scelta di facetie, niotti,
burle, e buft'onerie di diversi, cioe del Piovano Arlotto, del
Gonelia. del Barlacchia. ed altre assai di diversi, Vicenza
1661, S. 167, Les contes et faceties d'Arlotto de Floreuce
avec introductit)n et notes par P. Ristelhuber, Paris 1873. nr.
38. [E. Kuhn, Barlaam 1893 S. 75.]
S. 251 — 53. Die hier aus dem jüdischdentschen Buche
Simchas hannefesch (d. i. Seelenfreude) mitgeteilte Dar-
stellung der bekannten Parabel von den Jahreskönigen
(vgl. Gödeke p]veryman, Homulus und Hekastus S. 11, Ki
und 205 und Oesterley zu Gesta Rom. Kap. 224) hat das
Eigentümliche, dass in ihr die Bettler, die auf drei Jahre zu
Königen gemacht werden, durch einen Schlaftrunk in tiefen
Schlaf versenkt und so im Schlaf in königliche Kleider ge-
kleidet und ins Königsschloss gebracht und ebenso nach Ab-
lauf von drei Jahren wieder in ihre Bettlerkleider gesteckt
und (hdiin gebracht werden, wo man sie gefunden hatte, so-
40. Griinbiiuiu, Jüdiscli-deutisflie Chrestomathie. 581
(lass sie giaiiheii, nur geträiunt zu lial)en. In dieser Fassung
berührt sicli die Parabel mit der bekannten, so oft dichte-
risch beliandelten (ieschichte von dem Hetrunkenen, dem man,
während er schläft, die Kleider eines Fürsten oder sonst
eines vornehmen Herren anzieht usw. [Weilen, Shakespeares
Vorspiel 1884 S. 81.] Griinbanm sagt S. 251 ganz bestimmt,
die Parabel im Simchas haimefesch sei Ihn Chisdais Prinz
und Derwisch Kap. 13 , entnommen', aber bei Ibn Chisdai, der
genau seiner Quelle (Barlaam und Josaphat) folgt, kommt
nichts vom Schlaftrunk vor. [E. Kuhn, Barlaam 181)3 S. 79.
Lidzbarski S. UU.J
S. 393 — 9(). Zu der Geschichte vom Rabbi Joschna ben
Levi und dem Propheten Elias verweise ich auf die ol)en
genannte Abhandlung von G. Paris L"ange et Fermite, be-
sonders S. 19 f.
S, 404. Zn der Geschichte vom Wiesel als Zeuge
vgl. L. (ionzenbach siciliauische Märchen Nr. 4G und meine
Anmerkung dazu. [Zs. d. V. f. Volksk. 6, 77.]
S. 4t »7. (Vgl. auch S. 44S.) Das Märchen vom Rabbi
Chanina habe ich in der Germania 11, 393 ff. (in meinem
Aufsatz , Tristan und Isolde und das Märchen von der gold-
haarigen Jungfrau und von den Wassern des Todes und des
I^ebens') auszüglich mitgeteilt und besprochen.
S. 411. Zu dem Märchen von dem alten Mann und
der Schlange vgl. meine Anmerkung zu L. Gonzenbach a.
a. 0. Nr. 69, wo icli anch die jüdischdeutsche Fassung des
Maase-bnches angefüln't habe und im Archiv für slavische
Philologie, 1, 279 [oben S. 412], ferner | K. Brugman litauische -106
Märchen Nr. 2 und W. Wollners Anmerkung dazu. [Zs. d.
V. f. Volksk. (], IGG.]
S. 421. Erzählung von einem Vicekönigssohn aus Por-
tugal und seiner Gemahlin, die in Folge einer Wette ihres
Gemall Is in den Verdacht der Untreue gerät n. s. w. Zu
Grünbaums vergleichenden Bemerkungen (S. 424 ff') wäre viel
nachzutragen. Vgl. meine Anzeige der Dissertation von A.
Rochs über den Veilchen-Roman und die Wanderung der
582 ^i^'' ^riii't'lienfoi'SL'hung.
Eiiriaiit-Sage im Litteraturblatt für germ. und rom. Philologie
1883 Nr. 7. [Oben S. 375. Child. F^allads 5. 21 nr. -Jßs
.The twa kuights'.]
S. 4'28. lu Bezug auf die eigentümliche Ve rteiluiig
eines Huhnes, die in vielen Märchen und Erzählungen als
Zeichen einer besonderen Klugheit oder Weisheit vorkommt,
vgl. man meine Mitteilungen im Orient und Occident 1, 444 ff.
[oben S. 499]. zu L. G()nzen1)a(;li a. a. 0. Nr. 1, in der Ger-
mania 21, 18 und in der Rivista di letteratura popolare.
diretta da G. Pitre. F. Sabatiui. Vol. 1. Roma 1878, S. 21(i
[oben S. 3.34], G. Finamore, Tradizioni popolari abruzzesi Vol. 1.
Lanciano 1882. Nr. 7 uud 3(i. und ein Märchen aus Mentoue
in der Romania 11. 415. [Zs. d. V. f. Yolksk. G, 59.]
S. 43ü. Zu der hier aus dem Maase-Buch nur sehr kurz
ausgezogenen Version der Crescentia-Sage war vor allem
auf A. Mussafias Untersuchungen über diese Sage in deu
Sitzungsberichten der phil.-hist. Klasse der kaiserlichen Aka-
demie der AVissenschaften 18()5, Dec. zu verweisen. Vgl.
auch Liebreclit in den Götting. gelehrten Anzeigen 1867 S.
1798. Anecdotes historiques, legendes et apologues, tires du
recueil iuedit d'Etienne de Bourbon, domiuicain du 13. siecle
publies par A. Lecoy de la Marche, Paris 1877, S. 115 no.
136, und Archiv für Litteraturgeschichte 12. 132 f. [= oben
S. 391. Gardonne. Melanges 2. 3() — 57].
S. 431 (vgl. auch S. 447). Zu der Erzählung von dem
ermordeten Juden uud den Vögeln, die den Mord ver-
raten, vgl. meine Nachw^eise in den Göttingischen Gelehrten
Anzeigen 1869 S. 768 (zu Novelle antiche no. 33).
S. 446. Das hier nur in ganz kurzem Auszug gegebene
jüdischdeutsche Märchen von den sieben Königssöhnen
habe ich vollständig und wörtlich — nach einer von Moritz
Steinschneider gemachten und mir freundlichst zur Verfügung
gestellten Abschrift — in dem Jahrbuch für romanische und
englischt' Litteratur 7, 33 ff. fol)en S. 299) mitgeteilt.
