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Full text of "Kleine Schriften"

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University  of  Toronto 


http://www.archive.org/details/kleineschriften01furt 


KLEINE  SCHRIFTEN 

VON 

ADOLF  FURTWÄNGLER 


HERAUSGEGEBEN 
VON 

JOHANNES  SIEVEKING  und  LUDWIG  CURTIUS 


ERSTER  BAND 

MIT  20  TAFELN  UND  46  TEXTILLUSTRATIONEN 


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C  •  H  •  BECK'SCHE  VERLAGSBUCHHANDLUNG 
OSKAR  BECK  ^^=  =  ^:^^  MÜNCHEN  1912 


ADOLF  FURTWÄNGLERS  KLEI 

werden  in  etwa  drei  Bänden  erscheinen:  als  ein 
früh  abgerufenen  Forscher  und  als  eine  unverglei 
rung  der  Literatur  der  klassischen  Kunstarchäolog 
daß  Adolf  Furtwängler  gerade   in   solch  kleinen 
wertvollsten  Anregungen   ausgesprochen,   die  fü 
Spezialf ragen  erörtert  hat;   er  weiß  auch,   daß  e 
handlungen  Adolf  Furtwänglers  von  der  Forschui 
überholt,  daß  sie  noch  ganz  lebendig  sind.  Aber 
waren  bisher  in  aller  Welt  verstreut  und  nur  allz 
reichbar.    Da  fast  kein  Gebiet  der  Wissenschaft 
logie  von  Adolf  Furtwängler  unbebaut  geblieb 
„Parerga"  des  Meisters   einen  umfassenden  Üb( 
logische  Forschung  der  letzten  Jahrzehnte,  durch 
nicht  am  wenigsten   eben   durch  das  Verdienst 
völlig  neue  Grundlagen  gestellt  wurde. 


In  Halbfranz  gebundene  Exemplare  steh 

M  23.50  zur  Verfugun, 


KLEINE  SCHRIFTEN 


VON 


ADOLF  FURTWÄNGLER 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


JOHANNES  SIEVEKING  und  LUDWIG  CURTIUS 


ERSTER  BAND 


MIT  20  TAFELN  UND  46  TEXTILLUSTRATIONEN 


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C.  H.  BECK'SCHE  VERLAGSBUCHHANDLUNG 
OSKAR  BECK    ^^=^^^^    MÜNCHEN  1912 


V 
56  0  5 

fl 


Copr.  München  1911 
l   Beck'sche  Verlagsbuchhandlung  Oskar  Beck 


!.  Beck'sche  Buchdruckerei  in  Nördllngen 


VORWORT 


ald  nach  Adolf  Furtwänglers  allzu  frühem  Tode  äußerten  Freunde 
und  Schüler  den  Wunsch,   es  möchten  die  zahlreichen  kleinen 
Arbeiten  des  so  fruchtbaren   Gelehrten   in  einem  Sammelwerk 
„Kleine  Schriften"  neu  herausgegeben  werden. 

Die  Erfüllung  dieses  Wunsches,  die  sich  in  diesem  ersten  Bande  zu 
verwirklichen  beginnt,  ist  vor  allem  der  unermüdlichen  Sorge  der  Witwe 
Frau  Adelheid  Furtwängler  und  der  Bereitwilligkeit  des  Verlegers  zu 
verdanken. 

Die  Herausgeber  wünschen  in  drei  Punkten  ihre  Weise  zu  rechtfertigen. 
In  der  Auswahl  der  Schriften  sind  wir  weitherzig  verfahren.  Wir  haben 
ausgeschlossen  nur  Arbeiten,  die  durch  Neubearbeitung  überflüssig  ge- 
worden waren,  wie  z.  B.  die  Fundberichte  aus  Olympia,  Arch.  Zeit.  1878 
S.  172  u.  1879  S.  40.  Daß  wir  Aufsätze  aufgenommen  haben  wie  den: 
„Aus  der  Umgebung  Olympias"  hoffen  wir  nicht  erst  verteidigen  zu  müssen. 
Er  ist  ein  kleines  Stück  Autobiographie.  Im  übrigen  ist  unser  Vorhaben 
die  kleinen  Arbeiten  vollständig  wiederzubringen.  Da  die  Winckelmanns- 
programme  und  die  Akademieabhandlungen  zum  Teil  vergriffen  sind,  hoffen 
wir  damit  auch  das  noch  zu  Lebzeiten  des  Verfassers  lautgewordene  Ver- 
langen nach  einer  neuen  Auflage  dieser  Schriften  zu  befriedigen. 

In  der  Anordnung  sind  wir  von  dem  in  ähnlichen  Fällen  herrschen- 
den Grundsatz  einer  rein  chronologischen  Folge  abgewichen.  Wir  teilten 
die  Masse  der  Abhandlungen  nach  ihrem  Inhalt  in  größere  zusammen- 
hängende Gruppen,  innerhalb  deren  dann  die  Anordnung  nach  dem  Zeit- 
punkt des  Erscheinens  herrscht  oder  wieder  eine  weitere  Teilung  in  kleinere, 
enger  zusammengehörige  Gruppen.  Gleich  der  erste  Band  gibt  den  Vor- 
teil dieser  Anordnung  deutlich  zu  erkennen.  Dessen  eine  Hälfte  umfaßt 
die  Erstlingsarbeiten,  die,  im  Gedanken  unter  sich  enge  verwandt,  sich  auf 
„die  Geschichte  der  Genrebildnerei  bei  den  Griechen"  beziehen.  Der 
andere  Teil  besteht  aus  den  kleineren  Arbeiten  zu  den  Ausgrabungen  von 
Olympia  und  den  mit  den  olympischen  Bronzefunden  in  engem  Zusammen- 


\\-  Vorwort. 


.enden  Au  über  verschiedene  archaische  Bronze-  und  Gold- 

Findet  der  Leser  hier  in  der  Zusammenordnung  des  sonst  weit 

immengehörigen  seine  Bequemlichkeit,  so  gewinnt  durch 

unser  Verfahren  der  Band  auch  als  solcher  Gesicht.    An  seinem  Anfang 

wohl   selten  noch  aufgesuchte  Dissertation,   am  Ende  aber  die 

dlung   über   die  Bronzefunde   von  Olympia,   kaum  in  irgendeinem 

tlichen  Teile  heute  überholt,  in  der  Schärfe  der  Problemstellung,  in 

Technik   der  Argumentation,   in   der  Beherrschung   des  Materials   für 

ihren  Verfasser  bezeichnend  wie  kaum  eine  zweite. 

Die  Nenherausgabe  schien  uns  nichts  anderes  zu  fordern  als  einen  un- 
veränderten Wiederabdruck.  Unsere  Zusätze  stehen  in  eckigen  Klammern. 
<ind  nur  Zitate:  Nachweise  der  Denkmäler  in  späteren  Publikationen,  Ver- 
aui  Furtwflnglers  eigene  spätere  Behandlung,  Hinweise  auf  tatsäch- 
liches Material,  welches  unsere  Kenntnis  authentisch  erweitert  oder  ändert. 
inze  Literatur,  oder  auch  nur  die  anschließende  gegnerische  vollständig 
anzuführen,  schien  uns  unmöglich.   Es  hätte  das  beinahe  eine  Bibliographie 
ur^  inzen  Wissenschaft  werden  müssen.    Bei  den  vielen  Hunderten 

behandelter  Denkmäler  sind  wir  nicht  sicher,  selbst  innerhalb  der  von 
uns  gesteckten  Grenzen  unserer  Absicht  überall  nachgekommen  zu  sein, 
worüber  milde  urteilen  wird,  wer  gleiches  einmal  versucht  hat.  Daß  die 
Abbildungen  vollständig,  in  einigen  Fällen  sogar  verbessert  wiederkehren, 
dafür  haben  die  Herausgeber  dem  Verleger  besonders  zu  danken.  Die 
Orthographie  und  Interpunktion  ist  die  von  der  Offizin  beliebte,  dagegen 
ist  die  sprachliche  Form,  auch  wo  sie  besondere  dialektische  Färbung 
t,  durchaus  beibehalten  worden.  Druckfehler  sind  stillschweigend  be- 
auch  in  den  Zitaten,  und  bei  diesen  ist  durch  zweckmäßige  Ände- 
rung größere  Klarheit  und  eine  gewisse  Gleichmäßigkeit  angestrebt.  Ein 
chronologisches  Verzeichnis  von  Furtwänglers  sämtlichen  Schriften  sowie 
ein  Register  zu  allen  Bänden  wird  dem  letzten  beigegeben  werden. 

darf  nicht  verschwiegen  bleiben,  daß  in  allen  Dingen  Paul  Wolters 
der  Herausgabe  uns  in  jener  Art  zur  Seite  gestanden  ist,  die  nur  be- 
urteilen kann,  wer  seine  Hilfe  selbst  einmal  erfahren.   Außerdem  sind  wir 
fUr  :  ng   von  Kupferplatten   und  Zinkstöcken  dem  Deutschen  Ar- 

chä'  ben  Institut  und  den  Firmen  Reimer  und  Behrend  in  Berlin  zu 

■pflicht' 

!it  bei  der  I  lerausgabc  ist  nicht  nur  eine  Erfüllung  der  Pietät. 

Auch  in  der  Wissenschaft  hat  allein  das  Lebendige  Recht.    Es  ist  unsere 

ne,   uns  zuweilen   selbst  erstaunende  Erfahrung  bei  der  Vorbereitung 


Vorwort. 


gewesen,  wie  wenig  diese  kleinen  Schriften  seit  ihrem  Erscheinen  gealtert 
sind.  Furtwänglers  Arbeiten  haben  kaum  eine  literarische  Physiognomie, 
sie  sind  weder  geistreich  noch  tiefsinnig,  wie  die  Arbeiten  manch  anderer 
bedeutender  Gelehrten  der  antiken  oder  modernen  Kunstforschung.  Was 
sie  auszeichnet  ist  ein  gewisser  naiver  Realismus  der  historischen  Be- 
trachtung und  Behandlung.  Dieser  beruht,  ja  ist  erst  möglich,  auf  dem 
Grunde  einer  ungeheuren  Denkmälerkenntnis,  wie  sie  vor  Furtwängler 
keiner  besaß,  wie  sie  durch  Reisen  und  Photographie  überhaupt  in  der 
Gegenwart  erst  möglich  geworden  ist.  Überblickt  man  neben  den  großen 
Hauptwerken  Furtwänglers  die  Reihe  der  Parerga,  so  scheint  es  fast,  als 
sei  mit  Ausnahme  weniger  Teile  unsere  ganze  Wissenschaft  in  ihnen 
gleichmäßig  durchgearbeitet. 

Man  hat  von  den  Naturwissenschaften  gelegentlich  bemerkt,  die  Per- 
sönlichkeit des  Forschers  spiele  in  ihnen  keine  Rolle;  sie  übernähmen  von 
dem  Gelehrten  das  ausgearbeitete  Resultat,  das  in  seiner  Formelexistenz 
sich  ganz  von  der  Individualität  des  Entdeckers  trenne.  Die  Geschicht- 
schreibung hingegen  wird  immer  mit  der  Persönlichkeit  ihres  Autors  un- 
trennbar verbunden  sein.  So  werden  auch  diese  gesammelten  Schriften 
ein  Zweifaches  überliefern:  neben  dem  objektiven  Schatz  eines  ungeheuren 
Wissens  die  mannigfaltigste  Äußerung  einer  großen  Persönlichkeit,  die  in 
ihrer  Wissenschaft  nicht  nur  das  Feld  ihrer  seltenen  Energie  fand,  sondern 
in  der  Verbindung  mit  den  Griechen  die  Erfüllung  der  eigenen  edlen  Natur. 

München-Erlangen  im  Oktober  1911 

Ludwig  Curtius 
Johannes  Sieveking 


INHALTSVERZEICHNIS 


Seite 

Eros  in  der  Vasenmalerei  (1874) 1 

Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans  (1876) 60 

Intorno  a  due  tipi  d'Amore  (1877)       119 

Cista  Prenestina  e  Teca  di  specchio  con  rappresentazioni  bacchiche  (1877)    .    .    .  134 

Büste  Pans  in  Terracotta  (1878) 186 

Der  Satyr  aus  Pergamon  (1880) 190 

Arianna  dormente  e  Bacco  sopra  cratere  etrusco  (1878) 213 

Aus  der  Umgebung  Olympias  (1880) 227 

Eine  Ausgabe  der  Funde  von  Olympia  in  einem  Bande  (1882) 245 

Zum  Bathron  des  Anathems  des  Praxiteles  (1879) 259 

Inschriften  aus  Olympia  (1879) 262 

Von  der  Reise:  Olympia  (1888) 278 

Zum  Ostgiebel  von  Olympia,  mit  Anhang  (1891) 280 

Zum  Ostgiebel  des  Zeustempels  in  Olympia  (1892) 295 

Der  Ostgiebel  des  olympischen  Zeustempels  (1903) 301 

Zu  den  olympischen  Skulpturen  (1893) 313 

Bronze  aus  Olympia  (1879) 336 

Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung  (1879)  .    .  339 

Hektors  Lösung  (1884) 422 

Bronzi  arcaici  provenienti  dalla  Grecia  (1880) 433 

Das  Alter  des  Heraion  und  das  Alter  des  Heiligtums  von  Olympia  (1906)     .    .    .  446 

Archaischer  Goldschmuck  (1884) 458 

Der  Goldfund  von  Vettersfelde  (1883) 469 


VERZEICHNIS  DER  TAFELN 


Tilel                                                                                                                                                                           zu  Seite 

1.  Cista  Prencstina 134 

2.  Dnc  testine  di  bronzo 180 

Teca  di  specchio       135 

4.  Bronzestatuette  aus  Pergamon  in  Berlin 191 

5.  Marmortorso  in  Berlin       196 

-  üyrdarstellungen 197 

7.  Cratere  trovato  presso  Filacciano 213 

Cratere  rappresentante  Bacco  ed  Arianna 216 

9.  1.2.  Due  vasi  rappresenlanti  Saliri  e  Baccanti 221 

9.  3.  Pansbüste  aus  Athen 186 

10.  Bronze  aus  Olympia 336 

11.  Fragment  eines  Sarkophags  in  Berlin.    Kopf  aus  dem  olympischen  Westgiebel  .  313 

12.  Kopf  von  Brauron  in  Attika 332 

13.  Fibula  e  diadema  trovati  presso  Tebe 433 

14.  Frammenti  di  bronzo  trovati  ad  Atene  e  nella  Beozia 442 

15.  Archaischer  Goldschmuck  aus  Korinth 458 

16.  Archaischer  Goldschmuck  aus  Athen,  Kameiros,  Melos  und  Delos 458 

17.  Archaischer  Goldschmuck  aus  Athen  und  Etrurien 458 

19.  20.  Goldfund  von  Vettersfelde 471 


EROS  IN  DER  VASENMALEREI. 

(1874) 


ohl  keinen  Gott  haben  die  Vasenmaler  häufiger  und  verschiedenartiger  dar- 
gestellt als  Eros;  wenn  man  es  dennoch  bisher  unterlassen  hat,  sein 
Vorkommen  besonders  zu  untersuchen,  so  mag  das  vor  allem  darin 
seinen  Grund  haben,  daß  er  nur  wenig  mythisches  Interesse  bietet;  denn  Eros 
hat  keine  eigentlichen  Mythen  und  sein  Wesen  ist  vorwiegend  begrifflich;  aber 
gerade  dies  macht  seine  Entwickelung  so  äußerst  anziehend  und  lehrreich.  Ja 
es  muß  Eros,  der  frei,  ohne  Bande  der  Tradition,  künstlerisch  verwendet  werden 
durfte,  dessen  Auftreten  meist  dem  zu  Grunde  liegenden  Gedanken  selbst,  nicht 
der  äußern  Überlieferung  verdankt  wird,  ein  vorzüglicher  Gradmesser  des  geistigen 
Standpunktes  der  Künstler  sein.  Dennoch  begnügte  man  sich  bisher  mit  all- 
gemeinen Bemerkungen  und  ohne  Halt  schwankte  das  Urteil,  man  vermengte  die 
verschiedensten  Anschauungen,  namentlich  die  der  Vasenmaler  mit  den  späteren. 
Das  Folgende  soll  ein  Beitrag  zur  Läuterung  und  Klärung  vor  allem  da,  wo  es 
am  nötigsten,  auf  dem  Gebiete  der  Vasen  sein,  ein  Beitrag,  der  künftigen  um- 
fassenderen Arbeiten  über  diesen  Kreis  begrifflicher  Wesen  einen  festen  Grund 
bereiten  will.  Nur  selten  wird  Polemik  gegen  bisherige  Ansichten  gefordert 
erscheinen,  da  die  meisten  Resultate  sich  durch  eine  umfassende  Statistik  der 
Tatsachen  und  deren  unbefangene  Beurteilung  von  selbst  ergeben. 

Das  Dunkel  der  mythischen  Anfänge  des  Eros  zu  lichten,  liegt  keineswegs 
in  unserer  Absicht;  da  wenigstens  die  erhaltne  Kunst  ihre  Anregung  nicht  der 
Mythologie  und  dem  Kult,  sondern  freipoetischen  Schöpfungen  verdankt,  so  6 
sind  eben  auch  nur  letztere  für  uns  von  Bedeutung.  Um  uns  daher  die  all- 
gemeinen Grundanschauungen,  welche  die  Vasenmalerei  in  Gestaltung  und  An- 
wendung des  Eros  bestimmen,  zu  vergegenwärtigen,  müssen  wir  einen  Blick  auf 
die  Art  werfen,  wie  die  Poesie,  zunächst  in  voralexandrinischer  Periode,  Eros  be- 
handelt. 

EINLEITUNG: 
EROS  IN  VORALEXANDRINISCHER  POESIE. 

Schon  bei  Hesiod  ist  Eros  eine  fertige  Persönlichkeit,  Diener  der  Aphrodite, 
der  schönste  der  Götter,  mit  den  Chariten  verbunden,  Gott  des  Zeugungs- 
triebes, der  alle  beherrscht  (Theog.  120;  201;  64);  dennoch   ist  der  begriffliche 

A.  Furt wängler.   Kleine  Schriften  I.  1 


s  i\  di  r  Vasenmalerei. 


.  Iiaraktcr  klar;  da  nun  seit  alter  Zeit  (Homer)   iook  mit  fpegog   synonym 
konnte   auch  Himeros  zur  Person  werden:    mag   auch    der 
»d  durch  den  thespischen  Kult  nahegelegt  worden  sein,  so 
eine   freie  poetische  Schöpfung  und  weist  uns  auf  die  Bahn, 
der   wir   die  Weiterentwicklung   des   Eros  verdanken.     Archilochos  der  Jonier 
ins  \  ora  Gotte  Eros,  ja  er  muß  (fr.  103  nach  Bergk  3.  Aufl.,  wie  das  Folgende) 
;  näher    spezialisieren   als  Üqcos   q>d6ttjxoe]   dagegen    personifiziert   er  einen 
,  ,-  Uödoi   (fr.  85).     Sicher  persönlich    ist   er   wieder  bei    dem    äolisch- 
dorischen  Alkman,  übermütig  auf  Blumen  hinschreitend  (fr.  38;  36;  16  p.  1,  13 f.)- 
Alka  ins,  der  Lesbier,  preist  ihn  detv&xatov  &6cov,  Sohn  der  Iris  und  des  Zephyros 
(fr.  13);   nicht  minder  Sappho:  er  kömmt  in  purpurner  Chlamys  vom  Himmel, 
chfltterl  ihr  Herz  (fr.  64;  42;  74;  125;  132;  40).  Vor  allen  aber  Anakreon:  Eros, 
die  Nymphen   und  Aphrodite  spielen  mit  Dionysos;  wie  ein  Schmied  hämmert 
er  mit  dem  Beile  und  badet  mich  in  winterlichem  Waldstrom,  er  wirft  mir  den 
Ball  zum  Spiele  zu,  alles  symbolisch  gedacht,  denn  die  Astragalen  des  Eros  sind 
Haserei  und  Kampfgewühl;  doch  vom  Graubart  fliegt  er  weg  (fr.  2;  48;  14;  47; 
13;  21:  d-M.     Überall  ist  Eros  feste  Persönlichkeit,  aber  alles  von  ihm 
.igte  wird  aus  seinem  Begriff  und  Wesen  abgeleitet  und  in  kräftig  phantasie- 
vollen symbolischen  Bildern  gegeben.     Es  kommen  weder  Bogen  noch  Fackel, 
auch  nicht  mehrere  Eroten  vor  (denn  fr.  129  ist  die  Fassung  bei  Himer.  or.  14,4 
sehr  verdächtig  und  erlaubt  gar  keine  Schlüsse).     Dem  Anakreon  steht  Ibykos 
nicht  nach  und  ist  ihm  sehr  verwandt:  es  stürmt  Eros,  wie  der  thrakische  Boreas, 
finster  unerschrocken  neben  Kypris  her,  oder  er  lockt  durch  seinen  zauberhaften 
schmelzenden  Blick  in  die  Netze  der  Aphrodite  (fr.  1  und  2).     Erwähnung  ver- 
dienen ferner  Simonides,  der  Eros  grausam,  von  schlimmen  Eltern  nennt  (fr.  43) 
und  Theognis,  wenn  1231;  1275  ff.  von  ihm  sind. 

Demgegenüber  muß    es    sehr  überraschen,    daß  wir  bei  Pin  dar  Eros   als 
önlichkeit  nicht  nachweisen  können;  zum  mindesten  zweifelhaft  ist  eine  per- 
sönliche Auffassung  fr.  104;  (Bergk)  Isthm.  8,  29.   Allgemein  Begierde  Streben: 
Pyth.  10,  60;  Nem.  3,  30,  wo  igoores,  wie  auch  Nem.  8,  5;  11,  48.  Bestimmt  erotische 
Triebe  fr.  PK);  105.  99,  4  nennt  er  Aphrodite  ikith)  igcoxcov,  nach  Analogie  der 
übrigen  Stellen  wohl  auch  begrifflich  zu  fassen,  obwohl  nur  wenig  von  wirklichen 
önlichen  Eroten  entfernt.     Ähnlich  ist  es  bei  Aeschylus,  Ugaig  für  Liebes- 
I',.  Ag.  540;  743;  Prom.  591;  Cho.  600,  auch  der  Plural:   Cho.  598; 
Suppl.  1043,  wo  die  ipedvQcd  iglßoi  Igcbtcov  jedenfalls  der  persönlichen  Auffassung 
ehr  nahe  stehen.    Häufig  ist  XfUQOi  begrifflich,  auch  Prom.  649  ist  1/if.qov  ßiXei 
nicht  persönlich  gedacht.     Sichrer   ist   Pothos   personifiziert,   er  ist  nebst  Peitho 
'   der  Aphrodite  (Suppl.  1039).     Bei   Sophokles   dagegen   ist 
»tt  und  töricht  wer  ihm  entgegen  ringen  will  (T räch.  354;  361  vgl.  Anakr. 
fr.  *<^)      Bekannt  ist  Antig.  781:  der  unbesiegbare  Eros  herrscht  in   Natur  wie 
Ict  den  ei  schwebt   über  Land   und  Meer,   niemand   entflieht  ihm, 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  3 


zu  unrechten  Taten  verleitet  er:  —  das  begriffliche  Wesen  ist  hier  noch  ganz  im 
Vordergrund,  die  Wirkung  des  Affektes,  den  Eros  repräsentiert,  wird  großartig 
und  weit  gefaßt,  von  einer  durchgebildeten  Persönlichkeit  desselben  finden  wir  8 
nichts,  k'gcoreg  kommen  nur  begrifflich  vor  (Ai.  1205;  Ant.  617)  und  weder  Himeros 
noch  Pothos  sind  Personen.  Bei  Euripides  kömmt  Eros'  Macht  zu  größter 
Anerkennung  und  oft  wird  seine  und  der  Aphrodite  Allgewalt  über  Natur  und 
Menschen  geschildert  (Hipp.  1269;  fr.  271 ;  132;  433;  Tro.  839),  ohne  Rückhalt  wird 
ausgesprochen,  daß  auch  Zeus  sich  dem  Eros  willig  fügt  (fr.  434  im  Gegensatze 
zu  Sophokles'  vorsichtiger  Äußerung  fr.  856);  er  ist  Sohn  des  Zeus  und  bringt  auch 
Unheil,  wird  aber  doch  nicht  verehrt.  Auch  bei  Euripides  erscheint  Eros  eng  mit 
Aphrodite  verknüpft:  Hipp.  525;  12691,  Bakch.  404  f.  wohnen  die  •&£Xg'i<pgoveg 
'Egcozeg  auf  Kypros,  fr.  781,  16  ist  Aphrodite  Herrscherin  Egcorcov;  wir  begegnen 
hier  zum  ersten  Male  einer  Mehrzahl  von  Eroten  als  Diener  der  Aphrodite  sicher  per- 
sönlich, ebenso  Med.  627;  844;  330:  ohne  mythologischen  Unterschied  werden 
'Egcozeg  und'Egcog  gebraucht,  wie  es  eben  paßt  (ganz  wie  dann  in  der  Kunst)  und 
es  ist  ein  schlagendes  Zeugnis  für  das  begriffliche  Wesen  des  damaligen  Eros,  eben 
daß  man  ihn  vervielfachen  konnte.  Ganz  der  innersten  Euripideischen  Denkweise 
eigen  ist  aber  die  philosophisch-moralisierende  Scheidung,  die  er  in  Wesen  und 
Wirken  des  Eros  vornimmt,  indem  er  nämlich  die  gute,  mäßige,  zu  Tugend, 
Weisheit  und  Glück  führende  Liebe  von  der  schlimmen,  unmäßigen,  ins  Unglück 
stürzenden  scheidet.1  So  erklärt  sich  das  Lob,  das  Euripides  dem  Eros  spendet,  als 
Lehrer  edler  Begeisterung  und  Dichtkunst,  der  Weisheit  und  Tugend  (fr.  666;  889; 
Med.  844).  Wem  fällt  hier  nicht  Piaton  ein,  der  im  Symp.  c.  19  den  Agathon 
dasselbe  reden  läßt;  auch  die  Scheidung  des  Pandemos  und  Uranios,  eines  reinen, 
mäßigen  und  des  Gegenteils,  sowie  der  allgemeine  Eros  der  Weisheit  und  Tugend 
sind  ganz  in  Euripideischem  Geiste.  Übereinstimmend  mit  dieser  philosophischen 
Richtung  wiegt  auch  bei  Euripides  das  begriffliche  Element  in  Eros  noch  weit  9 
vor  und  von  einer  menschlich  persönlichen  Durchbildung  ist  nicht  zu  reden.  So 
ist  die  Scheidung  zweier  Arten  von  Eros  ganz  aus  Beobachtung  des  zu  Grunde 
liegenden  Affekts  ohne  Rücksicht  auf  Persönlichkeit  hervorgegangen,  ebenso  sind 
die  ihm  beigelegten  Handlungen  begrifflich  symbolisch  gefaßt  (z.  B.  yvyag  ya- 
gdooei  fr.  434;  Tro.  839);  dagegen  scheint  der  ihm  hier  zuerst  beigelegte  Bogen  zu 
sprechen:  Med.  530  'Egcog  o'tjväyyMoe  TÖfoig  äcpvxroig,  doch  gleich  v.  632  spricht 
Euripides  auch  von  einer  Aphrodite,  die  Pfeile  sendet,  offenbar  allgemein  poetisch; 
noch  klarer  wird  das  Begrifflich-Symbolische  dieser  Pfeile  Hipp.  531,  wo  das 
ßekog  der  Aphrodite,  das  Eros  entsendet,  dem  ßeXog  des  Feuers  und  dem  der 
Sterne  überlegen  genannt  wird;  auch  Hipp.  392  ist  begrifflich  zufassen.  Anders 
steht  es  in  jeder  Beziehung  mit  Iph.  Aul.  544,  wo  Handlung  und  Ausdruck  nicht 


1  fr.  551;  671;  Med.  627;  fr.  adesp.  151  wahrscheinlich  von  ihm;  fr.  342;  Hipp.  525  Eros 
ägov&fio;;  am  klarsten  Iph.  Aul.  544. 

1* 


Eros  in  der  Vasenmalerei. 


an  der  durchaus  menschlich-persönlichen  Auffassung  zweifeln  lassen  und  wo  der 
Attribut  des  Gottes  ist,  mit  dem  er  Liebe  sendet;  dabei  ist  jedoch 
daß  Iph.  Aul.  das  späteste,  vom  Dichter  selbst  unvollendet 
\nv  ;0  Stück   ist;   so   dürfen  wir  wohl  schließen,   daß  eben  in  dieser  Zeit 

i  "..  Jahrb.)  der  Bogen  als  Attribut  des  mächtigen  Gottes  sich  allmählich 
in  der  Vorstellung  festsetzte.    Sehr  wahrscheinlich  ist  mir,  daß  diese  Anschauung 
beliebten  poetischen  Bilde,  das  die  entzündende  Glut  der  Augen  mit  Ge- 
schossen vergleicht  (z.  B.  Anth.  Pal.  12,  101,  2)  seinen  Ursprung  verdanke,  indem 
ide  bei  F.ros  die  Gewalt  des  Blickes  oft  gepriesen  wird.1    Pothos  erscheint 
nem  Wesen   gemäß   den   rasenden  Mänaden  freundlich  (Bakch.  412).  —  Die 
entlich  populären  Vorstellungen  der  Zeit  gibt  uns  aber  Aristophanes,  wo  Eros 
in  seinen  beiden  Haupttätigkeiten  erscheint,  Liebespaare  zusammenzuführen  3  und 
10  Schönheit  zu  verleihen  (Lys.  551);  die  orphisch-theogonischen  Erosspekulationen 
werden   verspottet  Av.  693  und  Pothos   personifiziert  ib.  1320.     Der  Bogen   als 
but  kömmt  nicht  vor.    Auch  die  vorsokratischen  Reden  in  Piatons  Symposion 
vn  ein  lebendiges  Bild  der  Anschauungen  im  Kreise  der  Gebildeten:  überall 
wird  Eros  noch  begrifflich  behandelt.     Die  von  einigen  Alten  dem  Piaton  zu- 
:hriebenenEpigr.31  und32(BergkPoet.  lyr.  S.628,  vgl.  618)  sind  sicherlich  nicht 
von  ihm;  dies  beweisen  vor  allem  die  dem  Piaton  noch  fremden  ganz  hellenistischen 
jhauungen  von  Eros.  -     Überhaupt  aber  muß  Eros  eben  zu  Ende  des  5.  und 
Anfang  des  4.  Jahrh.  in  Athen  ein  neues  lebhaftes  Interesse  erregt  haben;  daß 
Piaton  einen  eignen  Dialog  zu  seinem  Preise  schreiben  konnte,  ist  bezeichnend 
genug;  um  so  mehr  ist  zu  beklagen,  daß  wir  von  der  poetischen  Literatur  des 
4.  Jahrh.,    außer  dürftigen   Resten,    nichts   besitzen.    Aus   den   Fragmenten   der 
Tragiker  ist  etwa  zu  nennen  Aristarch  fr.  2:  Eros  macht  auch  den  Schwachen 
stark,   ganz  vom   begrifflichen   Standpunkt.     Von  Dikaiogenes  (fr.  1)  werden  in 
symbolischem  Sinne  Netze   des  Eros  genannt.     Unter  den   Lyrikern   dichtete 
Philoxenos  vielleicht  ein  eigenes  Melos  auf  Eros  (Bergk  S.  1261  fr.  6);  schön  ist 
.wipp.  fr.  7.     Etwas  mehr  bieten   die  Fragmente  der  Komödie,  wo  ja  die 
jetzt    eine    Hauptrolle    spielte;    charakteristisch    ist   Timoth.  (?)     Meineke 
Bergk  S.  127.1.     Eine   eigene  Mischung   der  begrifflichen  mit  der  rein 
menschlichen  Auffassung  ist  es,  wenn  Eubulos  den  Eros  lieber  ungeflügelt  dar- 
da  er  so  schwer  wegzubringen  ist  (Mein.  3,  226,  3),  oder  wenn  ihn 
nicht  männlich  noch  weiblich,  sondern  aus  allen  möglichen  Eigenschaften 
immengesetzt  nennt  (3,  495),  was  uns  lebhaft  an  Schöpfungen  wie  der  Demos 
erinnert.     (Vgl.   ferner  Alexis  3,  392,  1;  3,  411).     Auch  was  von 
erhalten  ist,  gehört  noch  in  diese  Reihe,  ja,  wie  überhaupt  die  Sentenzen 
hließen    sich    auch    seine  Aussagen  über  Eros  direkt  an  Euripides 

i  BT.  HJj  Bergk  Poet.  lyr.  S.  1 273  Timoth.  fr.  ]■>. 

\\.  1737  lenkt  er  den  Hochzeitswagen  des  Zeus. 


Eros  in  der  Vasenmalerei. 


an  (4,  203,  4;  128,  1;  137,  1),  ein  Beweis,  daß  das  ganze  4.  Jahrhundert  keine  von 
Euripides  wesentlich  verschiedenen  Erosvorstellungen  ausbildete. 

Überblicken  wir  diese  Entwicklungsreihe  bis  zu  den  Alexandrinern,  so  er-  11 
scheint  zuerst  der  äolische  Stamm,  ganz  seinem  leidenschaftlichen  subjektiven 
Charakter  entsprechend,  als  Träger  des  Gottes  Eros,  der  zuerst  bei  Hesiod  er- 
scheint; Alkman  übermittelt  ihn  den  Doriern;  dann  Alkaios  und  Sappho.  Erst 
durch  den  Einfluß  dieser  äolischen  Dichtung  scheint  Eros  auch  bei  den  Joniern 
Eingang  gefunden  zu  haben;  namentlich  ist  es  Anakreon,  der  mit  der  ganzen 
ionischen  Lebendigkeit  und  anmutig  frischen  Anschauung  sich  des  Eros  be- 
mächtigte. Dagegen  mußte  eine  Reaktion  erfolgen  in  der  universalen  Melik 
eines  Pindar,  der  es  nicht  auf  Darstellung  des  leicht  erregten  Empfindungslebens 
ankam,  sondern  die  vor  allem  auf  mächtigen  Gedankeninhalt  zielte,  der  es  nicht 
um  Veräußerlichung  in  Personen,  vielmehr  um  Vertiefung  in  Begriffe  zu  tun  sein 
mußte.  Nur  durch  Annahme  einer  solchen  Reaktion  ist  die  Tatsache  zu  erklären, 
daß  Pindar  den  Eros  nur  als  Begriff  verwendet,  aber  eben  dieser  begrifflichen 
Vertiefung  entspringt  die  von  Pindar  so  beliebte  Mehrzahl  von  egcorsg.  Dem 
Pindar  ist  Aeschylus  verwandt,  wie  in  allem,  so  auch  hier;  zwar  war  Eros  bereits 
auch  nach  Athen  gedrungen,  Anakreon  sang  an  Hipparchos'  Hofe  und  zu  der- 
selben Zeit  wird  Eros  ein  Altar  in  der  Akademie  errichtet;  doch  Aeschylus  folgt 
Pindar  und  wendet  sich  von  diesem  populären,  vorzugsweise  päderastischen 
Eros  ab,  denn  auch  ihm  kömmt  es  zunächst  auf  möglichst  tiefe  Durchbildung 
der  Begriffe  an,  alles  Äußere,  bloß  Überlieferte  wird  weggeworfen,  um  neu  zu 
schaffen  auf  selbständiger  Grundlage  des  Gedankens  und  Aeschylus  personifiziert 
lieber  einen  Pothos,  als  daß  er  den  traditionellen  Eros  annähme.  So  mußte  denn 
nach  dieser  begrifflichen  Durchbildung  der  Gott  Eros  in  der  attischen  Poesie  erst 
wieder  neugeboren  werden;  dies  konnte  nicht  lange  ausbleiben,  je  mehr  anmutig 
sinnliche  Empfindung  der  Gedankentiefe  den  Rang  ablief  und  je  mehr  die  Liebe 
als  wirksames  Motiv  in  die  Handlung  selbst  eindrang:  was  Sophokles  beginnt, 
vollenden  Euripides  und  dessen  Nachfolger;  daß  in  dieser  neuen  Entwicklungs-  12 
phase  Eros  vorzugsweise  von  der  psychologischen  Seite  gefaßt  werden  mußte, 
leuchtet  ein. 

Gehen  wir  nun  nach  dieser  einleitenden  Orientierung  zu  unserm  eigentlichen 
Zwecke,  der  Gestaltung  des  Eros  in  der  Kunst  über,  so  trennt  sich  hier  eine 
ältere  Periode  von  einer  Jüngern  ziemlich  bestimmt  ab. 

I.  VOR  DER  FREIHEIT  DER  KUNST. 

Der  eigentlich  archaischen  Kunst  ist  Eros  überhaupt  fremd;  es  erklärt  sich 
dies  teils  aus  der  lokalen  Beschränktheit  des  älteren  Eros  auf  Orte  und  Stämme, 
die  in  der  Kunst  kaum  eine  Rolle  spielten,  teils  aus  dem  Charakter  der  archaischen 
Kunst  selbst,  die  mehr  äußere  Darstellung  der  Handlung  als  psychologische  Moti- 
vierung derselben  bezweckt.  —  Wohl  spätem  Ursprungs,  aber  durch  den  archi- 


s  i\  der  Vasenmalerei. 


Charakter  dem  Archaischen  nahe  stehend  sind  zwei  Tonreliefs, 

e  wohl  einem  religiösen  Zwecke  dienten,   eine  Ausnahme  machen, 

beide  Male  untergeordnet.    Mon.  d.  Inst.  1, 18  [vgl.  Roscher's,  Lex.  d. 

ms  Agina:  Eros  ist  als  Mellephebe  gebildet  und  trägt  wie  auch  andere 

jiren   dieser  sogenannten    rnelischen    Reliefs   ein   kurzes  Röckchen, 

FlQgel  :    noch   an   den  Schultern   an.     Kaum   sicher  ist   die  Göttin  zu 

stimmen,  mit  der  er  hier,  gewiß  mythologisch,  eng  verbunden  erscheint;  nach 

Wi  Ire  es  Hekate,  nach  Stephani  (CR.  1863  S.  156;  1864  S.  108)  Aphrodite- 

doen   gerade  Nemesis  ist  Eros   immer  feindlich,   ich  möchte  daher  an 

emis  EfotQa£ta  (Ann.  d.  Inst.  1849,  H.)  oder  an  Artemis  Peitho  (Paus.  2,  21,  1) 

erinnern,   wobei   sich   auch   die   Greife  am   besten   erklärten.     Sicher  als  Diener 

und  Ausfluß  der  Aphrodite   erscheint  Eros   auf  dem  andern  Relief  in  München 

in.  d.  Inst.  1867,  D  [Furtwängler,  Beschreib,  d.  Antiquariums  S.  19]),  er  steht  als 

Knabe  gebildet,  in  der  Linken  die  Leier,  die  Rechte  vorstreckend,  auf  dem  Arme 

der  Mutter.    Ebenfalls  bei  Aphrodite  ist  er  auf  dem  unbedeutenden  archaisierenden 

Relief  Ann.  d.  Inst.  1830,  L,  2  [Museo  Chiaramonti,  Amelung  Taf.  45  Nr.  182]. 

Nur  aus  Beschreibungen  bekannt  sind  mir  zwei  griechische  Spiegelgriffe 
iBull.  d.  Inst.  1865,  131 ;  Guide  to  the  Bronze  Room  of  the  Brit.  Mus.  S.  13  [Cat.  of 
Bronzes  Taf.  IV,  241]),  wo  Aphrodite  in  strenger  Haltung  nach  dem  alten  Typus 
aufrecht  steht,  während  über  ihren  Schultern  zwei  Eroten  schweben,  die  den 
Spiegel  stützten;  ob  man  wirklich  mit  Newton  die  Zeit  kurz  vor  Phidias  für 
die  Entstehung  annehmen  darf,  ist  mir  sehr  zweifelhaft;  es  scheinen  mir  die 
schwebenden  Eroten  nicht  recht  der  archaischen  Kunst  zu  entsprechen;  und  so 
lange  nicht  entschiedne  Gründe  dagegen  sprechen,  wird  man  den  archaischen 
Typus  der  Aphrodite  als  in  spätrer  Zeit  festgehalten  ansehen  müssen,  was  sich 
bei  einem  Griffe  als  tektonischem  Gliede  sehr  leicht  erklärt.  [Vgl.  Roscher's  Lex. 
d.  Myth.  I,  1351]. 

Mehr  bieten  die  Vasen,  wo  er  zwar  auch  den  eigentlich  archaischen  schwarz- 
figurigen   fremd   ist,   wenigstens   erscheint   er  niemals  auf  sicher  alten  Gefäßen, 
die  wenigen  Fälle,  wo  er  vorkömmt,  sind  sämtlich  späterer  Fabrikation  verdächtig; 
Luynes,  Descr.  Taf.  15  [Bibl.  Nat.  303]  Lekythos   aus  „Griechenland":    Eros 
schwebt,  in  jeder  Hand  einen  Kranz,  auf  ein  Liebespaar  zu;  teils  die  große  Flüchtig- 
keit und  doch  feste  Typik   der  Zeichnung,   teils   das  Schweben   des  Eros  selbst 
-aten  die  spätere  Verfertigung;  ebenfalls  nachgeahmt  ist  Bull.  d.  Inst.  1867,  226 
•indorf,  Griech.  u.  sizil.  Vasenb.  Taf.  42,  2],  wo  mir  Eros  jedoch  sehr  zweifelhaft 
scheint  und  ich  lieber  einen  Hypnos  erkenne,  wie  Ann.  d.  Inst.  1833,  D  [München 
md  Sa         Ber.  1853,  Taf.  5    8,  Ant.  du  Bosph.  Taf.  63  A,  1    [Petersburg 
Nachahmung   sind   ferner  wahrscheinlich:   Brit.  Mus.  925   [E  397]:    Eros 
fliegt  einem  .Jünglinge  nach;  Wien  [Sacken-Kenner  S.  163]  II,  70  Frauen  mit  Eros 
chend;  Berlin  713  [2245]  allein  fliegend,  in  jeder  Hand  ein  Alabastron  —  sämt- 
edeutend  teüungen. 


Eros  in  der  Vasenmalerei. 


So  beginnt  das  Wirken  des  Eros  eigentlich  erst  mit  den  rotfigurigen  Vasen 
und  zwar  tritt  er  in  den  dem  freien  Stile  vorangehenden  Bildern  zunächst  als 
Sohn  und  Diener  der  Aphrodite  auf  in  drei  Darstellungen  des  Parisurteils:  er 
ordnet  ihr  das  Haar  Overb.  Gall.  Taf.  10,  1  [Brit.  Mus.  E  289].  Ebenda  Taf.  10,  4 
[Berlin  2291]  fliegen  vier  Eroten  mit  Kränzen  und  Zweigen  auf  sie  zu;  die  Zahl  vier 
ist  nur  der  Symmetrie  wegen  gewählt,  verschiedne  Namen  zu  geben  sind  wir  nicht  14 
berechtigt,  es  ist  vielmehr  die  unbegrenzte  Zahl  der  Diener  Aphroditens,  eine 
Vorstellung,  die,  wie  wir  sahen,  um  die  Mitte  des  5.  Jahrh.  ausgebildet  worden 
sein  muß.  Gerhard,  Ant.  Bildw.  Taf.  33  [Berlin  2536]  trägt  Aphiodite  den  kleinen 
Sohn  (auf  der  Rückseite  dort  Taf.  34  aus  künstlerischen  Gründen  gerade  doppelt 
so  groß)  als  Attribut  und  Symbol  ihrer  Macht  auf  der  Hand. 

Vor  allem  wichtig  ist  Mon.  d.  Inst.  I,  8  [Brit.  Mus.  E  440]:  es  schweben  als 
Revers  zu  Odysseus  mit  den  Sirenen  drei  Eroten  als  Jünglinge  gebildet  über 
das  Meer,  von  denen  der  vordere  ineoog,  die  beiden  andern  xaXog  genannt 
sind,  sie  tragen  Tänie,  Zweig  und  Hasen;  hier  noch  Eros  und  Pothos  zu  erkennen 
ist  keine  Berechtigung  vorhanden:  daß  Himeros  neben  Eros  gleichbedeutend  in 
alter  Zeit  gebraucht  ward,  sahen  wir  aus  Hesiod;  die  Wahl  gerade  dieses  Namens 
ist  hier  offenbar  der  Sirene  Himeropa  der  Vorderseite  zu  Liebe  geschehen,  wozu 
kommt,  daß  gerade  ijuegos  den  unwiderstehlich  verlangenden  Zug  nach  einem 
Objekte  vor  Augen  bezeichnet,  und  dies  ist  eben  die  gewaltige  Macht,  die 
Odysseus  zu  überwinden  hat,  die  in  der  Sirenengestalt  nicht  zum  vollen  Aus- 
druck gelangt  und  deshalb  noch  einmal  symbolisch  durch  die  drei  Eroten  be- 
zeichnet wird.  Ähnlich  ist  Eros  verwendet  auf  der  schönen  Schale  aus  Ägina 
in  München  [2686]  (Jahn,  Entführung  der  Europa,  Taf.  7  [Ägina,  Das  Heiligtum 
der  Aphaia  S.  498]),  wo,  als  Erklärung  und  Grund  für  das  Innenbild,  Europe 
auf  dem  Zeusstiere,  an  jeder  Außenseite  ein  Eros  schwebt,  in  der  Linken  die 
Leier,  in  der  Rechten  die  Schale.  Dem  freien  Stile  sehr  nahe,  aber  in  der  Auf- 
fassung ganz  hieher  gehörig  ist  Mon.  d.  Inst.  1, 10,  11  [München  2413],  denn  auch 
hier  wagte  es  der  Künstler,  der  andeuten  wollte,  daß  Erichthonios'  Geburt  auf 
einem  Liebesverhältnisse  beruhe,  gleichwohl  nicht  den  Eros  in  die  Handlung 
selbst  einzuflechten,  da  er  noch  zu  sehr  gewohnt  war,  nur  den  äußerlichen 
Vorgang  der  Sage  darzustellen,  er  gab  ihm  daher  die  untergeordnete  Stellung 
auf  den  Ranken  des  Ornaments,  dessen  Gesetzen  er  sich  sofort  fügen  mußte,  d.  h. 
es  mußten  sich  je  zwei  Eroten  symmetrisch  entsprechen  auf  beiden  Seiten  (sie 
sind  auch  in  der  Zeichnung  strenger  gehalten).  Ohne  solche  Beziehungen  er-  15 
scheint  nun  Eros  allein  ziemlich  häufig:  er  schwebt  dahin  mit  Tänie  (Gerh.  Ant. 
Bildw.  Taf.  55,  3  [Brit.  Mus.  E  293  b]),  er  hascht  im  Fluge  oder  Laufe  den 
Hasen  (dort  56,  1 ;  Brit.  Mus.  745  [E293  a]),  dessen  erotische  Beziehungen  bekannt 
sind,  oder  er  spielt  schwebend  die  Leier  (Elite  4,  50.  Bull.  d.  Inst.  1870,  187,  27 
[Florenz]  Leier  und  Schale,  Neapel  R.  C.163  hat  er  noch  ein  Flötenfutteral);  das 
schönste,  ja  großartige  Produkt  dieser  Art  scheint  die  Lekythos  Bull.  d.  Inst.  1867, 


s  i\  der  Vasenmalerei. 


[Hon::  iriech.  u.  siziLVasenb.  Tat.  48,  2]  zu  sein,  wo  Eros,  wie  in  den 

ggelockter  Jüngling  gebildet,   die  Leier  spielend  schwebt, 
.    s     irückgebogen,  gewiß  weil  er  singend  gedacht  ist  (vgl.  Plat. 
I  lügelfiguren,  wie  Nike,  Iris,  Eos,  sind  auf  diesen  Lekythen 
Stils   häufig    und   sehr   passend  verwendet.     Es   ist  somit  gewiß  kein 
rhanden,   mit  Benndorf  an  Stelle  des  Eros   einen  geflügelten  Apollon 
zu  vermuten,  weil  jenem  seine  Attribute,  der  Bogen  und  Köcher,  fehlten.    Auch 
E  Banne  oder  einen  Zweig  hält  der  schwebende  Eros  (Brit.  Mus.  830  [E  13]; 
ireg.  II.  Tai  4.  1  und  3);  er  hält  Reifen  und  Vogel  zum  Spiel  und  sieht  sich 
nach  dem  Hpheben  des  Reverses  um  (Elite  4,  48  |Brit.Mus.  E  296],  ähnlich  49),  er 
ndel   auf  einem  Altare,  sich  nach  dem  Manne  des  Reverses  umsehend  [Elite 
4.47].   Berlin  1604  [2162]  (Vulci,  also  wohl  hieher  gehörig)  hält  Eros  schwebend 
in  jeder  Hand  eine  Fracht,  auf  dem  Revers  Athene,  wobei  man  wohl  an  Athen.  13, 
l,d  erinnern  darf,  wonach  beiden  in  Athen  gemeinsam   geopfert  ward.1    Elite 
1   [Baris.  Bibl.  Nat.  .'-ititi]  schwebt,  mit  Schild  und  Speer  gerüstet,  ein  Flügeljüng- 
ling und  sieht  sich  auffordernd  um  nach  dem  Epheben  des  Reverses  —  man  denkt 
zunächst  an  Agon,  dessen  Beflügelung  jedoch  nicht  überliefert  ist;  erinnern  wir 
uns  dagegen  der  Anschauung,  daß  Eros  Mut  gibt  in  der  Schlacht,  mit  dem  Ge- 
liebten  kühn  in  den  Kampf  treibt  (Plat.  symp.  179),  daß  ihm  die  Spartaner  und 
Kreter  vor  der  Schlacht  opferten,   erwägen  wir  endlich  die  vollkommen  analoge 
16  BildungsuusL-  mit  den  oben  besprochenen  sichern  Erosvasen,   so  ist  doch  ein 
der  auffordernd  den   durch  ihn  verbundenen  Jünglingen  und  Männern  in 
den  Kampf  vorauseilt,  das  Wahrscheinlichste. 

Wie  schon   hier  Eros   meist   in   Beziehung  zu   den  Epheben   des  Reverses 

:acht  ist,  so  gesellt  er  sich   auch   in   Szenen   des   gewöhnlichen  Lebens   zu 

ihnen;  besonders  begünstigt  und  leitet  er  jene  eignen  Verhältnisse  der  Jünglinge 

und  Männer,  jene  treuen  Freundschafts-  und  Liebesbündnisse,   wo  geistige  und 

sinnliche  Elemente   so   eng  verknüpft   erscheinen,   daß   unser  Wort    päderastisch 

as  zu  hart  klingt  (vgl. Welcker,  Kl.  Sehr.  2,  93;  Götterl.  2,  725),  denn  niemals  ist 

/eiieu  gemeineren  Charakters.   Beim  ruhigen  Erastengespräche  München 

ge Jünglinge  als  Liebhaberauch  Arch.Zeit.  1870Taf.39);  Peters- 

Den  Liebhaber  oder  die  Liebesstimmung  selbst  vertritt  Eros  Berlin  1941 

Durand  240;  ja  er  verfolgt  den   Hpheben  Durand  238  [Brit.  Mus.  E  397], 

•npana  II,  <M  und  Panofka,  Eigenn.  mit  xalos  Tat.  4,  9  [Brit.  Mus.  E  297],  wo 

r  kommenden  Leidenschaft  durch  die  Peitsche  in  Eros'  Hand  kräftig 

hcht  wird;  einem   eingehüllten  (vgl.  CR.  1868  S.  129;  Erasten  bringt  Eros 

Uebessymbol  Gerh.  A.  V.  <>ö  (vgl.  Steph.  CR.  18(34  S.  216;  218); 

i  Jünglingen,  die  (ihm?)  opfern  wollen  Mus.  Borb.  5,  20 

Im    Innern    einer  Münchner  Schale   (1101    [2669])   schreitet  Eros 

i  auf  einem  athenischen  Piombo  (Mon.  d.  Inst.  VIII,  '.VI,  91)  scheinen  Eros  (mit 

teilt. 


Eros  in  der  Vasenmalerei. 


auf  einen  Altar  (der  Aphrodite?)  mit  einem  Kranze  zu,  außen  A  entsendet  ein 
Mann  im  Hause  Eros  mit  einem  schlauchartigen  Gerät,  darin  wohl  Liebesgeschenke 
(dasselbe  Noel  des  Vergers,  Etrurie  Taf.  39  als  Reisesack),  zu  dem  geliebten  Jüngling 
draußen.  —  B  eilt  Eros  mit  Kranz  auf  zwei  eifrig  flötende  und  singende  Jünglinge  zu. 
Begünstigt  er  hier  die  musikalischen  Studien  der  Jugend,  so  erscheint  er  selbst 
als  geistiger  Mittelpunkt  und  Leiter  derselben,  wenn  er  (Brit.  Mus.  986  [E  126] 
=  Durand  654)  die  Leier  spielend  zwischen  zwei  Jünglingen  schwebt,  von  denen 
der  eine  ebenfalls  Leier  spielt  (vgl.  Plat.  symp.  196  "Egwg  äyadog  —  näoav 
7ioh]oiv  z))v  y.arä  fxovoixrjv).  —  Nicht  ganz  klar  ist  Mon.  d.  Inst.  VI,  20  [Louvre  G 
374],  wo  der  Eros  jedoch  nicht  ganz  unverdächtig  ist,  indem  wenigstens  rings-  17 
herum  viel  geflickt  wurde;  sucht  man  jedoch  nach  einer  Erklärung,  so  mag  man 
sich  erinnern  an  das  Prinzip  der  Vasen  gerade  dieses  Stils,  auf  der  Rückseite 
Figuren  anzubringen,  die  gleichsam  als  Folie  dienen,  auf  der  sich  die  Handlung 
der  Vorderseite  abspielt;  untätige  Zuschauer,  die  gleichwohl  Interesse  an  dem 
Vorgang  nehmen,  das  Volk,  der  Chor  den  Heroen  gegenüber.  So  könnte  man 
hier  an  die  Myrmidonen  denken,  die,  untätig  durch  des  Führers  Zorn,  den  Frieden 
genießen,  vereint  im  treuen  Freundschafts-  und  Liebesbunde  durch  Eros,  vielleicht 
nicht  ohne  Beziehung  auf  das  enge  Verhältnis  des  Patroklos  zu  Achilleus,  das 
ja  das  Motiv  werden  sollte  zur  Lösung  des  Konflikts  der  Vorderseite;  freilich 
wäre  auch  so  der  Eros  und  der  Thyrsos  ungeschickt  hinzugefügt,  indem  eben 
der  Maler  den  Typus  ruhig  stehender  Figuren  nicht  überschreiten  wollte.  — 
Überblicken  wir  dies  erste  Stadium  der  Entwicklung  und  fassen  zunächst  seine 
Erscheinung  ins  Auge:  von  Anfang  an  schwankt  Eros'  Bildung  zwischen 
Jüngling  und  Knabe,  je  nach  den  künstlerischen  Bedingungen  der  Komposition; 
als  Ausfluß  der  Aphrodite,  als  ihr  Sohn  und  Diener,  als  xdXhorog  dewv  war 
Jugendblüte  für  ihn  wesentlich.  Ferner  erscheint  Eros  konstant  beflügelt,1 
denn  ein  zweiter  wesentlicher  Zug  ist  das  Begriffliche  und  das  Dämonisch- 
gewaltige eines  Gottes,  der  im  eignen  Herzen  seinen  Sitz  hat,  was  ihn  auf  eine 
Linie  stellt  mit  Eris,  Deimos,  Phobos,  die  el'dojla,  die  alle  in  dieser  Zeit  beflügelt 
erscheinen.  Unter  den  Attributen  fällt  zunächst  die  Leier  auf  und  weist  uns 
auf  den  musischen  Charakter  des  Gottes  hin,  der  besonders  in  Thespiae  betont 
ward  teils  durch  die  musischen  Agone,  die  man  zu  seinen  Ehren  abhielt,  teils 
durch  seine  Verbindung  mit  den  Musen,  die  man  hier  neben  ihm  hauptsächlich 
verehrte.  Überhaupt  waren  aber  in  Eros  diejenigen  Bedingungen  vorhanden,  18 
die  auch  dem  Apoll  und  Dionysos  die  Leier  gaben,  nämlich  der  ekstatische 
Charakter:  sehr  bezeichnend  ist  es  aber  für  die  ältere  Zeit,  die  das  innere  Wesen, 
das  Ethos  der  Götter  durch  Attribute  auszudrücken  und  festzustellen  liebte, 
daß  sie  dem   Eros   die  Leier   gab,    während   eine   spätere  Zeit  die  Art  seiner 

1  Daß  Eros  früher  ungeflügelt  dargestellt  worden  sei,  scheint  sehr  unwahrscheinlich; 
ich  halte  daher  y.ai  r6v"EgcoTa  beim  Schol.  ad.  Arist.  Av.  573  für  einen  willkürlichen  Zusatz 
des  Schol.,  dem  die  Notiz  über  Nike  vorlag. 


j()  Eros  in  der  Vasenmalerei. 


Handlungen  durch  den  Bogen  symbolisierte.    Ja,  es  liegt  die  Vermutung  eines 

nen   Uteren  Kunsttypus  des  Eros  mit  der  Leier  sehr  nahe,  wenn  man 

Stellung  desselben  auf  dem  Relief  Ann.  d.  Inst.  1867,  D,  den  Vasen  Mon. 

1,  10  [Mönchen  2413],  Neapel  1836  und  auch  dem  etruskischen  Spiegel  D.  a. 

K.  .  Cat  Ol  Greek  Bronzes  244]  vergleicht:  die  eine  Hand  mit  der  Leier  ge- 

ikl  und  die  andre,  meist  mit  einer  Blumenranke,  ausgestreckt,  ein  Typus,  der 

rem    Kunst   vollkommen   entspräche.     Die  übrigen  Attribute:   Hase,  Tänie, 

Kranz  sind  in  ihrer  Bedeutung  klar. 

Überall    sehen   wir  eine    feste  künstlerische   Gestaltung,    überall   eine  aus- 
:e    künstlerische    Symbolik,    durchaus    unabhängig    von    der    poetischen; 
nirgends  bei  den  Dichtern  lasen  wir,  daß  er  Leier  spiele,  einen  Kranz  oder  Tänie 
bringend  herbeifliege,  dagegen  hat  die  Poesie  wieder  ihre  eigne  wirkungsvolle 
ibolik.    So  bestätigt  sich  wieder,  daß  gerade  die  ältere,  wachsende  Kunst  sehr 
selbständig  und  durchaus  nach  eignen  Gesetzen  schuf;  und  in  der  Tat,  wie  trefflich 
spricht  der  leierspielende  Eros  sein  inneres  Wesen  aus,  und  konnte  ein  einfacheres, 
treffenderes  Symbol  gewählt  werden  für  die  Begünstigung  des  Liebedämons,  als 
daß  er  Kranz  und  Tänie,  die  bekannten  Gaben  der  Liebenden,  selbst  herbeibringt? 
Wenig  mannigfaltig  ist  noch  der  Gebrauch,   den  man  von  Eros  macht,   ja, 
man  bildet  ihn  mit  Vorliebe  allein,  wo  nur  sein  eigner  Charakter  zum  Ausdruck 
gelangt.    In  mythologische  Handlung  als  psychologisches  Prinzip  wagt  man  ihn 
noch  gar  nicht  zu  verflechten,   auch  die  Künstler  der  Odysseus-,   Europe-  und 
Erichthonios-Vase,    die  allein   einen  Versuch   machen,   die   äußerliche  Tradition 
durch  Ausdruck  der  zu  Grunde  liegenden  Seelenstimmung  zu  motivieren,  kamen 
icht   über  die  Andeutung  hinaus  und  wagen   nicht,   Eros  in  die  Handlung  zu 
ziehen.   Nur  als  Diener  der  Aphrodite,  also  mythologisch  begründet,  erscheint  er 
in   der  Handlung.    Anders  ist  es  mit  den  Liebesszenen  aus  dem  gewöhnlichen 
Leben,   die  wegen    ihres   nichtindividuellen,   allgemein    menschlichen    Charakters 
viel  eher  dazu  auffordern  mußten,   den  Eros  in  psychologischer  Bedeutung  auf- 
zunehmen als  die  durch  äußre  Tradition  fest  bestimmten  Mythen,  deren  psycho- 
ische  Zersetzung  einer  späteren  Zeit  aufbehalten  blieb.    Sehr  interessant  sind 
die    manchfaltigen    Beziehungen,    die    zwischen    Eros    und    den    Epheben    und 
nnern  obwalten,  während  er  sich  mit  den  Frauen  noch  gar  nichts  zu  schaffen 
macht;  es  ist  offenbar  der  päderastische  Eros,  der  im  Gymnasion  verehrt  ward; 
der  erste  Altar  des  Charmos   in  Athen  (und   athenisch    sind  ja  die  betreffenden 
en)  war  diesern  Manner-Eros  geweiht,  er  muß  der  populäre  gewesen  sein;  ja, 
•henische  Münze  (Beule  S.  222  [Coins  of  British  Museum,  Attica  Taf.  12,  3]) 
en  Eros,  der  die  Männer  in  der  Palästra  zusammenhält  und  so  den 
•leiht,   sich  selbst  den  Kranz  aufsetzend,    die  Siegespalme  in  der  Linken 
)zu    man    den    palästrisdien    Hermes    in    genau    derselben    Handlung   vgl.  bei 
•npana,  Op.  in  pU  1  Taf.  94).    Jetzl  erklärt  sich  auch  das  Verhältnis  zur  Poesie, 
dle  )a  •  In  der  ersten  Hälfte  des  5.  Jahrb.  den  Gott  Eros  ignoriert,  die  Kunst 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  \\ 


zeigt  uns  jenen  volkstümlichen  Eros  des  Gymnasiums,  den  ein  Aeschylus  ver- 
schmäht, während  die  Kunst  der  folgenden  Periode  durchaus  von  jenem  neuen, 
von  der  jüngeren  Tragödie  durchgebildeten  Eros  bestimmt  wird. 

II.  PERIODE  DER  FREIEN  KUNST. 

Erst  hier  sind  uns  einige  Werke  literarisch  überliefert  und  fest  datierbar;  vor 
allen  der  Eros  des  Phidias  an  der  Basis  des  olympischen  Zeus,  die  Aphrodite 
empfangend;  am  westlichen  Giebel  des  Parthenon  ferner  war  Eros  als  Knabe 
hinter  der  nackten  Mutter  stehend  gebildet  [vgl.  Roscher's  Lex.  d.  Myth.  I,  1356],  20 
im  Friese  steht  er  als  Mellephebe  neben  Aphrodite  und  hält  einen  Sonnenschirm:  in 
der  gedrängten  Figurenreihe  des  Giebels,  wo  er  im  Hintergrunde  erscheint,  mochte 
die  Knabenbildung  passender  sein,  hier  im  Nebeneinander  des  Flachreliefs,  wo  auch 
er  einen  eigenen  Platz  auszufüllen  hatte,  ließ  schon  die  Isokephalie  die  Mellepheben- 
bildung  angemessener  erscheinen.  Zwischen  Aphrodite  und  Peitho  steht  er  auch 
auf  dem  Friese  des  Niketempels  in  jener  erwachseneren  Gestalt  (Roß  u.  Schaubert 
Taf.  11,  A).  Ferner  hat  Michaelis  nicht  ohne  Wahrscheinlichkeit  auf  den  beiden 
Parthenonmetopen  Taf.  4,  24  und  25  dieselbe  Komposition  erkannt,  wie  auf  einer 
unten  zu  erwähnenden  Vase:  Aphrodite  tritt  zwischen  Helena  und  Menelaos  und 
entsendet  den  winzig  kleinen  Eros,  der  auf  letzteren  zuschwebt;  Aphrodite  war  in 
der  Tradition  gegeben,  Eros  dagegen  ist  hinzugefügt,  um  die  Eigenart  der  Macht 
Aphroditens  gerade  in  diesem  Augenblicke  zu  zeigen;  auch  hier  ist  er  vor  allem 
aus  leicht  einzusehenden  künstlerischen  Gründen  so  klein  gebildet,  aber  nicht 
als  menschliches  Kind,  sondern  ganz  seinem  hier  noch  begrifflichen  und  fast 
körperlosen  Charakter  entsprechend.  Gewiß  ist  es  keineswegs  Zufall,  daß  uns 
von  Phidias  und  seiner  Schule  Eros  nur  in  Verbindung  mit  Aphrodite  bekannt 
ist;  auch  der  Eros  des  Zeuxis  (Ol.  88)  war  wenigstens  im  Tempel  der  Aphrodite.1 
Ein  Hauptgegenstand  für  statuarische  Einzelwerke  der  ersten  Künstler  wird  Eros 
erst  in  der  zweiten  attischen  Schule,  ganz  wie  wir  es  in  der  gleichzeitigen  Poesie 
beobachteten  und  wie  es  der  Geist  der  Zeit  verlangte,  der  die  Leidenschaft  der 
Wirklichkeit,  das  pathologische  Interesse  so  sehr  vor  den  ethisch  idealen  Typen 
bevorzugte.  Eine  Würdigung  der  überlieferten  Meisterwerke  des  Praxiteles  und 
Skopas  muß  einem  andern  Orte  vorbehalten  bleiben;  hier  haben  wir  es  zunächst 
mit  den  Vasen  zu  tun.  Eine  Anordnung  der  Masse  von  Darstellungen,  die  21 
möglichst  vielen  Gesichtspunkten  gerecht  wird,  ist  schwierig;  eine  durchgehende 
Ordnung  etwa  nach  den  Stilarten  im  einzelnen  ist  nicht  durchführbar,  so  sehr 
ich  auf  sie  Rücksicht  nehmen  werde;  ich  lege  daher  folgende  allgemeinere  Ein- 
teilung zu  Grunde,  nach  der  wir  zuerst  die  Fälle  betrachten,  wo  Eros  sich  zu 
Personen  der  Sage  und  des  Mythus  gesellt. 

1  Das  Mosaik  aus  Olympia  [Olympia  II,  S.  180:  Taf.  105],  das  Semper  (Stil.2  1,59)  der 
phidiasischen  Zeit  zuschreiben  möchte,  kann  derselben  unmöglich  angehören  wegen  des  rein 
dekorativ  und  ohne  hervortretende  Bedeutung  auf  dem  Schwänze  eines  Triton  reitenden  Eros. 


>S  IN   DER  VAS1  NMA!  EREI. 


1.  EROS  IN  MYTHISCHEN  DARSTELLUNGEN. 

nem  begrifflichen  Wesen  nirgends  untreu  wird,  lassen  sich 

[  beiden,  wo  der  Künstler  auch  durch  die  mythische  Tradition 

eres  Recht   hatte,   Eros  hinzuzufügen,   im  Gegensatze  zu  der 

en    .weiten    Gruppe,    wo    er    lediglich    psychologischen    Gründen 

..  i  s<  nheit  verdankt 

a)  Mit  der  durch  die  Tradition  bedingten  Aphrodite. 
Anlaß,   den  Kros  einzuführen,  mußte  zuerst  da  Statt  finden,  wo  seine  Mutter 
irodite  durch  die  Sage  selbst  gefordert  war,  war  sie  doch  in  der  Anschauung 
unserer  Zeit   ohne   ihren  helfenden  und  dienenden  Sohn  kaum  mehr  zu  denken 
.1.  Plat.  Symp.  180  D).    Ich  scheide  diese  Gruppe  mehr  aus  praktischen  Gründen 
5,    indem    sie   zur  folgenden    keineswegs   immer  einen   Gegensatz   bildet,   wie 
in   die   spätem  Bilder  des  Parisurteils  den  Eros  ganz  in  der  psychologischen 
\  erwenden. 
Voran  ist  zu  nennen  Mus.  Greg.  II,  Taf.  5,2a  (Overb.  Gall.  Taf.26, 12;  [Heibig, 
Führer-  II,  Nr.  1203])  eine  herrliche  Vase,  deren  Original  vielleicht,  wie  oben  bemerkt, 
am  Parthenon  zu  suchen  ist.   Ähnlich  scheint  zu  sein  Campana  Ser.  11,  68  [Louvre 
G  424]  iE.  mit  Schale)  und  Bull.  d.Inst.  1871, 155  (wo  man  die  Geschmacklosigkeit, 
iaß  Eros  dem  Menelaos  etwas  in  die  Augen  gieße,   nie  hätte  glauben  sollen; 
vgl.  Arch.  Zeit.  1873  S.  76  [Bull.  d.  Inst.  1874,  8]).   Im  Parisurteil  vertritt  noch  die 
ältre  mehr  andeutende  Auffassung  Gerhard,  Apul.  Vb.  Taf.  D,  1  [Palermo],  wo  Eros, 
als  Jüngling  gebildet,  hinter  Aphrodite  herbeischwebt  (zwischen  dem  Henkel);  um- 
gekehrt schreitet  er  ihr  keck  ermunternd  voran  Ann.  d.  Inst.  1833,  E  [Berlin  2610]. 
Im  spätem,  eigentlich  malerischen  Stil  treten,  abgesehen  von  den  unbedeutenderen 
wenig  charakteristischen  Bildern  bei  Gerhard,  Apul. Vb. Taf.  11;  12;  13  [Berlin  3240; 
•|,  besonders  zwei  Auffassungen  hervor,  je  nachdem  der  Sieg  mehr  durch 
die  Schönheit  der  Aphrodite  selbst  oder  durch  ihre  Liebesversprechungen  errungen 
l.icht  wird.  So  schmückt  sie  sich  unter  Eros'  Beihilfe  Overb.  Gall.  Taf.  10,  2  [Furt- 
wängler-Reichhold  Taf. 60];  Neapel  3244.  Auf  der  interessanten  attischen  Pyxis,  wo 
1  :  »ttin  mit  einem  Gespanne  auffährt  (im  Rhein.  Mus.  1874  S.  309  [Kopenhagen]) 
rte  und  wirksamste,  gezogen  von  zwei  Eroten,  die  Kanne  und 
Schalen  tragen,  den  bezaubernden  Liebestrunk  für  Paris.    Unmittelbareren  Bezug 
hat  es.   wenn   l.l'Ul  seine  Mutter  fragt,  ob  er  Paris  überreden  solle:  CR.  1861 

'7).  Bull  d.  Inst.  1868,  187  hat  sie  ihn  bereits  zu  Paris  ge- 
sandt, dann  legi  er  mit  süßer  Überredung  die  Hand  auf  Paris'  Schulter.'  Noch 
e,r'  *  hält  Aphrodite  zurück,  während  der  andere  überredet  Overb. 


S020] ;  Aren.  Zelt  1867  Taf.  224  (vgl.  1870,  S.  81  [Athen, 
»chöne  Motiv  der  Stellung  wiederkehrt  (vgL  Praxi- 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  13 


Gall.  Taf.  11,  1  [Karlsruhe  259,  Furtwängler-Reichhold  Taf.  30],  wo  die  Eutychia 
über  Aphrodite  zeigt,  wie  sehr  hier  schon  der  allgemeine  Gedanke  die  Dar- 
stellung der  Tradition  durchsetzt. 

Noch  klarer  ist  dies  ebenda  Taf.  10,  5  [Berlin  2633]:  die  Idee  ist  der  Triumph 
der  Liebe;  ein  Netz  ist  um  Paris  gesponnen,  dem  er  so  wenig  entrinnen  kann  als 
Zeus,  der  hier  in  Ganymed  sich  verliebt.  Es  treten  Eros,  Himeros  und 
Pothos  inschriftlich  auf;  obwohl  die  drei,  wenn  auch  nicht  zusammen,  schon  in 
alter  Zeit  von  der  Poesie  personifiziert  wurden,  so  war  es  doch  wohl  erst  Skopas, 
der  sie  neben  einander  in  der  Kunst  zu  bilden  wagte;  daß  bei  einer  solchen 
Nebeneinanderstellung  alles  darauf  ankam,  ja  geradezu  alles  Interesse  allein  in  23 
einer  möglichst  feinen  Unterscheidung  liegen  konnte,  ist  an  und  für  sich 
klar;  es  entsteht  nur  die  Frage,  ob  Skopas  und  die  ihm  folgenden  Künstler 
dafür  in  der  allgemeinen  Anschauung  eine  feste  Grundlage  hatten?  Ich  glaube 
entschieden  ja.  In  voralexandrinischer  Periode  nämlich  unterschied  man  so: 
Himeros  ist  der  unwiderstehliche  Zug  zu  einem  Objekte  vor  Augen,  Pothos  das 
aufgeregte  Verlangen,  die  Sehnsucht  nach  dem  fernen  Gegenstande,  Eros  bleibt 
obenan  (ist  Vater  der  übrigen  bei  Plat.  Symp.  197  D),  er  ist  der  vor  allen  Tätige 
und  noch  am  wenigsten  Begriffliche.  Um  dies  zu  beweisen,  sehen  wir  uns  in 
der  Literatur  um  (einiges  bei  Jahn  Ann.  d.  Inst.  1857,  129):  zunächst  spricht  sich 
klar  in  obigem  Sinne  über  Himeros  und  Pothos  aus  Piaton  Krat.  419  E,  über 
Himeros  Phädr.251  C  (vgl.Pollux  2,  63  to  uji  avrcöv  — seil.  dcp&aX/JLcbv  —  dnoq- 
qeov  l'juegog);  ferner,  gewiß  aus  guter  Quelle,  Schol.  ad  Hesiod.  Theog.  201 :  Eros  ist 
das  allgemeine  liebende  Begehren,  wenn  man  etwas  zuerst  sieht,  Himeros  das 
Verlangen  (emfivfua,  cf.  ad  Theog.  64),  wenn  man  etwas  bereits  kennt,  es  nun 
auch  sich  ganz  zu  eigen  zu  machen.  Die  voralexandrinischen  Dichter  unter- 
scheiden regelmäßig  in  der  angegebenen  Weise,  wo  sie  überhaupt  das  Wort  in 
signifikanter  Art  gebrauchen,  was  keineswegs  immer  der  Fall  sein  muß,  da  ja 
allen  drei  Wörtern  derselbe  Hauptbegriff  zu  Grunde  liegt.  Als  Beispiele  mögen 
dienen:  no&og  (als  Begriff)  die  Sehnsucht  nach  etwas  Fernem  bei  Archiloch. 
fr.  84,  denn  nur  sie  kann  so  schmerzvoll  sein;  Tyrtäus  fr.  12,  28;  Anakr.  fr.  113; 
Pind.  Pyth.  4,  184;  Aesch.  Pers.  62;  136;  Ag.  414;  Soph.  Phil.  601,  O.  C.  333; 
O.  R.  518;  Trach.  107;  631;  755;  Eur.  Ale.  1087;  Phoen.330;  Iph.  Aul.  431;  fr. 318; 
Hei.  1306  und  danach  Carcin.  fr.  5,  4  (Nauck  S.  621),  Menander  4,  158,  1  (Mein.), 
cf.  Nonn.  10,  321.  Auch  noch  Meleager  (Anth.  Pal.  12,  157  und  167)  unter- 
scheidet bisweilen  Pothos,  während  sonst  die  Alexandriner  und  die  Folgezeit 
trotz  des  häufigen  Gebrauchs  eine  feinere  Nuancierung  durchaus  nicht  mehr 
kennen.  Für  l'/xegog  in  der  bezeichneten  Bedeutung  sind  besonders  charakteristisch  24 
Stellen  wie  Pind.  Ol.  3,  33:  Herakles  sieht  die  Bäume  und  hat  i'juegog  sie  zu  ver- 
pflanzen, Pind.  Ol.  1,41:  Poseidon  sieht  und  raubt  Pelops  aus  i/uegog.  Aesch.  Prom. 
649;  Suppl.  1005;  Soph.  Ant.  795  der  unmittelbares  sinnliches  Verlangen  erregende 
Reiz,  ebenso  Aristoph.  Lysistr.  552  (cf.  Lukian.  Dial.  deor.  20,  15);  Eur.  Med.  556, 


14  Eros  in  der  Vasenmalerei. 


■i  feiner  Modifikation.  —  War  dies  aber  die  allgemeine  Unterscheidung, 

|  ewifi  leiten  ließ,  so  dürfen  wir  sie  auch  auf  unserm  Bilde 

WO   der  Künstler  in   der  Tat  eine  Steigerung  beabsichtigt   zu   haben 

!i  erlaubten  ihm  seine  Mittel  nicht,  dies  durch  eine  Charakterisierung 

:  innen  heraus  zu  tun,  wie  wir  es  bei  Skopas  voraussetzen  müssen,  er  konnte 
nur  durch  die  verschiedenartige  Stellung  und  Handlung  seinen  Zweck  erreichen, 

:inach  ist  Eros,  der  tätige,  voran  und  sucht  Paris  zu  überreden;  bald  aber 
wird  Aphrodite  auch  Pothos  entsenden,  der  stürmisch  ihn  in  die  Ferne  nach 
Hellas  treibt,  wo  er  endlich  in  Helenas  Armen  schwelgend  Himeros'  Macht  er- 
fahren wird.  So  erklärt  sich  einfach  die  Gruppierung  und  Aufeinanderfolge. 
Nur  noch  eine  Vase  vereint  alle  drei  Dämonen  (leider  nur  beschrieben  Bull.  d.  Inst. 
122,  Jatta  1093  [5.  Hall.  Winckelm.Progr.  Tafel]),  wo  jedoch  auch  die 
Unterscheidung  beabsichtigt  scheint:  Eros  neben  Eua  der  allgemeinen  Personi- 
fikation bakchischen  Jubels,  Pothos  neben  Thyone,  der  vor  allen  aufgeregt 
schwärmenden,  und  Himeros  bei  Dionysos  selbst  als  höchste  Steigerung.  Eros 
und  Himeros  scheinen  unterschieden  auf  der  Berliner  Hebe-Vase  (s.  unten),  indem 
letzterer  von  Aphrodite  für  den  Hauptmoment  reserviert  wird.  Sonst  treten  sie 
nur  einzeln  auf,  wo  zu  einer  Unterscheidung  und  Charakterisierung  natürlich 
nicht  so  viel  Grund  vorhanden  war;  doch  ist  bezeichnend,  daß  Pothos  fast  nur 
in  bakchischen  Szenen  vorkömmt,  wo  er  das  aufgeregte,  ziellose  Verlangen  aus- 
drückt. Daß  wir  jedoch  nie  berechtigt  sind,  ohne  Inschrift  einen  Himeros  oder 
Pothos  anzunehmen,  hat  schon  Jahn  (a.  a.  O.)  richtig  gesehen;  denn  auch  Himeros 
und  Pothos  sind  nichts  andres  als  Eroten  und  nicht  etwa  eigentliche  Personi- 
fikationen psychologischer  Affekte,  denn  solche,  d.  h.  menschliche  Gestalten, 
durchdrungen  von   den   charakteristischen  Elementen   eines  Affekts   und   danach 

taltet,  sind  auf  Vasenbildern  kaum  je  mit  Sicherheit  nachzuweisen,  wenn  der 

Maler  nicht  in  richtiger  Erkenntnis  seiner  beschränkten  Mittel  eine  Inschrift  beigesetzt 

hat,  wozu  er  dann  mitunter  auch  als  Beigabe  eine  innere  Charakterisierung  versucht. 

Doch   kehren  wir  von    diesem  Exkurse   zurück   und  verfolgen  zunächst  das 

Abenteuer  des  Paris  weiter,  das  ja  in  der  Sage  durchaus  von  Aphrodite  geleitet 

1,  die  meist  von  Eros  begleitet  wird;  so  bei  Paris  und  Oinone  Millingen,  Vases 
div.  Taf.  43  [Vatikan,  Heibig,  Führer-  II  Nr.  1240]  (vgl.  Brunn,  Troische  Mise.  61 
[Kl.  Sehr.  III,  77J);  auf  der  schönen  Schale  strengeren  Stils  Gerh.  Ant.  Bildw.  Taf.  34 
'>|  ist  er  gesandt  von  seiner  Mutter,  die  Helena  noch  reizender  zu  machen, 
kauernd  schmückt  er  ihr  den  Fuß,  während  Paris  eintritt;  auf  ihrem  Schöße  sitzt 
-redend  Oveib.  Hall.  Taf,  12,  8  [Berlin  3182];  zwei  Eroten  leiten  und  er- 
munte:  Helena  seine  Liebeschwört,  auf  dem  feinen  Gefäße  CR.  1861 

Taf.  ö,  1  [Petersburg  1924],  vielleicht  sind  es  Aphrodite  und  Peitho,  die  den  Vor- 

g  ums  Endlich  leiten  auch  die  Entführung  der  Helena  zwei  Eroten,  einer 

m;'  ■•    ich  voranschwebend  (gewiß  die  Brautfackeln;  nach  Stcph., 

da  es  Nacht  sei»,  auf  einem  ebenso  feinen  Bilde  ebenda  Taf.  5,  3  | Petersburg  1929]. 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  15 


Ferner  ist  Aphrodite  im  Mythus  gegeben  und  von  ihrem  Sohne  begleitet 
beim  Streit  um  Adonis:  erfleht  mit  seiner  Mutter  vor  Zeus,  während  ein  zweiter 
Eros  auf  den  vorne  ruhenden  Adonis  zuschwebt  Bull.  Nap.N.  S.  7  Taf.  9  [Santangelo 
702].  Charakteristisch  ist  Mon.  d.  Inst.  VI,  42,  wo  auch  Persephone  von  einem  Eros 
begleitet  wird,  doch  nur  um  zu  zeigen,  daß  für  beide  die  Liebe  Triebfeder  ist, 
ein  Beweis,  wie  sehr  man  in  dieser  Zeit  gewohnt  war,  Eros  von  der  rein 
psychologischen  Seite  zu  fassen. 

Endlich  ist  es  häufig  ein  gewisser  mythischer  Konnex,  der  die  spätere  Vasen- 
malerei veranlaßt,  Aphrodite  nebst  ihrem  Sohne,  meist  in  der  oberen  Reihe, 
der  Komposition  beizufügen;  die  Beziehungen  sind  dabei  nicht  immer  klar  und 
wäre  es  daher  möglich,  daß  auf  einigen  der  zu  nennenden  Bilder  auch  das  26 
Streben  nach  psychologischer  Motivierung  vorgewaltet  haben  mag,  wie  in  der 
nächsten  Gruppe.  Beim  Streite  des  Marsyas  ist  Aphrodite  als  dessen  Gönnerin 
mit  Eros  gegenwärtig  Gerh.  Ant.  Bildw.  Taf. 27  [Mecheln]  und  Arch.Zeit.  1869  Taf.  17 
[Neapel  3231],  wo  Eros  sich  spiegelt  in  der  Schale  der  Mutter,  wie  bei  diesen  Bildern 
öfter  solche  kleine  genrehafte  Motive  für  die  lockere  Komposition  entschädigen 
sollen.  —  In  der  Götterversammlung  thronen  sie  in  großen  Darstellungen  Mon.  d. 
Inst.  II,  30,  31  [Neapel  3256];  Millingen,  Vases  div.  Taf.  23  [Bibl.  d.  Vatikans];  Bull. 
Nap.  1  Taf.  3  [Jatta  424],  wo  Eros  die  Mutter  salben  will;  wenig  klar  sind  die  Be- 
ziehungen Mus.  Blacas  Taf.  7  [Brit.  Mus.  F  270]  und  Rochette,  Mon.  in.  45  [Petersburg 
424].  Auch  warum  sie  bei  der  Aussendung  des  Triptolemos  gegenwärtig  sind  (CR. 
1862  Taf.  4  [Petersburg  350]  inschriftlich  nebst  Peitho;  Brunn,  Supplem.  zu  Strube 
Taf.  II  [Neapel  690])  ist  nicht  ganz  klar;  Strube  (Stud.  S.  18)  denkt  an  ein  Liebes- 
verhältnis des  Triptolemos  zu  Demeter,  von  dem  jedoch  gar  keine  Andeutung 
in  der  Tradition  sich  findet,  man  wird  daher  Aphrodite  besser  als  Beschützerin 
des  Frühlings  und  Wachstums  fassen,  wie  ja  auch  die  Hören  gegenwärtig  sind 
und  hier  überhaupt  nicht  die  menschliche,  sondern  die  Naturseite  des  Vorgangs 
betont  wird.  Endlich  mag  sich  noch  anschließen  Bull.  d.  Inst.  1868,  153,  1,  wo 
Aphrodite  und  Eros  über  Orpheus'  Untergang  beraten  sollen,  vielleicht  ist  nur 
ein  von  Asiaten  diesen  Göttern  gefeiertes  Fest  gemeint;  so  sitzt  Aphrodite  mit 
Eros  unter  Asiaten  Gerh.  Apul.  Vb.  Taf.  5  [Berlin  3242]. 

An  diese  Gruppe  reihen  sich  nun  auch  diejenigen  Bilder,  die  Aphrodite  und 
Eros  allein  unter  sich  oder  mit  Wesen  verwandter  Art  zeigen.  Gewöhnlich  hat 
man  hieher  eine  große  Zahl  von  Darstellungen  gezogen,  indem  man  mit  den 
Namen  Aphrodite  und  Chariten  äußerst  freigebig  war,  während  sich  bei  kritischer 
Betrachtung  ergibt,  daß  es  nur  sterbliche  Menschen  sind;  ich  führe  daher  nur 
die  Fälle  an,  wo  mir  Aphrodite  hinlänglich  gesichert  erscheint.  Dies  ist  zunächst 
bei  der  schönen  Münchner  Vase  805  [3268]  (Arch.  Zeit.  1860  Taf.  140)  der  Fall,  an 
deren  Halse  Aphrodite  in  der  Mitte  sitzt  und  sich  von  einem  Eros  kränzen  läßt,  27 
während  zwei  andre  sich  mit  einem  Kranze  unterhalten  und  noch  zwei  alla 
morra  spielen:   eine  breite  Darstellung  der  Liebesmächte,  die  alles  anstiften  und 


-  in  der  Vasenmalerei. 


dem  Bauche  der  Vase  gemalt  ist.    Zweifelhafter  muß  man  bei 

einer  Gefäße   in   attischem  Stile  sein,   docli  scheint  mir  Aphrodite 

lieh  in  folgenden  Fallen:  Mus.  Borb.  II,  30,  1  [Neapel  2884],  wo  sie  in 

e   mit  Eros  gruppiert  ist;  Jatta  1393  steht  Aphrodite  mit  einer 

einer  Blume  sitzenden  Eros  gegenüber  und  Petersburg  1196  steht 

mit   einem   Stäbchen   vor  Aphrodite,   hinter  der  Peitho.     Umgeben  von   drei 

.  n  wird  Aphrodite  von  dem  vor  ihr  kauernden  Eros  am  Fuße  geschmückt 

Bull.  Nap.  N.  S.  6  Tat".  4,  2  [Jatta  1559];  letzteres  war  ein  beliebtes  Motiv  vgl.  Gerh. 

Arn.  Bildw.  Tat.  34  [Berlin  2536],  Elite  4,  38,  CR.  1863  Taf.  1,3  [Petersburg  1983],  auf 

ninen  CR.  1861  Taf. 6, 6;  1865  Taf.  3, 24.  Stackeiberg  Gräber  der  Hellenen  Taf.  27 

(Berlin  2719]  kann  das  Leben  der  Liebesmächte  dargestellt  sein,  Eros  kramt  in  einem 

Kistchen  und  wird  mit  Früchten  bedient,  doch  befremdet  der  zuschauende  Jüngling 

mit  seinem  Mädchen.    Als  eine  Ausnahme  unter  den  Vasenbildern  ist  zu  bezeichnen 

Bei.  d.  Sachs.  Ges.  lS54Taf.  13      Ant.  du  Bosph.  Taf.  61,  6  [Petersburg  2011],  denn 

hier  ist  Eros  ganz  von  der  menschlich  persönlichen  Seite  als  Sohn  der  Aphrodite 

gefaßt,  er  hält  ein  Kinderwägelchen  und  bittet  die  Mutter  um  den  Lieblingsvogel. 

Hierher  gehören  auch  zwei  Bilder,  die  den  Eros  durch  die  Inschrift  näher  als 

Himeros  bezeichnen:  Mus.  Blacas  Taf.  22,  2  [Brit.  Mus.  E  222],  (in  noch  strengerem 

Stil),  es  hält  flEIßO  ein  Gefäß  unter  das  von  oben  herabfließende  (Öl?),  vor 

ihr  aber  sitzt  IMEP02  und  hält,   wie  mir  scheint,  ebenfalls  ein  Alabastron,  er 

wartet,  bis  Peitho  gefüllt  hat.    So  individuell  der  Moment  gefaßt  ist,  so  schimmert 

doch  der  Gedanke  durch:   süß  einschmeichelnd  beredet  Peitho  zur  Liebe,   dann 

aber  kömmt  Himeros,   der  tfiegtög  macht  und  das  liebende  Verlangen  erweckt. 

Weniger  ist  dies  der  Fall  München  234  [2520]  (Ann.  d.  Inst.  1857,  A):  Himeros  wird 

chaukelt  von  Paidia,  ein  heitres  Spiel  der  Jugend  auf  die  Götter  übertragen, 

die  Scherz  und  jugendliche  Anmut  vor  allen  beschützen. 

Weniger  zweifelhaft,  aber  äußerlicher  gefaßt  zeigt  die  unteritalische  Malerei 

die  Liebesmächte:  Dubois-Mais.  Intr.  Taf.  41,  1  wird  Aphrodite  zu  Wagen  von  zwei 

ogen  (wie  Mon.  d.  Inst.  IV,  15;  Gerh.  Mysterienb.  5  [Turin]),  ähnlich  auf 

einem  polychromen  vergoldeten  Gefäß  aus  Cyrenaica  Brit.  Mus.  C  39  [E712],  wo 

och,  nach  dem  Gebrauche  dieser  attischen  Produkte,  Aphrodite  nackt  ist.  Staunen 

reift    die    Natur,    ergreift    Pane    und    Nymphen,    wenn    Aphrodite    in    voller 

rlichkeit    auf    dem    Schwane    durchs    Meer   fährt,    begleitet   von    Eros    (als 

ottm  ?)  Gerh.  Ant.  Bildw.  Taf.  44  [Berlin  2636],  einfacher  Laborde  I  S.  31 

[Louvre),  Petersburg  2015.    Aphrodite  scheint  es  zu  sein,  die,  von  Eros  geleitet, 

auf  .panne  führt,   Neapel  3417,  2204,  2336  am  Halse  von  Vasen, 

unten  •  Szenen  zeigen. 

Inten     e  beanspruchen  die  Bilder  attischer  Technik  mit  Ver- 
tiefen \  'er  durch  Inschriften    den  Szenen  aus  dem  Frauen-  und 
.    tieferen  Gehalt    zu    verleihen    suchen;    denn   diese  Inschriften 
en  nicht  auf  Individualisierung,  sondern  auf  Verallgemeinerung  aus,  wie  auch 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  \j 


sonst  auf  Vasen  dieser  Zeit;  so  finden  sich  einmal  einer  gewöhnlichen  Komos- 
szene  die  Namen  Paian  Neanias  Komos  beigeschrieben  (Arch.  Zeit.  1852  Taf.  37) 
[Berlin  2658];  gar  nichts  haben  diese  Erscheinungen  aber  mit  jenen  kalten  alexan- 
drinischen  Personifikationen  wie  Eniautos  Penteteris  Mesembria  u.  a.  zu  tun,  von 
denen  sie  Heibig  (Unters,  zur  camp.  Wandm.  S.  216)  abhängig  machen  will. 
Doch  betrachten  wir  die  einzelnen  Vasen:  Stackeiberg,  Gräber  d.  Hellenen  Taf.  29 
[Brit.  Mus.  E  697.  Furtwängler-Reichhold  II,  S.  99.]  steigern  sich  die  Begriffe 
von  der  Seite  zur  Mitte:  der  Kleopatra,  edle  Abkunft  und  Stand,  entspricht 
r.  Eudaimonia,  glückliche  Lebensstellung,  der  Paidia  und  Eunomia,  einem  in 
zwei  Hälften  aufgelösten  Gliede,  Scherz  und  Heiterkeit  verbunden  mit  sittlichem 
Maße,  entspricht  r.  Peitho,  die  liebenswürdig  Überredende;  als  Krone  und  Mittel- 
punkt aber  Aphrodite  mit  Eros  auf  der  Schulter:  denn  Liebe  und  Schönheit  ist 
die  Hauptsache,  die  mit  dem  übrigen  vereint  erst  das  wahre  Glück  des  Daseins 
erzeugt.  Alle  diese  Göttinnen  des  Glücks  haben  aber  die  Gestalt  heitrer,  mit  29 
Putz  und  Spiel  beschäftigter  Mädchen.  Das  Gerät,  mit  dem  sich  Peitho  abgibt 
(CR.  1860  Taf.  1  [Petersburg  1791]  und  Arch.  Zeit.  1871  Taf.  45  mit  geringer  Modi- 
fikation wiederkehrend),  halte  ich  für  eine  Art  Kohlenbecken  für  Wohlgerüche, 
der  fivoojivov;  Tleidco  (Anth.  Pal.  12,  95,  1)  wohl  anstehend  und  auch  bei  Nike 
über  dem  Altare  leicht  erklärlich.1  Zwei  Repliken  derselben  Vorstellung  zeigt 
Jahn,  Vas.  mit  Goldschmuck  Taf.  II,  1  u.  2  [Brit.  Mus.  E  698]:  Gesundheit  (Hygieia), 
Schönheit  (Kaie),  sinnlicher  Genuß  (Pandaisia)  und  der  Inbegriff  alles  Glücks 
Eudaimonia,  welche  Eros  begleitet,  begrüßen  und  umringen  einen  Jüngling  (Name 
fragmentiert),  der  zu  ihnen  eintritt;  gewiß  ist  die  politische  Beziehung,  die  Stephani 
CR.  1860  S.  15  dem  Bilde  gibt,  verkehrt:  das  allgemeine  Lebensziel,  das  jedem  vor- 
schwebt, ist  dargestellt.  Während  aber  oben  wenigstens  Eros  bei  Aphrodite  und 
Peitho  sich  befand,  sind  es  hier  lauter  Begriffe  und  Eros  selbst  scheint  in  all- 
gemeiner begrifflicher  Weise  angewandt,  als  Glückseligkeit  verleihender  Dämon. 
Dagegen  ist  er  wieder  Diener  Aphroditens  auf  der  schönen  Lekane  Bull.  Nap. 
N.  S.  2  Taf.  6,  1.  [Neapel,  Santangelo  316]  (vgl.  CR.  1860  S.  12),  ringsum  Klymene 
Pannychis  und  Eunomia;  auch  Harmonia  als  Ergänzung  der  Aphrodite  (vgl.  Aesch. 
Suppl.  1042)  sitzt  als  Hausfrau  gegenüber  und  Eukleia  vor  ihr. 

b)  Psychologisch. 
Wurde  schon  in  den  oben  besprochenen  Bildern  Eros  oft  überwiegend  von 
der  psychologischen  Seite  gefaßt,  so  ist  dies  bei  den  folgenden  ausschließlich 
der  Fall.  Es  lassen  sich  hier  zwei  größere  Gruppen  scheiden,  je  nachdem  nämlich 
Eros  als  Liebesprinzip  in  jedweder  mythologischer  Handlung  auftritt,  oder  er 
mit  bestimmten  göttlichen  Personen  durch  Charakterähnlichkeit  eine  dauernde  30 
Verbindung  eingegangen  hat. 

1  Petersen,  Pheidias  135  hält  es  für  eine  Vogelfalle,  doch   scheint  das  Gerät  ganz 
offen  zu  sein.    Auch  glaubt  er,  Eros  soll  darin  gefangen  werden,  ein  unmöglicher  Gedanke. 

A.  Furtwängler.   Kleine  Schriften  I.  ^ 


is  in  des  Vasenmalerei. 


Innerhalb  der  ersten   Gruppe  betrachten   wir  zuerst  die  Fälle,  wo  er  mit 
den  auftritt,  die  Liebesabenteuer  der  Götter  und  Heroen  lenkend, 
ä  Künstlers  ohne  mythische  Begründung,   nur  aus  Bedürfnis 
psyd  eher  Motivierung.     Den  Übergang  bilden   zwei  schöne  Gefäße 

rarmalerischen  Stils,   die   noch   einen  gewissen  mythologischen  Charakter 
en:    Laborde  1  Taf.  25   [Wien  Sacken-Kenner  S.  228  Nr.  166]  umschließen 
tüte   und  EPQ2  die  Verfolgung  der  Amymone  von  beiden  Seiten,  ganz 
analog  Luynes  Descr.  29  [Paris,  Bibl.  Nat.  460],  wo  Dionysos  nach  einem  Mädchen 
hascht,  ähnlich   Mus.  Blacas  Taf.  21    [Brit.  Mus.  E  184].    Vgl.  auch  Beugnot  46. 
Hinter  Zeus,   der  Ganymed  verfolgt,  schwebt  Eros   her  mit  Schale  und  Kanne, 
wahrend  Aphrodite    tPeitho?)   ihm    den    Kranz   reicht,   auf   einer  Vase   ebenfalls 
vormalerischen  Stils  (Overbeck  Atl.  z.  Kunstm.  8,  19).  —   Ungleich   häufiger  im 
entlieh  malerischen  Stile:   so  leiten  sie  die  Entführung  Europes  Dubois-Mais. 
Intr.  Taf.  65  [Museo  Gregoriano,   Heibig,   Führer2  II  Nr.  1239];   von   ihnen   ist 
:s   auch    gelenkt,   wenn    er   um   los   Liebe   wirbt,    während    die   eifersüchtige 
Hera    bereits  Argos  sendet:    Elite  1,  25  [Berlin  3164],  eine  Darstellung   des   all- 
gemeinen Gesamtinhalts  der  Sage,   nicht  aber  einer  einzelnen  Szene  derselben, 
wie  man  gewöhnlich  annimmt;  noch  bedeutender  ist  die  Io-Darstellung  Mon.  d. 
Inst.  II,  59,  1  [Berlin  2651],  wo  der  allgemeinere  Gedanke,  Zeus  unter  der  Herr- 
schaft der  Liebe  darzustellen,  recht  klar  wird;   er  zerstört  Heras  Pläne  und  läßt 
os  töten,  bezwungen  von  Aphrodite  und  den  Eroten.   Auf  Io  will  Engelmann 
auch  die  genauer  als  bei  Laborde  II,  4  in  der  Arch.  Zeit.  1873,  Taf.  15  publizierte 
e  (Wien  Sacken-Kenner  S.  229  Nr.  171]  beziehen,  wo  er  Argos,  Io  und  Hermes 
erkennt,  die  vielen  übrigen  Figuren  sollen  der  Raumfüllung  wegen  gedankenlos 
hinzugefügt   sein.     Würden   die   drei   genannten  Personen  in  einer  klaren  Hand- 
lung ein  festes  Zentrum  bilden,  um  das  sich  das  übrige  locker  gruppierte,  könnten 
wir  allenfalls  beistimmen.   Dagegen  ordnen  sich  diese  drei  Figuren,  ohne   unter 
•.inander  in    näherer  Beziehung  zu  stehen,  vielmehr  einem  Ganzen  unter,  dessen 
.verpunkt  links  in  der  im  Stuhle  sitzenden  Frau  liegt:  hierher  sind  Richtung 
und  Aufmerksamkeit   fast  sämtlicher    Figuren   gelenkt,    namentlich    erscheint  die 
gebliche   Io    durchaus    als   Nebenfigur.    Eine   Deutung    des    seltsamen    Bildes 
i  nicht  zu  geben,  höchstens  kann  der  Kreis   näher  bezeichnet  werden, 
/  i  suchen  ist:  außer  Hermes,  Pan  und  den  Satyrn,  die  sicher  sind, 
;  man  in  der  Frau  links  oben  Aphrodite  erkennen,  einem  Eros  gebietend;  dir 
e  darunter  fasse  ich  so:  der  Bote  ist  bereit,  ein  Kästchen  von  der  Frau 
ZU  nehmen;    der  Eros  dazwischen,    der   ihm  die  Tänie  heraufreicht. 
iben         von  dem  Mädchen        überbringen  soll.    Ist  es  eine 
Jt.  ;  m   vom   Gemahl?     Deutet  das  übrige,    nach  dein  Gedankenkreise 

kommende  aphrodisisch-bakchische  Glück  an?    Zwei  Jünglinge 
haberi  ,,;  isl  das  gehörnte  Mädchen  eine  Pauiii? 

r  unteritalischen  Gefäße  sitzen  Aphrodite  und  Eros,  das 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  19 

Liebesabenteuer  beschützend,   öfter  in  der  obern  Reihe,  so  Gerh.  Trinksch.  und 
Gef.  22,  1  [Berlin  3297],  wo  ich  trotz  Stephani  CR.  1863,  S.  96 l  die  Entführung 
Ganymeds,  und  zwar  für  Zeus,  erkenne;  nicht  zu  übersehen  ist  nämlich  Laborde 
II  Suppl.  6  [Wien  Sacken-Kenner  S.  165  Nr.  95]:  hier  reitet  ein  Knabe2  auf  einem 
Schwane  durch  die  Luft,  er  hält  den  Reifen,  der  auf  Vasen  für  Ganymed  charak- 
teristisch ist,  vor  sich  hin,  Eros  (auf  dem  Revers)  eilt  mit  ausgestrecktem  Arme 
ihm  entgegen,  wie  um  ihn  anzutreiben;  nach  dem  Fragm.  bei  Gerh.  a.  a.  O.  22, 
4  ist  hier  gewiß  Ganymed  anzunehmen;  der  Adler  als  Räuber  desselben  ist  be- 
kanntlich den  Vasen  fremd,  eine  andre  Tradition  mag  den  Schwan,  das  Tier  der 
Wollust,  passender  gefunden  haben;  Poseidon  in  der  obern  Reihe  ist  dagegen 
nur  als  Beschützer  des  Dardanidenhauses  gegenwärtig  und  Hermes  wird  den  Schwan 
mit  Ganymed  zu  Zeus  geleiten.  —  Ferner  sitzen  Aphrodite  und  Eros   über  einer  32 
mythologischen  Entführungsszene  (vielleicht  der  Persephone?)  Bull.  d.  Inst.  1871, 
57,  4;  über  Europe,  der  der  Stier  sich  naht  (Overb.  Atlas  zur  Kunstm.  6,  12),  über 
Dionysos  und  Ariadne  (Neapel  2375),  über  Perseus,  der  Andromeda  befreit  (Neap. 
S.  A.  708;  Mon.  d.  Inst.  IX,  38),  und   über  Theseus  und  der  Antiope  Kampf  als 
Andeutung   der   kommenden    Liebe  (?,  Mon.  d.  Inst.  II,  13).     Ein  feines,    aber 
schwieriges  Bild  ist  Minervini,  Mon.  di  Barone  18:  der  deutlich  charakterisierte 
Herakles  nämlich  ruht  aus,  im  Begriffe  sich  die  Flügelschuhe  auszuziehen,  er  sieht 
auf  zu  einem  demütig  dankenden  oder  bittenden  Mädchen,  rechts  Hermes,   links 
Pan,  oben  Aphrodite  und  Eros,  der  mit  Tänie  herabeilen  will,  rechts  Athene.    Die 
Apotheose  Minervinis  macht  schon  Pan  unmöglich.   Ich  kann  mir  die  Szene  nur 
als  eine  freie  Umbildung  einer  Heraklessage  nach  Analogie  des  Perseus  mit  Andro- 
meda denken:  auch  Herakles  hat  die  Flügelschuhe  von  Hermes  empfangen,  zur 
Befreiung  der  Hesione,  und   wie    es  Perseus'  Ziel  ist,  Andromeda  zu  gewinnen 
(cf.  Eur.  fr.  126),  so  wird  auch  hier  eine  Umbildung  ins  Erotische  vorgenommen: 
Hesione  kann  keine  Lust  haben,  zu  dem  grausamen  Vater  zurückzukehren:  sie 
bittet   hier  Herakles,   sie  mitzunehmen,   und  wird  darin  von  Hermes  unterstützt, 
schon  eilt  Eros  herbei,  beide  in  Liebe  zu  vereinen;  daß  die  Rosse  der  eigentliche 
Preis  sind,  wird  vollständig  ignoriert;  ebenso  mußte  Telamon  wegbleiben,  der  sonst 
Hesione  heimführte.     Ein  solches  freies  Verhältnis  der  Vasenmaler  gerade  dieser 
Periode  zur  überlieferten  Sage,   die  vor  allem   in   erotischem   Sinne   umgebildet 
wird,  dürfte  überhaupt  öfter  nachweisbar  sein,  als  man  gewöhnlich  annimmt,  so- 
bald man  nur  den  künstlerischen  Motiven  gehörig  Rechnung  trägt. 

Auch  Pelops  Wagnis  lenken  die  Liebesmächte,  oben  (Mon.  d.  Inst.  V,  22  [Brit. 
Mus.  F  271])  oder  unten  sitzend  (Ann.  d.  Inst.  1840,  N  [Brit.  Mus.  F  330]);  sie  stehen 
hinter  Pelops  Ann.  d.Inst.  1851,  QR,  denn  er  wird  von  Liebe  getrieben;  aber  es  ist 
auch  eine  Rachetat,  Rache  an  dem  wilden  Verbrecher  Oinomaos  durch  Myrtilos, 

1  Vgl.  Overbeck,  Zeus  S.  518. 

2  Die  Herausgeber  der  Elite  (4,  54  der  Avers  wiederholt)   sahen   die   Flügel   des 
Schwans  für  die  eines  Eros  an,  dem  Anteros  entgegeneile! 

2* 


IN  DER  VAS  N  MALEREI. 


,:     :     steht  hinter  letzterem  eine  Erinys  als  Andeutung  der  nahenden  Vergeltung 
urui  des  Verderbens.   Verwandt  Ist  Gerhard,  Apul.  Vb.  Taf.  6  [Berlin  3239]:  rechts 
rod   stehen  Eros   und  Aphrodite,  links  Artemis  einer  Erinys1  ge- 
I,  dort  der  Trieb  zur  Tat,  hier  die  Strafe,  die  Rache  der  verletzten  Gottheit. 
:i   der  Raub   des  Chrysippos  wird  von  Aphrodite  und  ihren  Söhnen  geleitet 
.iL  Taf.  1.  2  [Neapel  1769]),  nicht  minder  der  Liebeskampf  des  Peleus  und 
Hietis  Overb.  Gall.  Taf.  7,  8  [Vatikan];  8,  5  [München  3267];  8,  1  auch  Peitho 
und  Ran;  CR.  1869  Tat'.,  4,  3,  leider  Fragment,  war  Aphrodite  vielleicht  auch  an- 
wesend. Eros  schwebt  auf  Thetis'  Kopf  zu,  wie  um  sie  zu  schmücken.    Auf  Peleus 
schwebt  er  zu  als  helfende  Macht  auf  der  schönen  Vase  bei  Salzmann,  Necrop.  de 
mirus  [Taf.  58]   während   dahinter   Aphrodite   sitzt   und  bei   ihr  Peitho.     Als 
chologisches  Motiv  des  Kampfes  scheinen  sie  auch  bei  Herakles  und  Acheloos 
enwärtig    zu   sein  (Jatta  1097  §  3,  wenn  richtig   gedeutet).    Gerhard,   Apuk 
Vb.  Taf.  1">  [Berlin  3257]  führt  Eros  den  Herakles  zur  Hebe,    Himeros  (Inschr.) 
wartet  noch  bei  Aphrodite.   Brit.  Mus.  1440  [F  102]  fährt  Nike  den  apotheosierten 
Herakles.  Eros  führt  die  Pferde;  noch  deutlicher  Bull.  Nap.  N.  S.  3,  Taf.  14  [Furt- 
wängler-Reichhold  II,  S.  256  Anm.  2],    wo  Silen  vorangeht,  Aphrodite   und  Eros 
ihn  erwarten:    das   wahre  Glück  besteht   in   aphrodisisch-dionysischem  Genüsse. 
Den  Schluß   mögen   zwei  besonders  interessante  Bilder  machen:   Michaelis, 
Thamyris  und  Sappho  [Rom.  Mitt.  III  Taf.  9]  (vgl.  Jatta  1538  S.  847);  die  Deutung 
von  Michaelis  ist  unbefriedigend  und  basiert  dazu  nur  auf  der  willkürlichen  Er- 
gänzung einer  Inschrift;   denn  daß  die  Buchstaben  2AO,   denen   andre  sowohl 
als  nachgefolgt  sein  können,  noch  gar  manche  Ergänzung  zulassen,  ist  gewiß. 
Suchen  wir  daher  aus   den   Motiven   der  Komposition   selbst  eine  Deutung  zu 
gewinnen:   die  drei   eng  verbundenen   Frauen   gehören   offenbar  zusammen   als 
aphrodisischer  Dreiverein:    unten  Aphrodite,   dann    etwa    Peitho   und   Paregoros, 
einer  der  drei  Eroten  weist  auf  Thamyris,  Aphrodite  lauscht  der  Musik.    Thamyris 
:ngt  in  schwungvoller  Begeisterung,  siegesgewiß  wendet  er  sein  Haupt  zu  den 
Musen;   es   kann  kein  Zweifel  sein,   daß  die  aphrodisischen  Mächte  hier  wie  in 
den  obigen  Fällen  als  psychologisches  Motiv  der  Handlung  des  Helden  fungieren, 
igen  wir:    von    Liebe   inspiriert   singt  Thamyris;   dazu   stimmt  vortrefflich 
der  Kranz,  den  er  im  Gürtel  trägt  (nicht  gestickt!),  dessen  hochzeitlich  erotische 
eutung   überall  wo  er  vorkömmt    klar  ist. 2     Die  einfachste  Erklärung  der  so 
innten  Tatsache  bietet  aber  offenbar  die  Sage,  nach  der  Thamyris  aus  liebendem 
Verlangen  zu  den  Musen  sich  zu  einem  Wettstreite  mit  denselben  herbeigelassen 
Musen    hat  Michaelis    richtig   erkannt;   daß   sie   aber  dem  Thamyris 

lügen,  die  Körte  (Peraonif.  psychol.  Affekte)  vorschlägt,  scheinen  mir 
h  nicht  •  ijehert. 

n  der  .Moidias-Vase,  dem  Pelops  Mon.  d.  Inst.  VIII,  3  [Arezzo] 
unten,  auch  bd  P  erb  CklLTaf.  11,1  [Karlsruhe 259];  vgl.  Ann.  d.  Inst. 

](*>  tickt:  Furtwingler-Reichholi  I  S.  41,  1.  141.  193.] 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  21 

freundlich  seien,  finde  ich  durchaus  nicht  ausgedrückt:  die  eine  mit  dem  Perlen- 
halsband kann  dies  sehr  wohl  für  sich  betrachten  und  anlegen  wollen,  besonders 
da  sie  fast  allein  keines  am  Halse  trägt  (vgl.  die  Paidia  D.  a.  K.  II,  296  d.  [Brit.  Mus. 
E697]);  die  zunächst  links  unten  sitzende  lauscht  zwar  aufmerksam,  aber  zurück- 
haltende, beobachtende  Kälte  liegt  unverkennbar  in  ihrer  Haltung;  auch  die  Be- 
wegung der  rechts  sitzenden  ist  die  einer  kritisch-sinnenden,  nicht  entzückten; 
daß  endlich  Apoll  sich  abwendet  und  mit  einer  Muse  ernst  spricht,  kann  doch 
nur  als  Zeichen  seiner  Kälte  und  Abneigung  gefaßt  werden;  wir  erraten  den 
Gegenstand  des  Gesprächs,  und  wer  den  Ausgang  der  Sage  kannte,  der  wußte, 
daß  Verderben  dem  schönen  Sänger  naht  —  und  daran  ist  seine  Liebes- 
begierde Schuld. 

Diese  verderbliche  Macht  der  Aphrodite  und  des  Eros,  die  wir  besonders 
bei  Euripides  betont  fanden  (z.  B.  Hipp.  542),  tritt  noch  klarer  hervor  in  der 
Meleager-Vase  Arch.  Zeit.  1867,  Taf.  220  [Neapel,  S.  Angelo  11],  hier  ist  dem  Eros 
beigeschrieben  <P(-)ONO£,  d.  h.  es  ist  die  Liebe,  die  hier  zerstörend  wirkt  gleich 
dem  cpftovoQ  dewv  gegen  das  junge  Leben  Meleagers,  denn  seine  Liebe  zur 
Atalante  bringt  ihm  ja  den  Tod:  die  Szene  ist  eine  vorgeschrittenere,  aber  der  35 
Gedanke  derselbe  wie  auf  der  Thamyris-Vase.  Der  Bogen  und  die  Pfeile,  die 
Aphrodite  hält,  sind  die  ihr  eignen  Geschosse,  wie  bei  Euripides,  die  sie  dem  Eros 
zur  Ausübung  überlassen  kann,  nicht  aber  als  ob  sie  dieselben  dem  Eros  aus 
Mitleid  weggenommen  hätte.  Einen  früheren  Moment  derselben  Sage  zeigt  eine 
andere  Vase  (beschrieben  und  richtig  gedeutet  bei  Körte,  Person,  psych.  Äff. 
S.  56),  wo  Meleager  der  Atalante  das  Fell  übergibt,  welche  Tat  durch  Eros  und 
Aphrodite  als  aus  Liebe  geschehen  bezeichnet  wird. 

Auch  ohne  Aphrodite  wird  Eros  häufig  allein  in  die  Liebesabenteuer  der 
Götter  verflochten:  so  bei  der  Europe,  indem  er  entweder  den  Stier  bekränzt 
(Passeri,  Pict.  in  vasc.  S.  6  [Mus.  Greg.],  Millingen,  Vases  div.  Taf.  25  [Brit.  Mus. 
F  184])  oder  ihn  niederdrückt  (Jahn,  Entf.  d.  Eur.  S.  1  [Neapel  3218],  vgl.  Nonnus 
1,  79),  oder  er  schwebt  geleitend  dem  Zuge  durchs  Meer  voran  (Gerh.  Apul.  Vb. 
Taf.  7  [Berlin  3241];  Overbeck,  Atlas  zur  Kunstm.  6,  18),  ja  drei  Eroten  empfangen 
und  geleiten  die  Ankommende  in  lebendiger  Handlung  CR.  1866  Taf.  3  [Peters- 
burg 1915].  Über  Io  gießt  Eros  Schönheit  (Elite  1,  26  [Coghill])  aus,  und  auf 
einer  späten  polychromen  Vase  ermuntert  er  Danae,  den  Regen  zu  empfangen  (Brit. 
Museum  C  38  [E  711]);  über  Hades'  Wagen,  der  Kora  entführt,  schwebt  er  Mil- 
lingen, Uned.  Mon.  I,  16  [Overbeck,  Kunstmythologie  II  S.  597,  6],  von  seiner  Stelle 
versetzt  Mon.  d.  Inst.  VI,  42  [Genf].  Auch  zwischen  Amymone  und  Poseidon  steht 
er  ermunternd  (Amalthea  II,  Taf.  4  [Overbeck,  Kunstmythologie  II  S.  378,  14]).  Be- 
sonders häufig  weilt  er  bei  dem  Liebesbündnis  des  Dionysos  und  der  Ariadne:  er 
beschützt  und  beobachtet  die  in  Liebe  Vereinten,1  ihre  Brautfahrt  umgeben  locker 

1  Millingen,  Uned.  Mon.  1,  26;  Bull.  Nap.  3,  Taf.  1,  3  [Jatta  1525]  fein,  ähnlich  Peters- 
burg  1922. 


Eros  in  der  Vasbnmai  erei. 


CR.  1863  Taf.  5,  2  [Petersburg  1427]);  häufig  kränzt  er  eines  von 
schwebt  sonst  um  sie,  Immer  als  Ausdruck  ihrer  Liebesstimmung.1  Das 
Monument  dieser  Reihe  ist  jedoch  die  Vase  von  S.  Martino  (Gerh. 
»9  [Palermo,  Furtwängler-Reichhold  I,  Taf.  59]).    Gewiß  richtig 
■.um  die  xi"'",   '/''•  (V  "/'•'/  Wr  Aphrodite  erklärt  (Areh.  Zeit.  1863,  S.46); 
Hauptschwierigkeit  liegt  aber  in  dem  Mädchen  in  der  Mitte  mit  dem  zierlich 
unten  Qestus  (vgl.  Ann.  d.  Inst.  1862,  259);   auch  ich  wage  nur  eine  Ver- 
mutung darüber  auszusprechen:  es  scheint  mir  nämlich  klar,  daß  jenes  Mädchen 
eine  herankommende,  für  Dionysos  bestimmte  Geliebte  sei,  er  wird  auf  sie  hin- 
gewiesen von  einem  überredend  angeschmiegten  Mädchen,  das  wir  wohl  Peitho 
nennen  dürfen;  die  Ankommende  ist  auf  einem  (vom  Hügel  verdeckten)  Wagen 
gekommen,   der  mit  Rehen   bespannt   ist   und  von   einem  Eros  gelenkt  wird: 
EPOS  AM  l'C  (die  Rehe  erkannte  Stephani  CR.  1863  S.  217,  der  jedoch  Dionysos" 
Wagen  annimmt,  was  nicht  zu  der  Stellung  paßt);  wer  könnte  aber  jenes  Mädchen 
eher  sein  als  Ariadne,  deren  Wiedervereinigung  mit  Dionysos  alljährlich  mit  der 
bessern  Jahreszeit  gefeiert  wurde  (vgl.  Preller,  Gr.  Myth.  1",  532) 2;  daß  bei  diesem 
Wiederaufleben  der  Natur  Aphrodite  und  ihre  Chariten  (die  beiden  Mädchen  neben 
ihr)  keine  geringe  Rolle  spielen,  ist  bekannt;  aber  auch  Eros,  der  zwischen  Dio- 
nysos und  Ariadne,  schnürt  sich  die  Stiefel,  d.  h.  offenbar,  es  beginnt  eine  neue 
Periode  der  Wirksamkeit  auch   für  ihn,   für  die   er  sich   rüstet;   um   seinen  Zu- 
sammenhang mit  Dionysos  zu  bezeichnen,  trägt  auch  er  die  dionysische  Tänie 
(wie  auch  berauschte  Jünglinge  und  Männer,  z.  B.  Arch.Zeit.  1852,  Taf.  37, 3[Cassel]). 
Gewiß  beabsichtigt  ist  auch  hier  der  so  beliebte  Gegensatz  zwischen  dem  natur- 
gewaltigen Dionysos  und  dem  in  reiner  Hoheit  thronenden  Apoll  auf  dem  Revers. 
Aber  auch  Apoll  muß  manchmal  dem  Eros  weichen.    Neapel  3224  spielt  er 
unter  Musen  und  Eroten  die  Leier,  darüber  hin  fährt  Aphrodite,  von  zwei  Eroten 
n;  ebenda  2541  singt  er  ebenfalls  von  Eros  bezwungen;  daß  aber  auch  die 
dem  Apoll  nahestehenden  spröden  Amazonen  von  Eros  entzündet  werden  können, 
lehrt  der  Revers;  im  Innenbilde  zwei  Eroten  in  Blumengewinden!  — 

'it  minder  fügte  man  Eros  in  die  Liebesabenteuer  der  Heroen  ein,  und 
ir  bald  mehr  persönlich  tätig,  wie  wenn  er  das  verfolgte  Mädchen  aufzuhalten 
sucht  (i  i  af.  4,  1  [Petersburg  2178a]),  oder  (Ant.  du  Bosph.  Taf.  53  [Peters- 

burg 17.H7]»  wenn  einer  des  Kentauren  Liebesbrunst  anstachelt,  und  ein  zweiter, 
so  oft,   mit  ausgebreiteten  Armen  auf  Deianira  zuschwebt,  entweder  um  sie 

6  [Wien  Sackcn-Kcnncr  S.  233  Nr.  199]  (vgl.  Steph.  CR.  1862  S.  147); 

Petersburg  2021 ;  Rossi,  Vasi  Blacas  Taf.  21  S.  59  [Brit.  Mus. 

;  CR.  1860  Taf.  2,  1  [Petersburg  1793];  Miliin,  Peint.  de  vas  I, 

•  ikle*);  Brit  .Mus.  C  9  [E  237]  (überredend),  C  20  (K  435]  auf  Ariadnes  Arm 

»OK  Schönheit  über  sie  ausgießend. 

lüg  der  Inschrift  bei  Dionysos  als  ipXmv,  der  Strotzende,  sicher 

mir  zur  i  mg  meiner  Deutung.  [Vgl.  jedoch  hierzu  l'urtwiingler- 

71 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  23 


fester  in  des  Kentauren  Arme  zu  treiben,  oder  um  sie  zu  schmücken,  indem, 
wie  öfter,  ein  Kranz  oder  dergleichen  fehlt1;  jedenfalls  ist  es  ganz  verkehrt,  hier 
mit  Stephani  an  ein  Segnen  und  an  einen  Unterschied  der  Eroten  wie  bei  Eur. 
Iph.  Aul.  546  zu  denken.  —  Dem  niedergeworfen  Kentauren  scheint  er  ein  Tuch 
für  seine  Wunden  bringen  zu  wollen  (?)  CR.  1865  Taf.  4,  1  [Petersburg  2016]. 
Ermunternd  steht  er  neben  dem  Liebespaare  Meleager  und  Atalante  Bull.  Nap. 
N.S.  5  Taf.  1  [Jatta  1418]  (vgl.  Steph.  CR.  1867  S.  86).  Eine  Ausnahme  unter  den 
Vasen  ist  Tischbein  III,  39,  wo  Eros  knieend  neben  einer  Säule  einen  Pfeil  abschießt 
auf  Stheneboia,  die  sich  mit  Bellerophon  unterhält;  auffallend  ähnlich,  nur  wahr- 
scheinlich nicht  mythisch  ist  Petersburg  1181  („Verfall")  [nach  Rom.  Mitt.  II  S.  46 
die  gleiche  Vase]. 

Häufiger  ist  er  in  mehr  symbolisch  begrifflicher  Weise  verwendet,  so  schwebt 
er  herbei  auf  Hippodamia  (Neapel  3227),  auf  Perseus,  der  das  Ungetüm  bekämpft 
(ebenda  3225),  natürlich  immer,  um  das  psychologische  Motiv  der  Handlung  zu  be- 
zeichnen. In  demselben  Sinne  fliegt  er  über  oder  vor  dem  Wagen  des  Pelops 
(Gerh.  Ges.  Abh.  Taf.  3  [Neapel  3255];  Mon.  d.  Inst.  II,  32,  2  [Neapel  3256])  und  sitzt 
hinter  Medea  (Mon.  d.  Inst.VTaf.  12  [Petersburg  422]);  er  schwebt  zwischen  dem 
etwas  zögernd  verlegenen  Paare  auf  Herakles  zu,  nach  der  Omphale  sich  umschauend 
(Gerh.  Apul.Vb.Taf.  14  [Berlin  3290]).  Nach  der  bekannten  Version,  daß  Herakles  38 
die  Hesperidenäpfel  durch  Liebe  errungen,  steht  (Brit.  Mus.  C  1  [E  227])  Eros  vor 
dem  Baume,  wie  um  Herakles  zu  schmücken.  Auch  sonst  ist  Eros  Genosse  der 
schönen  Hesperiden  (Hancarvillelll,  123  [Catania];  Bull.  Nap.  N.S. 5  Taf.  13  [Jatta 
1097]).  Vielleicht  sind  ebenfalls  als  schönheitverleihende  Dämonen  die  beiden  Eroten 
zu  fassen,  die  bereit  sind,  den  toten  Hektor,  der  eben  herangetragen  wird,  entstellt 
zum  Entsetzen  seines  Vaters,  zu  schmücken  und  wieder  schön  zu  machen  (Overb. 
Gall.Taf.  20,  4  [Petersburg  422]),  wenigstens  ist  die  Annahme  von  „Todes-Eroten" 
entschieden  abzuweisen. 

Besonderes  Interesse  bietet  die  schöne  Kadmos-Vase,  wo  Eros  den  Fuß  der 
Thebe  schmücken  will  (Welcker  A.  D.  3,  23,  1  [Berlin  2634]);  denn  die  ganze  Dar- 
stellung der  Tat  des  Kadmos  hat  hier  manches  Eigentümliche;  die  Hydria,  die 
in  der  Sage  eine  Rolle  spielt  und  sonst  immer  da  ist,  fehlt,  dagegen  sitzt 
Harmonia,  wie  schon  zu  Kadmos  gehörig,  hinter  ihm,  ihn  ermunternd;  er  selbst 
ist  mit  dem  hochzeitlichen  Kranze  im  Gürtel  geschmückt  und  kämpft  mit  dem 
Schwerte,  nicht  mit  dem  Stein,  wie  in  der  Sage  und  allen  sicheren  Kunst- 
darstellungen (vgl.  die  Zusammenstellung  Arch.  Zeit.  1871  Taf.  35;  CR.  1860  Taf.  5 
[Petersburg  2189]  ist  nicht  Kadmos)  —  kurz,  alles  weist  auch  hier  auf  eine 
selbständige  Umbildung  des  Überlieferten  und  zwar  in  erotischem  Sinne  hin: 
es  gilt  die  glänzende  Heldentat  des  Kadmos  zu  feiern,  der  von  Liebe  getrieben, 

1  Vgl.  CR.  1869  Taf.  4,  3;  Ant.  du  Bosph.  Taf.  52  [Petersburg  1812];  Heydemann,  Gr.  Vb. 
S.  10,  Taf.  X,  1  und  die  Fälle,  wo  er  vor  den  Füßen  kauert  und  sonst  z.  B.  Brit.  Mus.  C  1 
[E  227],  C  20  [E  435]. 


in  di  r  Vasenmalerei. 


um  Harmonia  u   erworben  und  dann  Hieben  zu  gründen,   unter  Athenas 

d  iWn  verderblichen  Drachen  tötet;  und  Eros  bekränzt  Thebe,  denn  eine 

it  hat  gründet.    So  stellt  sich  unser  Bild  auch  dem  Gedankeninhalt 

-.  Gegenstück  zu  dem  großen  Parisurteile  heraus. 

Ihaft  endlich  sind  Millingen,  Vases  div.  Taf.  41  (Neapel  2900),  wo  eine 

um  anglückliche  Liebe  trauernde  Königin  gemeint  scheint  (Phädra?)   und  Mon. 

d.  Inst.  1S54  Taf.  16  [Brit.  Mus.  F  272],   wo   der  herabfliegende   Eros   den  Grund 

der  Trauer  der  Frau  anzeigt  (ob  Phädra?  vgl.  Arch.  Zeit.  1871  S.  159). 

Wenden  wir  uns  nun  zur  zweiten  Gruppe,  so  wurde  das  innere  Wesen  des 
Eros  Grund   zur  dauernden  Verknüpfung  mit  Dionysos  und  seinem  Kreise.  — 
Aphrodite  scheint  schon  früh  ein  näheres  Verhältnis  zu  Dionysos  gehabt  zu  haben, 
das  auch  im  Kult  anerkannt  ward.1    Nirgends  wird  aber  berichtet,  daß  auch  Eros 
mit  Dionysos  irgend  welche  religiöse  Verbindung  gehabt  habe,  was  auch  durchaus 
unwahrscheinlich  wäre;  vielmehr  ist  diese  Verknüpfung  der  Poesie  und  vor  allem 
der  Kunst  zu  danken;  denn  die  literarischen  Zeugnisse  sind  verhältnismäßig  selten 
und  Anakreon  fr.  2  steht  vereinzelt  da,  Eur.  Bakch.  412  erscheint  Pothos  den 
Minaden    freundlich,    aber  erst    die   spätere  Zeit    erwähnt  das  Verhältnis   öfter 
(z.  B.  Anth.  Pal.  5,   93;   7,  27;   12,   119;   Nonnos   nennt  43,  421   und  48,  178 
Eros  dem  Dionysos  yvmtös]  5,  43,  437  und  47,  424  gar  y.aotyrijzos).   Daraus  darf 
aber  nicht  auf  die  Kunst  geschlossen  werden,  wird  uns  doch  z.  B.  die  Verbindung 
des  Greifs  mit  Apollo  erst  durch  die  spätesten  römischen  Autoren  bezeugt,  während 
sie  der  Kunst  schon  im  5.  Jahrh.  geläufig  war  (s.  Stephani  CR.  1864  S.  90).   Und 
in  der  Tat  ist  uns  bezeugt,  daß  schon  Mys  in  den  90er  Ol.  Amoren  und  Silene 
im  Dionysostempel  zu  Rhodos  ziseliert,  und  wahrscheinlich  in  dieselbe  Zeit  fällt 
Thymilos'  Gruppe  des  Eros  und  Dionysos.    Während  die  Poesie  sich  meist  be- 
gnügen konnte,  den  zu  Grunde  liegenden  Gedanken,  den  engen  Zusammenhang 
von  Wein   und   Liebe   in   begrifflicher  Fassung  vorzutragen  (wofür  viele  Stellen 
bekannt)  mußte   die  Kunst   den    persönlichen  Ausdruck   dafür  suchen;  daß   dies 
r  nicht  vor  Ende  des  5.  Jahrh.  geschah,  zeigen  unsre  Vasenbilder,  die  sämtlich 
dem  ganz  freien  malerischen  Stil  angehören,  wie  denn  auch  die  oben  erwähnten 
Kunstwerke  eben  dieser  Zeit  angehören.     Damit  stimmt  aber  der  Entwicklungs- 
gang der  Kunst  überein;  denn  erst  in  einer  Zeit,  wo  man  allgemeinere  Gedanken 
uich  ohne  die  festen  Vorarbeiten  der  Tradition  in  die  Kunst  einzuführen  wagte, 
ab   man   das   psychologische  Wesen   der  Götter  vertiefte   und   auch  in  der 
Kunst    vor   allem    nach   Ausdruck   der   bewegenden    Leidenschaften   suchte    und 
dabei    dem  Kreise   des  Dionysos   besondere  Sorgfalt   zuwandte,   erst   da   konnte 
Indigen  Genossen  des  Dionysos  werden. 
EU  nennen  CR.  lHfi.'i  Taf.   1,  3  [Petersburg  1983],  wo  die  spinnende 

rempel  In  Bura  Paus.  7,25, 5;  sonstige  stellen  sammeln  Stephani 

lahn,  Vas.  mit  GoldSChm.  S.  24  Anm.  106,  wozu    man   ans    älterer  Zell 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  25 

Aphrodite  mit  einem  Eros  dem  Dionysos  gegenüber  sitzt,  der  einem  zweiten  Eros 
zusieht  wie  er  eine  Gans  hascht;  man  wird  erinnert  an  Nonnos  31,  266  wo  Dio- 
nysos in  Mitte  des  Olymps  sitzt,  Aphrodite  und  Eros  daneben.  Sonst  ist  es 
immer  Eros  allein,  der  als  treuer  Begleiter  und  Diener  des  Dionysos  in  folgenden 
Bildern  erscheint:  er  gießt  ihm  den  Kantharus  voll  (Tischbein  II,  46);  Miliin,  Peint. 
de  vases  II  Taf.  16  [Louvre]  nahen  sich  feierlich  Eros  und  ein  Satyr  als  die  zwei 
Hauptelemente  und  Diener  des  Gottes,  mit  Opfergaben;  er  eilt  seinem  Wagen 
voran,1  er  schwebtauf  ihn  zu  in  festlichem  Aufzug;-'  er  unterhält  sich  mit  ihm 
auf  seiner  Kline,  lehnt  sich  traulich  an  sein  Knie  oder  steht  ihm  ruhig  gegen- 
über.3 Besonders  gesellt  er  sich  zu  seinem  Freunde,  wenn  er  sich  Musik  machen 
läßt  (Hancarv.  III,  62;  Arch.  Zeit.  1855  Taf.  84  [Berlin  2642]);  auf  der  berühmten 
Theatervase  Mon.  d.  Inst.  III,  31  [Neapel  3240]  reicht  IMEPOZ,  auf  Dionysos 
Kline  ruhend,  der  Muse  des  Theaters  eine  Tänie,  d.  h.  die  erotische  Ekstase  ist 
Grundlage  der  dramatischen  Poesie,  es  genügt  unserm  Bilde  die  dionysische  Inspi- 
ration des  Dramas  im  alten  Glauben  nicht  mehr  und  die  des  Himeros  wird  zu  Hülfe 
genommen. 

Überhaupt  aber  fehlt  Eros  nicht  leicht,  wenn  Dionysos  feierlich  ruhig  in  Mitte  41 
seines  Hofstaats  lagert:  Miliin,  Peint.  de  vases  Taf. 67  [Louvre];  Millingen,  Vases  div. 
Taf.  24  [Vatikan,  Bibl.];  Gerhard,  Apul.  Vb.  Taf.  3  [Berlin  3263];  Inghirami,  Gall. 
Om.  2  Taf.  175;  Petersburg  2017;  Berlin  1093  [3034];  Heydemann,  Gr.  Vb.  S.  3  aus 
Athen:  Eros,  Dionysos  und  Ariadne  sitzen  von  Satyrn  bedient;  auch  Ant  du  Cab. 
Pourtales  Taf.  17  ist  Eros  Genosse  des  Dionysos  und  hascht  nach  einem  Schwan 
(über  dessen  Verbindung  mit  Eros  Stephani  CR.  1863  S.  74;  1864  S.  203).  Ann. 
d.  Inst.  1866,  CD  [Calvi]  steht  zu  jeder  Seite  des  Dionysos  ein  kleiner  Eros,  einer 
mit  Lyra,  wie  ja  besonders  die  höhere  musische  Seite  ein  Band  zwischen  Eros 
und  Dionysos  bildet.  Schon  erwähnt  ward  Bull.  d.  Inst.  1836,  122,  Jatta  1093, 
wo  Eros  und  Pothos  zu  den  Vertreterinnen  bakchischer  Lust,  Himeros  zu  Dionysos 
sich  gesellt,  wie  Gerhard,  Ant.  Bildw.  17  [Wien  Sacken-Kenner  S.  226  Nr.  160], 
wo  er  Dionysos  bekränzt,  der  von  den  Hören  Früchte  erhält;4  Eros  selbst  pflückt 
Früchte  für  Dionysos  Ant.  du  Bosph.  Taf.  63,  2  [Petersburg  1788].  Aber  schon  in 
frühster  Jugend  ist  er  sein  Freund,  so  wenigstens  fasse  ich  Ann.  d.  Inst.  1865,  E 
(Verfall)  wo  er  dem  kleinen  Dionysos,  der  von  einer  Nymphe  gesäugt  wird, 
einen  Vogel  zum  Spiele  herbeibringt,  während  rechts  der  Überbringer  des  Kindes 
Hermes,  steht  (vgl.  Inghirami,  Vasi  fitt.  II  Taf.  194). 


1  Tischbein  III,  21,  wo  Steph.  CR.  1861  S.60  mit  Recht  Dionysos  statt  des  Hermaphro- 
diten vermutet. 

2  Berlin  1015  [2648],  ähnlich  Mus.  Borb.  VIII,  27  [Neapel  1979],  wo  jedoch  Pan. 

3  Passeri  219  [Vatikan] ;  Miliin,  Peint.  de  vases  I,  42;  Jahn,  Vasenb.Taf.  I  [Neapel3249]; 
CR.  1869  Taf.  4,  11;  Miliin,  Peint.  de  vases  I,  69  [Louvre];  Brit.  Mus.  1344  [F  152];  Campana 
ser.  4,  242  Neapel  824  Eros  mit  Bogen,  auf  dem  Revers  Dionysos. 

4  cf.  Nonnus  19,  259  Eros  den  Dionysos  bei  einem  Feste  bekränzend. 


.    Dl  R  \  \st  NMALEREI. 


Dionysos  selbst   gegenwärtig  wäre,  beteiligt  sich 

chen  Kreise,   indem   ei  ruhig   unter  den  Thiasoten  weilt1  oder 

Mittelpunkt   die  Stelle   des  Dionysos  vertritt; ■  er  naht  sich  einer 

Spiel  mit  einer  Ente  (Moses,  Vas.  Englef.  38,  verwandt  Petersburg 

ch  mit  Silenen  und  Satyrn  spielt  Eros;  oft  reiten  Dionysos  als  Kind 

-  ityrknaben    auf   den  Schultern  andrer,   wenn    auch    nicht   auf  Vasen  (vgl. 

ti.  CR.  1861  S.  24),  ein  solcher  bakchischer  Mutwille  ist  es  denn  auch,  wenn 

lin,  Peint.  de  vas.  1,  20  [Leiden])  zwei  Eroten  mit  Bogen  und  Fackel  auf  Sileno- 

pen  reiten  oder  wenn  er  auf  Silens  Schultern  flötend  einen  Zug  anführt  (Du- 

. -Mais.  Intr.  Taf.  40;  Neapel  2579). 4  Anmutig  ist  Neapel  S.  A.  223,  wo  er  wieder 

j  musikalische  Treiben  des  Satyrs  begünstigt. 

gentlichste  Tätigkeit  entfaltet  Eros  aber  erst  als  Auf  reger  und  Auf- 
stürmer bakchischer  Lust;  hier  wird  klar,  daß  es  das  gemeinsame  ekstatisch  be- 
werte Wesen   ist,   das  Eros   und  Dionysos  so  nahe  verband;   hier  dient  Eros 
psychologisches  Motiv  der  wütenden  Begeisterung,  des  Verlangens  ohne  Ziel 
und  Grenze,  treffend  ist  ihm  daher  einige  Male  nö&os  beigeschrieben.    Die  Be- 
gung  dieser  Auffassung  bietet  der  Umstand,  daß  Eros  nur  die  edlere  Ekstase 
der  Mänaden  und  des  Dionysos  lenkt,  nicht  etwa  das  gemeine  sinnliche  Verlangen 
der  Satyrn.5  wie  denn  überhaupt  Eros  auch    in  der  spätem  Zeit  nie   mit  diesen 
halbtierischen  Elementen  des  bakchischen  Kreises  etwas  zu  tun  hat;  denn  wenn 
er.   wie  später  so   häufig,   mit  Kentauren  verbunden  wird,   so  ist  dies  eben  die 
Bezwingung  dieser  rohen  Naturwesen.    Doch  betrachten  wir  unsere  Vasen:  Eros 
•    noch   ruhige   Mänaden   auf,"  er  flötet  zum  wilden  Tanze,7   er  schlägt  das 
Tympanon  imThiasos(Jahn,  Vasenb.  Taf.  2  Pothos;  Brit.Mus.  C  12  [E242]);  beson- 
ders lebendig  und  schön  ist  eine  mehrfach  erhaltne  Composition,  wo  Eros  Tym- 
panon schlagend  der  rasenden  Mänade  voranstürmt  (Tischbein  III,  24  u.  25;  Moses, 
.  Englef.  26;  Elite 4,  (>1  [Louvre]);  ja  er  richtet  die  gestürzte  wieder  auf  und  in- 
spiriert sie  von  neuem  (Bull.  Nap.  N.  S.  4  Taf.  3  [Jatta  1092]),  er  eilt  dem  Thiasos 
m  (Petersburg  2076).    Vorzüglich  ist  der  Revers  der  berühmten  Vase  Mon.  d. 

'  Laborde  I,  5  [Wien  Sacken-Kenner  S.  223  Nr.  1 2.5] ;  Miliin,  Peint.  de  vases.  I,  28; 
Brit  Mus.  1319  [F  58];  3  Eroten  Ann.  d.  Inst.   1864,  H,  wo  unten 

Petersburg  426  Halsbild 

1  [Die  von  F.  an  dieser  Stelle  noch  zusammen  angeführten  Bilder  üerh.  Apul.  Vb. 

boren  ZU  zwei  verschiedenen  Gefäßen. | 
'  i  rinyt  mit  einem  Satyr  um  einen  Kranz,  Passeri  155  (?). 

elten  beschützt  oder  facht  er  die  Lust  der  Satyrn  zu  den  Nymphen 
an.  so  Miliin,  Pein:  I.  52  [Paris,  Bibl.  Nat.  436];  Neapel  961  und  963,  Verfall;  Ant. 

du  fvmph.  •  biir^  2073]  ist  die  Bedeutung  zweifelhaft. 

II,  is  [Paris,  Bibl.  Nat  438];  Laborde  I,  80;  Petersburg  2019, 

lirift  Pothos;  .Mus.  Mlacas  Taf.  22,  1  [Brit.  .Mus.  I-  245];  Neapel 
11|. 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  27 


Inst.  III,  31  [Neapel  3240]:  Dionysos  mit  der  Leier  eilt  Ariadne  umarmend  dahin, 
hinter  beiden  schwebt  Eros,  efeubekränzt  die  Cymbeln  schlagend;  aber  noch  weiter 
geht  CR.  1869  Taf.  4,  9 :  in  stürmender  Eile  rast  Eros  voran  und  faßt  Dionysos,  der  ihm 
keuchend  kaum  mehr  nachkömmt,  unter  der  Achsel,  ihn  fort  in  den  Strudel  reißend.1 

Wie  verwandt  die  Meergeschöpfe  dem  bakchischen  Kreise  sind,  ist  bekannt; 
gern  hebt  man  daher  das  sehnsüchtig  erotische  Wesen  besonders  der  Nereiden 
dadurch  hervor,  daß  Eros  sie  leitet;  diese  Vorstellung  finden  wir  schon  auf 
einigen  spätem  Vasen  (CR.  1863  Titelvign.,  [Petersburg  2023]  Overb.  Gall.  Taf.  18, 
8  [Brit.  Mus.  F  69];  Ant.  du  Bosph.  Taf.  61,  4?  [Petersburg  2164]).  Nur  uneigentlich 
gehört  hierher  Bull.  Nap.  N.  S.  2  Taf.  2,  1  [Neapel  2296],  wo  einer  gewöhnlichen 
Frauenszene  Nereidennamen  beigeschrieben  sind,  EPOZ  fliegt  mit  Kranz  auf 
eine  zu,  als  allgemeiner  Beschützer  der  Frauenschönheit. 

Öfter  geleitet  auf  unteritalischen  Bildern  eine  vom  Eros  kaum  unterschiedene 
Figur  die  Lichtgötter  (Ann.  d.  Inst.  1864,  ST  [Neapel  3222,  modern,  vgl.  Samml. 
Saburoff  Taf.  63,  Anm.  15];  Neapel  2576;  Gerh.  Ak.  Abh.  Taf.  6, 1  [Neapel  3256]; 
Taf.  7,  1  mit  Strahlenkranz);  ob  hier  noch  an  Eros  zu  denken  ist,  der,  etwa  als 
schönster  der  Götter,  das  strahlende  Tageslicht  leitet,  oder  ob  es  eine  eigentliche 
Personifikation  des  Phosphoros  ist,  bleibt  ungewiß;  vielleicht  ist  das  Wahre 
in  einer  vom  Künstler  selbst  nicht  klar  gedachten  Mitte.  —  Charakterisiert  sind 
Phosphoros  und  Hesperos  nur  Inghirami,  Vasi  fitt.  I,  Taf.  52  [Louvre]. 

Überall  in  den  besprochenen  Monumenten  ist  Eros  in  die  verschiedensten 
Sagen  und  mit  mythologischen  Wesen  verknüpft;  auf  seine  eigne  göttliche  44 
Person  bezieht  sich  nichts;2  eigne  Mythen  hat  er  nicht,  da  Eros  und  Psyche 
der  Vasenmalerei  noch  fremd  sind.  Diesen  Mangel  an  Handlungen,  die  sich 
auf  das  Wesen  und  Leben  des  Eros  selbst  bezögen,  suchten  einige  späte  Maler 
durch  eigne  Erfindung  zu  ersetzen:  Neapel  3218 B  oben  findet  sich  eine  feier- 
liche Aussendung  des  Gottes  Eros:  er  steht  auf  dem  Viergespann,  Zeus  reicht 
ihm  die  Schale  zum  Abschied  in  aller  Form,  Hermes  führt  den  Wagen  und  Pan  eilt 
voran.  Auch  ebenda  3252  (Relief  am  Halse)  fährt  Eros,  von  Hermes  geleitet,  übers 
Meer.  Passeri  287  fliegt  Nike  dem  Viergespann  voran,  während  sich  hinter  Eros 
schon  die  Wirkung  zeigt:  ein  Mann  verfolgt  und  umfaßt  eine  Frau.  Den 
Triumphzug  der  Eroten  durch  die  Welt  stellt  ferner  Neapel  3377  dar,  vgl.  2022, 
R.C.  94.  Alle  diese  Bilder  gehören  der  spätem  unteritalischen  Periode  an,  die 
ja  auch  sonst  sich  die  Feier  des  Eros  besonders  angelegen  sein  ließ. 


1  Zweifelhaft,  doch  wahrscheinlich  bakchisch,  ist  CR.  1866  Taf.  5,  4  [Petersburg 
884],  wo  zwei  Eroten  einen  aufgeregten  Stier,  auf  dem  ein  Mädchen,  leiten  und  treiben. 
Über  Mon.  d.  Inst.  IV  Taf.  43  [Wien  Sacken-Kenner  S.  163  Nr.  69]  vgl.  Steph.  CR.  1865 
S.  59,  wonach  Eros  auch  aufgeregt  bakchisch,  doch  s.  Heibig,  Unters,  üb.  camp.  Wandm. 
S.  175.  Eros  schlägt  auch  bei  Gelagen  der  Sterblichen  das  Tympanon  in  demselben  Sinne 
als   Aufreger   (Hancarville  IV,  52  [Brit.  Mus.  F  48];  Miliin  II,  58  [Louvre]). 

2  Vielleicht  wird  Eros  als  Gott  von  Frauen  verehrt  Jatta  584  und  Petersburg  860? 


Eros  in  der  Vasenmalerei. 


>S  IN  DARSTELLUNGEN  DES  GEWÖHNLICHEN  LEBENS. 
ist   die  Masse   elos    hieher  Gehörigen,   aber  während  wir  in  der 
le  in  die  Verhältnisse  der  Jünglinge  und  Männer  eingeführt  wurden, 
fen  wir  hier  lediglich    die  Beziehungen    zu    den  Frauen,   namentlich  wird 
-    lönheit  letzterer  unzählige  Male  gefeiert.    Um  dies  zu  begreifen,  muß  man 
sich    erinnern,   wie   sehr  seit   dem  4.  Jahrli.  Macht  und  Ansehen  der  weiblichen 
•lönheit  wuchs;   schon   von   Chäremon   (Nauck  S.  610)   ist  uns  eine  reizende 
Milderung  des  nackten  weiblichen  Körpers  erhalten,  und  die  mittlere  und  neuere 
Komödie   hat  zu   einem  Hauptgegenstande  die  Liebe   und  das  Leben   mit  den 
Hetären,    deren    Bedeutung    im    gesellschaftlichen    Leben    in    stetem   Zunehmen 
u.ir  (vgl.  Becker,  Charikles  II9,  50).   So  dürfen  wir  uns  nicht  wundern,   daß  auch 
die  Vasenmaler  diese  Stoffe  eifrig  ergriffen;   aber  nicht  realistische  Szenen  der 
Wirklichkeit   finden  wir.    sondern,    indem    diese  Werke   meist  aus  einer  Idee  ge- 
haftet] sind,  wird  ein  göttliches  Wesen  wie  Eros  so  oft  eingeflochten,  um  die 
allgemeinen  Elemente   der  Situation    hervorzuheben    und   nirgends   tritt   das  be- 
griffliche Wesen  des  Eros  dieser  Periode  mehr  hervor  als  hier. 

Da  für  eine  Anordnung  keine  äußere  Anhaltspunkte  gegeben  sind,  so  muß 

man  nach  inneren  Gesichtspunkten  suchen.    Es  lassen  sich  so  zwei  Hauptgruppen 

trennen,  je  nachdem  Eros,   objektiv  gefaßt,    Liebe  oder  Schönheit  verleiht,  oder 

ibjektiv)   selbst  nur  Ausdruck   dieser  Zustände   der  Liebe  oder  Schönheit  ist. 

a)  Objektiv-persönlich. 
Zunächst   verleiht    Eros   Liebe,    er   fordert   dazu    auf   und    ermuntert   die 
Liebenden:  auf  der  schönen  Lekane  CR.  1860  Taf.  1   [Petersburg  1791]  ist  auch 
eine  Gruppe  Liebender,   ein  Eros  sucht  den  Jüngling  dadurch  festzuhalten,  daß 
er  sich   an  seinen  Stock  hängt  (von  Stephani  unrichtig  aufgefaßt).     Beim  Sym- 
ion,   das  durch  Hetären  verschönert  wird,   oder  sonst   im  Hetärenverkehr  er- 
muntert er  oft  die  Paare.1    In  der  maßvoll  schönen  Komposition  Tischbein  IV,  1 
bildet  Eros   den  Mittelpunkt,   er  scheint   den  Liebesantrag  zu   begünstigen   und 
leich  Genosse  und  Beschützer  des  Frauenlebens  zu  sein  (hält  er  die  Schuhe 
der   Frau?).    Tätiger  erweist  er  sich,  indem  er  schwebend  das  Mädchen,  das  der 
.Jüngling   umfangen  will,    an    der  Hand  zum    Gemache  leitet  (Panofka,  Bild.  ant. 
11,1);  nicht  minder  lebendig  ist  Millingen,  Vas.  div.  Taf.  26  [München  3271]: 
feuert  das  auf  der  Kline  sich  umarmende  Paar  noch  mehr  an,  ein  andrer 
nd  das  Waschbecken  herbei,  links  oben  vielleicht  Aphrodite,  die  selbst 
mit  -n  ein  Liebesgespräch  lenkt:  Jahn,  Vas.  mit  Goldschmuck  Taf.  I,  1 

Ilignon-Couve   1941].    Die  Leidenschaft  entzündet  und  ermuntert  Eros 
em<  pd  S.  ,\.  699;  2924;  Ant.  du  Bosph.  Taf.  62,  2  [Petersburg  1794];   er 

Intr.Taf.  19,  1;  Taf.  45;  MUlin,  Peint  de  vas.  I,  38  [Paris,  Bibl.  Nat. 
.V,  :n  Sacken-Kenner  S.  'l\l  Nr.  274);  Mon.  d.  Inst.  IV,  24  [Berlin  4126J. 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  29 


leitet  das  Liebesgespräch    Elite   4,    16,  Petersburg  766,   775;  zwei  Eroten   sind 
schützende  Wächter  des   Paares  Elite  4,  66,   während  eine  verhüllte   Frau  aus 
dem  Fenster  sieht  (ähnlich  Neapel  S.  A.  369;  Mus.  Blacas  Taf.  32  A  [Brit.  Mus. 
F  194]).    Die  Krone  dieser  Reihe  bildet  das  attische  Bild  Arch.  Zeit.  1873  Taf.  4 
[Berlin  2706],  wo  der  allgemeine  Gedanke,  daß  auch  der  Jüngling  der  Frauen- 
liebe  unterliegt,   lebendig  zum  Ausdruck  gelangt:   Eros  als  überredender  Helfer 
der  Mädchen  hat  sich  auf  den  Schenkel  des  Jünglings  gestellt  (vgl.  Petersburg 
820,  1187)  und  weist  ihn,  der  noch  verwirrt   (Stirnfalten)  ins  Leere  blickt,  auf 
das  nahende  Mädchen.   Ganz  verwandt  ist  ein  anderes  attisches  Bild  (Bull.  d.  Inst. 
1874,  86),   nur  daß   hier  das  Mädchen   sitzt  und   der  Jüngling  herantritt,   dem 
Eros  überredend  die  Hand  auf  die  Schulter  legt  und  ihn  auf  die  Schöne  weist, 
ein  Motiv,  das  wir  schon  auf  zwei  Paris -Vasen  fanden  (CR.  1863,  Taf.  1,  1  [Peters- 
burg 2020];  Arch.  Zeit.  1867  Taf.  224  [Athen,  Collignon-Couve  1942],  also  nicht 
allein  auf  dem  Neapler  Relief).    Weniger  klar  ist  das  feine  attische  Bild  Fröhner, 
Choixde  Vas.  7,  1  (=  Mus.  de  France  13,  3);  Begegnungen  von  Epheben  mit  den 
Mädchen  am  Grabe  sind  bekanntlich  auf  attischen  Lekythen  sehr  häufig;  hier  ge- 
schieht es  am  Altar  und  Götterbild  (der  Aphrodite?),  wo  das  Mädchen  betrübt  (im 
Liebesschmerz?)  sitzt,  von  Eros  getröstet,  der  zu  Gunsten  des  herbeigekommenen 
Epheben   spricht.     Fröhner  folgt   auch   hier  der  französischen  Wissenschaft  und 
sieht  Aphrodite  und   Adonis;   eine  Widerlegung   dieser    noch   immer  für  viele 
(unten   nach   andern  Gesichtspunkten   zu  erwähnende)  Bilder  beliebten  Deutung 
glaube  ich  mir  ersparen  zu  dürfen;  sie  kann  sich  nicht  nur  nirgends  auf  irgend  ein 
charakteristisches  Moment  stützen,  sondern  es  widersprechen  ihr  meist  (wie  hier) 
die  Motive  direkt;   mit  einer  Methode   aber,   die  alles  aus  allem  machen  kann,  47 
ist  nicht  weiter  zu  rechten.    Nur  eine  innere  Unwahrscheinlichkeit  jener  Deutung 
sei   noch   hervorgehoben:   ich  finde   nirgends   unter  den   Vasen   unsrer  Periode 
Liebesszenen  der  Götter  von  solch  allgemeinem  genrehaftem  Charakter,  bar  jedes 
individuellen  Elementes,  dagegen  ist  die  Neigung  gerade  der  attischen  Produkte 
dieser  Zeit  (z.  B.  der  Grablekythen)  bekannt,  möglichst  allgemeine  Szenen  aus 
dem  Leben  zu  wählen. 

Aber  nicht  nur  der  Begriff  Liebe,  sondern  auch  der  Schönheit  liegt  im 
Wesen  des  Eros:  nur  da  ist  Liebe,  wo  Schönheit;  daß  Eros  Aphrodite  zu  be- 
dienen und  zu  schmücken  hat,  fanden  wir  schon  in  der  ersten  Periode;  aber 
erst  in  der  Zeit  des  ganz  freien  Stils  erscheint  er  als  Liebreizverleiher  auch  gegen 
schöne  Frauen,  entsprechend  der  oben  berührten  Tatsache  der  wachsenden  An- 
erkennung weiblicher  Schönheit.  (Vgl.  übrigens  Eurip.  fr.  132,  324,  Hipp.  526; 
Arist.  Lys.  551  sind  Aphrodite  und  Eros  Schönheitsverleiher,  die  beide  über  einer 
Badeszene  sitzen,  Elite  4,  15.) 

Betrachten  wir  zuerst  die  Fälle,  wo  eine  einzelne  individuell  gedachte 
Toiletteszene  durch  Eros  belebt  wird;  vor  allem  wenn  nackte  Frauen  baden, 
wo   dann  Eros  bald  Schmuck  herbeibringt   und   aus   der  Badewanne   aufsteigt, 


gn  Eros  in  der  Vasenmalerei. 


rleihend,1   oder   als   eigentlicher  Diener  das   Gewand  hält,  Wasser 
t,  und  heim  Anzüge  hilft.-'    Hei  zwei  nackten  Mädchen,  von  denen  eines 
,-  luilt  (s.  CK.  1865  S.  191),  läßt  Eros  das  Rädchen  schnurren  auf  einem 
ut.  CR.  1862  Taf.  I,  1   [Petersburg  1913].    Eine  Besonderheit  bietet 
IS  Taf.  32  [Brit.  Mus.  F  194]   (Verfall),  wo   Eros   ebenfalls  über  dem 
.  iwebt,  aber  ein  Stier  mit  Menschengesicht  so  in  das  Becken  sieht,  als 
wolle  er  hineinspeien;  gewiß  ist  es  der  Wasserdämon  selbst,  der  hier  noch  eine 
Nymphe  trägt;  diese  Bildung  der  Wasserdämonen  war  ja  in  Unteritalien  populär 
I.  übrigens  Jahn,  Arch.  Zeit.  1862  S.  326  A.  46;  Steph.  CR.  1863  S.  118).  — 
li  sonst  ist  Eros   der  Schönheit   gebende  Diener  der  Frauen,   er  wäscht  und 
schmückt   die  Füße  der  Schönen  (Tischbein  I,  2:  Stackelb.,  Gräber  der  Hellenen 
Tat.  31 ;  Jatta  1559),  er  legt  ihr  die  Sandalen  an,  CR.  1860  Taf.  1  [Petersburg  1791], 
wo  ein  andrer  die  Armringe  entgegenhält,  ein  dritter  wollte  eine  Hydria  herbei- 
bringen, wird  aber  von   einem  Hunde  geschreckt;  mehr  äußerlich  angereiht  sind 
drei  Eroten  CR.  1861    Taf.  1.     Ferner  hält  Eros  dem  Mädchen  den  Spiegel 
oder  das  Toilettekästchen,  reicht  ihm  den  Kopfschmuck,  hilft  den  Chiton  anziehen 
oder  bringt  ihn  herbei  (Jatta  500,  1527;  Rossi,  Vasi  Blacas  1 ;  Brit.  Mus.  C  5  [E  230], 
wo  wieder  ein  staunender  Satyr  beigefügt;  Campana  ser.  11,35;  ohne  bestimmte 
Handlung  Jatta  1347,  1445).  -Aber  auch  auf  den  Jüngling,  der  der  Hetäre  wartet, 
gießt  Eros  Schönheit  aus  seinem  Alabastron  (Elite  2,  49  [Brit.  Mus.  F  311] ;  auf 
das  Paar  Elite  4,  63  [Brit.  Mus.  F  108]). 

Noch  anziehender  ist  eine  Reihe  von  Bildern,  die,  idealer  gefaßt,  den  all- 
gemeinen Gedanken  einer  Feier  der  Frauenschönheit  verwirklichen.  So  fasse 
ich  Minervini,  Mon.  di  Barone  Taf.  15  (fein)  als  Feier  des  Frauenlebens,  das  von 
Aphrodite  und  Eros  beglückt  wird;  denn  die  stattliche  Frau  links  ist  Aphrodite,  die 
dem  von  links  herbeischwebenden  Eros  gebietet,  auf  die  sitzende  Frau  zu  schweben, 
die  auch  erwartend  die  Hände  hebt;  aber  auch  das  stehende  Mädchen  in  der 
Mitte  wird  von  einem  Eros  beglückt.3  Vor  allem  gehört  aber  hieher  eine  echt 
attische  Komposition,  die  uns  in  mehreren  Exemplaren  aus  Attika,  dem  südlichen 
Rußland  und  der  Kyrenaika  erhalten  ist:  überall  sitzt  eine  Frau  in  der  Mitte, 
umschwebt  oder  geschmückt,  Dienerinnen  mit  Toilettegerät  und  bei- 
ichwebende    N'iken    bilden    die   wechselnde    Umgebung.     Die    gewöhnliche    Er- 

chen  K27  [3272]  Wn  mit  Oold,  Hancarv.  III  Taf.  123;  II  Taf.  25;  Passeri  Taf.  39. 

hbein  I,  59,  wo  zwei  .innerhalb  zuschauende  Satyrn  die  begehrliche  Stimmung 

Schönheit  hervorruft;  Elite  4,  19  [Neapel,  Santangelo  647]; 

d    *;  Neapel  2581;  Am.  du  Bosph.  Taf.  57  [Petersburg  1795];  Arch. 

!)nr^  1245. 
inkenkreise  gehör!  gewifi  auch  das  durch   seine  streng  symmetrische 

nun;  Bild  Gern.  Mystb.  Taf.  9  [Neapel,  Santangelo  34]   an,  wo  die 

rte  im  I  >i  umtanzen  als  zu  enteilen  scheinen     Deutlicher 

HO),  w<»  sie  ,-iuf  mc  zufliegen. 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  31 


klärung  sieht  hier  Aphrodite1  ohne  Begründung,  vielmehr  dem  allgemeinen 
Charakter  der  Darstellung  widersprechend.  Aus  Attika  stammt  das  bei  Heydemann, 
Gr.  Vb.  S.  11  [Athen,  Collignon-Couve  1235]  beschriebene  Bild:  Eros  kauert  auf 
der  Hand  der  Frau,  Dienerinnen  und  Niken;  Ant.  du  Bosph.  Taf.  49  [Petersburg 
1811]  kauert  noch  ein  Eros  auf  der  Hand  einer  der  Dienerinnen;  ebenda  Taf.  52  [Ann. 
d.  Inst.  1840,  A,  11,  Petersburg  1812]:  Elite  4,  33b  [Louvre]  nur  eine  Nike;  Peters- 
burg 1813  ohne  Dienerinnen,  aber  zwei  Niken,  die  hier  überall  Andeutung  der 
siegreichen  Macht  weiblicher  Schönheit  sind  (vgl.  Elite  4,  9;  Steph.  CR.  1863  S.  68, 
S.  155;  1865  S.  37).  Ohne  Nike  und  nur  ein  Eros  Brit.  Mus.  C  58  [E  229].  Ferner 
die  Fragmente  feinsten  Stils  CR.  1862  Taf.  I,  6  und  7  [Petersburg  1930];  I,  3;  I,  4 
[Petersburg  1920,  1919]  etwas  modifiziert  (die  Frau  spiegelt  nicht,  schminkt  sich). 
Hieher  gehört  auch  Stackeiberg,  Gräber  der  Hellenen  Taf.  30  (Athen),  wo  ein  Eros 
wie  gewöhnlich  die  Frau  mit  Perlen  schmückt,  der  andre  ihr  korbflechten  hilft 
(soviel  die  Zerstörung  erkennen  läßt).  Wer  endlich  überall  nach  mythologischen 
Namen  sucht,  dem  mag  Brit.  Mus.  C  4  [E  226]  gelegen  kommen:  die  Komposition 
ist  im  wesentlichen  dieselbe,  nur  ist  der  Frau  EAENH,  dem  Eros  TIOOOZ  bei- 
geschrieben; ganz  unberechtigt  wäre  der  Schluß,  daß  nun  auch  die  übrigen  Bilder 
die  schöne  Helena  darstellten;  denn  alles  bestimmt  Charakterisierende  fehlt, 
vielmehr  ist  klar,  daß  wir  es  mit  einem  allgemeinen  Typus  zu  tun  haben,  be- 
stimmt, die  Schönheit  des  Weibes  ganz  allgemein  zu  feiern  mit  Hülfe  von  Eros 
und  Nike;  sehr  leicht  konnte  nun  aber  ein  Vasenmaler,  um  dem  Typus  ein  in- 
dividuelles Interesse  zu  geben,  den  Namen  der  gefeiertsten  griechischen  Schön- 
heit, der  Helena,  beischreiben.  —  Ein  vollkommenes  Analogon  zu  der  idealen 
Auffassung  des  wirklichen  Lebens  in  diesen  Bildern  sind  die  attischen  Grabreliefs 
des  4.  und  3.  Jahrh.,  die  Rätsel  bleiben,  wenn  man  individuell  realistische  Szenen  des 
Lebens  darin  sucht,  die  aber  dennoch  nicht  durch  tote  Symbolik,  sondern  lebendgen  50 
Ausdruck  und  Handlung  den  allgemein  bedeutenden  Gedanken  verwirklichen. 
Als  neutral  endlich  bezeichne  ich  Bilder,  wo  Eros  weder  dezidiert  Liebe 
noch  Schönheit  erteilt;  so  in  der  schönen  Darstellung  Hancarv.  I  Taf.  32  [Brit.  Mus. 
E  225],  wo  die  Braut  beschenkt  wird  und  Aphrodite  und  Peitho,  auf  deren  Hand 
Eros  steht  (vgl.  Elite  3,  29),  sowie  Apoll  und  Chariten  als  Hochzeitsgötter  anwesend 
sind;  ähnlich  Elite  4,  32  [Miliin,  Peint.  de  vas.  II  Taf.  43],  wo  Eros  der  Braut  Kranz 
und  Kästchen  reicht.  Besonders  gehören  hieher  die  zahlreichen  Bilder,  die  einen, 
Kranz  oder  Binde  bringende,  Eros  als  beliebtes  Symbol  benützen,  um  anzuzeigen, 
daß  die  so  geehrte  Person  schön  ist  oder  liebt:  so  kränzt  er  bei  Liebesunterhaltungen 
die  Frau2  oder  den  Jüngling.3  Durch  Inschrift  ist  Mon.  d.  Inst.  IV,  47  [Paris,  Bibl. 

1  Auch  Heibig,  Unters.  S.  237,  der  einige  Wandbilder  damit  vergleicht,  deren  Ver- 
wandtschaft jedoch  sehr  flüchtig  und  allgemein  ist  und  auf  die  wesentlichen  Punkte  sich 
nicht  erstreckt. 

2  Mon.  d.  Inst.  IV,  23  [Brit.  Mus.  F  400];  Elite  4,  69,  73;  Millingen,  Vases  div.  Taf.  45; 
Mon.  d.  Inst.  III,  47  [Krakau];  Rochette,  Mon.  In.  49  A,  2;  Jatta  1527;  Petersburg  1236. 

3  Elite  4,  74;  Neapel  S.  A.  321,  651 ;  Jatta  694;  Petersburg  875;  von  ruhigem  Charakter 


Eros  in  der  Vasenmalerei. 


chnet:  EP&)2  sitzt  über  einer  Frau,  einen  Kranz  über  sie  haltend, 

det,    unschlüssig  stellt  ein  Mann  vor  ihr,   deren  Schönheit  Eros  andeutet. 

tae  Rötenspielerin  im  Kontos  bekränzt  er  (Hancarv.  I,  40).    Endlich 

I  er  bloß  auf  das  Liebespaar  zu1  oder  sitzt  darüber.3    Die  wenig  charak- 

che,  nur  andeutende  Art  dieser  Bilder  läßt  auch  zu,    ihn  als  bloßen  Stim- 

mungsausdruck   zu  fassen.     Als  allgemeiner  Beschützer  der  Frauenschönheit  er- 

eürt  Eros  noch  Elite  4,  34;  Moses,  Vas.  Engl.  10;  vielleicht  Hancarv.  I  Taf.  71 

[Brit.  Mus.  E  433].  Millingen,  Vases  div.  Taf.  60  [Neapel  3167]  noch  strengeren  Stils 

ist  nicht  ganz  klar  (vgl.  Jahn,  Ann.  d.  Inst.  1841,  284),  ein  kleiner  Eros  kauert  auf 

51  der  Hand  eines  Mädchens  (wie  öfter,  z.  B.  Petersburg  1187  B,  vor  ihr  ein  Jüngling 

mit  Liebesgeschenk),  das  Ganze  sieht  einem  feierlichen  Zuge  gleich  (vgl.  Elite  4, 33; 

Hancarv.  IV  Taf.  96;  München  358  [2431]),  vielleicht  um  eine  Neuvermählte  zu 

beschenken.     -  Ganz  singulär  scheint  Elite  4,  44  zu  sein;  vielleicht  darf  man  den 

Gedanken  darin   suchen,  Liebe   und  Schönheit  sind   nicht  mit  roher  Gewalt  zu 

erlangen?  (vgl.  Plat.  Symp.  195  E).  --  Dem  Verfallstile  gehört  an  Jatta  1417,  wo 

Eros    einen    Pfeil   abschießt    auf  ein   auf  die   Kniee    gefallenes   Mädchen,    das 

ähnliche   Bild  Petersburg  1181   ward  schon  erwähnt. 

Endlich  sei  noch  eine  Reihe  von  Bildern  erwähnt,  die,  weil  man  sie  nicht 
im  Zusammenhang  betrachtete,  bisher  zu  den  verschiedensten  falschen  Auslegungen 
Anlaß  gaben;  es  sind  dies  die  mit  Eroten  verbundenen  weiblichen  Köpfe. 
Schon  seit  alter  Zeit  geschah  es  nicht  selten,  daß  man  eine  Darstellung  dadurch 
abzukürzen  suchte,  daß  man  die  Hauptpersonen  in  Büstenform  gab  (vgl.  z.  B. 
Mtis.  Greg.  II  Taf.  66,  3b;  Laborde  II,  23  [Wien  Sacken-Kenner  S.  155  Nr.  12]; 
Campana  ser.  4,  104;  ser.  9,  G,  394;  Mon.  d.  Inst.  IV,  46,  1  [Paris,  Bibl.  Nat.  472]; 
rh.Ak.  Abh.  Taf.  68,  3;  Lenormant,  Coli.  Ralfe"  1408;  und  die  häufigen  Barbaren- 
köpfe mit  Greif-  und  Roßkopf  Heydemann,  Gr.  Vb.  Taf.  7,  2  [Athen,  Collignon- 
1863],  Petersburg  2191  ff.).  So  ist  es  nur  als  eine  Abkürzung  zu  fassen, 
wenn  der  Vasenmaler,  der  so  unzählige  Male  die  Frauenschönheit  zu  feiern  suchte, 
nun  einmal  bloß  einen  Frauenkopf  gibt  und  Eros  als  Andeutung  der  Schönheit 
und  Liebenswürdigkeit  hinzufügt;  die  Frauenköpfe  sind  nirgends  bestimmt  cha- 
rakterisiert, so  daß  wir  überall,  wie  auch  bei  den  unzähligen  einzelnen  Frauen- 
köpfen untcritalischer  Gefäße  nur  eine  Sterbliche  erkennen  dürfen.  Die  Eroten 
1  mehrere,  bald  nur  einer)  bringen  bald  einen  Kranz  oder  eine  Tänie,  bald 
schweben    sie   nur   so  auf  den  Kopf   zu  oder  sie  sitzen  zu  beiden  Seiten  oder 

•     !        A.  [Brit  Mus.  I  399],  Berlin  880  [3200],  wo  die  musische  Beziehung 

■ 

BlbL  Nat  953];  Gern.  Mystb.  Taf.  6  [Turin];  Neapel  S.  A.599; 
Ann   d.  inst    1843,  A. 

-71  Tat  56,  1  [Neapel  2574]  wo  das  Paar  alla  morra  spielt;  Gern.  Mystb. 
;     lt;  Hancarv. I,  74  [Brit.  Mus.  F314];  Ann.  d.  Inst.  1870,  S  [Bonn]; 
Berlin  888  [3163],  1037  [3275]. 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  33 


umtanzen  gar  den  Kopf;  einige  Male  ist  noch  eine  Frau  in  ganzer  Gestalt  hinzu- 
gefügt, es  ist  die  Dienerin  (vgl.  die  Satyrn  neben  Dionysos'  Büste). 

Folgende  Fälle  gehören  hieher: 

Gerhard,  Apul.  Vb.  Taf.B,  10  [Archäol.ep.Mitt.a.Öst.  III,  S.  58,  Nr.  251];  Bull. 
Nap.N.S.6Taf.lO[Brit.Mus.F278];Elite4, 1  [Louvre]  und2  [Petersburg 424]  =  Gerh.  52 
Mystb.  Taf.3;  Neapel  3418  j1  Arch.  Zeit.  1850  Taf.  16,4;  Brit.  Mus.  C  25  [F  13];C41 
[E  713];  Petersburg  2009;  Fröhner,  Choix  de  Vas.  gr.  S.  28  I,  M,  R  ;  Neapel  2876, 
2925,  2863,  3221  A  und  B;  3218,  2882,  S.  A.  483,  287;  697  umtanzen  sie  den  Kopf 
in  phrygischer  Kleidung.  Asiatische  Schönheit  wird  gefeiert,  wenn  ein  Jünglings- 
kopf mit  Barbarenmütze  von  Eroten  umgeben  ist  wie  Neapel  3218  B.2 

Etwas  ganz  andres  ist  es  mit  Fröhner,  Choix  Taf.  6  und  Mon.  d.  Inst.  IV,  39 
[Paris,  Bibl.  Nat.  821]  (wovon  München  558  [2711]  eine  Replik);  noch  Stark 
(Heidelb.  Jahrb.  1871,  15)  scheidet  gar  nicht,  indem  er  überall,  wo  Eroten  und 
ein  Kopf  vorhanden  sind,  eine  aufsteigende  Aphrodite  sehen  will,  eine  Deutung, 
deren  Unmöglichkeit  aus  der  obigen  Zusammenstellung  hervorgeht.  Hier  liegt 
zunächst  ein  wesentlicher  Unterschied  darin,  daß  Eros  oder  die  Eroten  weg-  und 
entfliegen;  ferner  kommen  auf  dem  einen  Bilde  die  Satyrn  hinzu,  auf  dem  andern 
ist  der  Kopf  durch  ein  Blumenszepter  als  höheres  Wesen  charakterisiert;  Strube 
(Studien  S.  70  ff.)  hat  hier  Gaea  richtig  erkannt,  wie  er  auch  das  Motiv  im  ganzen 
richtig  faßt,  seine  Deutung  jedoch  ist  durchaus  nicht  haltbar;  meine  eigenen 
Vermutungen  hierüber  auseinanderzusetzen  würde  zu  weit  führen,  auch  ist  es 
besser,  wenn  man  solchen  Problemen  gegenüber  ruhig  wartet,  bis  spätre  Ent- 
deckungen vielleicht  das  gewünschte  sichere  Licht  verbreiten.  [Vgl.  Jahrbuch  des 
Inst.  1891  S.  112.     Roscher's  Lex.  d.  Myth.  I  S.  1342.] 

b)  Subjektiv-psychologisch.  53 

Ohne  eine  streng  logische  Unterscheidung  durchführen  zu  wollen,  was  bei 
unsern  Monumenten  überhaupt  unzulässig  wäre,  fasse  ich  die  Fälle  zusammen, 
wo  Eros  mehr  zuständlich  als  Stimmungsausdruck  gefaßt  wird.  Auch  hier 
scheiden  sich  zwei  Gruppen,  je  nachdem  Eros  als  Liebesprinzip  in  jedweder 
Handlung  erscheint,  oder  vermöge  der  Charakterähnlichkeit  eine  dauernde  Ver- 
bindung mit  gewissen  Personen  eingegangen  hat. 


1  Ganz  dieselbe  Komposition  wie  auf  diesen  Vasen  ist  zur  Dekoration  verwandt 
auf  zwei  Terrakottamedaillons  bei  Millingen  Mon.  Un.  II  Taf.  19  und  20  und  einem  Stirn- 
ziegel (Campana,  Op.  in  plast.  11)  und  wahrscheinlich  auf  dem  Kapitell  Mus.  Borb.  15 
Taf.  40. 

2  Häufig  ist  es,  daß  Eros  und  der  Frauenkopf  auf  beide  Seiten  der  Vase  verteilt 
sind,  z.  B.  Gerh.  Apul.Vb.  Taf.  3  [Berlin  3263];  Petersburg  1132,  1159,  1359;  Berlin  1060 
[3283],  1158  [4128],  1164  [3093],  1184  [3230];  Neapel  2320,  3233,  2888  A;  S.  A.  360;  491 
hat  der  Frauenkopf  Rückenflügel,  wie  auch  Berlin  1070  [4125],  1253  [3392],  1994  [3545]; 
Bull.  d.  Inst.  1868,  187;  Biardot,  Terresc.  40;  Lenorm.,  Coli.  Raife  1405:  es  sind  eben  Niken, 
in  ihrer  Beziehung  zu  den  Frauen. 