S. 449. Ein Märchen von Mus aus mit dem Titel .der
gespenstige Barbier' giebt es nicht, gemeint ist sein Märchen
, Stumme Liebe'.
40. Grüiibauiii, Jüdiscli-dcutsclic (Mirfstoniatliie. 533
S. 450. Die Erzäliliuig des Maase-Buchs von dem König
der seinen Falken, als dieser einst einen Adler getötet hatte,
erwürgt, wird in der italienischen Novellensanimlnng II uo-
vellino (nov. 90) vom Kaiser Friedrich erzählt. A. D'Ancona
hat in seiner Abhandhmg Le fonti del Novellino in seinen
Stndj di critica e storia letterarin, Bologna 1880, S. 338
(vorher in der Romania 2, 183) nach einer xMitteilnng von
mir auf A. M. Tendlan | Fellmeiers Abende, Frankfurt a. M. 407
18r)(). verwiesen, wo unter Xr. r)5 — nicht ,p. 25*, wie bei
DAncona verdruckt ist — eine P^rzählung ,der junge König
und sein Falke' sich findet, die Tendlau wahrscheinlich auch
dem Maase-Buche entnommen hat,
S. 450. Die Erzählung von den elf jüdisclien Weisen,
denen ein christlicher König die Wahl lässt, entweder
von seinem Wein zu trinken, oder Schweinefleisch zu
essen, oder bei fremden Frauen zu schlafen, und die sich
zu dem ersten als dem unbedeutendsten eutschliesse«, aber
trunken werden und nun auch die l>eiden andern Sünden
begeben [Saladin und Mönche bei Etienne de Bourbon, Anec-
dotes 1877 no. 481], ist eine A^ariante der bekannten mittel-
alterlichen (ieschichte von dem Einsiedler, dem der Teufel
die Wahl zwischen einem Rausch, einem Ehebruch und einem
Mord lässt. Vgl. Oesterley zu Paulis Schimpf und Ernst
Nr. 243, zu dessen Nachweisen ich noch manches nachtragen
könnte. [Montanus, Schwankbücher ed. Bolte S. 167, i.]
>acliträ2;e.
S. 41. Doktor Allwissend. Vgl. noch Strackerjaii
2, § 634. Saruelli. Posileclieata ed. Imbriani 1885 p. 184. 236,
S. 76. Andere Sagen von der Blindschleiche: Ziugerle,
Sitten des Tiroler Volkes Nr. 368 = 2. Aufl. 1871 S. 95
Nr. 822. AVucke, Sagen der mittleren AVerra 1, 114 (1864).
Revue des trad. pop. 3, 267. Archivio 8, 332. Nigra, Canti
pop. del Piemonte 1888 p. 554 Nr. 164. Folk-lore Record 1, 15.
S. 117. Zu den Heim kehr sagen geluirt auch die von
dem Herrn von Baqueville, der unter Karl VI. in Ungarn
von den Türken gefangen, nach siebenjährigen Leiden St.
Julian um Erlösung anfleht und im Schlafe auf wunderbare
Weise in die Heimat zurückversetzt wird. Er tritt als Pilger
in seine Burg, wo seine Gattin eben eine neue Heirat schliessen
will, und giebt sich durch die Hälfte des geteilten Ringes zu
erkennen. Zuerst hat der Jesuit Lonys Richeome (Le Pelerin
de Lorete, Bordeaux 1604 p. 839 — 850: ,Transport merueilleux
dvn Gentilhomme franrois' = Peregrinus Lauretanus, a Joa.
Haickstein ex idiomate gallico in latinum conversus, Coloniae
1612 p, 541 — 548) diese Sage erzählt; auf ihm fussen Georg
Stengel, Opus de iudiciis divinis 1654 2, 348 (2, Cap. 28, § 2;
deutsch Augsburg 1712 2, 312), Martin von Cochem, History
Buch 1, 443 (1687), Abraham a. S. Clara (Gemisch-Gemasch,
Passauer Ausg. 19, 377), Amelie Bosquet (La Normandie
romanesque 1845 p. 465) sowie verschiedene Jesuitendramen
Nacliträge. 585
(Touniay 162'i und 1G50, ed. Blosseville, Houeu c. 1S75;
Aychstätt 1694, München 1718, Rottweil 1721; Amores
Baquevilli et Bonillae im Wiener Cod. 133G4; lisl. Schauspiel
Kaspar Abybergs von 1643 in Schwyz; anderes bei Bolte,
Zeitschr. d. V. für Volkskunde 3, 64. 4()2) und zwei deutsche
Balladen (Bolte a. a. 0.). — Aehnlich die Sage von Hugh
de Hatten, dem nach siebenjäliriger Gefangenschaft St. Leon-
hard erscheint (Dugdale, Baronage of Englande 1675; vgl.
Liebreclit, Jahrb. f. rom. Litt. 4, 116), von Bos de Benac, den
der Teufel heimführt (Melauges tires d'une grande bibl. 20, 260.
Mag. pittoresque 6, 56), von Jean d'Anglure (Vaublanc, La
France au temps des croisades 2, 184; nach Mag. pitt. 1841, 406)
und vom Grafen Dirlos (Wolf-Hofmami, Primavera y flor de
romances 1856 2, 129 Nr. 164). — Erkennung durch zer-
brochenen Ring: Dinaux, Trouveres 3, 161. — Ring in den
Becher der Geliebten geworfen: Grimm, KHM Nr. 93 und
101. Vernalekeu Nr. 34: ,Drei Prinzessinnen erlöst'. Sommer
Nr. 6. Curtze Nr. 23. Campbell Nr. 3 (verlassene Gattin bei
der Hochzeit des Gatten). Vgl. auch Wenzig S. 114. Molbech
p. 279 Nr. 49.
S. 138. Fran(,"ois-Marie Luzel, geb. 1S21 zu Plouaret,
gest. den 26. Februar 1<S95 zu Quimper. Vgl. Sebillot, Revue
des trad. pop. 10, 1(S3.
S. 140. Virgils Wiederbelebung misslingt: Com-
paretti, Virgil im Mittelalter 1875 S. 311. Graf, Roma 2, 258.
Rochholz, Dtsch. Glaube 1, 260. Ey, Harzmärchen S. 97.
Alemannia 24, 156 (Frastus). Gaster, Beiträge S. 29. Archiv
für neuere Spr. 77, 13s. 142 (Mar(|ues de Villena).
S. 210 ^ Hängens spielen: Hebel, Werke ed. Behaghel
2, 161 Nr. 94: ,Der unschuldig Gehenkte'. Rochholz, Schweizer-
sagen 2, 46. De la Fontaine, Luxemburg. Sagen Nr. 41.
Müller, Siebenbürg. Sagen Nr. 412. Schulenburg, Wend.
Volkstum S. 85. 151. Veckenstedt S. 303. Knoop S. 24
Nr. 41 (Köpfen). Arne, Nogle Fortaellinger p. 17. Jones-
586 2^11' Mäi'chenforsfhung.
Kropf, Magyar folk-tales p. 383. Academy 1884. 2. Febr.
p. 80. Cassel, Aus dem Lande des Sonnenaufgangs S. 30.
S. 220, Mitte. Hexe b esc h lagen: Baader, Sagen aus
Baden Nr. 294. Stöber-Mündel, Sagen des Elsasses 2, 112
Nr. 152. Kranss 2, 140 Nr. 75. — Pfaffenköchin: Erk-
Böhme, Liederhort Nr. 11 und 211). Köhler-Meier, Volks-
lieder von der Mosel 1896 Nr. 10. Philo vom Walde.
Schlesien 1883 S. 6. Ayrer 4, 2701. Liebrecht, Germania
18, 180. — Wirtin: Hoffmann v. F., Niederländ. Volkslieder
S. XII. Flugblatt: ,Ein Dorf das ligt nit weit von Gent'
(Berlin Yf 6600). — Bauern: Vernaleken, Alpensagen
S. 283 Nr. 203.
S. 26S unten. So viel Fenster als Tage im Jahr
haben nach dem Volksglauben viele Schlösser; so die zu
Oppurg, Pommersfelde, Höchst bei Frankfurt a. M., Merlan
(Bindewald, Oberhess. Sagenbuch S. 177), Lübbenau (Schulen-
burg, Wend. Volkssagen S. 20), Tangeid)erg in Kärnten
(Weimarer Zeitung Deutschland 1891, 3. März: Fenster =
Tage, Zimmer = AYochen, Thore = Wochen im Jahre), auch
die Kathedrale zu Salisbury (Notes und Queries 6. ser. 6, 520).
Nach irischem Glauben (K. v. Killinger, Erin 6, 450) darf
nur der König 365 Fenster haben. Carnoy, p. 226 Nr. 2.
Schneller S. 216. Wolf, Niederl. Sagen 1843 Nr. 45 (zur
Erinnerung an die 365 Kinder der Gräfin von Henneberg).
Finamore, La leggenda di S. Francesco d'Assisi 1888 p. (i (Tante
stanze quanti i giorni dellanno, hat der Teufel), Ausland 1887,
905 (365 Inseln und Felsen bilden die Bermuda-Inseln).
S. 273 V Schaf verzehrt, wiederbelebt, lahm, da
ein Knochen fehlt. — Vgl. noch Hans Müller, Aus Davos
1875 S. 14. Hörmann, Zs. des Ferdiimudeums 1870, 214.
Imbriani, Novellaj;i fior. p. ()2(). lUisk p. 176. Haltrich
Nr. 15. Brueyre p. 338. Folklore- Journal 1, 383. 276.
Zeitschrift für Ethnol. 4, 130. Goldschmidt S. 57. Benfey,
Pantsch. 1. 49;".. Bahar Danush 2, 290. Liebrecht. Jahr-
Nachträffc-
J)»<
hucli für romanische J.itteratur o, l')l. Eiiglisclic Stiulicii
7. 478.
S. 3S8 ^ Midas mit den EseLsolireii. Vgl. S. öll
(Jülü, Nr. "-'2). Kletke, Märcheusaal 2, 18 1 (nach Keating,
Hist. ()f Irelaud 1723). Rohrbeck, Preiiss. Jahrbiielier 89, '2(\d
(turkmenische Sage von Iskender Dschulkarnajin, d. i. Alex-
ander dem (iehörnten, und seinem Barbier).
S. 389, Nr. 7. Die Schöne der Erde. Vgl. ferner
etwa Carnoy, C. fran(;ais p. 75. Luzel 3, 22. Sebillot,
Revue des trad. pop. 7, 178 Xr. 14. Gittee-Eemoine p. 67.
Vermast p. 3. 43. Ludwig Salvator, Märchen aus xMallorca
1897 S. 50. Obert, Ausland 1856, 716. Polivka, Zs. für
österr. Volksk. 2, 221 und Archiv für slav. Phil. 19, 255
Nr. 78. Folk-Eore 5, 323 (finnisch). Schreck S. 28. Poestion,
Eappl. M. S. 234. 24L 251. G. Meyer, Essays 1. 189.
Georgeakis p. IE Ueber eine isländische Bearbeitung des
Fortunat-Romans vgl. Ward, Catalogue <if romances of the
British museum 1, S71. Eäzär, Ueber das Fortunatnsmärchen
1S97; vgl. Zs. d. V. f. Volkskunde 8, 232. — AVelche „bisher
nicht berücksichtigte litterarische Erzeugnisse" Köhler noch
besprechen wollte, habe ich leider nicht ermitteln können.
Vielleicht war es die ,Historia di tre giovani e di tre fate*
(Rua, Antiche novelle in versi 1893 p. 1) und die von
Cosquin zu Nr. 11 citierten .Aventures dAbdalla fils d'Hanif-,
die Jean Paul Bignon (1662 — 1743) unter dem Pseudonym
Sandisson 1712 — 14 zu Paris herausgab, ohne sie zu voll-
enden. (AVeitere Drucke 1713. 1723. 1745. 1773, mit einer
Fortsetzung von Colson. Cabinet des fees 12, 312 — 504.
13, 5 — 484. Bibliotheque universelle des romans 1788,
jauvier 1. 104 — 193; von p. 166 an mit eigner Fort-
setzung. — The Adventures of Abdalla, the son of Hanif
1729: vgl. Notes and (^»ueries 6. ser. 6, 288. — Wunderliche
Begebenheiten des Abdalla, Eines Sohns des Hanif. Ans
dem Frantzösischen in das Teutsche übersetzet. Erster und
Anderer Theil. Franckfnrth und Leipzig 1731. Exemplare
588 ^^11' ^li'n'i'henfürseliuiig.
in Berlin und Weimar). Bignon nämlich giebt (1, Ti-t — 168
der deutschen üebersetzung) als , Historie von dem Prinzen
Tangnt und von der Prinzessin, die eine Nase von einem
Schuh lang bekommen hat', eine unserm Märchen nahe ver-
wandte Fassung. Drei Brüder finden in einer Höhle, die sie
auf Geheiss ihres sterbenden Vaters aufsuchen, drei Wnnsch-
dinge; Hiarcan nimmt den Gürtel, der an den gewünschten
Ort versetzt, Xamon das Hörn, das ein Heer herbeizaubert,
Tangut den stets vollen Geldbeutel. Tangut verliert alle
drei Gegenstände nach einander an die listige Prinzessin
Dogandar, findet zwei Feigenbäume, deren Früchte die Nasen
verlängern und verkürzen, u. s. w.