A.  Furtwängler.   Kleine  Schriften  I.  3 


34  Kros  in  der  Vasenmalerei. 


steht   hinter   einem   Jüngling,   der  einer  Hetäre   eine  Tänie   anbietet, 

:e  Tänie  haltend  (Dubois-Mais.  Intr.  42  Taf.  2;  ähnlich  Neapel  3248,  Berlin 

2J),  er  hält  die  Oinochoe  beim  Abschiedstrnnke  der  Liebenden  (Elite  4, 

noch  von  Heibig,  Unters.  S.  236  ohne  Grund  als  Ares  und  Aphrodite  gefaßt); 
besonders  aberzeigt  sein  Herbeischweben  die  Liebesstimmung  an:  so  eilt  er  mit 
einem  Kranze  auf  Sappho  zu,  durch  die  Inschrift  als  TAAA2  bezeichnet,  war  es 
doch  vor  allem  unglückliche  Liebe,  die  ihr  Dichtergemüt  erfüllte  (Abh.  der  sächs. 
Ges.  8  Taf.  1,1;  ähnlich  sind  zu  fassen  Brit.  Mus.  1255  [E  792];  Berlin  877 
-7]).  Fein  ist  Cab.  Pourtales  Taf.  33,  1:  das  Mädchen  denkt  des  Geliebten,  ist 
zerstreut  und  wird  aufgemuntert  bei  der  Arbeit.  Verliebte  Mädchen  scheinen  auch 
Gerh.  Mystb.  Taf.  10  dargestellt,  die  eine  spielt  Harfe,  die  andre  läßt  das  Liebes- 
rädchen schnurren,  oben  aber  sitzen  Aphrodite  und  Eros.  Erotische  Stimmung 
herrscht  auch  beim  Kottabosspiel  (vgl.  Philol.  26,  216),  drum  schmückt  oder 
richtet  Eros  den  Ständer  her  (Inghir.  Vasi  fitt.  Taf.  177;  Neapel  S.  A.  302;  2308; 
Bull.  d.  Inst.  1869,  30,  10  allein).  Als  Ausdruck  der  Stimmung  des  Liebhabers  (der 
trauernde  Jüngling  des  Rev.)  schmückt  Eros  die  Grabstele,  auf  der  des  Mädchens 
Kopf  und  Fuß  und  dabei  *«/.[>/  gezeichnet  ist  (München  294  [2348];  vielleicht 
ist  ähnlich  zu  fassen  Elite  2,  97  A  [Neapel  2902]). 

Am   reichsten  an  anmutig  phantasievollen  Erfindungen  sind  aber  auch  hier 

54  die  feinen   kleinen,   meist  attischen   Gefäße:   verliebte  Mädchen   bringen   den 

Liebesmächten  gern  ein  Opfer,  ihre  Stimmung  zeigt  Eros  an,  der  herbeischwebt 

oder  hilft  (Stackeiberg  Taf.  35,  4;  Heydemann,  Gr.  Vb.  S.  2,  3  [Athen,  Collignon- 

Couve  1946],  Eros  trägt  die  Fruchtschüssel  herbei;  Neapel  2050;  Campana  ser.  9  G, 

legt  Eros  selbst  den  Weihrauch  ins  Thymiaterion;  Brit.  Mus.  C  40  [E  714]),  auch 
dem  Liebespaare  ist  er  so  behülflich  (CR.  1865  S.  102  Vign.  [Petersburg  1563  a], 
wo  Eros  wieder  den  Fruchtteller  zu  der  Herme  trägt.1  Daß  Gänse  nicht  nur 
die  Lieblingsvögel  der  Frauen  waren,  sondern  auch  besonders  als  Liebesgeschenke 
Verwendung  fanden,  ist  bekannt;  deshalb  überbringt  sie  Eros  den  Frauen:  so 
fasse  ich  Revue  archeol.  1864  Taf.  1,  wo  Eros  die  Gans  herbeigebracht  hat,2  freudig 
empfängt  die  Frau  das  Geschenk  (Fröhner,  Mus.  de  France  Taf.  13,  4,  weder 
Aphrodite  noch  Leda),  und  schon  hat  sie  das  Tier  auf  den  Schoß  genommen  (Bull. 
d.  Inst.  1888,  158,  19,  nicht  Leda,  vgl.  ebenda  1869,  252).  Dem  ersten  Bilde  am 
nächsten  steht  Bull.  d.  Inst.  1868,  155,  10,  nur  daß  hinter  Eros  ein  Jüngling  mit 
Kerykeion  sitzt;  ob  ein  Liebesabenteuer  des  Hermes  oder  ein  Bote  vom  fernen 

:ebten?  Hieher  ferner  Mon.  d.  Inst.  IV,  10  [Palermo];  Eroten  mit  Gänsen  und 
tuen  auch  Brit.  Mus.  1634  [F  139].  -  -  Auch  eine  Schale  mit  Äpfeln  ist  ein  will- 
kommenes Geschenk  für  das  Mädchen  aus  Eros'  Hand  (Heydemann,  Gr.  Vb.  S.  9). 

*  Mehr  der  altern  Periode  schließt  sich  an  Petersburg  1481,  wo  Hros  für  den  Jüngling 

opfci  darbringt 

.     "  neben  der  Frau  ist  auch  kein  Schild,  sondern  ein  Tympanon  als  Spiel- 
zeug der  Mädchen 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  35 


Nicht  minder  wird  die  Entsendung  des  Eros  mit  Liebesgruß  und  Geschenk 
dargestellt,  so  Heydemann,  Gr.  Vb.  S.  2  Nr.  2  [Athen,  Collignon-Couve  1949],  wo 
sich  Eros  eiligst  mit  der  Frucht  von  dem  Mädchen  entfernt,  mit  einem  Kästchen 
und  Liebesbinde  Bull.  d.  Inst.  1867,  234,  28  [Benndorf,  Griech.  u.  sicil.  V.  Taf.  50,  l].1 
Den  Schluß  bildet  es,  wenn  Eros  flötend  vor  dem  Brautzuge  herschwebt  (auf  55 
dem  herrlichen  Fragment  bei  Heydemann,  Gr.  Vb.  Taf.  10,  1  [Athen,  Collignon- 
Couve  1224])  —  wie  in  den  meisten  obigen  Bildern  ist  ihm  eine  reale  Handlung 
zuerteilt,  ohne  aus  den  Grenzen  des  Begrifflich-Symbolischen  zu  gehen,  indem 
er  eben  Ausdruck  der  Liebesstimmung  ist. 

Eines  der  beliebtesten  Kunstsymbole  war  es  aber,  Eros  die  Mädchen  ver- 
folgend darzustellen,  um  das  Eindringen  der  Liebesleidenschaft  zu  bezeichnen; 
denn  Eros  verfolgt  nicht  für  sich  selbst,  wie  die  andern  zu  vollen  menschlichen 
Personen  gewordenen  Götter,  sondern  in  dem  psychologisch-symbolischen  Sinne 
unsres  Eros  auf  Vasen.  Daß  man  dem  Eros  entflieht  ist  sehr  begreiflich,  wenn 
man  sich  der  allgemein  verbreiteten  Anschauung  erinnert,  daß  die  Liebe  auch 
ein  schlimmes  Übel  sei:  schon  Sappho  nannte  Eros  ylvxvmy.Qog,  und  Ibykos 
zittert,  wenn  er  herankömmt  (fr.  2);  vgl.  ferner  Eurip.  fr.  340  xal  yäg  ovx 
av&aioETOi  ßooTotg  egcoreg  ovo'  exovoia  vooog;  fr.  132  ist  Eros  {.toyßoiv  bi]}xi- 
ovgyog,  ein  rvgavvog  ävögcov  ebenda  und  Hipp.  538;  vgl.  noch  fr.  867,  fr.  26,  fr. 
889;  Bion  id.  4  [Wilamowitz,  Bucol.  S.  142,  9],  13  flieht  den  Eros,  doch  hilft  es 
nichts  und  ist  unmöglich  (Anth.Pal.  5,  59;  Appendix  ep.  Jacobs  379). 

Daß  Eros  nicht  für  seine  Person  verfolgt,  wird  klar  aus  Miliin,  Peint.  de  Vas.  II, 
Taf.  45,  wo  ein  Jüngling  den  Eros  anzutreiben  sucht,  seiner  spröden,  fliehenden 
Geliebten  Liebe  einzuflößen;  ähnlich  Berlin  1076  [3177].  Sonst  verfolgt  Eros  das 
Mädchen,  entweder  laufend  oder  schwebend,  allein;  manchmal  wird  nach  beliebtem 
Schema  noch  eine  enteilende  oder  auch  nachlaufende  Frau  hinzugefügt.2  Doch  auch 
unter  mehrere  Jünglinge,  die  Mädchen  verfolgen,  ist  Eros  gemischt,  gleichsam  56 
als  Erklärung,  daß  alles  Liebesverfolgungen  sind  (Neapel  2416,  2418,  3247).  Die 
zarte  Jugendliebe  endlich  soll  der  Eros  ITYAOZ  bezeichnen  Bull.  Nap.  2  S.  14 
(vgl.  Jahn,  Darst.  gr.  Dichter  S.  714).  Auch  hier,  wie  überall  in  dieser  Periode, 
macht  sich  Eros  nur  mit  den  Mädchen  zu  schaffen. 


1  Obwohl  sich  Benndorf  hätte  auf  ein  Epigramm  stützen  können  (Anth.  Pal.  9,  616), 
wo  Eros  den  Chariten  im  Bade  die  Kleider  stiehlt,  so  enthält  doch  seine  Deutung, 
es  habe  hier  Eros  dem  Mädchen  die  Sachen  geraubt,  einen  im  Kreise  dieser  Bilder  und 
überhaupt  der  Vasenmalerei  geradezu  unmöglichen  Gedanken;  dazu  kommt,  daß  die 
Mädchen  auf  unsern  Bildern  meist  fast  nackt  sind  und  nichts  auf  das  Bad  weist. 

2  Tischbein  III,  26,  27;  Inghir.  Vasi  fitt.  Taf.  281;  Passeri  93;  Heydem.  Gr.  Vb.  S.  2 
Nr.  4  [zu  Taf.  I,  3]  (auch  hier  ist  wieder  ein  Satyr  beigefügt) ;  Arch.  Anz.  1856,  244  (Athen); 
Petersburg  1627,  1937,  1940,  2006,  2008,  2018,  768;  Jatta  1319;  Berlin  1182  [3348]  (auf  dem 
Revers  verfolgt  der  Jüngling  selbst  das  Mädchen);  zu  Roß  (über  dessen  erotischen  Cha- 
rakter StephaniCR.  1864  S.28)  CR.  1867  S.  48  Vign.  [Petersburg  1939],  Ant.  du  Bosph.  Taf.  56, 
3  [Petersburg  1936]. 

3* 


EROS  in  DER  Vasenmalerei. 


Drei  sehr  charakteristische  Szenen  aus  dem  Liebeleben   zeigt  eine  attische 

Pw:s  (Heydemann,  Gr.  \'b.  S.  9,  8):  erst  die  spröde  Flucht  vor  dem  verfolgenden 

dann  das  unbesonnene  Hereinfallen  (einem  hineilenden,  zurückbleibenden 

denen  naht  von  vorn  ein  Eros)  und  schließlich  das  volle  Verliebtsein  (Eros 
in  freundlichem  Verkehre  mit  der  Frau).   Letzteres  Symbol,  das  Herannahen  des 

s  mit  dem  Kistchen,  ist  in  demselben  Sinne  angewandt  Heydemann,  Gr.  Vb. 
Taf.  9,  1  [Athen,  Collignon-Couve  1957]  bei  dem  vereinten  Paare,  während  der 
Eros  bei  der  andern  spröden  Frau  noch  ruhig  spielt.  Überhaupt  wird  nun  das 
plötzliche  Überkommen  der  Leidenschaft  dadurch  ausgedrückt,  daß  Eros  stürmisch 
an  das  .Mädchen  herantritt,  wodurch  wir  erinnert  werden  an  Eur.  Hipp.  1274:  &6Xyei 
,V i  ■  iKuvoiu'rur  xgadlav  —  H/ooituotj  oder  ebenda  527,  wo  tTTvaroamVo- 

von  Eros  gebraucht  wird.1  So  auf  dem  schönen  Bilde  Stackeiberg  Taf.  31,  wo  er 
heranstürmt,  als  wolle  er  sie  umfangen,  nur  leise  wehrt  sie  ab;  ähnlich  Neapel 
3354,  R.  C.  136  B.  Fester  schon  hat  sich  Eros  eingenistet,  wenn  er  auf  dem 
Schöße  des  Mädchens  sitzt,  wie  Neapel  S.  A.  317,  580,  auf  dem  Schöße  Helenas 
Overb.  Gall.  Taf.  12,  8  [Berlin  3182]. 

Den  wohl  vorbereiteten  Endpunkt  dieser  Reihe  bildet  es,  wenn  Eros  die 
57  Frau  glühend  umarmt,  ja  küßt.-'  Leider  sind  auch  diese  Bilder  sehr  mißver- 
standen worden,  indem  man  wieder  Aphrodite  annahm  (vgl.  Steph.  CR.  1860  S.  89; 
1863  S.  64 ;  1865  S.  160;  Bernoulli,  Aphr.  S.  392)  und  so  ohne  alles  Recht  dem  Geiste 
der  Vasenmalerei  ins  Gesicht  schlug.  Schon  der  Zusammenhang,  in  den  ich  diese 
Bilder  gesetzt  habe,  und  unsre  bisherigen  Resultate  zeigen,  daß  auch  hier  nur 
eine  Sterbliche  gemeint  sein  kann,  doch  verdient  die  Frage  diesmal  eine  nähere 
Beleuchtung.  Bei  alexandrinischen  Dichtern  freilich  kömmt  es  nun  auch  vor, 
daß  Aphrodite  den  Sohn  umarmt  und  küßt  (Apoll.  Rh.  3,  149,  ihm  nachgeahmt 
Nonnos  33,  143;  41,  400;  Ovid.  Met.  5,  364),  immer  aber  in  der  bestimmten  Ab- 
sicht, ihn  günstig  zu  stimmen  und  zu  etwas  zu  überreden;  überall  ferner  ist  es 
Aphrodite,  die  Eros  an  sich  zieht  und  umarmt,  ganz  dem  mütterlichen  Verhältnisse 
entsprechend;  auf  unsern  Vasen  dagegen  ist  es  konsequent  umgekehrt,  Eros 
rff  sich  hier  stürmisch  an  die  Brust  der  Frau,  wofür,  wenn  es  seine  Mutter 
wäre,  wahrlich  gar  kein  Grund  einleuchtete.    Dagegen  gewinnt  unsre  Darstellung 

Verständnis  und  Leben,  wenn  wir  eine  Sterbliche  erkennen,  die  den  stürmischen 
Anfällen  <!  ,  wollüstig  freudig  unterliegt.     Daß  Eros  das  Mädchen  umarmt 

•in  rein  künstlerisches  Symbol  ganz  im  Sinne  der  obigen;  wir  dürfen  daher 
nicht  erwarten,   aus  der  Poesie  Zeugnisse   dafür  holen  zu  können;   doch  ist  es 

•  noph.  Eph.  1,2;  Hustath.  De  amor.  Ism.  10  S.  462;  vgl.  Lucian,  Dial. 

■  i  it  i   m  aytedou  >r>üf. 

nd  43  [FMris,  Bibl.  Nat  087|  (darüber  ein  Knabe  nach  Gänsen  haschend, 

111       ■  -die  kleine  Figur  links  ist  ein  dienendes  Kind,  wie  /..  15. 

Ff.  Taf.  10,  2,  vgl.  die  verwandten  Figuren  auf  den  Grabstelen  Perva- 

beim  Bade  hüte  4,  1  1. 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  37 


eine  verwandte,  nur  eben  poetische,  Symbolik,  wenn  Eros  bei  Theokrit.  id.  2,  55 
wie  ein  Blutegel  alles  Blut  aussaugt;  daß  Eros  die  Menschen  gerne  küßt,  geht 
hervor  aus  Mosch,  id.  1,  26;  Longus,  Past.  2,  4  ff.  Bestätigt  wird  unsre  Deutung, 
wenn  Eros  Helena  oder  Orpheus  umarmt,  ebenfalls  nur  um  das  Erfülltsein  von 
Liebe  zu  bezeichnen  (Bull.  Nap.  5  Taf.  6;  Neapel  S.  A.  709). '  —  Ich  lege  deshalb  so 
viel  Gewicht  auf  diese  Erklärung,  weil  diese  Bilder,  erst  so  gefaßt,  sich  in  das  58 
Ganze  der  Vasenmalerei  vortrefflich  einreihen  und  ihrer  symbolisch-begrifflichen 
Auffassung  des  Eros  entsprechen;  von  diesem  Standpunkt  gefaßt  kann  man  die 
Deutung  als  Aphrodite  für  geradezu  unmöglich  erklären;  eine  so  signifikante 
Handlung  des  Eros  ohne  jede  weitere  Veranlassung  und  Bedeutung,  nur  ein 
menschlich-persönliches  und  noch  dazu  willkürlich-seltsames  Verhältnis  ausdrückend, 
würde  im  Bereiche  der  Vasenmalerei  als  ein  Rätsel  dastehen. 

Aus  denselben  Gesichtspunkten  muß  ich  einer  andern,  bisher  allgemein 
angenommenen  Deutung  widersprechen;  ich  meine  Jahn,  Beitr.  Taf.  7,  1  [Brit. Mus. 
F  220],  denn  daß  hier  Aphrodite  Eroten  abwäge,  wie  viel  der  oder  der  mehr  koste 
und  sie  danach  verhandle,  liegt  weder  in  den  Motiven  des  Bildes  noch  im  Geiste 
der  Vasenmalerei:  es  ist  vielmehr  der  Wetteifer  zweier  Liebenden  dargestellt: 
ernst  sehen  sie  sich  an  und  wägen  ihre  gegenseitige  Liebe  ab,  welche  schwerer, 
welche  stärker  sei;  es  kämpfen  Eros  und  Anteros  wetteifernd  gegeneinander, 
denn  wenn  irgendwo,  so  bieten  sich  hier  diese  Namen  passend,  aber  auch  nicht 
notwendig  an.  Durch  die  offenbare  Analogie  der  Psychostasie  erhält  das  Ganze 
etwas  Humoristisches. 


Doch  gehen  wir  zur  zweiten  Gruppe  über:  ganz  wie  Eros  der  ständige  Be- 
gleiter des  Dionysos  ward  wegen  des  beiden  gemeinsamen  Charakters  der  Ekstase, 
so  verbindet  ihn  auch  die  Charakterähnlichkeit,  die  Jugendanmut  und  Schönheit, 
dauernd  den  Mädchen;  denn  Eros  ist  xagdeviog  (Anakr.  fr.  13)  und  ve6xi]Ti  yaigei 
(Longus,  Pastor.  2,  7);  wie  er  im  Thiasos  der  Geist  der  wilden  bakchischen  Auf- 
regung ist,  so  repräsentiert  er  hier  den  Reiz  der  Liebenswürdigkeit,  der  am  Wesen 
und  Leben  der  Mädchen  haftet  und  besonders  in  ihren  Spielen  hervortritt;  so 
schwebt  denn  Eros  über  zwei  spielenden  Mädchen  CR.  1860  Taf.  1  [Petersburg  59 
1791] ;  zwischen  zwei  schaukelnden  Gerh.  Ant.  Bildw.  Taf.  53 ;  ebenda  54  [Brit.  Mus. 
F  123]  stößt  er  selbst  die  Schaukel.  Öfter  beteiligt  er  sich  beim  beliebten  Ballspiel: 
Elite  4,  60  [Neapel  2872]  überrascht  er  sie,  wie  auch  Arch.  Zeit.  1853  Taf.  57,  2 
[Wien] ;  Laborde  I  S.  66;  Campana  ser.  4,  228 ;  Wien  [Sacken-Kenner  S.  204  Nr.  153]; 


1  Auch  die  schöne  Spiegelkapsel  CR.  1865  Taf.  5,  1  ist  auf  eine  Sterbliche  zu 
deuten,  nicht  ohne  lebendige  Beziehung  auf  die  schöne  Besitzerin,  ebenso  die  Gemme 
ebenda  1860  Taf.  4,  7,  beide  Monumente  gehören  ins  4.  Jahrhundert. 


,;s  Eros  in  der  Vasenmalerei. 


I,  Durand  585  (Yenus-Libitina  und  Amour  infernal!);  Laborde 

1.  47  fingt  ein  kleiner  ErOS  den  Ball   auf,    ein   größrer   hängt  auf   dem   Rücken 

Frau  im  als  Sieger  (vgl.  Hermann  Gr.  Ant.  3,   33,  36);  gewiß 

Ihnlich  als  Spiel  der  Frauen  München  786  [2396]  zu  fassen,  denn  es  ist  Eros, 

oft,  weiß  gemalt,  mit  kleiner  Chlamys  auf  dem  linken  Arm,  und  nicht  ein 

»Midchen*  (Jahn),  der  lustig  antreibend  den  Frauen  vorangeht,  die  sich,  im  oben 

.  ahnten  Sinne,  auf  dem  Rücken  tragen;  der  Satyr  bei  ähnlichen  Szenen  hat 
nichts  Auffallendes.  Auch  über  zwei  alla  morra  spielenden  Mädchen  schwebt 
Eros  (Ann.  d.  Inst.  1866,  U  [Krakau]  fein),  die  Mädchen  haben  sich  auf  ihre  Hydrien 
niedergelassen;  beim  Wasserholen  selbst,  wo  die  Anmut  der  Mädchen  so  lebhaft 
hervortritt,  sind  sie  ebenfalls  von  Eroten  begleitet  (Neapel  2373  „fein");  ja  selbst 
auf  häuslich  beschäftigte  spinnende  Mädchen  fliegt  Eros  zu  (Bull.  d.  Inst.  1871, 

3,  5).1  Neben  diese  charakteristischen  Haupttätigkeiten  der  Mädchen  gesellt 
sich  die  musikalische  Unterhaltung,  die  Eros,  wie  immer,  besonders  begünstigt: 
so  fliegt  er  auf  das  leierspielende  sitzende  Mädchen  mit  ausgebreiteten  Armen  zu, 
während  das  andre  Flöten  hält,  auf  zwei  ganz  ähnlichen  feinen  Vasen  (CR.  1868 
S.  79  Vign.  und  Bull.  d.  Inst.  1865,  54;  ähnlich  auch  Neapel  R.  C.  134).  Ein 
musisches  Vergnügen  ist  auch  der  Waffentanz  (Elite  2,  80  [Florenz]),  weshalb 
Eros  mit  der  Leier  unter  den  Mädchen  als  Zuschauer  schwebt.  Endlich  tanzt 
60  Eros  auch  selbst  mit  den  Mädchen.2  Ja,  es  läßt  ein  Mädchen  sogar  den  Eros 
auf  ihrem  Fuße  tanzen  (Tischbein  III,  28).  Nicht  ganz  klar  ist  mir  das  oft  publizierte 
Bild  Elite  4,  85  [Karlsruhe  278,  Furtwängler-Reichhold  II,  78.  Österr.  Jahresh.  XI, 
S.  91]  geworden;  am  einfachsten  wäre  es,  anzunehmen,  daß  Eros  den  Mädchen 
eben  beim  Früchtepflücken  hilft,  wie  er  ja  auch  den  Nymphen  des  Dionysos 
bei  derselben  Beschäftigung  an  die  Hand  geht  (Ant.  du  Bosph.  Taf.  63,  2  [Peters- 
burg 1788]).  Überall  ist  hier  das  mädchenhaft-liebenswürdige  Wesen  des  Eros 
das  verbindende  Glied  zwischen  ihm  und  den  Mädchen;  drum  beteiligt  er  sich 
auch  keineswegs  an  den  männlichen  Spielen;3  jener  Eros,  der  nur  mit  den  Epheben 
spielt,  ja  in  den  Kampf  voran  eilt,  ist  hier  vollkommen  verklungen.  Dagegen 
könnte  man  nur  anführen  Miliin,  Peint.  de  Vas.  Taf.  45  [Louvre]  =  Welcker  A.  D.  III, 
Taf  doch  hier  mag  das  noch  nicht  sicher  gedeutete  Spiel   eine  erotische 

leutung  haben,  etwa  wie  der  Kottabos;  wo  nicht,  so  läßt  die  Ungenauigkeit 
der  Zeichnungen  in  Millin's  Werk  auch  die  Vermutung  zu,  daß  das  Original  nicht 
zwei  Froten,  sondern  zwei  Niken  hatte. 


1  Kr  angelt  mit  zwei  Mädchen   auf  einer  sehr  späten  polychromen  Vase  bei  Jahn, 
Vas.  mit  OoldsduL  S.  16  Nr.  32  [Louvrej. 

'  Hancarv.  IV,  Hl   mit  Krotalen,   Neapel  2919  mit  Tympanon,  vielleicht  sind  daher 
MJnaden  zu  erkennen. 

ich   die  von  Jahn   oft  wiederholte  Behauptung  (z.  B.  Ber.  d.  s.  G. 
186'-  .nne  bei  jeder  Beschäftigung  der  weiblichen  und  männlichen  Jugend 

leilnehmen,  ah  wenigstens  für  diese  Periode  unrichtig. 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  39 


c)  Unteritalische  Bilder  des  Verfalls. 

Endlich  ist  noch  eine  große  Reihe  von  Vasen  übrig,  die  Stil  und  Auffassung 
nach  durchaus  der  Periode  des  Verfalls  angehören  und  sämtlich  aus  Unteritalien 
stammen.  Vergebens  sucht  man  in  ihnen  nach  klaren  Motiven  einer  Handlung, 
dagegen  treffen  wir  eine  Fülle  von  Attributen,  mit  denen  die  Personen  überladen 
erscheinen  und  die  entweder  der  Toilette  oder  dem  aphrodisisch-dionysischen 
Kreise  angehören;  es  sind  namentlich  das  Kästchen,  Schale,  Kranz,  Zweig,  Tänie, 
Spiegel,  Fächer,  Leiterchen,  Vogel,  Rädchen,  Ball,  Eimer,  Tympanon,  Weintraube,  61 
Flöte,  auch  Fackel  und  Thyrsos.  Von  einer  Handlung  kann  man  eigentlich  nie 
reden,  da  es  nur  Schemata  sind,  die  beliebig  verwendet  werden;  am  häufigsten 
sind  außer  ruhig  stehenden  oder  sitzenden  besonders  laufende  und  ein  Bein 
höher  stellende  Figuren. 

Am  nächsten  an  das  schon  besprochne  schließen  sich  Bilder  an,  die  sich 
deutlich  als  verflachte  Liebesunterhaltungen  kund  geben:  so  wenn  Eros  einen 
Jüngling  in  Frauengesellschaft  kränzt1  oder  auf  die  Frau  zufliegt.2  Noch  ober- 
flächlicher, wenn  Eros  bloß  oben  sitzt  oder  schwebt.3 

Das  häufigste  aber  ist,  daß  Frauen  und  Jünglinge  (je  nach  dem  Raum  eine 
größre  oder  geringre  Anzahl)  mit  einem  oder  mehreren  Eroten  gruppiert  sind 
ohne  jede  Handlung,  in  den  gewöhnlichsten  Stellungen  und  mit  möglichst  vielen 
Attributen;  sie  sitzen  oder  schreiten,  oft  in  langer  Reihe,  indem  manchmal  Eros 
voranläuft.4  Seltner  findet  sich  Eros  mit  einem  Jünglinge  allein  zusammen.5  — 
Das  ungleich  häufigste  aber  sind  die  zahllosen  Fälle,  wo  Eros  mit  einer  oder 
mehreren  Frauen  allein  zusammengestellt  wird;  in  höchst  eintöniger  Weise  sitzt  62 
bald  Eros,  bald  die  Frau,  oder  es  läuft  eines  auf  das  andre  zu  oder  ihm  nach.6 


1  Dubois-Mais.  Intr.  Taf.  41,  2;  Tischbein  II,  Taf.32;  Inghir.  Vas.  fitt.  Taf.  174;   Elite 

4,  74;  Passeri  86;  Petersburg  770;  Neapel  2023,  2568,  2577,  2573,  S.  A.  533,  539. 

2  München  840  [3292],  Neapel  1909,  1920,  1998,  2357,  S.  A.  21,  530. 

■  z.  B.  Mus.  Blacas  Taf.  8   [Brit.  Mus.  F  270];   Bull.  Nap.  2  Taf.  4;    Neapel   2084, 

5.  A.  328;  Petersburg  346. 

4  z.  B.  Rochette,  Mon.  In.  Taf.  45,  3  [Petersburg  424];  Ann.  d.  Inst.  1840,  O;  Mon.  d. 
Inst.  IV,  17  [Neapel  3219];  Passeri  35,  36,  47,  67,  Gerh.  Apul.  Vb.  Taf.  A,  12  [Berlin  3243]; 
Neapel  3220,  3221,  3224,  3218,  auch  Laborde  I,  13  [Wien,  Sacken-Kenner  S.  181  Nr.  98] ; 
Hancarv.  III,  47,  wo  auch  wie  öfter  eine  Badewanne  vorkömmt;  Berlin  1006  sind  alle  um 
einen  großen  Krater  versammelt;  Neapel  3238,  1987,  2145,  2646,  2304,  S.  A.  341;  Passeri 
10;  es  mischen  sich  Satyrn  ein  Neapel  2572,  wo  Eros  voranläuft,  3236.  Variationen  ohne 
Bedeutung  scheinen  Passeri  198;  Miliin,  Peint.  de  Vas.  II,  Taf.  40  [Louvre],  wo  Eros  weg- 
geht, vgl.  Brit.  Mus.  1313  [F  63],  1589  [F  202]. 

5  z.  B.  Laborde  II,  28  [Wien,  Sacken-Kenner  S.  181  Nr.  168];  Neapel  2233,  1757  A, 
2679,  1940,  1818  A. 

6  z.  B.  Ann.  d.  Inst.  1852,  Q  [Neapel  1982];  Hancarv.  III,  126;  Passeri  5,  54, 55,  61,  62, 
79,  87,  94,  115,  185;  Caylus,  Recueil  I  Taf.  38;  Neapel  1973, 1939,  1933,  2009,  2343,  1915, 
1943,  1968,  2010,  2012,  2197,  2307,  2680,  S.  A.  213,  326,  330,  359,  647;  Petersburg  819,  776, 
1093,  1102,  1190,  1192,  1197,  1234,  1241,  1249,  1252,  1306;  Berlin  787  [3441],  899  [3336], 


gn  Eros  in  der  Vasenmalerei. 


Dj<  nach  der  Bedeutung  dieser  Bilder  ist  nicht  leicht  zu  beantworten; 

mit  Recht  hat  man  die  Annahme  von  Mysterienszenen   aufgegeben;    andrerseits 

inen  aber  auch  eigentliche  Szenen  aus  dem  täglichen  Leben  nicht  gemeint 
indem  kaum  die  erst  erwähnten  Beispiele  sich  so  fassen  lassen;  sonst  deutet 
darauf  hin,  daß  es  dem  Maler  nur  darauf  ankam,  durch  eine  allgemeine 
Zusammenstellung  der  Figuren  gewisse  allgemeine  Anschauungen  und  Ge- 
danken im  Beschauer  zu  wecken.  Von  den  Attributen  wird  nie  ein  charakteristischer 
Gebrauch  gemacht   und   die  Gestalten  werden   in  eine   durchaus  ideale  Sphäre 

Qckt;  besonders  bezeichnend  für  diese  abstrakte  Allgemeinheit  ist,  was  bei 
diesem  weiblich  üppigen  Volke  sonst  unerklärlich  wäre,  daß  meistens  rohe  Felsen 
zum  Sitze  dienen;  dazu  kömmt,  daß  manchmal  eine  Frau  einen  Thyrsos  trägt 
oder  sich  Satyrn  einmischen.  —  Nicht  selten  finden  wir  Bilder  wie  die  besprochenen 
neben  künstlerisch  bedeutenden  mythologischen  Vorstellungen  an  den  unter- 
63  geordneten  Teilen  desselben  Gefäßes,  woraus  hervorgeht,  daß  es  nicht  Unver- 
mögen war.  eine  Szene  des  täglichen  Lebens  darzustellen,  sondern  daß  man 
eben    nur  ganz  Allgemeines   geben   wollte   (gerade  wie   bei   den   sogenannten 

itelfiguren  auf  dem  Revers  der  besten  Vasen);  diese  allgemeinen  Gedanken 
aber  künstlerisch  durchzubilden,  war  bei  solchen  Nebenvorstellungen  zu  viel 
verlangt,  und  später,  als  sie  die  Hauptdarstellungen  wurden,  war  auch  die 
künstlerische  Fähigkeit  geschwunden;  man  begnügte  sich  also,  statt  durch  Hand- 
lung und  Charakteristik,  das  Gewollte  wesentlich  durch  Attribute  auszudrücken, 
wodurch  die  Figuren  freilich  zu  Zeichen  herabsanken.  —  Suchen  wir  nun  die 
Art  dieser  allgemeinen  Vorstellungen  näher  zu  bestimmen:  die  Attribute  beziehen 
sich  alle  auf  sinnliches  Wohlleben  und  Glück,  es  sind  die  bei  der  Toilette  sowie 
im  Kreise  der  Aphrodite  und  des  Dionysos  gewöhnlichen;  daß  ein  Krater  einmal 
den  Mittelpunkt  der  Versammlung  bildet  und  Weintrauben  sich  oft  in  ihren 
Händen  finden,  weist  deutlich  darauf  hin,  daß  sie  besonders  von  dionysischen 
Genüssen  beglückt  sind.  Auch  Eros  trägt  alle  bakchischen  Attribute;  die  All- 
gemeinheit der  ganzen  Darstellungen  hat  auch  ihm  eine  allgemeinere  Bedeutung 
verliehen,  immer  ist  er  eine  Hauptperson  und  verkehrt  freundlich  mit  den 
Menschen,  er  erhebt  sie  in  eine  ideale  Sphäre,  er  beglückt  sie,  indem  er  mit 
ihnen  ganz  auf  einem  Fuße  verkehrt  (Eros  ist  fast  immer  jünglingshaft),  ja  er 
offenbar  zu  einem  allgemeinen  Glücksdämon,  zum  Repräsentanten  der 
tieft  und  des  sinnlichen  Wohllebens  geworden.   Zu  dieser  Verallgemeinerung 

16],  104]  [3282],  1062  [3308],  1065  [3032],  1175  [3237],  1178  [3082];  häufig  ist  auch  die 

icllun^  an  zwei  Seiten  der  Vase,  z.  B.  Hüte  4,  36;  Moses,  Vas.  EngL  27;  Neapel 

340;  Petersb.  1203,  1214,  1301,  1363;  Berlin  1137  [3333],  1112 

1180  [3399],  199813382]«.  Oft  lauft  Eros  der  Frau  nach,  wie  Neapel  2072,  2118, 

»der  ihr  voran:  Neapel  2015,  2577,  S.  A.  27  B,  299.  —  Eine 
/isammenstelluny  solcher  Milder  s.  auch  bei  .Jatta,  CatalogO  S.  1151  unter  „daemon 
an»!-  In    Newtons  Vasenkatalog    des  Brit.  Mus.    Bd.   II    S.  310    unter    „Eros 

an 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  41 

hat  seine  Verbindung  mit  dem  dionysischen  Kreise  das  meiste  beigetragen,  denn 
hier  ward  ihm  zuerst  jene  weitere  Bedeutung  als  Personifikation  der  lustvoll- 
seligen  bakchischen  Aufregung,  die  ja  bekanntlich  in  spätrer  Zeit  allgemein  als 
Ziel  und  Ideal  des  Glücks  betrachtet  wurde.  Demnach  scheint  es  die  Absicht 
unsrer  Bilder  zu  sein,  durch  den  Verkehr  mit  diesem  Eros  beseligte  Menschen 
darzustellen.  —  Erinnern  wir  uns  nun  jener  attischen  Inschrift-Vasen,  wo  wir 
ebenfalls  den  Gedanken  fanden,  das  jedem  vorschwebende  Ziel  des  Lebensglücks 
darzustellen;  doch  was  dort  künstlerisch  durchgeführt  ist,  finden  wir  hier  nur  6 
ärmlich  angedeutet:  ein  Wohlleben  in  aphrodisisch-dionysischen  Genüssen. 

Die  von  dem  gewöhnlichen  Erdenleben  abstrahierende  Allgemeinheit  der 
Darstellungen,  ihre  Bestimmung  für  Gräber  läßt  endlich  die  Frage  berechtigt  er- 
scheinen, ob  mit  diesen  Bildern  von  glücklich  Beseligten  nicht  auf  den  erhofften 
Zustand  nach  dem  Tode  angespielt  werden  sollte.  In  welcher  Weise  man  sich 
letzteren  dachte,  deutet  Bull.  Nap.  N.S.  3  Taf.  Man,  wo  Aphrodite  Eros  und  Silen 
das  Leben  des  Herakles  nach  dem  Tode  verschönern  werden,  und  wer  mußte 
sich  nicht  dasselbe  wünschen?  Noch  deutlicher  würde  CR.  1863  Taf.  6,  1  [Peters- 
burg 895]  sprechen,  wenn  Stephanis  Deutung  ganz  sicher  stände.  Aus  den 
Bildern  selbst  werden  sich  jedoch  schwerlich  entscheidende  Gründe  ziehen  lassen, 
weshalb  ich  auch  die  Frage  nur  aufgeworfen  haben  möchte.  Wenn  öfter  über 
den  gewöhnlichen  sepulkralen  Darstellungen  am  Halse  sich  eines  unserer  Bilder 
findet  (z.  B.  Gerh.  Mystb.  3,  4  [Petersburg  498];  Neapel  1765,  2197,  3229,  2022), 
so  könnte  man,  da  oft  eine  Beziehung  der  am  Halse  befindlichen  Eroten  zu  der 
Vorstellung  am  Bauche  stattfindet  (z.  B.  Neapel  1757,  3218,  3238,  3221,  S.  A.  697), 
eine  solche  vielleicht  auch  hier  vermuten  wollen.1 

Doch  wie  es  auch  damit  sei,  so  bleibt  doch  Eros  immer  derselbe;  denn  er 
hat  selbst  nie  Bezug  zu  Gräbern  oder  zum  Tode  als  solchem;  nie  erscheint  er 
auf  den  so  häufigen  sepulkralen  Bildern  der  Schmückung  eines  Grabes  oder 
Verehrung  eines  Toten;  nie  findet  er  sich  etwa  auf  griechischen  Grabsteinen 
vorrömischer  Zeit.2  Eros  ist  vielmehr  auf  unsern  Bildern  zwar  der  Bedeutung  65 
nach  verallgemeinert,  im  Wesen  aber  noch  der  alte.  Erst  in  römischer  Zeit 
schuf  man,  in  Athen  nicht  minder  als  in  Rom,  einen  seligen  Schwärm  von 
Eroten  vorbildlich  für  das  Leben  im  Jenseits,  ja  man  identifizierte  die  Ver- 
storbnen (namentlich  Kinder)  mit  solchen  Eroten;  doch  diese  Anwendung  basiert 
ganz  auf  jener  rein  persönlich  vermenschlichten  Anschauung  des  Eros,  die  den 
Vasen  noch  fremd  ist. 


1  Dem  jonischen  Kapitell,  das  oft  als  Sitz  dient,  bei  Eros  wie  bei  den  übrigen, 
kann  man  keinen  sepulkralen  Bezug  beimessen,  da  es  neben  andern  Sesseln  in  Szenen 
des  gewöhnlichen  Lebens  vorkömmt  (z.  B.  Gerh.  Mystb.  Taf.  8  [Petersburg  340] ;  Taf.  5  [Turin]). 

2  Philol.  17  Taf.  1,  3  =  D.  a.  K.  II,  704  ist  die  Inschrift  sqcozi  ovgav  gefälscht  und  nach 
Conze  eine  Sirene  dargestellt  (Conze  über  griech.  Grabrel.  S.  12  ff.). 


Eros  in  pik  Vasenmai erei. 


3.  KROS  ALLEIN. 
In  lichteren  Regionen  befinden  wir  uns  wieder  den  meist  anmutigen  Gefäßen 
enüher.  die  den  Gott  der  Liebe  und  Schönheit  allein  zu  ihrer  Dekoration  wählen. 
Zuerst   die  Fälle,   wo  man  ihn  durch  Attribute  oder  sonstige  Verbindungen 
nem  Wesen   gemfifl  zu  charakterisieren  suchte:   etwas  strengeren  Stils  scheint 
.1  Neapel  R.  C.  164  zu  sein,  wo  er  mit  Fackel  (?)  und  Reifen  hinfliegt:  xalog. 
Voll  Grazie  stimmt  er  die  Leier,  indem  das  mit  seinem  Wesen  verbundene  Attribut 
zu  einer  individuell-momentanen  Handlung  verbunden  ist  (CR.  1869  Taf.  4,  10). 
Mit  Schale  und  Leier  schwebend  zeigt  ihn  eine  attische  Lekythos  (Dumont,  Peint. 
cer.  de  la  Grece  propre  S.  40,  Nr.  4).     Er  verfolgt   oder  beobachtet  die  Hasen;1 
fthrt  auf  Schwanengespann  oder  spielt  mit  dem  Schwane  und  reitet  auf  ihm;2 
er  flötet  auf  dem  Delphine  (Neapel  R.  C.  123);  überhaupt  pflegt  auch  Eros,  wie 
alle  Götter,   gerne  auf  den  ihm  verwandten  Tieren  zu  reiten,   so  auf  dem  Reh,3 
66  auf  dem  Hirsch,4  dem  Pferd  (Miliin  II,  59  [Louvre],  vgl.  das  Relief  Stackelb.  Taf.  56) 
und  auf  der  Ziege  (Beugnot  195),  welche  Verbindung  aber  erst  in  spätrer  Kunst 
häufiger  wird   (vgl.  Stephani  CR.  1863  S.  155  und  1869  S.  88).     Auf  sein  dio- 
nysisches Wesen  bezieht  es  sich,  wenn  Eros  das  Tympanon  schlägt  (Petersburg 
22)  oder  flötet  (Durand  48  [Paris,  Bibl.  Nat.  461])  oder  mit  einem  Tierfelle  über 
dem  Arme  tanzt  (Neapel  S.  A.  683,  sonst  Jatta  1370,  1375);  auch  auf  eine  ithy- 
phallische  Herme  fliegt  Eros  zu  (Arch.  Zeit.  1871  S.  57,  66;  Wien  [Sacken-Kenner 
S.  170  Nr.  11];  Gerh.  Ak.  Abh.  Taf.  64,  4  [Wien]). 

Sehr  anziehend  in  ihrer  Anspruchslosigkeit  sind  einige  Bilder  jener  kleinen 
Lekythen  (vgl.Steph.CR.  1863  S.  144),  welche  ihre  Darstellungen  ausschließlich  aus 
dem  Frauen-  und  Kinderleben  wählen  und  denen  daher  auch  Eros,  der  Beschützer 
des  Frauenlebens,  nicht  fremd  ist;  sie  behandeln  ihn,  der  Kleinheit  des  Gefäßes 
entsprechend,  in  anmutig-dekorativer,  meist  kindlicher  Art;  die  Zeichnung  ist 
frei  und  schön,  aber  flüchtig. 

Eros  liebt  seiner  Natur  nach  Blumen  und  Vegetation  (vgl.  Alkman  fr.  29;  Plat. 

Symp.  196  B   <>r  fi»  eiav&tjs  xönos  /),  hnav&a  tcal  Ttei),    drum    kniet    er    auf 

Blumen   oder  schwebt   in   oder  vor  Ranken  (Neapel  1757,  2259,  3056,  München 

[2511]).     Noch    öfter   kauert  er  am  Boden    und    streckt   die   Hände   nach 

einer  Ranke  aus,  um  mit  ihr  zu  spielen.5    Es  bedarf  wohl  kaum  einer  ernstlichen 

1  Inghir.  Vasi  fitt.  Taf.  201;  Cat.  Beugnot  9;  Jatta  1421,  1550. 

1  I  Ins.  Taf.  71,  2;  Petersburg  1077;  Neapel  S.  A.  459;  Jatta  1396;  Neapel 

Ina  Vogel  fütternd  Jatta  1312;  schwebend  mit  Vogel  und  Zweig  Dumont,  Peint  cer. 
Mr.  7. 
1  Stackclbcrg  Taf.  28,  vgl.  Stcph.  CR.  1863  S.  158,  Durand  50  spielt  er  mit  ihm. 

Bbdfl  IV,  7;  Berlin  903  [3337];  Reh  und  Gans  sind  neben  ihm,  Arch.  Zeit.  1851 
Taf 

'|;  lleydcm.  ür.Vb.  Taf.  10,  3  [Athen,  Collignon-Couve  1525)  u.   1 
-  9  [Jatta  752]  u.  10  [Berlin  2440];  S.  10  Anm.  6  noch  zwei  Beispiele 
aus  Athen;  Jatta  77  Durand  45,  52,  56;  Rotsi,  Vasl  Blacai  14  S.  44,  daC  er  weine, 

•''I  nur  nen  Erklärung  zuliebe. 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  43 


Widerlegung,  wenn  Heydemann  vermutet,  dies  Motiv  des  kauernden  Eros  müsse 
auf  eine  berühmte  Statue  zurückgehen;  denn  gerade  dies  Motiv  ist  so  recht  für 
diese  Lekythen  erfunden  (wie  es  auf  denselben  auch  für  Kinder  gebraucht  wird, 
z.  B.  Heydemann  Taf.  12,  5  [Athen,  Collignon-Couve  1884]),  und  statuarisch  aus- 
geführt wäre  es  sinnlos. 

Noch  sonst  öfter  schwebt  oder  geht  Eros  auf  diesen  Gefäßen  spielend  oder 
eine  Schale  haltend  (CR.  1863  Taf.  2,  29  [Petersburg  1559];  Brit.Mus.774  [E628],  67 
C  42  [E  684];  Berlin  1685  [3493],  1844  [4109]),  ja  er  kriecht  ganz  wie  die  Kinder 
auf  dem  Boden  nach   einem  Vögelchen  haschend  (Heydemann,  Gr.  Vb.  Taf.  10, 
5  [Berlin  2442]). 

Ist  hier  die  kindliche  Auffassung  durch  die  Gefäßgattung  bedingt,  so  tritt 
anderswo  wieder  mehr  das  Wesen  des  Eros  hervor:  er  schwebt  langlockig  dahin 
mit  Kanne  und  Schale,1  mit  Kranz  oder  Tänie2  oder  er  hält  die  Strigilis,  die  ja 
auch  Frauen  mitunter  zukömmt  (Brit.  Mus.  C  15  [E  239];  Petersb.  1178).  Seltner 
ist  das  Thymiaterion,  das  im  Dienste  der  Aphrodite  besondere  Verwendung  fand; 
er  trägt  es  schwebend  Biardc4,  Terres  cuites  fun.  48.3 

Äußerst  häufig  benutzt  aber  die  weichliche  unteritalische  Malerei  einen  ein- 
zelnen Eros  zur  Dekoration  und  zwar  meist  mit  den  schon  oben  erwähnten 
Attributen  allgemeinen  Charakters  ausgerüstet,  die  wir  auch  in  Händen  der 
Frauen  und  Jünglinge  so  oft  finden,  z.  B.  noch  ohne  Attribute,  im  Schmuck 
Laborde  II,  42  [Wien,  Sacken-Kenner  S.  222  Nr.  114],  Hancarv.  II,  35,  79  [Brit. 
Mus.  F89];  kauernd  mit  Korb  und  Spiegel  Moses,  Vas.  Engl.  30,  mit  Zweig  und 
Schale  etc.  Dubois-Mais.  Taf.  7,  3,  85;  München  835  [3250],  831  [3305],  818  [3304] ; 
Inghir.  Vasi  fitt.  Taf.  66;  Tischb.  III,  36;  Hancarv.  IV,  69  [Brit.  Mus.  F  456]  (auch 
Schirm  neben  Kästchen  und  Traube);  Gargiulo,  Rec.  2,  20;  Muster  des  Über- 
ladnen  sind:  Petersburg  1076  auf  Felsen  mit  Perlenputz  und  Kasten,  Fächer, 
zwei  Schalen  und  einer  anlehnenden  Fackel;  oder  Neapel  3437:  mit  Tympanon, 
Spiegel,  Kranz  und  Kasten  lehnt  er  rejchgeschmückt  am  Luterion,  am  Boden 
noch  ein  Fächer!4 

Sehr  auffallend   muß   es   erscheinen,   daß  die  uns  aus  andern  Monumenten- 
kreisen   so    bekannte  Vorstellung  von    mehreren    unter    sich   zum   Spiel  ver-  68 
sammelten  Eroten   der  Vasenmalerei   durchaus  fremd  ist,   obwohl  sie  ja  gerade 
hier  die  anmutigsten  Motive  zur  Dekoration   hätte  finden   können;   aber  immer 
ist  Eros  entweder  in  Beziehung  zu  andern  Wesen  oder  allein;  man  führe  nicht 


1  München  300  [2445];  Hancarv.  III,  45;  Berlin  2003  [3334];  Durand  49;  Campana 
ser.  11,  38. 

2  Heydem.Gr.Vb.S.2  Nr.  1  [zu  Taf.  1,3];  Brit.  Mus.  992, 956  [E722];  Berlin  819  [2434]. 

3  In  fabelhaftester  Polychromie   abgebildet,  wie  überhaupt  dieses  Werk   oft  alles 
bisher  Dagewesene  übertrifft. 

4  Was  es  heißen  soll,  wenn  Eros  mit  Thyrsos  von  dem  sitzenden  Hermes  weggeht 
(Petersburg  1138  Verfall),  weiß  ich  nicht;  Eros  mit  Thyrsos  allein  sitzend  Neapel  895. 


Eros  in  der  Vasenmalerei. 


VlQnchen  805  [3268],  WO  eben  Aphrodite  als  Mittelpunkt  und  Herrscherin 
erscheint,    wie    sie    auch   Neapel  2901    beim   Spiele  zweier  Eroten 

aii.;   sein  spat    ist  Berlin  2006  [3367],    wo   jedoch    nur  eine 

che  Zusammenstellung  mehrerer  der  sonst  gewöhnlichen  Einzel-Eroten  mit 

Attributen   sich   findet,   ornamental  in  Pflanzengewinde;   ähnlich  ist  es  mit 

irc  926, '  WO  in  Ranken  vier  Kröten  und  ebensoviel  Schwäne  nach  entgegen- 

tei  Richtung  schweben,   also   auch    keine  Handlung  und  nur  vervielfachte 

:izel-Eroten.-' 

Nun  finden  wir  aber  die  hier  vermißten  Vorstellungen  auf  einigen  ungleich 
tern 3  polychromen  und  Reliefgefäßen,  die  mit  der  Vasenmalerei  gar  nichts 
zu  tun  haben  (dennoch  zitiert  Heibig,  Unters.  S.  237  einiges,  um  auf  den  historischen 
Charakter  der  Vasenmalerei  selbst  Schlüsse  zu  tun).  Wir  haben  hier  wettfahrende 
Eroten  mit  den  römischen  Circusmützen  der  Aurigae  (Ann.  d.  Inst.  1871,  A;  Mus. 
Greg.  II.  Taf.  101;  Petersb.  1767),  sie  fahren  mit  Panthern,  Greifen,  Löwen, 
ken  etc.  (Mus.  Borb.  III,  46;  Bull.  d.  Inst.  1840,  55);  Eroten  blasen  Syrinx,  um- 
armen oder  tummeln  sich  umher  (Bull.  d.  Inst.  1864,  137;  Petersb.  868;  Panofka, 
Terrae.  63;  Mus.  Greg.  II,  Taf.  102  mit  Psychen?). 

Nicht  nur  die  Darstellungen,  sondern  auch  die  äußere  Erscheinung  der  Eroten 

eine  wesentlich   verschiedne  von   der   auf  Vasenbildern;*  es  ist  somit  klar, 

daß  wir  hier  zwei  vollständig  getrennte  Auffassungen  des  Eros  auf  den  Produkten 

des  Handwerks  antreffen;  ein  wesentlicher  Umschwung,  ein  neuer  mächtger 

Einfluß  muß  gewirkt   haben,   um   den   schroffen  Gegensatz  jener  Bilder  zu  der 

Ölmalerei  hervorzubringen.    Welches  diese  umgestaltende  Macht  war,  ist  nicht 

schwer  zu  beantworten:  die  oben  zitierten  Vorstellungen  sind  nämlich  dieselben, 

wie  sie  aus  campanischen   Wandbildern   und   spätem   Reliefs  so   bekannt  sind; 

gehn   aber  erstere  auf    alexandrinische   Originale    zurück,   wie  Heibig  erwiesen 

hat,  so  ist  damit  auch  festgestellt,  daß  es  eben  der  Hellenismus  ist,  dessen  neu- 

taltende  Macht  jene  späten  Produkte  bedingt,  während  die  Vasenmalerei  von 

1  und  auch  Durand  53  „deux  Amours  volent  ä  la  rencontre  Tun  de  l'autre"  —  ob 
auf  bei'l  rj  der  Vase  verteilt? 

von  I.enormant,  Coli.  Raife  1341  zu  halten  sei,  kann  nach  der  Beschreibung 
nicht  entschieden  werden,  ist  doch  nicht  einmal  gesagt,  ob  der  angebliche  Eros  und 
Anteros  .sotu  traits  d'enfants"  auch  geflügelt  seien. 

werden  ins  2.  Jahrh.  v.  Chr.  gesetzt,  also  in  eine  Zeit,  wo  die  Vasenmalerei 
im  \  en  war. 

tafe    mögen    jene    Bilder  mit    lateinischen   Inschriften    gelten   (bei 
hl,  Cr.  lat.  mon.  Taf.  10  u.  11 ;  Suppl.V,  B),  die  meist  einen  einzelnen  Eros  zeigen,  in 
ig  noch  den  unteritalischen  Bildern  entsprechend,  nur  daß  die  Hinder- 
nd d  nen  Flügel  u.  ;l.  deutlich  den  wachsenden  Einfluß  des  alexandrinischen 
•  künden,   der  dann  in  jenen  Kelicfvasen  vollständig  zum  üurchbruch  gekommen 
mt  wohl  aberein,  daß  obige  Gefäße  Ende  des  5.  Jahrh.  8.  u.  c.  entstanden, 
n;  doch  gehören  auch  einige  üefiiße  derselben  Technik  ohne 
m  Münchner  Antiquarium. 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  45 


ihm  noch  unberührt  ist.  Daß  auch  andre  Gesichtspunkte  zu  diesem  sich  hier 
von  selbst  ergebenden  Resultate  führen,  wird  sich  unten  zeigen.  —  Ein  einzelner 
Eros  der  Vasenmaler  ist  nie  in  einer  außerhalb  seines  Wesens  liegenden  Hand- 
lung dargestellt  und  nicht  die  Handlung,  sondern  das  begrifflich-mythologische 
Wesen  des  Gottes  bildet  das  Hauptinteresse;  wenn  dagegen  mehrere  Eroten 
wettfahren  im  Circus,  so  hat  das  mit  ihrem  Begriffe  gar  nichts  mehr  zu  tun 
und  das  Interesse  liegt  nur  in  der  rein  menschlichen  Handlung,  die  von  Eroten- 
kindern   getragen   erscheint:    diese   Entwicklung  blieb   der  Vasenmalerei  fremd. 

RÜCKBLICK.  70 

Überschauen  wir  das  Vorkommen  des  Eros  auf  den  behandelten  Bildern,  so 
verlangt  zunächst  sein  äußres  Auftreten  nähere  Betrachtung. 

a)  Erscheinung. 

Was  zunächst  die  körperliche  Größe  des  Eros  betrifft,  so  richtet  sich  diese 
im  allgemeinen  ganz  nach  künstlerischen  Gründen.  Realistische  Kinderbildung 
ist  der  Vasenmalerei  überhaupt  fremd,  wenn  man  jene  kleinen  Gefäße  mit  Kinder- 
darstellungen ausnimmt;  es  handelt  sich  daher  nur  um  verkleinerte  oder  ver- 
größerte Mellephebengestalt.  Doch  zeigt  sich  gerade  bei  den  noch  strengeren 
Bildern  und  auf  den  attischen  Produkten  eine  Vorliebe  für  kleine  und  zierliche 
Bildung,  während  die  unteritalischen  Gefäße  meist  der  größeren  Gestalt  den 
Vorzug  geben.  Als  Norm  gilt  aber  überall,  daß  er,  wenn  heranschwebend  oder 
sonst  untergeordnet,  kleiner,  wenn  auf  gleichem  Fuße  mit  den  übrigen  Personen, 
größer  dargestellt  wird.  So  sehen  wir  ohne  Unterschied  der  Bedeutung  auf 
einem  und  demselben  Bilde  die  Größe  sehr  wechseln,  aus  rein  künstlerischen 
Gründen  (z.  B.  Laborde  I,  47  [Wien,  Sacken-Kenner  S.  184  Nr.  196];  München 
827  [3272];  Berlin  880  B  [3200]). 

Eine  wesentliche  Erweiterung  in  den  Attributen  bringt  die  Verbindung  mit 
Dionysos:  zu  den  gewöhnlichen,  dem  Kranz,  der  Tänie,  Schale,  Zweig  und  der 
seltneren  Leier  gesellt  sich  die  Doppelflöte,  das  Tympanon,  Krotalen,  Traube 
und  manchmal  auch  die  Fackel,  letztere  jedoch  nur  in  den  späteren  unter- 
italischen Bildern;  denn  Neapel  R.  C.  164,  wo  die  Inschrift  auf  ältre  Zeit  weist, 
ist  vielleicht  nur  ein  Stab  gemeint,1  worüber  nur  Autopsie  entscheiden  könnte, 
und  CR.  1861  Taf.  5,  3  [Petersburg  1929]  sind  es  die  Hochzeitsfackeln,  wie  sie 
wohl  auch  Neapel  2541  zu  fassen  sind.  Demnach  bleiben  nur  die  unteritalischen  71 
Bilder,  wo  die  Verbindung  mit  bakchischen  Attributen  deutlich  darauf  hinweist, 
daß  auch  sie  diesem  Kreise  entnommen  sei;  so  reitet  er  auf  einem  Silen  und 
hält  die  Fackel  (Miliin,  Peint.  de  Vas.  I,  Taf.  20  [Leiden]),  sonst  nur  in  den  gewöhn- 
lichen apulischen  Verfallbildern  mit  den  bakchischen  Frauen;2  öfter  hält  er  sie  auch 

1  Die  Zeichnung  soll  sehr  flüchtig  sein. 

2  Gerh.  Mystb.  Taf.  3,  4  [Petersburg  340],  wo  er  Fackel  und  Tympanon  hält;  Neapel 
1805,  S.  A.  480;  Bull.  d.  Inst.  1866,  212,  3;  Berlin  1186  B  [3344]. 


4£  Eros  in  der  Vasenmalerei. 

ii  oder   sie   liegt    neben  Ihm;1    Gerhard,  Trinksch.  u.  Gef.  Taf.  G  halten  die 
Aphrodite  tragenden  Eroten  Fackel  und  Eimer,  und  endlich  hält  er  sie  brennend  in 
eren,  zwar    unklaren   aber  sicher  bakchischen   Szene  (Neapel  3252  B 
unten).    Einen  charakteristischen  Gebrauch  macht  Eros  nirgends  von  der  Fackel, 
nirgends  eine  Andeutung,   daß   er  Liebe  mit  ihr  entzünde;   überall  vielmehr  ist 
ihn  ganz  akzessorisch,  wie  ein  andres  Attribut  des  dionysischen  Kreises,  bei- 
geben: auch  hier  ein  scharfer  Gegensatz  zu  alexandrinischer  Poesie  und  Kunst, 
die  ja   den  Knaben,  der  überall  mit   seiner  Fackel  Liebesfeuer  entzündet,   nicht 
ug  zu  preisen  weiß. 

Ein  ähnliches  uns  aus  der  spätem  Tradition  sehr  geläufiges,  auf  Vasen 
noch  seltnes  Attribut  ist  der  Bogen;  mir  sind  nur  folgende  Beispiele  bekannt 
geworden,  die  alle  der  spätem  unteritalischen  Malerei  angehören:  er  schießt  die 
Liebespfeile  auf  ein  Mädchen  ab  auf  zwei  Vasen  (Tischbein  III,  39  =  Petersburg 
1181;  Jatta  1417),  auch  allein  schießt  er  den  Bogen  ab  (Gerh.  Apul.  Vb.  Taf.  B,  1 
[Berlin  3257]  lebendig  schön  mit  Bezug  auf  die  Hauptseite,  ähnlich  Ann.  d.  Inst. 
1,  D,  1;  auf  eine  Taube  Neapel  S.A.  403)  oder  spannt  ihn  (Berlin  2006 
[3367]);  Eros  mit  Bogen  ist  Dionysos  gegenüber  gestellt  (Neapel  824)  und  hält 
auf  dem  Silen  reitend  dies  Geschoß  (Miliin,  Peint.  de  Vas.  I,  Taf.  20  [Leiden]).  Auf 
der  Phthonos-Vase  (Arch.  Zeit.  1867,  Taf.  220  [Neapel  S.A.  11])  sind  Bogen  und 
:.  Pfeile  offenbar  der  starken  und  unheilvollen  Wirkung  des  Eros  wegen  gewählt,  der 
hier  ein  junges  Leben  getötet  hat  (wenn  sie  nicht,  was  mir  wahrscheinlicher, 
der  Aphrodite  gehören  im  Anschluß  an  Euripideische  Tradition). 

Nachdem  einmal  die  alexandrinische  Poesie  und  Kunst  den  mutwilligen 
Knaben  mit  dem  Bogen  so  unzählige  Male  gefeiert  hatte,  beherrschten  diese  Vor- 
stellungen alle  Folgezeit  und  noch  heute  ist  ja  Eros  als  Bogenschütze  der 
populärste  Gott;  wenn  nun,  wie  man  annimmt,  die  spätre  Vasenmalerei  von 
alexandrinischer  Anschauung  bedingt  ist,  so  wäre  es  ein  geradezu  unerklärliches 
Faktum,  daß  Eros  mit  dem  Bogen  hier  so  äußerst  selten  ist.  Überraschend  leicht 
sich  aber  das  Problem,  wenn  wir  die  voralexandrinische  Tradition  zu  Grunde 
cn. 

Daß  der  Bogen   als  Attribut  des  Eros   erst  zu  Ende  des  5.  Jahrhunderts  in 
der  Poesie  sich  allmählich  festsetzte,  sahen  wir  bereits  oben,  und  damit  stimmt 
überein,   was  wir  von  der  Kunst  wissen;    denn  keiner  der  Phidiasischen  Eroten 
hat  dies  Attribut.    Noch  Zeuxis  malt  Ol.  88  den  Eros  ohne  Attribute,  nur  rosen- 
ranzt  (würde  man  diese  Nebensache  angeführt  haben,  wenn  er  sonst  ein  be- 
ulendes Attribut  gehabt  hätte?),  derselbe  scheint  auf  die  Zeitgenossen  gleich- 
n    nicht   geringer  Wirkung   gewesen   zu  sein,    da    man    ihn   sich   so  am 
teilte  (Aristoph.  Ach.  991).     So  wagt  man  es  erst  im  4.  Jahrhundert 
den  den  Bogen  zu  verleihen:  wahrscheinlich  trug  ihn  Praxiteles'  thespischer 

I  S.A.  613;  1757;  Lcnormant,  Coli.  Rafft  1417  flötet  er  und 
■ekel;  Berlin  78.',  [3422],  907  [3340J;  Petersburg  1161,  1076. 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  47 


Eros *  und  der  bei  Callistr.  3  beschriebne  Eros  des  Praxiteles  hielt  den  Bogen 
in  die  Luft  und  schien  sich  erheben  zu  wollen;  dagegen  war  der  Eros  in  Parion 
von  demselben  Meister  wieder  ganz  ohne  Attribute  (vgl.  die  Münze  bei  Bursian, 
Jenaer  Lect.  Cat.  Sommer  1873).  Pausias  endlich  um  Ol.  100  malt  den  Eros,  wie  73 
er  Bogen  und  Pfeile  wegwerfend  nach  der  Leier  greift.  Solche  Taten  der  großen 
Kunst  wirken  aber  bekanntlich  auf  das  Handwerk  sehr  langsam,  und  überhaupt 
scheint,  wenn  wir  die  Literatur  betrachten,  der  Bogen  des  Eros  im  4.  Jahrhundert 
noch  nicht  sehr  populär  gewesen  zu  sein;  wenigstens  erwähnen  ihn  die  reich- 
lichen Fragmente  der  Komiker,  so  sehr  sie  sonst  Eros  preisen,  niemals.  Vor- 
trefflich stimmen  diese  Tatsachen  alle  mit  der  Seltenheit  des  Bogens  auf  den 
Vasen  überein  und  auch  hier  tritt  uns  wieder  der  ganze  Gegensatz  der  Vasen- 
malerei einerseits,  die  auf  der  Tradition  des  4.  Jahrhunderts  ruht,  und  der  helle- 
nistischen Anschauung  andrerseits,  wo  Eros  kaum  mehr  denkbar  ist  ohne  Bogen, 
in  voller  Schärfe  entgegen. 

Von  andern  Attributen  sind  noch  nennenswert  derStab,  er  ist  wohl  das  xevtqov 
der  Dichter,  das  seit  Euripides  dem  Eros  öfter  beigelegt  wird;  nur  einmal  macht  er 
charakteristischen  Gebrauch  davon,  indem  er  die  Leidenschaft  des  Kentauren  an- 
stachelt (Ant.  du  Bosph.  Tai  53  [Petersburg  1787]),  sonst  hat  er  ihn  bloß  als  Attribut.2 

Mit  dem  zunehmenden  Verfalle  steigert  sich  auch  die  Menge  der  Attribute 
immer  mehr:  aus  dem  aphrodisisch-dionysischen  Kreise  sind  zu  nennen:  das 
Liebeszauberrädchen  (Jahn,  Ber.  d.sächs.  Ges.  1854  S.  256), 3  der  Vogel,  der  Spiegel, 
das  Alabastron,  Fächer,  Schirm  und  Leiterchen  (s.  besonders  Ann.  d.  Inst.  1869,  Q 
[Jatta  1115],  wo  Eros  es  hält  und  eine  Frau  dazu  flötet).  In  der  unteritalischen 
Verfallsperiode  endlich  wird,  wie  wir  oben  sahen,  Eros  mit  allem  möglichen  über- 
häuft. Als  Ausnahmen  seien  noch  einige  Fälle  erwähnt,  wo  Eros  auf  einem 
Delphin  vorkömmt,  ein  Motiv,  das  in  der  späteren  Kunst  sehr  häufig  wurde 
und  wohl  aus  der  Eigenschaft  des  Delphins,  alle  schönen  Knaben  zu  lieben 
(vgl.  Steph.  CR.  1864  S.  207—215)  auf  Eros  übertragen  wurde,  da  dieser  auch  mit  74 
dem  Meere  und  den  Nereiden  nähere  Beziehungen  einging.4 


1  Wohl  schlaff  als  Stütze,  etwa  wie  ihn  das  schöne  Pompejanische  Relief  zeigt 
(Mus.  Borb.  II,  53);  sehr  mit  Unrecht  wollte  Engelmann  (Arch.  Zeit.  1868  S.38)  ihn  zu  einem 
Bogenspanner  machen;  denn  ovxexi  heißt  bekanntlich  „nicht  mehr"  und  dievtCo/uai  „etwas 
unverwandt  anblicken",  was  doch  von  einem  suchenden,  schweifenden  Blicke  sehr  ver- 
schieden; der  Bogenspanner  dagegen  gehört  Lysippischer  Richtung  an.  [Wo  Engelmann 
sich  zu  dieser  Frage  äußert,  ließ  sich  nicht  feststellen,  das  angegebene  Zitat  bezieht  sich 
auf  einen  Aufsatz  von  Benndorf.] 

2  Millingen,  Vas.  div.  Taf.  41  [Neapel  2900];  Laborde  I,  80;  Dubois-Mais.  42;  CR.  1865, 
S.  102  [Petersburg  1563];  Neapel  771;  Petersburg  1196,  wo  auch  Peitho  (?)  das  Stäbchen 
hält;  Berlin  1056  [3042]. 

3  z.  B.  CR  1862  Taf.  1,  1  [Petersburg  1913];  1863  Taf.  5,  2  [Petersburg  1427];  Ann.  d. 
Inst.  1852,  Q.  [Neapel  1982]  ff. 

4  Passeri  42  (vgl.  Steph.  CR.  1864  S.  223);  Neapel  R.  C.  123;  3252  mit  Dreizack; 
2845;  Wien  [Sacken-Kenner  S.  221  Nr.  111]  neben  Aphrodite. 


Eros  in  der  Vasenmai  erei. 


geflügelten  Eros  hatten  wir  schon  auf  der  Thamyris-Vase,  wo,  wie 

bemerkt,    nur   die  Stellung  daran  schuld  ist;   eine  unmotivierte 

lerlichkeit  dagegen  ist  der  ungeflügelte  Eros  Elite  4,  68  =  Petersburg  1188. 

Im  allgemeinen   glaube  ich  sagen  zu  dürfen,   daß  Flügellosigkeit  als  solche  nie 

radiert  worden  ist;  denn  wo  sie  stattfindet,  da  ist  es  entweder  nicht  mehr  der 

wie  auf  i.\cn  attischen  Sarkophagen,'  wo  wohl  die  Identifikation  mit 

den  Verstorbnen    Grund   der  Xichtbeflügelung   war,   oder  es  sind  Konzessionen 

aller  Art,  durch  Bequemlichkeit  oder  Nachlässigkeit  verursacht,  wie  so  häufig  auf 

den  römischen  Reliefs  (dagegen   nie  auf  den  Wandbildern,   wo  die  Flügel  eben 

immer  leicht  auszuführen  waren);    damit  stimmt   überein,    daß  die  Poesie  bis  in 

die  spätesten  Zeiten  nicht  müde  wird,  gerade  die  Beflügelung  an  Eros  als  etwas 

Wesentliches  hervorzuheben.  - 

Noch  eine  Absonderlichkeit  ist  ein  Eros  mit  Flügelschuhen  (Petersburg  1299), 
der  vor  zwei  Liebenden  auf  einem  Thymiaterion  opfert,  es  ist  offenbar  eine 
komische  Nachbildung  des  Götterboten  Hermes,  wie  ähnlich  Pan  mit  Flügel- 
schuhen vorkömmt  (Neapel  2541). 

Mit  der  zunehmenden  Weichlichkeit  in  der  ganzen  Auffassung3  begann  man 

auch,  demselben  Eros,   den  eine  frühere  Zeit  hatte  bewaffnet  darstellen  können, 

blichen  Haarputz  zu  erteilen,   und  zwar  ist   dies  im   unteritalischen  Stile  die 

gel;  daß  es  jedoch  schon  der  feinsten  attischen  Malerei  nicht  fremd  war,  zeigt 

CR.  1861,  Taf.  5,  1  [Petersburg  1924]  (auch  auf  einer  schönen  kilikischen  Münze 

hat  er  weibliches  Haar:  Ann.  d.  Inst.  1847,  D,  4).   Daß  man  jedoch  keine  Bedeutung 

darein  legte  und  es  nur  ein  künstlerischer  Brauch  war,  um  den  Eros  äßgoxöjuys 

th.  Pal.  12,  55;  Nonnos  13,  456  und  oft)  zu  charakterisieren,  zeigen  Fälle,  wo 

unter  mehreren,  sonst  gleichbedeutenden  Eroten  der  eine  männliches,  der  andere 

weibliches    Haar    hat    (z.  B.    CR.  1861,   Taf.  1    [Petersburg   1858];    Laborde   I 

.1   [Louvre];   Elite  3,30;  4,  19  [Neapel  S.  A.  647]).   Andrerseits  kömmt  auch 

h  im  apulischen  Verfallstile  männliches  Haar  vor  (z.  B.  Bull.  Nap.  2  Taf.  4;  Ann. 

d.  Inst.  1865,  E;  Elite  4,  36  [Brit.  Mus.  F  342]).    Sehr  häufig  trägt  Eros  Schuhe 

Anth.  Pal.  12,  158)  und  gewöhnlich  fügt  die  unteritalische  Malerei 

len  Perlenschmuck  um  Arme,  Brust  und  Beine,  sowie  oft  eine  Haube  hinzu. 

Strahlenkrone  wird  Eros  mitunter  vediehen  zur  Betonung  seiner 

•liehen  Herrlichkeit  (schon  CR.  1861,  Taf.  1  [Petersburg  1858];    1862,  Taf.  1,  3 

[Petersburg  1983];    Hancarv.  I,  40;  Arch.  Zeit.  1855,  Taf.  84  [Berlin  2642];   La- 


569   rat  19;  1872,  Taf.  59;  Stephani,  Ausruh.  Herakles  Taf.  ü*. 

ms  Athen  Clarac  650  D,  1478  D  ist  sicher  keiner,  nicht  nur  wegen 

nderri   auch  wegen   der  für  Eros  viel   zu   schlanken  Proportionen, 

.dlichen  Apollo  weisen,  vgl.  /..  B.  Clarac 478,  915.     -  Der  Knabe   auf 

leologla  Bd  3  I,  21  ist  sicher  auch  kein  Eros,  wie  noch  Stephani 

[de  to  the  bronze  room,  S.  43,  32  nennt  ihn  nur  boy). 

mbildung  des  m;innlichcn  Schönheitsideals  I  leibig,  Unters.  S.  258. 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  49 


borde  I,  5  [Wien,  Sacken-Kenner  S.  223  Nr.  125]).  Nahe  verwandt  und  viel- 
leicht nur  mit  der  Strahlenkrone  verwechselt  ist  der  geflochtne  Kalathos,  den 
er  einige  Male  trägt  (Ant.  du  Bosph.  Taf.  53  [Petersburg  1787]  vgl.  Steph.  CR. 
1865  S.  65;  auf  einer  attischen  Vase  Arch.  Anz.  1856  S.  244). 

Ist  zwar  Nacktheit  für  Eros  die  Regel,  so  kömmt  doch  eine  kleine  Chlamys 
als  malerische  Zutat,  nicht  als  Kleidungsstück,  ziemlich  früh  vor:  schon  am 
Parthenonfriese  trägt  er  ein  solches  kleines  Gewand  und  auch  auf  der  noch 
strengeren  Vase  Bull.  d.  Inst.  1867,  231;  häufig  wird  es  jedoch  erst  im  eigentlich 
malerischen  Stil,  wo  er  es  meist  an  einem  Arme  hängen  hat.1  Noch  viel  häufiger  76 
sitzt  er  auf  dem  Gewände,  besonders  in  den  apulischen  Verfallbildern. 

Besonders  charakteristische  Stellungen  sind  für  Eros  nicht  angewendet  worden. 
Doch  mag  Erwähnung  finden,  daß  das  höher  Aufstützen  eines  Beines,  ein  Motiv, 
das  in  die  Plastik  wohl  erst  durch  Lysipp,  in  die  Malerei  wohl  schon  früher  ein- 
geführt ward,  in  der  Periode  des  malerischen  Stils,  wie  für  andre  (besonders 
Hermes)  so  auch  für  Eros  oft  verwendet  wurde.2 

Demnächst  lohnt  es  sich,  auf  die  Art  der  Handlungen  des  Eros  einen  Blick 
zu  werfen;  hier  treffen  wir  eine  Fülle  von  Symbolen,  die  seinem  Wesen  ent- 
sprechen; das  in  der  ganzen  Vasenmalerei  weitaus  beliebteste  und  häufigste  bleibt 
das  alte  Symbol  des  Kranz-  oder  Täniebringens,  ein  Zeichen,  wie  sehr  die  begriff- 
liche Auffassung  die  vorwiegende  ist.  Die  Stelle  des  seltnen  Bogenschießens 
vertritt  das  Verfolgen,  Herantreten  und  Umarmen,  alles  nicht  eigentlich  realistische 
Handlungen,  sondern  psychologische  Symbole.  Als  Schönheitsverleiher  gießt  er 
sein  Alabastron  aus  oder  füllt  dasselbe  neu.  Den  Liebeszug  führt  er  an  oder 
schwebt  über  dem  Paare.  Seltner  sind  die  Fälle,  wo  Eros  als  Person  aktiv  ein- 
greift, aber  auch  dann  immer  seinem  begrifflichen  Wesen  entsprechend,  wie  wenn 
er  den  Stier  vor  Europe  niederdrückt  oder  zur  Liebe  auffordert,  überredend  an- 
feuert, wenn  er  als  Liebesbote  fungiert,  wenn  er  den  Frauen  bei  der  Toilette 
hilft,  oder  mit  ihnen  spielt.  Aus  seinem  Wesen  und  Charakter  ist  es  ferner  ab- 
geleitet, wenn  er  sich  mit  Hase,  Schwan  oder  Blumenranken  abgibt,  Ausnahmen 
sind  Fälle  wie  die  alla  morra  Spielenden  oder  der  mit  dem  Kinderwägelchen, 
Handlungen,  die  mit  Eros  bloß  deshalb  verbunden  werden  können,  weil  er  eben 
jung  ist;  anders  ist  es  wieder,  wenn  er  flötet  oder  das  Tympanon  schlägt,  wo 
sein  dionysischer  Charakter  zu  Grunde  liegt.  In  der  spätem  lockern  Kompositions-  77 
weise  endlich,  wo   die  Figuren   nur  zusammengestellt  sind,   ohne  zusammen  zu 


1  z.  B.  Laborde  II  Suppl.  6  [Wien,  Sacken-Kenner  S.  165  Nr.  95];  ebenda  I,  80;  CR. 
1865  S.  102  [Petersburg  1563],  wie  oft  auf  den  ähnlichen  attischen  Gefäßen;  ebenda  1860, 
Taf.  2,  1  [Petersburg  1793];  Ann.  d.  Inst.  1866,  CD.;  Inghir.  Vasi  fitt.  Taf.  343;  Tischb.  III, 
25;  Mus.  Blacas  Taf.  22,  1;  Hancarv.  I,  66;  IV,  98  [Brit.  Mus.  F  454]  etc. 

2  z.B.  Bull.  Nap.l  Taf.  3;Mon.  d.Inst.IV,  43  [Wien,  Sacken-Kenner  S.  163  Nr.  69];  Mus. 
Borb.  VII,  8,  2  [Neapel  2216];  Fröhner,  Mus.  de  Fr.  13,  4;  Neapel  843,  3218,  3248,  2375, 
2396,  2257,  3220,  S.A.  406,  362,  305,  Jatta  1445;  Petersburg  784. 

A.  Furtwängler.   Kleine  Schriften  I.  4 


EQ  EROS  in  dkr  Vasenmalerei. 


WO  die  Zentralisationskraft  fehlt,  da  sucht  man  gerne  auch  für  Eros 
nach  kleinen  Genremotiven,  wie  er  sich  denn  in  der  Schale  seiner  Mutter 
spiegelt,   einen    Schwan    tränkt    oder   mit  einem    Vögelchen    spielt   in   größern 

Kompositionen. 

b)  Bedeutung  und  Verhältnis  zur  alexandrinischen  Kunst. 

Wenden  wir  uns  von  dem  äußerlichen  Auftreten  zu  der  Verwendung  und 
stiren  Bedeutung  des  Eros,  so  tritt  unsere  Periode  gleich  in  einen  scharfen 
gensatz  zu  der  vorigen:  während  die  ältre  Zeit  es  noch  nicht  wagte,  Eros 
frei  ohne  mythische  Begründung  bloß  der  psychologischen  Motivierung  wegen 
in  eine  mythologische  Handlung  zu  verflechten,  so  geschieht  dies  in  unsrer 
Periode  im  ausgedehntesten  Maße,  und  während  jene  Zeit  nur  in  den  allgemeinen 
ien  des  täglichen  Lebens  Eros  als  Stimmungsausdruck  verwandte,  so  beraubt 
unsre  Periode  auch  die  mythologischen  Handlungen  ihrer  Individualität  und 
macht  allgemein  menschliche  Vorgänge  daraus.  Denn  man  begnügt  sich  nicht 
mehr  mit  Schilderung  der  äußerlich  in  die  Sinne  fallenden  Erscheinung,  man 
verlangt  zu  wissen,  was  diese  Götter  und  Heroen  innerlich  treibt.  So  setzt  man 
denn  Eros  und  oft  auch  Aphrodite  frei  hinzu,  um  die  Liebesabenteuer  zu 
motivieren;  so  geschah  es  bei  Peleus'  und  Thetis'  Kampf,  bei  den  Geschichten 
der  Io,  der  Europe  und  Amymone,  des  Pelops,  der  Medea  usf.,  selbst  beim 
Parisurteile  wird  allmählich  das  Mythische  zersetzt  und  tritt  der  allgemeine  Inhalt: 
ein  Jüngling,  der  in  die  Netze  der  Liebe  fällt,  immer  klarer  hervor. 

Dieser  durchaus  veränderte  Standpunkt,   die  neue   psychologische  Fassung 
78  der  Mythen,   diese  Tatsache  von   weitgreifender   Bedeutung  verlangt   eine   Be- 
gründung aus  dem  Geiste  der  Zeit:   wir  finden  sie  in  dem  Literaturzweige,   der 
die  Anschauung  von  den  Mythen  in  dieser  Periode  durch  und  durch  beherrscht 
in  der  Tragödie.   Nachdem  die  alte  Zeit,  deren  Geist  im  Epos  lebt,  die  äußer- 
liche möglichst  individuelle  und  wunderbare  Gestalt  der  Sagen  ausgebildet  hatte, 
trat  später  immer  mehr  die  Richtung  aufs  Innere  hervor,   es  kam  die  Zeit  des 
Dramas;   denn  die  Tragödie  stellt  nicht  äußere  Handlung  dar,  sondern  sie  zeigt 
das   innere,   seelische  Werden    einer   Handlung,   sie  zeigt   die   Stimmungen,    die 
Seelenkämpfe   des  Menschen,   aus  denen  die   äußere  Handlung  ausfließt;   diese 
Aufgabe,   welche  der  Tragödie  mit  der  Zeit  immer  klarer  wurde,   verlangte   nun 
aber  eine  vollständige  Um-  und  Neubildung  der  Mythen,  denn  von  jedem  Vor- 
mg  mußte  nun  die  psychologische  Entstehung  klar  vor  Augen  gelegt  werden, 
das  unnatürlich  unmenschlich  Wunderbare  der  Mythen  ward  drum  der  Feind  des 
nas  und  die  Geschichte  der  Tragödie  ist  eine  Geschichte  des  Kampfes  gegen 
det  Sage.    Bald  wurden  nun  alle  Mythen  ins  allgemein  Menschliche 
arbeitet  und  der  allgemeine  Gedanke  bohrte  sich  immer  tiefer  in  den  äußeren 
(ff.     Vor    allem    aber   war    es    die  Tragödie   des   Euripides,    welche    die 
psychologisch-pathologische  Seite  überall    hervorkehrte  und    die  Sage  durch  all- 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  51 


gemeine  Reflexion  zersetzte,  und  sie  hatte  den  nachhaltigsten  Einfluß  auf  seine 
wie  die  folgende  Zeit. 

Es  konnte  nun  nicht  fehlen,  daß  diese  allmählich  sich  bildende  neue  Grund- 
auffassung der  Tradition,  der  ja  noch  manches  andre  parallel  geht,  wie  die  Ver- 
schiedenheit in  der  Geschichtsauffassung  zwischen  Herodot  und  Thukydides  oder 
wie  die  Wendung  der  gleichzeitigen  Philosophie  nach  der  psychologischen  Seite, 
es  konnte  nicht  fehlen,  daß  dieser  neue  Zeitgeist  auch  auf  die  Kunst  seine 
mächtige  Wirkung  übte.  Im  Handwerk  freilich  konnte  sich  diese  erst  zeigen, 
nachdem  bereits  alle  Kreise  davon  durchzogen  waren.  Gehören  daher  unsre 
Vasenbilder  des  malerischen  Stils  auch  erst  viel  späteren  Jahren  an,  sind  sie  79 
doch  geistige  Kinder  Euripideischer  Mythenauffassung. 

Diese  Wirkung  auf  die  Kunst  zeigt  sich  nun  darin,  daß  auch  sie  die  Hand- 
lungen von  innen  heraus  zu  begründen  sucht  und  nach  künstlerischem  Ausdruck 
psychologischer  Tatsachen  strebt:  so  gelangt  sie  dazu,  Personifikationen  von 
Stimmungen  und  Affekten  in  die  Handlung  einzuführen.  Wo  aber  schon  passende, 
mehr  begriffliche  Wesen  vorlagen,  da  galt  es  nur,  diese  in  jener  psychologischen 
Weise  zu  verwenden,  und  dies  geschah  sowohl  mit  den  Erinyen,  die  auch  erst 
in  dieser  Periode  des  freien  Stiles  auftraten,  als  auch  in  erster  Linie  —  mit 
Eros.  —  So  werden  nun  mit  Hülfe  dieser  frei  in  die  Darstellung  des  Mythus 
verknüpften  Figuren  die  Taten  der  Götter  und  Heroen  ihres  individuell  wunder- 
baren Charakters  entkleidet  und  ins  allgemein  Menschliche  gerückt,  denn  inner- 
lich gefaßt  sind  ja  alle  gleich. 

Ganz  denselben  Entwicklungsgang  nehmen  aber  auch  die  Darstellungen  aus 
dem  gewöhnlichen  Leben,  das  früher  in  all  seiner  Besonderheit  aufgefaßt  und 
mit  naiver  Freude  geschildert  ward:  auch  hier  werden  gewöhnliche  Lebensszenen 
zum  Ausdruck  allgemeiner  Gedanken  benutzt,  auch  hier  Personifikationen  von 
Begriffen  und  Stimmungen  eingeführt. 

Diese  ganze  Richtung  im  Großen  und  Allgemeinen  betrachtet  erreicht  ihren 
Höhepunkt  (der  freilich  dem  Handwerk  verschlossen  bleiben  mußte)  in  einer 
Komposition  wie  die  Diabole  des  Apelles,  wo  alles  Wirkliche  aufgelöst  ist  in  die  zu 
Grunde  liegenden  Begriffe  und  Stimmungen  und  diese  zu  echten  Personifikationen 
gestaltet  sind.  Doch  auf  dieser  schwierigen  und  gefährlichen  Höhe  der  Ab- 
straktion konnte  man  sich  nicht  lange  halten,  wenn  man  nicht  ins  geschmack- 
lose Allegorisieren  verfallen  wollte;  bald  zog  man  es  daher  vor,  eine  beliebige 
Einzelhandlung  zum  Repräsentanten  allgemein  menschlicher  Gedanken  und  Stim- 
mungen zu  erheben,  die  konsequente  Entwicklung  führte  —  zum  hellenistischen 
Genre,  zum  mythologischen  wie  Alltagsgenre. 

Kehren  wir  zu  Eros  zurück,  so  reiht  sich  offenbar  seine  psychologische  Ver-  80 

wendung  auf  den  Vasen   als  Stimmungsausdruck  ganz  in  jene  vorhellenistische 

Durchgangsperiode  ein,   wogegen   die  alexandrinische  Kunst  (die  campanischen 

4* 


Eros  in  der  Vasenmalerei 


ndbilder)   diese  Verwendung  des  Eros  gar  nicht   mehr  kennt,   denn  hier  ist 
mehr  Personifikation,  sondern  immer  Person. 
Doch  Eros  ist  auch  Sohn  der  Aphrodite   und  als  solcher  wird  er  selbst  zu 
einem  Objekt  der  Vertiefung  ins  Psychologische,  ein  Objekt  der  Vermenschlichung. 

5  dieser  Anschauung  sind  jene  wenigen  Vasenbilder  zu  erklären,  die  ihn  als 
spielendes  Kind  und  Sohn  der  Mutter  darstellen;  ihre  geringe  Zahl  zeigt,  wie  es 
nur  Ansätze,  nur  verbindende  Fäden  sind  zu  jener  im  Hellenismus  vollkommen 
ausgeprägten  und  herrschenden  Richtung,  die  Eros  ganz  zur  Person  ver- 
menschlicht. 

Dagegen  wieder  ganz  aus  seinem  begrifflichen  Wesen  ist  des  Eros  Ver- 
bindung mit  Dionysos  und  seinem  Thiasos  geschöpft,  wo  er  als  Personifikation 
der  Ekstase,  des  wilden  stürmischen  Verlangens  die  Bakchen  aufstachelt  und  die 

den  zu  neuem  Taumel  fortreißt.  Auch  diese  psychologische  Verwendung  des 
Eros  ist  der  campanischen  Wandmalerei  fremd  geblieben. 