In diesem angeblich aus dem Arabischen übersetzten
Werke treffen wir noch andere Märchenstoft'e an: "2, 128
Verwandlungswettkampf zwischen dem Zauberer Dil-
senguin und der Prinzessin Perifirime (oben iS. 138); "J, 151
, Begebenheit des Arabers mit dem schwarzen Knebelbart-
(Tuch, das Speisen herbeizaubert, LederHasche, die zu einem
Schlosse wird, und Feuerzeug, aus dem Soldaten kommen;
Grimm Nr. 3G) ; 2, 158 — 178 , Historie von Moslema und der
treuen Rasime' (Wette über Frauentreue; oben S. 211.
581); 2, 189 — 208 , Historie der Prinzessin Zeineb und des
Königs Leopard' (Tierbräutigam; oben S. 319. 511): 2, 19()
drei Liebhaber bestellt und geäfft (Zs. d. V. f. Volks-
kunde 6, U)3 zu Gonzenbach Nr. 55. Rua, Novelle del Mam-
briano 1888 p. 89); 2, 208—244 , Historie des Schiffers und
der Mesrem' (Jüngling von einem verschmähten Mädchen in
eine Eidechse verwandelt, so lange bis er das Blut seiner
Braut trinkt. Grimm Nr. 122).
S. 405, Mitte. ,La paresse' ist Basiles Pervonto, über
den in der Zs. d. V. für Volkskunde 0, 174 Nachweise ge-
geben sind. Vgl. noch De (hibernatis. Die Tiere in der indo-
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Süddeutschland. Regensburg 1854. - Vgl. Köhler, Gott. gel.
Anzeigen 1871, 2095.
Sachregister.
Abt im Wildbad 137.
Adler s. Vogel. — Junge Adler
gegen Schlange verteidigt 560.
Aesop 1. 69. 363. 490. 579.
Alexander tröstet sterbend seine
Mutter 579.
Allerleirauh (Grimm KHM Nr. 65)
62. 190. 346. 420.
Allwissend, Doktor (Grimm 98) 39.
68. 584.
Antworten, rätselhafte 84. 87. 113.
134. 151. 197. 342. Geheim-
sprache 372.
Apfel (Holz, Lappen, Blutstropfen)
antwortet statt der Entflohenen
168. 171. — A., dessen Genuss
Homer wachsen macht 186. 588.
— Apfelprobe 444.
Apfelbaum nachts vom jüngsten
Bruder bewacht 292. 516.
Arme: der A. und der Reiche
(Grimm 87) 102.
Aschenputtel (Grimm 21) 62. 190.
270. 274. 368.
Aufgaben mit Hilfe der Riesen-
tochter gelöst 170. — Erwide-
rungen des-klugen Mädchens 458.
Augen ausgestochen, wiedergekauft
347. 463. — wiedergeholt 434.
436.
Auskehren mit den Händen statt
Besen 422.
Auswerfen von Bürste, Kamm,
Spiegel auf der Flucht 171. 388.
Baqueville 584.
Barbara 2.
Bärenhäuter (Grimm 101) 63.
Bärensohn 543.
Bauer: trunkener B. als König 581.
Bauer und Teufel (Grimm 189) 60.
77. 349.
Bauerntochter, kluge (Grimm 94)
372. 445.
Baum spalten, Zwerg fangen 294.
435.
Bein, das goldene 47. 133.
Bereuen wirst du, ob du kaufst
oder nicht 392. 469. 542.
Berg, der goldene (Grimm 92) 54.
312.
Berge, an einander schlagende 367.
397. 572.
Berinus 206.
Bienenkönigin (Grimm 62) 403.
Bignon, Abdallah 587.
Bild: Verliebt in ein B. 127.
Bindespruch 4.
Blaubart 67. 128. 312.
Blinder belauscht naclits Geister,
600
Zur Märcliensaninilung.
erfährt ein Heilmittel 281 f. 510.
— fragt klug 93.
Blindschleiche u. Nachtigall 72. 584.
Boccaccio 68. 184. 212. 216. 496.
Bohnenpflanze: daran zum Himmel
klettern 103. 109. 323.
Boten desTodes (Grimm 177) 102.291.
Branntwein hinstellen, an dem der
Feind sich berauscht 413. 512.
Braut, die weisse und die schwarze
(Grimm 185) 62. 125. 405.
Braut: untergeschobene verrät sich
172. — vergessene 109. 161. 187.
280. — zweite B. verkauft der
ersten eine Nacht beim Gatten
187. 318.
Bräutigam in Tiergestalt 315. S.
Tierhaut.
Bremer Stadtmusikanten (Grimm
27) 58. 187. 424.
Briefvertauschung 466.
Brot (Fleisch, Traube) verwandelt
sich in den Kopf des Ermordeten
154. — Brot aushöhlen 437.
Bruder der Heldin in Reh (Schaf)
verwandelt 438.
Brüder: die zwei B. (Grimm 60)
67. 68. 178. 303. 387. 409. — Die
vier kunstreichen B. (Grimm 129)
298. 438. — Die zwölf B. (Grimm
9) 67. 110. — Treulose B. 292.
537. 543.
Brüderchen und Schwesterchen
(Grimm 11) 132. 385.
Bürle (Grimm 61) 91. 135. 238.
Campriano 235. 324.
Christic 145.
Citronenjungfrau 369. Vgl. Pome-
ranzen.
Corps saus äme 110.
Crescentiasage 391. 582.
Dädalus 120.
Däumling (Grimm 37. 45) 68. 107.
109. 196.
Dieb von Brügge 203. — D. löst ge-
stellte Aufgaben 255. 307. 415.
— giebt sich für den gestohlenen
Esel aus 507. — hängt sich
scheinbar auf 210. 348. — er-
kannt an seinem Urteil über eine
Erzählung 214. — Diebeshand-
werk gelernt 210. — Vgl. Meister-
dieb.
Diebe auf dem Kirchhof, Entsetzen
der Lauscher 137.
Diener zwingt den Königssohn mit
ihm zu tauschen 394. — an Stelle
des Prinzen untergeschoben, ver-
rät sich 172.