Das  ruhige,  sanfte  Gegenbild  ist  der  Eros  der  Mädchen,   der  ständige  Be- 
gleiter ihrer  Spiele  und  Unterhaltungen,   die  Personifikation  ihres  anmutig  lieb- 
reizenden Wesens.    Auch  diesen  Eros  wird  man  vergeblich  in  der  Wandmalerei 
suchen.1 
81  Schließlich  bleibt  uns  noch  übrig,   den   historischen  Standpunkt  unsrer 

Vasenbilder  des  freien  Stiles  näher  zu  fixieren.  Während  Eros  in  der  altern  Kunst- 
periode sich  ziemlich  selbständig  der  Poesie  gegenüber  stellte,  so  finden  wir  hier 
die  größte  Übereinstimmung  im  Grundcharakter:  der  Eros  bei  Euripides  und  seinen 

hfolgern  ist  derselbe,  der  auf  unsern  Vasen  herrscht.  Auf  das  gemeinsame 
symbolisch  begriffliche  Wesen,  auf  die  Übereinstimmung  in  Erteilung  der  Attribute 
ward  schon  öfter  aufmerksam  gemacht.  Aber  auch  die  vielfältige  Feier,  die 
Eros  bei  Sophokles  und  namentlich  Euripides  und  Menander  erfährt,  klingt  wieder 
in  den  Vasenbildern,  deren  manche  man  „Triumph  der  Liebe"  überschreiben  kann; 
Taten  der  Helden,  wie  die  des  Kadmos,  werden  gern  aus  Eros  motiviert,  der  aber 
auch  verderblich  wirken  kann,  wie  auf  der  Thamyris-  und  Meleager-Vase. 

Wenden  wir  aber  von  hier  den  vergleichenden  Blick  auf  alexandrinisctie 
Poesie  und  Kunst,  so  werden  wir  den  schärfsten  Gegensatz  finden.  Da  wir  uns 
hier  im  Widerspruch  mit  der  gewöhnlichen  Ansicht  und  mit  Heibig  befinden,  der 
den  Charakter  des  Eros  auf  Vasen-  und  Wandbildern  für  durchaus  identisch 
erklärt,*  so  verdient  der  Vergleich  eine  nähere  Ausführung. 

!  Do<  etwas  Verwandtes,  wenn  Eros  als  Jagdgenosse  des  Ganymed  schlaft 

:i.  Ornamente  aus  Pompeji   2,32);    der  oft  wiederholte,  mit   einem   Mädchen   (wohl 

Aphrodite)  fischende  Eros  d leibig  318— 355)  ist   allegorisch  zu  fassen,  wenigstens  reden 

Her   oft  von   dem    Merzen   angelnden  Eros  und   den   Netzen  der  Aphrodite:  vgl. 

Mphroa  v.5  (Bergk  S.  12.00);  EHkaeogenea  fr.  1  (Nauck  S.  601);  Theokr. 

iL  App.  5],  17;  Anth.  Qr.  5,  177;  Nonnos  48,286. 

1  Denn  auf  beiden  Gattungen  .treibt  er,  wahrend  Götter  oder  Heroen  ihren  erotischen 

;ungen  nachgehen,  allerlei  Mutwillen"  (Untersuch.  S.  237). 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  53 


Weniges  Charakteristische  aus  der  alexandrinischen  Dichtung  genüge, 
um  den  ganz  verschiedenen  Charakter  klar  zu  machen:  bekannt  ist  die  Szene 
bei  Apollon.  Rh.  3,  111,  wo  Eros  mit  Ganymed  spielend  gefunden  wird  usf.,  er 
ist  hier  schon  das  reine  Kind,  eine  vollkommen  menschliche  Persönlichkeit  (vgl. 
die  ähnliche  Szene  bei  Nonnos  33,  55 ff.;  auch  Callimachus  dichtete  wahrschein- 
lich ganz  Ähnliches,  vgl.  Dilthey,  De  Callim.  Cydippa  S.  44). 

Bei  Bion  (id.  5  [Wilamowitz  fr.  6  S.  141])  führt  Aphrodite  vr\7iiayov  röv 
"Egcora  zu  einem  Hirten,  damit  er  Musik  lerne  statt  dessen  lehrt  Eros  den  Hirten  82 
igcorvla:  das  Begriffliche,  der  Ausdruck  der  Empfindung  ist  hier  ganz  aufgelöst 
in  eine  persönlich-menschliche  Handlung,  eine  feste  Situation.  Bei  Moschus 
(id.  1  [Wilamowitz  App.  8])  fordert  Aphrodite  alle  auf,  den  entlaufnen  Buben 
Eros  wieder  einzufangen,  also  eine  reine  Familienszene;  darauf  wird  Eros'  Cha- 
rakter und  Erscheinung  so  beschrieben,  daß  die  rein  menschliche  Auffassung,  die 
das  begriffliche  Wesen  ganz  überwuchert,  recht  klar  wird.  Diese  Anschauungen 
sind  auch  die  in  der  Anthologie  herrschenden:  es  ist  der  kleine  übermütig 
mächtige  Knabe,  der  mit  Bogen  und  Fackel  alle  Seelen  beherrscht,  kurz  der  Eros, 
der  noch  heute  die  populärste  Gestalt  griechischer  Mythologie  geblieben  ist. 

Nicht  zu  vergessen  ist,  daß  in  dieser  hellenistischen  Periode  auch  die  Vor- 
stellung der  den  Menschen  beglückenden  und  quälenden  Liebe  zu  dem  rein 
menschlich-persönlichen  Verhältnisse  des  Eros  und  der  Psyche  gestaltet  wurde; 
stünden  die  Vasen  unter  dem  Einflüsse  alexandrinischer  Denkart  und  Kunst,  so 
wäre  es  unerklärlich,  warum  diese  so  gefällige  und  leicht  verwendbare  Erfindung 
von  Eros  und  Psyche  hier  so  absolut  fehlte.  —  Und  umgekehrt,  wenn  die  cam- 
panischen Wandbilder  und  die  spätem  Vasen  eine  gemeinsame  Grundlage  haben, 
wie  wäre  es  erklärlich,  daß  in  den  Handwerkerprodukten  ein  Himeros  und  Pothos 
geschieden  wird,  ganz  wie  in  der  Tradition  des  4.  Jahrh.,  während  dies  in  der 
Wandmalerei  durchaus  nicht  mehr  geschieht,1  ebenso  wie  die  hellenistische  Poesie 
leere  Schallworte  daraus  machte? 

Unter  den  Nachahmern  der  Alexandriner  sei  nur  noch  eine  Stelle  Ovids  er-  83 
wähnt,  wo  (Met.  1,  452)  eine  rein  persönliche  Beleidigung  des  Eros  durch  Apoll 
Grund  ist,  daß  er  auf  ihn  einen  Liebespfeil,  auf  Daphne  einen  liebevertreibenden 
sendet:  wenn  der  Liebesgott  auch  Liebe  vertreiben  kann,  so  ist  doch  das  Be- 
griffliche fast  ganz  geschwunden.  Kurz  überall  das  Streben,  an  Stelle  psycho- 
logischer Begründung  äußerliche  menschliche  Handlung  zu  setzen. 

Durchaus  dieselben  Anschauungen  treffen  wir  nun  aber  in  der  campanischen 
Wandmalerei,   deren  Übereinstimmung  mit  alexandrinischer  Poesie  ja  Heibig 


1  Noch  weniger  auf  spätem  Monumenten;  doch  will  Förster  (Raub  u.  Rückk.  d. 
Pers.  S.  166,  vgl.  Ann.  d.  Inst.  1873,  90)  auf  einigen  Sarkophagen,  wo  Eros  über  dem  Wagen 
der  suchenden  Demeter  schwebt,  Himeros  oder  Pothos  erkennen,  ohne  alle  Analogie 
und  Berechtigung;  offenbar  ist  dort  der  Eros  gedankenlos  nur  wegen  der  genauen  Sym- 
metrie mit  Plutons  Gespann  hinzugesetzt,  wie  ja  Ähnliches  auf  Sarkophagen  nicht  selten  ist. 


Eros  in  der  Vasenmalerei. 


:lich    nachgewiesen   hat     Die  Fülle   der   troffenden,   aus  Eros   begrifflichem 

entspringenden  Symbole  der  Vasenmalerei  ist  vollkommen  erstorben;  was 

:  etwa    noch    Weher   rechnen  könnte,   wie  wenn  Eros  bei  Narkiss  die  Fackel 

cht  (Heibig  1351  ff.),  ist  kalt  verstandesmäßig.    Sonst  überall  ist  Eros  eben  eine 

rein  menschliche  Persönlichkeit  und  muß  sich  als  solche  ganz  in  den  Realismus 

der  Handlung  fügen  ohne  Rücksicht  auf  sein  begriffliches  Wesen. 

Wenige  Beispiele  aus  mythologischen  Szenen  mögen  genügen:  er  füttert 
den  Stier  der  Europe  (122),  trägt  den  Wollkorb  der  Leda  fort  (149),  er  weint 
mit  Ariadne  (1223  ff.),  viele  Eroten,  rein  menschlich  persönliche  Diener  der 
Aphrodite,  sind  gerührt  oder  helfen  eifrigst  dem  wunden  Adonis  (332—340, 
ganz  wie  bei  Bion  id.  1,80  ff.),  er  deckt  die  Gewänder  der  Ariadne  (1235  ff.) 
und  Chloris  (974)  auf,  ebenso  die  des  Priap  (1140),  er  zieht  die  Kleider  ab  von 
hne  (209,  vgl  Arch. Zeit  1869Taf.21),  sie  tragen  Keule  und  Köcher  des  Herakles 
(1137  ff.)  und  suchen  Helm  und  Schwert  des  Ares  anzulegen  (319  ff.);  ein 
mutwilliger  Eros  wird  gefesselt  der  Mutter  zugeführt  zur  Bestrafung  und  von 
einem  Bruder  noch  verspottet  (826);  ganz  im  Charakter  einer  kindlichen  Übung 
mißt  er  sich  im  Ringen  mit  einem  Panisk  (404  ff.);  Eroten  werden  wie  Vögel 
verkauft  (824);  Liebende  pflegen  sich  Vogelnester  zu  schenken,  ein  witziger, 
84  aber  kaltalexandrinischer  Gedanke,  nun  Eroten  ins  Nest  zu  setzen  (821  ff.,  wo 
natürlich  alle  Pointe  verloren  geht,  wenn  man  mit  Dilthey,  Bull.  d.  Inst.  1869,  152 
Aphrodite  und  Adonis  sieht).  Denselben  Charakter  tragen  ferner  Bilder  bei  den 
Philostraten,  die  demnach  der  hellenistischen  Entwicklung  angehören:  ganz  mit 
Apollon.  Rh.  stimmt  Phil.  jun.  8;  II,  30  zündet  Eros  den  Scheiterhaufen  der  Euadne 
an,  I,  29  entfesselt  er  ermattet  und  keuchend  Andromeda;  noch  deutlicher  stellt 
sich  das  rein  menschliche  Dasein  neben  das  Begriffliche,  wenn  er  (jun.  9)  trauernd 
die  Achse  am  Wagen  des  Oinomaos  einschneidet;  viele  Eroten  endlich  helfen 
dem  Dädalus  zimmern  und  sägen  für  die  liebende  Pasiphae  (I,  16). 

Dies  alles  sind  Motive,  die  in  der  Vasenmalerei  geradezu  unmöglich  wären, 
weil  hier  überall  an  Stelle  psychologisch  begrifflichen  Stimmungsausdrucks  durch 
Symbole  realistische  menschliche  Handlung  getreten  ist. 

Den   schroffsten   Gegensatz   bieten   aber  jene  zahlreichen   Bilder  aus   dem 

Leben  und  Treiben  der  Eroten  unter  sich:  selten  liegen  gewisse  mythologische 

Eflge  noch  zu  Grunde,  was  als  Anfang  dieser  Reihe  zu  betrachten  ist,  wie  wenn 

(lasen   jagen    |  09,  810)   oder   mit   Schwänen    (785,  Philostr.  1,9),   mit 

:>hinen  /it.  1873Taf.  3)  und  Panthern  (595)  fahren,  oder  wenn  sie 

Äpfel    sammeln,    wie  bei  Philostr.  I,  6,    wo  aber  noch    andre  Züge    beigemischt 

und,  wie  immer,  das  Ganze  in  rein  menschliche  Handlung  verarbeitet  ist  (vgl.  Brunn, 

i.    Sonst  sind  die  Eroten  überall  geradezu  ein  künstlerisches  Freigut 

geworden,  mit  dem  sich  alles  machen  ließ  und  vergeblich  sucht  man  nach  einem 

der   Tradition    oder   dem    Begriffe   des    Eros:    nicht    nur    Kinderspiele 

sondern  alle  möglichen  Handlungen  der  wirklichen  Welt,  wie  Schau- 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  55 


Spieler-  (768),  Gladiatoren-  (797  ff.),  Jagdszenen  aller  Art  (807  ff.),  ja  selbst  das 
gewöhnlichste  Handwerk  (804  ff.),  wird  von  Eroten  ausgeführt;  besonders  häufig 
feiern  sie  auch  Opfer  und  Kultusfeste  (769 — 778)  allen  möglichen  Gottheiten;  auf 
dionysische  Feste  jedoch  lassen  sich  die  Zechenden,  Kelternden  etc.  (757  ff.; 
Arch.  Zeit.  1873  Taf.  3)  beziehen,  wo  im  backchischen  Wesen  des  Eros  ein  gewisser  85 
Anhalt  lag,  der  aber  rein  menschlich  ausgearbeitet  wird,  indem  man  realistisch 
die  Handlungen  der  Feste  auf  Eroten  übertrug.  Dazu  gesellen  sich  meist  noch 
Psychen,  natürlich  ebenfalls  alles  begrifflichen  Elements  entkleidet.  Ebenso  ist 
Eros  in  den  fast  zahllosen  Bildern,  die  ihn  allein  oder  kleine  Gruppen  mehrerer 
darstellen,  eine  reine  Dekorationsfigur  geworden,  eine  Folie  der  willkürlichsten 
Künstlerphantasien  (z.  B.  625  ff.  als  Athlet,  621  ff.  als  Krieger,  710  als  Fischer  etc.). 

Kurz,  überall  eine  Entwicklung,  die  zur  notwendigen  Voraussetzung  hat,  daß 
man  Eros  durch  und  durch  menschlich  persönlich  faßte:  und  dies  tat  erst  die 
alexandrinische  Zeit.  Auch  hierin  ist  Eros  der  jüngste  der  Götter,  denn  während 
die  übrigen  Olympier  im  wesentlichen  schon  durch  die  Homerische  Poesie  von 
ihrem  Natursubstrat  losgelöst  und  zu  Menschen  wurden,  erscheint  Eros  bis  zum 
Hellenismus  streng  an  den  Begriff  gekettet,  den  er  repräsentiert.  An  der  Spitze 
der  neuen  Entwicklung  steht  Aetion,  dessen  Erotenwelt  im  Bilde  der  Rhoxane 
auf  die  Folgezeit  den  größten  Einfluß  hatte,  wie  uns  die  Wandbilder  lehren 
(vgl.  Heibig,  Unters.  S.  242).  Unberührt  hievon  gehören  die  Vasenbilder  einer 
früheren  geistigen  Entwicklung  an  (wenn  auch  ihre  Ausführung  bekanntlich 
später  ist),  wo  Eros  noch  an  den  Begriff  gebunden  war.  Und  darin  besteht 
eben  ihr  unersetzlicher  Wert,  daß  sie  uns  die  noch  so  frische  und  reiche  Kunst 
des  4.  Jahrh.  repräsentieren,  von  der  uns  sonst  ja  so  wenig  erhalten  ist,  und 
ihrer  unerschöpflichen  Fülle  gegenüber  müssen  die  hellenistischen  Produkte  kalt 
erscheinen,  denn  trotz  aller  witzigen  Einfälle  lassen  sie  kalt,  der  tiefere  Sinn  für 
Bedeutung  und  Inhalt,  der  warme  poetische  Hauch  ist  hier  schon  verschwunden. 

Unserm  Resultate  steht  aber  auch  von  chronologischer  Seite  nicht  nur  kein 
Hindernis  im  Wege,  sondern  es  bestätigt  sich  nur  noch  mehr:  die  schönsten 
und  feinsten  der  besprochenen  Bilder  nämlich  gehören  unstreitig  dem  4.  Jahrh. 
an,  die  nächstdem  besseren  der  ersten  Hälfte  des  3.  Jahrh.  Daß  aber  in  dieser  Zeit  86 
die  Anschauungen  von  Eros  noch  nicht  wesentlich  verschieden  waren  von  denen 
des  Euripides  lehren  die  Fragmente  der  Komiker.  Nun  blüht  die  alexandrinische 
Poesie  bekanntlich  aber  erst  in  der  letzten  Hälfte  des  3.  Jahrh.,1  wenn  sie  also 
auf  das  Vasenhandwerk  gewirkt  hätte,  so  könnte  dies  erst  in  den  späteren  unter- 
italischen  Produkten  des  Verfalls  ersichtlich  sein;  hier  dürften  wir  demnach  jenen 
neuen  Geist  erwarten,  der  in  der  alexandrinischen  Poesie  herrscht;  statt  dessen 
finden  wir  aber  ganz   denselben  Eros    wie  auf   den   frühern  Produkten,   indem 


1  Noch  bei  dem   etwas  altern  Theokrit  ist  Eros   nicht   in  jener  charakteristischen 
Weise  ausgebildet  wie  später. 


gg  Eros  in  der  Vasenmalerei. 


i  Alte  nur  vielfach  abgeflacht,  nirgends  aber  ein  neuer  Geist  erscheint.    Über- 
sehend tritt  uns  dieser  dagegen  in  jenen  späteren  polychromen  und  Reliefvasen 
entgegen,   die  mit   der  Vasenmalerei  ja    nichts  mehr  zu  tun   haben   und  dem 
alezandrinischen  Einflüsse  erlegen  sind. 

Wie  aber  in  der  Poesie,  so  bleiben  auch  in  der  Kunst  der  ganzen  Folgezeit 

vom  Hellenismus  entwickelten  Anschauungen  die  absolut  herrschenden,  so 
auf  den  zahlreichen  Kompositionen  der  Sarkophage  (vgl.  z.  B.  die  Endymion- 
darstellungen).  Dieser  Masse  gegenüber  sind  uns  nur  sehr  wenige  Reliefs  er- 
halten, die  voralexandrinischen  Geist  bekunden,  doch  genügen  sie  immerhin, 
um  zu  zeigen,  daß  die  Auffassung  der  Vasenbilder  nicht  etwa  auf  diese  allein 
beschränkt  ist.  Ich  rechne  hieher  folgende  (ohne  Anspruch  auf  Vollständigkeit 
zu  machen):  Ganz  an  einige  Vasenbilder  schließt  sich  jenes  schöne  Parisrelief 
an  (Overb.  Gall.  Taf.  13,  2),  das  seine  beste  Beleuchtung  aus  einer  römischen  Nach- 
ahmung (D.  a.  K.  II,  295)  erhält:  hier  zieht  Eros  ganz  als  Mensch  gefaßt  den 
Paris  herbei;  dort  ist  es  das  begriffliche  Wesen  in  Eros,  ist  es  der  Gott,  der 
Paris  zuspricht,  hier  realistisch  sinnliche  Handlung,  dort  inneres  geistiges  Leben. 
87  Ebenfalls  in  der  symbolisch  andeutenden  Weise  der  Vasenbilder  sind  zwei  Eroten 
auf  der  herrlichen  Spiegelkapsel  Millingen,  Mon.  Un.  II,  Taf.  12  [Cat.  of  Greek 
Bronzes  287]  verwendet,  und  auf  einem  flüchtigen  Terracottarelief  (bei  Roulez, 
Melanges  III,  letzte  Taf.)  treibt  er  ein  liebendes  Paar  mit  der  Rechten  ermunternd 
an,  also  durchaus  den  Vasendarstellungen  entsprechend.  Ganz  mit  den  auf 
den  Vasen  gewöhnlichen  Attributen,  dem  Kästchen  und  der  Binde,  steht  er 
zwischen  Diotima  und  Sokrates,  ohne  Handlung  als  Gegenstand  ihrer  Unter- 
haltung, auf  mehreren  Repliken  (Ann.  d.  Inst.  1841,  H;  Mon.  d.  Inst.  IX,  26,  2a 
und  b)  eines  Originals,  das  gewiß  im  4.  Jahrh.  erfunden  ward,  wo  die  Wirkung 
des  Platonischen  Symposions  noch  am  frischesten  war.  Derselben  Zeit  gehört 
eine  schöne  Elfenbeinzeichnung  an  (CR.  1868  Taf.  1,  13),  wo  Eros  an  das  Knie 
seiner  Mutter  sich  lehnt,  ohne  Attribute,  im  Glänze  der  Erscheinung.  Ferner  eine 
herrliche  Spiegelkapsel  (Mon.  d.  Inst.  VI,  47,  6),  wo,  ganz  in  Euripideischem  Geiste, 

s  als  Jüngling  auf  Gebot  der  Mutter  den  Bogen  abschießt.  Ein  in  mehreren 
Repliken  erhaltenes  Terracottarelief '  schließt  sich  ebenfalls  insofern  den  Vasen- 
bildern an,  als  Eros  als  das  belebende  zur  wilden  Lust  aufregende  Element 
im  Thiasos  später  nicht  mehr  erscheint,  wogegen  der  hier  den  ermatteten  Silen 
fortreißende  Eros  sein  sprechendes  Analogon  findet  an  der  Vase  CR.  1869  Taf.  4, 

Dahin  gehört  auch  eine  Spiegelkapsel  im  Brit.  Mus.  (Guide  to  the  bronze 
room  S.  42,  27  [Cat.  of   Greek  Bronzes  732]),   wo   Dionysos   tanzend   sich  auf 

I  lehnt,  während  daneben  eine  Muse  (?Mänade?)  die  Leier  spielt.  Daß 
auch  jene  schöne  Kapsel,  wo  Eros  eine  Frau  umarmt  (CR.  1865  Taf.  5,  1)   sym- 


irilicvi  II,  79;  Campana,  Op.  in  PI.  53;  Combe,  Terrae.  Taf.  5  (Catal.  of 
Te"-  ÖOJ;  Aj.nncoi.rt,  Recueil  Taf.  7,  3  und  Taf.  10,  4. 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  57 


bolisch  im  Sinne  der  Vasen  zu  fassen  sei,  ward  schon  bemerkt.  Wahrscheinlich 
ist  auch  die  nicht  minder  schöne  Kapsel  CR.  1869  Taf.  1,  29  symbolisch  zu 
fassen:  eine  Leidenschaft  hebt  die  andre  auf  im  Liebeleben  der  Schönen.  Vor- 
trefflich soll  ein  griechisches  getriebnes  Relief  im  Brit.  Mus.  sein  (Guide  to  the 
bronze  room  S.  38,  11  [Cat.  of  Greek  Bronzes  308]):  Eros  allein  einen  Wasser- 
vogel liebkosend,  ein  uns  aus  den  Vasen  bekanntes  Motiv.  Endlich  gehören  der  88 
altern  Auffassung  zwei  Terracottarelieffragmente  an,  wo  Eros  als  Jüngling  die 
Leier  spielt  (Laborde,  Maler,  u.  hist.  Reise  in  Spanien  Taf.  59,  3  und  im  Münchner 
Antiquarium  Nr.  483,  etwas  archaisierend). 

So  scheiden  sich  denn  in  der  Entwicklung  des  Eros  deutlich  zwei  Haupt- 
perioden: die  vor-  und  nachalexandrinische,  von  denen  erstere  vornehmlich  durch 
die  Vasenbilder  vertreten  ist.  Dieses  Resultat,  das  wir,  von  Eros  ausgehend,  zu- 
nächst nur  für  diesen  gewannen,  darf  nun  aber  auch  eine  allgemeinere  Bedeutung 
beanspruchen;  denn  sind  die  Vasenbilder  vom  Hellenismus  unberührtt,  so  sind 
auch  für  die  Interpretation  derselben  alle  eigentlich  hellenistischen  Anschauungen 
auszuschließen;  erst  dann  wird  sich  auch  jene  oft  so  frappante  Eigenart  und 
Selbständigkeit  der  Vasen  gegenüber  der  spätem  und  gewöhnlichem  Tradition 
erklären. 

Es  füllen  demnach  unsre  Vasen  des  malerischen  Stils  eine  große  Lücke 
in  unsrer  Kenntnis  der  Kunst  des  4.  Jahrh.  würdig  aus,  einer  Zeit,  die,  wenn 
auch  vom  höchsten  Höhenpunkte  schon  entfernt,  uns  doch  die  hellenische  Kunst 
noch  einmal  in  ihrer  ganzen  Frische  und  idealen,  poetischen  Schöpferkraft  zeigt, 
bevor  sie  in  hellenistischer  Epoche  jene  folgenreiche  Wendung  zum  verstandes- 
mäßigen Realismus  macht.  Verhehle  ich  mir  auch  keineswegs,  wie  sehr  mein 
Resultat  noch  der  Bestätigung  von  andren  Seiten  bedarf,  so  ist  es  immerhin 
als  ein  nicht  geringer  Gewinn  zu  betrachten,  wenn  wir,  von  Eros  ausgehend, 
bereits  den  historischen  Standpunkt  der  gesamten  Vasenmalerei  bestimmter  fixieren 
konnten. 


Eros  in  dek  Vasenmalerei. 


89  NACHTRÄGE. 

S.  1 1 .  Das  Säulenrelief  von  Ephesus  Arch.  Zeit.  1872,  Taf.  65,  aus  Skopasischer 
Zeit,  zeigt  einen  Flügeljüngling  mit  Schwert,  den  Curtius  unbedenklich  Agon 
nennt;  dem  scheint  mir  jedoch  der  zarte,  schlanke  Bau  des  Jünglings  und  vor 
allem  der  Charakter  des  Kopfes,  wie  ihn  die  Abbildung  gibt,  zu  widersprechen: 
ein  Kopf  voll  feinen  psychologischen  Ausdrucks,  ganz  der  Liebe  schmachtende, 
in  sanfter  Schönheit  schwelgende  Gott  Eros  (man  vgl.  nur  den  Hermes  dess. 
Rel.).  Das  Schwert  weiß  ich  mir  allerdings  nicht  genügend  zu  erklären,  wie  ja 
die  ganze  Komposition  noch  ungedeutet  ist,  doch  kann  es  nicht  gegen  Eros 
entscheiden;  warum  sollte  man  ihm  in  der  Zeit  der  noch  schwankenden  Attribute, 
als  man  ihm  eben  den  Bogen  verliehen  hatte  (den  er  hier  vielleicht  in  der  Linken 
aufstützte),  nicht  auch  einmal  ein  Schwert  zur  Betonung  seiner  Macht  beilegen? 
Andrerseits  wären  die  gewaltgen  Flügel  bei  Agon,  dessen  Kunstdarstellung  uns 
meines  Wissens  nur  aus  den  zwei  Stellen  bei  Pausanias  bezeugt  ist,  erst  noch 
zu  erklären.  Eine  Bestätigung  meiner  Deutung  als  Eros  finde  ich  in  der  Frau 
neben  ihm,  deren  Gewandung  und  Gestus  vollkommen  mit  einem  bekannten, 
durch  klassische  attische  Werke  repräsentierten  Aphroditetypus  übereinstimmen 
(z.  B.  Overb.  Gall.  Taf.  26,  12  und  die  entsprechende  Parthenonsmetope  Michaelis 
Taf.  4.  25),  so  daß  beide  Deutungen  auf  Aphrodite  und  Eros  sich  gegenseitig 
stützen. 

S.  21.   Der  eben  erschienene  Compte  rendu  für  1870  und  1871  bringt  Taf.  V,  1 
90  eine  neue  Europe-Vase,   wo   ein  Eros  dem  Stiere,   den  Hermes  geleitet,  voran- 
schwimmt (nicht  schwebt),  während  ein  zweiter  bei  dem  erstaunt  nachsehenden 
Poseidon  weilt,  um  ihn  zu  beschwichtigen. 

Eine  Taube  bietet  Eros  Mädchen  CR.  1870—71  Taf.  6,  2. 
I  Note  2.   Ebenso  CR.  1870— 71  Taf.  6,  2,  wo  das  Tympanon  deutlicher. 

Dieses  Herannahen  des  Eros,  entweder  mit  Perlenschnur  oder  Tym- 
panon oder  ohne  derartiges,  um  das  Herz  des  gegenübersitzenden  Mädchens 
zu  erobern,  zeigen  noch  drei  reizende  attische  Bilder  im  CR.  1870—71,  Taf.  VI, 

Dieselbe  Komposition:    eine  sitzende  Frau  und  ein  Eros  gegenüber, 

in    höher  stellt,   die  uns  hier  so  unendlich   oft  begegnet,    findet   sich 

ton  auf  einer  Vase  (von  etwas  breiter,  derber  Zeichnung),   die  auf 


Eros  in  der  Vasenmalerei.  59 


der  Halbinsel  Taman  gefunden  ward  (CR.  1870 — 71  Taf.  VI,  6).  Doch  charak- 
teristisch ist  hier  im  Gegensatze  zu  jenen  unteritalischen  Produkten  die  ungleich 
größere  Frische  und  Lebendigkeit  der  Auffassung  in  Gebärde  und  Stellung, 
ferner  das  Fehlen  jener  Masse  von  Attributen,  indem  Eros  nur  zwei  Kränze 
entgegenreicht;  Eros  selbst  ist,  wie  auf  attischen  Bildern  öfter,  nur  mit  einer 
Strahlenkrone  geschmückt  ohne  den  weiblichen  unteritalischen  Putz.  —  Die  von 
mir  ausgeschiedne  Klasse  der  Verfallbilder  bietet  also,  was  Komposition  an- 
langt, durchaus  nichts  Neues,  wohl  aber  fragt  es  sich,  ob  der  Sinn,  den  man 
ihnen  beilegte,  nicht  ein  andrer  geworden. 


DER  DORNAUSZIEHER 
UND  DER  KNABE  MIT  DER  GANS. 

ENTWURF  EINER  GESCHICHTE  DER  GENREBILDNEREI 

BEI  DEN  GRIECHEN. 
(1876). 

„Der  Sinn  und  das  Bestreben  der  Griechen 
ist,  den  Menschen  zu  vergöttern,  nicht  die  Gott- 
heit zu  vermenschen."  Göthe. 

nter  den  zahlreichen  Statuen,  die  uns  das  Altertum  hinterlassen  hat  und 
die  jetzt,  in  den  Museen  Europas  zerstreut,  den  Gegenstand  unsrer 
gerechten  Bewunderung  bilden,  sind  doch  nur  wenige,  die  sich  eines 
so  gesicherten  und  weithin  verbreiteten  Ruhmes  erfreuten,  wie  die  beiden  Werke, 
die  uns  im  folgenden  beschäftigen  sollen;  ich  meine,  der  Knabe  mit  der  Gans, 
der  uns  leider  nur  in  mehreren  Marmorkopien  erhalten  ist,  und  der  Dornaus- 
zieher,  dessen  bronzenes  Original  auf  dem  Capitol  in  Rom  bewahrt  wird.  Beide 
Statuen  sind  jedem  Laien  bekannt,  ja  der  die  Gans  würgende  Knabe  ist  so  ins 
Volk  gedrungen,  daß  man  ihn  z.  B.  zum  Schmucke  moderner  öffentlicher  Brunnen 
nicht  unpassend  verwendet  findet.  Es  ist  diese  Vorliebe  unsrer  Zeit  auch  leicht 
erklärlich:  ein  uns  menschlich  so  nahe  berührender  Zug  weht  aus  jenen  Werken 
uns  entgegen  und  die  einfache,  allgemeine  Wahrheit  in  der  Erfindung  zweier  an 
sich  unbedeutender  Szenen  aus  dem  Kinderleben,  jedem  sofort  verständlich,  jedem 
etwas  bietend  -  -  sie  fesselt  uns  hier  dauernder,  allgemeiner,  als  es  jene  immer 
nur  wenigen  vollständig  faßbaren  idealen  Göttergestalten  vermögen.  Während 
letztere  dem  Nichteingeweihten  immer  fremdartig  bleiben  mögen,  gelten  ihm 
re  längst  wie  liebe  Verwandte. 

m  dürfte  nun  erwarten,  daß  über  zwei  so  bedeutende  Werke  auch  die 
Kunstwissenschaft  zu  gesicherten  Resultaten  gelangt  sein  sollte  und  daß  man 
über  ihre  Stellung  in  der  Entwicklungsgeschichte  griechischer  Kunst  im  klaren 
Indes,  so  viel  einzelne,  sich  entgegengesetzte  Ansichten  geäußert  worden 
sind,  so  hat  man  doch  bisher  unterlassen,  die  Frage  im  größern  Zusammenhang 
zu  behandeln  und  konnte  deshalb  nicht  zu  befriedigenden  Schlüssen  gelangen. 
Auch  die  gesonderte  Betrachtung  beider  Werke,  von  der  wir  bei  der  folgenden 
Untersuchung   natürlich  ausgehen  müssen,   ist  nicht  überflüssig;   ist  doch  sogar 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  61 

die  Ansicht  ausgesprochen  worden,  es  könnten  beide  Werke  von  einer  und  der- 
selben Künstlerhand  herrühren. 

Der  Knabe  mit  der  Gans,  auf  den  wir  zuerst  unsre  Blicke  richten  wollen, 
ist  ein  kecker  Junge,  etwa  im  Alter  von  vier  bis  fünf  Jahren.  Sein  Lieblings- 
tier und  Spielgefährte  ist  die  Gans  des  Hauses.  Es  stand  nämlich  im  Altertum 
die  Gans  allgemein  in  hoher  Achtung,  sie  gehörte  nebst  Hund,  Schlange  und 
Widder  zu  den  unentbehrlichsten  Haustieren,  man  schätzte  sie  als  das  Symbol 
einer  vollendeten  Hausfrau,  ja  man  schwor  sogar  bei  ihr.  Die  Lieblingsgänse 
der  Penelope,  die  sie  im  Traume  getötet  sieht,  und  ihre  Freude,  als  sie  des 
Morgens  noch  leben,  sind  gewiß  jedem  aus  der  Odyssee  erinnerlich.  Natürlich 
spielten  indes  neben  den  Frauen  besonders  auch  die  Kinder  gern  mit  diesen 
Tieren.  Auf  Kunstwerken  aller  Art  sehen  wir  sie  daher  oft  so  dargestellt,  bald 
in  ruhig  freundlichem,  bald  in  neckisch  feindlichem  Verkehre  mit  der  Gans;1  denn 
oft  ist  das  Tier  auch  eigensinnig,  und  so  ist  unsres  Jungen  Gans  heute  beson- 
ders widerspenstig,  ja  sie  will  ihm  und  seinen  Neckereien  mit  Gewalt  entfliehen. 
Er  aber  packt  sie  fest  mit  den  Armen  um  den  Hals  und  stemmt  zugleich  die 
ganze  Last  seines  zurückgebeugten  Körpers  gegen  die  heftig  vorwärtsstrebende  7 
Kraft  des  Tieres.  So  entwickelt  sich  das  reizendste  Widerspiel  der  Kräfte,2  das 
zu  genießen  man  sich  so  stelle,  daß  der  Kopf  des  Knaben  im  Profil  erscheint. 
Schon  dieses  rein  formale  Interesse  an  dem  abgewogenen  Gleichgewicht  wider- 
strebender Kräfte  bedingt  einen  großen  Teil  des  Zaubers,  den  das  Werk  auf  uns 
ausübt.  Dazu  kömmt  aber  noch  das  Anziehende  des  Inhalts.  Es  ist  kein  bloßes 
Spiel,  dem  Knaben  ist  es  Ernst;  und  wie  an  seinem  Körper  jedes  Glied  und 
jeder  Muskel  mit  Anstrengung  nach  Einem  Ziele  arbeitet,  so  leuchtet  auch  aus 
seinem  Gesichte  die  entschiedenste  Energie  und  der  regste  Eifer,  das  Tier  zu 
bewältigen.  Der  Kampf  ist  ihm  nichts  Kleines,  er  erfüllt  sein  ganzes  Wesen  und 
richtig  ist  die  Vergleichung  Overbecks  (Geschichte  der  gr.  Plastik  II 2,  126),  die 
Sache  sei  ihm  ebenso  wichtig  wie  Herakles  die  Erwürgung  des  Nemeischen 
Löwen.  —  Hier  liegt  aber  der  Kernpunkt:  solches  Aufgebot  der  ganzen  Energie 
und  aller  Kräfte,  als  gälte  es  das  Höchste,  Größte  —  und  das  um  eine  Gans!  — 
Das  geistige  Interesse  unsrer  Statue  besteht  also  in  einem  Kontraste:  die  an 
sich  unbedeutende  Handlung  macht  sich  wichtig  als  bedeutende  Heldentat,  der 
große  Eifer  und  Ernst  des  Knaben  kontrastiert  mit  dem  geringen  Interesse  an 
sich,  und  in  neidischer  Sehnsucht  rufen  wir:  o  Glück  der  unschuldigen  Kinder! 
ihr  sorgt  nur  um  euer  Tier  und  kennt  nichts  Höheres,  euch  ist  mit  der  Gans  zu 
ringen  —  schon  Heldentat! 


1  Über  alles  hieher  Gehörige  findet  man  reichhaltige  Nachweise  bei  Stephani,  Compte 
rendu  de  la  commiss.  archeol.  pour  l'annee  1863,  S.  17  ff.;  53  ff. 

2  Vgl.  die  beste  Beschreibung  der  Komposition  von  Brunn,  Beschreibung  der  Glypto- 
thek Nr.  140.  [Furtwängler,  Glyptothek  268.] 


Der  Dornauszieheh  und  der  Knabe  mit  der  Gans. 


Wie  anders  tritt  uns  der  Do  maus  zieh  er  entgegen!  Hier  haben  wir  kein 
Kind,  sondern  einen  Knaben  im  Alter  von  etwa  zwölf  Jahren  vor  uns.  Er  hat 
sich  einen  Dorn  oder  Splitter  in  den  Fuß  getreten,  hat  sich  auf  einen  Stein  ge- 
t  und  legt  nun  ein  Bein  auf  das  andere,  um  sorgfältig  die  Ursache  des 
Schmelzes  zu  entfernen.  Mit  der  linken  Hand  hat  er  den  schmerzenden  linken 
Fuß  erfaßt,  um  die  Sohle  desselben  aufwärts  dem  Gesichte  entgegen  zu  drehen; 
die  rechte  Hand  ist  bereit,  den  Dorn  selbst  herauszuziehen,  sobald  die  Stelle 
sicher  erkannt  ist.  Den  ganzen  Oberkörper  und  mit  ihm  den  Kopf  neigt  er 
aufmerksam,  aber  ruhig  und  ohne  jede  heftige,  auf  Ostentation  berechnete  Ge- 
waltsamkeit. Der  Kopf  entbehrt  zwar  alles  weiteren  psychischen  Ausdrucks,  aber 
wir  verlangen  auch  nicht  danach;  denn  das  Ganze,  die  lebendige  Natürlichkeit 
jeder  Bewegung,  die  frische  Ungezwungenheit,  mit  der  alles  auf  den  Einen  Zweck 
steuert,  ist  uns  vollkommen  genug.  So  bemerken  wir  auch  nicht,  daß  die  Na- 
türlichkeit der  Stellung  mit  der  Verletzung  eines  sonst  immer  beobachteten  künst- 
lerischen Gesetzes  erkauft  ist.  Indem  nämlich  sowohl  das  ganze  stützende  rechte 
Bein  als  der  linke  Fuß,  das  Zentrum  des  Interesses  und  der  Handlung,  und 
endlich  der  Kopf,  der  geistige  Mittelpunkt,  von  dessen  scharfem  Blicke  die 
Lösung  der  Verwicklung,  die  Entdeckung  und  Entfernung  des  Domes  abhängt, 
indem  alle  diese  drei  Punkte,  geistiger  wie  körperlicher  Schwerpunkt,  in  einer 
Linie  liegen  und  zwar  allein  auf  der  rechten  Seite,  während  die  linke  uns  gar 
kein  Interesse  bietet,  ja  durch  die  scharfe  Ecke,  die  das  heraufgenommene  Bein 
bildet,  mit  der  darunter  befindlichen  Leere  unser  Auge  verletzt,  so  entstehen 
dadurch  auffallende  Verstöße  gegen  Symmetrie  und  harmonische  Linienführung, 
wie  sie  in  den  uns  erhaltenen  Werken  alter  Kunst  außerordentlich  selten  vor- 
kommen. Ihre  Beobachtung  ist  deshalb  hier  von  ganz  besonderer  Wichtigkeit, 
was  sich  jedoch  erst  später  im  ganzen  Umfange  zeigen  wird.  So  unleugbar 
jedoch  diese  Härte  am  Dornauszieher  ist  —  denn  man  wende  nicht  ein,  er  sei 
bloß  für  die  Profilansicht  von  rechts  gearbeitet;  dies  kann  nicht  der  Fall  sein, 
indem  dadurch  das  den  Körper  bestimmende  Hauptmotiv  des  heraufgenommenen 
-eines  unklar  würde  --so  deutlich  also  jener  Mangel  zu  Tage  liegt,  so  wirkt  er 
dennoch  nicht  störend  auf  den  vollen  und  harmonischen  Eindruck  des  Ganzen; 
ja  wir  achten  ihn  nicht  und  übersehen  ihn,  denn  wir  sehen  nur,  was  der  Künstler 
gewollt  hat:  den  einen  Moment,  in  dem  die  ganze  Anlage  und  alles  Interesse 
der  Statue  gipfelt,  den  klar  und  präzis  gefaßten  Moment,  wie  der  Knabe  behut- 
sam den  Dorn  entfernt. 

Daß  zwischen  unsern  beiden  Werken  wesentliche  Unterschiede  existieren, 
wohl  schon  aus  dem  Vorstehenden  klar  geworden;  um  uns  derselben  jedoch 
im  einzelnen  bewußt  zu  werden,  beginnen  wir  mit  einigen  Bemerkungen  über 
den  formalen  Charakter  der  Werke. 

Im  Knaben  mit  der  Gans  haben  wir  das  Werk  eines  Meisters,  der  die  Mittel 
hnik   vollkommen   beherrscht    und    nach    keiner  Seite   hin   gebunden    er- 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  63 

scheint.  Die  naturalistische  Durchbildung  des  kindlichen  Körpers,  die  dennoch 
die  Klippe  der  Plumpheit  so  glücklich  überwunden  hat,  deutet  ebenfalls  auf  die 
Zeit  der  vollsten  Freiheit  hin;  denn  erst  da,  im  vierten  Jahrh.  v.  Chr.,  kommen 
überhaupt  Kinderbildungen  in  der  statuarischen  Kunst  vor,  während  die  ältere 
Zeit,  der  auch  fast  die  ganze  Vasenmalerei  gefolgt  ist  (s.  meine  Schrift  „Eros 
in  der  Vasenmalerei"  S.  70  [oben  S.  45]),  nur  das  Knabenalter  gebildet  zu 
haben  scheint.  Das  älteste  Beispiel  eines  Kindes  in  statuarischer  Kunst  ist 
wohl  der  Plutos  mit  der  Eirene  von  Kephisodot,  zu  Anfang  des  vierten  Jahrh., 
welche  Gruppe  wir  ja  in  der  sog.  Leukothea  in  München  [Furtwängler,  Glypto- 
thek 219]  besitzen.  Von  demselben  Meister  war  Dionysos  als  Kind,  von  Hermes 
gewartet;  es  folgen  dann  Xenophons  Plutos  und  des  Euphranor,  sowie  des  Skopas 
Leto  mit  Artemis  und  Apoll  als  Kindern,  endlich  ein  Dionysoskind  von  Praxiteles.1  10 
Erst  durch  diese  göttlichen  Kinder  geht  der  Weg  zu  unserm  menschlichen. 

Die  vollste  Freiheit  zeigt  ferner  die  Haarbehandlung  unsrer  Statue;  ja  der 
im  Eifer  in  die  Stirne  gefallene  Wisch  Haare,  der  ganz  gewiß  nicht,  wie  Over- 
beck  zu  glauben  scheint,2  ein  Zusatz  des  Marmorkopisten  ist,  sondern  vielmehr 
im  Bronzeoriginale  sehr  fein  ziseliert  gewesen  sein  wird,  dieser  zufällig  momen- 
tane, naturalistische  Zug  läßt  uns  jene  Lysippische  Reform  der  Haarbehandlung,  die 
nach  dem  Zufällig-Wirklichen  strebte,  als  bereits  vorangegangen  voraussetzen. 

Davon  finden  wir  nun  im  Dornauszieher  das  gerade  Gegenteil:  das  Haar  ist 
ein  Muster  strenger  Stilisierung;  in  regelmäßig  sich  aneinanderreihenden  Locken 
umgibt  es  eng  anliegend  den  wohlgebauten  Schädel,  von  einem  Zuge  beherrscht, 
ein  systematisch  geordnetes  Ganzes  bildend,  das  keine  Spur  jener  naturalistisch 
zufälligen  Motive  zulassen  kann;  kurz  es  ist  das  Haar  einer  kaum  aus  den  Fes- 
seln des  Archaismus  befreiten  Zeit  mit  streng  idealer  Naturauffassung.  —  Mit 
dieser  älteren  Zeit  stimmt  aber  auch,  wie  wir  sahen,  das  gewählte  Alter  sowohl, 
als  jene  Härte  der  Komposition  trefflich  überein. 

Nicht  geringer  als  diese  formalen  Unterschiede  unsrer  beiden  Statuen  sind 
aber  diejenigen  in  der  geistigen  Auffassung.  Während  wir  nämlich  beim 
Knaben  mit  der  Gans  das  Interesse  in  einem  Kontraste  bestehend  fanden,  so 
kann  beim  Dornauszieher  von  etwas  Derartigem  nicht  die  Rede  sein;  hier  fesselt 
uns  vielmehr  nichts  als  die  unbefangne,  vollkommne  Darstellung  eines  gewöhn- 
lichen Vorgangs  in  all  seiner  Einfacheit,  der  Natur  abgelauscht  und  frei  von 
jeglicher  Nebenbeziehung.  Ist  doch  die  Handlung  so  einfach  und  gewöhnlich; 
einem  jeden  von  uns  kann  täglich  dasselbe  begegnen,  wenn  er  barfuß  geht,  wie  11 
es  ja  die  Alten  oft,  und  zwar  auch  außer  dem  Hause,  taten. 


1  Alle  „pueri"  und  ^ncüSes"  sind  hier  natürlich  ausgeschlossen  und  nur  die  „infantes 
und  jraiöta  oder  vjjmm*  berücksichtigt  worden. 

2  Geschichte  der  griechischen  Plastik  II2,  157  Anm.  168;  der  Satz  „denn  die 
Gänsejungen  sind  Marmorkopien "  will  doch  offenbar  dem  Originale  jene  freie  Haar- 
behandlung absprechen. 


I   DORNAUSZIEHBH   UND   DER   KNABE  MIT  DER  GANS. 


Qam  anders  ist  es  mit  unserm  Heldenknaben,  der  mit  der  Gans  ringt;  denn 
S   kann   nur  ein  Kind  tun   und  nur  ihm  kann  dies  ein  so  wichtiges  Ereignis 
werden. 

So  ist  denn  das  gewählte  Alter  für  den  ganzen  Charakter  der  beiden  Werke 

I  größter  Wichtigkeit;  denn  hier  bei  dem  Kinde  faßt  uns  eine  Sehnsucht  nach 

dem  glücklich  unschuldigen  Kindesalter,  dort  bei  dem  erwachsenen  Knaben  mischt 

sich  nichts  derart  in  den  reinen  Genuß  der  Darstellung  einer  Alltagshandlung, 

der  Darstellung  frei  von  allen  Nebenbezügen. 

Nachdem  wir  uns  so,  ausschließlich  durch  Betrachtung  der  Kunstwerke  selbst, 
die  wesentlichen  Unterschiede  der  beiden  Statuen  klar  gemacht  haben,  kann  für 
uns  kein  Zweifel  mehr  obwalten,  daß  beide  nicht  nur  nicht  etwa  von  derselben 
Künstlerhand  sein  können,  sondern  ganz  verschiedenen  Zeiten,  ganz  ver- 
schiedenen Kultur-  und  Kunstzuständen  angehören  müssen.  Es  gilt  demnach 
jetzt  durch  Herbeiziehung  äußerer  Daten  die  historische  Stellung  unsrer  beiden 
Werke  genauer  zu  bestimmen. 

Glücklicherweise  haben  wir  hiefür  wenigstens  Einen  festen  Halt,  indem  der 
Knabe  mit  der  Gans  allgemein  und  mit  Recht  identifiziert  wird  mit  einem  von 
Plinius  als  infans  anserem  strangulans  bezeichneten  Werke  des  Boethos.  Zwar 
ist  die  Zeit  dieses  Künstlers  nicht  sicher  und  genau  zu  bestimmen,  doch  dürfen  wir 
ihn  mit  aller  Wahrscheinlichkeit  in  den  Anfang  der  Diadochenperiode  setzen.1 

Leider  fehlt  uns  jede  äußere  Angabe,  um  auch  den  Dornauszieher  einer  be- 
stimmten Zeit  und  Schule  zuzuweisen.  Es  bleibt  daher  nur  ein  Weg,  um  die 
12  oben  entwickelten  Unterschiede  unsrer  beiden  Werke  historisch  zu  begreifen 
und  zu  würdigen,  nur  der  Weg,  daß  wir  uns  von  der  ganzen  Geschichte 
desjenigen  Kunstzweiges,  dem  unsere  Statuen  angehören,  nämlich  der  Genre- 
bildnerei  bei  den  Alten,  einen  Überblick  zu  verschaffen  suchen. 


Leider  ist  diese  Aufgabe  deshalb  keineswegs  leicht,  weil  so  gut  wie  gar 
.  orarbeiten  dazu  existieren.  Obwohl  nämlich  das  antike  Genre  früher  eine 
viel  erörterte  Streitfrage  war,  so  dachte  doch  niemand  daran,  die  Sache  historisch 
zu  fassen,  indem  man  meist  der  alten  Kunst  das  Genre  überhaupt  absprechen 
zu  müssen  glaubte;  und  auch  Stephani,  der  mit  Recht  bemerkt,  daß  man  dabei 
fälschlich  naturalistische  Behandlung  als  dem  Genre  wesentlich  betrachtet  habe, 
behauptet  nur  im  allgemeinen  von  der  alten  Kunst,  daß  sie  sich  ebenso  fleißig, 

die  moderne,  mit  dem  Genre  beschäftigt  habe,  nur  in  idealistischer  Weise. - 

.vii    Overbeck,   Scliriftqncllcn    (SQ)  Nr.  1596   angibt,    sondern 
natürlich  wollte  Otfr.  Müller  bei  Tansanias  lesen,  was  trotz  Scluibarts  Bedenken 
**hr  »  [Mon.  Piot  XVII,  S.  45.) 

'CR.  ;  - 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  65 

Dagegen  hatte  Otto  Jahn  schon  früher  (Berichte  der  sächsischen  Gesellsch.  d. 
Wiss.  1848,  41  ff.)  es  versucht,  die  Frage  historisch  zu  nehmen,  indem  er  nament- 
lich auf  die  Bedeutung  des  großen  Wendepunktes  in  der  alexandrinischen  Zeit 
hinwies;  doch  waren  seine  Anschauungen,  wenn  auch  in  einigen  Hauptpunkten 
richtig,  doch  mehr  geahnt,  als  auf  Tatsachen  begründet,  wie  er  denn  fälschlich 
der  voralexandrinischen  Zeit  das  Genre  ganz  absprach.  —  Es  ist  daher  vor  allem 
unsere  Aufgabe,  die  wichtigsten  uns  durch  die  Literatur,  wie  die  Monumente 
überlieferten  Tatsachen  zusammenzustellen,  um  so  zur  historischen  Würdigung 
unsrer  beiden  Statuen  befähigt  zu  werden. 

Unter  Genre  in  dem  weitern,  hier  anzuwendenden  Sinne  verstehen  wir  alle 
diejenigen  Stoffe,  die,  im  Gegensatze  zu  den  mythischen  und  historischen,  eine 
beliebige,  tägliche,  gewöhnliche,  namenlose  Einzelhandlung  zum  Repräsentanten  13 
ihrer  ganzen  Gattung  erheben.  Es  sind  daher  alle  Darstellungen  herbeizuziehen, 
die  nicht  durch  Namen  bestimmte  Individuen  vorführen.  Aber  auch  unter  diesen 
Repräsentanten  einer  Gattung  muß  man  scheiden  zwischen  den  lediglich  ihrer 
selbst  wegen  gearbeiteten  Werken,  die  dem  strengern  Begriff  des  Genres  ent- 
sprechen, und  den  durch  äußere  Bezüge  enger  bestimmten  Darstellungen.  Freilich 
ist  diese  Scheidung,  namentlich  in  der  alten  Kunst,  oft  schwankend  und  ungewiß. 
Zur  Verdeutlichung  des  Unterschiedes  selbst  diene  folgendes  Beispiel.  Gesetzt 
man  wolle  heutzutage  das  Andenken  eines  besonders  glänzenden  Wettrennens 
verewigen,  indem  man  die  Gruppe  eines  rennenden  Pferdes  und  eines  darauf- 
sitzenden Jockeys  als  Denkmal  setzte,  so  würden  wir  dies  Werk,  das  schon  durch 
seine  Inschrift  die  bestimmte  Beziehung  auf  das  stattgehabte  Rennen  kundgäbe, 
gewiß  nicht  dem  eigentlichen  strengen  Genre  zurechnen,  so  wenig  als  z.  B.  den 
Luzerner  Löwen.  Anders  aber,  wenn  etwa  ein  Künstler  aus  eigenem  Antriebe 
sich  die  Aufgabe  stellte,  die  heftigste  Bewegung  eines  Rennpferdes  und  das  ge- 
schickte, aber  von  Hoffnung  und  Furcht  aufgeregte  Wesen  eines  Jockeys  in  einer 
Gruppe  darzustellen  —  letzteres  würde  sicher  ein  Genrestück  sein,  so  wenig  es 
von  ersterem  sonst  differieren  möchte. 

Doch  gehen  wir  nun  zunächst  zurück  in  jene  ersten  Zeiten  griechischer 
Kunstübung,  so  finden  wir  gerade  in  dieser  ältesten,  noch  wesentlich  von  Asien 
her  beeinflußten  dekorativen  Kunst  nicht  nur  ein  Überwiegen,  sondern  eine 
fast  ausschließliche  Herrschaft  des  Genres. 

Nachdem  der  erste  künstlerische  Trieb  im  reinen  Ornamente  seinen  Ausdruck 
gefunden,  wagte  man  sich  in  der  Darstellung  lebender  Wesen  zuerst  an  die  den  14 
Menschen  täglich  umgebenden,  bekannten  Haustiere,  die  sein  liebes  Besitztum 
waren.  Die  weitere  Stufe  der  ersten  Menschendarstellung  vergegenwärtigen  uns 
einige  uralte  athenische  Vasen  in  der  ursprünglichsten,  kindlichsten  Zeichnung 
(abg.  in  den  Monum.  dell'  Instituto  IX  Taf.  39  ff.).  Gegenstand  ist,  der  Bestim- 
mung der  Vasen   für  Gräber  entsprechend,   die  Klage  um   den  Toten   und   das 

A.  Furtwängler.    Kleine  Schriften  I.  5 


DORHAUSZKHER   UND   DER  KNABE  MIT  DER  GANS. 


ade  Fest,  Tanz  und  Wettfahren.  Der  Stoff  ist  also  aus  der  Wirklich- 
keit genommen;  aber  die  gewählten  Momente  sind  die  allgemein  bedeutenden, 
bei  jeder  Totenfeier  wiederkehrenden,  nicht  zufällig  einzelne.  Schon  hier  also 
tritt  der  ideale  Grundzug  der  hellenischen  Kunst  hervor:  aus  dem  Wesen  der 
Totenfeier  sucht  man  ein  allgemein  gültiges  Schema  derselben  zu  gestalten. 

Per  steigende  Hinfluß  Asiens  macht  dann  die  wilden  Raubtiere  und  ihre 
Kämpfe  zu  dem  beliebtesten  Gegenstande  der  Dekoration  für  Vasen  und  nament- 
lich für  die  Waffen,  wie  wir  aus  Homer  sehen,  der  uns  ein  treues  Bild  jener 
Kunstzeit  liefert.  Daneben  kommen  aber  auch  Menschen,  und  zwar  Männer- 
kämpfe vor,  wie  dies  z.  B.  auf  dem  Wehrgehenk  des  Herakles  der  Fall  war 
(Üdyss.  11,  609  ff.).  Weitaus  am  interessantesten  ist  aber  die  berühmte  Be- 
schreibung des  Schildes  des  Achilleus.  Auch  hier  findet  sich  noch  gar 
nichts  Mythisches,  es  sind  lauter  Bilder  aus  dem  täglichen  Leben:  so  zunächst 
im  zweiten  Kreise  —  der  erste  stellte  Himmel  und  Erde  dar  —  der  Gegensatz 
einer  friedlichen  Stadt  in  Hochzeit,  Spiel  und  Rechtsstreit,  und  einer  kriegerischen 
in  Belagerung,  Hinterhalt  und  Überfall.  Im  dritten  einerseits  Pflüger,  Schnitter 
und  Erntefest,  andrerseits  Weinlese  und  eine  friedliche,  wie  eine  von  Löwen  an- 
gefallene Herde.  Tanz  und  Spiel  im  vierten  Kreise  schließt  die  unruhigen  Gegen- 
15  sätze  harmonisch  ab.  So  springt  uns  aus  der  Zusammenordnung  dieser  Dar- 
stellungen ein  allgemein  poetischer  Gedanke  entgegen:  es  ist  das  Menschenleben 
dargestellt  in  Freud  und  Leid,  in  Ruhe  und  Arbeit,  in  Friede  und  Krieg.  Aber 
dieser  Gedanke  entspringt  nicht  aus  der  Art  der  Darstellung  selbst;  denn  diese 
zeigt  nur  in  aller  Unmittelbarkeit  und  naiven  Freude  an  sich  selbst  den  wesent- 
lichen Charakter  jeder  Handlung,  wie  denn  Homer  selbst  einen  leitenden  Gedanken 
nicht  bemerkt  hat  —  dieser  entsteht  erst  durch  die  Gegenüberstellung  des  Einzelnen 
und  die  Zusammenordnung  im  Räume.  Anders  werden  wir  es  in  der  späteren 
schon  sinkenden  Kunst  finden,  wo  der  Gedanke  die  Darstellungsweise  selbst 
gleichsam  infiltriert. 

Die  ausschließliche  Herrschaft  des  Genres  in  dieser  Zeit1  erklärt  sich  nur 
eben  durch  jenen  idealen  Zug,  durch  den  sich  Griechisches  von  Barbarischem 
gleich  von  Anfang  an  so  scharf  unterscheidet.  Boten  z.  B.  die  assyrischen 
Reliefs,  die  der  homerischen  Kunst  Vorbild  waren,  die  Szene  der  Belagerung 
einer  bestimmten  Stadt  chronikenartig  gefaßt,  so  konnte  der  Grieche,  der  dem 
•orischen,  sobald  er  es  nicht  unter  einem  idealen  Gesichtspunkte  fassen  konnte, 
immer  abgeneigt  war  und  blieb,  hierin  nicht  folgen,  er  machte  das  Genrebild 
ein-  gelten  Stadt  daraus,  womit  er  durch  Gegenüberstellung  einer  friedlichen 

einen    allgemeinen    poetischen  Gedanken    gewann.     Doch    diese  Art  des  Genres 
durfte    und    konnte   nur   eine  Vorstufe   sein    zu    Höherem,    die  Vorstufe   zum 

1  HJd  rcn  auch   jene   Schalen    aus   dem  (klassischen  Grab    (Mus.  Gregor  I, 

nit  auücrmythischcn  Krie^cr/.iigcn. 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  67 

Mythischen;  denn  dahin  zielte  ja  jenes  ideale  Streben  des  Griechen,  das  die 
chronikenartige  Darstellung  seiner  Vorbilder  abwarf,  um  das  Allgemeingültige, 
Wesentliche  zum  Ausdrucke  zu  bringen;  dies  bot  aber  der  Mythus  in  reichlichster 
Fülle,  der  den  allgemein  und  ewig  geltenden  Typus  für  alles  menschliche  Wesen 
und  Handeln  enthielt.  Man  könnte  daher  fragen,  warum  der  Grieche  sich  nicht  16 
gleich  von  Anfang  auf  den  Mythus  warf.  Allein  dieser  Sprung  von  der  realistischen 
Darstellung  einzelner  Fakta  in  den  orientalischen  Vorbildern  zum  idealen  Mythus 
wäre  zu  groß  gewesen  und  würde  aller  historischen  Entwicklung  widersprechen. 
Erst  mußten  statt  der  historischen  Schlachten  allgemein  Männerkämpfe,  und  statt 
eines  bestimmten  Siegesfestes  allgemein  Tanzende  und  Feiernde  gesetzt  werden, 
ehe  man  etwa  troische  Kämpfe  und  Apoll  mit  seinem  Musenchor  an  jener  Stelle 
treten  lassen  konnte.  —  Wie  uns  die  griechische  Kunst  überall  ein  ewiges  Muster 
streng  naturgemäßer  Entwicklung  ist,  und  wie  namentlich  in  der  archaischen 
Periode  kein  Schritt  vorwärts  getan  wird,  ohne  durch  das  Vorhergehende  gründ- 
lichst motiviert  und  vorbereitet  zu  sein,  so  haben  wir  auch  hier  gleich  am  Ein- 
gang griechischer  Kunst  ein  schlagendes  Beispiel  jener  Erfahrung:  sollte  sie  nicht 
durch  verfrühte  Darstellung  des  Mythischen  in  phantastische  Ungeheuerlichkeit 
verfallen,  wie  so  manche  Barbarenkunst,  sollten  jene  wegen  ihrer  so  menschlichen 
Fassung  ewig  bewunderten  Bilder  griechischen  Mythus'  entstehen,  so  mußte 
erst  diese  Vorstufe  des  Genres  vorausgehen;  hier  mußten  am  allgemein  Mensch- 
lichen die  Typen  ausgebildet  werden,  nach  denen  das  Mythische  sich  dann 
gestaltete. 

Doch  bricht  sich  letzteres  allmählich  Bahn;  anfangs  zwar  noch  schüchtern 
und  nur  in  beschränktem  Maße  auftretend,  wie  an  dem  von  Hesiod  beschriebenen 
Schilde  des  Herakles:  zu  den  vom  Schilde  des  Achilleus  bekannten  allgemeinen 
Darstellungen  treten  hier  zuerst  mythische  Kämpfe  und  zwar  die  der  Kentauren 
und  Lapithen;  dazu  im  gewohnten  Gegensatze  der  friedliche  Chor  des  Apoll 
mit  seinen  Musen;  auch  der  Wettlauf  wird  durch  eine  mythische  Szene  ersetzt, 
indem  man  Perseus  darstellt,  wie  er,  von  den  Gorgonen  verfolgt,  über  das 
Meer  hin  flieht. 

Den  steigenden  Einfluß  des  Mythischen  können  wir  noch  an  den  ältesten  17 
Vasen  beobachten;  sie  bieten  zugleich  den  besten  Beleg  dafür,  daß  der  allgemein 
menschliche  Typus  immer  die  Grundlage  war.  So  kämpfen  z.  B.  auf  einer  Vase 
aus  Kameiros  (Verh.  der  Philologenvers.  1864,  [Salzmann,  Necropole  de  Camiros 
Taf.  53])  zwei  Männer  über  einem  Toten  —  das  beliebteste  und  häufigste  Schema 
des  Kampfes;  doch  zur  Erhöhung  des  Reizes  dieser  ganz  allgemeinen  Darstellung 
sind  die  Namen  Menelaos,  Hektor  und  Euphorbos  beigeschrieben,  die  der 
Künstler  in  einer,  freilich  etwas  ungenauen,  Reminiszenz  an  Homer  hinzugefügt 
zu  haben  scheint.  Die  Namen  zeugen  hier  nur  von  dem  allmählich  erwachenden 
Bedürfnis  nach  mythologischer  Individualisierung;  denn  vorerst  verzichtet  man 
noch  auf  alle  Einzelcharakteristik,  man  gibt  das  allgemeine  Schema  und  fügt  frei 


(1>  Der  n  beheb  und  der  Knabe  mit  der  Gans. 


Ite  Inschriften  als  Zutat,  die  die  Darstellung  nicht  beeinflußt,  hinzu.    Solcher 
sind   auch   die   ältesten    korinthischen  Vasen;   da  finden  wir  z.  B.  (Archäol. 
Ze  ;  Taf.  1S4  [Louvre  E  609])  zwei  Reiterzüge  sich  gegeneinander  bewegen 

und  die  Inschriften  bezeichnen  einerseits  Achill,  Patroklos,  Nestor  u.  a.,  andrerseits 
Hektar  und  Memnon  keine  bestimmte  mythische  Handlung,  sondern  nur  nach 
einem  allgemeinen  Gedanken  die  Haupthelden  des  troischen  Krieges  einander 
„enübergestellt.  Ein  treffendes  Beispiel,  wie  weit  die  Herrschaft  des  allgemein 
Typischen  über  das  speziell  Mythische  geht,  bietet  eine  andre  Vase  mit 
troischen  Kämpfen  (Annali  dell'  Inst.  1862  Taf.  B,  [Mon.  Piot  XVI  Taf.  13  S.  107] 
wo  Phönix,  in  der  Poesie  ein  Greis,  hier  als  Knappe  des  Achill  auch  wirklich  als  Knabe 
gebildet  ist.  Hier  sieht  man  zugleich  deutlich,  wie  unabhängig  die  Kunst  gleich 
von  Anfang  der  Poesie  gegenübertritt:  sie  schafft  sich  erst  eigene  künstlerische 
Typen  und  diesen  muß  sich  die  Überlieferung  fügen.  —  Aber  wie  wenig 
ls  in  dieser  Zeit  das  Mythische  noch  zur  Herrschaft  gelangt  war,  zeigt  die  berühmte 
Dod well -Vase; l  denn  hier  sind  zwar  den  Teilnehmern  einer  Eberjagd  Namen  bei- 
geschrieben, aber  nicht  die  einer  bestimmten,  uns  bekannten  mythischen  Jagd. 
Daneben  ist  eine  interessante  Abschiedsszene:  dem  Jüngling  Dorimachos  (d.h.  Speer- 
kämpfer) legt  eine  Frau  Alka  (Kraft)  die  Hand  aufs  Haupt.  So  sehr  ist  in  dieser 
Periode  noch  der  allgemeine  Gedankeninhalt  vorwiegend  vor  mythischer 
Bestimmtheit. 

Dennoch  entwickelt  sich  die  Darstellung  der  Sage  rüstig  an  der  Hand  jener 
Typen;  wie  man  denn  z.  B.  die  kalydonische  Eberjagd  nicht  anders  darstellt, 
als  die  des  täglichen  Lebens.  Endlich  im  Laufe  des  6.  Jahrhunderts  eröffnete 
sich  der  volle  Strom  mythischer  Darstellung  mit  erstaunlichem  Reichtum  in  den 
beiden  berühmten,  leider  nur  durch  Beschreibung  bekannten  Werken,  dem  Kypselos- 
kasten  und  dem  Throne  des  amykläischen  Apollo;  die  erhaltene  sogenannte  Francois- 
Vase,  wenn  auch  etwas  jünger,  schließt  sich  ihnen  würdig  an.  Hier  haben  wir 
denn  nur  Mythen,  freilich  zunächst  noch  nicht  überall  in  voller,  individueller  Be- 
stimmtheit, vielmehr  sind  die  Beischriften  noch  wesentlich  und  notwendig.  Doch 
das  Streben  der  Folgezeit  ist  nun,  das  individuelle  Wesen  jeder  Sage  mit  mög- 
lichster Bestimmtheit  darzustellen,  so  daß  sie  aus  sich  selbst  klar  ist. 

or  wir  diese  erste  Periode  verlassen,   muß  darauf  hingewiesen  werden, 
daß  die  besprochenen  Werke  lediglich  der  dekorativen  Kunst  angehören,   daß 
somit   in  einen  völlig  neuen  Kreis  treten,  wenn  wir  im  Folgenden  zunächst 
das  aus  der  monumentalen  Kunst  Überlieferte  betrachten. 


lie   historische   Entwicklung   des  Genres  weiter  verfolgen    zu    können, 
ntlich   auf  die  Nachrichten  der  Schriftsteller  über  die  Künstler  und 

Ittsfflhrlichei  besprochen  von  Stephani,  CR.  1867  S.  69  ff.    [München  327. 
Jahn  211). 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  69 


ihre  Werke  angewiesen;   hieraus   erwächst  aber  eine  große  Schwierigkeit;   denn 
jene  Nachrichten  lassen  in  den  meisten  Fällen  gerade  darüber  Zweifel  übrig,  ob 
ein  Werk  als  Genrestück  zu   fassen  sei,   oder  nicht.     Diesem  Umstände  ist  es 
wesentlich  zuzuschreiben,   daß   die  bisherigen  Ansichten  über  das  antike  Genre 
so   unklar  und  schwankend  waren;   und  daher  kommt  es,   daß  z.  B.  ein  großer 
Teil   der  von  Overbeck  in   seiner  Geschichte   der  Plastik   unter  die  Rubrik  des 
Genres  gezogenen  Werke  als  nicht  hierher  gehörig  abgewiesen  werden  muß.    Es 
ist  nämlich  hier  vor  allem  ein  leider  nicht  immer  genügend  beobachteter  Grundsatz 
im  Auge  zu  behalten:  wie  bei  der  Behandlung  eines  Kunstwerkes  zuerst  die  be- 
sondere Gattung  und  Art  desselben  in  Erwägung  gezogen  werden  muß,  so  hat 
man  auch  bei  literarischen  Nachrichten  auf  die  besondere  Art  und  Individualität 
des   überliefernden  Autors  zu   sehen.     Unsere  beiden  Hauptschriftsteller  für  die 
Kunstgeschichte  sind  aber  Pausanias  und  Plinius.     Während  nun  ersterer,  unser 
exakter  und  bewährter  Führer  durch  Griechenland,  alles  aus  eigener  Anschauung 
beschreibt,   und  während  das  rein   sachliche,   namentlich   religiöse  Interesse  bei 
ihm  das  künstlerische  weit  überwiegt,  so  daß  er  in  seiner  Beschreibung  fast  nur 
die   öffentlichen   und   religiösen   Monumente   berücksichtigt,   wo   ihm   eben   der 
mythologisch   interessante   Name   die   Hauptsache  war:   so   ist  bei  Plinius   das 
Verhältnis  überall  umgekehrt;  er  ist  ein  Römer  und  Compilator  im  größten  Maß- 
stabe, der  in  sein  ungeheures,  aus  2000  Bänden  exzerpiertes  naturgeschichtliches 
Werk  bei  Gelegenheit   der  Metalle,   Erden   und  Steine  auch  kunstgeschichtliche 
Notizen   einfügt,   indem   er  die  verschiedenen  Künstler  mit  ihren  bedeutendsten 
Werken   nach   seinen  Quellen  angibt.     Schon  daraus  dürfen  wir  abnehmen,  daß 
uns   Pausanias  in  Bezug  auf  die  Geschichte  des  Genres   ein  viel  treuerer  Ge-  20 
währsmann  sein  wird,  als  Plinius;  denn  wo  ein  Name  oder  eine  bestimmte  Be- 
ziehung, deren  Fehlen  oder  Vorhandensein  ja  ein  Werk  dem  Kreise  des  Genres 
zuweist  oder  abspricht,  zu  seiner  Zeit  noch  bekannt  war,  da  wird  er  gewiß  nicht 
verfehlt  haben,  sie  anzugeben;  andrerseits  freilich  konnte  er  bei  seinen  Prinzipien 
gerade   auf  das  Genre  sehr  wenig  Rücksicht  nehmen.     Dagegen  finden  wir  bei 
Plinius   eine  große  Menge   von   Kunstwerken   unter  allgemeiner  genereller  Be- 
zeichnung des  Gegenstandes  angeführt   und   man   hat  sie  meist  auch  wirklich 
alle  für  Genrestücke   gehalten.     Allein   wir  werden   hierin   sehr  vorsichtig  sein 
müssen;  denn  nicht  nur  Plinius  selbst,  sondern  auch  seine  mit  Wahrscheinlichkeit 
vorauszusetzenden   Hauptquellen   der  Künstlernachrichten,   wie  Varro,   Cornelius 
Nepos  und  Pasiteles  lebten  in  einer,  man  möchte  sagen,  kosmopolitischen  Zeit, 
wo  die  Kunstwerke  aller  Gegenden  und  aller  Perioden  in  der  weltbeherrschenden 
Roma  zusammenströmten,   und  wo   natürlich   das  historische   und  künstlerische 
Interesse  das  gegenständliche  weit  überwog;  losgerissen  aus  dem  ursprünglichen 
lokalen  Zusammenhang  sammelten  sich  die  Werke  in  Rom  und  die  berühmtesten 
schmückten  in   zahlreichen  Kopien   die  Villen   der  Reichen.     Dazu  kömmt,   daß 
Plinius'  Nachrichten  ursprünglich  zum  weitaus  größten  Teil  nicht  auf  periegetische 


70  Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans. 


i  auf  historisch-theoretische  Werke  der  Künstler  selbst  zurückgehen.  Diesen 
Künstlern  nun,  die  seit  der  alexandrinischen  Zeit  mit  Eifer  die  kunsthistorischen 
lien  selbst  aufnahmen,  lag  natürlich  alles  am  Formalen  des  Kunstwerks, 
viel  weniger  an  der  Bedeutung  und  den  bestimmten  Beziehungen.  So  bildete 
sich  denn  für  die  Hauptwerke  allmählich  eine  Terminologie  heraus,  die  in  Gestalt 
fester  Beinamen  das  künstlerische  Motiv  des  Werkes  bezeichnete,  und  diese 

21  ging  in  Plinius  Werk  über;  so  finden  wir  hier  z.  B.  von  Praxiteles  einen  Satyr 
.periboelos",  einen  Apollo  „sauroctonos",  die  Glykera  von  Pausias  als  „stephano- 
plocos",  d.  h.  Kränzeflechterin,  einen  Satyr  des  Antiphilos  als  „aposcopeuon", 
d.  h.  als  spähend  bezeichnet  usf.  Von  hier  war  es  aber  nur  ein  kleiner  Schritt 
dazu,  nur  jene  das  Motiv  bezeichnenden  Beinamen  anzugeben,  wie  uns  denn 
z.  B.  Plinius  den  Philoktet  des  Pythagoras  nur  als  einen  Hinkenden  (claudicans) 
aufzählt  oder  uns  von  einem  symplegma  nobile  redet  (36,  24),  d.  h.  einer  Gruppe 
engverschlungener  Personen,  ohne  uns  über  den  Inhalt  auch  nur  eine  Andeutung 
zu  geben;  denn  der  in  der  Kunstsprache  offenbar  technische  Ausdruck  bezeichnet 
nur  das  Motiv  und  Nichts  vom  Gegenstande.  Konnte  man  sich  damit  bei  mytho- 
logischen Werken  begnügen,  mit  um  wieviel  größerem  Rechte  durfte  man  es  da 
nicht  bei  den  Porträtstatuen  tun?  Denn  diese  konnten  ja,  wenn  sie  nicht 
gerade  berühmte  Persönlichkeiten  darstellten,  gegenständlich  kein  allgemeineres 
Interesse  erwecken.  Dagegen  waren,  bei  der  großen  Ausdehnung  der  Porträt- 
bildnerei  im  Altertum,  künstlerisch  sehr  bedeutende  Werke  zahlreich  darunter, 
die  sogar  durch  Kopien  verbreitet  wurden.  Was  war  also  natürlicher,  als  daß 
man  diese  bloß  nach  dem  künstlerischen  Motive  benannte  und  zu  rubrizieren 
suchte?  Dies  taten  gewiß  schon  die  älteren  Kunstschriftsteller,  aber  sehr  häufig 
auch  Plinius  selbst;  wie  gang  und  gäbe  gerade  ihm  dieser  Gebrauch  ist,  zeigt 
z.  B.  eine  Stelle  (35,  28),  wo  er  den  Gegenstand  eines  Bildes  des  Malers  Philochares 
allgemein  als  einen  Greis  mit  seinem  Sohne  angibt  und  bis  ins  Detail  beschreibt, 
rein  zufällig  aber  gleich  darauf  auch  die  Namen  der  beiden  nennt.  Ein  anderes 
Beispiel,  sehr  geeignet  uns  vor  den  Allgemeinbenennungen  des  Plinius  zu  warnen, 

22  ist  das  folgende,  in  dem  es  sich  sogar  um  ein  sehr  berühmtes  Porträt  handelt: 

11  führt  er  den  Gegenstand  eines  Bildes  an  als  belli  facies  et  triumphus. 
Man  könnte  danach  an  eine  allgemeine  allegorische  Darstellung  des  triumphus 
denken.   Anders   belehrt  uns  35,  93:  es  war  triumphans  Alexander  in  curru  dar- 

tellt  und  zwar  von  Apelles.  Dort,  wo  es  Plinius  nur  darauf  ankam,  zu  zeigen, 
daß  auch  August  öffentlich  Gemälde  aufgestellt,  gibt  er  das  Bild  ganz  kurz  an, 
indem   er  nicht   nur  den    Künstlernamen,  sondern   auch   den  Gegenstand  selbst 

•chweigt  und  nur  die  Rubrik,  das  Genre,  dem  er  angehört,  nennt.  Da  die 
Quellen  des  Plinius  wohl  meistens  bei  den  einzeln  aufgeführten  Porträts  zugleich 
den  Namen  und  die  Rubrik,  den  Stand  anführten,  so  findet  sich  dies  bei  Plinius 
auch    noch    öfter,   sogar  bei   ganz    unbedeutenden    Persönlichkeiten;   so  werden 

innt   35,   147   der   Gaukler  Theodorus    und   der  Tänzer  Alcisthenes,   35,  136 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  J\ 


Lecythion,  der  Einüber  oder  Lehrmeister  der  Behendigkeit,1  34,  57  der  (Sklaven-) 
Händler  Lyciscus,  34,  59  der  Stadienläufer  Astylos,  68  der  Fünfkämpfer  Spintharus, 
77  der  Ringer  Pythodemus.  Es  erhellt  hieraus,  wie  leicht  Plinius  in  solchen  Fällen 
den  Namen  als  das  Unwesentlichere  weglassen  konnte;  und  das  tat  er  auch  in 
sehr  vielen  Fällen.  35,  134  z.  B.  können  wir  aus  andern  Quellen  als  sehr  wahr- 
scheinlich nachweisen,  daß  der  allgemein  angegebene  „phylarchus"  des  Athenion 
ein  gewisser  Reiteroberst  Olympiodor  war.  —  Ist  Plinius  also  gewiß  selbst  sehr 
oft  Schuld,  daß  wir  nur  das  Genre  und  die  Rubrik,  nicht  die  Persönlichkeit  selbst 
kennen,  so  fand  sich  doch  auch  oft  schon  in  seinen  Quellen  der  individuelle 
Name  nicht  mehr  vor.  Besonders  scheint  letzteres  bei  einigen  in  Rom  befind- 
lichen Werken  der  Fall  gewesen  zu  sein;  so  die  Signa  palliata  und  der  nackte 
Koloß  des  Phidias  (34,  54),  von  dem  Samier  Pythagoras  sieben  nackte  Statuen 
und  die  eines  Greises  (34,  60), 2  von  Polygnot  ferner  ein  Gemälde,  an  dem  man  23 
(in  Rom)  zweifelte,  ob  ein  Hinauf-  oder  ein  Herabsteigender  dargestellt  war; 
endlich  von  Aristides  der  Tragöde  mit  dem  Knaben  und  der  Greis,  der  einen 
Knaben  in  der  Leier  unterweist,  alle  in  Rom.  Einmal  (34,  87)  fügt  Plinius  bei 
der  Statue  eines  Redenden  ausdrücklich  hinzu:  „persona  in  incerto  est."  Ebenso 
gehören  die  allgemeinen  Bezeichnungen  ganzer  Klassen  von  Statuen  (bei  Ge- 
mälden kommt  dies  nicht  vor)  schon  den  Quellen  des  Plinius  an.  Näher  kann 
indes  hier  nicht  auf  diese  Erscheinungen  eingegangen  werden  und  ich  begnüge 
mich  jene  Rubriken,  unter  denen  nach  den  eben  entwickelten  Prinzipien  unbedeu- 
tendere Porträtstatuen  resümiert  zu  erkennen  sind,  kurz  anzugeben. 

Es  sind  vor  allem  die  Athleten,  deren  allgemeine  Anführung  bei  Plinius 
keineswegs  auf  Genrebilder  zu  beziehen  ist.  Oder  ist  es  nicht  ein  schlagendes 
Zeugnis  für  unsre  Ansicht,  daß,  während  uns  Plinius,  mit  Ausnahme  weniger 
Fälle,  immer  nur  das  künstlerische  Motiv,  nicht  den  Namen  des  Athleten  nennt, 
daß  Pausanias  dagegen  nie  bloß  das  Motiv  angibt  und  also  von  dieser  ganzen 

1  Ihm  analog  war  jedenfalls  des  Silanion  epistates  exercens  athletas  34,  82:  Beides 
waren  offenbar  Porträts  einer  Art  von  Gymnasiarchen;  das  eine  Mal  setzt  Plinius  Namen 
und  Beschäftigungsart  des  Standes,  das  andre  Mal  nur  letzteres. 

2  Wenn  Urlichs  (Chrestomath.  Plin.  S.  321)  mehr  weiß  als  die  Quellen  des  Plinius 
und  als  Gegenstand  die  Sieben  gegen  Theben  und  obendrein  Amphiaraos  (als  senex)  an- 
gibt, so  ist  das  entschieden  unrichtig;  denn  Amphiaraos  wird  immer  mitgezählt  und  ist 
nichts  weniger  als  ein  Greis;  unmöglich  ist  es,  daß  nur  Eteokles  und  Polyneikes  in  der 
Mitte  gekämpft,  die  übrigen  sechs  Helden  ringsum  gestanden  hätten,  ohne  daß  ebenso 
viele  von  der  Seite  der  Thebaner  mit  ihnen  im  Kampfe  gewesen  wären.  —  Viel  eher 
hätte  er  vermuten  können,  daß  die  Gruppe  der  des  Hypatodoros  und  Aristogeiton  ent- 
sprach (Paus.  X,  10,  3),  d.  h.  daß  die  sieben  Helden,  unter  die  natürlich  Amphiaraos  auch 
gehört,  dargestellt  waren  und  zu  ihnen  als  achter  Alitherses  kam,  über  den  wir  zwar  gar 
nichts  Bestimmtes  wissen,  von  dem  sich  aber  nach  Analogie  des  homerischen  gleichen 
Namens  (Od.  2,  157  ff.)  vermuten  ließe,  daß  auch  er  ein  Seher  und  Greis  war,  eine  nach 
dem  Typus  der  homerischen  gestaltete  Figur  der  Lokalsage.  (Der  Sohn  des  Leleger- 
königs  Ankaios  Paus.  VII,  4,  1  ist  wieder  ein  anderer  Alitherses). 


[EHER  UND   DER   KNABE  MIT  DER  GANS. 


geblichen  Rubrik  des  „athletischen  Genres"  Nichts  weiß,1  sondern  immer  einen 
stimmten  Namen  nennt?    Um  nur  ein  Beispiel   zu  wählen,   ist  es  nicht  auf- 
fallend, daß  uns  Tansanias  von  dem  Künstler  Daippos  mehrere  Athletenstatuen 
mit    Namen    nennt,   Plinius    aber   nur   einen    „perixyomenos",  d.  h.    einen   sich 
Abschabenden?         Es  ist  nun  bekannt,  wie   viele   Statuen   siegender  Athleten 
Künstler  namentlich  an   die  Orte  der  großen  Festspiele  und  besonders  nach 
mpia  zu  fertigen  hatten.    Diese  stellten  zwar  einen  bestimmten  Athleten  dar, 
aber  in  der  Regel  nicht  mit  seinen  Porträtzügen;  wenigstens  durfte   in  Olympia 
wer  dreimal  gesiegt  hatte  eine  ikonische  Statue  haben.   Diese  Werke  waren 
eine  Hauptaufgabe  für   die   berühmtesten  Künstler;   als  Motiv    wählte   man  ent- 
weder einen  Moment  des  Kampfes  selbst,  in  dem  der  Betreffende  gesiegt  hatte,2 
so  z.  B.  der  bekannte  Diskuswerfer  des  Myron.     Oder  man  stellte  die  Vorberei- 
tungen und  Folgen  des  Kampfes  dar,  wie  z.  B.  das  Einsalben  und  das  Abschaben 
des  Staubes  und  Öles,   das  Umlegen   der  Siegerbinde   und  ähnliches.     Die  be- 
rühmtesten unter  diesen  Werken  wurden  in  spätrer  Zeit  natürlich  kopiert.   Plinius 
selbst  i  bezeugt  uns  den  starken  Verbrauch  von  Athletenstatuen  im  kaiser- 

lichen Rom  für  die  Palästren  und  Ringplätze  der  Reichen;  wie  sich  in  jener  Zeit 
von  selbst  versteht,  waren  dies  (signa  externorum  artificum  heißen  sie  35,  6)  keine 
neuen  Originalwerke,  sondern  Kopien  der  alten,  manchmal  auch  diese  selbst.  Die 
einstigen  Namen  derselben  gingen  natürlich  bald  verloren  und  allgemein  benannte 
man  sie  bloß  nach  dem  Motiv.  Wir  müssen  demnach  diese  z.  B.  von  Overbeck 
(Geschichte  der  gr.  Plastik  I-  344)  für  frei  gewählte  „Situationsbilder"  gehaltenen 
Werke,8  die  Plinius  als  Rubrik  mit  „pyetae,  athletae,  luctatores",  als  Einzelwerke 
mit  „discobolus,  doryphorus,  luctator,  pentathlus,  diadumenus,  destringens  se, 
peri-,  apoxyomenus,  talo  incessens"  u.  ä.  bezeichnet,  sämtlich  von  der  Genre- 
bildnerei  ausschließen.  Nicht  als  ob  es  im  Altertume  überhaupt  gar  kein  athletisches 
Genre  gegeben  habe,  denn  Werke  wie  z.  B.  die  Florentiner  Ringergruppe  gehören 
offenbar  dahin;  vor  der  spätem  hellenistischen  Zeit  findet  es  sich  aber  schwerlich; 
das  Streben,  die  künstlerische  Bravour  zu  zeigen,  führte  zu  solchen  Aufgaben, 
denen  auch  z.  B.  der  sog.  Borghesische  Fechter  anzureihen  sein  wird.  Für  das 
bei  Plinius  aus  der  besten  Zeit  Erwähnte  bleibt  Obiges  durchaus  bestehen. 

'  lJcn    •  des   Timainetos   erwähnt   Pausan.  I,  22,  7   nur   im  Vorbeigehen 

I    d.  h.  eben  ohne  die  näheren  Umstände,  wie  Name  usw.  anzugeben. 

VgL  den  ny.tana/ü»-  des  Glaukias,   der  beweist,   wie  früh    man   schon   bei   diesen 

en  nach   solchen   charakteristischen  Motiven    suchte.     Daß   es   überhaupt  Sitte   war, 

n  Athleten  und  sonstigen  artifices  diejenige  Stellung  zu  geben,  welche  sie  bei  Erlangung 

ne  hatten,    lernen   wir  aus  Com.  Ncpos,  Chabr.  1,  3.     Wenn    hier   freilich 

von  Chabrias  an  datiert  wird  (die  Stelle  heißt  bei  Halm:  ex  quo  factum 

athletae  ceterique  artifices  iis  statibus  in  Statuts  ponendis  uterentur,  *  •  cum 

,rian  pH;  die  kleine  Lücke  schädigt  den  Sinn  nicht),   so  kann  dies  nichts 

Iffl  Altertum    häufigen    willkürlichen   Anknüpfungen    alter  Sitten    an 

Beispiel. 
ffl  in  Ersch  und  Gruben  Allg.  Enzyklopädie  1,  82,  435;  446. 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gaxs.  73 

Nicht  anders  verhält  es  sich  mit  den  bei  Plinius  unter  dem  Titel  „philo- 
sophi"  resümierten  Statuen,  die  ungefähr  seit  Ol.  90  von  vielen  Künstlern  ge-  25 
bildet  wurden.  Wir  haben  uns  darunter  wahrscheinlich  nicht  bloß  Philosophen 
und  Gelehrte,  sondern  auch  Redner  und  Dichter  zu  denken,1  die  seit  dem  vierten 
Jahrh.  sehr  häufig  durch  Statuen  geehrt  wurden;  ja  es  mag  vielleicht  nur  ein 
gewisser  Typus  vollbekleideter  Gewandstatuen  gemeint  sein,  im  Gegensatze  zu 
den  folgenden  Rubriken. 