— mit wunderbaren Eigenschaften:
s. Gefährten. — Die sechs D.
(Grimm 134) 25. 102.
Dolopathos 182. 184. 201.
Drachentöter, drei Hunde, treulose
Schwester 303.
Drachenzungen ausgeschnitten 304.
399. 430.
Dreizehn hei.^st der Held 307. 383.
547.
Dreschflegel vom Himmel (Grimm
112) 103. 322.
Dumm: vgl. Frau, Narrenstreiche,
Schildbürgerstreiche.
Durchkriechen durch die Ohren
des Zauberpferdes 406.
Eichel und Kürbis 508.
Eier: fünf unter drei verteilen 499.
504. — Gekochte Eier zum Aus-
brüten geschickt 458.
Einäuglein, Zweiäuglein und Drei-
äuglein (Grimm 130) 101. 259.
Einmal schlagen, nicht öfter 41 4. 469.
Einsiedler und Engel 148. 578. 581.
Eisenhans (Grimm 136) 55. 333.
Eisenofen (Grimm 127) 175. 188.318.
Sachregister.
(501
Eligius 132. 297.
Else, die kluge (Grimm 34) 82. 134.
218. 266.
Elster 70.
Empfängnis des Helden durch Ge-
nuss eines Fisches 369. 387; von
Körnern 175. 179. 369. 512.
Entführung durch unterirdischen
Gang 393 ; durch das Schiff des
verkleideten Kaufmanns 464.
Erdmänneken (Grimm 91) 293.
Esel als Richter 491. — E. ohne
Herz und Ohren 515. — E. vom
Herrn verleugnet 491. — Esels-
eier 135. 323. 506; vgl. Narren-
streiche.
Eselein (Grimm 144) 318.
Eulenspiegel 3. 110. 483.
Falke, der einen Adler getötet, er-
würgt 583.
Fanch Scouarnec 149.
Feder des goldenen Yogels gezeigt
411. 468.
Federn, die drei (Grimm 63) 56.
Feigen, dem Ueberbringer an den
Kopf geworfen 495.
Felsen, aneinander schlagende: s.
Berge.
Fenster, soviel als Tage im Jahre 586.
Ferenand getrü un Ferenand un-
getrü (Grimm 126) 102.
Fisch dankbar 112; vgl. Tiere.
Fischer und seine Frau (Grimm 19)
57. 112.
Fitchers Vogel (Grimm 46) 129.
257. 312.
Flachses Qualen 131.
Fleischpfand 211.
Flohfell erraten 50. 92. 134. 389.
Florindo e Chiarastella 346.
Flucht vor dem Hexenmeister: s.
Auswerfen, Verwandlungskanipf.
Fortunatus 186. 406. 479. 587.
Fragen: drei 492. — Durch einen
Stellvertreter beantwortet 82. 267.
Frau, einfältige 71. 81; giebt Speck
(Geld) weg 66. 341. 391. — Ihr
Mann sucht Dümmere 81. 2l8.
505. Ygl. Narrenstreiche.
— widerspenstige ertrinkt 136;
stromaufwärts gesucht 506; ge-
zähmt 137. — Keusche F. s.
Wette.
Freund: besten F. und ärgsten
Feind bringen 415. 455.
Freunde, drei 579.
Frieder und Catherlieschen (Grimm
59) 66.
Froschkönig und eiserner Heinrich
(Grimm 1) 229.
Fuchs hilfreich 110. 539. 558. — F.,
Holzhauer, Jäger 1. 70. — F.
und Igel 408. — Listensack 408.
534. 560. — F. und Wolf 70. 105.
197.
Fünfmal umgebracht 65.
Fürchten lernen (Grimm 4) 68. 110.
258.
Gans, die goldene =Kleban (Grimm
64) 134. 192. 348. 418.
Gaudeif un sien Meester (Grimm
68) 68. 138. 210. 348. 388. 556.
Gefährten mit wunderbaren Eigen-
schaften 92. 134. 192. 389. 397.
431. 544. — Treulose G. lassen
den Helden, der drei Prinzes-
sinnen erlöst hat, im Brunnen
292. 543.
Geister (Tiere) vom Blinden be-
lauscht, rächen sich an dessen
untreuem Gefährten 281. 510.
Geistermesse 133.
Geldbeutel mit Kuhmist gefüllt 497.
Geliert ,Das Schicksal' 578.
Gerhard, der gute 5 — 39.
Geschenk und Schläge teilen 495.
602
Zur Märchenforsc'liung.
Gesta Romanorum 198. 455. 507.
519. 575. 577. 579. 580.
Gevatter Tod (Grimm 44) 291.
Glasberg 444.
Gläubiger vor Gerieht als verrückt
ausgegeben 491.
Glieder fallen in den Kamin, setzen
sich zusammen 130.
Glückskinder, die drei (Grimm 70)
141.
Glücksvogel 409.
Goethe: Gretchens Lied im Faust
120—124.
Gold in Messing, Kinder in Affen
verwandelt 533. — G. im Stabe
137.
Goldkinder, die (Grimm 85) 66. 303.
Goniez, Madame de 12.
Greif, der Yogel (Grimm 165) 131.
Gretel, das kluge (Grimm 77) 102.
Grillet 39.
Grimm, Kinder- und Hausmärchen.
(Die Verweise auf einzelne Num-
mern sind unter dem Stichworte
der Ueberschriften zu linden.)
Grindkopf 330. 419. 519.
Grossgebauer 18.
Grossvater und Enkel (Grimm 78)
102. 381.
Haar, goldenes im Flusse, erregt
den "Wunsch nach der Jungfrau
511. 571. — H. als Seil benutzt 542.
Habsüchtiger und Neidischer 580.
Halb geritten, halb gegangen 455.
Halbe Decke: s. Grossvater.
Halsbänder (Kopfbedeckungen) der
Schlafenden vertauscht 196. 467.
547.
Halskette der Zwillinge 119.
Hamlet 118.
Hand: in die H. schneiden statt in
die Speisen 579.
Hände, weisse 90.
Handel, der gute (Grimm 7) 491.
Hängens spielen 210. 585.
Hans mein Igel (Grimm 108) <>2.
318.
— , der starke 64.
Hansel und Gretel (Grimm 15) 57.
519.
Hase Briefträger 328.
Hase und Igel (Grimm 187) 535.
Hasenhirt 58. 68. 554.
Häsichenbraut (Grimm 66) 257.
Häufungsniärchen 185. 364. 517.
Haustiere im Waldhause: s. Bremer
Stadtmusikanten.
Heimkehr zur neuen Hochzeit der
Gattin 117. 584.
Heinz, der faule (Grimm 164) 64.
Herz: das gegessene Tierherz 515.
Hexe als Pferd beschlagen 220. 586.
H. gebraten statt des Helden 414.
Hildebrand, der alte (Grimm 95)
386.
Himmel: Und wenn der H. war
Papier 579.
Hirtenbüblein (Grimm 152) 137.
Vgl. Kaiser.
Hochzeit, die himmlische (Grimm,
Kinderlegenden 9) 60.
Holle, Frau (Grimm 24) 57. 58. 60.
189. . • .< '. ,^
Hölle: zur Hölle schicken (Quittung)
67. — Trunkenbold darin 68.
Höllenpförtner 69. 138. 320.
Hufeisen verkehrt anschlagen .382.
Huhn klug verteilt 351. 354. 372.
499. 582.
Hühnchen : Vom Tode des H. (Grimm
80) 58. 184.
Hund rettet Kind, vom Vater er-
schlagen 534.
Hunde des Drachentöters 68. 304.
326. — H. u. Katzen feindlich 69.
Hut bezahlt 246. 251.
Sachregister.
603
Jack und Kohnenstengel 103. 109.
323.
Jahreskönige 580.
Jean-Bete 90. 100.
Jean de Calais 12—18. 131.
Imogen: s. Wette über die Treue
der Frau.
Johannes, der treue (Grimm 6) 464.
Jude im Dorn (Grrimm 110) 55. 68.
89. 102. 111. 134.
Jungfrau mit goldenen Haaren 402.
404. 467. 542. 572. — Aus ihrem
Mund und Haare fallen Perlen
126. 463. — Schön wie Sonne
und Sterne 376. — J. verheisst,
demKönigeZwillinge mit goldenen
Sternen zu gebären 566. — J.
schläft, während der Held sich
zu ihr legt 562. — J. unter vielen
ähnlichen erkennen 403.
Jüngster Sohn wacht beim Apfel-
baum 292. 516; beim Grabe des
Vaters 551.
Kaiser und Abt 82. 267. 492. Vgl.
Hirtenbüblein.
Kalb soll den Reisenden gefressen
haben 68.
Kater, der gestiefelte 28. 371. 416.
516. 558.
Katze Salomos 69. — K. im katzen-
losen Lande 71. 141.
Katzen und Hunde 69.
Kerzen entzünden sich von selbstl48.
Kessel gebiert und stirbt 486.
Kettenmärchen 517. Vgl. Häufungs-
märchen.
Kiste mit dem versteckten Buhler
erkauft 252.
Kleider küssen 491.
Knäuel weisst rollend den Weg 407.
Knochen, der singende (Grimm 28)
49. 54.
Knochen zusammengesetzt: s. Schaf.
Knoist un sine dre Söhne (Grimm
138) 67.
Kolbe im Kasten, undankbare
Kinder 431.
Kornähre (Grimm 194) 59.
Körner sortieren, Ameisen helfen
397.
Krähe 3. 58.
Krähen, die (Grimm 107) 286.
Krautesel (Grimm 122) 57. 186.
409. 588.
Kröte, undankbarer Sohn 473.
Kuchen: ein kleiner mit Segen
oder ein grosser mit Fluch 188.
191. 195.
Kuckucksruf von der Bäuerin nach-
geahmt 151. 263.
Kuh spinnt 345. O^/i*^. U V(Ay^^' h'(^0'
Kupfer, Silber, Gold 412. 437.
Kusa Jatakaya 520.
Kuss bewirkt Vergessen der Braut
169. 172.
Lachen: schwermütige Prinzessin
zum L. bringen 93.
Lämmchen und Fischchen (Grimm
141) 385.
Ländernamen von derniisshandeltcn
Magd erdichtet 190. 421.
Läuschen und Flöhchen (Grimm
30) 364.
Lausfell s. Flohfell.
Lauterfresser 3.
Lebenszeit (Grimm 176) 42.
Leiche vom Totschläger mit Gold
überschüttet 261.
Leinwand verkaufen: s. Xarren-
streiche.
Leute, die klugen (Grimm 104) 383.
Lieb wie das Salz 129.
Liebe erweckt durch Bild 127;
durch Traum 197.
Liebhaber: drei L. bestellt und ge-
äff't 588.
604
Zur Märchenforschunt''.
Liorabruno 308.
List und Leichtgläubigkeit 91. 230.
323. 348. — Vgl. Riese, S«hnei-
derlein.
Lope de Vega 29.
Löweneckerchen, das singende
springende (Grimm 88) 5-4. 125.
188. 318.
Lügenmärchen 96. 322. 410.
Lügenwette 322. Sack mit Lügen
füllen 554.
Lustig, Bruder (Grimm 81) 59. 83.
135. 349.
Machandelboom (Grimm 47) 58.120.
Mädchen ohne Hände (Grimm 31)
58. 519.
Magd isst Hühner, belügt Gast und
Herrn 133.
Mann im Monde 114. — M. und
Schlange: s. Schlange.
Männlein: die drei M. im Walde
(Grimm 13) 189. 403.
— das jung geglühte (Grimm 147)
132. 296.
Markolf 87. 151.
März borgt einen Tag vom Februar
380.
Mäuschen, Vögelchen undBratwurst
(Grimm 23) 58. 102.
Mäusehaut, Prinzessin (Grimm 71
der 1. Aufl.) 420.
Meerhäschen (Grimm 191) 411.
Meisterdieb(Grimml92)256.307.415.
Menschenfleisch muss die Räuber-
braut essen 314.
Menschenhaut als Maske angelegt
346.
Menschenkopf auf einer Schüssel
155. Vgl. Schädel.
Menschenköpfe auf Pfählen 411.
Midas hat Bocksohren 379. 383.
511. 587.
Misere, Bonhomme 102. 105. 349.
Missverständnisse, absiclitliche
(Eulenspiegeleien) 263.
Monate personiflziert 371.
Mond im Brunnen (Käse) 107; von
der Kuh getrunken 90. 135. 498.
— Aus alten Monden Sterne ge-
schnitzt 484. 505.
Mondstrahl : am M. sich herablassen
497.
Mutter: tote M. pflegt nachts ihr
Kind 132.
Nachtigall und Blindschleiche 72.
Kardiello bringt die Prinzessin zum
Lachen 94.
Narrenstreiche 348. 483. — Ast ab-
sägen 51. 135. 486. 505. Ver-
kehrte Begrüssungen Begegnen-
der 88. Eier ausbrüten 50. 135.