Dies  sind  nämlich  „Bewaffnete,  Jäger  und  Opfernde".  Auch  sie  wurden 
für  „Gattungsbilder''  erklärt  (z.  B.  von  Overbeck  Plastik  II2,  61),  ohne  daß  man 
sich  eine  klare  Vorstellung  davon  zu  machen  wußte.  Ich  halte  auch  sie,  die 
übrigens  von  zahlreichen  Künstlern  genannt  werden,  nach  obigen  Analogien  für 
bestimmte,  immer  wiederkehrende,  besonders  beliebte  Porträtmotive.  Daß  die 
Vornehmen  sich  gerne  als  Jäger  bilden  ließen  (seit  Ende  vierten  Jahrh.),  dürfen 
wir  daraus  schließen,  daß  sich  Alexander  sowohl  von  Lysipp2  und  Leochares, 
als  wahrscheinlich  von  Euthykrates 3  auf  der  Jagd  darstellen  ließ,  und  daß  Ptole- 
mäus  von  Antiphilos  jagend  gemalt  wurde.  Ferner  sind  uns  die  späteren  Grab- 
und  Sarkophagreliefs,  wo  der  Tote  so  oft  jagend  dargestellt  wird,4  ein  sicherer 
Beleg  für  die  Beliebtheit  dieses  Motivs.  Sehr  belehrend  ist  endlich  auch  eine 
Stelle  des  Pausanias  (VI,  15,  7)  wo  er  die  Statue  eines  unbekannten  Mannes 
[ävr]Q  Sorte  öij)  anführt,  als  im  Typus  eines  Jagenden  dargestellt:  es  ist  eben 
ein  solcher  „venator"  des  Plinius,  den  Pausanias  ganz  deutlich  für  ein  unbekanntes 
Porträt  hält.  —  Die  „Bewaffneten"  sind  natürlich  Kriegsleute  und  Feldherrn,  die 
man  in  kriegerischer  Tracht  zu  bilden  gewohnt  war.  —  Die  „Opfernden"  endlich 
sind  als  Priester  zu  denken,  denen  man  sehr  oft  Statuen  setzte.  Mehr  als  zu- 
fällig ist  doch  das  Zusammentreffen,  daß  z.  B.  Pythokritos,  von  dem  Plinius  26 
solche  Opfernde  erwähnt,  uns  durch  eine  Inschrift  als  Künstler  einer  Priester- 
porträtstatue bekannt  ist.5 

So  bleiben  nur   noch  die  verschiedenen  Rubriken  von  Frauen   bei  Plinius 

1  Von  Kephisodot  z.  B.  nennt  Plinius  philosophos;  durch  andre  Quellen  kennen  wir 
den  Redner  Lykurg  und  den  Dichter  Menander  als  seine  Werke,  ein  wohl  nicht  zufälliges 
Zusammentreffen. 

-  Plin.  34,  64;  die  andre  venatio  mit  Hunden  (ebenda  63)  bestand  wohl  ebenfalls 
aus  Porträts  Vornehmer. 

a  Wenn  man  nämlich  Plin.  34,  66  venatorem  zu  Alexandrum  zieht,  was  das  Natür- 
lichste und  Plinius  sonstiger  Aufzählungsart  das  Entsprechendste  ist.  Interpungiert  man 
jedoch  nach  Alexandrum,  so  gehört  dieser  Jäger  eben  unter  die  Klasse  der  übrigen  vena- 
tores,  wie  auch  Stephani  CR.  1867,  S.  90  annimmt,  dem  ich  auch  in  der  Abweisung  der 
sehr  mißlichen  Annahme  Kekules  (Arch.  Ztg.  1865,  S.  15),  der  hier  Meleager  sieht,  beistimme. 

4  Vgl.  Heibig,  Untersuchungen  über  die  Campanische  Wandmalerei  S.  276.  —  Die 
Statue  eines  Jägers  in  München  (Glyptothek  Nr.  156  [Furtwängler,  Glyptothek  290])  mit 
einem  leider  ergänzten  Porträtkopfe  gehörte  offenbar  in  diese  Klasse  der  venatores. 

5  S.  Brunn,  Gesch.  der  gr.  Künstler  I,  461,  wo  schon  der  richtige  Schluß  daraus 
gezogen  wird.  [Löwy,  Inschriften  griech.  Bildhauer  174  ff.]  —  Die  in  der  Kleinkunst 
(Bronzen,  Terrakotten)  häufigen  Darstellungen  von   Opfernden   und   Betenden  sind  auch 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  a\it  der  Gans. 


zu  beseitigen.  Genannt  worden  .edle"  Frauen,  d.  h.  vornehme  oder  berühmte, 
-.her  Porträts;  ferner  „betende  und  opfernde  und  verehrende,"1  auch 
.weinende"  und  endlieh  „alte"  Frauen.  Zweimal  (von  Phidias -  und  Euphranor) 
wird  eine  diduchos  genannt,  d.  h.  eine  Priesterin  mit  dem  Tempelschlüssel 
gewifi  kein  Gegenstand  für  eine  „genreartige  Darstellung"  (Overbeck 
Plastik  II'.  83),  sondern  sicherlich  Porträt.  Durch  sie  kommen  wir  auch  den 
andern  auf  die  Spur,  denn  auch  diese  scheinen  meist  Priesterinnen  dargestellt 
zu  haben.  Letztere  erhielten  sehr  oft  Ehrenstatuen  und  meist  waren  sie  alt,  im 
treuen  Dienste  ergraut  -  -  daher  die  alten  Frauen  (anus)  bei  Plinius.  Eine  solche 
war  z.  B.  die  Lysimache  von  Demetrios,  die  64  Jahre  der  Athena  gedient  und 
deren  Statue  daher  vor  dem  Erechtheion  in  Athen  stand. a  Ja,  es  läßt  sich  nach- 
weisen, daß  der  für  Priesterinnen  in  der  alten  Kunst  durchaus  herrschende  Typus 
der  alter  Frauen  war  (s.  Annali  dell'  Inst.  1872,  125);  ferner  daß  man  niemals 
vornehme  Frauen4  alt  darstellte,  denn  dies  geschah  nur  bei  Dienerinnen,  Ammen 
und  -  Priesterinnen.  Es  bleiben  also  als  „anus",  da  profanen  Dienerinnen 
schwerlich  Statuen  gesetzt  wurden,  nur  die  Priesterinnen  übrig.  Ebenso  erklären 
sich  die  bei  Plinius  genannten  Motive  des  Opferns  und  Betens  und  Verehrens 
am  besten  bei  der  Annahme  von  Priesterinnen;  übrigens  stellte  man  auch  mit- 
unter profane  Frauen  opfernd  dar,  wie  des  Alkibiades  Mutter  Demarate  von  Ni- 
keratos  (Plin.  34,  88)  schließen  läßt  (wenn  diese  nicht  selbst  Priesterin  war).  — 
Endlich  die  „weinenden  Matronen"  des  Sthennis  (34,  90),  die  man  bisher  auch 
27  meist  für  eine  von  den  Künstlern  gar  klassenweise  fabrizierte  Art  von  Genre- 
bildern gehalten  hat,  ohne  die  Ungeheuerlichkeit  dieser  Annahme  zu  bedenken, 
sind  nur  als  Porträts  älterer  Frauen  mit  einem  diesen  eigenen  Zuge  der  Wehmut 
und   dem  entsprechender  äußerer  Haltung  zu  denken.6  —  Die  von  Plinius  ge- 

ftir  Weihgeschenke  zu  halten  (s.  Friederichs,  Berlins  antike  Bildwerke  II,  S.  453  ff.),  die 
der  Einfachheit  wegen  nicht  eine  Individualität,  sondern  einen  allgemeinen  Typus  darstellen. 
Ebenso  wenig  wie  aus  ihnen  darf  aus  dem  Vorkommen  von  Jägern  in  der  Kleinkunst  auf 
die  Existenz  derselben  als  .Genre"  in  der  monumentalen  Kunst  geschlossen  werden. 

1  Bei  Plinius  admirantes,  das  aus  dem  griechischen  &av/*dteiv  übersetzt  scheint,  das 
auch  anbeten  und  verehren  heißt.  Eine  mulier  des  Euphranor  war  zugleich  admirans 
und  adorans,  woraus  die  Zusammengehörigkeit  beider  Motive  hervorgeht.  [Eurtwängler, 
Aren.  Ztg.  1879  S.  152.] 

-  Die  Ansicht,  es  sei  die  Athena  Promachos  des  Phidias   (ohne  Schlüssel)  hier  ge- 
meint, hat  nichts  für  sich.     Nicht  einen  ungewöhnlichen,  der  künstlerischen  Erscheinung 
widersprechenden  Beinamen  einer  Gottheit,  sondern  eine  eben   jenes  Äußere  charakteri- 
/.tichnung  muß  man  nach  allen  Analogien  in  der  cliduchos  suchen. 

!  [Vgl.  dazu  Arx  Athenarum  a  Pausania  descr.  cd.  O.  Jahn  et   A.  Michaelis3  S.  73, 
117,  129.] 
andt  ist  es,  wenn  die  altdeutsche  Malerei  (ich  denke  an  ein  Schongauerisches 

I  in  Kolmir)  in  der  Szene,  wo  Christus  Adam  und  Eva  aus  der  Hölle  führt,  zwar  jenen  als 

II  mit  weißem  Barte  darstellt,  an  Eva  aber  keinerlei  Spuren  des  welkenden  Alters  andeutet. 

'  nicht  streng  zu  nehmen;  leicht  kann  es  aus  Sedaxgvfievai  übersetzt  sein 
"f"1  '  ße  nur  .verweinte  Frauen,  mit  Spuren  vergossener  Tränen".    So  braucht  es 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  75 


nannten  Rubriken  entsprechen  also  ganz  den  verschiedenen  Ständen,  die  vorzugs- 
weise durch  Porträtstatuen  geehrt  wurden.  Es  sind  zunächst  die  höheren  Militärs 
(armati),  dann  die  reichen  Privaten,  die  den  Jagdsport  lieben  (venatores),  endlich 
die  Priester  (sacrificantes).  Dazu  kommen  die  Athleten  und  die  Denker  und 
Dichter  (philosophi),  deren  künstlerische  Motive  zu  verschieden  waren,  als  daß 
man  die  Rubrik  danach  hätte  benennen  können.  Von  den  Frauen  wird,  neben 
den  sonst  durch  Rang  und  dergleichen  hervorragenden  (nobiles),  namentlich  der 
Stand  der  Priesterinnen  berücksichtigt,  der  in  der  Regel  einzige,  in  dem  die 
griechische  Frau  der  Öffentlichkeit  und  somit  öffentlicher  Ehren  teilhaftig  war; 
daneben  scheinen  vereinzelt  noch  Motive  von  Grabmonumenten  für  Frauen 
(flentes  matronae,  adornantes  se  feminae?  s.  Anm.  2  S.  82)  genannt  zu  werden. 
Diese  neuen  Tatsachen  für  die  Geschichte  der  antiken  Porträtbildnerei  stimmen 
mit  dem  bisher  bekannten  Charakter  des  griechischen  Porträts  durchaus  überein: 
im  Gegensatze  zu  den  römischen,  die  nur  allgemeine  Schemata  mit  einem  be- 
liebigen Porträtkopfe  bieten,  suchen  die  griechischen  Porträts  immer  schon  in 
der  ganzen  Gestalt,  dem  gesamten  Motive  eine  bestimmte  Individualität  oder 
wenigstens  einen  bestimmten  Stand  und  seine  Beschäftigungsart  zu  charakterisieren.1 
Man  denke  an  die  erhaltenen  Statuen  des  Alexander,  Aristoteles,  Sophokles,  De- 
mosthenes  u.  a.  Apelles  malte  den  kampfesmutigen  Klitus  mit  dem  Rosse  in 
die  Schlacht  eilend  und  den  Helm  von  seinem  Knappen  fordernd,  oder  den  Feld-  28 
herrn  Antigonos  bewaffnet  mit  seinem  Rosse  einherschreitend.  Protogenes  malt 
den  Tragiker  Philiskus  sinnend,  meditantem,  ebenso  Theoros  (oder  Theon)  die 
Leontion,  die  Geliebte  des  Epikur,  cogitantem.  Chabrias  ließ  seinen  Statuen 
(Diodor  15,  33;  Nepos  Chabr.  I  spricht  nur  von  einer)  diejenige  Stellung  geben, 
durch  deren  Erfindung  und  Anwendung  er  seinen  gepriesensten  Sieg  gewonnen: 
er  kniete,  den  Schild  an  das  Knie  gedrückt  und  die  Lanze  dem  Feinde  entgegen- 
gestreckt. Anakreon,  der  Dichter  der  Liebe  und  des  Weines,  war  im  Rausche 
singend  dargestellt  (Paus.  I,  25,  1).     An  solche  Beispiele  reihen  sich  die  Motive 


Pausan.  I,  21,  5  von  der  Niobe  am  Sipylus  und  fügt  noch  das  Attribut  xaryqpqg  nieder- 
geschlagen, wehmütig  hinzu;  auch  Amasaeus,  der  Übersetzer  des  Pausanias,  gibt  das 
Ö£daxQv/i£v?]v  einfach  mit  lacrimantem.  Dasselbe  wird  Plinius  (vielleicht  schon  seine 
Quelle)  getan  haben.  So  verwandeln  sich  die  „weinenden  Matronen"  einfach  in  Frauen 
ernstwehmütigen  Ausdrucks.  In  jener  Zeit  des  4.  Jahrh.  aber,  wo  man  nach  psychologischem 
Interesse  und  Hervortreten  des  Seelenlebens  strebte,  mochte  überhaupt  für  Porträts  ältrer 
Matronen  ein  solcher  wehmütiger  Ausdruck  üblich  sein,  verbunden  etwa  mit  einer  typischen 
Bewegung,  wie  dem  Nähern  einer  Hand  gegen  das  Kinn  u.  dgl.  Namentlich  mußten 
Statuen  sepulkraler  Verwendung  zu  solchen  Motiven  einladen.  Eine  derartige  Kompo- 
sition ist  uns  ja  nach  der  wahrscheinlichsten  Annahme  in  den  bekannten  sog.  Penelope- 
Statuen  erhalten;  sie  könnte  in  obigem  Sinne  recht  wohl  flens  matrona  heißen.  —  Voll- 
kommen willkürlich  ist  Urlichs  Ansicht  (Chrest.  Plin.  S.  331),  Hekuba  mit  Trojanerinnen 
seien  unter  den  flentes  matronae  gemeint. 

1  Diese  Unterscheidung  wie  so  vieles  andere  in  dieser  Schrift  Verwertete  verdanke 
ich  meinem  verehrten  Lehrer  Heinrich  Brunn. 


Der  Dt  jeher  und  der  Knabe  mit  der  Gans. 


bei  Plinius.  die  Opfernden  und  Betenden,  die  wehmütigen  Frauen  usw.  für  Porträts 

weniger  bedeutender  Persönlichkeiten  passend  an. 

Trotz  dieser  beträchtlichen  Säuberung  im  Gebiete  des  alten  Genres,  die  uns 
befähigt,   die   historische  Untersuchung  über  dasselbe  aufzunehmen,   bleibt 

dennoch  viel  Unklares  und  Unsicheres  zurück,  das  ich  im  Folgenden  jedoch  den 

Anmerkungen  überlassen  werde. 


Sehen  wir  nun  zunächst,  was  uns  aus  der  archaischen  Periode  vor  Phidias 
von  statuarischen  Werken  überliefert  ist.  Es  ist  wenig,  ja  streng  genommen  nichts, 
da  überall  bestimmte  Beziehungen  dem  anscheinend  Genrehaften  zu  Grunde  liegen. 

verhält  es  sich  mit  den  bei  Plinius  erwähnten  celetizontes  pueri,  den  Knaben 
auf  Rennpferden  von  Kanachos  und  von  Hegesias,  die  wir  nach  der  Notiz 
des  Pausanias  (VI,  12,  1)  über  zwei  ebensolche  Knaben  von  Kaiamis  in  Olympia 
für  Siegesweihgeschenke  halten  müssen,  die  unserm  oben  gewählten  Beispiel 
vom  Jockey  auf  dem  Rennpferd  vollkommen  analog  sind.  Überhaupt  war  es 
29  Sitte  jener  naiv  frommen  Zeit,  denjenigen  Gegenstand,  der  einem  am  liebsten 
und  wertesten  und  durch  den  man  seine  Erfolge  und  Siege  errungen  hatte,  den 
Göttern  im  Abbilde  zu  weihen.  So  weiht  in  dieser  Zeit  ein  reicher  Soldat  zwei 
Rosse  mit  ihren  Lenkern  nach  Olympia,  die  Tarentiner  weihen  Pferde  und  kriegs- 

mgene  Frauen  wegen  eines  Sieges  über  ihre  Nachbarn,  die  Athener  ein  Vier- 
gespann auf  die  Akropolis  wegen  eines  Sieges  über  die  Böoter.  (Vgl.  [Paus.  V, 
27,  2.  X,  10,  6.  I,  28,  2] ;  zu  dieser  Sitte  überhaupt  Schümann,  Griechische  Altertümer 
II,  190.)  Solche  Zwei-  und  Viergespanne  werden  aus  dieser  und  der  folgenden 
Zeit  überhaupt  oft  erwähnt;  die  meisten  haben  wir  uns  motiviert  zu  denken  durch 
Siege  im  Wagenwettrennen  an  den  großen  Festspielen;  da  dabei  nur  ein  Lenker 
(der  mit  dem  Besitzer  meist  nicht  identisch  war)  auf  dem  Wagen  dargestellt  war,  so 
bezeichnet  sie  uns  Plinius  kurz  und  allgemein  mit  quadrigae  bigaeque.1  Verwandt 
ist  der  Gebrauch,  nach  dem  Siege  über  verheerende  Feinde  eherne  Kühe  oder 
Stiere   zu  weihen  als  Symbole  des  wiederbefreiten  Acker-  oder  Weidelandes;  zu 

er  Gattung  gehörte  auch  die  berühmte  Kuh  des  Myron,  die  also  auch  kein  Genre- 
stück im  strengen  Sinne  war.-   Etwas  andrer  Art  ist  der  Chor  betender  Knaben  in 

1  Plinius  nennt  sie  uns  von:  Kaiamis   (auf   eine  seiner  Quadrigen   setzte  Praxiteles 

einen  neuen  Lenker),  von  Aristides,  Schüler  des  Polyklet,  von  Kuphranor,  Lysipp  (34,  64 

Ingac   multorum   generum,   also  nicht  bloß  solche  auf  das  Wettrennen   bezügliche), 

und  thykrates;    Piston    und   Tisikrates    arbeiten    zusammen    ein  Zweigespann    mit 

•  ;if    wohl  die  Besitzerin);    Aristodem    macht  (34,  8(5)    bigas    cum  auriga, 

der   hier   tx  .v.llint,   aber   auch    sonst   vorauszusetzen   ist;   Monogenes   endlich 

nbekannt)  quadrigis  speetatur  (31,  88). 

Heibig  l   S.  O.  306  ff.  trefflich    nachweist.     Daselbst   sind   auch    die    übrigen 
ilirt;  hinzuzufügen  wäre  etwa  als  interessant  das  ßolitöv  u  %oXkoSv 
der  Hetäre  Kottina  in  Lakedämon,  worüber  Polemon  bei  Athenaeus  13, 
fitet. 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  77 


Olympia  von  Kaiamis;  aber  auch  er  mit  ganz  bestimmter  Beziehung:  die  Akra- 
gantiner  weihten  ihn  wegen  eines  Sieges  und  wie  ja  die  Siegesgesänge  oft  von 
Knabenchören  ausgeführt  werden  mochten,  so  wird  hier  der  Dank  für  den  Sieg  von 
der  reinen  Jugend  der  Gottheit  dargebracht.  —  Von  ähnlichem  Charakter  war  ein 
Werk,  das  Themistokles  um  dieselbe  Zeit  (ungefähr  um  die  Mitte  der  70  er  Olym- 
piaden) weihte:  eine  Hydrophore,  ein  Mädchen,  das  Wasser  holt,  also  ein  Bild 
aus  dem  Alltagsleben.  Die  Statue  wurde  jedoch  aus  Strafgeldern  für  Mißbrauch  der 
Brunnen  bestritten  und  war  also  in  sinniger  Weise,  die  wir  einem  individuellen 
geistreichen  Gedanken  des  Themistokles  zuschreiben  dürfen,  zugleich  ein  Bild  30 
der  richtigen  Benützung  der  Quelle  und  so  die  beste  Strafe  für  diejenigen,  die 
ihr  das  Wasser  unrechtmäßig  entzogen  hatten.1 

Die  Art,  wie  man  damals  mythologische  Gegenstände  behandelte,  versinn- 
lichen uns  die  äginetischen  Giebelgruppen:  Die  individuelle  Charakteristik  ist 
noch  in  ihren  ersten  Anfängen  und  man  stellt  fast  nur  das  Gerüste,  das  all- 
gemeine Schema  der  Handlung  des  Kampfes  um  die  Leiche  dar.3 

Von  der  monumentalen  Malerei  dieser  Periode,  die  Tempel  und  Hallen  mit 
mythologischen  Darstellungen  von  hoher  geistiger  Bedeutung  schmückte,  ist  uns 
begreiflicherweise  nichts  hierher  Gehöriges  bekannt.  Dagegen  bildet  die  Dar- 
stellung des  Alltagslebens  auf  den  dekorativen  Malereien  der  Vasen  trotz  der 
steigenden  Bedeutung  des  Mythischen  immer  einen  sehr  beliebten  Gegenstand. 
Die  Gefäße  mit  schwarzen  Figuren,  obwohl  meist  Nachahmungen  aus  späterer 
Zeit,  gehen  doch  auf  Originale  der  archaischen  Periode  zurück  und  bieten  uns 
eine  Fülle  von  Beispielen.  Der  Krieg  bildet  den  Hauptgegenstand:  wir  sehen 
die  Waffenrüstung,  das  Anschirren  der  Rosse  an  den  Streitwagen,  dann  den 
Auszug  —  in  allem  äußern  Pomp  und  ohne  Zeichen  tieferen  Gefühls  — ,  endlich 
unzählige  Kampfszenen.  Ferner  sind  die  Jagd  und  ebenso  die  agonistischen 
Kampfspiele  sehr  beliebter  Gegenstand.  In  Tanz  und  Spiel  erholt  man  sich 
dann.  Aber  auch  das  Leben  der  Mädchen  bleibt  nicht  unbeachtet,  doch  stellt 
man  sie  vorerst  fast  nur  in  Szenen  dar,  wo  sie  sich  außer  dem  Hause  zeigten, 
also  namentlich  beim  Wasserholen,  mitunter  auch  beim  Pflücken  des  Obstes. 
Häufig  sind  ferner  auch  Hochzeitszüge,  wo  Braut  und  Bräutigam   feierlich   zu 


1  Obwohl  Overbeck  Plastik  I2,  330  den  Knaben  des  Lykios  das  älteste  plastische 
Genrebild  nennt,  erwähnt  er  doch  S.  119  unser  Werk  als  das  erste  Gattungsbild  und  die 
erste  Statue  aus  menschlichem  Kreise,  die  nicht  Porträt  war.  (Indes  jene  Werke  des 
Dionysios,  Ageladas,  Kanachos  usf.  sind  mindestens  gleichzeitig.)  —  Wollte  jemand  hinter 
unsrer  Hydrophore  etwa  eine  Nymphe  suchen,  so  wäre  einerseits  die  Nichterwähnung  bei 
Plutarch  sehr  auffällig,  andrerseits  konnte  man  kaum  eine  Wasser  spendende  Nymphe 
als  Wasser  tragende,  d.  h.  holende  bezeichnen  (man  vgl.  Damophons  Nymphendarstellung 
Paus.  VIII,  31,  4). 

2  [Ägina,  Das  Heiligtum  der  Aphaia  S.  310].  Ohne  bestimmte  Kennzeichen  war 
auch   die  wahrscheinlich    archaische  Eberjagd  bei  Paus.  I,  27,  6. 


Der  D<  eher  und  der  Knabe  mit  der  Gans. 


31  Wagen  fahren,  begleitet  von  denjenigen  Göttern,  die  den  Ehesegen  hauptsächlich 
üngen.     Die  Totenklage   endlich   bleibt   bei   den   höchst  wertvollen  attischen 
i   der  Hauptgegenstand.  -  -  An   jene  ältesten  homerischen  Darstellungen 
nnern  uns  einige  wenige  Bilder  aus  dem  ländlichen  Leben  der  Gutsbesitzer.1 
Wir  sehen  pflügen  und  säen,  sowie  das  Sammeln  der  Oliven,  die  ja  ein  Haupt- 
renstand  namentlich   des    attischen    Landbaus    waren.    Auch   Kaufleute  und 
Handwerker  finden  sich  einige.     Wir  werden  derartigem  aus  den  ländlichen  und 
niederen  Kreisen  in  der  Kunst  der  folgenden  Blüteperiode  nirgends  mehr  begegnen, 
bis  es  später,  aber  in  ganz  verändertem  Charakter,  sich  wieder  zeigen  wird. 

Gemeinsam  ist  all  den  Darstellungen  dieser  Zeit,  daß  sie  nur  nach  möglichster 
Klarheit  des  dargestellten  Faktums  streben:  überall  sucht  man  nur  den  treffendsten, 
einfachsten  Ausdruck  der  Handlung,  überall  ist  der  Vorgang  nur  in  seiner  ganz 
äußerlichen  Erscheinung  gefaßt,  ohne  jede  Spureines  Strebens  nach  inner- 
licher Vertiefung. 

Wir  treten  nun  in  die  eigentliche  Blüteperiode  griechischer  Kunst  und  be- 
trachten zuerst  die  plastische  Genrebildnerei  von  den  Zeiten  des  Phidias  bis 
zu  denen  Alexanders  d.  Gr. 

Die  hohe,  vorzugsweise  religiöse  Richtung  des  Phidias,  welche  vor  allem 
nach  bedeutendem  Inhalt  strebte,  konnte  das  Genre  nicht  aufkommen  lassen. 
So  finden  wir  denn  auch  weder  unter  seinen  Werken,  noch  unter  denen  seiner 
Schüler  etwas  hierher  Gehöriges.-  Anders  ist  es  mit  der  neben  Phidias  blühenden 
Schule  des  Myron:  ihr  Hauptziel  war  möglichst  lebendiges  Erfassen  des  Momentes 
einer  Handlung,  weshalb  die  Rücksicht  auf  geistige  Bedeutung  des  Inhalts  zurück- 
treten mußte:  eine  beliebige  Handlung  des  Alltagslebens,  falls  sie  nur  Gelegenheit 
bot,  jene  Lebendigkeit  der  momentanen  Bewegung  des  Körpers  auf  Ein  Ziel  hin 
zu  zeigen,  mußte  ihr  nicht  minder  willkommen  sein,  als  etwas  mythisch  und 
religiös  Bedeutendes.    Von  Myron  selbst  zwar  wissen  wir  leider  nichts  Gewisses3 


1  Gesammelt  von  O.Jahn,  Berichte  der  sächsischen  Gesellsch.  1867,  S.  75  ff. 
1  Von  einem  idcvfievoc  trp>   xecpaXijv  scheint  Pausanias   selbst  (VI,  4,  5)  den 

eil  nicht  gewufit  zu  haben;  doch  bezeichnet   er   ihn   indirekt   als  Porträt,   indem    er 
er  kenne  sonst   kein   Porträt  von  Phidias  —  wieder   ein  Beweis,   daß   dergleichen 
Motive  in  der  Regel  dem  Portratfache  angehörten. 

1  Zwax  Ist  bei  Plinius  überliefert,  daß  Myron  „pristas"  gemacht  habe,  die,  wie  man 
mit  ]  (Arch.  Ztg.  1865,  S.  91)  annehmen  muß,  nur  als    „Säger"    gedeutet   werden 

nen;  aber  das  Werk  stünde  so  vereinzelt   da,   daß   doch   ein  Irrtum    bei  Plinius   ob- 
walten könnte.     Indes  unmöglich  scheinen  mir  die  Säger  nicht;   nur  muß   man    sie  sich 
:  in  jener  Zeit  als  Anathem  denken,  etwa  an  Athena  Krgane,  die  ja    auch    das 
adwerk  beschützte.     Auch  daß  die  Darstellung   einem  so  niedern  Kreise 
dürfte  im  Hinblick   auf   des  Styppax    und  Lykios  I-'cueranblascr   —  eine 
ah*  rtigung     -  kaum  mit  Recht  eingewendet  werden.     Die  Möglich- 

icidung  müssen  wir  jedoch  noch  von  der  Zukunft  erwarten. 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  79 


in  dieser  Beziehung,  aber  von  seinem  Schüler  und  Sohn  Lykios  kennen  wir 
ein  sehr  charakteristisches  Werk;  es  ist  die  Statue  eines  Knaben,  der  erlöschendes 
Feuer  anbläst:  es  war  wahrscheinlich  Feuer  zum  Räuchern,1  also  offenbar  ein 
Weihgeschenk  an  irgend  eine  Gottheit.  Alles  Interesse  des  Werkes  lag,  wie  bei 
seinem  Vater  („dignum  praeceptore"  nennt  es  Plinius)  in  dem  einen  scharf  ge- 
faßten Momente  der  Handlung,  dem  Anblasen  des  Feuers.2  Eine  weniger  klare 
Vorstellung  haben  wir  von  einem  zweiten  Werke3  des  Lykios:  ein  Knabe,  der 
ein  Weihwasserbecken  trägt.  Das  eigentliche  künstlerische  Motiv  gibt  uns  leider 
Pausanias,  wie  gewöhnlich,  nicht  an;  doch  wird  sich  Lykios  gewiß  nicht  mit 
einem  passiven,  ruhigen  Halten  des  Beckens  begnügt  haben.  Noch  sichrer  aber 
dürfen  wir,  sagen,  daß  der  Reiz  der  Statue  nicht  „in  naiver  Frömmigkeit"  und 
„Darstellung  der  gemütlichen  Erregung"  (Overbeck  Plastik  I2,  329)  beruhte,  denn 
dies  ließe  sich  nimmermehr  mit  dem  Wesen  Myronischer  Schule  vereinen.  Auch 
hier  muß  die  Darstellung  der,  wenn  auch  ruhigeren  Handlung  selbst,  ohne  alle 
Nebenreize  Ziel  gewesen  sein.  Jenem  ersten  Werke  des  Lykios  sehr  verwandt 
war  ein  anderes  des  Styppax,  den  wir  deshalb  gern  mit  der  Myronischen  Schule 
verbinden;  es  ist  der  sogenannte  splanchnoptes,  ein  wahrscheinlich  jugendlicher4 
Sklave,  der  das  Opferfeuer,  an  dem  er  Eingeweide  zu  rösten  im  Begriff  war, 
mit  vollen  Backen  anblies.  Zwar  stellte  derselbe  einen  bestimmten  Lieblings- 
sklaven des  Perikles  dar,  doch  mochte  dies  nur  die  Veranlassung  und  Bestimmung 
des  Werks  abgeben,  und  das  Interesse  bestand  jedenfalls  nur  in  der  lebendigen  33 
Darstellung  jener  Handlung.  —  Einen  bestimmten,  und  zwar  religiösen  Zweck 
hatten  aber  wohl  alle  obigen  Werke,  indes  die  kühnen  Vermutungen,  durch  welche 
man  vielfach  jene  Zwecke  genau  fixieren  wollte,  entbehren  der  überzeugenden 
Begründung.    Uns  genügt  es,  daß  wir  mit  Grund  annehmen  können,  jene  Werke 


1  Sofern  wir  nämlich,  was  das  wahrscheinlichste  ist,  bei  Plin.  34,  79  den  suffitor 
mit  dem  sufflans  languidos  ignes  identifizieren. 

3  Die  Vermutung  Blümners  (Arch.  Ztg.  1870,  S.  55),  daß  der  Phrixos  bei  Paus.  I,  24, 
2,  der  sich  auch  sonst  schon  manches  hat  gefallen  lassen  müssen  (s.  Anm.  1  S.  81)  mit 
dem  puer  sufflans  languidos  ignes  bei  Plinius  identisch,  ja  mit  den  darauf  genannten 
Argonauten  zu  einer  Gruppe  verbunden  gewesen  sei,  ist  gewiß  eine  sehr  unglückliche 
zu  nennen.  Phrixos  Stellung  braucht  keineswegs  unbelebt  gewesen  zu  sein;  das  Feuer 
aber  selbst  anzublasen,  wäre  für  die  Statue  eines  Heros  jedenfalls  unpassend,  wo  nicht 
unmöglich.  Mit  welchem  Rechte  aber  nimmt  Bl.  an,  Pausanias  habe  das  Werk  nur  flüchtig 
betrachtet?  Pausanias,  der  an  dieser  Stelle  es  sogar  der  Mühe  wert  hält,  eine  eigene  Ver- 
mutung über  den  Gott,  dem  wohl  Phrixos  opfern  möge,  auszusprechen!  Und  Pausanias 
soll  dergestalt  blind  gewesen  sein,  daß  er  von  einem  Menschen,  der  erlöschendes  Feuer 
anbläst,  habe  sagen  können:  er  schaut  auf  die  brennenden  Schenkelstücke,  die  er  eben 
ausgeschnitten!  —  Die  Idee  einer  Gruppe  des  opfernden  Phrixos  mit  den  Argonauten 
entbehrt  natürlich  ebenso  jeglichen  Anhalts,  wie  sie  innerlich  unwahrscheinlich  ist. 

3  In  der  Scheidung  der  beiden  Werke  stimme  ich  Overbeck,  Plastik  I2,  393  A.  88  bei. 

4  Ihn  für  einen  Mann  zu  halten,  weil  er  nicht  puer  genannt  wird,  sehe  ich  keinen 
Grund  ein;  das  carus  Pericli  scheint  eher  auf  jugendliches  Alter  zu  deuten. 


Der  Dornaushbher  und  der  Knabk  mit  der  Gans. 


tlles  Weihgeschenke  an  bestimmte  Gottheiten  gewesen;  also  nicht  etwa 
für  private  Dekoration  gearbeitet,  was  mit  dem  durchaus  öffentlichen  Charakter 
•hon  Kunst  jener  Zeit  in  Widerspruch  stände.  -  -  Die  Vorliebe  dieser 
gerade  für  Knabenstatuen  bestätigt  die  Nachricht  von  einem  sehr  schönen 
Knaben  des  Strongylion,  von  dem  wir  aber  gar  nicht  wissen,  ob  er  überhaupt 
ein  Genrestück  war.  Die  bei  Plinius  erwähnte  Statue  eines  „Verwundeten"  von 
Kresilas  war  wieder,  wie  bei  Plinius  so  oft,  höchst  wahrscheinlich  ein  Porträt  und 
II  wohl  das  des  Feldherrn  Diitrephes,  der  von  Pfeilen  verwundet  dargestellt  war.1 
Hiner  anderen  Entwicklung  des  Genres  begegnen  wir  um  dieselbe  Zeit  in  der 
Peloponnes:  es  ist  Polyklet  selbst,  das  Haupt  der  argivischen  Schule,  der  dem 
Genre  neue  Bahnen  bricht.  Zwar  das  eine  der  betreffenden  Werke,  zwei  Kane- 
phoren,  entspricht  noch  ganz  jener  attischen  Richtung  des  Myron  usw.  Kane- 
phoren  nämlich,  d.  h.  Mädchen,  die  im  Dienste  der  Gottheit  Körbchen  auf  dem 
Kopfe  trugen,  spielten  nicht  nur  in  Athen,  sondern  auch  im  argivischen  Hera- 
kultus eine  Rolle.  Das  Werk  war  also  wahrscheinlich  auch  ein  Weihgeschenk 
und  zwar  an  die  Landesgöttin  Hera.  Anders  ist  es  mit  der  Gruppe  zweier 
Knaben,  die  Knöchel  spielen.  Auch  diese  für  ein  Anathem  zu  halten,  ist  gar 
kein  Grund  vorhanden,  sie  waren  vielmehr  offenbar  rein  ihrer  selbst  willen  ge- 
arbeitet. Ein  Kennerurteil,  das  uns  Plinius  mitteilt,2  hielt  sie  für  das  vollendetste 
34  Werk,  das  überhaupt  existierte.  Und  warum?  —  Ganz  gewiß  nicht  etwa  wegen 
der  kindlich  naiven  Stimmung,  die  wir  so  gern  hineindenken  --es  waren  ja  auch 
pueri  und  keine  Kinder  — ,  gewiß  nicht  wegen  des  psychologischen  Ausdrucks, 
denn  sonst  müßten  wir  Polyklet  schlecht  kennen;  sondern  rein  wegen  der  for- 
malen Vollendung.  Darauf  allein  kam  es  Polyklet  an.  Wir  können  uns  nun 
zwar  bei  den  sehr  verschiedenen  Arten  des  Knöchelspiels  im  Altertum  durchaus 
keine  bestimmte  Vorstellung  von  Haltung  und  Motiv  der  Knaben  machen;  doch 
dürfen  wir  aus  der  Richtung  Polyklets  schließen,  daß  im  Gegensatz  zu  jenen 
Myronischen  Werken  das  Interesse  der  Gruppe  im  lebendigen  Momente  der 
Handlung  nicht  bestand,  wohl  aber  in  der  harmonisch  abgemessenen  Linien- 
führung des  Ganzen  und  der  schönen  Durchbildung  des  Einzelnen.  Das  jugend- 
liche Knabenalter,  für  das  Polyklet  eine  besondere  Vorliebe  hatte,  wählte  er  auch 
hier  nicht  etwa  seines  unschuldigen  Charakters  wegen,  sondern  weil  dies  Alter 
der  maßvoll  frischen  Schönheit  seinem  Zwecke  das  günstigste  war. 

1  Jedenfalls  i^t  es  o;inz  unmöglich,   mit  Overbeck    (Plastik  I2,  333)  an    das   monu- 
mentale statuarische  Genrebild    eines   sterbenden  Verwundeten   zu  denken.     Die   frühere 
mtmuig,  daü  er  mit  dem  Diitrephes  identisch,  laßt  sich  durch  verschiedne  Punkte  be- 
In   jedem   Falle   aber   war   das  Werk  ein  Porträt.     [Furtwängler,   Meisterwerke 
La  Chroniqne  des  Arts  1905,  S.  195]. 
.plerlque'  urteilten  so;  Overbeck,   Plastik  I2,  345  scheint  das  —  auch   nicht 
ritlich*,  sondern  bei  der  Behandlung  Polyklets  vorgetragene  —  Urteil  dem  Plinius 
selbM  zuz 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  81 

Daß  gerade  Polyklet  den  für  die  Entwicklung  des  monumentalen  Genres  so 
bedeutsamen  Schritt  tat,  der  dasselbe  aus  den  Fesseln  befreite,  die  ihm  die  Be- 
stimmung für  die  Öffentlichkeit  und  als  Weihgeschenk  an  die  Götter  bisher  auf- 
erlegt hatte,  und  der  ihm  eine  Fülle  von  neuen  Stoffen  zuführte  —  daß  dieser 
Schritt  gerade  durch  Polyklet  geschah,  darf  uns  nicht  länger  wundern,  wenn  wir 
bedenken,  daß  schon  damals  die  argivische  Kunst  einen  ungleich  privateren 
Charakter  trug  als  die  attische  (vgl.  Brunn,  Künstlergesch.  I,  310);  die  großen 
monumentalen,  öffentlichen  Aufgaben  waren  verhältnismäßig  selten,  so  daß  die 
Porträts  der  Athleten  und  dergleichen  Hauptgegenstand  waren;  natürlich  wurden 
die  Künstler  daher  viel  leichter  durch  private  und  subjektive  Neigungen  in  der 
Wahl  ihrer  Gegenstände  bestimmt.  Dazu  kommt  aber  ferner  jener  alte  Gegensatz  35 
peloponnesischer  und  attischer  Schule,  der  in  Polyklet  und  Phidias  gipfelt  und 
der  die  Behandlung  der  Form  nicht  minder,  als  die  des  Inhalts  überall  bestimmend 
durchdringt:  der  Attiker  überall  das  Leben  von  innen  heraus  erfassend,  überall 
nach  Ausdruck  eines  bedeutenden  Inhalts  strebend  —  dagegen  der  Peloponnesier 
nach  einem  abstrakten,  fast  mathematischen  Schema  das  formal  Vollkommene 
suchend,  indem  Handlung  und  Inhalt  weit  zurücktreten:  ein  Polyklet  konnte  als 
das  Beste  seines  Schaffens  einen  „Kanon"  hinterlassen  -  -  für  Phidias  undenkbar. 
Bei  Polyklet  begreifen  wir  es  daher  am  leichtesten,  wenn  er  zuerst  in  jenen 
spielenden  Knaben  ein  Werk  liefert,  das,  nur  der  formalen  Vollendung  wegen 
geschaffen,  seine  Berechtigung  und  Bestimmung  auch  nur  in  sich  trägt. 

Leider  können  wir  die  Genrebildnerei  in  der  Polykletischen  Schule  aus  Mangel 
an  Nachrichten  nicht  weiter  verfolgen.  Denn  das  einzige,  was  man  hieher  zählen 
könnte,  ist  der  Widderopferer  des  Naukydes,  der  aber  allen  Analogien  nach  zu 
jenen  oben  besprochenen  Porträtstatuen  von  Opfernden  gehörte.1 

Um  das  Ende  des  fünften  Jahrhunderts  geht  eine  gewaltige  Umwand- 
lung im  griechischen   Geistesleben   vor  sich,   die  nicht  nur  auf   die   Literatur, 

1  Die  Unwahrscheinlichkeit  des  Bezuges  einer  Inschrift  hierauf  (s.  Overbeck  SQ.  S98 
[I.  G.  II,  1624])  hat  Stephani  (CR.  1866,  S.  140;  1869,  S.  112)  gezeigt.  Aber  auch  sonst  ist 
die  gewöhnliche  Identifizierung  mit  dem  von  Pausanias  gesehenen  Phrixos  (die  Overbeck, 
Plastik  I2,  357  als  vollkommen  sicher  annimmt)  schlecht  begründet,  indem  es  zunächst  schon 
sehr  auffallend  wäre,  wenn  ein  Genosse  Polyklets  auf  die  Akropolis  in  Athen  gearbeitet  und 
Pausanias  dies  nicht  einmal  erwähnt  haben  sollte.  Ferner  aber  kann  die  Annahme  zu  ergän- 
zender mythologischer  Namen  bei  Plinius  nur  mit  größter  Vorsicht  geschehen;  die  nächste 
Analogie  und  genügende  Erklärung  bieten  aber  jene  sacrificantes-Porträts.  Endlich  ist  noch 
zu  beachten,  daß  ein  ebenfalls  peloponnesischer  Zeitgenosse  des  Naukydes,  nämlich  Pa- 
trokles  unter  den  Darstellern  von  sacrificantes  genannt  wird.  Ganz  analog  ist  der  buthytes 
(34,  78)  des  sonst  unbekannten  Isidot:  wie  bei  dem  Werke  des  Naukydes  ist  nur  das 
Motiv  einer  Priesterstatue  zu  erkennen.  Dafür  daß  Plinius  neben  den  allgemeinen  Rubriken 
von  Porträtstatuen  auch  Einzelwerke  derselben  Rubriken  mit  genauerer  Bezeichnung  des 
Motivs  angibt,  ist  ein  zweites  Beispiel  der  „digitis  computans"  des  Eubulides  (34,  88),  denn 
offenbar  bezeichnet  er  nur  genauer  eines  der  Motive  der  „philosophi".  [Furtwängler,  Glypto- 
thek 297.]  Dasselbe  Verhältnis  waltet  zwischen  einem  „destringens  se"  und  den  „athletae"  ob. 
A.  Furtwängler.   Kleine  Schriften  I.  6 


Der  Dornausziehbr  und  der  Knabe  mit  der  Gans. 


sondern  namentlich  auch  auf  die  Kunst  den  größten  Einfluß  hatte.  Wir  können 
den  wesentlichsten  Punkt  kurz  so  bezeichnen:  das  Innenleben  der  Seele  in 
danke  und  Gefühl  ringt  überall  nach  Ausdruck.  Für  die  Kunst  hatte  dies  die 
wichtige  Folge,  daß,  indem  man  vor  allem  die  allgemein  menschlichen  Affekte, 
wie  Schmerz,  Lust,  Liebe  und  dergleichen  zur  Darstellung  zu  bringen  suchte, 
der  Ausdruck  des  individuell   persönlichen  Grundcharakters   zurücktrat  vor  dem 

36  einer  allgemein  menschlichen  Situation  und  Empfindung.  Demnach  mußte  auch 
das  Mythologische  dem  Genre  bedeutend  näher  treten.  Das  alles  ist  nun  schon 
bei  den  beiden  Häuptern  der  neuen  Periode,  bei  Skopas  und  Praxiteles  in 
hohem  Grade  der  Fall.  Dionysos  und  Aphrodite,  die  Götter  der  menschlichsten 
Empfindungen,  werden  Hauptgegenstand;  doch  damit  sich  nicht  begnügend,  stellt 
man  eine  ganze,  viel  abgestufte  Skala  von  Affekten  in  der  Umgebung  und  den 
Begleitern  jener  Götter  dar:  in  Eros,  Pothos  und  Himeros,  Peitho  und  Paregoros, 
in  den  Satyrn  und  Mänaden,  in  den  Nereiden  und  Tritonen.  Ja,  die  berühmte 
Manade  des  Skopas,  das  Mädchen  in  der  stürmischsten  bakchischen  Begeisterung, 
die  Satyrn,  Mänaden,  Thyiaden,  Silene  des  Praxiteles 1  stehen  dem  Genre  als 
Repräsentanten  der  Empfindungen  einer,  wenn  auch  mythischen,  Gattung  sehr 
nahe.  Dem  menschlichen  Kreise  sind  jedoch  entnommen  die  Karyatiden  des 
Praxiteles,  d.  h.  lakonische  Tänzerinnen  zur  Ehre  der  Artemis,  ebenso  je  eine 
Kanephore  von  Skopas  und  Praxiteles:  solche  Mädchen  im  heiligen  Dienste 
waren  also  damals  ein  beliebter  Gegenstand,  während  Myrons  Richtung  die 
Knaben  vorgezogen  hatte.  Noch  deutlicher  tritt  diese  Vorliebe  der  Zeit  für  die 
gefällig  zarte  Anmut  des  weiblichen  Wesens  in  zwei  Werken  des  Praxiteles 
hervor:  ein  Mädchen,  das  einen  Kranz  hält2  und  ein  anderes,  das  im  Begriffe 
ist,  sich  ein  Hals-  oder  Armband  anzulegen:  so  verallgemeinern  und  erweitern 
sich  immer  die  Gegenstände  des  Genres,  und  jene  Kanephoren,  die  nur  einen 
bestimmten  kleinen  Kreis  von  Individuen  repräsentieren,  waren  nur  der  Übergang 
zu  der  ganz  allgemeinen  Darstellung  weiblichen  Liebreizes. 

Verwandt  war  die  Statue  eines  Diadumenos,  die  Praxiteles  auf  der  Akropolis 

37  setzte.  Sowohl  der  Umstand,  daß  uns  weder  von  ihm  noch  von  Skopas  irgend 
etwas  Athletisches  bekannt  ist,  als  die  Art  der  Beschreibung  jenes  Werkes  zeigt, 
daß  hier  die  möglichst  anmutige  und  sinnlich  reizende  Behandlung  eines  zarten 


Sehr  unwahrscheinlich  ist  mir,   daß  alle  die  bei  Plinius  36,  23   genannten  Werke 
im  Besitze  des  Asinius  Pollio  ursprünglich  eine  Gruppe  gebildet  haben  sollten. 

•w.is  Mythisches  anzunehmen,    ist   gar    kein  Grund  vorhanden;   ungleich   näher 

auch  hier  (vgl.  Anm.  4  S.  83)  an  Grabmonumente  zu  denken,  wo  ähnliche  Mo- 

Ihnlich  sind;  indes  ist   auch  dies  nicht  nötig.  —  Verwandter   Natur   müssen 

von  Apellas  gewesen  sein  (denn  dies,  nicht  adorantes  ist   die 

i  aufgenommene  Lesart  bei  Plinius  34,  86).  Wegen  dieser  Werke  möchte 

rsl  von  OL  1W  an  arbeiten  lassen,  als  schon  von  ( )|.  90  (vgl.  Brunn, 

■    Künstl  7)\  Kyniska  konnte  ja  die  jüngere  Schwester  des  Agesilaos  sein 

und  nkmal  1  H  nach  dem  Siege  aufgestellt  werden.    [Olympia  V  S.  278. \ 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  83 

Jünglings,  der  sich  zum  Tanze  anschickte  und  deshalb  sich  mit  einer  Binde 
schmückte,  Gegenstand  war.  Vielleicht  setzte  Praxiteles  dieses  Denkmal  einem 
persönlichen  Lieblinge,1  wie  ja  auch  das  Bild  seiner  Geliebten  Phryne  von  seiner 
Hand,  aber  von  jener  selbst  geweiht  in  Delphi2  und  in  Thespiä  gar  neben 
Aphrodite  im  Tempel  des  Eros  stand.3  —  Ob  die  von  Plinius  erwähnten  Statuen 
einer  weinenden  Matrone  und  einer  lachenden  Buhlerin  hierher  gehörten,  ist  für 
mich  mehr  als  zweifelhaft.4 

Auf  der  künstlerischen  Gestaltung  des  psychologischen  Ausdrucks  lag  jeden- 
falls auch  das  Hauptgewicht  in  einem  noch  nicht  ganz  aufgeklärten  Werke  des 
Leochares,  das  wahrscheinlich  einen  von  der  Komödie  verspotteten  Sklaven- 
händler Lykiskos  darstellte,  der  einen  Knaben  mit  dem  Ausdruck  der  schlausten 
Verschmitztheit  feilbot.  Das  Porträt  war  hier  gewiß  nicht  der  Person  wegen  ge- 
wählt, sondern  um  gewisse  psychologische  Eigenschaften  treffend  auszudrücken.5 

Am  Ende  dieser  Periode  steht  Lysipp,  der  uns  schon  auf  die  folgende 
vorbereitet.  Ein  sichres  Genrebild  aus  dem  Alltagsleben  war  seine  „betrunkene 
Flötenspielerin",  eines  jener  Mädchen,  die  bei  den  Zechgelagen  der  Alten  zum 
musikalischen  und  sonstigen  Vergnügen  dienten.6  Also  ein  Werk  zur  Privat- 
dekoration, die  von  nun  an  die  Künstler  hauptsächlich  in  Anspruch  nimmt, 
etwa  für  einen  Speisesaal  sehr  geeignet.  Das  Interesse  war  auch  hier  ein  vor- 
wiegend psychologisches,  die  Wirkung  des  Weines  und  die  aufgeregte  Sinnlich- 
keit ausgedrückt  zu  sehen.    Dazu  kam  aber,  ganz  wie  in  dem  Werke  des  Leochares, 

1  Der  Ausdruck  i'Sovosv  bei  Kailistrat  scheint  dies  zu  bestätigen  (vgl.  Anm.  2  S.  78). 

2  Pausan.  X,  15,  1.  —  Overbeck  SQ.  1269  ff. 

3  Pausan.  IX,  27,  5.  —  SQ.  1246,  1251. 

4  An  der  Rohheit  der  Komposition  mit  Recht  Anstoß  nehmend,  vermuteten  Frie- 
derichs (Praxiteles  S.  56)  und  Heibig  (Fleckeisens  Jahrbücher  1867,  659  Anm.)  Personi- 
fikationen. Indes  die  ganze  Gegenüberstellung  ist  ohne  Analogie  in  jener  Zeit  und  scheint 
mir  lediglich  den  Epigrammen,  auf  die  ja  die  ganze  Stelle  mit  Sicherheit  weist,  zu  ent- 
stammen, ähnlich  wie  dies  z.  B.  bei  dem  viriliter  puer  und  molliter  juvenis  des  Polyklet 
der  Fall  zu  sein  scheint  (vgl.  Dilthey  im  Rhein.  Mus.  1871,  290).  Gewiß  nicht  ohne  Grund 
war  aber  die  Ansicht  im  Altertum,  daß  die  Buhlerin  Phryne  sei.  Dabei  ist  zu  beachten, 
daß  keine  der  zwei  in  Thespiä  und  Delphi  befindlichen  Phrynestatuen  bei  Plinius  erwähnt 
wird.  Die  flens  matrona  ferner  war  gewiß  dasselbe  wie  die  von  Sthennis,  also,  wie  wir 
oben  sahen,  die  Statue  einer  wehmütigen  Frau,  wohl  für  ein  Grab;  daß  Praxiteles  eben 
solche  Werke  machte,  zeigt  der  Krieger  neben  seinem  Roß  als  Grabmonument  (ijiid>]fia 
des  TÜcpog  nennt  ihn  Paus.  I,  2,  3,  also  Statue).  —  Beide  ursprünglich  getrennten  Werke 
wurden  dann  in  Epigrammen  (vielleicht  auch  in  Kopien)  gern  gegenübergestellt,  als  Typen 
zweier  Gegensätze. 

5  Zwar  müßten  nach  der  sonstigen  Aufzählungsweise  des  Plinius  34,  79  der  mango 
und  der  puer  getrennte  Werke  sein  wegen  des  ebenfalls  asyndetisch  vorher  angeführten 
Apollo  diadematus;  doch  sachlich  berechtigt  ist  die  gewöhnliche  Zusammenfassung  der- 
selben zu  einer  Gruppe;  nur  muß  man  dann  entweder  zu  puerum  ein  verbindendes  et 
(que  ac)  hinzukonjizieren,  oder,  was  mir  wahrscheinlicher,  eine  Ungenauigkeit  des  Plinius 
annehmen,  der  die  Kürze  seines  Exzerpts  beim  Verarbeiten  aus  Flüchtigkeit  mißverstand. 

6  Stephan!  CR.  1868  S.  82  ff. 

6* 


DORNAUSZIEHER  UND   DER   KNABE  MIT  DER  GANS. 


38  d  istisch  Charakteristische,   daß   nämlich   jene  Wirkungen   an  einer  solchen 

niederen  Person  zur  Darstellung  kommen;  unser  Werk  kann  man  daher  passend 
als  das  realistische  Gegenbild  von  Skopas'  Mänade  bezeichnen.  Wie  sehr  diese 
Zeit  derartige  Darstellungen  betrunkner  Frauen  liebte,  und  wie  weit  sie  darin  in 
humoristischer  Freiheit  und  Lebendigkeit  ging,  können  uns  einige  Terrakotta- 
Statuetten  aus  Südrußland  vergegenwärtigen.1  Ferner  gehört  die  im  Altertum 
berühmte  Statue  einer  betrunknen  Alten  (von  Plinius  irrtümlich  dem  Myron  zu- 
schrieben), von  der  die  bekannte  Capitolinische  und  eine  Münchener  Statue 
wahrscheinlich  Nachbildungen  sind,  wohl  auch  in  diese  Zeit  und  Richtung.  — 
Derselben  Gattung  des  niedrig  Komischen  gehörten  wahrscheinlich  die  „comoedi" 
des  Chalkosthenes  an,  d.  h.  Statuen  komischer  Schauspieler,  wenn  wir  nicht  vor- 
ziehen, auch  sie  als  Porträts  zu  fassen;  andernfalls  würden  uns  auch  hier  zahl- 
reiche Terrakotten  die  Behandlungsart  veranschaulichen  können.9 


1  CR.  1869  Taf.  3,  12  ff.  —  Die  treffliche  Gruppe  eines  Pädagogen  und  seines  Schutz- 
befohlenen ebenda  Taf.  2,  2  hat  etwas  dem  Werke  des  Leochares,  wie  wir  es  uns  denken, 
üg  Verwandtes.  -  Was  die  trunkne  Alte  Maronis  in  Smyrna  betrifft,  so  sind  Wustmanns 
Ausführungen  im  Rhein.  Mus.  1867,  22  verkehrt  und  gänzlich  falsch.  Benndorfs  Be- 
denken Arch.  Ztg.  1868,  S.  78  beruhen  auf  der  nicht  zutreffenden  Vorstellung,  als  sei  Plinius' 
Fehler  aus  den  Epigrammen  selbst  geflossen;  diese  lehren  uns  ja  weiter  nichts,  als  daß 
man  unter  MaQcoyk  eine  berüchtigte  alte  Trinkerin  verstand.  Wie  nah  lag  es  nun,  daß 
der  Künstler  (vielleicht  auch  nur  das  Publikum)  seiner  Genrestatue  einer  betrunkenen 
Alten  von  der  Art  der  uns  erhaltnen,  jenen  hiefür  typischen  Namen  beilegte.  Magoovtg 
konnte  also  sehr  wohl  eine  in  Smyrna  befindliche  berühmte  Statue  heißen  und  als  solche 
von  den  Quellen  des  Plinius  beschrieben  werden.     [Furtwängler,  Glyptothek  437.) 

s  Z.B.  CR.  1869  Taf.  2,  7.  8;  S.  146.  —  Nicht  ins  Gebiet  des  Genres  gehören: 
Der  (oder  die?)  adorans  des  Boedas,  des  Sohnes  Lysipps;  er  ist  wie  die  sacrificantes  zu 
beurteilen;  der  betende  Knabe  in  Berlin,  den  man  auf  ihn  zurückgeführt  hat,  gehört  indes 
auch  nicht  .dem  Gebiete  des  rein  Genrehaften"  an  (Overbeck,  Plastik  II2,  115);  auch 
damals  erhielten  ja  Athletenknaben  noch  oft  Statuen  (z.  B.  SQ.  1518  von  Daippos)  und 
aus  I.ysippischer  Zeit  mag  er  wohl  stammen.  [Vgl.  Furtwängler,  Beilage  zur  Allgcm.  Ztg. 
S2.)  -  Der  senex  Thebanus  von  Tisikrates,  von  dem  sonst  nur  Porträts  ge- 
nannt werden,  war  vielleicht  auch  eines;  indes  könnte  man  auch  an  Teircsias  denken. 
Ebensowenig  ist  die  epithyusa  des  Phanis  ein  „Genrebild",  sondern  gehört  in  die 
Klasse  der  opfernden  Frauenporträts.  [Furtwängler,  Münchner  Jahrb.  1907  S.  9.]  —  Epi- 
gonus,  wahrscheinlich  erst  aus  hellenistischer  Zeit,  macht  (Plin.  34,  88)  die  Erzstatue  eines 
Trompeters.  Da  nun  an  den  großen  Festspielen  auch  Trompeter  wettkämpften,  was  nament- 
lich von  einem  gewissen  I  lerodoros  zu  Ende  des  4.  Jahrh.  berichtet  wird,  so  konnte  Epigonus' 
Statue  leicht  das  Porträt  eines  solchen  Siegers  sein.  Dasselbe  kann  von  einem  Gemälde 
Antidotus  (Plin.  35,  130)  vermutet  werden,  von  dem  außer  dem  tubicen  noch  ein 
luctator  und  ein  clipco  dimicans,  d.  h.  wohl  ein  Hoplitodrom  genannt  werden  —  lauter 
gleichartige,   auf  die  Wettkämpfe  bezüglichen  Werke.  —  Nach  den  bisherigen  Analogien 

ich  Simons  Erzwerk,  ein  Hund  und  ein  Bogenschütze  (Plin.  34,  90)  zu  beurteilen; 

iicinlich  gehörte   der  Hund   zum  Schützen    und    wir   haben   nur   wieder   eine 

speziellere  Angabc  über  einen    der  „venatores",    also   ein  Porträt,   aber    nicht   das   eines 

hen  naturlich,   sondern  etwa    eines  Kreters   oder  Skythen,  für  welch    letztere    die 

hen  )3  so  viel  ti  n.     Dann  kann  aber  dieser  Simon    mit   dem    alten  Aginetcn 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  85 


Unvermerkt  sind  wir  so  in  eine  ganz  neue  Richtung  der  Kunst  geraten; 
und  wenn  wir  uns  vorhin  bei  der  betrunknen  Flötenbläserin  der  Mänade  des 
Skopas  erinnerten,  so  haben  wir  damit  den  ganzen  großen  Gegensatz  bezeichnet, 
der  die  Kunst  zu  Ende  des  vierten  Jahrh.  von  der  zu  Anfang,  der  Lysipp  von 
Skopas  und  Praxiteles  trennt.  In  beiden  Fällen  zwar  haben  wir  das  Streben 
nach  Ausdruck  der  Affekte,  dort  aber  in  der  Mänade  idealisiert  man  sie  zu  einem 
mythischen  Bilde,  hier  ergreift  man  nur  die  nackte,  unmittelbare,  niedrige  Wirklich- 
keit. Es  ist  dies  jener  bedeutungsvolle  Gang  zum  Realismus,  den  die  griechische 
Kunst,  wie  alles  Andere,  mit  größter  Gesetzmäßigkeit  und  Notwendigkeit  zurück- 
legte: eine  Richtung,  die  vor  Allem  nach  Ausdruck  der  Affekte,  der  stürmisch 
leidenschaftlichen,  wie  der  ruhig  anmutigen  strebte,  mußte  dazu  gelangen,  die  39 
zufällig  momentane  Erregung  vor  dem  beständigen  Grundwesen  vor- 
walten zu  lassen.  Und  dies  mußte  dazu  führen,  daß  man  statt  der  Halbgötter 
und  Dämonen,  die  Praxiteles  und  Skopas  zu  ewigen,  idealen  Bildern  der  Affekte 
geschaffen  hatten,  daß  man  statt  ihrer  ohne  Umschweife  an  einem  alltäglich 
wirklichen  zufälligen  Moment  jene  Erregungen,  verbunden  mit  individueller 
Charakteristik  der  der  Wirklichkeit  entnommenen  Person,  darzustellen  unternahm. 
Daß  gerade  Lysipp  als  ein  Hauptvertreter  dieser  neuen  Richtung  erscheint, 
steht  wieder  vollkommen  in  Harmonie  mit  seinem  ganzen  Kunstcharakter;  denn 
überall,  in  seiner  Änderung  der  alten  Proportionen,  in  seiner  Neuerung  der  Haar- 
behandlung, zeigt  sich  sein  Streben  nach  Ausdruck  der  unmittelbaren  Wirklichkeit. 
Ja  es  steht  damit  in  engster  Verbindung  eine  neue  Art  der  geistigen  Auffassung 
mythischer  Gegenstände,  die  für  unsere  Betrachtung  des  Genres  von  höchster 
Wichtigkeit  ist.  Denn  überallhin  verbreitet  sich  jetzt  durch  das  Streben  nach 
momentaner  Wirklichkeit  eine  Auffassung,  die  man  am  besten  als  genrehaft  be- 
zeichnet, da  sie  weniger  auf  die  Darstellung  des  individuellen  Wesens  der 
mythischen  Person,  als  auf  die  einer  allgemein  reizenden  Situation  zielt. 


gleichen  Namens  nicht  identisch  sein.  Was  das  bei  Plinius  folgende  „scopas  uterque" 
betrifft,  so  sind  die  beiden  bisherigen  Erklärungen  nicht  stichhaltig:  das  Unbegründete 
der  weit  geholten  Deutung  von  scopas  als  Satyrn  in  tanzender  Bewegung  wurde  schon 
von  andrer  Seite  bemerkt;  noch  weniger  kann  aber  die  von  einigen  angenommene  Kon- 
jektur copas  zugegeben  werden;  man  stellte  sich  darunter  schmucke  Kellnerinnen  vor, 
die  nicht  nur  Stratonikos,  sondern  in  merkwürdiger  Übereinstimmung  auch  der  ebenfalls 
mit  S  beginnende  Simon  reihenweise  fabriziert  haben  soll!  Solches  konnte  man  dem 
antiken  Genre  zutrauen!  —  Überdies  ist  copae  ein  ganz  römisches  Wort  wie  Begriff, 
für  den  das  griechische  Original,  das  aber  schwerlich  existiert,  erst  nachgewiesen  werden 
müßte.  —  Offenbar  steckt  die  Korruptel  in  uterque;  Scopas  der  Künstlername,  der  ja  in 
die  alphabetische  Aufzählung  trefflich  paßt,  ist  beizubehalten;  man  könnte  zwar  den  be- 
rühmten Marmorkünstler  näher  bezeichnet  wünschen,  aber  notwendig  ist  bei  der  inkonse- 
quenten Art  eines  Kompilators  wie  Plinius  ein  solcher  Zusatz  nicht.  Da  in  diesem  alpha- 
betischen Kataloge  immer  der  Künstlername  vor  das  Werk  gesetzt  wird,  so  vermute  ich 
in  uterque  eine  von  Skopas  gebildete  Gattung  von  Gegenständen.  Ist  utrarios  zu  lesen? 
d.  h.  Schlauchträger,  äoxoqooovg,  Satyrn  oder  Silene  mit  Schlauch,  wie  wir  sie  aus  Monu- 
menten der  jüngern  Attischen  Schule  so  zahlreich  kennen?  — 


s.  Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans. 


L'm  dies  zu  würdigen,  werfen  wir  einen  Blick  zurück  auf  die  Entwicklung 
Einzelstatue  der  Götter:  Phidias  stellte  den  Gott  ausschließlich  in  seinem 
allgemeinen  abstrakten  Grundwesen  dar;  so  gab  er  in  dem  Olympischen  Zeus 
und  der  Athenischen  Parthenos,  die  wir  näher  kennen,  nichts  als  den  vollen  Be- 
griff dieser  Gottheiten,  in  abstrakter  Ruhe  gefaßt.  Denn  freilich  kann  Zeus  auch 
zornig  und  mild,  kriegerisch  und  verliebt  sein,  aber  all  dies  gehört  nicht  zu 
seinem  Wesen  als  König  und  Vater  der  Götter  und  Menschen,  und  den  allein 
40  zeigt  uns  Phidias.  Hierauf  tragen  nun  Skopas  und  Praxiteles  jene  seelischen 
Krregungen  auf,  die  einen  momentanen  Zustand  voraussetzen,  der  sich  also  auch 
verändern  kann.  Aber  -  was  sehr  wichtig  ist  —  man  beschränkte  sich  dabei 
auf  diejenigen  Gestalten,  zu  deren  Wesen  und  Begriff  eben  solche  Erregungen 
gehören:  also  die  Götter  der  Liebe  oder  des  bakchischen  Genusses  oder  des 
ewig  erregten  begehrenden  Meeres.  Auch  bei  der  Demeter  z.  B.,  deren  Ideal 
wir  dieser  Zeit  verdanken,  liegt  der  sehnsüchtig  wehmutsvolle  Zug  tief  im  Wesen 
der  verlassnen  Witwe,  die  ihr  einzig  Kind  verloren,  begründet.  Daher  finden 
wir  denn  auch  jetzt  jene  abstrakte  Ruhe  des  ewig  seienden  Gottes  noch  mög- 
lichst gewahrt.  So,  um  Bestimmtes  zunächst  von  Praxiteles  anzuführen,  kennen 
wir  von  ihm  eine  Artemis,  in  der  Rechten  die  Fackel,  auf  dem  Rücken  den  Köcher, 
zur  Seite  einen  Hund  (Paus.  X,  37,  1);  ebenso  einen  Dionysos,  der  sich  auf  den 
Thyrsos  stützt,  mit  zartem  Lächeln  und  leuchtendem  Auge  (Kallistr.  8);  der  Eros 
in  Parion  sowohl,  wie  der  von  Kallistratus  beschriebne  (Stat.  3)  zeigten  den 
Gott  in  zarter  Erregung,  und  ebenso  wenig  von  einer  bestimmten  realen  Handlung 
hat  der  bekannte  Eros  von  Centocelle,  an  dem  man  mit  Recht  praxitelische 
Richtung  erkennt:  in  ruhiger  Haltung  spricht  er  sein  inneres  Wesen  aus  durch 
den  liebeentzündenden  Blick  [unten  S.  126;  Furtwängler, Meisterwerke  S.  539f.  569]; 
vortrefflich  fügt  sich  in  diesen  Kreis  auch  der  an  einem  Baumstamm  lehnende  Satyr 
in  seiner  schalkhaft  anmutigen  Sinnlichkeit,  den  wir  in  so  vielen  Repliken  be- 
sitzen;1 nicht  minder  der  wohl  mit  größerm  Rechte  für  Praxitelisch  gehaltne 
ruhig  stehende  Satyr,  der  Wein  in  eine  Schale  gießt  (Denkm.  a.  K.  II,  459;  vgl. 
Stephani  CR.  1868,  S.  106  ff.;  [Furtwängler,  Meisterwerke  S.  534]).  Vor  Allem 
bezeichnend  ist  aber  das  berühmteste  Werk  des  Praxiteles,  die  Knidische 
Aphrodite:  wir  würden  sehr  fehl  gehen,  wenn  wir  auch  hier,  unsrer  modernen 
jung   folgend,  ■   eine   bestimmte  Szene  und  Handlung,   das   Bad  der  Aphro- 

1  Wenn    Stephani    neuerdings    (CR.  1870/71,   S.  99;    vgl.  Mclanges  Grcco-Romains 
III,  mit  Zuversicht  behauptet,  er  sei  nur  eine  statuarische  Nachbildung   des  Ge- 

mäldes des  Protogenes,  so  ist  das  recht  wohl  möglich,  indem  das  Motiv  desselben  jeden- 
lall  iinlich  war.     Auch  daß  noch  Protogenes  in   wesentlich   praxitelischem  Geiste 

chaffen   habe,   wäre   in    dieser  Zeit   der  Übergänge   und   der   sich   durch- 
kreuzenden Richtungen  nichts  Auffallendes      [Furtwängler,  Glyptothek  229.] 

1  Wie  stark  die  Neigung,  die  Idealität  antiker  Statuen  in  momentane  Situation   auf- 
leidcr    oft    noch    i  I  z.  B,  die    Auseinandersetzung    über   die    „Idee"    der 

rbeck,  Plastik  [•,  225. 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  87 

dite  dargestellt  sehen  wollten;  ja  der  Künstler  hat,  eben  um  dies  zu  verhüten, 
es  mit  feiner  Berechnung  in  der  Schwebe  gelassen,  ob  die  Göttin  das  Gewand, 
das  sie  in  der  Linken  hält,  von  der  Vase  aufzieht  oder  ob  sie  es  fallen  läßt,  und 
es  war  sehr  verkehrt,  wenn  man  sich  oft  darum  gestritten  hat,  welches  von  beiden 
der  Fall  sei.  Nicht  eine  bestimmte  Badeszene  wollte  der  Künstler  geben,  sondern 
das  ganze  Wesen  der  Liebesgöttin:  einerseits  dies  schamhafte  Sichzurückziehen 
in  sich  selbst,  andrerseits  das  sehnsüchtig  liebende  Verlangen;  das  Gewand  kann 
die  Göttin  jeden  Augenblick  an  sich  ziehen,  um  ihre  Schamhaftigkeit  zu  bewahren, 
sie  kann  es  fallen  lassen,  um  in  ganzem  Glänze  als  echte  Göttin  der  Schönheit 
dazustehen.  Sehr  bezeichnend  ist  aber,  daß  fast  alle  späteren  Nachbildungen 
eine  momentanere  Fassung  hereintragen  [Furtwängler,  Glyptothek  258].  Ganz 
denselben  Fall  beobachten  wir  an  der  Aphrodite  Anadyomene  des  Apelles. 
Auch  sie  war,  nach  den  Resultaten  der  neuesten  Untersuchungen,1  nicht  etwa 
in  der  Handlung  des  Aufsteigens  aus  dem  Meere  begriffen  dargestellt,  sondern, 
bereits  am  Lande,  ruhig  stehend  drückt  sie  den  Schaum  des  Meeres  aus  den 
Locken,  —  ein  Motiv,  das  die  Hauptsache,  den  Ausdruck  des  Wesens  der  Göttin 
in  dem  „nodos"  dem  Liebesverlangen  der  Augen,  nicht  beeinträchtigen  konnte. 
Aber  auch  hier  bringen  weitaus  die  meisten  späteren  Nachbildungen  eigentliche 
Aktion  herein,  indem  sie  eine  sich  putzende,  schmückende,  frisierende  Frau,  also 
ein  Genrestück  daraus  machen.  —  Scheinbar  widersprechend  unsern  Aussprüchen 
ist  der  Sauroktonos  des  Praxiteles,  jene  jugendliche  Apollostatue,  deren  ganzes 
Interesse  in  der  graziös  anmutigen  Handlung  des  Gottes,  der  eine  Eidechse  auf- 
spießen will,  beruht:  aber  diese  Handlung  ist  keine  willkürlich  gewählte,  sondern 
in  ihr  findet  eben  das  mythische  Wesen  des  Sauroktonos  allein  seinen  Ausdruck;  42 
denn  kennen  wir  auch  ihre  Bedeutung  noch  nicht,  so  war  sie  doch  gewiß  durch 
Kultusanschauungen  bedingt.  Ebenso  ist  es  zu  fassen,  wenn  man  schon  in 
archaischer  Zeit  (Menaichmos  und  Soidas)  Artemis  in  der  Handlung  des  Jagens 
darstellte,  denn  diese  spricht  eben  das  Wesen  der  Göttin  aus. 

Um  nun  gleich  den  Gegensatz  jener  oben  bezeichneten  neuen  Entwicklung 
zu  bringen:  die  sog.  Artemis  von  Gabii!  sie  heftet  sich  das  Gewand  auf  der 
Schulter  fest,  gewiß  ein  reizendes  Motiv,  aber  offenbar  für  jedes  andere  Wesen 
ebenso  passend  als  für  Artemis  (gleichwohl  ist  die  Bezeichnung  Atalante  eine 
willkürliche).  [Vgl.  Furtwängler,  Meisterwerke  S.  554.  635.]  Ähnlich  ist  es,  wenn 
sich  Apoll  mit  einer  Tänie  das  Haar  aufbindet.2  Dieses  Streben  nach  einer  all- 
gemein menschlichen,  künstlerisch  interessanten  Situation  und  Aktion  tritt  ferner 


1  Von  Stephani  im  CR.  1870/71,  S.  69  ff.  [Furtwängler,  Helbings  Monatsber.  über 
Kunstwiss.  I  S.  177]. 

2  Paus.  I,  8,  4.  Nicht  unmöglich  wäre,  was  Overbeck,  SQ.  1306  vermutet,  daß  er 
mit  dem  Apollo  diadematus  (Plin.)  des  Leochares  identisch;  eine  Hinneigung  zu  Lysip- 
pischer  Auffassung  scheint  im  „mango"  vorzuliegen,  auch  arbeiteten  beide  Künstler  zu- 
sammen gemeinsam  (an  der  Alexanderjagd). 


ss  DORNAUS2IEHEP   UND  DER  KNABE  MIT  DER  GANS. 


sehr  deutlich  bervoi  an  dem  sog.  Jason,  d.  h.  dem  Hermes,  der,  einen  Fuß  auf 
rfaöhung  stellend,  sich  die  Sandale  auszieht  [Furtwängler,  Glyptothek  287]: 
estimmtes  für  den  Götterboten  alltägliches  Motiv  bildet  den  Inhalt, 
nicht  sein  inneres  Wesen  (wie  etwa  beim  vatikanischen  Hermes-Antinous).  Die- 
selbe Veriußerlichung  erleidet  aber  auch  Eros,  indem  mau  ihn  jetzt  im  Gegen- 
eu  dem  handlungslosen  Praxitelischen,  in  der  lebhaften  Situation  des  Bogen- 
spannens  darstellt.  •  Diese  Umwandlung  in  der  statuarischen  Kunst  ging  um 
die  Zeit  Alexanders  vor  sich  und  als  ihr  Hauptbegründer  muß  Lysipp  erscheinen, 
dessen  Hinflüsse  auch  in  den  beiden  zuletzt  genannten  Werken  deutlich  sind.  Ging 
doch  das  ganze  Streben  des  Lysipp  nach  momentaner  Fassung  der  statuarischen 
Komposition:  deshalb  gab  er  seinen  Werken,  im  Gegensatze  zu  der  früheren 
sicheren  Ruhe,  jene  eigentümliche  Unruhe  und  schwankende  Beweglichkeit,  jene 
momentane  Stellung,  die  sich  jeden  Augenblick  ändern  kann  und  die  wir  an 
seinem  Apoxyomenos  bewundern,  wie  auch  an  andern  unter  seinem  Einflüsse 
stehenden    Werken.1  Man    kann    diese    interessante    Umwandlung,    die   die 

mythischen  Gegenstände  dem  Genre  so  nahe  bringt,  noch  an  manchen  andern  Sta- 
tuen verfolgen,  wie  z.  B.  am  sog.  Barberinischen  Faun,  dem  betrunken  schlafenden 
Satyrn  im  Gegensatze  zu  dem  oben  erwähnten  ruhigen,  oder  an  den  zahlreichen 
Aphroditen,  die  die  Göttin  im  Bade  und  bei  der  Toilette  zeigen  oder  an  den 
uns  überkommenen  Amazonenstatuen,  wo  wir  an  einer  auf  den  Knieen  liegenden, 
den  Sieger  leidenschaftlich  anflehenden  Amazone  (Mon.  d.  Inst.  IX,  37),  einem 
Werke  voll  momentanster  Handlung,  einen  sprechenden  Gegensatz  haben  zu 
jenen  bekannten,  den  älteren  Schulen  des  Polyklet  und  Phidias  angehörenden 
Statuen,  bei  denen  von  einer  Handlung  kaum  die  Rede  sein  kann,  wo  alles 
Gewicht  im  Ausdruck  des  Grundwesens  liegt.  Doch  wir  dürfen  bei  diesen  Fragen, 
so  interessant  sie  sind,  nicht  allzulange  verweilen. 

Kehren  wir  daher  zu  unserm  Ausgangspunkte,  der  trunknen  Flötenspielerin 
des  Lysipp  zurück,  so  reiht  sich  nun  diese  neue  Erscheinung  vollkommen  be- 
gründet, ja  mit  einer  gewissen  Notwendigkeit  in  den  Gang  der  gesamten  Kunst 
ein.  Denn  auch  hier  begegnen  wir  im  Vergleich  zu  den  früheren  Leistungen 
ires  einem  Herabsinken  zum  zufällig  Wirklichen,  Momentanen:  hatte  näm- 
lich Myrons  Schule  gewisse  Bewegungen  und  Handlungen  zu  Idealen 
.halfen  (ohne  Rücksicht  auf  Charakterisierung  der  ausführenden  Person  nur 
die  Handlung  selbst  darstellend),  hatten  Polyklet  und  dann  in  verwandter  Weise 
Praxiteles  die  allgemein   menschliche  Schönheit,   die   männliche,   wie   die 

'   B.  dem  Alexander  hei  Clarac,  Musee  de  sculpt.  264,  2100,  dem  Herakles  ebenda 

1968;  785,  1966;  auch  am  bogenspannenden  Eros.  —  Auch  der  ein  Bein  aufstellende 

Alexander  in  München   (Glypt  Nr.  153   [Furtwängler,  Glyptothek  298])  zeugt  von   dem 

•jen  nach  momentan  bewegter  Fassung  in  Lysipplscher  Weise.  —  Aus  all  diesen  und 

den  im  Texte  angefahrten  Tatsachen  erhellt,  daß  ich  der  Behauptung  E.  Petersens  (Pheidias 

n  äußerlich  ruhiger  gewesen  als  die  des  Praxiteles,  nicht 
beipflichten  kann. 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  89 


weibliche,  an  einfachen  Alltagsmotiven  idealisiert  —  so  greift  nun  die  an  idealer 
Kraft   erlahmende  Kunst   des  Lysippos   zum  Niedrigcharakteristischen   und 
stellt  einen  Einzelmoment  der  Wirklichkeit  mit  treffender  Individualisierung  dar,  44 
aber  ohne  jenen  allgemein  menschlichen  idealen  Bezug.  — 

Trotz  dieser  Verschiedenheiten  im  Einzelnen  trägt  aber  die  ganze  bisher  be- 
trachtete Entwicklung  des  Genres  einen  gemeinsamen  Charakter  gegenüber  der  nun 
folgenden;  denn  hier  liegt  noch  überall  das  Interesse  nur  in  der  reinen  Darstel- 
lung des  Gegenstandes  aus  dem  Alltagsleben.  Doch  wird  uns  dies  erst  klar 
werden,  wenn  wir  den  Gegensatz,  das  hellenistische  Genre  betrachtet  haben. 

Vorerst  aber  haben  wir  uns  noch  in  der  Malerei  aus  der  Zeit  vor  den  Diadochen 
nach   den  Leistungen   des   Genres   umzusehen.1   —  Nachdem   die  großräumige 

1  Nach  Analogie  des  bei  den  Bildhauern  Bemerkten  verweise  ich,  hier  allerdings 
mit  geringerer  Sicherheit,  Folgendes  aus  dem  Gebiete  des  Genres  in  das  des  Porträts: 
zunächst  die  Athleten  bei  Plinius,  von  Zeuxis,  Eupompos,  Antidotos  (vgl.  Anm.  2  S.  84), 
Protogenes  und  Tauriskos;  auch  die  Fackelläufer  in  Elis  von  Pyrrhon  gehören  hieher, 
von  denen  Antigonos  der  Karystier  bei  Diog.  L.  9,  61  berichtet.  Einmal  nennt  uns  Plinius 
(35,  138)  ein  solches  Athletenporträt  namentlich,  nämlich  den  Dioxippos  von  Alkimachos 
aus  Alexanders  Zeit.  —  Auch  Priesterporträts  wurden  gemalt,  wie  wir  dies  von  dem 
Maler  Ismenias  bestimmt  wissen.  So  werden  wohl  auch  manche  der  bei  Plinius  allgemein 
angeführten  Priester  oder  Betenden  Porträts  gewesen  sein:  so  der  sacerdos  adorans  des 
Apollodor,  des  Parrhasios  sacerdos  adstante  puero,  vielleicht  auch  Aristides'  supplicans 
paene  cum  voce.  —  Daß  die  anus  der  Jaia  in  grandi  tabula  (35,  147)  ein  Porträt  war, 
beweist  der  Zusammenhang  (imagines  mulierum  =  Frauenporträts  wie  gleich  35,  148  ima- 
ginum  pictores  =  Porträtmaler).  —  Eine  Art  von  Familien-  oder  Geschlechter- 
bilder, natürlich  Porträts,  scheinen  folgende  gewesen  zu  sein  (vgl.  Urlichs,  Chrestom. 
Plin.  S.  353):  des  Pamphilos  cognatio,  Timomachos'  cognatio  nobilium,  Athenions  fre- 
quentia  quam  vocavere  syngenicon,  Oinias'  syngenicon  und  endlich  Koinos'  stemmata. 
Gewiß  gehörte  derselben  Gattung  die  von  Pausias  sowohl  als  von  seinem  Schüler  Aristo- 
laos  (Plin.  35,  127.  137)  erwähnte  boum  immolatio  an,  ein  Stammes-,  Geschlechts-  oder 
Familienopfer.  Die  Bezeichnung  ovyysvtxöv  (sc.  uoöv)  gibt  den  Gesamtinhalt,  den  Titel 
des  Bildes  ohne  Rücksicht  auf  die  Darstellungsart  an,  „boum  immolatio"  das  hervor- 
ragendste künstlerische  Motiv.  Bezeichnend  ist,  daß  gerade  vorwiegend  die  Sikyonische 
Schule,  Pamphilos,  Pausias,  Aristolaos,  solche  des  Schwunges  und  der  Phantasie  er- 
mangelnden Werke  schafft.  (Auch  Athenion  als  Schüler  eines  unbekannten  Meisters  aus 
Korinth  wird  von  der  benachbarten  Sikyonischen  Schule  beeinflußt  worden  sein.)  —  Mit 
diesen  Familien-  oder  Geschlechterbildern,  die  seit  Mitte  des  4.  Jahrh.,  d.  h.  seit  dem 
Aufblühen  der  Porträtkunst,  in  der  alten  Malerei  auftreten,  läßt  sich  vielleicht  nicht  un- 
passend der  namentlich  im  17.  Jahrh.  in  den  Niederlanden  häufige  Gebrauch  vergleichen, 
nach  dem  man  sich  korporationsweise  porträtieren  ließ,  sei  es  nun  beim  Mahle  oder 
beim  Rate  oder  sonst  in  einer  der  betr.  Körperschaft  entsprechenden  Situation.  —  Schließ- 
lich waren  noch  folgende  Gemälde  bei  Plinius  wahrscheinliche  Porträts:  der  navarchus 
des  Parrhasios,  vielleicht  seine  Thrakische  Amme,  der  Tragöde  des  Aristides  (vgl.  den 
Gorgosthenes  des  Apelles);  der  Greis  desselben,  einen  Knaben  in  der  Leier  unterweisend 
(vgl.  des  Philochares  Greis  mit  Sohn)  und  der  Greis  der  Kalypso;  die  amica  von  Habron 
endlich  war  ein  Hetärenporträt,  wie  sie  in  spätrer  Zeit  zahlreich  waren   (vgl.  die  Bilder 


9Q  Der  Dornausziehbr  und  der  Knabe  mit  der  Gans. 


monumentale  Wandmalerei  erhabenen  mythologischen  Inhalts  etwa  um  das  Ende 
der  80ei  Olympiaden  namentlich  durch  den  Einfluß  des  Apollodoros  dem  Staffelei- 
bilde hatte  weichen  müssen,  das  nach  rein  malerischen  Effekten  strebte,  so 
mußte  diese  große  Umwandlung  auch  in  der  Wahl  der  Gegenstände  Neues  bringen. 
Indem  die  Künstler  von  nun  an  natürlich  meist  nach  privaten  Bestellungen  ar- 
beiten und  subjektiven  Neigungen  daher  viel  mehr  nachgehen  können,  indem 
man  ferner  an  die  verhältnismäßig  kleinen  und  leicht  hergestellten  Tafelbilder  in 
Bezug  auf  Inhalt  durchaus  nicht  die  Anforderungen,  wie  an  ein  monumentales 
Werk  stellen  konnte,  indem  endlich  das  Streben  der  Künstler  vor  Allem  auf 
malerische  Illusion  ging:  so  mußte  die  Bedeutung  des  Gegenstandes  zurücktreten 
und  man  mußte  bald  dazu  gelangen,  rein  künstlerische  Aufgaben  und  Probleme 
darzustellen  ohne  Rücksicht  auf  Zweck  und  Bedeutung  des  Inhalts,  d.  h.  es  mußte 
dem  Genre  in  der  Malerei  eine  ungleich  schnellere  und  größere  Entwicklung  zu 
Teil  werden,  als  dies  in  der  Plastik  der  Fall  sein  konnte. 
45  Diese   Annahme  bestätigen    unsre,  wenn   auch  sehr  dürftigen   Nachrichten. 