323. Hund Ehrlich gekocht 65.
Lämmeraugen werfen 50. 98.
Leinwand verkaufen an Bildsäule
51. 65. 99. 135. Nadeln ins Heu
stecken 99. Ochsen verkaufen
51. Sterben beim dritten Esels-
furz 135. 486. 505. Vgl. Frau
und Schildbürgerstreiche.
Nasr-eddin 481.
Neckmärchen 269.
Nicht Nought Nothing 279.
Nixe im Teich (Grimm 181) 178.
Ohinie, Riese 557.
Ohren verstopfen 125.
Papagei erzählt der Frau ^[ärchen
336. 513.
Paris et Vienne 3(52.
Pathelin 362.
Peau d'äne 130.
Pervonto 405. 588.
Petrus 59. 60. 83.
Pfafl'enköchin beschlagen 586.
Pfarrer und Küster 68. 97.
l?acliree:ist(>r.
605
Pfeife, die Tote erweekt 252.
Pfeile ahschiesseii, um eine Braut
zu finden 419. .054.
Pfennig reclitschaffen verdient 71-
Pferd liilf reich 58. 466. — in Bufi'el-
häute genäht 468. Ygl. Dureh-
kriechen.
Plejaden 4H>^.
Polyphem 117. 183. 280. 363. 366.
Pomeranzen, drei 61. 346.
Prinz mit goldenen Haaren 61.
Prinzen: drei P. ziehen nach einem
Heilmittel für ihren Yater aus
562 ; nach dem goldenen Vogel
539.
Prinzessin emptindlicli 64; besiegt
den Freier durch Entschleierung
561; kranke P. geheilt 335; zum
Lachen gebracht 93. 348; giebt
Rätsel auf 64. 218. 321. 348. 372.
407. 557; P. im Sarg und Schild-
wache 320; zeigt dem Hirten den
Stern auf ihrer Schulter 428. 464.
Pyramus und Thisbe 4.
(Quittung aus der Hölle geholt 133.
Rabe, die (Grrimm 93) 585. — Die
sieben R. (Grimm 25) 57. 67. 175.
Rabelais 77. 349.
La Raniee 83.
Ranzen , Hütlein und Hörnlein
(Grimm 54) 67.
Rapunzel (Grimm 12) 61.
Rashin-Coatie 270.
Rätsel, das (Grimm 22) 219. 321.
.(^ T — R- von der klugen Bauern-
tochter gelöst 457. — Vgl. Ant-
worten, Prinzessin, Sphinx.
— vom ermordeten Geliebten 350.
372. Hund Ilo 46. 359. Kuh 267.
Rauch 268. Tag und Xaoht 116.
Vater säugen 373. Verwandt-
-schaft 218.
Räuber Maday 403. — Räuber und
sein Sohn: s. Polyphem.
Regen von Feigen 342.
Reise ins Jenseits (Strafen und
Belohnungen) 52.
Rhampsinits Schatz 200.
Richter schickt zur Frau des Diebes
535.
Riese, der junge (Grimm 90) 68.
— und Schneider (Grimm 183) 262.
328.
— (Teufel) von einem Schwachen
überlistet 85. 262. 290. 378. —
Kraftproben 134. 196. 328. —
vgl. Seele.
Riesin dem Verfolger verraten 1.
Ring zwischen Gatten geteilt 117.
584. — Zauberringgestolilen, durch
dankbare Tiere wiedergebracht
63. 437. 440. — Z. verlängert die
Nase 111; verrät den Träger
183.
Ritt ins vierte Stockwerk 55. ()7;
über die goldbelegte Strasse 56.
Rodia 368.
Roland, der Liebste (Grimm 56) 57.
Rose der Tochter mitbringen 54.
Rotkäppchen (Grimm 26) 107. 136.
Rumpelstilzchen (Grimm 55) 54. 76.
134. 403.
Sack, in den alles springen muss
83. 111. 321.
Salomos Urteil 531. — S. und Mar-
kolf 87. 151.
Schädel eines Selbstmörders erzählt
406. — Schädel Trinkgefä,ss 257.
Schaf verzehrt, wiederbelebt, lahm
257. 273. 586.
Scheffel zum Geldmessen geliehen
248. 558.
Schemjakas Urteil 578.
Schiff, das über Land fährt 134. 191.
Schildbürgerstreiche 65. 66. 266.
(!06
Zur Märchenforseluiiis.
— Aal ersäufen 266. Beine ver-
wechselt 18ä. 266. Brunnen
messen 112. 113. Gewitter in
der Schachtel 324. Katze ver-
brennen 142. Kirche fortschieben
135. 324. Im Kornfeld schwim-
men 112. Kuh aufs Dach ziehen
66. 135. 266. Nadeln säen 135.
Quelle ausgraben 533. Vgl.
Xarrenstreiche.
Schlafdorn 261.
Schlafen: der vom Tode erweckte
Held meint sanft geschlafen zu
haben 555.
Schlange, die Aveisse (Grrimni 17j
266. 402.
— • dankbare 366. 440. — S. lösen
370. 412. 581.
Schlangenblätter, die drei (Grimm
16) 363.
Schlüssel, alter und neuer 169. 426.
— S. ins Meer geworfen, herbei-
geholt 464.
— der goldene (Grimm 200) 269.
Schmied, Christus und Petrus 3.
132. 296.
— und Teufel 67. 84. 111. 349.
Schneiderlein, das tapfere (Grimm
20) 86. 262. 510. 564.
Schnell wie der Gedanke 457.
Schönheitssymbole sind Sonne und
Sterne 376.
Schrätel und "Wasserbär 72.
Schuhe legt der Dieb einzeln auf
den Weg 210; verkehrt ange-
zogen 381. — Eiserne S. zum
Ueberschreiten des Gifthügels
188. Eiserne S. abnutzen 61.
316. 573. Steinerne Stiefel ab-
tragen 512.
Schuhprobe der rechten Braut 274.
Schüler aus dem Paradies 247. 383.
Schwaben, die sieben 112.
Schwäne, die sechs (Grimm 49) 67.
Schwallenjungfrau des Schleiers
beraubt 444.
Schwanz des "Wolfes von dem in
eine Tonne gesperrten Burschen
gepackt 410.
Schwänze der gestohlenen Rinder
in den 3Iorast gesteckt 150. 327.
Schwester entzaubert die versteiner-
ten Brüder 572. — Keusche S.
s. Wette. — Treulose S. 304. -
Lispelnde Schwestern 69.
Schwur der Ehebrecherin (Isolde)
513. — S. bei der eisernen Falle
408.
Sechse kommen durch die ganze
Welt (Grimm 71) 25. 71.
Seele des Riesen im Ei 57. 158 bis
161. 348. 404.
Shylock: s. Fleischpfand.
Sieben auf einen Streich 563.
Sieben weise Meister 55. 145. 207.
Simonides 20.
Sohn dem Teufel versclirieben 310.
— der undankbare (Grimm 145)
102.
Soldat und König im Räuberhause
303.
Soll ich? 150. 291.
Somadeva 173.
Sonnenstrahl darf das Mädchen
nicht berühren 62.
Sphinxrätsel 115.
Spiegel: im S. seinen Tod erkennen
334.
Spielhansel (Grimm 82) 67. 84. 111.
133. 349.
Spinnerin, die faule (Grinun 12^»
388.
Spinnerinnen, die drei (Grimm 14)
47. 64. 102. 345.
Stein s. Unsichtbar.
Stiefel s. Scliuh.
— der von iliitt'cllcder ((iriiiitu ]!•'.»)
303.
Sadiregister.
607
^
Stiefiuiittcr 120.
Streit über das neugeborene Füllen
460.
Tanzlied der Klfen (Wocbentags-
uamen) 181.
Tausend und eine Naclit 4. 57. Hl.
62. 65. 102. 143. 214. .US. :AS).
561. 565.
Tausend und ein Tag 88.
Teufel vom Heiligen überlistet 431;
beim "Wettkampf überlistet 58.
478. Vgl. Bauer,
mit den drei goldenen Haaren
(Grimm 29) 402. 466.
Teufels russiger Bruder (Grimm
100) 320.
Theodorich und Symmachus 154.
Thür mitnehmen und herabfallen
lassen 71. 99. 337. 341. — Ver-
botene T. öffnen 129. 138. 256.
312. 331.
Tiere, dankbare 57. UO. 17(i. .348.
397. 398. 5.")9.^T.dankbar, Mensch
undankbar 519. — T. hilfreich
94. 17ö. 559. Ygl. Haustiere.
Tierfabeln 197. 370. 534. 560. Vgl.
Fuchs, Wolf.
Tierhaut des Bräutigams verbrannt
319. 511. 588. — Tierherz s. Herz.
Tierschwäger 418. 551.
Tischchen deck dich, Goldesel und
Knüppel aus dem Sack (Grimm
36) 47. 67. 423. 588.
Tochter säugt Vater (Mutter) 373. ^
Tod s. Boten, Gevatter.
Toter dankbar 5—39. 67. 80. 220.
424. 441. Vgl. Jean de Galais.
Trajan hat Bocksohren 382.
Traum von künftiger Herrlichkeit
430. 432.
Trinken, stehend oder knieend 386.
Trocken bleiben beim Regen 416.
Trommler (Grimm 193) 54.
Trug mit^ Prug gelohnt: s. Gold,
Kessel, Streik.
Trunkenbold in der Hölle 68.
Trunkenheit, Ehebruch, Mord 58^
Turandot s. Prinzessin. n
- "V
Undank des Söhnt»«: s. Grossvats^r,
Kolbe, Krötej'oohn.
r
— der Welt Lohn 50. 96.
Unglück im rfack 258.
Unibos 66. 91. 110. 233. \
Unsichtbar machender Stein IM.
Up Reisen gohn (Grimm 143) 8&s
Verjüngung in siedender Milch 468.
Vergessen s. Braut, Kuss.
Vertrag zwischen Herr und Diener
wegen des Aergers (der Reue)
261. 326.
Verwandlungen auf der Flucht 55.
171.
Verwandlungskampf 138. 588.
Virgil rächt sich an der Frau (Feuer
anzünden) 417. — Wiederbele-
bung misslingt 140. 417. 585.
Vogel, der goldene (Grimm 57) 54.
265. 402.
— goldener 539; wahrsagender 118.
143. — Vogels drei Lehren 575.
580. Vögel offenbaren den Mord
582. V., der den Helden trägt, •
mit dessen Fleisch gefüttert 63.
181. 194.
Vogelsprache verstehen 145.
Vügelkens, de drei (Grimm 96) 62. j>^
566.
Wach bleiben (Salz in der Wunde)
561. — Vgl. Jüngster.
Wachsen, schnelles 405.
Wandrer, die beiden(GrimmZ07) 281.
Wasser des Lebens (Grimm 97) 55.
186. 562. ~ Vgl. 367. '396. 572.
581.
(i08
Zu r Märclionforschung.
VVechselbalg wuiidor-t 'siyb über
Wasserholcii in Erei-sohaten 219.
Weg nach ahgemitzten Schuhen
^p-emessen 57 4, — Den gefähr-
licb«*^äji We^' wählen 537.
"VV'ei" u)i(l N.'i4e wer Eigensibaften
5V7. ^^jfc
'^^^ette üb(>i' lierecRtigkeit und ün-
gcreohtip:keit 282.\ 465. — über
Keu^clihuit der Schwester 374;
üVei- Treue der Frau (Iinogen)
ßn. r,(s'l. 588. - ,Ygl. A^ertrag.
Wettjfampf im Essen , Werfen,
Laufen .ö8. 69. 85.
Wielandsage 120.
Wiesel als Zeuge 581.
Wilder Mann aus dem Käfig ge-
lassen 333.
Wocher.tage personifiziert 317. 399.
im Elfenliede 131.
Wolf Uiid Tuchs 105. 197. — A.
und Ziege 134. — W. imScbii
still] 323. Vgl. Schwan».
Wund ■• ,'f'üfe 55. 61. 8fe. Ygl. 252
Wunsi h(ü ge den streitenden Erben
genoni!^«^. 54. ()1. 311. 406. —
Wunsfhpt tsche Hl. — . Wunsch-
. sack 83. 11. 303. 321. — Ygl.
Ring.
Zaubere' und Lehrling: s. Gaudeit.
Zaunkönig (Grimm 171) 136.*^ — /
und Eule 70. 136.
Zeichensprache 513.
Zeitbestimmung: gleiche Zahl von
Jahren, Monaten, Tagen 6.
Zeitrechnung Nasr-eddins 484.
Ziege bushaft 423. Ygl. Wolf.
Zimmer s. Thür.
Zunge dem Räuber ausschneiden
72. — Lilie auf der Zunge 130. i
— Ygl. Drachenzungen. ^
Zwerg (Waldgeist) gefana^en- ^.
Baum spalten.
PLEASE DO NOT REMOVE
CARDS OR SLIPS FROM THIS POCKE
UMIVERSITY OF TORONTO LIBRAR
NO BOUND