Schon  bei  Zeuxis  begegnen  wir  einem  Bilde,  das  mit  vollem  Recht  ein  mytho- 
logisches Genrestück  genannt  werden  kann:  die  berühmte  Kentaurenfamilie,  wo 
die  Kentaurenmutter  ihre  Jungen  zugleich  auf  menschliche  und  tierische  Weise 
nährt,  während  der  Vater  den  Kleinen  einen  jungen  Löwen  hinhält,  um  sie  fürchten 
zu  machen.  Hier  haben  wir  gleich  ein  Beispiel  der  subjektiven  Reflexion  des 
Künstlers  gegenüber  der  Tradition,  was  hier  sogar  zu  einer  Korrektion  des  Mythus 
Anlaß  gibt:  die  Kentauren  sind  ja  Halbmenschen;  aber  indem  die  Sage  von 
ihren  wilden  Kämpfen  nur  ihr  ungebändigt  tierisches  Naturleben  betont,  so  ver- 
langte doch  auch  ihre  menschliche  Seite  noch  Ausdruck,  und  dieser  Forderung 
ward  Zeuxis  gerecht.  Zu  solch  einer  selbständigen  Umarbeitung  des  Über- 
lieferten konnte  er  aber  nur  gelangen  durch  jenes  in  der  Malerei  schon  früher 
wirkende  Streben  nach  psychologischem  Durchdenken  der  Tradition,  nach  innerer 
Vertiefung  und  Vermenschlichung  der  Sagen,  was  notwendig,  wie  hier,  zu  einer 
genrehaften  Auffassung  führen  mußte.  -  Nur  der  Bravour  in  der  malerischen 
Illusion  wegen  malte  er  einen  Knaben  mit  Weintrauben,  auf  welche  dann  Vögel 
zugeflogen  sein  sollen.  Eine  Fabel  ohne  alle  Glaubwürdigkeit  ist  das  alte  Weib, 
über  das  er  sich  tot  gelacht  haben  soll.  Sein  Zeitgenosse  Parrhasios  ist  vor- 
sieh in  der  scharfen  psychologischen  Charakteristik  bestimmter  Individualitäten; 
.halb  wir  begreifen,  daß  er  nicht,  wie  Zeuxis,  das  Mythische  zum  Genrehaften 
lllgemeinerte,  sondern  an  der  Darstellung  des  Einzelindividuums  der  Wirklich- 
ine  Kraft  erprobte:  bezeichnend  ist,  daß  gerade  von  ihm  mehrere  Porträts 


;tion,  die  .Pornographen*);  die  allgemeine  Lesart  der  Hdsch.  amicam  an  unsrer 

5,   111)  ist  daher  nicht  zu  verwerfen  oder  Amicitiam  dafür  einzusetzen,  das  man 

nden  et  Concordian  konjlzierte;  'Ofubota  allerdings  war  Göttin  mit  Tempel 

und  Altaren,  von  einer  <l'um    ist    uns  dies  aber   nicht  bekannt    (nur   eine    Nymphe  heiCt 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  91 

unter  seinen  bedeutendsten  Werken  genannt  werden.  Eine  Mittelstellung  zwischen 
Porträt  und  Genre  scheint  der  Megabyzos,  d.  h.  ein  verschnittener  Oberpriester  46 
der  Ephesischen  Artemis  eingenommen  zu  haben.  Die  Charakteristik  war  so 
scharf  und  wohlgelungen,  daß  Tiberius  aus  Liebe  zu  dem  Bilde  es  in  sein 
Schlafgemach  nahm.1  Denselben  Gegenstand,  doch,  wie  es  scheint,  figurenreicher, 
behandelte  später  Apelles:  eines  Megabyzos  Festzug.  Dagegen  war  reines  Genre- 
stück Parrhasios'  Bild  zweier  Knaben,  an  denen  man  den  Ausdruck  der  Dreistig- 
keit und  Einfältigkeit  ihres  Alters  bewunderte  —  also  nicht  eine  Handlung  und 
Situation,  sondern  die  psychologisch  scharfe  objektive  Charakteristik  des  Knaben- 
alters bot  das  Hauptinteresse.  Eine  andre  Aufgabe  stellte  er  sich  in  den  beiden 
Bildern  der  Waffenläufer,  d.  h.  Männer,  die  einen  Wettlauf  in  Waffenrüstung 
üben;  der  eine  war  mitten  im  Hinstürmen  begriffen,  der  andre,  eben  angelangt, 
die  Waffen  ablegend  und  sich  verschnaufend.  Die  feine  Detailbeobachtung  der 
Natur,  über  die  Parrhasios  verfügte,  wird  ihm  hier  zu  einer  namentlich  im  Ein- 
zelnen treffenden  Durchführung  der  Wirkungen  jenes  so  beschwerlichen  Laufes 
auf  den  Körper  und  besonders  die  Atmungsorgane  verholfen  haben.  Wegen  des 
verwandten  Gegenstandes  sei  hier  gleich  das  Bild  des  Theon  um  die  Zeit 
Alexanders  erwähnt:  ein  Schwerbewaffneter,  der  eben  seine  Waffen  ergriffen  hat, 
um  in  den  Kampf  zu  stürmen;2  jedesmal  bevor  das  Bild  enthüllt  wurde,  mußte 
ein  Trompeter  ein  Angriffssignal  geben:  höchste  momentanste  Lebendigkeit  und 
eine  plötzlich  packende  Illusion  waren  also  das  Ziel  des  Künstlers.  —  Von 
Parrhasios  ist  noch  zu  erwähnen,  daß  er  in  kleinen  Bildern  auch  unzüchtige 
Gegenstände  behandelte,  die  teils  wohl  dem  alltäglichen,  teils  aber  auch  dem 
mythologischen  Genre  angehörten,  indem  die  Kleinheit  des  Bildes  die  Maler 
schon  früh  verlocken  mußte,  hier  momentanen  Scherzen  Raum  zu  geben  und 
die  Darstellung  eines  Einfalls,  eines  Motivs  und  seines  Reizes  derjenigen  des  47 
Kerns  und  Wesens  des  mythischen  Gegenstandes  selbst  vorzuziehen.  Ein  andres 
Beispiel  für  dieselbe  Richtung  bietet  sein  etwas  jüngerer  Zeitgenosse  Timanthes, 
der  ebenfalls  in  einem  kleinen  Bilde  einen  schlafenden  ungeheuren  Kyklopen 
malt,  dessen  Daumen  die  Satyrn,  jenes  freche  aber  feige  Volk,  das  so  gern  die 
Schlafenden  neckt,  mit  einem  Thyrsos  messen;  doch  „intelligitur  plus  semper 
quam  pingitur":  der  Riese  wird  bald  aufwachen  und  die  auseinanderstiebenden 
Satyrn  kräftiglich  beohrfeigen. 

Eine  andre  Entwicklung  des  Genres  repräsentiert  uns  Pausias,  der  Schüler 
des  Pamphilos,  des  Begründers  der  Sikyonischen  Schule,  die  in  ihren  Werken 

1  In  der  Identifizierung  des  bei  Plinius  aus  Deculo  genannten  archigallus  mit  dem 
Megabyzos  bei  Tzetzes  stimme  ich  Bursian,  Allg.  Enc.  I,  82,  470  bei;  erstre  ist  nur  eine 
mißverständliche  latinisierte  Bezeichnung. 

2  Dasselbe  von  Aelian.  var.  hist.  II,  44  ausführlich  beschriebne  Bild  führt  auch  Plinius 
35,  144  als  „erumpentem"  auf,  was  mit  Benndorf,  dem  Detlef sen  folgt,  statt  des  ver- 
derbten emungentem  herzustellen  ist;  nach  Gewohnheit  begnügt  sich  Plinius,  das  Motiv 
anzugeben. 


Der  D<  ieher  und  der  knabe  mit  df.r  Gans. 


ls  hohe  geistige  Bedeutung,  sondern  eine   auf  verstandesmäßiger  Grund- 
. schulte  Tüchtigkeit  erstrebte,   so  daß  die  Bedeutung   des  Inhalts  zurück- 

en  mußte.  Andrerseits  trat  um  die  Mitte  des  vierten  Jahrhunderts  mit  der 
zunehmenden  Verwendung  der  Kunst  für  private  Dekoration  immer  mehr  eine 
entschiedene  Richtung  auf  das  leicht  Anmutige   und  Gefällige  hervor.     Wir  be- 

fen  es  daher,  wenn  Pausias  nicht  nur  wohl  zuerst  sich  in  der  Blumen- 
malerei auszeichnete,  sondern  mit  besondrer  Vorliebe  Knaben  darstellte:  aus 
früher  vereinzelten  Bravourstücken,  wie  dem  Knaben  mit  den  Trauben  von  Zeuxis, 
wird  jetzt  eine  beliebte  Gattung,  die  die  gefällige  Anmut  und  Niedlichkeit  des 
Kinderlebens  zum  Gegenstande  nahm.  Eines  seiner  besten  Bilder  stellte  seine 
Geliebte  Glykera  als  Kränzewinderin  dar.     Daß   diese   von  Pausias  zuerst  ein- 

-chlagene  Richtung  in  der  Folgezeit  sich  eines  großen  Erfolges  erfreute,  dürfen 
wir  daraus  schließen,  daß  Bilder  anmutiger  Mädchen  in  irgend  einer  freundlichen 
Beschäftigung  beliebte  Gegenstände  der  Campanischen  Wandmalerei  sind  (s.  Hel- 
48  big,  Unters,  über  d.  Camp.  Wandmal.  S.  76),  die  auf  Vorbilder  hellenistischer  Zeit 
zurückgeht.  Die  andre  Art  dieser  heiter  unbefangnen  Darstellungen  aus  dem 
Alltagsleben,  jene  Knabenbilder,  können  wir  uns  am  besten  aus  zahlreichen 
kleinen,  namentlich  attischen  Vasenbildern  und  Terrakotten  vergegenwärtigen. 
Diese  Richtung  bildet  den  Übergang  zu  der  später  zu  betrachtenden,  ungleich 
bedeutenderen  Darstellung  der  Kinderwelt  durch  die  statuarische  Kunst  —  aber 
in  dem  wesentlich  veränderten  hellenistischen  Geiste. 

Zu  beachten  ist  noch,  daß  alle  jene  Werke  des  Pausias  kleine  Bildchen 
waren  und  daß  er  auf  das  technische  Verdienst  das  Hauptgewicht  gelegt  haben 
wird;  denn  sonst  müßte  es  auffallen,  daß  keiner  seiner  Schüler  sich  an  jenen 
Stoffen  des  Meisters  in  größerem  Umfange  versucht  zu  haben  scheint. 

Eine  ganz  andre  Richtung  tritt  uns  in  der  gleichzeitigen  Thebanisch-At- 
tischen  Schule  entgegen:  hier  ist  Stoff  und  Inhalt  und  dessen  reizende  und 
packende  Behandlung  erstes  Streben.  Das  mythologische  Genre  entsprach  diesem 
idealeren  Zuge  besser.  Namentlich  wird  hiebei  der  im  4.  Jahrh.  so  beliebte 
bakchische  Kreis  bevorzugt.  So  malt  der  Sohn  und  Schüler  des  Aristides 
Ariston  einen  bekränzten  Satyr  mit  dem  Becher,  also  wohl  im  vollen  Genüsse 
des  Weines.  Charakteristischer  aber  für  die  ganze  Richtung  der  Zeit  sind  die 
folgenden  beiden  Bilder,  nämlich  des  Nikomachos  „berühmte"  Mänaden,  die, 
wahrscheinlich  während  des  Schlafes,   von  Satyrn  beschlichen  werden,   und   das 

mälde  seines  Schülers  Philoxenos,  das  drei  betrunken  schwärmende  Silene 
in  ausgelassenster  Auffassung  darstellte:  beide  Werke  zeigten  also  die  sinnliche 
Aufregung  und  Begierde  an  einem  mythischen  Genrebilde.  Hatte  Parrhasios 
solche  sinnenreizende  Darstellungen  nur  in  kleinen  Bildchen  und  nebenbei  zu  malen 
-  wird  jetzt  (Mitte  4.  Jahrh.)  auch  hieraus  eine  beliebte  Gattung,  die 
auch  Darstellungen  aus  dem  Alltagsleben  behandelte,  wie  die  Bezeichnung 
ph",  d.  h.  Dirnenmaler  andeutet,  die  mehreren  Künstlern  der  Zeit  erteilt 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  93 

wird.  Schon  auf  Vasenbildern  ist  der  Einfluß  dieser  Richtung  nicht  zu  verkennen. 
Später  in  der  hellenistischen  Zeit  wurde  sie  natürlich  noch  viel  mehr  gepflegt, 
wie  wir  aus  den  Campanischen  Wandbildern  entnehmen  können  (s.  Heibig  a.  a.  O. 
238;  249  ff.). 

Noch  wichtiger  ist  uns  jedoch  der  vermutliche  Bruder  des  Nikomachos 
Aristides.1  Am  bekanntesten  ist  sein  Bild  einer  sterbenden  Mutter,  die,  bei  der 
Eroberung  einer  Stadt  tödlich  verwundet,  noch  für  ihr  Kind  fürchtet,  es  möge 
Blut  statt  Milch  aus  ihrer  Brust  einsaugen.  Ferner  ein  Flehender,  dessen  Stimme 
man  fast  zu  hören  glaubt,  und  ein  sehr  berühmter  Kranker.  In  diesen  Bildern, 
deren  Gegenstand  die  heftigsten  Erregungen  sind  und  die  unser  unmittelbarstes 
Mitgefühl  erwecken,  interessiert  die  Person  als  bestimmtes  Individuum  nicht, 
nur  der  Ausdruck  der  allgemein  menschlichen  tiefsten  Seelenempfindung  packt 
und  erfüllt  uns  ganz.  Wir  haben  hier  eine  notwendige  Konsequenz  und  zugleich 
die  schönste  Blüte  jener  mehrfach  berührten  psychologischen  Richtung  in  der 
Kunst  des  4.  Jahrh.  vor  uns,  welcher  der  mythische  oder  sonstige  bestimmte 
Name  der  Figur  gleichgültig  werden  muß,  da  sie  nur  die  allgemein  menschlichen 
Leidenschaften  und  Affekte  darstellen  will.  —  Einen  ähnlichen  Charakter  wird 
das  Bild  der  „Jäger  mit  Beute"  getragen  haben,  wo  das  gemütlich  Behagliche 
der  Stimmung  Hauptinteresse  gewesen  sein  mag.  Noch  andre  Werke,  die  aber 
schwerlich  dem  Genre  angehörten,  sind  noch  nicht  hinlänglich  aufgeklärt;  die 
„rennenden  Viergespanne"  sind  zusammenzustellen  mit  den  von  Niken  gelenkten 
Gespannen  des  Eutychides  und  Nikomachos,  sowie  mit  dem  Werke  des  Melan- 
thios,  das  den  Tyrannen  Aristratos  feierte,  der  neben  dem  Viergespann  mit  Nike  50 
stand:  auch  bei  jenen  Gespannen  des  Aristides  sind  demnach  bestimmte  Be- 
ziehungen auf  Siege  oder  dgl.  vorauszusetzen. 

Daß  Aetion  das  Genrebild  einer  Hochzeit  gemalt  habe,  ist  sehr  zweifelhaft;2 


1  Vgl.  über  ihn  neuestens  Brunn  in  Meyers  Künstlerlexikon  II,  252. 

2  Plin.  35,  78  Semiramis  ex  ancilla  regnum  apiscens,  anus  lampadas  praeferens  et 
nova  nupta  verecundia  notabilis.  Ich  glaube  Försters  Bedenken  (Arch.  Ztg.  1874,  S.  89) 
zurückweisen  und  Brunns  Vermutung  von  der  Identität  der  Semiramis  und  nova  nupta 
als  höchst  wahrscheinlich  bezeichnen  zu  dürfen.  Es  ist  nämlich  klar,  daß  das  ganz  ab- 
strakte Semiramis  .  .  .  apiscens  nur  der  rein  gegenständliche  stoffliche  Titel  eines  Gemäldes 
sein  kann,  der  uns  von  der  künstlerischen  Darstellung  selbst  auch  nicht  einmal  eine 
Ahnung  gewährt  und  deshalb  die  folgende  Erklärung  geradezu  verlangt;  diese  zeigt  uns 
nun,  wie  jenes  apisci  der  Königswürde  dargestellt  war,  nämlich  durch  die  Hochzeit,  wie 
es  denn  bei  Semiramis  kaum  anders  möglich  war.  Ihre  schlagende  Analogie  erhält  die 
Stelle  durch  35,  136  cognatio  nobilium,  palliati  quos  dicturos  pinxit,  alterum  stantem 
alterum  sedentem.  Wie  oben  kommt  zuerst  der  Titel  des  Bildes,  der  bloße  Stoff,  dem 
asyndetisch  als  Erklärung  die  künstlerische  Gestaltung  angeschlossen  wird.  Die  Deutung 
der  asyndetisch  angeschlossenen  Worte  als  epexegetisch  zum  Vorhergehenden  wird  in 
beiden  Fällen  dadurch  ermöglicht,  daß  sie  das  Ende  der  Aufzählung  der  Werke  bilden 
und  kein  neues  asyndetisches  Glied  mehr  folgt;  denn  wäre  letzteres  der  Fall,  so  müßten 
verschiedne  Werke  angenommen  werden. 


D?R   DORNAUSZIEHER  UND  DER   KNABE  MIT  DER   GANS. 


und  von  Apollos  «rissen  wir  nur,  daß  er  Bilder  von  „Sterbenden"  gemalt.  Doch 
dem  Zusammenhange,  in  dem  die  Stelle  bei  Plinius  steht  (35,  90),  un- 
eifelhaft  hervor,  daß  Porträts  gemeint  sind;   denn   es  wird  dort  Apelles'  Vor- 
^lichkeit  in  der  Porträtmalerei  an  verschiedenen  Beispielen  gezeigt.   Die  pathe- 
:e   Richtung  der  Zeit  konnte  leicht   auf  solche  Porträts  führen,    die  Apelles 
mit  besondrer  Schärfe  und  Wahrheit  dargestellt  haben  wird.1   Dem  mythologischen 
nre  kann  man  sein  Bild  der  Artemis  im  Kreise  ihrer  schwärmenden  und  jagenden 
Nymphen   zurechnen.     Doch   wichtiger  ist   uns  noch    sein   berühmtes   Bild   der 
.Verleumdung*;'  denn  auch  dies  ist  eigentlich  dem  Genre  angehörig,  da  es  eine 
allgemein  alltägliche  Handlung,  wie  ein  Jüngling  verleumdet  wird,  darstellt,  aller- 
dings in  fast  nur  allegorischen  Figuren.    Die  Verleumdung  selbst,  Unwissenheit 
und  Argwohn.  Neid,  List  und  Trug,  Reue  und  Wahrheit  treten  alle  in  charakte- 
ristischer Personifikation  auf.     Auch  dieses  Bild  ist  eine   letzte  Konsequenz,  ja 
ein  abschließender  Höhenpunkt  jener  Richtung  des  4.  Jahrh.  auf  Ausdruck  der 
der  Handlung  zu  Grunde  liegenden  seelischen  Vorgänge,  die  dazu  führen  mußte, 
einmal  nur  diese  inneren  Vorgänge  selbst  im  Bilde,  in  Personifikationen  darzu- 
stellen.   So  personifiziert  Apelles  alle   die   ethischen  Begriffe   und  Stimmungen, 
die  bei  der  Handlung  einer  Verleumdung   und   ihren  Folgen   vorwalten  —  statt 
einen  wirklichen  einzelnen  Vorgang  in  seiner  Realität  selbst  darzustellen. 

Doch  wie  überall  in  der  historischen  Entwicklung,  wo  ein  Prinzip  auf  die 
51  Spitze  getrieben  ist,  da  auch  der  Umschlag  in  ein  neues  sich  vorbereitet,  so  ist 
es  auch  hier  zu  Alexanders  Zeit:  der  Realismus,  die  Darstellung  des  unmittel- 
bar Wirklichen,  tritt  noch  während  Apelles  Zeit  an  Stelle  jener  abstrakt  idealen 
Richtung,  und  zwar  in  der  statuarischen  Kunst,  wie  wir  früher  sahen,  namentlich 
durch  Lysipp,  der  überall  Apelles  gegenübersteht:  letzterer  z.  B.  malt  Alexander 
mit  dem  Blitze  als  Zeus,  mit  den  Dioskuren  als  Helios  und  strebt  so  nach 
Ausdruck  eines  allgemeineren  Gedankens  —  Lysipp  dagegen  zeigt  uns  den 
wirklichen  Alexander,  den  kühnen  Eroberer  mit  der  Lanze.  In  der  Malerei  aber 
ist  es  sogar  der  persönliche  Gegner  und  Nebenbuhler  des  Apelles,  ist  es  Anti- 
philos,  der  zuerst  in  der  treuen  Darstellung  der  niedern  Wirklichkeit  sein  Ver- 
dienst sucht,  der  Begründer  jenes  realistischen  Genres,  an  das  wir  Moderne  immer 
zuerst  denken.  So  zeigt  er  uns  in  einem  Bilde  die  Verarbeitung  der  Wolle,  wo 
die  verschiedenen  Aufgaben  der  eilend  arbeitenden  Weiber  in  lebendigster,  tref- 
fendster Weise  charakterisiert  waren.  Ferner  hören  wir  von  einem  Knaben,  der 
das  Feuer  anbläst  und  wo  der  Lichteffekt  des  feurigen  Widerscheins  auf  dem 
.ichte  des  Knaben  und  der  ganzen  Umgebung  allein  das  Interesse  ausmachte. 

iand1unj4  kann  an  die  treffliche  Bronzestatuette  eines  Kranken 
erinnert  werden  (Revue  arch.  1844 Taf.  13;  Michaelis,  Aren.  Ztg.  1874,60;  [Cccil  H.  Smith, 

in  the  coli,  ol  W.  F.  Cook  (1908)  S.  109,  321]),  die  Anathem  eines 

lb«  firunn  in  Meyers  Kiinstlerlexikon  II,   169. 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  95 


Endlich  schließen  sich  wohl  am  besten  analog  der  Entwicklung  in  der  Plastik 
die  undatierten  Maler  Kallikles  und  Kalates  an,  die  in  kleinen  Bildern  Gegen- 
stände aus  der  Komödie,  also  aus  der  niedern  Wirklichkeit,  darstellten.  Auch 
die  sog.  „grylli",  karikaturartige  Darstellungen,  deren  Urheber  Antiphilos  war, 
sind  diesem  niedrig  komischen  Genre  zuzurechnen. 

Antiphilos  aber  war  für  die  Richtung  der  ganzen  folgenden  Diadochenzeit 
in  der  Malerei  vom  größten  Einflüsse,  und  so  sehen  wir,  wie  in  der  Zeit  Ale- 
xanders als  echter  Periode  des  Übergangs,  wo  in  Politik  und  sozialen  Ver- 
hältnissen nicht  minder,  als  in  der  Kunst  sich  Neues  überall  Bahn  zu  brechen 
sucht,  wie  hier  die  verschiedensten  Richtungen,  die  eine  das  Alte  abschließend,  52 
die  andre  in  die  Zukunft  weisend,  neben  einander  stehen.  Dies  darf  uns  nicht 
wundern:  wird  doch  oft  eine  kommende  Epoche  in  einzelnen  Persönlichkeiten 
oft  länger  vorher  antizipiert,  wie  denn  z.  B.  in  der  Literatur  der  ganze  volle 
Alexandrinismus  bereits  in  Antimachus  verkörpert  ist,  der  schon  um  400,  zu  einer 
Zeit,  wo  freilich  der  Höhepunkt  griechischer  Dichtung  bereits  vorüber  war,  aber 
eine  zahllose  Menge  kleinerer  Geister  die  eingeschlagenen  Richtungen  nach  allen 
Seiten  hin  weiter  verfolgten,  im  Gegensatz  zu  diesen  eine  erst  viel  später  blühende 
Dichtungsart,  die  gelehrte  verkünstelte  Liebeselegie  antizipierte;  erst  Philetas  von 
Kos  zu  Ende  des  4.  Jahrh.  folgte  ihm  darin. 

Bevor  wir  indes  zu  einer  neuen  Periode  übergehen,  müssen  wir  noch  einen 
Blick  auf  das  uns  aus  der  vorliegenden  Erhaltene  werfen.  Aus  dem  Gebiete 
der  Plastik  wüßte  ich  nur  die  uns  an  der  Karyatidenhalle  des  Erechtheions 
erhaltenen  Mädchen  zu  nennen,  die,  obwohl  architektonisch  verwendet  (was  wir 
bei  den  andern  nicht  voraussetzen  dürfen),  doch  auf  gleicher  Linie  stehen  mit 
den  Kanephoren  und  Karyatiden  des  Polyklet,  Praxiteles  und  Skopas,  ebenso 
wie  mit  den  Knaben  des  Lykios:  es  sind  Repräsentanten  der  im  Dienste  einer 
Gottheit  stehenden  Gattung  von  Individuen  und  dieser  geweiht,  gehören  also  in 
jenen  älteren  Kreis  des  Genres,  das  von  einem  bestimmten  äußeren  Bezüge  noch 
nicht  frei  ist. 

Von  Werken  der  Malerei  sind  wir  durch  die  bekannte  „Aldobrandinische 
Hochzeit"  im  Besitze  einer  Komposition,  die  wahrscheinlich  noch  der  ersten 
Hälfte  des  4.  Jahrh.  angehört.1  Das  Interesse  des  trefflichen  Werks  gipfelt  in 
der  gegensätzlichen  Spannung  zwischen  der  schüchtern  ängstlichen  Braut  und 
dem  erwartungsvoll  harrenden  Jüngling.  Der  Kern  ist  also  ganz  in  das  Innen-  53 
leben,  in  die  Stimmung  verlegt.  Die  Unmittelbarkeit  der  Darstellung,  wo  jede 
Person  so  ganz  von  sich  und  ihrer  Aufgabe  erfüllt  ist,  die  uns  so  nah  berührende 
rein  menschliche  Fassung  des  Ganzen  ruft  einen  wunderbar  harmonischen  Ein- 
druck im  Beschauer  hervor.     Dagegen   finden   wir   schon   in    der  Hochzeit  der 


1  Ihre  historische  Stellung  scheint  mir  Förster  Arch.  Ztg.  1874,  S.  90  ff.  richtig  bestimmt 
zu  haben.     Die  Annahme  zweier  Göttinnen  jedoch  scheint  mir  nicht  notwendig. 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans. 

Rhoxane  von  Aetion  aus  dem  Ende  des  4.  Jahrh.  jene  Veräußerlichung  in  pikante 

:.uion  und  namentlich  durch  die  zahlreichen  Eroten  einen  allgemeinen  Ge- 
danken, daß  auch  Alexanders  heroische  Kraft  von  Liebe  besiegt  sei,    kurz  eine 

elende  Beschäftigung  des  Verstandes  statt  unmittelbarem  Ergreifen  der 
.Mitempfindung. 

Einen  unendlichen  Reichtum  von  Darstellungen  aus  dem  Alltagsleben  bieten 
uns  die  so  zahlreichen  Vasenbilder;  wir  können  sie  daher  liier  nur  ganz  im 

ißen  nach  den  Hauptgegenständen  und  Hauptrichtungen  betrachten;  denn  ein 
Eingehen  in  das   hier  so  unendliche  Detail  würde  ein  eigenes  Buch   erfordern. 

Wir  fassen  zunächst  in  eine  ältere  Gruppe  die  Bilder  des  sog.  strengen  und 
des  zwar  frei  schönen  aber  noch  gemäßigten  Stils  zusammen.  Waren  in  der 
vorigen  Periode  Krieg  und  Kampf  Hauptgegenstand,  so  tritt  dies  jetzt  zurück 
und  es  wiegt  die  Palästra,  die  Darstellung  der  gymnischen  Übungen  und 
Wettkämpfe  weitaus  vor.  Überhaupt  ist  der  Verkehr  der  Männer  und  Jünglinge 
unter  sich  und  miteinander  der  beliebteste  Gegenstand,  wo  auch  erotische  Be- 
ziehungen häufig  hervortreten;  aber  auch  musische  Beschäftigungen,  Singen, 
Leier-  und  Flötenspiel,  das  Lernen  der  Dichter  durch  die  Jugend  wird  oft  dar- 
gestellt; ebenso  der  Komos,  d.  h.  das  nächtliche  Schwärmen  nach  einem  Gelage, 
und  noch  öfter  diese  Gelage  selbst,  wo  man  nicht  selten  bestimmte  Namen,  oft 
on  berühmten  Dichtern  und  Musikern  beischreibt,1  um  der  allgemeinen  Dar- 
stellung einen  individuelleren  Reiz  zu  geben  — ■  ein  Gebrauch,  der  in  dieser 
Zeit  sehr  beliebt  ist,  und  auch  bei  den  nicht  seltnen  Darstellungen  von  Opfer- 
szenen vorkömmt.2  Das  Frauenleben  tritt  im  Allgemeinen  noch  sehr  zurück, 
doch  wird  es  häufiger  mit  der  zunehmenden  Freiheit  des  Stils.  Die  Hochzeit 
wird  jetzt  meist   nicht   mehr   in    der  früheren    feierlichen  Weise  zu  Wagen   dar- 

t eilt,  sondern  man  legt  das  Gewicht  auf  innerliche  Momente  und  die  Zag- 
haftigkeit der  heimgeführten  Braut  ist  das  Hauptinteresse.  Um  die  Liebe  eines 
Jünglings  gegen  ein  Mädchen  zu  bezeichnen,  hat  man  den  sehr  beliebten  Typus 
der  Verfolgung,  der  in  ganz  gleicher  Weise  auch  zur  Darstellung  der  Lieb- 
schaften der  Götter  und  Heroen  dient.  Auch  die  Darstellungen  der  Jagd  werden 
manchmal  durch  Hinzufügung  heroischer  Namen  in  das  ideale  Gebiet  gerückt, 
ohne  doch  bestimmte  mythologische  Szenen  darstellen  zu  wollen.8   Sehr  häufig 

5.  Jahn,  Darstellungen  griechischer  Dichter  Taf.  3—7. 
■  S.  Stephanl  CR  1868,  S.  131  ff. 
'/..  B.  Gerhard,  Auscrl.  Vas.  IV,  327  Peleus  auf  der  Hirschjagd;    Müllcr-Wieselcr  D. 
i.  K.  I,  212   Tydetis,   Theseus   usw.  —  Auch   auf   metallenen    Bechern    waren  Jagd- 
tellungen  beliebt:  wir  wissen,  daß  dcsAkragas,  eines  berühmten  Cälators  „venatio 
iis  roagnam  famam  habuit."     „In  scyphis",  weil  man   gewöhnlich  ein  Paar  von 
i  Schalen  ist    es    anders)    mit   der   gleichen  Darstellung    versehen    zu    hüben 
cheint.     Mys  macht  quattuor  paria;  gewöhnlich  wird    von  zwei  Bechern  zusammen  ge- 
1,1  17  duos  scyphos  Mentoris  manu;  34,  47  duo  pocula  Calamidls  manu. 
«telll  |  i)  Areopagitaa  et  Judicium  Orcstis  in  duobua  scyphis  dar.    I 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  97 

schildert  man  den  Abschied  der  jungen  Männer  von  ihren  Eltern,  doch  nicht 
mehr  in  der  alten  pomphaft  äußerlichen  Weise  des  Auszugs  zu  Wagen ;  vielmehr 
ist  auch  hier  ein  neuer  Typus  gefunden,  der  die  gemütlichen  Momente  hervor- 
hebt. In  der  Regel  nämlich  bietet  Mutter  oder  Schwester  oder  Braut  dem  Schei- 
denden den  Abschiedstrunk,  während  der  alte  Vater  Ermahnungen  mit  auf  den 
Weg  gibt.  Dieser  allgemeine,  unendlich  variierte  Typus,  dem  man  mitunter  be- 
liebige Namen  beischreibt,1  ist  auch  für  die  Darstellung  aller  mythologischen 
Abschiedsszenen  durchaus  maßgebend.  Überhaupt  ist  die  Herrschaft  des 
Typischen,  nach  dem  Göttliches  wie  Menschliches  gleichmäßig  gestaltet  wird, 
in  dieser  Periode  noch  von  größter  Ausdehnung;  auf  ihre  Entstehung  aus  jener 
ältesten  Zeit  der  rein  menschlichen  Kunst  wurde  früher  hingewiesen;  sie  stellte 
den  Grundsatz  fest,  auf  den  die  ganze  griechische  Kunst  sich  stützt:  nicht  die  55 
Gottheit  zu  vermenschlichen,  sondern,  wie  unser  Motto  treffend  sagt,  den 
Menschen  zu  vergöttern:  nicht  das  Unfaßbar-Unendliche  will  sie  herabziehen, 
beschränken,  nicht  mit  dem  Inder  das  göttliche  Wesen  in  vielarmigen,  vielköpfigen 
Ungeheuern  auszudrücken  suchen,  nicht  der  dogmatisch-religiöse  Inhalt,  sondern 
das  einfach  Menschliche  ist  erstes  Ziel  der  griechischen  Kunst,  das  menschliche 
Wesen,  Tun  und  Leiden,  dies  ist  es,  das  die  Kunst  zum  Ideal  gestaltet.  Was 
ist  dem  Künstler  Zeus  anders  als  König  und  Vater  oder  Demeter  anders  als 
wehmütige  Mutter,  ihres  Kindes  beraubt?  Deshalb  beginnt  die  hellenische  Kunst 
mit  dem  Genre  und  am  rein  Menschlichen  bildet  sie  sich  die  Typen,  denen  der 
mythische,  göttliche  Inhalt  sich  zu  fügen  hat.  Am  Eingange  der  schulmäßigen 
Entwicklung  der  Plastik  in  Griechenland  stehen  jene  ältesten  Apollofiguren  (von 
Tenea,  Orchomenos  usw.):  was  will  in  ihnen  der  Künstler  anders,  als  einmal 
den  wesentlichen  Bau  eines  ruhigen  nackten  Menschen,  so  gut  er  es  vermag, 
darzustellen?  Jede  andere,  barbarische  Kunst  aber  hätte  hier  das  dogmatische 
Wesen  des  Gottes,  sei  es  durch  einen  Tierkopf  oder  sonst  eine  Monstruosität 
auszudrücken  gesucht:  allein  und  zuerst  der  Hellene  wagt  es,  den  Menschen 
zum  Gotte  zu  erheben.  — 

Doch,  um  zu  unsern  Vasen  zurückzukehren,  so  tritt  eben  in  der  Ausbildung 
jener  festen,  allgemeinen,  für  Götter  wie  Menschen  geltenden  Typen  die  durchaus 
ideale  Richtung  des   5.  Jahrh.  im   Gegensatze  zur  späteren   Zeit  am   klarsten 


abgesehen  von  dem  Widerspruche  mit  dem  Wortlaute  bei  Plinius,  auch  künstlerisch  ganz 
unmöglich  mit  Urlichs,  Chrest.  Plin.  S.  301  hier  anzunehmen,  auf  dem  einen  Becher  sei 
die  Verhandlung,  auf  dem  andern  die  Lossprechung  vorgestellt  gewesen.  Offenbar  war 
es  nur  Eine  Darstellung,  das  Gericht  des  Orest  vor  dem  Areopag,  wie  Plinius'  Worte 
deutlich  sagen,  und  dies  eine  Bild  befand  sich  auf  den  beiden  Gegenstücken,  wie  es  bei 
der  venatio  des  Akragas  ebenso  der  Fall  war.  Die  Zeit  des  letzteren  Künstlers  ist  wegen 
der  Kentauren  mit  Bakchantinnen  in  die  Alexandrinische  Epoche  herabzurücken.  Die 
angebliche  chronologische  Anordnung  der  Toreuten  bei  Plinius  ist  überhaupt  unhaltbar 
1  Auch  mythologische,  ohne  daß  der  Typus  nach  der  Sage  gestaltet  wäre,  z.  B. 
Gerhard,  Auserl.  Vasenb.  III,  188. 

A.  Furtwängler.  Kleine  Schriften  I.  7 


DER   DORNAUSZIEHER  UND  DER    KNABE  MIT  DER  GANS. 


hervor:  denn  nicht  tue  jedesmal  neue  Nachahmung  eines  Einzelfaktums  wird  uns 
i.  sondern  die  Darstellung  eines   aus   diesen  Einzelfakten    bereits   abstra- 
hierten gemeinsamen  Typus. 

56  Als  zweite  Hauptgruppe  überblicken  wir  die  Bilder  des  späteren,  malerischen 
Stils,  der  nach  dem  Hauptfundorte  auch  als  unteritalisch  bezeichnet  zu  werden 
pflegt.  Das  Recht,  diese  Werke,  die  wir  nach  der  gewöhnlichen  Ansicht  erst 
in  der  folgenden  Periode  zu  betrachten  hätten,  schon  hier  zur  Veranschaulichung 
vorhellenistischer  Kunst,  namentlich  des  4.  Jahrh.  herbeizuziehen,  habe  ich  in 
einer  andern  Schrift  („Eros  in  der  Vasenmalerei"  [oben  S.  1  ff.])  zu  erweisen 
gesucht.  Da  das  Handwerk  der  großen  Kunst  immer  in  beträchtlicher  Entfernung 
folgt,  so  treffen  wir  auch  in  den  zeitlich  späteren  Vasen  frühere  Richtungen  wirksam. 

Im  Gegensatze  zu  der  vorigen  Gruppe  ist  hier  die  Darstellung  des  Frauen- 
lebens der  weitaus  überwiegende  und  beliebteste  Gegenstand.  Alle  Beschäfti- 
gungen der  Mädchen  werden  dargestellt,  besonders  aber  die  Toilette,  das  Bad 
und  ihre  harmlosen  Spiele;  aber  der  eigentliche  Angelpunkt  alles  weiblichen 
Wesens  bleibt  immer  die  Liebe,  wie  denn  Eros  der  ständige  Begleiter  der  Mädchen 
ist  und  Liebesszenen  aus  dem  Verkehre  mit  den  Männern  unzählige  Male 
dargestellt  werden.  Diese  Vorliebe  für  das  Frauenleben  stimmt  vollkommen 
überein  mit  der  Richtung  des  Praxiteles,  der  ja  auch  die  weibliche  Anmut  zum 
Gegenstande  mehrerer  Werke  machte.  —  Vor  dieser  zunehmenden  Weichlichkeit 
verschwinden  die  Darstellungen  der  Palästra  und  Gymnastik  fast  ganz;  wohl 
aber  sind  Bilder  der  Gelage  der  Männer  noch  häufig,  doch  spielen  auch  dabei 
jetzt  die  erotischen  Beziehungen  zu  den  Mädchen  eine  Hauptrolle.  — 

Eine  interessante  Gattung  sind  die  Attischen  Grablekythen,1  Gefäße  für 
die  Toten  mit  hierauf  bezüglichen  Darstellungen.  Während  die  älteren  strengeren 
Bilder  nur  den  Hauptvorgang,  entweder  die  Klage  um   die  ausgestellten  Toten 

57  oder  die  Bestattung  darstellen,  zeigen  die  späteren  auch  hier  einen  milderen,  an- 
mutigeren Typus,  indem  weiblich  zarte  Fürsorge,  ja  sogar  Liebesverhältnisse  das 
Hauptinteresse  bieten.  Man  stellt  nämlich  dar,  wie  die  Mädchen  das  Grabmal 
mit  Binden  schmücken  und  durch  Spenden  den  Toten  ehren;  oft  kömmt  ein 
wandernder  Jüngling  herzu  und  fragt  das  Mädchen  nach  dem  Verstorbenen, 
wodurch  geschickt  der  Nachruhm  angedeutet  wird,  aber  auch  die  Anknüpfung 
von  Liebesverhältnissen  unter  den  beiden  jungen  Leuten  nicht  ausgeschlossen  ist. 

Eine  andere  Gattung  wird  durch  kleine  und  zierliche  Gefäße  gebildet,  die,  meist 
für   Kinder   bestimmt,   auch    ihre  Darstellungen    dem   Kinderleben    entnehmen. 

Kinder  (fast  nur  Knaben,  welche  die  antike  Kunst  überhaupt  vor  den  weib- 
lichen Kindern  aufs  entschiedenste  bevorzugte)  kauern  und  kriechen  auf  dem 
ipielen  mit  dem  Wägelchen,  einem  Kruge,  Apfel,  Hündchen  u.  dgl.2 

nndorf,  Gricch.  Vascnbildcr  Taf.  11  ff. 

ichtc  der  sächs.  Gcscllsch.  1854,  S.  249;  Heydemann,  Griech.  Vasen- 
bildcr  Taf.  i  0,  Hilfst.  .3-8     CR.  18«,  Taf.  2;  1868,  Taf.  4. 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  99 

Wir  werden  lebhaft  an  jene  Bildchen  des  Pausias  mit  den  „Knaben"  erinnert. 
Ferner  vergegenwärtigen  uns  dieselbe  Richtung  zahlreiche  kleine  Terrakotta- 
figürchen,  die  in  harmlos  einfacher  Weise  die  Kinder  meist  mit  ihren  Lieblings- 
tieren beschäftigt  darstellen.1 

Vergleichen  wir  nun  die  geistige  Auffassung  und  Behandlungsart  jener 
Vasenbilder  des  malerischen  Stils  mit  den  älteren,  so  machen  sich  hier  wesent- 
liche Verschiedenheiten  fühlbar:  vor  allen  treffen  wir  eine  bedeutende  Tendenz 
zur  Verallgemeinerung,  hervorgegangen  aus  jenem  schon  mehrmals  berührten 
Streben  nach  psychologischer  Motivierung  des  Dargestellten.  Namentlich  dient 
die  so  ungemein  beliebte  Einführung  des  Eros  in  die  Szenen  des  gewöhnlichen 
Lebens  dazu,  diesen  einen  allgemeineren  Charakter  zu  verleihen.  Ein  Beispiel 
diene  zur  Verdeutlichung:  mehrere  altertümliche  Vasen2  stellen  Frauen  dar,  die  58 
ein  Douchebad  nehmen,  und  wie  lebendig,  drastisch  und  individuell  ist  hier  jede 
Bewegung,  das  Reiben  und  Fegen  der  von  reichem  Wasserstrahl  erquickten 
Glieder,  wie  das  Auswinden  der  triefenden  Haare!  Vergeblich  suchen  wir  in  den 
so  zahlreichen  späteren  Badeszenen  nach  ähnlichen  lebendigen  Motiven;  da  ist 
alles  viel  allgemeiner  und  man  sieht,  daß  nicht  mehr  die  bloße  äußerliche  Hand- 
lung das  Interesse  beansprucht,  sondern  mehr  die  zu  Grunde  liegenden  allgemeinen 
Gedanken  und  Stimmungen:  namentlich  durch  Eros  werden  die  Bilder  zu  einer 
allgemeinen  Verherrlichung  weiblicher  Schönheit.  Ja  schon  im  ganz  Äußerlichen 
zeigt  sich  diese  Verschiedenheit  der  Auffassung:  während  auf  den  älteren  Vasen 
die  Handlung  immer  in  einem  durch  zahlreiche  Geräte  an  der  Wand  und  die 
ganze  Ausstattung  individuell  charakterisierten  Räume  vor  sich  geht,  findet  sich 
in  den  späteren  viel  mehr  Symbolisches  und  Andeutungsweises;  die  Figuren 
sitzen  sehr  oft  einfach  in  der  Luft  und  die  allgemeinen,  nichtssagenden  Kränze 
oder  Sterne  ersetzen  jene  individuelle  Ausstattung  der  Wände.  Diese  Richtung 
aufs  Allgemeine,  die  besonders  deutlich  noch  in  einer  Reihe  von  Toiletteszenen 
hervortritt,  die  eigentlich  eine  Feier  der  Frauenschönheit  überhaupt  bezwecken, 
erreicht  nun  ihre  höchste  Steigerung,  wenn  der  allgemeine  Gehalt  der  Darstel- 
lung durch  Inschriften,  die  Begriffe  bezeichnen,  angedeutet  wird.3  —  Im  Zu- 
sammenhange damit  steht  das  allmählige  Verschwinden  des  Typischen,  das  früher 
eine  so  bedeutende  Herrschaft  ausgeübt  hatte.  So  gewinnen  wir  einen  neuen 
bezeichnenden  Gegensatz  zur  älteren  Gruppe:    dort  wird  ein  allgemeiner,   fester 

1  S.  besonders  Antiquites  du  Bosphore  Taf.  64;  70;  72;  73.  CR.  1859,  Taf.  3.  4;  1863, 
Taf.  1;  1868,  Taf.  3.  Diese  Werke  reihen  sich  hier  wohl  am  besten  ein.  Diebevorstehende 
Sammlung  aller  Terrakotten  wird  wohl  über  ihre  historische  Stellung  sichereres  Licht  ver- 
breiten, wodurch  sie  erst  für  die  Geschichte  des  Genres  ein  wichtiges,  freilich  wegen  des 
verschiedenen  Standpunkts  der  Klein-  und  Großkunst  nicht  zu  überschätzendes,  Material 
würden. 

2  Elite  ceramographique  IV,  17.  18. 

3  Über  alle  diese  hier  nur  angedeuteten  Punkte  s.  meinen  „Eros  in  der  Vasenmalerei" 

S.  28;  48;  77  ff.  [oben  S.  16;  30;  50  ff.]. 

7* 


100  Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans. 


Typus  durch  Inschriften  individualisiert,  hier  wird  ein  beliebig  Einzelnes 
■i  dadurch  verallgemeinert,  dort  nur  reine  Darstellung  einer  Handlung, 
iiier  soll  noch  ein  Gedanke  hervortreten.  So  verbünden  sich  Mangel  an  idealer 
Gestaltungskraft  und  ein  Überwiegen  von  außerhalb  des  Gegenstandes  liegenden 
allgemeinen  Gedanken,  um  die  Kunst  allmählig  von  derjenigen  Höhe  herabzu- 
ziehen, der  -  -  ganz  wie  in  der  Poesie  —  nur  die  unmittelbare,  reine,  zwecklose 
Darstellung  und  Gestaltung  eines  Gegenstandes  selbst  das  Ziel  ist,  einer  Höhe, 
die  freilich  nur  die  Zeit  des  Phidias  inne  hatte.  Die  Vasenbilder  aber  geben 
uns  eine  reiche  Anschauung  von  der  langsam  zerstörenden  Wirkung  jener  Ele- 
mente, wodurch  wir  eine  Brücke  zur  folgenden  hellenistischen  Periode  gewinnen. 
Nur  ganz  kurz  sei  die  Veränderung  der  Auffassung  mythologischer  Stoffe 
durch  die  spätem  Vasen  angedeutet.  Durch  die  vor  allem  nach  Ausdruck  der 
psychologischen  Motive  strebende  Auffassung  werden  auch  sie  immer  allgemeiner 
und  nähern  sich  dem  Genre;  die  Einzelhandlung  wird  zu  einer  allgemein  mensch- 
lichen und  muß  als  Folie  eines  allgemeinen  Gedankens  dienen,  was  man  be- 
sonders durch  Einführung  verschiedener,  nicht  streng  zur  Handlung  gehöriger 
Gottheiten  zu  erreichen  sucht,  von  denen  manche,  wie  Aphrodite,  Eros  und  die 
Erinyen  meist  nur  Personifikationen  psychischer  Affekte  sein  sollen.  Ebenso 
dienen  zur  Verallgemeinerung  jene  die  freie  Natur  bezeichnenden  Satyrn  und 
auch  die  von  nun  an  so  häufigen  Ammen  und  Pädagogen.  Viele  Dar- 
stellungen, wie  die  des  Parisurteils  oder  der  Iosage  sprechen  jetzt  deutlich  den 
allgemeinen  Gedanken  eines  Triumphs  der  Liebe  aus.  Am  weitesten  in  dieser 
Richtung  zum  Genre  geht  aber  eine  Vase  aus  Kameiros  in  Rhodos  [Brit.  Mus.  E  44], 
die  durch  die  Kühnheit,  mit  der  sie  den  Stoff  gestaltet,  der  großen  Kunst  näher  steht, 
als  die  übrigen;  sie  wagt  es  nämlich,  mit  der  festen  Tradition  zu  brechen,  nur  um 
ein  neues,  reizendes  Motiv  zu  gewinnen.  Aus  dem  früher  in  aller  mythologischen 
60  Wunderbarkeit  dargestellten  Kampfe  des  Peleus  mit  der  sich  verwandelnden  Thetis 
macht  sie  eine  Überraschung  badender  Mädchen  durch  den  Liebenden.  —  Daß 
eine  verwandte  Richtung  in  der  großen  Kunst  schon  frühe  angeschlagen  wurde, 
gt  uns  Zeuxis,  der  deutlich  nach  Verallgemeinerung  der  Charaktere  strebt  und 
in  diesem  Sinne  aus  der  Tradition  neue  Situationen  herausarbeitet.  Auf  die 
Vasen  scheint  diese  Richtung  des  Zeuxis  von  großem  Einfluß  gewesen  zu  sein, 
wenn  auch  die  kühne  Konsequenz  des  obigen  Beispiels  zu  den  Ausnahmen  ge- 
hört. Doch  In  einer  unsern  Vasen  vollkommen  entsprechenden  Weise  genügte 
schon  Aristophon,  der  jüngere  Bruder  des  Polygnot,  dem  bereits  allgemeinen 
üirfnis  nach  psychologischer  Motivierung.1     Dagegen   konnte  Parrhasios   mit 

Durch  Fdllbdt  und  Schärfe  des  Ausdrucks  versteht  er  dies  noch  nicht  zu  erreichen, 
weshalb  er  zu  Personifikationen  (Credulitas  und  Dolus,  wohl  durch  Inschriften  bezeichnet 
nach  damaliger  Sitte)  seine  Zuflucht  nimmt;  diese  stellt  er  ganz  nach  Art  der  Vasen 
neben  d  >ncn,  deren   innern  Charakter   sie  bezeichnen    sollen.     Mit  Unrecht   setzt 

ihn  daher  HdMg  (Heckeisens  .Jahrb.  1867  durchaus  in  eine  Reihe   mit  Zeuxis  und 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  101 

seiner   feinen   individuellen  Charakteristik  für  die  Vasenbilder  von   keinem  Ein- 
flüsse sein. 

Wir  können  diese  Periode  nicht  verlassen,  ohne  noch  ein  Wort  zu  sagen 
über  die  Attischen  Grabdenkmäler,  deren  schönste  Typen  ja  aus  dem  Ende 
des  5.  und  dem  4.  Jahrh.  stammen.  Sie  gehören  insofern  hieher,  als  alles  Por- 
träthafte fehlt,  vielmehr  die  Darstellungen  zu  allgemeinen  Charakterbildern 
des  menschlichen  Wesens  nach  Geschlecht,  Alter  oder  Beschäftigung 
verallgemeinert  sind.  So  wird  bei  einer  Frau  bald  ihre  Schönheit,  indem  sie 
sich  schmückt,  bald  ihr  Muttersein,  indem  sie  ihr  Kind  herzt,  bald  ihre  Familien- 
treue, indem  sie  dem  Gemahle  durch  Handschlag  als  ewig  verbunden  erscheint, 
als  ihr  Wesen  bezeichnend  herausgehoben.  Ebenso  bei  Männern  und  Jünglingen, 
die  bald  musischen,  bald  gymnastischen  Beschäftigungen  ergeben  erscheinen. 
Über  allem  aber  liegt  ein  Hauch  der  Wehmut,  der  an  die  Vergänglichkeit  des 
Irdischen  erinnert,  der  uns  jedoch  nicht  verleiten  darf,  in  diesen  nur  das  Wesen  61 
des  Verstorbenen,  nicht  seinen  Tod  darstellenden  Denkmälern  zufällig  momentane 
Szenen,  seinen  Abschied  vom  Leben  u.  dgl.  zu  erkennen,  wie  dies  bei  unsrer 
modernen  Neigung  zu  momentan  realistischer  Auffassung  oft  geschieht.1 


So  sind  wir  denn  endlich  bei  der  Entwicklung  angelangt,  auf  die  uns  schon 
so  Manches  vorbereitend  hinwies,  bei  der  hellenistischen,  nach  Alexander 
unter  der  Herrschaft  der  Diadochen  geübten  Kunst.  Das  Genre  gelangt  durch 
sie  zu  einer  neuen,  bedeutungsvollen  Entwicklung,  indem  es  von  allen  Seiten 
durch  die  sich  neu  begründenden  Zustände  und  Anschauungen  begünstigt  ward. 
Vor  Allem  geschah  das  durch  die  sich  immer  mehr  vollziehende  Zersetzung  und 
Auflösung  der  Religion,  die,  zwar  schon  von  den  Sophisten  vorbereitet,  doch 
erst  jetzt  in  einem  Euemeros  (um  300  v.  Chr.),  der  kühn  alle  Götter  für  wirk- 
liche historische  Menschen  erklärte  und  mit  dieser  Lehre  von  größtem  Einflüsse 
war,  ihre  volle  Höhe  erreicht.  Die  religiöse  Bedeutung  und  das  Wesen  der 
alten  Götter  und  Mythen,  die  vordem  die  Kunst  mit  reichem  Inhalt  füllte,  konnte 
jetzt   diese  Bedeutung   nicht    mehr   beanspruchen;    vielmehr  wie   auch    in   der 


Parrhasios  und  glaubt  manchfaltige  psychologische  Charakteristik  bei  ihm  annehmen  zu 
dürfen  —  er  bildet  nur  den  organischen  Übergang  zu  jenen. 

1  Ich  kann  daher  Kekule,  Akadem.  Kunstmuseum  zu  Bonn  S.  42  ff.  nicht  beipflichten; 
gewiß  nicht  zutreffend  ist  seine  momentane  Fassung  des  Hegesoreliefs,  wonach  dieselbe 
sich  unmittelbar  vor  dem  Tode  (auf  dem  Stuhle?)  das  Schmuckkästchen  bringen  ließe 
von  der  ängstlichen  Dienerin,  um  das  Beste  mit  in  den  Hades  zu  nehmen.  Mir  scheint 
der  Künstler  nichts  andres  haben  darstellen  zu  wollen  als  das  Sein  und  Wesen  einer 
schönen  Frau  mit  berechtigter  weiblicher  Eitelkeit,  so  wie  der  Aristion  eben  nichts  als 
ein  braver  Soldat,  der  Mann  von  Orchomenos  ein  guter  Landwirt  ist  usf.  [Furtwängler, 
Sammlung  Sabouroff  I,  S.  39  ff.] 


102  Der  Dornauszieher  und  df.r  Knabe  mit  der  Gans. 


Literatur  die  vom  alten  Volksglauben  getragenen  Hauptgattungen,  das  Epos  und 
die  Tragödie  verschwanden,  um  der  gelehrten  Dichtung  eines  Kallimachos  Platz 
zu  machen,  die  nur  noch  „die  kleinen  Rahmen  des  Gemütslebens,  der  populären 
ehrsamkeit,  der  Genrebilder  aus  Antiquitäten  und  Mythen"  (Bernhardy)  aus- 
fülll  weichen  auch  in  der  Kunst  die  großen,  aus  dem  allgemeinen  religiösen 

Bewußtsein  gestalteten  Schöpfungen  den  individuellen  Liebhabereien  der  Künstler, 
die,  nicht  mehr  an  das  Volk,  nur  an  den  Kreis  der  „Gebildeten"  sich  wendend, 

62  mit  ihrer  Subjektivität  Effekt  zu  machen  streben.  Und  daher  kam  es,  daß  man, 
wie  wir  schon  früher  bei  Lysipp  zu  betrachten  Gelegenheit  hatten,  bei  Götter- 
bildungen, statt  ihr  religiöses  Wesen  darzustellen,  jetzt  vielmehr  ihnen  eine  zu- 
fällige Erregung,  eine  momentane,  menschlich  interessante  Situation  zu  geben 
suchte.  Ebenso  wählte  man  sich  in  der  Darstellung  mythischer  Stoffe,  statt  den 
eigentlichen  Kern  derselben  zu  treffen,  mit  Vorliebe  irgend  eine  allgemein  mensch- 
liche, empfindungsvolle  Situation  aus,  zu  der  dann  der  Mythus  nur  die  Folie 
bildet.  Die  Campanischen  Wandbilder  bieten  zahlreiche  Beispiele  der  Art,1 
wo  nicht  eine  Handlung,  sondern  ein  Zustand,  eine  allgemeine  Empfindung  ohne 
mythische  Bedeutung  dargestellt  wird;  wie  wenn  der  bei  Admet  dienende  Apoll 
die  Leier  spielt  und  jener  als  Hirte  ihm  lauscht,  wenn  Paris  auf  dem  Ida  seine 
1  leerden  weidet,  wenn  Adonis  bei  Aphrodite  ruht,  Endymion  schlafend  daliegt, 

kissos  in  träumerische  Liebe  versunken  am  Bache  ruhend  liegt,  wenn  Perseus 
und  Andromeda  liebevereint  das  im  Wasser  sich  spiegelnde  Medusenhaupt  be- 
trachten, oder  wenn  gar  Apoll  ein  Mädchen  auf  seinem  Schooße  im  Kitharspiel 
unterweist,  oder  Achill  im  Zelte  bei  Patroklos  und  zwei  Mädchen  sich  mit  Musik 
unterhält,  oder  Paris  als  echter  Verliebter  den  Namen  seiner  Oinone  in  einen 
Stein  kratzt  u.  a.  Noch  auf  detl  Vasenbildern  kommen  derartige  Darstellungen 
nicht  vor,  obwohl  sich  gerade  in  den  spätem  Vasen  ein  Übergang  hiezu  nach- 
weisen läßt:  ihr  Streben  nach  Verallgemeinerung,  ihr  Durchdenken  der  Stoffe 
vom  psychologischen,  allgemein-menschlichen  Standpunkte  aus,  das  sie  zwar  dazu 
führte,  aus  der  Handlung  einen  allgemeinen  Gedanken  herauszuentwickeln,  aber 
nie  so,  daß  Kern  und  Wesen   eines  bestimmten    mythischen  Vorgangs  darunter 

63  litten  oder  gar  ignoriert  worden  wären  —  all  dies  mußte  vorangehen,  um  jene 
Steigerung  in  den  hellenistischen  Bildern  möglich  zu  machen,  die  einem  allgemeinen 
Genremotiv  zu  Liebe  auf  Darstellung  des  Kerns  der  Sage  verzichten. 

Daß  nun  aber  eine  solche  Richtung  der  Kunst  dem  Genre   überhaupt  den 
ten  Vonschub  leisten  mußte,  ist  klar.    Unter  den  die  Art  dieses  neuen  Genres 
'immenden  Faktoren  aber  gebührt  dem  immer  weiter  greifenden  Realismus 
die  erste  Stelle:  die  in  dieser  Zeit  ermattete  und   erschlaffte   ideale  Gestaltungs- 
kra'  •  herab  zum  Unmittelbar-Wirklichen  und  ergreift  dies  in  all  seiner  zu- 

fäll ifieriichkeit    Es  ist  dieselbe  Entwicklung,  wie  in  der  Philosophie  und 


ntersuch.  über  d.  Campan.  Wandm.  S.  83  ff. 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  103 


Wissenschaft:  nachdem  die  Sophistik  alles  Alte,  durch  Überlieferung  Geheiligte 
in  Frage  gestellt  und  ein  neues  Durcharbeiten  und  Motivieren  von  innen  heraus 
veranlaßt  hatte,  so  sieht  man  jetzt  erst,  wie  wichtig  die  Erforschung  der  realen 
Wirklichkeit  ist  und  strebt  jetzt  vor  Allem  nach  empirisch  positiven  Kenntnissen 
und  Maximen  fürs  praktische  Leben. 

In  der  Kunst  sahen  wir  schon  Lysipp  mit  diesem  Herabsteigen  zum  Wirk- 
lichen vorangehen,  nicht  minder  den  Maler  Antiphilos,  dessen  Einfluß  für  die 
Folgezeit  von  größter  Bedeutung  war;  denn  daß  es  gerade  die  jetzt  aufblühende 
Kabinettsmalerei  war,  die,  dem  Antiphilos  folgend,  jenen  Realismus  zur  höchsten 
Ausbildung  führte,  liegt  in  der  Natur  dieses  Kunstzweiges.  So  hören  wir  von 
einem  Philiskos,  der  ein  Maleratelier  und  darin  einen  das  Feuer  anblasenden 
Knaben,  also  ein  jenem  Werke  des  Antiphilos  sehr  verwandtes  Bild  malte,  bei 
dem  der  Lichteffekt  und  die  realistische  Umgebung  das  Interesse  ausmachte. 
Simos1  ferner  stellte  eine  Walkerwerkstätte  dar,  wo  man  gerade  Feiertag  machte; 
Athenion  malt  einen  Reitknecht  mit  dem  Pferde,  Nealkes  etwas  Ähnliches:  einen 
Mann,  der  durch  Schnalzen  ein  Pferd  zu  besänftigen  und  zurückzuhalten  suchte,  64 
Leontiskos  endlich  malt  eine  Harfenistin.  Während  jedoch  diese  Maler  sich  auch 
noch  auf  andern  Gebieten  betätigen,  so  zieht  Peiräikos  die  letzte  Konsequenz 
aus  Antiphilos  Richtung,  indem  er  sich  ausschließlich  auf  diese  Kleinmalerei  der 
unbedeutendsten,  niedrigsten  Gegenstände  warf;  in  technisch  höchster  Vollendung 
malte  er  Barbierstuben  und  Schusterwerkstätten,  ferner  Eselein  und  auch  bloßes 
Stilleben,  wie  Eßwerk  und  Ähnliches.  Dieselbe  Erscheinung  finden  wir  auch 
in  einem  andern  Kunstkreise:  der  Cälator  Pytheas  ziseliert  an  kleinen  Trink- 
bechern Figuren  von  Köchen  und  allerlei  derartigem  auf  Essen  und  Trinken  Be- 
züglichem. Zwar  ist  uns  die  Zeit  dieses  Künstlers  nicht  überliefert,  doch  kann 
er,  allen  Analogien  zufolge,  nicht  früher  als  in  die  hellenistische  Periode  ge- 
setzt werden. 

Unter  den  erhaltenen  Werken  kommen  dieser  Richtung  einige  der  vor  nicht 
langer  Zeit  in  Tanagra  in  Böotien  gefundenen  Terrakotten  nahe,  namentlich  die 
zwei  in  der  Arch.  Zeitung  1874  Taf.  14  publizierten  Statuetten,  von  denen  die  eine 
wahrscheinlich  einen  Bäcker2  darstellt,  der,  auf  einem  niedrigen  Steine  sitzend, 
soeben  etwas  zu  Röstendes  auf  einen  kleinen,  über  glühenden  Kohlen  stehenden 
Rost  legt,  während  er  auf  den  Knien  das  Brett  hält,  auf  dem  er  die  Brode  formt; 


1  Bei  dem  juvenis  requiescens  desselben  kann  man  an  die  in  den  Campanischen 
Wandbildern  so  zahlreichen  genrehaft  gefaßten  mythologischen  Gestalten  ruhender  oder 
schlafender  Jünglinge,  wie  Ganymed,  Narkissos  und  besonders  Endymion  und  an  das 
eine  jener  schönen  Reliefs  griechischer  Erfindung  bei  Braun  erinnern,  das  einen  schlafenden 
jugendlichen  Jäger  darstellt,  insofern  jener  ganze  Reliefzyklus  auf  Vorbilder  hellenistischer 
Malerei  zurückzugehen  scheint.     Vgl.  noch  Anm.  5  S.  108. 

2  Forchhammer  in  der  Arch.  Ztg.  1875  S.  47  hält  ihn  für  einen  Verfertiger  von 
Leukomata,  übergipsten  Tafeln. 


1Q4  Der  Dornausziehbr  und  der  Knabe  mit  der  Gans. 


selbst  ist  bei  dem  heißen  Geschäfte  ganz  unbekleidet  und  eifrig  in  seine  Arbeit 
vortieft.  Ebenso  aus  rhedern  Ständen  und  dem  alltäglichen  Leben  gegriffen  ist 
dte  der  genannten  Werke,  dasselbe  Thema  behandelnd  wie  Peiräikos  in 
seinen  Bildchen:  ein  einfacher,  ehrsamer  Bürger  läßt  sich  die  Haare  schneiden; 
er  hat  sich,  nicht  anders  als  bei  uns,  in  einen  langen  weißen  Mantel  gehüllt  und 
sitzt  nun  ruhig  geduldig  da,  aber  nicht  in  sich  versunken,  sondern  in  steter  Er- 

65  Wartung,  bis  der  hinter  ihm  stehende  Sklave  mit  dem  Geschäfte  fertig  sei;  dem 
eilt  es  aber  gar  nicht,  mit  der  kaltblütigsten  Ruhe  scheert  er  die  Haare  nach 
einander  ab;  in  seinem  wohlgenährten,  vollen,  gleichgültig  stumpfen  Gesicht  haben 
wir  wohl  den  echten  Typus  eines  Böoters,  wie  ihn  uns  die  Alten  schildern.  Diese 
Schärfe  der  Charakteristik,  diese  bei  aller  Ruhe  lebendige  Handlung  ist  aber  mit 
den  einfachsten  Mitteln  erreicht:  der  Stil  hat  etwas  Derbes,  Volkstümliches, 
namentlich  sind  die  etwas  zu  starken  und  großen  Arme  und  Köpfe  zu  bemerken; 
letztere  zeichnen  sich  noch  besonders  durch  den  prächtigen,  echt  griechischen 
Schädelbau  aus.  Auch  einige  andre  Stücke  jenes  Fundes  in  Tanagra  gehören 
hieher;  so  ein  alter,  kahler  Bettler,  der  sich  auf  einen  derben  Jungen  stützt,  eine 
alte  Amme  mit  einem  Säugling  u.  dgl.  Über  die  Zeit  der  Entstehung  dieser 
Werke  läßt  sich  leider  nichts  Gewisses  sagen;  doch  werden  sie  schwerlich  in 
voralexandrinische  Zeit  fallen,  wegen  des  Realismus,  der  seine  Motive  aus  dem 
niedrigsten  alltäglichsten  Leben  greift  (eine  lokale  Entwicklung  könnte  indes 
Manches  antizipiert  haben).  Andrerseits  darf  man  sie  nicht  zu  weit  hinabrücken, 
da  ihr  ganzer  Charakter  auf  die  gute  Kunstzeit  weist.  —  Die  erhaltenen  Wand- 
bilder, mehr  auf  anmutige  flüchtige  Dekoration  berechnet,  als  zur  Nachahmung 
feiner  Kabinettsbilder  geeignet,  bieten  leider  nur  wenig  in  die  besprochene  Rich- 
tung Gehöriges.  Außer  den  zahlreichen  Stilleben  kann  man  etwa  hieher  zählen 
das  Bild  eines  Barbaren,  der  mit  einer  Hetäre  zecht,  die  ihn  zu  überlisten  sucht; 
ferner  die  ganz  realistisch  gehaltnen  Bilder,  die  Schauspieler  und  Musiker  dar- 
stellen, ferner  die  Komödienszenen.  In  sehr  niedrig  charakteristischer  Weise  sind 
auch  die  Gemälde  gehalten,  die  Zwerge  (Pygmäen)  in  verschiedenen  Handlungen 
des  täglichen  Lebens   darstellen.1     Doch   die  Campanischen  Wandbilder  sollten 

66  ja  nur  einen  gefälligen  Schmuck  der  Wohnräume  bilden,  natürlich  warfen  sie  sich 
daher  mit  größerer  Vorliebe  auf  die  idealisierenden  Bilder  der  anmutigen  Richtung, 
die  auch  ihrer  flüchtigen  dekorativen  Technik  mehr  entsprachen.  Wir  finden  daher 
besonders  junge  Mädchen  in  ansprechenden,  freundlichen  Situationen  dargestellt; 
harte  und  niedrige  Darstellungen  aber  pflegt  diese  anmutige  Dekorationsweise 
meist  zu  idealisieren,  indem  sie  Eroten  und  Psychen  zu  Trägern  derselben  macht; 
denn  diese  sind  bereits  so  sehr  allen  mythologischen  Begriffs  entkleidet,  daß  man 
ihnen  alle  möglichen  täglichen  Geschäfte  auferlegen  konnte. '- 


I  leibig  a.  a.  O.  S.  77  ff. 
Vgl  Heibig  a.  a.  O.  76;  meinen  EfOl  S.  84  ff.  [oben  S.  54  ff.] 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  105 


Von  größerer  Wichtigkeit  jedoch  ist  eine  andre  Gattung  des  Genres,  die 
wir  als  die  spezifisch  hellenistische  bezeichnen  müssen,  da  sie  eben  nur 
aus  den  Zuständen  dieser  Zeit  sich  erklären  läßt.1  Die  Umwandlung  der  meisten 
Staaten  in  Monarchien  hatte  nämlich  die  weittragendsten  Folgen.  War  früher 
jeder  Bürger  ein  ganzer  Mensch  und  war  er  nur  um  des  Staates  willen  und  durch 
den  Staat,  den  er  regieren  half,  da,  so  fällt  jetzt,  wo  der  Einzelne  ohne  nähere 
Beziehung  zur  Regierung  nur  auf  seine  Privatinteressen  angewiesen  ist,  und  sogar 
kosmopolitische  Anschauungen  um  sich  griffen,  alles  Gewicht  auf  das  Einzel- 
individuum, das,  um  sich  zu  erhalten,  durch  größere  Arbeitsteilung  sich  immer 
einseitiger  ausbilden  mußte;  kurz  es  sonderten  sich  die  Berufe  ungleich  schärfer 
als  früher,  und  man  ist  jetzt  nicht  mehr  in  erster  Linie  Mensch  und  Bürger, 
sondern  erst  Soldat,  Beamter,  Gelehrter  usw.  Die  gemeinsame  Richtung  der 
Teile  zum  Ganzen  hat  aufgehört,  jeder  der  Teile  bildet  sich  für  sich  selbst 
nach  eigner  Weise  aus  und  es  entsteht  eine  feine  Sonderung  in  Individuali- 
täten, ein  Subjektivismus,  von  dem  die  frühere  Zeit  keine  Ahnung  hatte  und 
der  an  das  Moderne  streift.  Doch  das  Naturgesetz  legte  in  Jeden  den  Trieb,  67 
sich  zum  ganzen  und  vollen  Menschen  auszubilden;  wird  er  daran  behindert  durch 
die  Verhältnisse  —  und  das  war  in  dieser  Zeit  der  Fall  — ,  so  fühlt  er  dies  bald 
schmerzlich  und  aus  der  tief  empfundnen  Einseitigkeit  der  eignen  unharmonischen 
Ausbildung  entspringt  eine  Sehnsucht  nach  dem,  was  man  nicht  ist.  Daher 
erklärt  sich  das  Interesse,  das  man  jetzt  an  andern  Berufen  nimmt,  das  Interesse 
an  andern  scharf  ausgeprägten  Individualitäten,  das  wir  in  der  Kunst  dieser  Zeit 
finden:  es  ist  der  Trieb,  das  einseitige  Selbst  aus  Fremdem  zu  ergänzen.  —  Doch 
was  fehlte  hier  am  meisten,  wo  das  Leben  sich  immer  mehr  in  großen  Städten 
konzentrierte  und  die  sozialen  Verhältnisse  sich  unsern  modernen  näherten? 
Natur  und  Unschuld  waren  auch  hier  entwichen  und  nach  ihnen  verlangte 
man  sehnend  zurück.  So  ist  es  Tatsache,  daß  das  Naturgefühl  der  hellenistischen 
Zeit  eine  bedeutende  Schwenkung  zur  modernen  sentimentalen  Auffassung  machte;2 
doch  am  deutlichsten  spricht  für  jene  Sehnsucht  ein  ganzer  Literaturzweig,  das 
Idyll,  das  seine  Stoffe  vorwiegend  aus  den  niedern  Kreisen  der  Landleute, 
Hirten,  Jäger  und  Fischer  nimmt,  die,  aus  dem  Zusammenhange  mit  der  Natur 
noch  nicht  losgerissen,  den  überbildeten  Städter  als  Bild  des  ersehnten,  einfach 
natürlichen  Zustandes  befriedigten.  Nur  die  Wahl  des  Stoffes  jedoch  zeigt  den 
sentimentalen  Zug;  die  Darstellung  selbst  ist,  wenigstens  bei  Theokrit,  voll  von 
gesundem  Realismus.  —  Auch  die  Kunst  bemächtigte  sich  jetzt  dieser  Stoffe, 
namentlich  der  Hirten  und  Fischer  mit  großer  Vorliebe.  Leider  mangeln  uns 
gerade  hierüber  bestimmte  Nachrichten  der  Schriftsteller;  doch  da  uns  aus  früherer 
Zeit  gar  nichts  Ähnliches  bekannt  ist,  so  können  die  Originale  des  zahlreich  Er- 


1  Vgl.  die  schönen  Auseinandersetzungen  bei  Heibig  a.  a.  O.  185  ff. 

2  S.  Heibig  a.  a.  O.  Kapitel  23. 


IQg  MAUSZIEHEH  UND  DER  KNABE   MIT  DER  GANS. 


haltenen    nur   in    dieser  Periode   gesucht  werden,   in  der  sie  allein  zu  begreifen 

68  sind.     Aus  Plinius  (35,  25)  kennen  wir  nur   ein  hieher  gehöriges  Gemälde,   das 

Iten  Hirten  mit  dem  Stabe  in  der  Hand.  Eine  darangeknüpfte  Anekdote 
ist  sehr  bezeichnend:  der  Gesandte  der  Teutonen  nämlich  soll  auf  die  Frage, 
hoch  er  es  schätze,  geantwortet  haben,  nicht  einmal  lebendig  wolle  er  einen 
.heu  .Mann  geschenkt  bekommen.  So  spricht  der  unverdorbne  germanische 
Naturmensch  und  ähnlich  könnte  ein  Grieche  der  älteren  Zeit  sich  geäußert  haben. 
Die  Darstellung  einer  so  niedern  Person  kann  nur  dann  Interesse  erwecken,  wenn 
der  Hirte  nicht  des  Hirten  wegen,  sondern  um  die  Sehnsucht  nach  einem  glück- 
lich beschränkten  Naturleben  zu  befriedigen,  gemalt  ist.  Dem  früheren  gesunden 
Gefühle  aber  mußten  diese  Gegenstände  fern  liegen,  ja  verächtlich  dünken,  es 
liebte  nur  die  Darstellung  des  freien,  ganzen  Menschen.  Noch  auf  den  Vasen 
läßt  sich  daher  das  niedere  Genre  der  Sehnsucht  nicht  mit  Sicherheit  nachweisen, 
dagegen  spielt  es  auf  den  Campanischen  Wandbildern  eine  große  Rolle,  wo 
namentlich  die  Hirten  als  Staffage  der  Landschaften  sehr  gewöhnlich  sind.1  Vor 
Allem  gehört  aber  eine  Reihe  von  Statuen  hieher;  die  meisten  stellen  Fischer 
dar,  wie  sie  angeln  oder  die  Ware  zu  Markte  tragen  oder  feilbieten;  die  scharfe 
realistische  Charakterisierung  entspricht  den  Schilderungen  der  hellenistischen 
Poesie.'-'  Andere  Statuen  zeigen  Hirten  oder  Landleute,  die  z.B.  ein  geschlachtetes 
Tier  ausweiden  oder  es  kochen.3  Überall  sehen  wir  hier  den  Realismus  zusammen- 
wirken mit  jenem  Zuge  der  Sehnsucht,  eine  Vereinigung,  der  auch  die  ganze 
Gattung  der  Landschaftsmalerei  um  dieselbe  Zeit  ihre  Entstehung  verdankt; 
denn  einerseits  ist  die  Kraft,  ein  ideales  Ganzes  aus  den  Teilen  zu  gestalten, 
erlahmt,   andrerseits  ist  man  von  der  Natur  entfernt,   ihr  fremd  geworden:  man 

69  imitiert  sie  und  schafft  nicht  mehr  aus  ihr  heraus,  man  hängt  mit  Sehnsucht 
am  Teil,  am  Einzelnen,  weil  man  selbst  ein  Ganzes  nicht  mehr  ist. 

Einer  idealeren  Richtung  begegnen  wir  in  der  zweiten  Gattung  des  aus  jener 
Sehnsucht   hervorgehenden   Genres,   den   Kinderstatuen.     Wo  zeigt  sich   die 
ersehnte  Unschuld  und  Natur  frischer,  unmittelbarer  und  reizender,  als  im  Kinder- 
leben?   Kein  Wunder  also,  wenn  auch  dieses  jetzt  zu  einem  Lieblingsgegenstand 
statuarischer  Kunst  erhoben  wurde.     Freilich  bemerkten  wir  schon  gegen  Ende 
der  vorigen  Periode  Darstellungen   von  Kindern,   aber  es   ist  ein  himmelweiter 
Unterschied,  ob  dies  in  kleinen  Gemälden,  kleinen  Terrakottastatuetten  und  Ge- 
fäßchen  geschieht,   die  selbst  zum  Kinderspielzeug   bestimmt,   oder  ob  man  es 
wagt,  monumentale,  statuarische  Kompositionen  zu  gestalten  aus  der  unbedeutend 
nen  Kinderwelt,   die  weder   einem  rein  formalen  Genüsse  mit  ihren  unreifen 
rmen  genügen  konnte,  noch  bloß  durch  Bewegung  und  Handlung  ein  für  ein 
inmentales  Werk   befriedigendes  Interesse   hervorrufen  konnte.     Drum  stellte 

1  S.  Helbif  97. 

HdMg  .«.  O.  187.   -     Beispiele  bieten  Chirac  Tai  879;  880;  881;  882. 

Iaf.  2H7,   MW,. 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  107 


auch  die  voralexandrinische  Genreplastik  nur  Knaben  dar,  die  dem  eignen  vollen 
Menschen  nahe  standen;  erst  jetzt  in  hellenistischer  Zeit,  wo  man,  von  sich  selbst 
nicht  mehr  befriedigt,  sich  aus  Fremdem  zu  ergänzen  sucht,  jetzt  war  in  der 
Sehnsucht  nach  dem  unschuldig  natürlichen  Wesen  der  Kinder  der  Punkt  ge- 
funden, der  sie  der  monumentalen  Behandlung  würdig  machte.  Begünstigend 
wirkte  natürlich  auch,  daß  die  Kunst  immer  mehr  im  Dienste  privater  Dekoration 
arbeitete. 

Als  das  Hauptwerk  der  ganzen  Richtung,  in  dem  sich  ihre  wesentlichen  Eigen- 
schaften am  klarsten  widerspiegeln,  ist  offenbar  der  Knabe  mit  der  Gans  von 
Boethos  zu  betrachten,  von  dem  unsre  Untersuchung  den  Ausgang  nahm.  Leider 
ist  uns  außerdem  literarisch  gar  nichts  Bestimmtes  überliefert.  Nur  ein  Werk  70 
kann  hiehergezogen  werden:  Epigonos,  ein  Künstler  unbekannter,  doch  wahr- 
scheinlich hellenistischer  Zeit  macht  die  Gruppe  einer  sterbenden  Mutter,  die 
von  ihrem  Kinde  „miserabiliter"  geliebkost  wird:1  der  ganz  malerische  Vorwurf 
erinnert  uns  auffallend  an  Aristides  berühmtes  Werk;  aber  sehr  bezeichnend  sind 
die  Unterschiede:  dort  bei  Aristides  liegt  alles  Gewicht  auf  der  Mutter,  die  voll 
Angst  und  Schmerz  für  des  Kindes  Leben  noch  im  Tode  sorgt  —  hier  dagegen 
auf  dem  Kinde,  das  in  seiner  unwissenden  Einfalt  und  echt  kindlichen  Liebe  die 
Mutter,  die  ihm  stirbt,  liebkost;  hier  freuen  wir  uns  am  einfach  Kindlichen  und 
bemitleiden  das  arme  Würmchen  —  dort  packt  uns  ein  ernstes  tief  ergreifendes 
Pathos.  So  tritt  uns  in  dieser  Umbildung  eines  älteren  Werks  der  ganze 
Charakter  hellenistischer  Kunst  aufs  deutlichste  entgegen  und  nicht  umsonst 
trug  Epigonos  seinen  Namen:  er  war  ein  Epigone. 

Von  den  zahlreichen  uns  erhaltenen  Werken  dürfen  wir  nach  dem  Voraus- 
gegangenen annehmen,  daß  ihre  Originale  sämtlich  in  hellenistischer  Zeit  nach 
dem  Vorgange  des  Boethos  gestaltet  wurden.  Vor  allem  berühmt  muß  eine  uns 
in  mehreren  Repliken  erhaltne  Komposition  gewesen  sein,  einen  kleinen  Knaben 
darstellend,  der  nach  Kinderart  auf  dem  Boden  sitzt;  er  scheint  aufstehen  zu 
wollen,  ohne  es  noch  zu  können;  bittend  streckt  er  den  einen  Arm  aus  und 
blickt  aufwärts,  daß  man  ihm  helfen  solle;  doch  da  er  den  andern  Arm  auf  seine 
Gans,  den  Lieblingsvogel,  legt,  um  sie  festzuhalten,  so  scheint  diese,  die  man 
ihm  vielleicht  wegnehmen  will,  der  Grund  seiner  Erregung  zu  sein.2    Auch  hier, 


1  Diltheys  Vermutung  (Rhein.  Mus.  1871,  300),  auch  diese  Gruppe  gehöre  einer  Iliu- 
persis  an,  entbehrt  aller  Wahrscheinlichkeit. 

2  Es  sind  acht  Statuen,  zusammengestellt  von  Jahn  (Sächsische  Berichte  1848,  45) 
und  Stephani  CR.  1863  S.  55,  [Österr.  Jahreshefte  VI,  215  ff.]).  —  Verwandte  Motive  finden 
sich  auch  in  Terrakotten,  s.  Stephani  a.  O.  Hinzufügen  kann  man  eine  Statuette  des 
Münchner  Antiquariums  Nr.  44,  die  auch  den  aufgewendeten  Blick  zeigt,  doch  ohne  Gans 
und  beide  Arme  aufgestützt.  Eine  direkte  Abhängigkeit  von  der  statuarischen  Kom- 
position kann  indes  nirgends  mit  Sicherheit  angenommen  werden. 


Der  D<  niii-R  und  der  Knabe  mit  der  Gans. 


an  Werke  des  Boethos,  liegt  das  Interesse  in  dem  Kontraste  der  kindlichen 
Not  und  Sorge  mit  dem  kleinen  Gegenstande,  des  ängstlichen  Eifers  mit  der 
kindlichen  Unbeholfenheit,  wodurch  unsre  Sehnsucht  nach  der  beschränkt  un- 
schuldigen Kindheit  erwacht.1  Denselben  Grundzug  tragen  die  übrigen,  weit  un- 
bedeutenderen Werke  der  Art,  die  meist  einen  ruhig  dastehenden  Knaben,  der 
inen  lieben  Vogel  füttert  oder  an  sich  drückt,  darstellen.'-' 

Andre  sitzen  am  Boden  mit  einem  Vogel  oder  einer  Frucht3  oder  halten 
stehend  Früchte.4  Sehr  beliebt  ist  es  in  der  hellenistischen  Zeit,  schlafende 
Gestalten  darzustellen;  so  finden  wir  denn  auch  bald  Kinder  überhaupt,  bald 
ländliche  Hirten  oder  Fischerknaben,  die  entweder  in  liegender  oder  —  indem 
sie  sich  auf  das  eine  heraufgenommene  Bein  stützen  —  in  sitzender  Stellung 
schlafen.''  Einige  Gruppen  zeigen  knöchelspielende  und  darum  sich  streitende 
Knaben."  Sehr  fragmentiert  sind  einige  Statuen  laufender,  irgend  ein  kleines 
Interesse  verfolgender  Jungen.7  Selten  wurden  Mädchen  dargestellt,  doch  scheint 
ein  Werk  berühmt  gewesen  zu  sein:   ein  kleines  Mädchen,  das  am  Boden  sitzt 


1  Dieses  Werk  hätte  daher  Overbeck,  wenn  doch  einmal  vermutet  werden  sollte, 
immerhin  mit  jenem  bei  Pausanias  genannten  „sitzenden  Kinde"  des  Boethos  identifizieren 
können,  nimmermehr  aber  den  Dornauszieher,  gegen  den  ja  schon  rein  sprachlich  die 
Bezeichnung  xeudior  bei  Pausanias  spricht,  denn  ihn  würde  er  xat*  genannt  haben. 

1  S.  die  Zusammenstellung  bei  Stephani  CR.  1863,  S.  53  Anm.  6;  S.  54  A.  1  und  4.  — 
Die  bei  Stephani  erwähnte  Statue  Clarac  878,  2231  gehört  einem  Typus  an,  von  dem 
noch  ebenda  876,  2236  A.;  878,  2239  zu  bemerken  sind:  sie  haben  ein  kurzes  Gewand, 
das  an  der  linken  Seite  etwas  heraufgenommen  wird  durch  den  linken  Arm,  der  ursprüng- 
lich wohl  immer  einen  Vogel  andrückte. 

s  S.  Clarac  875,  2234;  677,  1577;  881,  2243.  —  Ich  begnüge  mich  hier  nur  auf  die 
Hauptgruppen  hinzuweisen ;  doch  wäre  eine  genauere  Behandlung  der  so  vernachlässigten 
Kinderstatuen  sehr  wünschenswert.  Es  müßten  dabei  aber  auch  die  göttlichen  Kinder 
herangezogen  werden,  und  vor  allen  Eros,  der  schon  teilweise  auf  den  kleinen  Kinder- 
vasen, und  in  den  späteren  Terrakotten  in  ganz  denselben  Motiven  dargestellt  wird  wie 
die  menschlichen  Kinder. 

4  S.  Clarac  884,  2259,  2252. 

•  Clarac  Taf.  875;  882,  2247  D;  879,  2242;  726  H,  1791  C;  781,  1954  (schwerlich 
Herakles,  die  Schlangen  bezeichnen  das  Freie,  Ländliche?);  644  A,  1459  E  (auch  Köcher 
und  Bogen  modern?);  749  C,  1949  A  (durch  die  Urne  als  Brunnendekoration  bestimmt).  — 
Jünglinge   sind    der  schlafende  Ziegenhirt  741,    1784   und   der   Fischer  882,   2247  C.  — 

Schlafen  scheint  in  statuarischer  Kunst  erst  in  der  hellenistischen  Zeit  vor- 
zukommen, wenigstens  ragt  wohl  kein  Original  der  vielen  schlafenden  Nymphen,  Minaden, 
Ariadnen,  Satyrn,  Eroten  und  Hermaphroditen  in  ältere  Zeit  zurück. 

•  Vor  allem  die  höchst  lebendige  Gruppe  bei  Clarac  880,  2254,  deren  Stil  (nach 
Brunn  i  auf  die  Pergamcnischc  Schule  weist.   —  Ferner  ebenda  2253;  884,  2255. 

larac  878,  2237  A;   876,   2240   (vgl.  die   Terrakotte   CR.   1868  Taf.  3,  9,  wo   ein 
dehen  nachläuft);  540,   1135;  641,   1454  (der   kleine    Fros    nebst    halber  Pünthe    mo- 
dern?). —  Auch  Athletenknaben  kommen  vor  und  zwar  wohl  als  Genrestücke;  so  Clarac 
(soll    intakt    sein);    651,  1483  (Sieger  wegen  des  Palmstamms?) ;  349,  2225  A 
Im  Hahnenkampf). 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  109 


und  Knöchel  spielt;1  aber  auch  Mädchen  mit  dem  Lieblingsvogel  kommen  vor, 
wie  eine  Statue  des  Capitolinischen  Museums,  die  sich  durch  schöne  Gewand- 
motive auszeichnet,  ein  Mädchen  zeigt,  das  erschreckt  eine  Taube  am  Busen  zu 
bergen  und  zu  schützen  sucht  gegen  ein  andres  Tier,  etwa  einen  anspringenden 
Hund  (Clarac  877,2235  [Heibig,  Führer2  540]). 


Doch  kehren  wir  endlich  zurück  zu  unserm  Ausgangspunkte,  zu  jener  Frage, 
welche  diese  ganze  Untersuchung  veranlaßte:  welche  historische  Stellung  der 
Knabe  mit  der  Gans  und  der  Dornauszieher  einnehmen.  Wie  trefflich  sich 
ersterer,  das  Werk  des  Boethos,  in  das  Ganze  hellenistischer  Kunst  einfügt,  haben 
wir  oben  klargesehen.  Aber  der  Dornauszieher?  wird  man  ungeduldig  fragen. 
Natürlich  kann  er  unmöglich  derselben  Zeit,  noch  viel  weniger  demselben  Künstler, 
Boethos,  angehören,  wie  Overbeck  (Plastik  II2,  127)  festhält;  vielmehr,  wenn  wir  72 
uns  der  zu  Anfang  aufgestellten  Gegensätze  beider  Werke  erinnern,  so  sind  dies 
ganz  dieselben,  wie  wir  sie  jetzt  zwischen  vor-  und  nachalexandrinischem  Genre 
beobachtet  haben:  der  Knabe  mit  der  Gans  und  mit  ihm  das  ganze  hellenistische 
Genre  entspringt  aus  der  Sehnsucht  nach  einem  verlornen  Paradiese  der  Natur 
und  Unschuld.  Drum  stellt  man  nicht  das  eigne  Alltagsleben  dar;  ist  man  doch 
nicht  mehr  befriedigt  von  sich  selbst  und  kann  kein  Interesse  mehr  haben  an 
der  bloßen  Darstellung  dessen,  was  man  selbst  ist;  Hirten  und  Fischer  und  vor 
Allem  Kinder  müssen  in  das  verlorne  Naturleben  zurückversetzen.  Dagegen  der 
Dornauszieher  und  mit  ihm  das  ganze  voralexandrinische  Genre  ist  nichts 
als  reine  Darstellung  einer  Handlung,  nicht  aus  dem  entfernten  Kinder-  oder 
Fischerleben  etwa,  sondern  aus  dem  unmittelbar  eignen,  wo  nichts  als  die  scharfe 
Ausprägung  des  Momentes  der  Handlung  interessiert  und  nirgends  eine  Spur 
sich  findet  von  jenen  mit  der  Darstellung  verknüpften  Nebenelementen,  nichts 
von  jenen  gesuchten  Kontrasten  glücklicher  Beschränktheit  mit  der  eignen  Über- 
kultur, kurz  nichts  von  jener  Sehnsucht  nach  natürlich  unschuldigen  Zuständen, 
die  dem  Hellenistischen  so  eigentümlich  ist. 


1  Mit  Po  ly  kl  et  hat  es  auch  nicht  die  entfernteste  Verwandtschaft  (Overbeck, 
Plastik  I2,  345  möchte  es  auf  ihn  zurückführen);  schon  das  von  der  Schulter  sinkende 
Gewand  zeigt  die  spätre  Zeit  an;  die  Gesichtszüge  sind  porträtartig.  —  Schwerlich  ein 
Genrebild  war  die  gemalte  „puella"  in  Eleusis  von  Eirene  (Plin.  35,  147);  mit  Recht 
vermutete  man  teils  eine  .-iaT;  äq>'  botük,  teils  eine  mißverstandne  Übersetzung  von  K6orh  — 
Ungewiß  bleiben  wir  auch  über  das  Werk  eines  Ktesikles  in  Samos  (Athen.  13, 
606a);  Athenäus  selbst  nennt  dasselbe  nur  Ildgior  äyalpa,  Philemon  li&ivop  u^or,  Alexis 
dagegen  lidiv-q  y.6o?i  (Overbeck  SQ.  1372  läßt  die  beiden  Dichterstellen  weg);  da  es 
bei  der  betr.  Erzählung  immer  nur  darauf  ankam,  daß  es  ein  steinernes  Wesen  war, 
in  das  sich  einer  verliebt,  so  gab  man  den  eigentlichen  Gegenstand  gar  nicht  oder  nur 
ungenügend  an.  Auch  ob  die  gleich  darauf  bei  Athenäus  606  B  aus  dem  Helladikos 
des  Polemon  zitierten  näi8eg  Xi&ivoi  ovo  Genrestücke  waren,  ist  ganz  ungewiß. 


HO  DER   DORNAUSZIEHER  UND   DER   KNABE  MIT  DER  GANS. 


Unser  Dornauszieher  gehört  also  in  die  voralexandrinische  Kunst.  Doch 
können  wir  dies  noch  genauer  bestimmen;  denn  nicht  etwa  ins  4.,  sondern  noch 
ins   ">.  Jahrh.  v.  Chr.  weisen   ihn   mehrere  Momente,   namentlich   die   deutlichen 

ren  des  Altertümlichen  an  Maar  und  Gesicht.  Freilich  haben  eben  diese  Spuren 
einen  unsrer  trefflichsten  Kunstgelehrten  (Kekule)  bewogen,  das  Werk  in  eine 
erschiedene  Zeit  und  Schule,  in  die  des  Pasiteles  zu  Rom,  eines  Zeit- 
en des  Pompejus,  oder  in  eine  diesem  verwandte  und  nahe  stehende  (uns 
loch  unbekannte)  Schule  zu  setzen.1  Dieser  Irrtum,  der  indes  fein  durchgeführt 
ist  und  daher  eine  genaue  Erwägung  verlangt,  ist  sehr  begreiflich  bei  der  voll- 
kommenen Unklarheit,  die  bisher  über  die  Geschichte  des  Genres  herrschte.  Denn 
auch  Kekule  geht  von  jener  Voraussetzung  aus,  deren  Falschheit  wir  erwiesen 
haben,  der  Voraussetzung,  daß  der  Dornauszieher  als  „Idyll"  mit  Boethos  und 
der  hellenistischen  Geistesrichtung  gleich  zu  setzen  sei.  Er  glaubt,  das  Werk 
könne  auch  „in  minder  glücklichen  Zeiten  der  Kunst"  geschaffen  worden  sein, 
ja  er  hält  selbst  das  „Motiv"  in  der  älteren  Kunst  für  unmöglich  und  übersieht 
dabei  vollständig  gerade  jene  im  Folgenden  noch  näher  zu  betrachtende,  kühne 
Härte  der  Komposition,  die  man  sich  eben  nur  in  den  besten  Zeiten  des  5.  Jahrh. 
erlauben  konnte.  Für  diesen  Grundirrtum,  daß  das  Werk  einer  späteren  Zeit  an- 
gehören müsse,  sucht  nun  Kekule  zweierlei  scheinbare  Widersprüche  in  der 
formalen  Behandlung  unsres  Werkes  zu  verwerten:  der  mit  Lysippischer  Meister- 
schaft gebildete  Körper  widerspreche  dem  Haare,  und  wiederum  die  sorgfältig 
zierliche,  selbst  freie  Haarbehandlung  widerspreche  dem  an  sich  unmöglichen 
Wurfe  desselben,  indem  die  Locken  der  Bewegung  des  Kopfes  entsprechend  mehr 
vorwärts  fallen  sollten.  Beide  Widersprüche  verschwinden  aber  bei  genauerer 
Betrachtung.  Beim  Haare  zunächst  ist  zu  beachten,  daß  alle  Haare,  nach  der 
Sitte  der  älteren  Kunst,  von  einem  einzigen  Punkte  am  Wirbel  ausgehen,  daß  sie 
also  gar  nicht  so  vorfallen  konnten,  wie  bei  einer  naturgemäßeren  Anordnung. 
Die  langen  lockigen  Haare  zerfallen  nun  in  zwei  Hauptpartien,  die  rechts  und 
links  sich  weich  und  eng  um  den  Schädel  legen  (auch  hinten  ist  die  Scheidung 
noch  bemerklich).  Bei  der  Neigung  des  Hauptes  rutschen  sie  aber  eben  so  weit 
vor,  als  es  die  Natur  solchen  enganliegenden,  elastischen  und  schmiegsamen 
:;  Haares  verlangt;  ja  der  Künstler  hat  es  nicht  unterlassen,  dieses  Vorrutschen  auf 
der  rechten  Seite,  die  tiefer  geneigt  ist,  mehr  zu  betonen,  als  auf  der  linken. 
In  der  Mitte  zwischen  diesen  beiden  Seitenpartien  wächst  ein  selbständiger  kürzerer 
Haarbündel   zur  Stirn   herab,   wo   er  sich   in  einen  kleinen  Knoten  konzentriert, 

die  Richtung  des  Kopfes  nach  vorn  noch  einmal  betont.  Symmetrisch  kommen 

endlich  zwischen  diesem  Zentrum  und  den  beiden  Seitenpartien  als  vermittelnder 

Ulg  einige  kleine,  sorgfältig  gelockte  Härchen  zum  Vorschein.    Die  zierliche 

und  feine  Behandlung  namentlich  der  Lockenspit/.en  ist  durchaus  den  Forderungen 

akademische  Kunstamieum  zu  Honn  Nr.  399  (S.  99).  [Vgl.  Furtwängler, 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  1 1 1 


des  Bronzestils  entsprechend,   denen  schon  die  altertümlichen  Werke  mit  ihren 
zierlichen,  symmetrisch  gereihten  Drahtlocken  besonders  gerecht  zu  werden  suchten. 

Aber  auch  das  so  äußerst  anziehende  einfache  Gesicht  vom  reinsten  Typus 
zeigt  noch  deutliche  Spuren  des  Altertümlichen  in  der  Gesamtanlage:  in  dem 
Vorwiegen  des  breiten,  großen  Kinns  gegen  die  niedere  Stirn,  in  den  noch  nicht 
ganz  im  Profil  stehenden  Augen  und  dem  etwas  äußerlich  aufgefügten  Mund, 
dessen  Winkel  ein  Weniges  emporgezogen  sind.  Aber  all  dies  ist  nur  ein  sanfter 
Nachklang  an  archaische  Gebundenheit,  wie  er  einer  Übergangszeit  eigentümlich 
sein  mußte,  und  weit  entfernt  von  einem  bewußten  Hervorheben  des  Alter- 
tümlichen. —  Endlich  der  Körper  wird  wegen  der  trefflichen  Wiedergabe  der 
Formen  dieses  jugendlichen  Alters  mit  Recht  bewundert.  Wenn  aber  Kekule 
Lysippische  Kunstart  an  ihm  bemerken  will,  so  wüßte  ich  wahrlich  nicht,  worin 
diese  bestehen  sollte;  denn  weder  von  Lysippischen  Proportionen  noch  von  ge- 
wissen naturalistischen  Zügen  ist  irgend  etwas  zu  bemerken.1  Auch  die  Falten 
am  Bauche,  die  man  etwa  anführen  könnte,  geben  in  der  scharf  abgrenzenden 
Bronzetechnik  nur  das  zum  Verständnis  der  Bewegung  Wesentliche  und  Not-  75 
wendige,  sie  dienen  nur  zur  Klarlegung  des  inneren  Organismus  bei  seiner  ein- 
gedrückten und  verschobenen  Lage,  sind  aber  frei  von  allen  naturalistischen  Zu- 
fälligkeiten, die  sich  spätere  Künstler  gerade  hier  gewiß  erlaubt  hätten.  Wohl 
aber  muß  man  hier  an  die  hohe  körperliche  Vollendung  erinnern,  die  z.  B.  schon 
in  den  Ägineten  erreicht  ist,  wo  ja  auch  schon  (wenigstens  im  Ostgiebel)  die 
Falten  der  Haut  zur  Charakterisierung  der  Bewegung  beigezogen  werden. 

So  können  wir  denn  von  jenen  angeblichen  Widersprüchen  keinen  begründet 
finden,  indem  sich  vielmehr  Alles  zu  einem  harmonischen  Ganzen  vereinigt.  Wir 
erkennen  hier  einen  Künstler  aus  der  letzten  Hälfte  des  5.  Jahrh.,  der,  bei  bereits 
genauer  Kenntnis  namentlich  des  bewegten  männlichen  Körpers,  sich  doch  in 
dem  den  geistigen  Ausdruck  bedingenden  Teile,  dem  Kopfe,  noch  nicht  ganz 
von  der  altertümlichen  Gebundenheit  losmachen  konnte,  der  er  auch  in  der  An- 
lage des  von  einem  Punkte  ausgehenden  Haares  folgte.  —  Zu  der  richtigen 
Annahme  einer  älteren  Schule  des  5.  Jahrh.  gelangt  auch  die  neueste  Besprechung 
unsrer  Statue  in  den  Annalen  des  archäologischen  Instituts  (1874);  die  nähern 
dort  versuchten  Bestimmungen  kann  ich  jedoch  nicht  als  richtig  anerkennen,  da 
auch  sie  nicht  auf  einer  vollen  Erkenntnis  der  Eigentümlicheiten  unsres  Werkes 
beruhen.     (Siehe  die  Schlußanmerkung  [S.  117].) 

Ich  kehre  zu  Kekules  Vermutung  der  Pasitelischen,  oder  einer  im  Wesent- 
lichen analogen  Schule  zurück;  sie  wird  nicht  nur  durch  die  oben  aus  der  formalen 
Analyse  gewonnenen  Resultate  unhaltbar,  sondern  sie  widerspricht  auch  überhaupt 


1  Naturalistische  Züge  versichert  auch  Brunn  nicht  an  ihm  bemerkt  zu  haben.  — 
Etwas  Andres  ist  es  mit  dem  betenden  Knaben  zum  Beispiel,  wo  der  Lysippische  Ein- 
fluß unleugbar  ist. 


U2  DBF   DORNAUSZIEHER   UND   DER   KNABE  MIT  DER   GANS. 


dem  Kunstvermögen   der  griechisch-römischen  Epoche,1   die  keine  einzige  neue 
Crinale  Schöpfung  von  Bedeutung  auf  dem  Gebiete  idealer  Skulptur  aufzuweisen 

76  hat.  die  nur  im  Kopieren  und  Umbilden  überlieferter  Typen  ihr  Verdienst  suchte; 
volle  Originalität  wird  aber  niemand  unserm  Werke  absprechen  wollen.  Ferner 
laßt  sich  jene  Ansicht  gerade  mit  den  wesentlichen  Eigenschaften  der  Pasite- 
lischen  Richtung  nicht  vereinen.  Indem  diese  eklektische  Schule  nämlich  mit 
Vorliebe  altertümliche  Typen  mit  erneutem  Studium  des  Modells  wiederholt,  ent- 
steht an  ihren  Werken  ein  unharmonischer  Kontrast  des  in  der  überbreiten  Brust 
und  der  ganzen  Kopfbildung  und  der  gebundnen  Stellung  festgehaltnen  archaischen 
Typus  mit  der  raffiniert  eleganten,  naturalistischen  Behandlung  des  Einzelnen;2 
von  einer  solchen  Disharmonie  haben  wir  aber  im  Dornauszieher  nichts  gefunden. 
Entschiedner  noch  ist  der  geistige  Charakter  der  Pasitelischen  Schule  jener  An- 
nahme zuwider.  Ohne  eine  einzige  neue,  ganz  eigene  Komposition  zu  schaffen, 
sucht  sich  jene  eklektische  Richtung  ihre  Motive  von  überall  zusammen.3  Ihr 
Verdienst  sieht  sie  lediglich  in  der  Durchführung,  in  dem  raffinierten  Detail- 
studium, gegen  das  die  geistige  Bedeutung  vollkommen  zurücktritt.  Das  Haupt- 
werk der  Schule  scheint  eine  steife  akademische  Studienfigur  gewesen  zu  sein, 
die  nun  bald  einzeln  dargestellt,  bald  in  völligem  Mangel  aller  und  jeder  Phantasie 
und  Erfindung  mit  andern  Figuren  zu  einer  losen  Gruppe  verbunden  wird,  überall 
mit  derselben  einförmigen  Stellung  und  Haltung  der  Glieder;  ja  diese  Schule 
allein  scheint  es  bis  zu  sinnlosem  Kopieren  gebracht  zu  haben.4  Nirgends  ist 
ferner  in  jenen  Gruppen  eine  klar  ausgesprochene  Handlung  da,  sogar  die  Haupt- 
motive sind  meist  ganz  unklar,  so  daß  der  Streit  über  die  Gegenstände,  die  sie 
darstellen,  bei  einer  so  ins  Allgemeine  verflachten  Behandlung  wohl  nie  ent- 
schieden werden  kann.5    Wie  kontrastiert  nun  dies  Alles  mit  dem  Dornauszieher, 

77  mit  seiner  scharf  und  hart  ausgesprochnen  Handlung,  wo  nichts  als  eben  diese 
das  Interesse  ausmacht?     Welcher  Gegensatz,   dort  diese  einförmig  bedenkliche, 


'  VjgL  die  eingehenden  Untersuchungen  von  Heibig  a.  O.  S.  7  ff.  —  Die  Annahme 
einer  .vielleicht  früheren",  der  Pasitelischen  im  Wesentlichen  analogen  Schule  schwebt 
ganz  in  der  Luft  und  ist  an  sich  wenig  wahrscheinlich.   [Furtwängler,  Statuenkopien  S.  20.) 

:  Vgl.  die  feinen  Bemerkungen  von  Kekule,  Der  Künstler  Menelaos  S.  32  ff.  [Furt- 
wängler, 50.  Berl.  Winckelmannsprogr.  S.  135.] 

*  Vgl.  a.  O.  S.  18  über  die  Originalität  der  Gruppe  Ludovisi. 

1  Sinnlos  ist  offenbar  die  Haltung  des  linken  Arms  am  Mantuaner  Apoll  von  dein 

male  des  Leier  spielenden  Gottes  beibehalten.  [Furtwängler,  50.  Berl.  Winckelmanns- 
progr. S.  141.  Wolters,  Jahrb.  1896,  S.  5.) 

1  Ich  halte  mich  hier  an  das  Wesentliche  und   das  sicher  aus  Pasiteles'  Schule 

Stammende  (von  dem  Camillus  /..  B.  ist  dies  keineswegs  ausgemacht).     Die  Gruppe   des 

!ie,  dem  eklektischen  Charakter  der  Schule   entsprechend,   formal   eine   ganz 

andre  Richtung  einschlägt,   beweist  durch    die  Art  der   studierten,    matten    und    unklaren 

ition  ohne  Handlung,  daß  diese  geistige  Ligenschaft  eben  der  ganzen  Pasitelischen 

ung  wesentlich  war. 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  H3 


trockene  Richtung  des  Pasiteles,  diese  gesuchte  Ruhe,  diese  affektierte,  studierte 
Geziertheit  —  und  hier  das  frische,  volle,  kühne  Leben  im  Dornauszieher!1 

Hat  er  also  nichts  zu  tun  mit  Pasitelischer  Richtung,  gehört  er  dagegen  ins 
5.  Jahrh.  v.  Chr.,  so  können  wir  vielleicht  noch  einen  Schritt  weiter  gehen  und 
die  Schule,  der  das  Werk  angehört,  näher  zu  bestimmen  versuchen;  ich  sage 
die  Schule,  nicht  den  Meister;  denn  früher  zwar  war  es  eine  vielverbreitete,  leicht- 
sinnige Methode,  zu  jedem  bedeutenderen  Kunstwerke  sich  immer  aus  den 
literarischen  Notizen  auch  den  Namen  des  verfertigenden  Künstlers  auszuwählen; 
und  so  hat  ja  auch  unser  Werk  eine  derartige  Behandlung  erfahren,  die  es  ohne 
Rücksicht  auf  den  künstlerischen  Charakter  mit  einem  von  Boethos  genannten 
identifizierte.  Etwas  ganz  anderes  ist  es,  wenn  man  nach  genauem  vergleichenden 
Studium  eines  Werkes  wagt,  dasselbe  einer  ganzen  Schule,  einer  Richtung  im 
Allgemeinen  beizulegen. 

Erinnern  wir  uns  nun  dessen,  was  wir  gleich  zu  Anfang  über  die  Kompo- 
sition des  Dornausziehers  bemerkten.  Wir  fanden  da  in  dem  heraufgenommenen 
Beine  eine  unsymmetrische  Härte  der  Linienführung,  wie  sie  nur  äußerst  selten 
in  den  Werken  antiker  Kunst  zu  Tage  tritt.  Dieser  Punkt  muß  daher  für  die  Be- 
stimmung der  Schule,  der  unsre  Statue  zuzuweisen  ist,  von  entscheidender 
Wichtigkeit  sein.  Allerdings  existieren  leider  noch  gar  keine  genaueren  Unter- 
suchungen über  Linienführung  in  den  verschiedenen  Schulen,  was  gerade  für 
den  vorliegenden  Fall  sehr  zu  beklagen  ist.  Dennoch  dürfen  wir  wenigstens 
soviel  mit  Sicherheit  behaupten,  daß  jene  Eigenschaften  zunächst  mit  der  An- 
nahme Peloponnesischer  Schule  unvereinbar  wären.  Wir  brauchen  ja  nur  78 
einen  Blick  zu  werfen  auf  den  Polykletischen  Doryphoros  oder  Diadumenos,  die 
uns  ja  höchst  wahrscheinlich  in  Kopien  erhalten  sind,  um  sofort  in  dieser  fast 
mathematisch  strengen,  klaren  und  regelmäßigen  Linienführung  das  gerade  Gegen- 
teil von  dem  zu  erkennen,  was  wir  am  Dornauszieher  bemerkten.  Auch  die 
Werke  aus  der  Attischen  Richtung  des  Phidias  sowohl  wie  des  Praxiteles  bieten 
nichts  Verwandtes  dar:  denn  finden  wir  auch  leidenschaftlich  und  individuell 
bewegte  Gestalten,  so  herrscht  doch  überall  das  Streben  nach  harmonischer  Ab- 

1  Schließlich  will  ich  noch  Eines  erwähnen,  das  mir  gegen  Pasitelische  Schule  zu 
sprechen  scheint:  eine  Marmorreplik  des  Dornausziehers,  die  demnächst  veröffentlicht 
werden  soll  [Brit.  Mus.  1755],  wiederholt  zwar  das  Grundmotiv,  ist  aber  in  der  Ausführung 
total  verschieden:  eine  freie,  an  die  Pergamenische  Kunst  erinnernde  realistische  Behand- 
lung, besonders  im  Kopfe,  tritt  an  Stelle  der  Altertümlichkeit.  Stammt  nun  das  Capitolinische 
Erzwerk  aus  Pasiteles'  Schule,  so  sind  nur  zwei  gleich  unwahrscheinliche  Annahmen 
möglich:  entweder  ist  der  Marmor  Kopie;  —  daß  man  aber  nach  Pasiteles  und  not- 
wendig bald  nach  ihm  ein  Werk  seiner  Schule  seines  (altertümlichen)  Charakters  und 
Hauptinteresses  beraubt  und  frei  umgestaltet  hätte,  ist  undenkbar.  Oder  der  Marmor 
ist  Original  oder  steht  wenigstens  demselben  näher  —  dann  widerspricht  es  aber  direkt 
dem  Charakter  Pasitelischer  Schule,  daß  sie  ein  Original  der  Diadochenperiode  in 
solcher  Weise  umgestaltet  hätte,  daß  ein  Werk  von  der  vollen  packenden  Einheit,  dem 
zarten  unbewußten  mit  der  Komposition  verwachsenen  Archaismus,  wie  die  Capitolinische 
A.  Furtwängler.  Kleine  Schriften  I.  8 


114  Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans. 


rundung  vor.  wie  man  z.  B.  an  den  Niobiden  leicht  bemerken  wird.  Etwas 
iinserm  Werke  Verwandteres  haben  dagegen  die  Attalischen  Weihgeschenke  aus 
der  Pergamenischen  Schule  —  aber  doch  wieder  in  wesentlich  verschiedener 
Art:  hier  hat  Leidenschaft  alle  Glieder  gleichsam  in  ihren  Fugen  gelöst  und 
Leidenschaft  motiviert  jede  Bewegung.  Wie  anders  dagegen  die  einfache,  nicht 
von  innen,  nur  durch  die  körperliche  Handlung  motivierte  Härte  unsres 
Doraausziehers!  Auch  dort  in  den  Gallierstatuen  ist  der  symmetrische  Aufbau 
durchbrochen,  aber  um  das  stürmische  innere  Pathos  zur  Anschauung  zu  bringen. 
Man  vergleiche  nur  einmal  im  Einzelnen  den  sog.  sterbenden  Fechter  mit  dem 
sterbenden  Ägineten  des  Ostgiebels  und  man  wird  den  ganzen  Gegensatz  em- 
pfinden, der  diese  ältere  Zeit,  wo  das  Ganze  der  rein  körperlichen  Bewegung, 
wo  ein  wohl  abgemessener  Typus  dieser  Bewegung  das  Ziel  war,  von  jener 
spätem  Kunstweise  trennt,  wo  der  Künstler  nicht  einen  Typus,  sondern  das  ganz 
individuelle,  einzelne,  immer  wechselnde  Pathos  zur  Grundlage  nimmt.  Der 
Realismus  der  hellenistischen  Kunst  steht  in  engster  Verbindung  mit  dieser  Rich- 
tung aufs  Individuelle  und  Besondere.  Indessen  tat  die  hellenistische  Kunst  in 
79  diesen  beiden  Momenten,  dem  Realismus  und  der  veränderten,  auf  das  innerlich 
Individuelle  zielenden  Linienführung  nur  einen  ersten  Schritt  zu  dem  in  der  mo- 
dernen Kunst  Erreichten:  die  Gallierstatuen  sind  das  erste,  wenn  auch  noch  weit 
entfernte  Analogon  zur  Linienführung  eines  Michel  Angelo.  —  Von  dieser  ganzen 
Entwicklungsreihe  steht  aber  unser  Dornauszieher  weit  ab:  nicht  individuelle 
innere  Erregung,  sondern  die  Lebendigkeit  einer  allgemeinen  körperlichen  Hand- 
lung durchbricht  die  symmetrische  Anlage,  und  hierin  gibt  es  meines  Wissens 
nur  Ein  Werk,  das  ihm  wirklich  nahe  steht:  es  ist  der  Diskobol  des  Myron. 
Denn  auch  hier  haben  wir  unschöne  Härte  der  Umrisse  dem  möglichst  wahrheits- 
getreu und  lebendig  gefaßten  Momente  einer  körperlichen  Aktion  zu  Liebe.  Be- 
stätigt wird  diese  auf  Myron  hinleitende  Spur  dadurch,  daß  auch  in  den  Metopen 
des  Theseions,  die  unter  Myrons  Einfluß  stehen,  sich  Ähnliches  findet,  z.  B.  wie 
der  Minotaur  den  Theseus  angreift  u.  a. 

Einmal  auf  die  richtige  Bahn  geleitet,  stimmt  nun  Alles  merkwürdig  mit  dem 
Charakter  Myronischer  Schule  überein.  Denn  wenn  in  unserm  Dornauszieher 
sich  Alles  auf  den  Einen  möglichst  präzis  gefaßten  Moment  der  Handlung  kon- 
zentriert und  hierin  alles  Interesse  aufgeht  —  so  ist  das  echt  Myronisch,  ja  eben 
darin  spricht  sich  das  Wesen  der  Kunst  des  Myron  aus;  diesem  lebensvollen 
Herausheben  der  einen,  scharfabgegrenzten  Handlung  zu  Liebe  zerbricht  der  Dis- 
kobol gleich  wie  der  Dornauszieher  die  ruhige  Symmetrie  der  Linien.  Doch 
das  innere  Leben  der  Seele  (animus"  Plin.),  der  Empfindung,  blieb  derMyronischen 
Richtung  noch  fremd:  auch  der  Dornauszieher  verrät  in  dem  ruhig  edeln,  noch 

ic  ihn  zeigt,  hätte  entstehen  können.     All  diesen  Schwierigkeiten   entgeht    man    nur 

durch  unsre  Annahme  eines  Originals  des  5.  Jalirh.,   das  spätre  Umbildungen  im  Qeiste 

rfnhr.    (I'urtwängler,  Meisterwerke  S.  68 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  H5 


etwas  altertümlichen  Typus  des  Kopfes  keine  Spur  von  innerer  Gemütserregung. 
Wenn  uns  endlich  gerade  von  Myron  berichtet  wird,  daß  er  bei  sonstiger  freier 
Vollendung  des  Körpers  in  der  Bildung  des  Haares  noch  der  alt  schematischen  80 
Behandlung  folgte  (der  rudis  antiquitas  wie  bei  Plinius  etwas  stark  von  dem 
einseitig  Lysippischen  Standpunkt  gesagt  wird,  eine  Vernachlässigung  folgt  daraus 
auch  nur  von  diesem  Standpunkte  des  Realismus,  dem  die  schematische  Sorg- 
falt der  antiquitas  als  Vernachlässigung  der  Naturwahrheit  erschien),  so  stimmt 
auch  dies  mit  dem  Dornauszieher  in  auffallender  Weise  überein.  Monumentale 
Analogien  für  das  Einzelne  können  wir  leider  hier  nicht  beiziehen,  denn  keine 
Statue  jener  Übergangszeit  stellt  uns  eben  solches  langes  Lockenhaar  dar,  und 
was  von  Myronischen  Werken  erhalten  ist,  sind  auch  nur  Kopien,  die  natürlich 
für  alles  Detail  eine  sehr  unzuverlässige  Grundlage  bilden,  indem  gerade  gewisse 
altertümliche  Spuren  im  Haar  oder  Gesichtsausdruck  sehr  leicht  verwischt  werden 
konnten.  —  Zu  jenen  sämtlich  auf  Myron  weisenden  Punkten  kömmt  nun  end- 
lich, daß  von  den  Schulen  des  5.  Jahrh.  außer  der  Polykletischen,  die  wir  schon 
früher  abwiesen,  nur  die  Myronische  sich  unsres  Wissens  in  der  Genrebildung 
hervortat,  und  daß  uns  gerade  von  ihr  einige  der  bedeutendsten  Genrestücke 
bekannt  sind,  die  auf  eine  umfangreiche  Beschäftigung  eben  mit  diesem  Zweige 
schließen  lassen.  Und  diese  Werke  stellten  Knaben  dar  —  wie  unser  Dorn- 
auszieher. Allerdings  betrachteten  wir  jene  als  Weihgeschenke,  die  eine  bestimmte 
Beziehung  hatten.  Es  waren  Knaben  mit  Weihwasserbecken  und  am  Räucher- 
altar, also  im  heiligen  Tempeldienste  beschäftigt.  Nun  wissen  wir  freilich  nicht, 
ob  auch  unser  Dornauszieher  ein  solches  Weihgeschenk  war,  aber  es  wird  Nie- 
mand behaupten  wollen,  daß  dies  unmöglich  sei;  ja  das  Motiv  enthält  vielleicht 
selbst  einen  bestimmten  Bezug:  man  durfte  einen  heiligen  Bezirk  bekanntlich 
nur  mit  entblößten  Füßen  betreten;  ein  Knabe  im  Dienste  des  Tempels  konnte 
sich  also  sehr  oft  etwas  in  die  Fußsohle  treten,  das  er  sich  wieder  herausziehen  81 
mußte.  Sollte  also  ein  solcher  Knabe  dargestellt  werden,  was  bezeugtermaßen 
gerade  von  der  Myronischen  Schule  mehrfach  geschah,  lag  es  nicht  nahe,  einmal 
einen  —  Dornauszieher  zu  bilden?  —  So  würde  sich  unsere  Statue  ganz  an 
jene  Knaben  des  Lykios  anschließen,  die  ebenfalls,  ohne  eine  bestimmte  Person 
darzustellen,  doch  einen  engbegrenzten  Kreis,  nämlich  im  Tempel  dienende 
Knaben  durch  einen  Repräsentanten  vergegenwärtigen.  Als  Weihgeschenk  an 
eine  Gottheit  wird  dieser  Eigentum  letzterer  und  erhält  dadurch  eine  individuelle 
Bedeutung,  die  jenem  strengen  Wesen  des  Genres,  wie  es  aber  nach  unsern 
Ausführungen  wahrscheinlich  erst  durch  Polyklet  aufkam,  noch  nicht  entspricht.1 


1  Es  ist  interessant,  daß  eine  Legende  der  modernen  Römer  sogar  eine  historische 
Persönlichkeit  aus  unserm  Dornauszieher  machen  will.  Man  erzählte,  ein  Hirtenknabe 
habe  durch  die  schnelle  Botschaft  vom  unvermuteten  Heranrücken  der  Feinde  die  Stadt 
gerettet  und  bei  seinem  Laufe  aufs  Capitol  einen  Dorn  nicht  geachtet,  diesen  erst  nachher 
ausgezogen;  aus  Dankbarkeit  habe  der  Senat  ihm  eine  Statue  als  Dornauszieher  setzen 

8* 


1 1  (5  Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans. 

Um  nun  das  gewonnene  Resultat  zusammenzufassen,  so  haben  wir  im 
Dornauszieher  das  originale  Werk  eines  Künstlers,  der  etwa  ein  Zeitgenosse  des 
Myron  oder  seiner  nächsten  Nachfolger,  wie  diese  noch  in  einigen  Punkten  am 
Archaischen  hängend,  von  der  Myronischen  Schule  direkt  beeinflußt  wurde.1 

In  den  beiden  Statuen,  dem  Kinde  mit  der  Gans  und  dem  Dornauszieher, 
erkennen  wir  also  die  Repräsentanten  der  beiden  Hauptepochen  griechischer 
Genrebildnerei,  ja  sie  charakterisieren  aufs  deutlichste  zwei  geistig  so  verschiedene 
Kulturperioden  wie  die  vor-  und  die  nachalexandrinische.  Beides  aber  sind 
Werke  ersten  Rangs  und  nicht  umsonst  von  jeher  so  bewundert.  Das  moderne 
Genre,  das  wohl  nur  Weniges  ihnen  an  die  Seite  stellen  kann,  hat  keine  zwei 
so  ganz  verschiedenen  charakteristischen  Epochen  aufzuweisen;  es  basiert  viel- 
mehr von  Anfang  an  auf  jenen  Bedingungen,  die  das  hellenistische  Genre  hervor- 
riefen. Und  wie  in  jeder  andern  Beziehung,  so  hat  sich  auch  hier  der  Hellenis- 
nus  dem  Modernen  vielfach  angenähert.  Aber  dennoch  bleiben  wesentliche 
Verschiedenheiten  genug;  denn  trotz  mancher  Anläufe  konnte  der  Realismus  im 
antiken  Genre  doch  nie  sich  zu  einer  solchen  Stärke  entwickeln,  wie  dies  in  dem 
modernen  geschah;  die  idealanmutige  Richtung  blieb  hier  immer  ein  starkes 
Gegengewicht,  um  jenen  zurückzuhalten.  Ebensowenig  kennt  das  antike  Genre 
jene  eminente  Steigerung  des  Individuellen,  durch  welche  die  moderne 
Kunst  fast  jeden  beliebigen  Moment  des  Lebens,  wenn  sie  nur  eine  scharfe 
Charakteristik  damit  zu  verbinden  weiß,  zum  interessanten  Gegenstande  erheben 
kann.  Bei  den  Alten  blieb  es  wohl  immer  bei  dem  entweder  durch  die  Hand- 
lung an  und  für  sich  oder  durch  den  Stand  hervorgerufenen  Interesse.  Deshalb 
konnte  weder  Genre  noch  Landschaft  den  Umfang  und  die  Bedeutung  erreichen, 
die  sie  namentlich  heutzutage  inne  haben.  Jeder  kleinste  individuellste,  be- 
sonderste Moment  kann  in  unsrer  Kunst  Reiz  gewinnen.  Bei  den  Griechen 
war  eine  allgemeine  Beziehung  zu  jedem  Beschauer  nötig,  und  nicht  jeder 
Moment  des  Seins  als  besondrer  Zustand  war  ihm  genug,  sondern  nur  insofern 
Handlung  und  Charakter  daran  hervortraten:  die  Griechen  befriedigt  nur,  wie 
Schiller  richtig  sagt,  „das  Lebendige  und  Freie,  nur  Charakter,  Handlungen, 
Schicksale  und  Sitten".  Dennoch  würde  eine  genauere  Vergleichung  des  antiken 
Genres  mit  dem  modernen  auch  manche  Analogien  ergeben,  die  eben  im  Wesen 

lassen.  -  -  Das  ganz  beziehungslose  Genre  scheint,  wie  es  dem  Charakter  der  Öffentlich- 
keit und  Monumentalität  nicht  entspricht,  so  überhaupt  der  Masse  des  Volkes  nicht  recht 
verstandlich;  dieses  sucht  überall   bestimmten    Inhalt   und   Beziehung   auf  sich   und   wo 
diese  nicht  vorhanden,  da  dichtet  es  sie  gerne  dem  populären  Werke   an.     Daher  kennt 
ja  auch  die  ältere  durchaus  öffentliche  Kunst  der  Griechen  nur  das  durch  eine  religiöse 
Beziehung  bestimmte  (ienre,  bis  die  häufigere  private  Bestimmung  der  Werke  auch  diese 
te. 
1  Indem  der  Dornauszieher  entschieden  der  Attischen  Schule  zufällt,  bietet  er  durch 
den  Typus  seines  Schädels,  der  ganz  die  von  Conze  aufgestellte  pcloponnesischc  Bildung 
.  t,  ein  neues  Moment  gegen  jene  Theorie. 


Der  Dornauszieher  und  der  Knabe  mit  der  Gans.  117 

der  Gattung  liegen.  So  entwickelt  sich  z.  B.  auch  das  moderne  Genre  zuerst  in 
kleinen  Bildchen,  die  keinen  Anspruch  auf  monumentale  Geltung  haben,  in 
Handzeichnungen  oder  Holzschnitten  und  namentlich  in  rein  dekorativen  Arbeiten, 
bis  es  sich  die  höheren  Bereiche  der  Kunst  erobert.  Ferner  trifft  die  Zeit  des 
ersten  bedeutenden  Auftretens  beim  modernen,  wie  beim  antik-hellenistischen 
Genre  zusammen  mit  der  Zeit  des  um  sich  greifenden  Realismus,  hier  wie  dort  83 
in  die  Zeit,  wo  alles  Göttliche  vermenschlicht  ward  und  wo  die  momentane 
Empfindung  den  Ausdruck  idealer  Typen  überwiegt  —  man  vergleiche  nur  Ma- 
donnen Rafaels  mit  denen  Murillos,  der  zugleich  einer  der  ersten  Hauptvertreter  des 
Genres  ist  — ,  hier  wie  dort  in  die  Zeit  der  sich  entwickelnden  Kabinettsmalerei. 
Aber  all  diese  Analogien  gelten  nur  für  das  hellenistische  Genre,  nirgends  finden 
wir  etwas,  das  jenen  voralexandrinischen  idealen  Werken  gleich  käme.  Das 
Moment  der  Sehnsucht  oder  des  Realismus  sind  die  das  moderne  Genre  sofort 
bestimmenden  Faktoren.  Einzig  und  unerreicht  steht  also  auch  im  Gebiete 
des  Genres  jene  unverfälschte  griechische  Kunst  vor  Alexander  dar.  Sie 
ergreift  ein  Motiv  unsres  menschlichen  Seins  und  schafft  und  ge- 
staltet es  zum  Ideale  und  Typus  menschlicher  Bewegung  und  Hand- 
lung oder  menschlicher  Schönheit;  sie  vergöttert  das  Menschliche, 
die  Basis  aller  hellenischen  Kunst  auch  im  niederen  Gebiete  des 
Genres;  wegwerfend  alles  Zufällige  der  Wirklichkeit  stellt  sie  nur 
das  Wesentliche  dar,  und  abweisend  Alles,  das  nicht  zur  reinen 
zwecklosen  Darstellung  gehörig,  behauptet  sie  jene  bewunderte 
Höhe,  von  der  sie,  ewig  unerreichtem,  leuchtendem  Gestirne  gleich, 
erquickend  auf  uns  Epigonen  niederglänzt." 


*  Der  Aufsatz  Brizios  [Annali  1874  S.  63;  vgl.  oben  S.  111]  erschien  erst  nach 
Abfassung  dieser  Schrift;  da  er  sich  jedoch  wenig  mit  meinen  Gesichtspunkten 
berührt,  so  glaubte  ich  den  Text  unverändert  stehen  lassen  zu  dürfen,  um  so  mehr 
da  Brizio,  obwohl  auch  er  ein  Werk  des  5.  Jahrh.  erkennt,  es  dennoch  gar  nicht 
einmal  versucht,  die  Ausführungen  Kekules  zu  widerlegen,  ja  ihm  in  einigen  Haupt- 
punkten beistimmt.  —  Gegen  die  formale  Analyse  Br.'  wäre  wohl  Manches  einzuwenden; 
so  übertreibt  er  offenbar  eine  gewisse  Starrheit  der  linken  Hand  (S.  65j;  bei  der 
magern  beweglichen  Natur  der  Hand,  wo  die  Finger  gerne  geschlossen  bleiben,  und 
bei  der  Art  ihrer  Aufgabe,  ihrer  Lage,  dem  Einwirken  des  Daumens  braucht  sie  nicht 
notwendig  gekrümmt  zu  sein.  Auch  die  Einzelgliederung,  die  Br.  ganz  vermißt, 
fehlt  nicht;  deutlich  sind  die  Glieder  jedes  Fingers  bezeichnet  und  die  Spannung 
des  Muskels  zwischen  Daumen  und  Hand  ist  gelungen.  Indes  das  Wichtigste,  die  Ver- 
mutung Br.',  daß  Kaiamis  der  Künstler  unsres  Werkes  sei,  ist  ganz  unbegründet.  Der 
versuchte  Beweis  ist  ungefähr  folgender:  auf  Attika  führe  die  Magerkeit  —  ein  Satz, 
den  gewiß  niemand  zugeben  wird;  die  Magerkeit  gehört  nicht  nur  dem  Bronzestil  der 
älteren  Periode  überhaupt  an,  sondern  sie  steht  hier  auch  im  innigsten  Zusammenhange 
mit  dem  Charakter  der  dargestellten  Handlung  und  Stellung:  an  einem  weichen  fetten 
Knaben  würde  diese  energische  zusammengebogene  Haltung  unnatürlich,  ja  widerlich  er- 
scheinen; nur  ein  magerer  kann  leicht  und  ohne  Beschwerde  diese  Bewegung  ausführen; 


|]j;  DER   DORNAUSZIBHER   UND   DER  KNABE  MIT   DER  GANS. 


da  ganz«  Charakter  des  Works,  die  harte  unsymmetrische  Haltung  hängt  also  von  dieser 
ericeil  ab.  —  Brizio  führt  nun  weiter  aus,  wie  unter  den  älteren  Attischen  Künstlern 
de  Kaiamis  (S.  69)  sich  durch  Yersatilität  des  Geistes  und  Grazie  der  Bewegungen, 
ferner  durch  Reichtum  und  Manchfaltigkeit  der  Motive  ausgezeichnet  habe.  Also,  wird 
ilossen,  ist  Kaiamis  Schöpfer  unsrer  Statue,  an  der  sich  eben  jene  Eigenschaften 
finden.  Ks  ist  klar,  wie  schwach  es  mit  diesem  Beweise  bestellt  ist.  Dazu  kömmt,  daß 
all  das  über  den  Reichtum  der  Motive  und  Erfindungsgabe  Bemerkte  nichts  anderm  als 
einem  Druckfehler  bei  Brunn,  Gesch.  d.  greh.  Künstler  I,  130  Z.  7  v.  u.  („reicher"  statt 
.weicher")  seinen  Ursprung  dankt.  Nur  die  lemo-njc  und  //ton  an  Kaiamis  sind  über- 
liefert und  diese  widersprechen  eher  unsrer  Statue:  in  ihr  beobachten  wir  ja  eine  starke 
Härte  der  Komposition,  die  nur  den  lebendigen  Ausdruck  der  äußern  Handlung  sucht, 
statt  daß,  wie  bei  Kaiamis  vorauszusetzen,  feine,  innere,  aus  der  Empfindung  strömende 
Noblesse  und  Anmut  erstrebt  worden  wäre.  —  Wenn  Br.  zum  Schlüsse  den  Petersburger 
Epheben  bei  Conze,  Beiträge  Taf.  IX  [Furtwängler,  Meisterwerke  S.  679]  vergleicht  und  als 
Beweis  benutzt,  indem  er  ihn  ebenfalls  für  Kalamideisch  und  zwar  für  einen  der  betenden 
Knaben  des  Meisters  hält,  so  kann  hierauf  nicht  näher  eingegangen  werden,  da  jene 
nur  durch  eine  ungenügende  Zeichnung  bekannte  Statue  bis  jetzt  ein  festes  Urteil  nicht 
zuläßt;  indes  ist  es  jedenfalls  kein  betender  Jüngling,  denn  sonst  könnte  der  Kopf  un- 
möglich seitwärts  nach  oben  gewendet  sein. 


INTORNO  A  DUE  TIPI  D'AMORE 

(BULLETT1NO  DELL'INSTITUTO  1877) 
I 


noto  che  l'arte  antica  nei  tempi  dell'  impero  romano  quanto  alle  rap- 121 
presentazioni  ideali,  invece  di  creare  tipi  nuovi  per  idee  nuove  si  serviva 
dei  tipi  giä  esistenti,  contentandosi  di  trasformarli  con  lievi  aggiunte  e 
modificazioni  in  un  senso  che  spesso  e  pur  troppo  diverso  da  quello  originario; 
rappresentazioni  chiare  e  semplici  spesso  in  questa  maniera  divengono  complicate 
e  non  possono  capirsi  che  approssimativamente.  E  questo  vale  soprattutto  per 
alcune  rappresentazioni  statuarie  di  Amore,  fra  le  quali  parlerö  in  primo  luogo 
deH'Amore  dormente.   [Furtwängler  in  Roschers  Lex.  der  Myth.  I  S.  1370.] 

Ci  sono  conservate  moltissime  statue  di  questo  concetto;  di  esse  perö  ap- 
punto  le  piü  interessanti  finora  non  furono  abbastanza  conosciute.  Prima  di  tutto 
e  necessario  di  distinguere  varie  classi  del  tipo  in  discorso,  e  cominciamo  colla 
piü  chiara  e  piü  semplice. 

Nei  tempi  dopo  Alessandro  Magno  venne  molto  in  voga  nell'arte  statuaria 
il  concetto  di  divinitä  inferiori  dormenti.  Cosi  si  rappresentarono  con  predilezione 
le  Ninfe,  le  Menadi,  l'Ermafrodita,  i  Sileni  e  Satiri,  ed  anche  persone  generiche, 
come  cacciatori,  pastori  o  pescatori.  All'arte  ellenistica  ascriveremo  anche  l'in- 
venzione  deH'Amore  rappresentato  dormente.  II  vedere  addormentato  questo  dio 
feroce,  sempre  ardente  e  sempre  pericoloso  formava  un  contrasto  adattissimo  al 
gusto  di  quei  tempi,  contrasto  che  ci  esprimono  vari  epigrammi  dell'Antologia 
greca,  nei  quali  si  descrive  Eros  che  dorme  coi  suoi  attributi,  l'arco  e  la  face,1 
giacche  non  gli  vengono  mai  dati  attributi  fuori  di  questi  a  lui  propri.  Ci  sono 
conservate  parecchie  statue  di  questa  prima  classe  di  Amore,  fra  le  quali  e  da 
rilevarsi  specialmente  una  del  Museo  Chiaramonti  pel  lavoro  relativamente  buono.2 


1  Anth.  Plan.  211.  212;  l'epigramma  di  Piatone,  che  non  puö  essere  in  niun  modo 
del  celebre  filosofo  (cf.  Furtwängler,  Eros  in  der  Vasenmalerei  p.  10  [oben  S.  4]),  si  trova 
Anth.  Plan.  210,  Anth.  Pal.  9,  826,  ed  e  citato  da  Benndorf  e  Schöne  nei  catalogo  del 
Laterano  p.  250  come  platonico;  descrive  Amore  dormente  presso  una  fontana,  l'acqua 
della  quäle  sortiva,  come  pare,  dall'otre  di  un  Satiro. 

2  Mus.  Chiaram.  n.  483  [Amelung,  Vatikan  I,  Taf.  66];  non  ha  ne  vestito  ne  attributo 
oltre  l'arco  che  gli  e  caduto  dalla  mano  destra;  il  viso  e  nobile,  ben  diverso  da  quello  grosso 
degli  altri,  ed  ai  capelli  manca  quell'acconciatura  romana  colla  treccia  sul  vertice,  che  hanno 
gli  altri  quasi  tutti.  —  Anche  una  statua  di  Vienne  presso  Clarac,  Musee  de  sc.  644,  1475 


[20  Intorno  a  due  T1PI  d'Amore. 


'<\.i  qualche  volta  la  rappresentazione  diviene  meramente  generica,  contentandosi 
l'artista  di  rappresentar  il  sonno  felice  d'un  fanciullo   umano;   cosi   in  una  bella 

.lina  della  Galleria  dei  candelabri l  al  Vaticano,  alla  quäle  mancano  le  ali  et  tutti 

attributi. 

Ma  piü  tardi,  e  probabilmente  soltanto  nei  tempi  romani  piü  recenti  —  perche 

l'Antologia  greca  non  ne  da  alcun  cenno  ed  il  lavoro  artistico  di  tutti  gli  esemplari 

guenti  e  molto  trascurato  —  agli  attributi  di  Amore  s'immischiavano  quelli  del 

no,  cioe  principalmente  il  papavero  nella  mano  e  la  lucerta2  alla  base.3  In- 
vece  di  quel  contrasto  epigrammatico  contenuto  nel  dio  d'amore  dormente,  qui 
si  ha  l'intenzione  di  fare  un  rappresentante  del  sonno  stesso,  intenzione  che  nella 
terza  classe  e  molto  meglio  riuscita,  prevalendo  non  piü  il  tipo  d'Amore,  ma 
quello  del  Sonno. 

E  questo  l'hanno  ottenuto  alcuni  artisti  con  l'aggiunta  di  piccole  ali  al  capo, 
le  quali  sono  proprie  dello  stesso  dio  Sonno.  Questa  particolaritä  finora  non 
osservata  si  trova  in  una  statua  frammentata  del  Museo  Lateranense,  pubblicata 
dal  Garrucci  (t.  40,  2;  p.  78)  descritta  nel  catalogo  di  Benndorf  e  Schöne  (n.  176); 
ma  quelle  ali  in  modo  singulare  sono  sfuggite  all'attenzione  di  tutti  quei  dotti, 
benche  siano  innegabili  a  chiunque  osservi  attentamente  l'originale.  Piü  chiare 
123ancora  sono  in  una  statua  di  Firenze,4  ove  si  distinguono  anche  nel  rame  datone 
nella  Real  Galleria  di  Firenze  ser.  IV,  2,  t.  66  (=  Clarac  761,  1869)  e  vengono 
citate  nel  testo  p.  58,  ma  senza  che  gli  altri  dotti  ne  abbiano  preso  notizia.  Ma 
oltre  le  ali  del  capo  queste  due  statue  si  distinguono  ancora  per  ciö  che  giacciono 
sopra  un  leone,  piccolo  si  ma  intero,  che  serve  loro  di  cuscino,  e  dorme  anch'esso. 

si  distingue  per  la  mancanza  di  ogni  attributo  e  per  la  sveltezza  delle  forme.  —  Altri 
:npi:  Clarac  644  B,  1459  G;  644  A,  1459  C;  nella  villa  Albani  nel  boschetto  fra  il 
palazzo  ed  il  bigliardo,  sono  cinque  statue  di  Amore  dormente,  tre  delle  quali  possono 
ascriversi  a  questa  prima  classe,  non  avendo  altro  che  la  face.  Lo  stesso  vale  di  uno 
dei  quattro  esemplari  nel  pal.  Mattei  [Matz-Duhn  278].  Vi  appartiene  anche  un  piccolo 
bronzo  di  Pompei  (Bull.  deH'Inst.  1871,  253). 

1  N.  216;  il  lavoro  anche  di  questa  statua  e  di  molto  superiore  a  quello  delle  classi 
segucnti;  manca  anche  qui  quella  treccia  sul  vertice;  il  marmo  e  greco. 

*  Trovandosi  due  lucerte  al  tronco  della  statua  di  Ipno  nella  Arch.  Ztg.  1862,  t.  157, 
questo  animale  si  puö  dire  caratteristico  per  lui. 

1  Vedi  nel  Clarac  761,  1864;  644  B,  1459  F;  762,  1868  =  Visconti,  P.  Clem.  III,  44 
(=  mus.  Chiaramonti  n.  279  [Amelung,  Vatikan,  I  Taf.  51]);  una  nel  palazzo  Spada;  un'altra 
nella  villa  Albani  si  distingue  per  ciö  che  ha  nelle  mani  oltre  la  Corona  di  papavero 
anche  un  uccelletto,  che  non  c  attributo  ne  di  Sonno  ne  di  Amore,  ma  si  spiega  come 
:ullo  del  fanciullo  che  probabilmente  si  rappresentava  sotto  quest'  immagine  ideale  per 
uso  sepolcrale    vedi  infra-.       Rimarcabile  per  la  provenienza  e  un'altra  presso  Paciaudi, 

Pelop.  I.  p  62  »ex  Nlcopoll  1759«.  Giace  sopra  la  clamide  che  gli  euopre  anche  il 
per  alla  base  la  lucerta  c  nella  destra  un  oggetto  poco  riconoseibile,  probabilmente 

il  papa. 

'  Ufflzl  n.  125,  [Dütschke  141];  una  delle  ali  e  intera,  1' altra  e  ristaurata  secondo  j^li 
avanzi  antichi. 


INTORNO   A  DUE  TIPI  D'AMORE.  121 

Una  terza  statua  a  Dresda  (August,  t.  152;  Hettner,  Catal.  n.  375;  Clarac761,  1865) 
corrisponde  cosi  in  questa  particolaritä  come  in  tutti  gli  altri  concetti  colle  statue 
del  Laterano  e  di  Firenze,  ma  pare  che  non  abbia  le  ali  al  capo.  Ed  anche 
parecchie  altre,  specialmente  una  (finora  non  descritta)  nel  palazzo  Spada  [Matz- 
Duhn  292]  (distinta  pei  capelli  piü  lunghi  senza  treccia,  la  viva  espressione  del  viso 
e  il  movimento  delle  gambe),  altre  a  Firenze  (Uff.  n.  127,  Clarac  761,  1863,  [Dütschke 
143]),  nel  Laterano  (Benndorf  e  Schöne  n.  247),  nel  Museo  Chiaramonti  (n.  85 
[Amelung,  Vatikan  I,  Taf.  38]),  una  presso  Maffei1  (Raccolta  1. 151)  e  un'altra  dise- 
gnata  dalla  Maria  de  Wilde,  Signa,  ant.  t.  21,  mostrano  il  leone  intero,  variando 
perö  un  poco  negli  altri  concetti.  —  Per  spiegar  la  presenza  di  quest'animale 
basta  ricordarci  di  quel  noto  passo  di  Pausania  (II,  10,  2)  ove  descrive  a  Sicyon 
nel  peribolos  di  Asklepios  la  statua  di  "Yjivog  y.axay.oijui£cov  IJovra,  Sonno  che 
addormenta  un  leone — rappresentazione  simile,  ma  perö  differente  dalla  nostra,  che 
invece  di  Ipno  assonnante  l'animale  feroce,  cioe  Ipno  attivo,  ce  lo  mostra  pas- 
sivo  e  dormente  lui  stesso  sopra  il  leone  addormentato,  il  quäle  qui  non  e  altro 
che  attributo  per  significar  il  rappresentante  del  sonno.2 

Non  deve  confondersi  questa  classe  colla  seguente,  ove  il  fanciullo  alato 
e  coricato  sopra  la  pelle  di  un  leone,  la  quäle  non  ha  che  fare  col  dio  del  sonno, 
ma  e  1'  attributo  di  Ercole,  al  quäle  spesso  vien  aggiunta  anche  la  clava.  Non 
di  rado  il  fanciullo  ha  involto  anche  il  capo  nella  pelle  e  tiene  gli  attributi  cosi 
di  Ipno  (papavero)  come  di  Amore.  Quanto  al  numero  questa  classe  e  la  piü 
ovvia  e  s'incontra  quasi  in  ogni  musec,  ed  anche  nella  Grecia  non  e  sconosciuta. 
Fra  i  tanti  esempi  poco  svariati3  voglio  ora  rilevare  soltanto  uno,  che  per  una  124 

1  Forse  identica  con  quella  del  Museo  Chiaramonti.  II  leone  forse  si  trova  anche 
nella  statua  di  Parigi  Clarac  643,  1457. 

2  L'arte  greca,  se  s'eccettua  l'arte  primitiva  dell'arca  di  Cipselo,  che  doveva  servirsi 
dei  mezzi  piü  semplici  e  parlanti,  ha  sempre  rappresentato  Ipno  come  attivo  (cf.  statue, 
vasi  dipinti,  pitture  paretarie  e  le  scene  mitologiche  dei  sarcofaghi),  ed  e  innegabile  che 
l'invenzione  cosi  del  bassorilievo  Albani  (Zoega  II,  93)  come  degli  Amori-Ipni  appartiene 
ai  tempi  dell'impero  romano;  si  poträ  dunque  stabilire  uno  sviluppo  nelle  rappresentazioni 
di  Ipno,  ciö  che  nega  il  eh.  Conze,  Götter-  u.  Heroengest.  p.  45).  —  Sopra  le  statue  Visconti, 
Pio-Cl.  I,  28  e  Denkm.  a.  K.  II,  877  parleremo  nel  secondo  articolo  [unten  S.  128  u.  131]. 

3  Rimarcabili  per  la  provenienza  sono  specialmente  una  di  Cipro,  ora  nel  museo 
di  Graz  (Bull.  d.  Inst.  1868,  225)  e  una  in  Atene  proveniente  da  Kleitor  e  descritta  da 
Heydemann,  Marmorbildw.  in  Athen  n.  785  [Sybel  3731]  (forse  la  stessa  che  mentova 
lo  Stephani,  Ausr.  Her.  p.  125,  1  suU'Acropoli  [Sybel  6883]).  Altri  sono:  Ancient  marbl. 
XI,  37.  Brit.  Mus.  1677].  Clarac  644  A,  1459  B;  644,  1474;  643,  1459  e  58;  761, 
1866,  1870;  Benndorf  e  Schöne,  Lateran  n.  244;  379;  393;  Gerhard,  Berlins  ant.  Bildw. 
n.  297;  298;  372.  [=  Beschr.  144—146.]  Galleria  Doria  n.  344  [Matz-Duhn  276;  vgl. 
275—293] ;  uno  nella  villa  Albani  e  un  altro  daü'Esquilino  nel  nuovo  museo  del  Campidoglio 
e  molti  altri;  anche  un  piecolo  bronzo  negli  UffizI  di  Firenze.  —  Voglio  notare  in  fine 
che  una  lucerna  (presso  Bartoli,  Luc.  I,  8;  anche  Spence,  Polymetis  8,  2)  e  stata  riferita 
erroneamente  al  ciclo  in  discorso;  giacche,  confrontando  la  gemma  antica  nelle  impronte 
dell'Inst.  cent.  VI,  13,  si  deve  congetturare  che  anche  la  lucerna  non  rappresenta  che  un 


122 


INTORNO  A  DUE  T1PI  D'A.MORE. 


panicolarit.i  e  ben  idatto  a  formal  il  transito  dalla  classe  precedente.  E  desso 
un  frammento  esistente  in  \'ia  niaschera  d'oro  n.  21  a  Roma:  il  fanciullo  alato, 
che  giace  supino  Sulla  pelle  di  leone,  mette  la  mano  sinistra  sopra  un  grande 
nccdlo  posato  presso  di  lui,  il  quäle  secondo  la  forma  dei  piedi  e  del  corpo 
inferiore  (la  parte  superiore  non  e  conservata)  non  poteva  essere  un  uccello 
tatico  ma  piuttosto  un'aquila.  Ricordandosi  di  quel  celebre  passo  di  Pindaro 
(Pyth.  1,  6),  ovo  il  ministro  di  Giove,  quando  si  suona  la  lira,  non  puö  resistere 
alla  forza  del  sonno,  sarebbe  bella  V  idea  di  vederlo  qui  addormentato  giacente 
sotto  il  braccio  del  Sonno,  come  simbolo  analogo  al  leone  assonnato.  Debbo  perö 
notare  che  aleune  statue  (Gall.  dei  candelabri  n.  243  colla  testa  moderna,  e  una 
nel  Laterano  colla  testa  antica  di  un  volgare  ragazzo  romano,  che  non  puö  essere 
Ganimede:  Benndorf  e  Schöne,  catal.  n.  41  p.  27)  fanno  supporre  che  i  fanciulli 
antichi  delle  volte  avevano  anche  aquile  piecole  come  trastullo;  la  nostra  statua 
dunque  sarebbe  analoga  alla  sopracitata  della  villa  Albani  coll'uccelletto  in  mano. 
In  ogni  caso  vediamo,  che  malgrado  la  pelle  leonina  l'idea  di  Ercole  non  puö 
essere  la  fondamentale,  ma  piuttosto  o  quella  del  sonno  o  quella  di  un  fanciullo 
reale.  Ma  che  significa  quell'attributo  erculeo?  —  Un'  esemplare  nella  villa  Bor- 
ghese  non  mostra  ne  la  pelle  ne  altro  attributo  fuorche  la  clava.  Sarebbe  dunque 
Amore  colle  armi  rubate  ad  Ercole?  Ma  perche  rappresentarlo  dormente?  e  perche 
questi  attributi  erculei  nella  grandezza  stanno  cosl  in  proporzione  coi  fanciulli, 
mentre  nei  certi  monumenti  di  quel  concetto  sono  sempre  enormi  e  vengono 
portati  via  con  grande  sforzo?  —  II  transito  ai  nostri  monumenti  lo  troviamo 
evidentemente  in  una  classe  di  statue  che  mostrano  Ercole  giovanetto  colla  pelle 
indosso  e  colla  clava  piecola  adatta  alla  sua  etä  (cf.  Clarac  t.  282  e  t.  650  D). 
Malgrado  questa  aleune  gli  danno  le  forme  robuste  di  Ercole,  altre  le  forme 
125tenere  e  fanciullesche.1  Senza  di  entrar  piü  stesamente  nella  difficile  spiegazione 
di  siffatte  statue  rilevo  soltanto  che  quella  datane  dallo  Stephani  (Ausr.  Her.  p.  183 
e  %  sg.),  il  quäle  anche  qui  riconosce  soltanto  il  costume  di  trasferir  le  divinitä 
in  un  mondo  di  fanciulli,  non  puö  essere  giusta.  Perche  l'arte  statuaria  non  rap- 
presenta  mai  altra  divinitä  o  altro  eroe  sotto  questa  forma  fanciullesca  che  il  solo 
Ercole?  Forse  si  deve  congetturare  che  la  stretta  relazione  dell'Ercole  romano  col 
genio  degli  uomini  (Annali  1867,  352  sg.)  era  la  ragione  di  siffatta  rappresentanza, 
la  quäle  sarebbe  il  genio  sotto  la  forma  di  Ercole.  Ma  in  ogni  caso  essa  ci  fornisce 
il  transito  al  nostro  tipo,   nel  quäle  perö  il  fanciullo  e  sempre  alato  e  l'idea  di 


Ermafrodita  in  sonno  irrequieto,  c  che  l'arco  e  l'estremitä  della  clava  sono  interpolati  nel 
.;no  della  lucerna.   I  tre  Amorini  dormenti  sono  aggiunti  soltanto  per  mostrar  il  carattere 
voluttuoso  del  sonno  dell'Ermafrodita. 

lo  rilevar  in  ispecie  un  bei  frammento  della  Gall.  dei  candelabri  n.  244,  ove 
il  fanciullo  con  molta  ingenuita  pare  imitare  l'Ercole  ubbriaco.  Ma  il  concetto  piü  comune 
e  quello  dell'Ercole  Parnese,  ove  tiene  le  mele  dellc  Esperidi  e  certamente  non  puö  essere 
il  vero  fanciullo  Ercole. 


INTORNO  A  DUE  TIPI  D'AMORE.  123 


Eros  non  di  rado  vien  accennata  anche  dalla  face.  Alate  perö  sono  pure  alcune 
statue  di  quell'Ercole  fanciullo  (cosi  un  torso  del  Museo  Chiaramonti  n.  87  [Ame- 
lung,  Vatikan,  I,  Taf.  38] ;  ma  Clarac650A,  1478  B  [Matz-Duhn,  264]  che  oggi  si  trova 
nella  gall.  Doria  n.  374,  non  e  altro  che  un  lavoro  della  fine  del  Cinquecento  in  seguito 
ristaurato),  e  giä  nella  decorazione  di  una  parete  pompeiana  (Heibig  n.  607) 
troviamo  Amore  colla  pelle  indosso  e  colla  clava,  attributi  evidentemente  non 
rubati  ma  propri  a  lui,  che  aggiungono  alle  sue  qualitä  anche  quelle  d'Ercole. 
Abbiamo  riconosciuta  la  congiunzione  di  Amore  dormente  col  Sonno;  adesso  egli 
vien  identificato  anche  con  Ercole.  [Furtwängler,  Roschers  Lex.  der  Myth.  I 
S.  1368  u.  1370.] 

Ma  come  mai  poteva  svilupparsi  una  tale  combinazione?  Questione  che  sta 
in  istretta  relazione  con  un'altra,  cioe  a  che  uso  siano  State  destinate  le  statue 
in  discorso. 

Un  gran  gruppo  sepolcrale,  originariamente  coperchio  di  un  doppio  sarcofago, 
esistente  nel  palazzo  Farnese  e  finora,  come  pare,  non  descritto  [Matz-Duhn  3411], 
mostra  nel  solito,  modo  coricati  sopra  un  letto  il  marito  colla  moglie,  ritratti  del  terzo 
secolo  incirca;  ma  1'  interessante  si  e  che  quello  e  identificato  con  Ercole,  giacche 
giace  sopra  la  pelle  di  leone  e  appresso  si  scorgono  il  turcasso  grande  pieno  di  saette 
e  la  clava;  nella  mano  s.  tiene  il  skyphos  e  dal  collo  gli  pende  una  grossa  Corona.1 
Ma  che  anche  fanciulli  s'identificassero  con  Ercole,  lo  mostra  una  statua  a  Parigi 
(Fröhner,  Notice  n.  333):  e  un  fanciullo  che  ha  la  pelle  d'Ercole  indosso  e  sul 
capo,  ma  il  viso  e  un  ritratto  del  terzo  secolo  incirca.  E  certo,  era  un  pensiero 
molto  consolante  il  vedersi  identificato  con  quell'eroe  vincitore  della  morte  e  che 
per  la  sua  forza  era  arrivato  aH'immortalitä.  Dall'altro  canto  sappiamo  che  era 
l'uso  di  rappresentar  i  fanciulli  e  ragazzini  morti  sotto  l'immagine  di  Amori,  ciö 
che  mostrano  e  statue  che  danno  ad  Eros  i  tratti  di  un  fanciullo  reale  (p.  es.  126 
Fröhner,  Notice  n.  368)  e  tanti  sarcofaghi.2  L'identificarli  nell'istesso  tempo  con 
Amore  e  con  Ercole  era  una  cumulazione  un  po'  strana  si,  ma  del  tutto  corri- 
spondente  alla  tendenza  di  quei  tempi,  di  esprimere  cioe  nei  monumenti  sepol- 
crali  delle  idee  consolanti  e  confortanti  per  l'altro  mondo. 

E  questa  combinazione  la  vediamo  anche  nel  frammento  di  un  sarcofago 
lateranense  (Benndorf  e  Schöne  n.  82),  ove  il  solito  rappresentante  del  fanciullo 
morto,  l'Amore  ubbriaco  sostenuto  da  due  altri,  ha  la  pelle  leonina  indosso,  la 
clava  ed  il  skyphos  nelle  mani.15  Da  qui  non  si  ha  lontano  ai  nostri  monumenti; 

1  La  moglie  tiene  la  cosidetta  Corona  mortuaria  e  aH'estremitä  sinistra  del  letto,  ai 
piedi  dei  coniugi,  siede  un  fanciullo  vestito,  tenente  uva  e  un  uccello  (pollo?). 

2  Cf.  Petersen  negli  Annali  1860,  404  seg.  —  Si  puö  confrontare  anche  un  epigramma 
(Anth.  Pal.  VII,  628)  ove  il  fanciullo  morto  ha  il  nome  e  la  figura  di  Eros. 

3  E  il  morto  identificato  con  Amore  ed  Ercole,  ma  non  Ercole  rappresentato  sotto 
l'immagine  di  fanciullo,  come  crede  il  eh.  Stephani  (Ausruh.  Herakles  p.  198).  II  frammento 
del.  M.  Chiaramonti  n.  100  [Amelung,  Vatican  I  Taf.  39],  che  secondo  lo  Stephani  1.  c. 
199  rappresenterebbe  l'istesso,  mostra  invece  due  Amori  strascinanti   la  clava  di  Ercole. 


124 


INTORNO  A  DUE  T1PI  D'AMORE. 


Che  qud  fanciulli  Amori-Ercoli  si  rappresentavano  dormenti  e  cogli  attributi  di 
Ipno,  si  spiega  da  per  se  come  allusione  alla  morte  sotto  l'immagine  di  un  sonno 
felice.  La  congettura  che  molti  dei  nostri  monumenti,  e  non  soltanto  della  quarta 
ma  anche  delle  classi  antecedenti,  siano  stati  di  uso  sepolcrale,  vien  confermata 
da  parecchl  rillevi:  su  un  cippo  sepolcrale  del  Louvre  (Clarac  184,  351;  Fröhner, 
Notice  n.  336)  Amore  disotto  alla  tavola  dell'  iscrizione  giace  sopra  la  pelle  leonina, 
presso  di  lui  il  suo  arco  e  turcasso.  In  un  piecolo  sareofago  conservato  a  Ostia 
egli  o  adoperato  neu'  istesso  modo,  ma  non  ha  aleun'  attributo;  cosi  lo  vediamo 
anche  in  un  gruppo  sepolcrale  del  Vaticano  (Visconti,  Pio-Cl.IV15)  e  in  un  sareofago 
della  Galleria  lapidaria  giacente  disotto  alla  tavola  dell'  iscrizione  e  con  una  Corona 
in  mano  [Amelung,  Vatikan  I,  Taf.29  Nr.  177],  II  significato  di  siffatte  corone  di 
fiori  in  mano  delle  persone  che  rappresentano  il  defunto,  con  ragione  vengono 
spiegate  per  le  corone  del  convito  (Stephani,  Ausruh.  Herakl.  p.  35);  posso  aggiun- 
gere  ciö  che  finora  non  e  stato  osservato  abbastanza  bene,  cioe  che  spesse 
volte  queste  corone  si  trovano  in  mano  di  Bacco  stesso  o  anche  delle  Menadi; 
cf.  Gall.  dei  candelabri  n.  173;  sareof.  del  Belvedere  n.  99  [Amelung,  Vatican  II, 
Taf.  25];  Visconti,  Pio-  Cl.  IV,  22;  I,  33  (non  visibile  nel  rame).  Sono  conosciute  le 
relazioni  fra  Bacco  e  Sonno;  come  Bacco  si  trova  coli'  attributo  del  Sonno,  il  papa- 
vero,  nella  mano  (Mon.  d.  Inst.  IV,  35;  cf.  Annali  1846,  225),  cosi  nei  nostri  monu- 
menti V  Ipno-Amore  ha  la  Corona  dei  conviti  propria  a  Bacco.  Imperocche  anche 
parecchie  delle  statue  in  discorso  sono  fornite  della  Corona  di  fiori:  cosi  Clarac 
127  761,  1866  a  Venezia1  e  quella  dell'Esquilino,  ambedue  sopra  la  pelle.  II  sonno 
dunque  e  quello  d'ebbrietä  dopo  un  banchetto,  e  con  questo  attributo  si  avvi- 
cinano  di  piü  le  nostre  statue  a  quelle  notissime  che  si  appoggiano  dormenti 
sopra  la  face  rovesciata,  tenenti  quasi  sempre  la  Corona  in  mano,  e  che  mostrano 
1'  istessa  combinazione  di  Amore  e  Sonno.  Ma  mentre  questi  Ultimi  monumenti 
erano  sempre  di  uso  sepolcrale,  i  nostri  invece  servivano  in  modo  piü  svariato. 
Imperocche  aleuni  (e  non  di  una  ma  di  due  classi)  dovevano  essere  votivi. 
II  Matz  nella  Arch.  Ztg.  1873  p.  29  dava  notizia  di  una  statua  esistente  in  Inghilterra 
[Michaelis,  Anc.  marbles  S.  498,  66]  ed  appartenente  alla  seconda  delle  nostre  classi 
(attributi  di  Amore  e  di  Ipno  e  clamide),  alla  base  della  quäle  e  V  iscrizione  «Herculi 
Sancto  Futychianus  .  Non  e  facile  lo  spiegarsi  la  relazione  fra  Amore-Ipno  ed  Ercole; 
ma  bisogna  ricordarsi  che  vi  esisteva  un  eulto  di  Hercules  Somnialis»,  il  quäle 
perö,  per  quanto  io  sappia,  non  c'  e  noto  che  da  due  iscrizioni  latine  (Orelli  n.  1553 
105)."   F  una  congettura  molto  probabile  che  questo  dio  nel  sonno  indicasse 

1  [Dütschkc  21h).   L'animale  presso  di  lui  nell'  originale  somiglia  piü  ad  un  cane.  — 

II  corno  potorio  di  Clarac  761,  1870  si   riferirä   meglio   al   corno   di   Ipno,   e  si  puö   con- 

frontar  il  piecolo   corno  che   tienc   in  mano   un  fanciullo  dormente   senza  ali,   ma  Ipno 

fuori  di  dubbio  in  una  gemma  presso  Cades  gran  coli.  II  F,  29.  —  II  sonno  ubbriaco  sarä 

ificato  anche  nel  rilievo  di  un  erma  bacchico  presso  Gerhard,  Antike  Bildw.  t.  77,  1. 

*  Lo   Stephani   (Ausruh.  I  lerakles  p.  125,  n.  1)   afferma   che   Hercules   somnialis   o 

■  Gred  e  komani  sia  stato  molto  in  voga  (geläufige  Vorstellung),  ma  senza 


1NT0RN0  A  DUE  TIPI  D  AMORE.  125 

ai  visitatori  dormenti  nel  suo  tempio  dei  rimedi  per  le  malattie,  come  lo  facevano 
tante  altre  divinitä  salutari.1  Ed  in  un  culto  simile  si  spiegherebbe  anche  la  re- 
lazione  fra  Ipno  ed  Ercole.  Ma  la  statua  votiva  in  discorso  non  e  semplicemente 
Ipno,  anzi  e  molto  probabile  che  il  fanciullo  alato,  secondo  1'  uso  romano,  anche 
qui  non  sia  altro  che  il  rappresentante  ideale  del  malato  stesso  e  del  suo  sonno 
salutifero;  1'  idea  di  Amore  e  del  tutto  sparita.  Accanto  al  cognome  del  nostro 
Ercole  sanctus  e  da  notarsi  che  sanctus  e  salutaris  erano  nozioni  molto  affini; 
Silvano  p.  e.  era  venerato  a  Roma  (sull'Aventino)  come  sanctus  salutaris  (Orelli 
n.  1596  e  2518).  —  Ma  abbiamo  anche  un  altro  ex  voto  fra  le  nostre  statue,  ed 
e  quella  Gerhard,  Antike  Bildw.  t.  77,  2  coli'  iscrizione  »Valerius  Felicissimus 
pecuarius  d.  d.>.  Appartiene  alla  quarta  classe,  cioe  ha  la  pelle  leonina.  La 
divinitä,  la  quäle  disgraziatamente  non  vien  menzionata,  sarä  anche  qui  una 
delle  salutari.  II  tipo  ideale  e  generale  di  un  sonno  felicissimo  per  1'  uso  sepol- 128 
crale  era  giä  formato  in  quella  combinazione  di  Amore-Ipno-Ercole,  per  la  quäle 
il  donatore  poteva  bene  esprimere  anche  il  suo  sonno  d'  incubazione.  E  dunque 
possibile  ovvero  probabile,  che  anche  altri  dei  nostri  monumenti  fossero  destinati 
ad  essere  doni  votivi  a  qualche  divinitä  salutare.  Ma  si  puö  provare  che  servi- 
vano  anche  in  una  terza  maniera,  cioe  come  decorazioni  di  fontane. 

Qui  perö  non  abbiamo  da  fare  che  colle  tre  classi  anteriori,  gli  attributi  di 
Ercole,  nati  dall'  identificazione  sepolcrale  con  quell'eroe,  non  trovandosi  piü  in 
quel  genere  di  decorazioni.  —  Sono  principalmente  le  statue  seguenti:  una  del 
Museo  lateranense  (Benndorf  e  Schöne  n.  370;  Garrucci  t.  40,  6),  ov'e  aggiunta 
un'anitra;  l'acqua  veniva  da  una  idria;  cosi  anche  quell'Ipno  di  Firenze  colle  ali 
al  capo  e  il  leone,  il  quäle  dalla  sua  bocca  mandava  l'acqua.2  E  conosciuto  che 
statue  dormenti,  e  perciö  anche  quelle  di  Amore-Ipno,  erano  una  decorazione 
prediletta  per  le  fontane,  il  mormorio  delle  quali  invitava  ad  un  sonno  tranquillo. 
E  non  era  inusitato  (ciö  che  potrebbe  provarsi  con  vari  esempi),  che  alle  fontane 
servivano  le  stesse  rappresentazioni  come  ai  sepolcri. 

S'  intende  che  specialmente  la  prima  classe  dell'  Amore  dormente  senza  altri 
attributi  si  adattava  bene  anche  a  qualsiasi  altra  decorazione  privata;  ma  quella 
cumulazione  di  nozioni  diversissime  di  Amore,  Ipno,  Ercole  era  cagionata  dall'uso 


citare  alcun  fatto  in  favore  della  sua  opinione.  E  vero  che  alcuni  scrittori  raccontano 
delle  storie,  ove  Ercole  da  qualche  consiglio  nei  sogni,  ma  questo  non  prova  nulla  per 
un  culto  sotto  quei  cognomi.  —  II  Panofka,  come  pare,  era  il  primo  a  servirsi  di  quelle 
iscrizioni  per  l'interpretazione  falsa  di  un  Amore-Ercole  (Berl.  Terracotten  p.  89). 

1  Ercole  guariva  le  malattie  almeno  in  Beozia  (a  Hyettos,  Pausan.  IX,  24,  3),  pro- 
balilmente  per  incubazione. 

2  Altri  esempi;  Clarac  678  A,  1567  A  [Michaelis,  Anc.  marbles  S.  692,  612];  uno  nella 
gall.  Doria  n.  221;  un'  altro  nei  rami  del  Museo  Grimani  (senza  n.);  nel  Mus.  brit.  [1678] 
(gesso  a  Berlino  cf.  Bötticher,  Berl.  Gipsabg.  p.  520  [Friederichs-Wolters  1584])  proveniente 
da  Tarsos. 


[NTORNO  A  DUE  TIPl  D'AMORE. 


olcrale  e  d  mostra  chiaramente  il  modo  di  procedere  dell'arte  romana  sner- 

vafta  del  secolo  secondo  in  giü.1 

II. 

151  L'n  altro  esempio  di  una  simile  trasformazione  romana  di  un  tipo  semplice 
e  greco  ce  lo  offre  l'Amore  di  Centocelle  nel  Vaticano  [Amelung,  Vatican  II, 
Taf.  45.  Furtwängler,  Meisterwerke  S.  540  ff.].  Imperocche  una  statua  recente- 
meote  scoperta  sull'Esquilino    ed  eposta   nel    nuovo   museo  del  Palazzo   dei 

152  Conservatori1  d  da  una  conferma  perfetta  di  quanto  giä  il  eh.  Friederichs  (Bau- 
steine n.  448  p.  268  [Friederichs-Wolters  1578])  aveva  congetturato  circa  il  con- 
cetto  originario  dell'anzidetta  statua  vaticana  (la  chiameremo  A,  quella  dell'Es- 
quilino  D).  E  evidente  che  D  sia  una  replica  di  A,  benche  il  ristauro  provvisorio 
eseguito  in  gesso  ne  abbia  fatto  un  Apollo  colla  lira  e  il  plettro,  e  benche  man- 
chino  le  ali.  Ma  sull'  estremitä  del  braccio  destro,  ov'egli  s'  incontra  colla  mano, 
vi  e  conservato  un  frammento  di  un  oggetto,  oggi  ristaurato  come  plettro,  ma 
che  infatto  non  e  altro  che  1'  estremitä  d'  una  piecola  face.  Ad  un  plettro 
non  converrebbe  ne  la  forma  in  generale3  ne  la  lunghezza  dell'  oggetto;  ed 
inoltre  dal  fianco  destro  contro  il  supposto  plettro  va  un  puntello  molto  grosso 
che  accenna  a  qualche  oggetto  piü  grande  e  piü  lungo  che  un  plettro.  Perö 
la  face  non  poteva  essere  che  piecola  e  s'inclinava  verso  un  altare  che  stava 
davanti  sulla  base  (la  base  d'oggi  e  di  ristauro  moderno),  essendo  la  direzione 
del  braccio  tale,  che  la  face  fatta  in  marmo,  s'allontanava  troppo  dal  corpo,  se 
non  trovava  un  appoggio.  Cosi  dunque  D  corrispondeva  in  tutti  i  concetti  con 
una  statuina  di  lavoro  assai  trascurato  ma  abbastanza  conservata4  nella  Galleria 
dei  candelabri  n.  203  (Gerhard,  Ant.  Bildw.  93,  2  [Heibig,  Führer2  399];  la  chia- 
meremo E),  la  quäle  aveva  suggerito  al  Friederichs  la  congettura  confermata 
oggi  da  D,  che  anche  A,  la  celebre  statua  vaticana,  avesse  abbassata  la  face 
nella  mano  destra.  —  Ma  abbiamo  ancora  due  altre  repliche  del  tutto  corrispon- 
denti,  cioe  a  Napoli  (=  B;  Clarac  649,  1487)  ed  a  Pietroburgo  (Stephani,  An- 
tiken von  Pawlowsk  n.  6  =  C);5  ambedue  avevano  1'  arco   nella  sinistra,   del 

1  l,a  rozzezza  del  lavoro  specialmcnte  della  quarta  classe  indica  questo  tempo. 
f.  Bull.  com.  1876  p.  214,  7  [1877,  Taf.  16  S.  135].  —  Se  il  ristauro  dclla   lira  in- 
fatto sia  fondato  sopra  avanzi  antichi,  come  vien  affermato,   nello  stato  d'  oggi   non  si 
puo  deeidere,  il  tutto  essendo  di  stueco.   E  se  ve  n'  erano,  erano  cagionati  dall'  arco,  che 
probabilmcnte  teneva  nella  sinistra. 

*  Si  confrontino  plcttri  antichi  conservati  in  mano  di  statuc  (ciö  che  e  assai  raro) 
p.  e.  Villa  Albani  n.  612. 

*  I  ristauri  iono  i  seguenti:  tutto  il  braccio  sinistro  coll'arco;  il  turcasso  perö  sospeso 
all'albero  e  antico  come  anche  in  D;  poi  il  braccio  destro  colla  face,  dclla  quäle  soltanto 
la  fiamma,  unita  con  quella  deH'altare,  e  antica.  L'acconciatura  dei  capelli,  benche  trascu- 
rata  come  tutta  I'  esceuzione,  e  1'  istessa  come  in  A  e  D. 

Stephani   1.  c.  afferma    che   il   braccio  destro   all'infuori  delle  dita  sia  antico, 
benche  rotto  in  molti   pezzi;   ma  anche  se  la  mano  destra   apparteneva  alla  statua,  essa 
va  tener  la  piecola  face  collc   dita   solc.   Sgraziatamcnte  non  vien  detto,   se  la  base 
sia  antica  e  intern  o  mutilata  0  moderna  [Furtwängler,  Meisterwerke  S.  541  Anm.  1]. 


INTORNO   A  DUE  TIPI  D'AMORE.  127 

quäle  e  conservato  un  pezzo  antico  sopra  il  tronco  d'  albero,  al  quäle  in  C  e 
sospeso  il  turcasso,  come  in  D  e  E.  E  d'  uopo  perö  subito  costatare  una  diffe- 
renza:  le  ali,  delle  quali  A,  B,  C  erano  fornite,  mancano  affatto  in  D  e  E  (man- 
cano  anche  in  una  replica  frammentata  nell'Ermitage  di  Pietroburgo  (F),  della  153 
quäle  il  Guedeonow  (Musee  de  sculptures  ant.  n.  353)  da  una  descrizione  insuffi- 
ciente  [Abb.  in  dem  Katalog  von  Kieseritzky  S.  171];  ma  questo  non  ci  deve 
recar  maraviglia;  basta  ricordarci  del  gruppo  capitolino  di  Amore  e  Psiche. 
Nei  tempi  bassi  dunque  anche  l'arte  statuaria  omette  le  ali,  quando  si  tratta 
di  un  tipo  subito  riconoscibile  da  altri  contrassegni;  e  nel  nostro  caso  vi  s' 
aggiungeva  che  Eros  non  era  piü  veramente  dio  d'  amore,  come  vedremo. 

Quanto  alla  esecuzione  artistica  delle  statue  in  discorso,  posso  affermare 
che  D  appartiene  per  la  maniera  secca  e  dura  alla  seconda  metä  del  secondo 
secolo,  e  1'  istesso  pare  che  valga  anche  di  B  e  C.1  E  quantunque  infine  sia 
celebrata  la  statua  vaticana  A,  bisogna  confessare  che  il  lavoro  e  piuttosto  me- 
diocre,  ed  osservando  quella  maniera  secca  specialmente  negli  occhi  e  nella  bocca, 
1'  ascriveremo  al  principio  del  secondo  secolo  incirca. 

Altre  statue  che  si  possano  attribuire  con  sicurezza  al  tipo  in  discorso,  non 
sono  a  mia  conoscenza;  alcune  da  altri  venivano  aggiunte  erroneamente.2  Lo 
Stephani  credeva  eziandio  di  aver  trovata  la  vera  spiegazione  del  nostro  tipo  in 
un  esemplare  che  non  gli  appartiene  affatto,  dico  quel  gruppo  del  Louvre  [536] 3 
che  pone  Eros  tranquillo  e  stante  accanto  a  Psiche  spaventata.  II  tipo  di  Eros  e 
diverso  dal  nostro,  perche  sta  sulla  destra  invece  della  sinistra  gamba  ed  ha 
l'acconciatura  dei  capelli  diversa  e  piü  semplice;  non  voglio  negare  perö  che 
anch'esso  sia  tratto  dal  medesimo  tipo  originario,  al  quäle  risalgono  le  nostre 
statue;  ma  egli  rappresenta  una  trasformazione  indipendente  e  fatta  per  un  altro 
scopo,  che  era  la  congiunzione  con  Psiche.  Ognuno  vede  che  cosi  l'Eros  come 
la  Psiche  non  sono  stati  inventati  per  questo  gruppo,  ma  presi  a  prestito  altrove. 
La  Psiche  ricorda  una  delle  figlie  di  Niobe  e  la  Psiche  del  Campidoglio  (Clarac 
654,  1500  A),  la  quäle  qui  e  inversa  e  semplificata,  mancando  il  mantello  ed 
essendo  piegato  piü  a  terra  il  ginocchio.  Questa  maniera  dei  tempi  romani  di 
formar  nuovi  gruppi  e  nota  anche  da  altri  esempi.  Si  vede  dunque  che  l'opinione  154 
dello  Stephani,  cioe  che  in  A,  B  e  C  sia  da  aggiungere  con  la  fantasia  la  Psiche 
secondo  quel  gruppo,  e  senz'  alcun  fondamento.   E  chiaro  invece  che  A,  B  e  C 


1  Stephani  1.  c.  p.  8  l'ascrive  alla  metä  del  2°  sec.  —  In  B  specialmente  i  capelli 
sono  trattati  in  maniera  bassa  ed  assai  rozza. 

2  Clarac  281,  1486,  enumerata  fra  le  nostre  ancora  dallo  Stark,  Sachs.  Berichte  1866, 
163,  ne  venne  esclusa  dallo  Stephani  1.  c;  ma  dubbiosa  e  la  statua  Clarac  644  B,  1471  D; 
pare  che  non  esista  piü  nel  Pal.  Altemps,  almeno  io  non  ve  l'ho  vista  e  perciö  non  oso 
pronunziare  un  giudizio  decisivo. 

3  Clarac  266,  1499;  la  miglior  pubblicazione  nei  Monum.  scelti  della  Villa  Borghese 
t.  11.  —  Stephani  1.  c.  p.  9.     [Fröhner,   Notice  n.  370.] 


[NTORNO  A  DUE  TIP1  D'AMORE. 

siano  da  ristaurarsi  secondo  D  ed  E,  colle  quali  corrispondono   in  tutti   i  punti 
senzUIi,  essendo  identica  la  positura,  l'acconciatura  dei  capelli,  l'espressione  del 
viso  inclinato  etc.   Avevano  dunque  tutte  nella  destra  la  face  abbassata  verso 
un  piccolo  altare.     Ma  che  cosa  significa  quest'azione? 

Non  puö  essere  lo  spegnere,  ciö  che  vediamo  tante  volte  in  quegli  Ipni- 
Amori  che  si  appoggiano  sopra  la  face  rovesciata,  perche  nel  nostro  caso,  mi- 
schiandosi  le  due  fiamme  dell'altare  e  della  face,  quest'  ultima  riceve  nuovo 
alimento.  Cosi  le  statue  in  quistione  trovano  la  loro  perfetta  analogia  soltanto 
in  due  opere  statuarie,  ove  l'istessa  azione  e  conservata  parimente  bene;  dico  il 
gruppo  celeberrimo  dilldef  onso[Arndt,  Einzelaufn.  1588 — 1592]  eunastatua  della 
Gall.  dei  candelabri  (Visconti,  Mus.  Pio-Cl.  I,  28  [Heibig,  Führer2  402]).  Benche 
tanti  abbiano  parlato  di  quel  gruppo,  una  spiegazione  precisa  dell'azione  finora  non 
e  riuscita;  alcuni  ne  parlano  come  di  un  sagrifizio,  altri  seguendo  il  eh.  Welckercre- 
dono  che  il  genio  del  rogo  vi  accenda  la  face  pel  rogo  stesso;  ma  quest'ultima 
spiegazione  e  fondata  specialmente  sopra  la  seconda  face  che  quel  giovane  tiene  sul 
dorso,  e  questa,  si  puö  affermare,  non  fu  mai  antica  [Furtwängler,  Meisterwerke 
S.  463  Anm.  2].  II  eh.  Hübner,  e  vero,  dispera  di  poter  arrivar  a  sicurezza  sopra 
l'anzidetta  face,  che  oggi  e  di  legno;  ma  il  gruppo  essendo  stato  ristaurato  due 
volte,  crede  possibile  che  quella  face  nel  giardino  Ludovisi  (ove  stava  dapprima)  fosse 
antica  e  di  marmo,  e  dice  (Antike  Bildw.  in  Madrid  p.  78):  «die  alten  Abbildungen 
stimmen  zwar,  lassen  aber  unentschieden,  ob  die  zweite  Fackel  alt  oder  schon 
damals  hinzugefügt  war-.  Ma  appunto  questo  non  e  giusto,  perche  la  pub- 
blicazione  la  piü  antica  presso  Perrier  t.  37,  fatta  secondo  si  trovava  nel  giardino 
Ludovisi,  non  mostra  ancora  la  face  seconda,  ma  soltanto  quel  pezzetto  nella 
mano  sinistra  che  anche  oggi  e  di  marmo  e  con  tutto  il  braccio  sinistro  inferiore 
e  moderno  e,  come  mostra  quel  rame,  appartiene  al  primo  ristauro.  La  seconda 
pubblicazione  del  1704  (presso  Maffei  e  Rossi,  Racc.  t.  121),  che  rappresenta 
il  gruppo  dopo  che  era  passato  nelle  mani  della  regina  Cristina  di  Svezia  e  del 
duca  Odescalchi,  mostra  giä  quella  face,  la  quäle  dunque  vi  fu  aggiunta  ovvero 
completata  secondo  l'ordine  della  regina.  Se  infine  la  face  fosse  mai  stata  an- 
tica, vi  dovrebbe  essere  qualche  puntello  sul  dorso,  che  non  esiste.  —  Ma  la 
piegazione  del  eh.  Welcker  e  confutabile  anche  da  altri  punti  di  vista,  e  in- 
somma  un'  azione  cosl  realistica  e  palpabile,  come  e  1'  accensione  del  rogo,  per 
la  sua  natura  non  si  adatta  alla  rappresentazione  statuaria  e  non  si  potrebbe 
esprimere  in  un  modo  cosl  velato  e  scuro.  Piü  giusto  e  di  parlar  d'  un  sagri- 
fizio. Ma  perö  non  si  deve  accettar  la  spiegazione  recentissima  dello  Stephani 
(Compte-rendu  1873  p.  15),  che  dietro  un  pensiero  del  Winckelmann  vi  vuol 
riconoscere  Oreste  e  Pilade  che  sagrificano  la  prima  volta  all'  idolo  di  Diana 
Taurica  rubato  da  loro.  Giacche  se  quell'idolo  fosse  cosa  principale,  dovrebbe 
-  un  altro  posto,  in  mezzo  e  piü  vicino  all'altare;  ma  cosi  come  lo  vediamo 
i  analogo  a  tante  altre  erme  e  idoli  posti  accanto  alle  statue  come  appoggio  e 


Intorno  a  due  tipi  d'Amore.  129 


per  accennare  a  qualche  parte  del  loro  significato.  Ed  oltreciö  non  crederei  che 
un  sagrifizio  ordinario  si  possa  rappresentar  col  solo  abbassar  di  una  face  verso 
l'altare.  Ma  l'istesso  Stephani  1.  c.  p.  10  seg.  ha  fatto  un'  osservazione  giustissima 
sopra  il  tipo  di  quell'  idoletto,  che  secondo  lui  rappresenta  quasi  sempre  la 
deitä  del  nascimento,  cioe  Eileithyia,  e  che  specialmente  si  trova  congiunto  con 
persone  del  ciclo  di  Venere.  Non  vedo  ragione  perche  qui  non  significhi 
l'istesso.  —  Ma  ritornando  a  quella  face  forse  sarä  utile  il  confrontar  altri  monu- 
menti:  sopra  sarcofaghi1  vediamo  Ifigenia  che  va  per  far  la  lustrazione  dell'  idolo 
taurico  con  una  face  (rovesciata)  in  mano  (cf.  le  parole  di  Euripide  nell'Iph. 
Taur.  1224),  ed  in  un  cameo  fiorentino2  Ifigenia  seduta  tiene  la  face  abbassata 
verso  un  piccolo  altare,  l'istessa  azione  dunque  come  nelle  statue  in  quistione; 
ma  qui  il  significato  non  puö  essere  dubbio,  giacche  la  sacerdotessa  evidente- 
mente  sta  per  consacrare  i  giovani  stranieri  pel  loro  sagrifizio.3  Adottando  questa 
spiegazione  pel  gruppo  d'Ildefonso,  quel  giovane  a  destra  vuol  consacrare  il  suo 
compagno,4  e  senza  dubbio  alla  morte.  E  cercando  da  quäle  altro  tipo  questo 
rappresentante  della  morte  possa  essere  derivato,  mi  pare  probabilissimo  che  sia 
Imeneo,5  il  quäle,  com'e  noto  (cf.  Dilthey,  Annali  1869,  23  sg.),  almeno  nei 
tempi  romani  era  divenuto  rappresentante  della  morte;  egli  colla  sua  face  con- 156 
sacra  i  nuovi  sposi,  e  come  i  poeti  latini  amano  a  contraporre  la  fax  nuptialis 
alla  fax  feralis,  cosi  colla  stessa  face  Imeneo  qui  consacra  alla  morte.  E  coll'- 
Imeneo  si  combina  benissimo  quell'idolo  attributivo  di  Eileithyia,  della  divinitä 
della  nascita,  la  quäle  coll'istesso  cambiamento  di  idee  puö  divenir  divinitä  della 
morte,  come  Imeneo.  —  L'istessa  azione,  cioe  l'abbassar  la  face  verso  l'altare, 
troverä  l'istessa  spiegazione  nelle  altre  statue  in  discorso.  Ma  queste  sono  isolate 
e  perciö  divengono  meno  chiare;  la  loro  azione  non  e  che  un  simbolo  che 
accenna  a  quella  triste  consacrazione.  Un'altra  differenza  e,  che  mentre  nel 
gruppo  d'Ildefonso  il  contrasto  artistico  esigeva  die  dare  all'Imeneo  quella  figura 


1  Overbeck,  Heroengall.  t.  30,  3;  Sachs.  Berichte  1850  t.  VII.  [Robert,  Sarkophag- 
Reliefs  II,  Nr.  177.  178.] 

2  Overbeck  1.  c.  t.  30,  6.    [Furtwängler,  Antike  Gemmen  58,  6.] 

3  II  momento  rappresentato  non  puö  essere  la  fuga,  ma  dev'essere  anteriore  al 
riconoscimento. 

4  Se  sia  Antinoo,  come  alcuni  vogliono,  non  posso  ne  affermare  ne  negare,  man- 
candomi  al  presente  un  gesso. 

5  Quanto  a  Thanatos  stesso,  pare  che  non  sia  piü  stato  rappresentato  dopo  i  tempi 
di  Alessandro  Magno,  nei  quali  gli  venivano  mano  a  mano  sostituiti  Imeneo  Narcisso  etc., 
come  vedremo.  E  noto  che  dopo  l'arca  di  Cipselo  Thanatos  apparisce  su  qualche  vaso 
dipinto  come  giovane  alato  in  compagnia  del  suo  fratello  Ipno  (cf.  Lessing,  De  mortis  fig. 
Bonnae  1866);  e  cosi  probabilmente  lo  rappresentava  quella  statua  a  Sparta  (Paus.  III,  18,  1) 
insieme  col  fratello;  l'ultimo  suo  tipo  lo  conosciamo  da  vasi  attici  del  4°  secolo,  ove  e 
uomo  barbato  in  contrasto  col  giovine  Ipno;  il  eh.  Dumont  recentemente  ne  ha  pubbli- 
cato  un  esempio  (Vases  peints  de  la  Grece  propre  p.  22). 

A.  Furtwängler.    Kleine  Schriften.  I.  9 


INIORNO   A   DUE  TIPI   D'AMORE. 


ritta  e  forma,  cheesprime  bene  rincsorabilitä  della  morte,1  qui  invece  nelle  statue 
isolato  mediante  tutti  i  motivi  si  esprime  il  carattere  triste  e  lasso  di  un  tale 
concetto.  Ma  consideriamo  piü  da  vicino  quella  statua  della  Gall.  dei  cande- 
labri  chiamata  da  noi  In  confronto.  Anche  in  essa  e  conservato  il  piccolo  altare, 
DM  disgraziatamente  la  mano  destra  e  moderna;  perö  non  vi  puö  essere  dubbio 
che  il  ristauro  colla  face  non  sia  giusto;  col  braccio  sinistro  egli  s'  appoggia 
sopra  un  albero,  e  forse  la  mano,  che  e  moderna,  anch'  essa  teneva  ancora 
qualche  attributo.  La  testa  cogli  occhi  chiusi  sarebbe  importantissima,  se  fosse 
antica,  come  il  Visconti  l'ha  creduta.  Ma  un  esame  piü  accurato  non  mi  ha 
lasdato  dubbio  che  non  sia  piuttosto  un  lavoro  moderno.  La  statua2  si  dice 
trovata  insieme  colle  Muse  di  Tivoli;  volendo  aver  un  complesso  di  statue  coe- 
157  renti,  si  ristauro  la  nostra  in  un  dio  del  Sonno,  che  bene  concordava  colle 
Muse.  E  perciö  evidente  che  la  denominazione  di  Sonno  non  ha  alcun  fonda- 
mento  e  non  esiteremo  di  trovar  anche  in  lui  come  tipo  fundamentale  quello 
di  Imeneo,  cambiato  perö  in  un  rappresentante  della  morte.  Un  altro  tipo  dell'istesso 
concetto  in  una  simile  posatura  triste  e  lassa  ci  vien  fornito  da  alcuni  sarcofaghi 
di  Medea  illustrati  dottamente  dal  Dilthey  Annali  1869,  23  sg.  [Robert,  Sarkophag- 
Reliefs  II,  Nr.  194  ff.].  Imeneo  vi  e  un  giovane  coperto  del  mantello  nella  parte 
inferiore,  che  incrociando  le  due  braccia  tiene  il  papavero  nell'una,  la  piccola  face 
rovesciata  verso  la  terra  nell'altia  mano.  Anche  qui  significa  la  morte  che  vien  prepa- 
rata  alla  nuova  sposa  di  Giasone.  Ma  mediante  quel  papavero  vi  e  immi'schiata  anche 
l'idea  del  Sonno.  La  stessa  mescolanza  di  Ipno  ed  Imeneo  la  scorgiamo  in  una  pit- 
tura  descritta  da  Filostrato  seniore  I,  2,  che  ci  mostra  quanto  sia  stata  incerta  ed  am- 
bigua  la  spiegazione  di  tali  esseri  dell'arte  piü  tarda  che  riuniscono  diversi  tipi, 
giacche  Filostrato  vi  riconosce  Komos,  il  dio  delle  feste  notturne,  spiegazione  che 
perö  non  quadra  bene  alla  descrizione  della  figura.  Imperocche  questa  era  nell'istato 
di  dormire;  era  un  giovane  coronato  di  fiori,  che  come  l'Imeneo  dei  sarcofaghi 
teneva  la  face  abbassata  nella  destra,  e  incrociando  il  corpo  la  dirigeva  verso  la  parte 
sinistra,  ma  per  evitar  il  fuoco  metteva  la  gamba  sinistra  sopra  la  destra;  soltanto 
il  braccio  sinistro  non  e  chiaro:  z^v  dk  ägtaregäv  ngoßoXicp  ine/jor.  Uno 
spiedo  da  caccia  essendo  estraneo  al  concetto  di  tutta  la  figura,  il  Welcker  (nella 
edizione  di  Jacobs  p.  207)  aveva  supposto  che  nooßohov  qui  significasse  una 
specie  di  veste;    ma  non  poteva  addurne  alcun  testimonio,  ne  l'attitudine  diver- 


1  II  gruppo  nci  suoi  contrasti  evidcntcmcntc  c  formato  secondo  gli  stcssi  principt 
come  quei  gruppi  di  Oreste  e  Pilade,  Oreste  e  Elettra  della  scuola  di  Pasitele,  coi  quall 
corrispondc  anche  il  carattere  indeciso  e  poco  chiaro  deH'azione;  perö  questo  non  da 
aleuna  ragione  per  congetturarc  (cf.  Kekulc,  Akad.  Kunstmuseum  zu  Bonn  p.  118)  che  anche 
qui  il  concetto  sia  attinto  dalli  tragedia. 

I  A  del  catalogo.  -  Oltre  i  ristauri  sopra  indicati  non  ci  sono  altri  di  rilevanza 
in  vari  punti  la  statua  era  rott;i.  II  lavoro  e  molto  medioere;  la  parte  d'addictro  e  tras- 
curata.  —  Anche  la  testa  antica  secondo  gli  avan/.i  del  collo  era  inchinata  verso  l'omero 


INTORNO   A  DUE  TIPI  D'AMORE.  131 


rebbe  molto  piü  chiara.1  Credo  di  poter  levare  la  difficoltä  pel  solo  cambio  di 
due  lettere;  scriveremo  xgoXoßico,  parola  rara  e  che  facilmente  poteva  corrom- 
persi,  ma  che  quadra  in  modo  singulare  col  senso  di  tutto  il  testo.  Ugokofiiov 
e  l'infima  punta  dell'  orecchio;  il  giovane  dunque  sopraffatto  dal  sonno  aveva 
lasciato  cadere  il  capo  sul  petto  e  il  braccio  destro  pendeva  lasso  verso  la  parte 
sinistra.  Per  non  cadere  del  tutto  gli  abbisognava  qualche  appoggio,  e  cosi 
aveva  sottoposto  la  mano  sinistra  al  capo;  ma  anche  questa,  divenendo  sempre 
piü  lassa,  era  proprio  sul  punto  di  cader  giü  anch'essa  (eiXrj<p&cu  de  i)  y/io 
öoxovoa  Xvetm  xal  a/tF/.n)  e  cosi  si  tenevaancorasoltanto  all'infima  punta  dell'  orec- 
chio che  le  scapperä anch'essa  fra  poco.  — Tutta  1'  attitudine  cosi riceve  vita e veritä. —  158 

Perö  1'  Ipno-Imeneo2  di  Filostrato  non  ha  alcuna  relazione  colla  morte, 
relazione  della  quäle  non  puö  dubitarsi  nei  sarcofaghi  e  che  e  probabile  nella 
piü  gran  parte  delle  statue  relative.  Giacche  ci  sono  rimaste  varie  statue  mal 
conservate  e  senza  attributi,  ma  che  pei  loro  concetti  possono  riferirsi  a  questa 
classe.  Voglio  rilevar  soltanto  due  di  Madrid:  la  prima,  Hübner,  Ant.  Bildw. 
in  Madrid  n.  66  =  Clarac  970  C,  2228  G  [Arndt,  Einzelaufnahmen  1585.  Furt- 
wängler,  Berliner  phil.  Wochenschr.  1898  S.  311],  ha  la  positura  simile  a  quella 
della  Gall.  dei  candelabri  e  la  testa  antica  col  viso  triste;  i  capelli  sono  corti  come 
quelli  deH'Imeneo  dei  sarcofaghi,3  le  braccia  moderne.  Non  puö  essere  una  di- 
vinitä  piü  alta,  nemmeno  un  atleta  o  una  cosa  simile,  e  trova  spiegazione  sol- 
tanto dal  nostro  ciclo,  al  quäle  anche  1'  erma  di  Bacco  barbato,  sopra  la 
quäle  s'appoggia,  non  e  estranea,  benche  non  vorrei  ascriverle  gran  significato. 
L'altra  e  descritta  dall'Hübner  n.  70  (Denkm.  a.  K.  II,  877  [Arndt,  Einzelaufnahmen 
1599]);  ma  la  testa  cogli  occhi  chiusi  e   moderna   come  tutte  le  estremitä. 

In  strettissima  relazione  colle  statue  finora  considerate  sta  un'  altra  classe 
non  meno  interessante.  II  tipo  e  questo:  il  giovane  delicato  con  quel  viso  triste 
e  coi  capelli  corti  sta  sulla  gamba  destra  ed  appoggia  il  braccio  sinistro,  ma  senza 
piegarlo  nel  gomito,  colla  mano  sopra  un  albero  o  pilastro  o  che  sia.  L'omero 
sinistro  e  naturalmente  molto  piü  alto  che  il  destro,  ed  il  capo  e  inchinato  molto 
verso  1'  omero  sinistro,  ma  gli  occhi  sono  sempre  aperti.  II  braccio  destro  riposa 
sul  dorso  [Furtwängler,  Meisterwerkes.  483  ff.  Glyptothek  Nr.  271b].  II  senso  sepol- 
crale   vien    mostrato   al    piü    chiaro  in   un   esempio   a   Napoli:4    l'appoggio   e 

1  Se  3tQoß6Xun>  fosse  infatti  lo  spiedo,  Filostrato  secondo  la  sua  maniera  di  scrivere 
certamente  non  avrebbe  tralasciato  di  addurre  una  qualsivoglia  spiegazione  di  un  attributo 
cosi  strano. 

-  I  festeggianti  nel  fondo  della  pittura  potevano  be-n  referirsi  alla  festa  delle  nozze; 
ma  erano  evidentemente  soltanto  accennati  e  la  descrizione  piü  minuta  che  ce  ne  da 
Filostrato,  l'avrä  probabilmente  inventata  in  favore  della   sua  spiegazione  per   »Komos«. 

3  II  ciuffo  nel  frammento  vaticano  (Visconti,  Museo  P.  Cl.  VII,  16;  Annali  1869,  t.  C) 
e  moderno. 

4  Descrirto  Arch.  Anzeiger  1862,  306;  mentovato  anche  Bull.  d.  Inst.  1864,  256.  [Vgl. 

Winnefeld,  Hvpnos  S.  28.] 

9* 


]  >_>  [Storno  a  due  tipi  d'Amore. 


qiK'iridolo,  che  iüche  qui  come  nel  gruppo  d'Ildefonso  possiamo  riferir  alla 
divinitä  dcl  naseimento  e  perciö  anche  della  morte.  La  mano  destra  sul  dorso 
tiene  una  mehi  ossia  una  melagranata,  segno  che  quel  giovane  e  caduto  in  possesso 
della  morte.  Ma  questo  non  e  il  solo  esempio  ove  si  trova  quest'attributo;  anzi 
I  Mantova1  esiste  una  statua  frammentata  del  tutto  analoga,  anch'essa  colla 
melagranata  sul  dorso.  E  nello  stesso  museo  ho  notato  una  replica  in  un  torso 
segnato  col  n.  26,  ove  perö  la  mela  non  e  conservata  (3)  [Dütschke  IV  Nr.  687. 
Arndt,  Einzelaufn.  15].   Dessa  manca  anche  negli  esemplari  seguenti:  (4)  in  pos- 

90  privato  a  Na  pol  i,  descritto  nel  Bull.  d.  Inst.  1864,  256;  (5)  Mon.  ed  An- 
nali 1856  t.  21.  ben  conservato;  (6)  nel  primo  portico  della  Villa  Borghese  a 
destra  sopra  una  colonna;-'  piecolo  torso  del  tipo  in  discorso,  il  capo  e  il  petto 
sono  ben  conservati;  l'espressione  triste,  i  capelli  corti  ma  densi,  l'inclinazione 
del  capo  sull'omero  sinistro  alzato,  tutto  corrisponde  cogli  altri.  L'istesso  vale 
pel  seguente  (7):  Museo  Chiaramonti  n.  536  [Amelung,  Vatican  I  Taf.  70]; 
anche  qui  non  e  conservato  che  il  capo  e  il  petto  che  (in  tempi  mo- 
derni)  e  stato  ridotto  in  forma  di  busto;  perö  si  vede  dagli  avanzi  che  il  braccio 
destro  era  rivolto  sul  dorso  come  sempre;  il  collo  e  moderno,  ma  la  testa,  tutta 
nel  tipo  nostro  e  inchinata  verso  l'omero  sinistro,  vi  appartiene  senza  dubbio.3 
Infine  nomino  (8)  un  piecolo  torso  in  una  camera  della  Galleria  Doria  (ha  il 
n.  340)  al  quäle  perö  manca  la  testa.  —  Sarebbe  falsissimo  il  supporre  che  tutte 
queste  statue  avessero  avuto  una  destinazione  sepolcrale;  giä  nel  primo  articolo 
abbiamo  osservato  che  le  stesse  composizioni  usavansi  alle  fontane  come  ai 
sepolcri.  Ed  infatto  presso  Laborde  (Voyage  en  Espagne  t.  99,  E)  trovo  una 
replica  del  nostro  tipo,  ove  il  giovane  s'appoggia  sopra  una  grande  otre,  dalla 
quäle  probabilmente  useiva  l'acqua.  Ora  e  molto  probabile  ciö  che  il  eh. 
Wieseler  ragionando  sopra  una  delle  nostre  statue  (n.  5)  aveva  supposto,  cioe 
che  dessa  rappresentasse  Narcisso  che  innamorato  fissa  gli  occhi  nell'acqua,  con- 
cetto  adattissimo  per  decorazione  delle  fontane,  ma  non  meno  per  quella  dei 
sepolcri,  come  e  notissimo  da  un  sareofago  vaticano. 

II  nostro  tipo  dunque,  creato  per  Narcisso  e  per  esprimere  il  fatale  suo 
amore,  che  gli  dissolve  la  vita  stessa,  piü  tardi  veniva  adoperato  in  un  senso 
piü  generale;  diveniva  cioe  il  rappresentante   dell'uomo   in   generale,  che  lasso 

tanco  della  vita  inevitabilmente  £  scaduto  alla   morte.     La   positura  esprimc 
chiaramente  quell'abbandonarsi  e  quella  lassezza  cosi  di  Narcisso  come  dell'uomo 

1  Pnbbl  da  Labt»,  Mus.  di  Mant.  I,  23,  il  quäle  senz'  alcuna  ragione  la  chiama  Fauno; 
perö  egli  ha  osservato  la  mela,  che  il  Conze,  ragionando  della  stessa  statua,  erroneamente 
la  (Arch.  Anz.  1867,  104);  posso  affermare  che  essa  e  evidente  sull*  originale. 
[htitschke  IV  Nr.  650  | 

on  mentovato  nella  Beschreibung  Roms. 

de  che  la  descrizione  che  ne  dava  il  eh.   Gerhard,  Beschreibung  Roms  II  2, 
.    Ima. 


INTORNO   A  DUE  TIPI  ü'AMORE.  133 


che  non  puö  resistere  alla  morte  che  lo  tira  a  se  con  forza  magica;  perciö  il 
capo  e  tutto  inchinato  e  levato  ogni  segno  di  resistenza;  il  braccio  attivo,  cioe 
il  destro,  e  messo  in  completa  inattivitä,  essendo  rivolto  sul  dorso.1  II  senso 
piü  generale  del  nostro  tipo  spicca  chiaramente  da  quelle  aggiunte,  specialmente 
dalla  melagranata  di  alcuni  esemplari. 

Benche  simile,  era  perö  diverso  quell'altro  tipo  poco  prima   considerato  da  160 
noi:  mentre  qui  abbiamo  l'uomo  stesso  sotto  l'immagine  di  Narcisso,  quello  ci 
dava  il  rappresentante  della  morte  stessa  sotto  1'  immagine  di  Imeneo  che  con- 
sacra  l'anima  al  triste  destino.   E  per  ritornar  finalmente  all'Eros,  dal  quäle  siamo 
partiti,  anch'egli  nel  tipo  di  Centocelle  tiene  le  stesse  parti  come  Imeneo  letale. 

Nessuna  delle  statue  da  noi  considerate  rappresenta  la  morte  stessa,  ma 
partendo  da  tre  diversi  tipi  mitologici,  da  Narcisso,  da  Imeneo  e  da  Amore,  li 
trasformano,  aggiungendo  soltanto  lievi  modificazioni,  e  danno  loro  un  senso 
piü  generale,  cosicche  pigliano  un  carattere  tanto  indeciso  e  vago  che  e  diffi- 
cilissimo  il  discernerli  fra  loro.  Quanto  al  tempo,  e  probabile  che  Narcisso 
venisse  adoperato  in  quel  senso  giä  nei  tempi  dei  diadochi;  egli  e  modificato 
meno  degli  altri,  e  le  statue  conservate  hanno  il  carattere  dei  tempi  buoni.  Anche 
di  Imeneo  si  puö  supporre  l'istesso  (cf.  Annali  1869,  29);  perö  il  concetto  del 
consecrar  colla  face,  che  poi  vediamo  nel  tipo  d'Amore,  non  crederei  che  sia 
stato  inventato  prima  dei  tempi  dell'impero  romano,  e  forse  soltanto  verso  la 
fine  del  primo  secolo.  Nessuno  dei  monumenti  e  piü  antico  e  quel  concetto 
della  face,  ben  diverso  dallo  spegnerla,  non  si  trova  mai  nell'  arte  anteriore. 

S'intende  da  se,  tanto  che  Prassitele  non  puö  essere  l'autore  del  tipo  di 
Centocelle,  quanto  che  lo  stesso  tipo  e  fondato  sopra  uno  piü  antico,  che  certa- 
mente  apparteneva  ai  piü  bei  tempi.  E  probabilmente  questo  tipo  originario  ci 
e  conservato  in  quel  rilievo  di  stucco  pompeiano,  ove  il  dio  non  ha  che  la 
saetta  nella  destra2  e  l'arco  nella  sinistra;  anche  l'acconciatura  dei  capelli  e  di- 
versa  e  non  quella  proprio  romana  che  ci  offre  giä  il  torso  di  Centocelle,  il 
quäle  oltre  ciö  anche  per  l'espressione  lassa  e  triste  si  dimostra  appartenente 
al  tipo  trasformato.  Ma  di  trattar  dei  tipi  degli  Amori  di  Prassitele  me  lo  riserbo 
per  altra  occasione.  Intanto  ci  basti  di  aver  precisato  il  luogo  che  tiene  il  tipo 
di  Centocelle  fra  le  rappresentanze  simili  e  di  aver  costatato  in  maggior  estensione 
l'usanza  dell'arte  romana  di  trasformar  i  tipi  greci  specialmente  in  senso  sepolcrale. 


1  Si  confrontino  le  osservazioni  dello  Stephani  (Ausruh.  Herakles  p.  178)  intorno  a 
questo  concetto. 

2  Mus.  Borb.  II,  53.  Perö  presso  Brulloff,  Thermes  de  Pompei  t.  4,  manca  la  saetta; 
quäle  delle  due  riproduzioni  sia  piü  esatta  non  posso  deciderlo  nel  presente.  [Furtwängler, 
Meisterwerke  S.  542  Anm.  9.] 


CISTA  PRENESTINA  E  TECA  DI  SPECCHIO  CON 
RAPPRESENTAZIONI  BACCHICHE 

(MON.  DELL"  INST.  VOL.  X  TAV.  45  [=  Taf.  1.2  und  Vignetten];   ANNALI 
DELL'  INSTITUTO   49,    1877  TAV.  D'AGG.  M  [=  Taf.  3]) 

a  cista  che  pubblichiamo  sulla  tav.  45  [=  Taf.  1],  proveniente  dagli  scavi 
Galeassi  a  Palestrina  ed  ora  appartenente  al  sig.  Augusto  Castellani,  e 
stata  mentovata  giä  nel  Bullettino  1864,  21,  quando  i  graffiti  non  erano 
ancora  riconoscibili,  poi  dal  eh.  Schöne  (Annali  1866,  185  n.  66),  il  quäle  annovera 
gli  oggetti  trovativi  dentro  e  ne  descrive  brevemente  l'esterno,  i  piedi  ed  il 
manico.  Alla  quäl  descrizione  aggiungo  soltanto,  che  nei  disegni  che  pubbli- 
chiamo ho  fatto  notare  le  traccie  ancora  visibili  anche  dei  tre  anelli  che  or 
mancano. 

Percorrendo  collo  sguardo  i  graffiti  del  corpo  cilindrico  riconosceremo  subito 

il  gruppo  centrale  in  quel    giovane   danzante   col    pedo    aecompagnato   da  due 

figure  alate  (il  dio  Pane  con  due  Amori,  come  vedremo  tra  poco),  poi  dall'una 

e  dall'altra  parte  del  gruppo  centrale  tin  Sileno,   indi  alle  estremitä  un  Satiro  e 

una  Menade  danzanti.    La  composizione  finisce  con  due  altri  gruppi  formati  da 

olo  due  figure,  le  quali  peraltro  si  corrispondono  esattamente.     Sono  esse  ag- 

gruppate  attorno  ad  un  pilastro  di  ordine  ionico  il  quäle  serve    di  centro  al   di 

dictro   della  cista.     Cosi  corrisponde  la   composizione  benissimo   allo  scopo  di 

orare  un  corpo  rotondo,  ne  potremmo  senza  cambiarla  cssenziahnente  farne 

i  per  un  piano  retto,  nemmeno    per   i    tre  lati    di  un  oggetto  rettangolarc,   e 

»  l'artista  non  e  caduto  nell'errore   di    tanti    altri    che   ornavano   le   eiste,   di 

»gllere  cioe  tutta  la  composizione  in  figure  isolate,  ma  mcttendole  in  rapporto 

tra  loro  k  radunö  attorno  a  due  centri,  il  giovane  danzante  nella  parte  anteriore, 


ClSTA   PRENESTINA   E  TECA  DI  SPECCHIO  135 

il   pilastro  ionico   nella   posteriore.1    Simile  maniera    di   composizione  tripartita 
scorgiamo  pure  in  alcune  altre  eiste  di  miglior  lavoro.2 

Riflettendo  poi  sopra  i  concetti  dei  nostri  graffiti,  essi  appariranno  molto 
piü  istruttivi  di  quel  che  sembra  al  primo  aspetto.  E  chi  si  e  oecupato  a  rin- 
tracciare  lo  sviluppo  del  ciclo  bacchico  nell'arte  antica,  presto  s'accorgerä  del 
pregio  grandissimo  del  nuovo  monumento  considerato  sotto  il  punto  di  vista 
storico,  quando  istituiremo  per  ognuna  figura  un  confronto  colle  rappresentanze 
simili  tanto  nei  monumenti  appartenenti  allo  stesso  sviluppo  dell'arte  italica,  vale  a 
dire  nelle  eiste  e  negli  specchi  etruschi  e  latini,  quanto  nell'arte  greca  e  greco-romana. 

Ma  prima  di  venir  a  questo,  consideriamo  l'altro  nostro  monumento,  non 
meno  interessante,  pubblicato  sulla  tav.  d'agg.  M  [=  Taf.  3].  E  una  teca  di  specchio 
o  piuttosto  uno  specchio  da  ripiegarsi  ben  conservato,  il  quäle  fu  rinvenuto  nel 
1876  a  Corneto  ed  acquistato  dal  R.  Museo  di  Berlino.  II  rilievo  che  ne  decora 
1'  esterno  rappresenta  un  giovane  sedente  come  pare  in  un  boschetto  e  sopra 
una  collina  sassosa;  giacche  presso  di  lui  si  scorge  un  albero,  disegnato,  se- 
condo  l'uso  degli  antichi,  in  una  scala  molto  inferiore  a  quella  delle  figure  umane, 
e,  appresso,  un  rialzo  che  non  puö  essere  altro  che  un  sasso.  II  giovane  per  186 
sedere  piü  comodo  tiene  la  gamba  sinistra  un  po'  piü  alta  sul  terreno  declive 
e  colla  mano  sinistra  stringe  il  ginocchio  come  per  disgravarsi  dal  peso  del  dorso 
e  cosi  riposarsi.  Per  meglio  adagiarsi  si  e  poi  anche  sottoposto  un  panno  che 
gli  cuopre  parte  della  coscia  sinistra,  ed  appoggia  il  braccio  destro  sopra  il 
terreno  reso  soffice  dalla  veste,  mentre  il  pedo  che  gli  sta  al  lato,  pare  siagli 
uscito  dalla  mano  stanca  proprio  tanto  e  tanto.  L'intero  atteggiamento  della 
persona  mostra  dunque  l'intenzione  dell'artista  di  rappresentarla  fuori  di  ogni 
tensione  ed  attivitä;3  solamente  il  capo  e  rivolto  insu  ed  e  tutto  attento,  com'e 
indicato  dalla  fronte  che  si  increspa  sopra  le  ciglia  e  dallo  sguardo  il  quäle  fissa 
da  lungi.  Osservando  perö  quell'Amore,  che  seduto  vicino  alla  sua  spalla  destra 
suona  una  grandissima  siringa  con  tutta  la  sua  energia,  non  e  a  dubitare  che 
appunto  il  suono  di  quella  musica  e  ciö  che  oecupa  la  mente  del  giovane.    Ma 

1  Pare  che  soltanto  per  non  aver  misurato  esattamente  lo  spazio  l'artista  sia  stato 
forzato  a  mettere  troppo  strette  le  figure  alla  destra  del  gruppo  principale. 

2  Cf.  la  cista  Ficoroniana,  ove  il  centro  del  gruppo  principale  e  Minerva  rappresen- 
tata  di  faccia;  chiudono  il  gruppo  la  figura  seduta  sull'urna  da  un  lato  e  dall'altra  parte 
lo  scoglio  che  nasconde  la  nave;  anche  i  due  altri  gruppi  minori  si  distinguono  bene. 
Le  osservazioni  del  eh.  Schöne,  Annali  1866,  201  sg.,  giustissime  peraltro,  rilevano  sol- 
tanto T  indipendenza  relativa  da  un  centro.  —  Si  confrontino  inoltre  Mus.  Borb.  14,  40; 
Mon.  d.  Inst.  VI,  61;  anche  Gerhard,  Etr.  Spiegel  t.  16. 

3  Notissimo  e  il  gesto  di  stringere  un  ginocchio  con  ambedue  le  mani,  spiegato  in 
vari  modi  (cf.  Stephani,  Ausr.  Herakl.  p.  143;  Petersen,  Pheidias  p.  252  sg.;  Brunn,  Bildw. 
des  Parthenon  p.  6  [Kleine  Schriften  II,  257];  Flasch,  Zum  Parthenonfries  p.  11),  ma  raro 
piuttosto  pare  il  nostro,  che  e  tutto  cagionato  dal  sedere  sopra  terreno  declive.  Qualche 
volta  si  trova  nelle  divinitä  di  fiumi,  come  in  quelle  dell'arco  di  Settimio  Severo,  in 
un'altra  sull'  elmo  pompeiano  colla  presa  di  Troia  ed  altrove. 


136  Cbta  Prenesuna  e  teca  di  Specchio 


CMM  mostra  il  suo  viso  egli  non  s'accorge  dell'esecutore  della  musica  stessa  e 

nto  il  suono  che  da  quella  direzione  giunge  fino   alle   sue    orecchie. 

Neppuie  egli  vede  l'altro  Amorino  piü  in  basso   che  gli   si    accosta  stendendo 

il  bracdo  destro  verso  di  lui.     Ora  considerando   che  il  giovane  ha  gli  orecchi 

animaleschi  e  che  sopra  la  fronte  oltre  i  capelli  irsuti  si  alza  pur  anco  un  oggetto 

che  non  puö  essere  se  non  che  im  corno,  il  compagno  del  quäle  sgraziatamente 

t  distrutto,1  non  esiteremo  di  chiamarlo  Pane,  cui  ben   appartengono    anche  il 

pedo  e  la  siringa.   Perö  come  mai  non  suona  la  siringa  egli  stesso  e  cosa  signi- 

ficano  quegli  Amorini?  e  perche  si  sente  egli  tanto  commosso  a  quella  musica? 

Certo  vi  e  nascosto  piü  che  un  semplice  divertimento  musicale  che  gli  Amorini 

187darebbero  al  dio  Pane  da  suoi  buoni  amici.  —  Ognuno  sa  che  Pane  innamorato 

non  e  concetto  raro  nella  letteratura  antica  fino  dai  tempi  alessandrini,  e  benche 

per  lo  piü  venga  descritto  nella  sua  forma  caprina  in  atto  di  perseguitare   con 

proterva  petulanza  Menadi  e  Ninfe,  tuttavia  non  mancano  racconti  di  un  amore 

piü  nobile,   anzi   di  un  amore  quasi   Sentimentale.     Giacche   Pane  e   pressoche 

sempre  infelice  in  questi  suoi  amori,  ed  e   nota   in  Ovidio    la   triste   sua  storia 

colla  Ninfa  Syrinx,  e  si  sa  che  in  modo  simile  la  Ninfa  Pitys  conservava  la  sua 

\  crginitä  contro  l'amore  del  dio  (cf.  Nonno  Dion.  specialmente  42,  259  sg.,  anche 

2,  108  e  118  sg. ;  16,  363,  ove  sempre  vien  paragonata  con  Dafne  ed  Eco;  una 

favola  diversa  sopra  1'  amore  di  Pitys  vedi  nei  Mythogr.  graeci  del  Westermann 

p.  381).   Cosi  in  un  epigramma  di  Glauco  (Anth.  Pal.  IX  341)  anche  Dafnis  sfug- 

gendo  all'amore  di  Pane  lo  illude;2  ed  e  infine  celebratissimo  nella   letteratura 

greca  e  romana  l'amore  suo  verso  Eco,  che  giä  presso  V  autore  piü  antico  che  ce  ne 

tramandi  il  racconto,  dico  presso  Mosco  (Idyll.  6  [Wilamowitz  p.  138]),  viene  respinto 

dalla  Ninfa,  la  quäle  a  lui  preferisce  un  Satiro.   Eccettuata  qualche  notizia  isolata 

quest'amore  veniva  sempre  considerato  come  infelice  (cf.  Wieseler,  Echo  p.  10—12), 

Pane  stesso  ben  si  chiama  in  effetto  dvoigats  (Anth.  Pal.  IX  825;  cf.  ib.  VI  78). 

Vedendo  pertanto  nella  nostra  teca  il  dio  Pane  evidentemente  innamorato,  tosto 

ci  riduciamo  a  pensare  a  quest'  amore  con  Eco.   E  con  questo  proposito  merita 

speciale  menzione  un  passo  di  Longo  past.  III,  23,  il  quäle  dice  che  Eco  ovvero 

le  sue  membra  disperse  sulla  terra  —  versione  del   mito  che    per  ora   non    ha 

importanza  per  noi  —  imitano  il  suono  della  siringa  di  Pane  e  che  questo  sen- 

tendolo  vivamente  se  ne  commuove.   Or  tale  concetto  e  lo  stesso  amore  infelice 

di  Pane  verso  Eco  potevasi  egli  esprimere  meglio  che  non   e   fatto  nel   nostro 

rilievo?  Assai  ingegnosamente  queH'Amorino  che,  non  veduto,   suona  la  fistola 

1  II  sig.  doü.  Treu  ha  avuto  la  compiacenza  di  esaminar  di  nuovo  l'originalc  a  Bcr- 
lino;  dopo  d'avcrlo  pulito,  si  persuase  che  quell'oggetto  non  poteva  esscre  un  riccio, 
bensi  un  corno.  Oltre  cio  si  vide  che  il  rilievo  benche  rappezzato  in  qualche  parte,  non 
lu  'auri,  giacche  non  vi  e  di  moderno  che  la  punta  del  ginocchio  destro. 

1  L*  amore  con  Selene,  che  pare  sia  stato  felicc  (cf.  Dilthey,  Arch.  Ztg.  1873  p.  73) 
apparcntcmcntc  cra  di  origine  piü  antico  e  piü  mitologico  di  quegli  altri  poetfd. 


con  Rappresentazioni  Bacchiche.  137 

dietro  le  spalle  di  Pane,  sostituisce  Eco,  la  quäle  come  risuonante  non  poteva 
essere  rappresentata  nell'arte  figurativa.  Quindi  si  capisce  anche  il  gesto  del 
secondo  Amorino,  che  indubitabilmente  si  prende  giuoco  del  povero  dio  illuso  188 
dal  suo  amore  epperciö  dagli  Amorini.  Parimenti  si  spiega  lo  sguardo  di  Pane, 
la  sua  commozione,  il  suo  attendere  a  quel  suono  senza  accorgersi  dei  piccoli 
suoi  tormentatori. 

L'importanza  del  nostro  monumento  cresce  ancora,  quando  si  riflette,  che 
codesto  fin  ad  oggi  e  il  solo  che  ci  rappresenti  uno  di  quegli  amori  piü  fini 
di  Pane,  il  solo  che  possa  riferirsi  alla  sua  relazione  con  Eco.1  L'originale 
doveva  aver  un  certo  grido,  giacche  la  figura  graziosissima  dell'Amorino  suo- 
nante  la  gran  siringa  si  trova  ripetuta  in  alcune  gemme,  ove  gli  vien  opposto 
un  compagno  colla  lira  (Cades,  Gran  coli.  II  B  223,  224).  Un'  altra  composizione 
nota  anch'  essa  dalle  gemme  (cf.  Impr.  d.  Inst.  II  26  e  presso  Cades,  Grazie  ed 
Ermafr.  n.  8 — 10) 2  offre  ancora  maggiori  analogie.  Sdraiato  commodamente  su 
una  roccia  coperta  di  pelle  e  di  una  veste  giace  un  Ermafrodito  immerso  in 
pensieri  amorosi;  un  Amorino  gli  fa  vento  col  ventaglio,  un  altro  suona  la  lira 
e  il  terzo  e  il  nostro  colla  gran  siringa,  pur  rivolto  a  sinistra,  quantunque  in 
questa  composizione  un'altra  direzione  sarebbe  stata  piü  conveniente;  anche 
l'albero  da  canto  corrisponde  col  nostro  rilievo.  Avvegnache  di  concetto  diverso 
pur  le  due  composizioni  stanno  in  relazione  tra  loro,  ne  dubitiamo  che  la  nostra 
sia  l'anteriore;  perche  l'Amorino  colla  siringa  non  trova  la  piena  sua  spiegazione 
che  nel  rilievo  con  Pane  innamorato  di  Eco,  e  1'  artista  posteriore  in  un  con- 
cetto piü  sensuale  e  molle  ma  meno  ingegnoso  sostituendo  Ermafrodito  a  Pane, 
pur  si  serviva  di  quel  graziosissimo  Amorino.  In  quanto  poi  al  tempo  s'intende 
che  anche  la  composizione  dello  specchio  non  puö  essere  stata  inventata  prima 
del  secolo  terzo  a.  Cr.  Imperocche  anche  senza  guardare  a  ciö  che  abbiamo  giä 
rilevato,  che  cioe  per  noi  il  primo  che  parli  dell'amore  di  Pane  ed  Eco  e  Mosco,  189 
ce  ne  fa  prova  il  modo  nel  quäle  l'artista  si  e  servito  degli  Amori.  Giacche  essi 
qui  non  danno,  non  ispirano  l'amore,  non  rappresentano  proprio  lo  stato  amo- 
roso  della  mente  di  Pane,  non  hanno  insomma  i  contrassegni  dell'arte  ante-ales- 
sandrina,3  ma  V  uno  prende  la  parte  di  Eco  e  l'altro  illude  il  dio  tormentato 
dalla  passione.     Inoltre  le   medesime  figure   degli   Amorini,  vo'    dire  le  forme 


1  E  vero  che  il  eh.  Wieseler  nel  suo  lavoro  Die  Nymphe  Echo  (1854)  voleva  riconos- 
cere  in  tre  monumenti  1'  amore  di  Pane  ed  Eco,  ma  i  due  rilievi  del  Boissard  (Wies. 
p.  29  e  32)  sono  falsi  ne  potrebbero  rappresentare  Eco.  Nemmeno  la  lucerna  (ib.  p.  28) 
puö  riferirsi  al  nostro  concetto.  Anche  le  figure  in  un  rilievo  e  due  pitture  con  Nar- 
cisso  in  cui  il  Wieseler  p.  34  vide  Eco,  non  sono  altro  che  Ninfe  dei  rispettivi  luoghi, 
e  senza  ragioni  fondate  lo  Stephani,  Compte  rendu  1861  p.  61  vuol  riconoscere  Eco  in 
un  vaso  dipinto. 

2  N.  9  del  Cades  e  pubblicato  da  Bracci,  Mem.  II  68  ed  e  moderno  (cf.  Köhler, 
Ges.  Sehr.  III  99;  Brunn,  Künstig.  II  495). 

3  Si  confronti  Furtwängler,  Eros  in  d.  Vasenmal.  p.  68  sg.  81  sg.  [oben  S.  44  ff.  52  ff.]. 


QSTA  PRENESTINA  E  TECA  DI  SPECCHIO 

fandtdlesche  colle  piccole  alette  sono   proprie  soltanto  dell'arte  cosidetta  ales- 

:drina. 
Ina  circostanza  che  accresce  d'assai  il  valore  del  nostro  monumento,  si  e 
che  desso  e  uno  specchio  proveniente  da  tomba  etrusca  (Corneto),  e  si  sa  che 
lo  Strato  dei  sepolcri  rinchiudenti  specchi  non  contiene  che  vasi  dipinti  della 
decadenza,  e  che  e  contemporaneo  incirca  alla  fabbricazione  delle  eiste  graffite. 
Cid  posto  ritorniamo  alla  cista  da  noi  pubblicata  (per  brevitä  la  distingue- 
remo  con  A  e  lo  specchio  con  B).  11  gruppo  principale  ci  presenta  le  medesime 
persone,  vale  a  dire  Pane,  caratterizzato  per  due  brevi  corna  che  gli  spuntano 
sulla  fronte  ben  distinte  daH'andamento  dei  capelli  e  perciö  non  equivoche,  dan- 
zante  col  pedo  in  compagnia  di  due  Amori.  Consideriamo  questi  innanzi  tutto. 
L'no  svolazza  nell'aria  dirigendosi  verso  Pane  colle  braccia  protese  in  un  atteg- 
giamento  che  spessissimo  ricorre  sui  vasi  dipinti  e  l'idea  del  quäle  era  di  apportar 
una  corona  o  tenia,  trascurata  perö  di  sovente,  come  anche  qui.  Una  partico- 
laritä  molto  strana  e  che  il  dio  e  munito  di  ali  di  farfalla,1  le  quali  sono  raris- 
sime  in  Eros.  Giä  il  Zoega  e  lo  Jahn  hanno  addotto  gli  altri  esempi  che  perö 
debbono  classificarsi  in  altro  modo;  giacche  i  rilievi  sepolcrali  romani  formano 
una  classe  speciale-  per  noi  adesso  di  nessun  valore,  ove  le  ali  stanno  in  re- 
1901azione  con  quell'identificazione  proprio  romana  di  Eros  col  Sonno  eterno.  Di- 
verso  e  il  caso  di  quella  pittura  pompeiana  (Denkm.  a.  Kunst.  II  691),  la  quäle  di 
certo  risale  all'arte  alessandrina  e  ci  mostra  di  tre  Amori  che  tormentano  Psiche 
uno  adorno  di  quelle  ali  trasferite  a  lui  dalla  compagna  infelice  senza  significato 
piü  profondo.  Cosi  per  mero  scherzo  si  trova  anche  in  un  rilievo  di  stueco  di 
una  tomba  romana  all'incirca  del  secondo  secolo  d.  Cr.  (Cabott,  Stucchi  ant.  13) 
sedente  sopra  un  montone  marino,  mentre  un  altro  sopra  delfino  ha  le  ali  d'ue- 
cello.  Un  rilievo  di  terracotta  in  fine  frammentato  e  pure  di  un  sepolcro  romano, 
ora  esistente  nel  museo  Gregoriano  (Campana,  Due  sepolcri  t.  8,  M)  mostra 
l'Amore  bacchico  coronato  d'ellera  e  come  sembra  con  cantaro  in  mano.  In 
tutti  questi  casi  come  nella  nostra  cista  non  posso  veder  che  un  Capriccio  ar- 
tistico,  Capriccio  il  quäle  non  poteva  perö  nascere  prima  che  Psiche  fosse  en- 
trata  nell'arte  come  compagna  di  Eros.  Noi  abbiamo  dunque  in  questo  monu- 
mento una  novella  prova,  che  Psiche  amante  di  Eros,  fanciulla  con  ali  di  far- 
falla, era  non  solo  nota,  ma  divulgata  nell'arte  giä  molto  prima  dei  tempi  del 
poeta  Mdeagro,  cioe  giä  nel  terzo  secolo.3     D'altro  canto  gli  e  certo   che  non 

1  Sc  aleuno  volesse  dubitare  dell'autenticitä  del  graffito  in  questo  punto,  posso  affer- 
mare  che  non  puo  nascere  alctin  sospetto  davanti  l'originale. 

*  Sono  questi:  il  rilievo  di  Cilli  (Jahn,  Arch.  Beitr.  t.  3,  2)  e  un  altro    negli  Annali 

J  tav.  d'agg.  F,  ove  si  corrispondono  due  con  una  corona   in    mano;   parimenti   due 

>no  la  tavola  coll'iscrizionc  in  un  cippo  esistente  nella  villa  Borghese,  pubblicato, 

ma  con  ali  d'uccello,   da   Boissard,   Ant.  II  105  (cf.  Zoega,   Bassir.  II  209).  —  11   piecolo 

quadro  Pitt,  d'  Krcol.  VI  p.  169,  annoverato  ancora  dallo  Jahn,  sarä  meglio  escludcrlo. 

1  I>i  cio  eravi  Msogno,  perche  nella  cista  si   potessc  attribuirc  le   ali   di  Psiche    ad 


con  Rappresentazioni  Bacchiche.  139 

possiamo  risalire  piü  insu,  Psiche  con  Eros  non  trovandosi  mai  su  vasi  dipinti 
siccome  motivi  propriamente  estranei  all'arte  prealessandrina,  la  tradizione  della 
quäle  si  conserva  nei  vasi  anche  nel  secolo  terzo.  La  cista  dunque  per  rispetto 
a  quella  figura  sta   anch'essa   sotto   la  influenza  dell'arte  alessandrina. 

Ben  diversa  e  l'altra  figura  alata  di  A  che  sta  in  piedi  colla  patera  nella 
mano  destra.  A  prima  vista  si  potrebbe  dubitare  se  non  s'abbia  a  che  fare  con 
una  figura  femminile,  l'anca-  essendo  si  molle  e  larga;  l'acconciatura  perö  dei 
capelli,  vale  a  dire  quel  ciuffo  sulla  sommitä  del  capo,  non  raro  nelle  eiste  graffite, 
e  adoperato  tanto  per  femmine  quanto  per  giovani  di  carattere  molle  come  Eros.1 
Che  poi  anche  le  altre  forme  un  po'  effeminate  sieno  proprie  di  Eros,  special- 191 
mente  sui  vasi  della  Puglia,  e  cosa  notissima.  E  se  l'artista  dell'arnese  prenestino 
avesse  voluto  rappresentare  una  donna,  sicuramente  avrebbe  espresso  anche  altre 
parti  del  corpo  meno  dubbie.  Chiamerö  dunque  Eros  anche  questa  figura  ne 
trovo  difficoltä  in  ciö  che  un  Amore  piü  piecolo  svolazzi  in  aria  mentre  un  altro 
piü  grande  stiagli  di  sotto,  giacche  una  perfetta  analogia  ce  l'offre  un'  altra  cista 
(Mon.  IX  58.  59)  ove  una  piecola  Vittoria  vola  verso  Minerva,  mentre  un'altra 
piü  grande  le  sta  appresso.  Altre  analogie  si  trovano  su  vasi  dipinti,  anzi  vi 
e  una  legge  (cf.  il  mio  Eros  in  der  Vasenmal.  p.  70  [oben  S.  45])  che  quando 
Eros  vola  nell'aria  vien  rappresentato  piü  piecolo,  quando  al  piano  delle  altre 
figure,  piü  grande.  Relativamente  al  concetto  il  nostro  Eros  e  da  confrontare 
colla  cista  nei  Mon.  VIII  29.  30,  ove  si  vede  presso  Afrodite  un  Eros  similissimo 
al  nostro,  anch'egli  giovane  e  con  una  patera  di  egual  forma  nella  mano  destra, 
tipo  del  tutto  proprio  a  quel  periodo  anteriore  all'influenza  alessandrina  rap- 
presentato dai  vasi  dipinti  (cf.  p.  e.  il  vaso  di  Ruvo  Annali  1851  tav.  d'agg. 
Q  R).  E  quanto  all'azione  sua  devesi  ripetere  quello  che  abbiamo  giä  detto 
disopra  anche  pel  suo  compagno,  che  e  piü  piecolo  senza  essere  perö  un 
fanciullo. 

Ma  che  cosa  significano  qui  gli  Amori?  Essi  non  ispirano  il  furore  bacchico 
come  in  molti  vasi  dipinti,  ma  sembrano  accennare  colla  loro  presenza  e  col 
loro  atteggiarsi  aH'innamoramento  di  Pane,  il  quäle  non  essendo  rappresentato 
in  azione  amorosa  e'  non  possono  alludere  che  alla  generale  sua  propiia  natura. 
Or  e  notissimo  che  Pane  giovane  di  forme  umane,  come   qui,  spesse  volte  sui 


Eros  giä  nel  fine  del  terzo  o  sui  prineipio  del  secondo  sec.  a.  Cr.  —  Si  confronti  per- 
altro  Jahn,  Sachs.  Berichte  1851,  156.  —  La  dissertazione  piü  recente  intorno  a  queste 
quistioni:  Primer,  De  Cupidine  et  Psyche,  Bresl.  1875,  non  e  che  una  compilazione  piena 
di  errori  e  senz'  aleun  valore  scientifico. 

1  Donne  lo  hanno  p.e.  sulle  eiste  seguenti:  Mus.  Borb.  14,  40,  Nereide  del  co- 
perchio;  una  Vittoria  Mon.  VI  40  e  Gerhard,  Akadem.  Abhandl.  t.  57.  58;  una  figura  alata 
presso  Paride  (Eris?)  Mon.  VIII  29,  30;  una  Baccante  Mon.  IX  23;  Diana  Mon.  IX  58; 
figura  alata  seminuda  con  ombrello  sopra  cista  Barberiniana  non  pubblicata.  —  Gio- 
vani: p.  e.  quello  che  sta  accanto  ad  Apollo  Mon.  VIII  29,  30  ed  Eros  stesso  sopra  la 
medesima   cista   e   sopra   due  specchi  (Gerhard,  Etr.  Sp.  t.  331,  1;  73). 


140  Cbta  Prenestina  e  TECA  di  Specchio 


vasi  dolla  Puglia  vien  composto  con  Venere  quäle  divinitä  affine,  ma  non  posso 
tuttavia  addurre  alcun  esempio  dei  vasi  che  ci  mostrino  Pane  stesso  innamorato. 
Onde  la  dsta  la  im  breve  passo  innanzi,  sebbene  resti  sempre  lontana  da  B, 
192  ove  non  e  piü  accennata  soltanto  quasi  simbolicamente  la  natura  generale  del 
dio.  ma  vediamo  l'ingegnosa  scena  del  suo  amore  speciale  per  Eco.  Riassu- 
nendo  diinque  possiamo  dire  che  mentre  in  B  tutta  la  composizione  e  singolar- 
inente  gli  Amorini  stanno  sotto  l'influenza  dell'arte  alessandrina  (per  servirci  di 
questo  termine  poco  esatto  ma  commodo  e  breve),  la  scena  corrispondente  in 
A  non  si  discosta  ancora  molto  dalla  tradizione  dei  vasi  dipinti  e  negli  Amori 
soltanto  le  ali  di  farfalla  accennano  ad  uno  sviluppo  piü  recente,  mentre  del 
resto  corrispondono  interamente  coli'  arte  anteriore.  Ma  A  e  B  essendo  della 
medesima  epoca  dobbiamo  domandarci  le  ragioni  di  cosifatta  differenza  e  non 
possiamo  far  a  meno  di  esaminare  il  carattere  di  Eros  sugli  altri  monumenti 
simili  relativi  al  medesimo  sviluppo  dell'arte  antica,  vale  a  dire  principalmente 
sulle  eiste  e  specchi  etruschi. 

Quando  io  scrissi  sopra  Eros  in  der  Vasenmalerei  [oben  S.  1]  lasciai 
da  parte  gli  specchi  etruschi  non  aecorgendomi  che  essi  possono  servire  benis- 
simo  per  confermare  le  mie  conclusioni.  Infatto  il  contrasto  che  io  vi  stabilivo 
per  l'Eros  dei  vasi  dipinti  e  quello  specialmente  delle  pitture  parietali  della  Cam- 
pania,  riesce  ancora  piü  chiaro,  or  che  vediamo  appunto  il  passaggio  che  fa 
l'arte  da  uno  sviluppo  all'altro  e  la  lotta  stessa  dei  due  elementi  contrari. 

Cominciamo  la  breve  nostra  rivista  dagli  specchi  prenestini,  i  quali,  com'e 
noto,  e  per  la  forma  oblunga  l  e  per  lo  Stile  piü  libero  e  vivo,  avvegnache  pur 
piü  negletto,  si  distinguono  da  quelli  propriamente  etruschi.  II  piü  importante 
e  a  t.  329  presso  Gerhard,  Etr.  Spiegel,  ove  vediamo  una  schiera  di  Amorini 
piecoli  e  grassotti  e  colle  ali  parimente  piecole  perseguitanti  e  stuzzicanti  con 
armi  diverse  un  leone,  concetto  dell  tutto  strano  su  vasi  dipinti,  ma  evidente- 
nente  inventato  in  uno  sviluppo  piü  recente  che  sogliamo  chiamar  alessandrino, 
nel  quäle  perö  era  favorito  assai.-  Tuttavolta  quest'e  il  solo  specchio  che  ci 
193porga  una  composizione  tutta  propria  a  quest'ultimo  sviluppo  d'arte;  giacche  ve 
ne  sono  ancora  due  altri  di  Preneste,  che  ci  mostrano  queH'Amorino  colle  ali 
piecole  e  che  appartengono  allo  sviluppo  piü  recente,  ma  quanto  alla  compo- 
sizione essi  s'aecostano  ancora  ai  vasi  dipinti  del  secolo  terzo:  sono  presso 
iiard  t.  328,  1  ove  si  puö  confrontare  un  vaso  della  Crimea  (Stephani,  Vasen- 
samml.  der  Erm.  n.  2011)  e  t.  423  il  quäle  ricorda  molto  i  vasi  di  Puglia   tanto 

1  La  regola  non  e  pero  scn/.a  eeeezione,  (rovandosi  la  forma  oblunga  audio  in 
ria  c  la  forma  circolare  non  di  rado  anclic  in  I'alcstrina. 

*  Si  confrontino  parccclii  musaici:  Mus.  Borb.  7,  61;  Hüll.  Nap.  n.  s.  IV  2;  Miliin, 
(iall.  mvth.  118,  454;  cd  il  KruPP('  analogO  di  Arcesdas  (cf.  Ilelbig,  Untersuch,  über  die 
camp.  Wandm.  p.  23). 


con  Rappresentazioni  Bacchiche.  141 


per  quella  finestra  donde  una  donna  (velata  per  lo  piü)  guarda  verso  il  basso,1 
quanto  per  Eros  che  porta  una  tenia. 

In  tutti  gli  altri  specchi  prenestini  Eros  non  si  distingue  da  quello  dei  vasi 
dipinti,  specialmente  dell'Italia  meridionale.  Cosi  Gerh.  t.  303  e  anche  331,  l.2 
Uno  dei  piü  belli  e  quello  a  t.  327:  rappresenta  Paride  in  costume  greco  che 
vien  persuaso  da  Eros  giovine  colla  saetta  in  mano  allusiva  alla  sua  potenza. 
E  il  solo  specchio  in  cui  s'incontri  questo  attributo  d'Arr.ore,  raro  assai  anche 
nei  vasi.3  Parimenti  bello  e  uno  specchio  Pasinati  (i  disegni  presso  l'Istituto) 
ove  una  donna  vien  ornata  ed  Eros,  che  assiste  alla  scena,  l'aiuta  porgendole 
qualche  cosa  da  una  cassetta.  AI  margine  vi  e  una  striscia  molto  simile  a  quella 
di  t.  322  (Gerh.),  giacche  in  ambedue  si  scorgono  Amori  volanti  con  tenie  o 
corone  nel  tipo  dei  vasi  dello  stile  bello.  Piü  trascurato  ma  importante  per  le 
iscrizioni  latine  e  un  altro  (t.  371),  ov'Amore  riunito  senz'azione  con  Venere, 
Vittoria  ed  una  terza  donna  poco  chiara  ha  il  nome  suo  latino. 

Rivolgiamoci  adesso  agli  specchi  propriamente  etruschi  di  stile  libero4  e  non  194 
vi  troviamo  nessuna  traccia  dei  piü  recente  Eros  alessandrino,  bensi  alcuni  imi- 
tano  piü  o  meno  direttamente  le  composizioni  dei  vasi  di  stile  buono,  mentre 
altri  mescolano  l'elemento  etrusco  nazionale  molto  piü  di  quelli  di  Palestrina. 
Rispetto  ai  primi  nomino  innanzi  tutto  tav.  377,  ove  Eros  raccomanda  Paride 
ad  Elena  in  modo  tutto  simile  ai  vasi.  Suscita  poi  aH'amore  (t.  85)  o  porta 
Corona  o  tenia  (t.  113  e  specialmente  t.  375,  composizione  dei  tutto  greca  e 
propria  dei  vasi  buoni).  Ma  piü  numerosi  sono  gli  altri  che  subirono  l'influenza 
nazionale,  la  quäle  per  lo  piü  consiste  in  malintesi  e  si  distingue  al  disegno 
molto  trascurato  ed  alla  composizione  inanimata  e  poco  chiara.  Di  questo  genere 
sono  gli  specchi  a  t.  86  e  t.  255  A,  2,  ove  ad  Amore  vien  opposta  in  modo  tutto 
etrusco  una  figura  simile  femminile;  quello  a  t.  330,  1  forse  non  e  genuino; 
curiosa  e  poi  anche  la  spada  nella  mano  di  Eros  a  t.  119  (sopra  il  delfino  dei 
resto  appare  anco  sopra  i  vasi);   ma  moderna  senza  dubbio  e  quella  a  t.  92,  1. 

1  Cf.  p.  e.  Elite  ceram.  IV  66.  Millingen,  Vases  de  coli.  div.  t.  30;  Heydemann,  Vasens. 
in  Neapel  n.  1762;  1892;  SA.  360  e  molti  altri. 

2  Senza  ragione  sufficiente  il  Gerhard  chiama  Psiche  la  donna  ignuda  che  sta  da- 
vanti  a  Eros;  essa  ricorda  invece  quelle  riunioni  di  donne  e  Amore  senz'  alcun'  azione 
sui  vasi  della  Puglia. 

3  Cf.  il  mio  Eros  in  der  Vasenm.  p.  71  [oben  S.  46];  ai  dieci  esempi  quivi  annoverati 
posso  aggiungere  il  vaso  attico  bellissimo  nei  Mon.  gr.  pour  l'encouragem.  1875  t.  II  [Furt- 
wängler-Reichhold  Taf.  96.  97]  colla  battaglia  contro  i  Giganti,  ove  perö  l'idea  di  Eros 
consiste  soltanto  in  ciö  che  egli  e  servitore  della  madre  Venere.  Inoltre  un'anfora  posseduta 
dal  sig.  Augusto  Caslellani:  Eros  dipinto  in  color  bianco  tira  1'  arco,  seduto  solo  sopra 
la  clamide.  La  tecnica  e  quella  tarda  dei  bianco  sovrapposto  alla  vernice  nera  che  copre 
tutto  il  vaso;  la  clamide  e  dipinta  in  rosso,  1'  aspetto  di  Eros  e  gli  ornamenti  sono  quelli 
della  bassa  Italia,  d'onde  si  dice  che  provenga. 

*  Eros  in  stile  arcaico  si  trova  soltanto  una  volta  (Gerh.  t.  117)  e  in  maniera  tutta 
greca  (cf.  Eros  etc.  p.  18  [oben  S.  10]). 


14:2  Cisia  Prenestwa  e  teca  di  Specchio 


Un  malinteso  pol  sembra  nascondersi  nell'altro  t.  63;  ed  altri  ancora  falsamente 
sono  stati  riferiti  ad  Eros  (p.  es.  t.  118,  presso  Friederichs,  Kleine  Kunst  p.  56 
n.  55;  a  t.  335,  3  certo  non  e  a  vedersi  Amore,  come  credeva  il  Gerhard,  ma 
un  Satiretto  che  ruba  il  turcasso  ad  Ercole).  Forse  infine  si  puö  riconoscere 
un  tipo  di  Amore  proprio  etrusco  in  quegli  speccht  rozzi  che  presentano  ima 
Bgura  alata  senza  attributi,  la  mano  destra  sul  dorso  ed  il  capo  coperto  di  un 
berretto  (t.  31,  4.5;  32,  5.  6.  7).1 

Vi  sono  poi  vasi  dipinti  della  decadenza  di  pretto  lavoro  etrusco,  che  ap- 
llA~>partengono  allo  stesso  sviluppo  degli  specchi.  In  essi  e  visibilissima  l'imitazione 
dei  vasi  della  bassa  Italia;  ma  Amore  perö  non  vi  si  trova  che  ben  di  rado. 
Un  vaso  ceretano  (Roma,  pal.  dei  Conservatori)  p.  es.  e  tutto  fatto  sopra  un 
modello  della  Puglia:  Amore  colle  ali  grandi  dipinte  in  bianco  porgente  una 
corona  a  una  donna  seduta  con  Corona  in  mano.  Anche  quelli  pubblicati  dal 
Gerhard  (Trinkschalen  t.  C  10.  1.  5)  s'accostano  ai  vasi  greci;  ciö  che  dall'altro 
canto  non  si  puö  dire  dei  nn.  2  e  4  1.  c.  ove  specialmente  n.  4  rappresentante 
Ercole  solo  con  Eros  immerso  in  pensieri  amorosi  offre  un  motivo  di  sviluppo 
piü  recente.  Tuttavia  di  maggiore  importanza  sono,  senza  dubbio,  quei  noti 
vasi  con  iscrizioni  latine  provenienti  dall'Etruria  meridionale,2  che  mostrano  per 
lo  piü  un  Amorino  isolato,  il  quäle  non  tanto  nell'atteggiamento  quanto  per 
le  forme  esterne,  l'aspetto  fanciullesco  e  le  ali  piccole  tosto  fa  vedere  l'influenza 
di  un  altro  sviluppo  piü  recente.  Anche  per  la  tecnica  questi  vasi  appartengono 
ad  uno  degli  Ultimi  stadi  della  pittura  vascolare,  essendo  dipinti  in  bianco  e 
giallo  sopra  fondo  nero.     Lo  Stile  non  e   quello    proprio  degli   Etruschi,    bensi 

1  Negli  Ultimi  esempt  il  sesso  non  e  piü  chiaro  ma  il  tipo  non  deve  confondersi 
(ciö  che  fa  il  Gerhard)  con  una  rappresentazione  simile  di  una  figura  muliebre,  proba- 
bilmente  una  specie  di  Grazia,  il  cui  tipo  e  il  seguente:  una  donna  ignuda  alata  corre 
a  s.;  muove  la  gamba  sinistra  in  avanti  e  nelle  mani  tiene  l'alabastron  collo  Stile.  Non 
i  privo  d'interesse  l'osservare  come  codesto  tipo  divenendo  sempre  piü  trascurato  com- 
pare  ora  senza  lo  Stile  ora  senza  il  vaso  e  sol  mantiene  la  posizione  primitiva  delle 
mani,  la  quäle  poi  svanisce  anche  essa,  mentre  quel  berretto  tanto  favorito  presso  gli 
Etruschi  vien  aggiunto  anche  qui,  anzi  poi  vi  predomina.  Possiamo  dunque  mettere  i 
diversi  esempi  presso  Gerhard  grado  per  grado  nelT  ordine  seguente:  t.  35,  2.  1.  3.  4; 
34,  2.  4.  3;  33,  1.  3.  4.  5.  6;  245,  1 ;  32,  1-4;  244;  32,  8;  245,  2;  35,  7.  La  stessa  figura 
vien  raddoppiata  t.  42,  1.  2.  5. 

*  Cf.  Jahn,  Die  Ficoron.  Ciste  p.  55  e  nel  mio  Eros  etc.  p.  69  [oben  S.  44).  Adesso 
potiO  aggiungervi  perö  una  patcra  dei  Museo  etrusco  di  Firenze,  Amore  suonantc  la 
doppia  tibia,  senza  iscrizione.  Probabilmcnte  dall'Etruria  proviene  anche  un'  oinochoc 
dei  museo  Gregoriano,  il  cui  ventre  e  soltanto  rigato  vertiealmente,  uso  molto  ovvio  nei 
vasi  deH'ultimo  periodo,  ma  che  mostra  al  collo  dipinto  in  bianco  sopra  fondo  nero 
nclla  solita  tecnica  quel  medesimo  Amorino  col  flauto  e  una  secchia  nelle  mani,  la  cla- 
midc  sul  braccio;  ad.es.  sono  fogliami  d'cllcra  giallastri.  In  tutto  l'aspetto  suo  questo 
avvicina  il  piü  a  quei  della  bassa  Italia  da  mentovarsi  sopra  nel  testo.  —  Un' 
anfora  della  biblioteca  Vaticana  mostrante  la  medesima  tecnica  e  fra  i  rabeschi  quell 
Amorino  toUtO  che  cammina  solo,  e  di  provenienza  ignota. 


con  Rappresentazioni  Bacchiche.  143 


piü  libero  e  franco,  rassomigliando  cosi  a  certi  prodotti  dell'arte  latina.  E  di 
vero  le  iscrizioni  provano  ch'essi  stanno  in  istretta  relazione  coll'elemento  latino 
in  Etruria,  mentre  su  questo  stesso  proposito  dobbiamo  rammentarci  che  anche 
sopra  alcuni  specchi  latini  di  Palestrina  abbiamo  trovato  quell'Amore  che  chia- 
miamo  alessandrino,  quando  gli  altri  tutti  pur  aderivano  all'antica  tradizione.  Ma 
non  soltanto  presso  i  Latini  e  gli  Etruschi  latinizzati,  ma  anche  nell'Italia  meri- 
dionale  troviamo  il  medesimo  stadio  di  sviluppo  e  senza  dubbio  il  fönte  donde 
esso  si  difiondeva  a  quei  primi.  C'e  una  classe  di  vasi  frequente  assai  nella  196 
Campania  e  la  Puglia,  decorata  quasi  sempre  soltanto  con  vari  rabeschi  e  ghir- 
lande  d'uva  specialmente,  dipinte  bianco  e  giallo  sopra  il  fondo  nero  con  ag- 
giunte  di  un  rosso  brunastro,  ma  alcune  volte  vi  si  vedono  anche  figure  umane, 
ed  importantissimo  per  noi  e  un  vaso  d'Oria  in  Calabria  (Napoli  Mus.  Naz. 
n.  1758Heydemann;  Mus.Borb.  3,  46),  giacche  frapposti  a  quegli  ornamenti  mostra 
due  Amorini  di  quel  tipo  piü  recente  non  ancora  cosi  deciso  ma  diverso  assai 
da  quello  solito  nei  vasi  pugliesi;  1'  uno  e  montato  sopra  un  carro  tirato  da 
quattro  leoni  (due  maschi  e  due  femmine;  falsamente  sono  state  chiamate  pan- 
iere) e  guidato  dal  secondo.1  Questa  composizione,  insolita  e  nuova  confron- 
tata  cogli  altri  vasi,  trova  perfette  analogie  nei  noti  monumenti  piü  recenti  e 
giä  in  alcuni  altri  vasi  dell'ultimo  periodo.  Una  tecnica  ancora  piü  tarda2  (poli- 
croma  con  indicazione  delle  ombre)  offriva  un  vaso,  sgraziatamente  non  conos- 
ciuto  che  dal  disegno  presso  Jahn,  Telephos  u.  Troilos  u.  kein  Ende  t.  III,  ma 
che  mostra  Amorini  sopra  varie  quadrighe  (leoni,  cigni)  in  modo  identico,  come 
poi  li  troviamo  nell'arte  greco-romana.  La  provenienza  non  e  certa  e  mentre 
alcuni  lo  dicono  pugliese,  altri  (Bull.  d.  Inst.  1842,  165)  lo  credono  piuttosto  di 
Volci.  E  che  infatto  rappresentazioni  simili  presto  si  diffondevano  all'Etruria,  lo 
mostra  la  patera  d'Orvieto  negli  Annali  1871  tav.  d'agg.  A;  Amorini  sopra  qua- 
drighe in  una  simile  tecnica  di  quest'ultimo  periodo.3 

Ecco  dunque  che  abbiamo  ben  chiaro  dinanzi  gli  occhi  l'interessante  pro- 
cesso  della  transizione  delle  due  correnti  contrarie;  vediamo  che  i  monumenti 
che  seguono  immediatamente  dopo  il  morire  dell'antica  pittura  vascolaria  circa 
nella  seconda  metä  del  terzo  secolo  a.  Cr.4  in  gran  parte  accettano  e  usano  l'Eros  197 


1  I  colori  sono  bianco,  giallo  e  un  rosso  brunastro.  Le  redini  non  sono  dipinte 
ma  graffite,  ciö  che  si  combina  con  una  specialitä  dei  vasi  di  questa  tecnica,  che  essi 
cioe  spesso  distinguono  cosi  alcune  linee  che  circondano  gli  ornamenti. 

2  Un  esame  diligente  di  molti  originali  potrebbe  stabilire  diversi  stadi  in  quest'ul- 
timo periodo  della  pittura  vascolare,  ma  qui  non  possiamo  entrar  in   siffatta   questione. 

3  Dal  quäle  in  poi  Amorini  sopra  quadrighe  in  generale  divenivano  soggetto  molto 
favorito.  Ma  giä  sopra  il  gran  vaso  ruvese  a  Napoli  (Heydemann  n.  3252  p.  568),  che 
appartiene  ai  piü  tardi  della  sua  specie,  appariscono  fra  gli  ornamenti  due  Amorini  sopra 
quadrighe,  giä  simili  a  quelli  sopraccitati  in  tutto  il  loro  atteggiamento. 

4  Mediante  le  iscrizioni  latine  dei  sopraccitati  vasi  il  tempo  loro  vien  fissato  nei 
quinto  secolo  di  Roma;  ma  dietro  i  dati  archeologici  non  trovano   il   posto   giusto    che 


144  ClStA  Prenf.stina  e  tf.ca  di  Specchio 

del  nuovo  s\ilnppo  dell'arte  grande  in  quel  secolo,  presto  dall'Italia  ineridionale 
tramandato  ai  Latini  e  agli  Etruschi  latinizzati. 

Ritornando  adesso  ai  nostri  monumenti  non  ci  farä  piü  specie  che  anch'essi 
stieno  sotto  questa  nuova  influenza  ancora  poco  visibile  in  A,  ma  molto  in  B; 
le  che  proseguiremo  ad  esaminare  le  singole  figure  e  dapprima  la  figura  prin- 
cipale,  cioe  il  dio  Pane. 

Commune  ad  ambedue  i  monumenti  e  il  tipo  di  Pane  umanamente  raf- 
figurato  e  sol  distinto  da  due  piccole  corna.  Questo  tipo  ha  il  suo  posto 
determinato  nello  sviluppo  dell'arte  ed  e  d'uopo  perciö  di  spiegarlo  un  po'  piü 
largamente.  —  Non  v'ha  dubbio  che  il  tipo  di  Pane  caprino  e  barbato  non  sia 
il  piü  antico  cosi  nella  letteratura  come  nell'arte;  l'inno  Omerico  (XIX)  lo  des- 
crive  infatti  in  tal  modo  e  lo  stesso  Erodoto  (II  46)  sembra  non  aver  conosciuto 
altro  Pane  che  questo;  mentre  d'altro  canto  la  statua  eretta  da  Miltiade  nell' 
epigramma  di  Simonide  (Anthol.  Plan.  n.  232)  e  detta  pure  tQirf&novQi1  Riguardo 
poi  ai  monumenti  conservati  conosciamo  il  tipo  di  Pane  quäle  veniva  venerato 
198  in  Atene  in  grazia  d'alcune  medaglie  rappresentanti  l'Acropoli  e  per  certi  rilievi 
votivi  dell'Attica,2  ove  il  dio  ha  sempre  la  forma  caprina  e  suona  la  siringa 
assiso  nella  grotta.  Un  altro  tipo  propriamente  attico  e  quello  ben  noto  che 
serve  di  decorazione  ad  un  pilastro;  Pane  e  qui  avvolto  generalmente  nella  pelle 
di  cerviatto  come  se  un  mantello,  e  ciö  semplicemente  a  cagione  dell'uso  suo 
architettonico.3  Inventato  in  Attica  questo  tipo  veniva  quindi  imitato  dai  Romani 


al  morire  di  questo  secolo  e  forse  la  natura  privata  di  questi  monumentini  ci  permette 
di  riportarli  perfino  al  principio  del  secolo  sesto,  dovendo  essere  un  po'  posteriori  alla 
maggior  parte  degli  specchi  etruschi,  i  quali  dal  canto  loro  non  possono  essere  anteriori 
al  terzo  secolo  a.  Cr.  siccome  dipendenti  dallo  sviluppo  dei  vasi  dello  stile  sciolto  nell' 
Italia  meridionale  e  non  trovandosi  nei  sepolcri  che  con  vasi  della  bassa  epoca. 

1  Fra  gli  altri  monumenti  di  Pane  menlovati  dagli  autori  e  coi  quali  si  potrebbe 
rc  il  tempo,  solo  il  gruppo  di  Prassitele  descritto  in  due  epigrammi,  e  noto  quanto 
al  tipo,  essendo  chiamato  zgayönovg  (Anth.  Plan.  n.  262)  e  sapendosi  che  era  rappresen- 
tato  coll'otre.  Quest'  ultimo  concetto  (l'otre  non  era  mai  attributo  ordinario  di  Pane  e 
sarebbe  molto  strana  nei  tempi  supposti)  e  cosi  tutto  il  gruppo  di  Danae  davanti  le 
Ninfe  e  Pane  pare  accenni  ad  un'epoca  piü  tarda  e  nulla  c'impedisce  di  pensare  a  quell' 
altro  Prassitele  piü  reccnte.  —  Qui  cade  forse  di  rifiutare  una  congettura  del  Wieselcr 
nm.de  Pane  et  Paniscis  etc.  1875  p.  9)  che  cioe  sul  monumento  di  Lisicrate  si 
trovi  Pane  barbato  c  cornuto    colle  gambe    umane.     Ma   la    testa   rispettiva,   oggi   tutta 

ata  (Stuart  e  Revett,  Antiqu.  of  Athens  I  4,  20),  certamente   non  aveva  mai    quelle 

piccole  corna  che  le  vengono  date  nella  pubblicazione  poco  degna  di  fede    in    tali  par- 

ticolaritä.   Siffatto  tipo  non  apparc  che  nell'  arte  greco-romana  ov'e  da  chiamarsi  piuttosto 

ro,  come  vedremo  piü  sotto;  inoltre  Pane  non  essendo  ancora  in  quei   tempi   socio 

■    del  tiaso  bacchico  non  poteva  comparire  senz'alcuna  distinzione  in  mezzo  ai  Sa- 
tiri  comuni. 

qualcht  altro  dallc  isole  attichc  c  uno  da  Megalopoli ;  cf.  Michaelis  negli  Annall 

1  Cf.  Friederichs,  li.iusteine  n.  656.     [Fricdcrichs-Wolters  2169.J 


Con  Rappresentazioni  Bacchiche.  145 

assai  di  frequente:  ancor  oggi  oltre  uno  nel  museo  Capitolino  (trasportatovi 
dalla  villa  d'Este  a  Tivoli)  e  un  altro  nel  cortile  del  palazzo  Corsini  a  Roma  [Matz- 
Duhn  487]  ne  esistono  per  vero  non  meno  di  cinque  nella  villa  Albani  senza  note- 
voli  differenze.1  Tanto  nei  detti  rilievi  quanto  in  queste  statue  il  tipo  caprino  e 
molto  sviluppato  anche  nel  viso,  che  e  del  tutto  indipendente  da  quello  dei  Satiri, 
prendendo  i  suoi  tratti  caratteristici  unicamente  dalla  capra  e  solo  improntandoli 
di  una  certa  quäl  dignitä.  Ad  ogni  modo  perö  tutti  e  quanti  questi  monumenti 
non  rimontano  al  di  lä  del  quarto  sec.  a.  Cr.  e  la  questione  si  e,  se  giä  nel 
quinto  secolo  codesto  tipo,  specialmente  del  viso,  sia  stato  fissato  e  riconosciuto 
dappertutto.  —  Abbiamo  un  erma  rappresentante  Pane  in  un  tipo  arcaizzante, 
eseguito  con  molta  diligenza  ed  esistente  a  Londra  ([Nr.  1745].  Anc.  marbl.  of  the 
Br.  Mus.  II  35;  cf.  Friederichs  Bausteine  n.  62  [Friederichs-Wolters  448]  e  Wieseler, 
Gott.  Nachrichten  1875  p.  440,  i  quali  giustificano  la  spiegazione  di  Pane);  ma 
a  giudicare  dall'impressione  generale  noi  non  crediamo  che  un  tipo  veramente 
aicaico  abbia  servito  di  modello  all'artista,  si  bene  crediamo  che  sia  invenzione 
libera  della  sua  fantasia.  E  questo  e  confermato  da  un'altra  osservazione.  Giä 
altri  hanno  messo  in  raffronto  quei  due  ermi  del  museo  Lateranense  (Garrucci 
t.  26;  nn.  181  e  188  nel  catalogo  di  Benndorf  e  Schöne  [Heibig,  Führer2  663. 
664]),  dei  quali  quello  colla  testa  antica  (n.  181)  e  similissimo  a  quello  di  Londra  199 
nel  capo  calvo,  per  la  Corona  di  fiori  rada,  la  fronte  alta  e  il  naso  incurvato, 
ma  lo  stile  qui  e  libero  e  di  una  straordinaria  energia  caratteristica  e  quasi 
caricata.  L'altro  (n.  188)  colla  testa  moderna  e  creduto  muliebre  dagli  autori 
del  catalogo;  perö  la  parte  virile  essendo  coperta  di  frutta,  di  piccoli  fichi,  non 
c'e  alcuna  ragione  che  impedisca  di  ritenerlo  un  uomo.  Del  resto  basta  con- 
frontare  l'erma  di  Londra  perche  ne  emerga  il  vero.  GH  avanzi  di  ricci  lunghi 
finissimi  ed  arcaizzanti  ricadenti  sulle  spalle,  inesplicabili  in  una  compagna 
muliebre  dello  stesso  stile  del  n.  181  —  eccoli  resi  chiari  dall'  erma  piü  com- 
pleto;  le  maniche  poi  con  i  loro  bottoncini  sono  gli  stessi  colä  e  qui,  e  la 
direzione  delle  braccia,  fin  dove  esse  sono  conservate,  e  perfettamente  identica, 
e  la  cesta  bacchica  essendo  ristaurata  senz'alcun  indizio  antico,  non  esiteremo 
dare  il  flauto  (del  quäle  un  pezzo  attaccato  alla  bocca  nell'  erma  di  Londra 
e  antico)  anche  a  quello  del  Laterano.  Laonde  ci  sembra  certo  che  il  n.  181 
era  1'immagine  della  medesima  persona  rappresentata  nel  188,  ma  espressa 
tuttavia  in  istile  arcaizzante  e  simile  all'  erma  di  Londra.  Cosi  formavano 
(181  e  188)  un  contrasto  che  nei  tempi  recenti  si  sa  essere  stato  ricercato  non 
di  rado  dagli  artisti.2     Sembra  poi  non  meno  certo   trattarsi   qui   di  una   mera 

1  Quelli  dell'  Attica  e  alcuni  altri  esemplari  colla  letteratura  rispettiva  sono  citati 
da  Michaelis,  Annali  1863,  310  e  Kekule,  Bildw.  im  Theseion  p.  21  n.  4?.  [Sybel  268. 
Athen,  Nat.Mus.  251.     Vgl.  Roscher's  Lexikon  III  S.  1417.] 

2  Si  confrontino  1'  erma  bicipite  di  Sileno  nel  tipo  arcaico  e  quello  recente  (Mus. 
Chiaram.  III  91  [Amelung,  Vatican  Taf.  47  Nr.  229])  e  gli  ermi  bicipiti  di  Bacco  barbato 
arcaico  e  Bacco  giovane. 

A.  Furtwängler.   Kleine  Schriften  I.  1" 


14f,  Cista  Prenestina  e  TECA  DI  Specchio 


invenziono  assai  ingegnosa  doli'  artista  del  secondo  o  primo  secolo  a.  Cr.,  il 
quäle  avendo  contaminato  (nel  n.  181)  i  tratti  caratteristici  di  Pane  e  di  Priapo 
ne  derivava  poi  il  tipo  arcaizzante  conservato  nell'  erma  di  Londra.1  Dunque 
pol  tipo  di  Pane  nel  secolo  quinto  noi  non  possiamo  servirci  di  quest'  erma. 
Importantissime  per  la  quistione  sono  in  quella  vece  le  note  monete  di 
Panticapaion,  benche  anche  fra  esse  nessuna  pare  anteriore  del  quarto  sec.  a. 
Cr.  11  tipo  senza  dubbio  piü  antico  ■  lo  mostra  quella  stupenda  testa  di  Pane 
200barbato  senza  corna  e  senz'  alcun  indizio  della  natura  caprina;  per  contrario  ha 
tutti  i  contrassegni  dei  Satiri  propri  dell'arte  piü  antica,  cioe  il  naso  ricurvo,  i 
capelli  ispidi  ed  i  grand'  orecchi  animaleschi;  ma  l'espressione  quasi  feroce  lo 
distingue  da  quelli.3  Ne  puö  nascer  dubbio  che  non  sia  qui  rappresentato  Pane, 
causa  il  nome  della  cittä,  ciö  che  vien  confermato  dal  fatto  che  anche  la  gente 
Yibia  a  Roma  per  accennar  al  suo  cognome  Pansa  improntava  le  proprie  mo- 
nete allo  stesso  tipo.4  Piü  recente  secondo  ogni  probabilitä  e  l'altro  tipo  di 
Panticapaion,''  che  lo  mostra  imberbe  ma  conserva  quel  tipo  di  Satiro  senza 
corna.  E  questo  sviluppo  vien  confermato  da  quello  simile  sulle  monete  di 
Messana  in  Sicilia,  ove  la  serie  piü  antica  ci  offre  quella  testa  di  Satiro  selvaggio 
barbato,  qui  perö  distinto  da  corna  (Periodico  di  numismat.  1871  III  t.  3,  5;  un 
po'  diverso  e  il  n.  4;  cf.  il  testo  di  Salinas  p.  229);  ma  nella  serie  piü  recente 
ora  mancano  le  corna  ed  il  viso  e  tutto  umano,  perö  coi  capelli  corti  irsuti  e 
scomposti;  ora  sono  piü  nobili  i  capelli  se  non  che  sono  aggiunte  due  piccole 


!  Che  il  processo  non  era  inverso,  mi  pare  evidente,  e  non  meno  evidente  sembrami 
il  tipo  di  ambedue  non  essere  solo  quello  di  Pane.  D'analizzare  gli  elementi  diversi 
qui  non  e  il  luogo. 

s  Cf.  Ant.  du  Bosph.  Cim.  t.  85,  1.2.    La  raccolta  piü  completa  presso  Köhne,  Mus. 

Kotchoubey  I  t.  3  seg.  p.  340  seg.  Sono  due  serie,  una  senz'alcun  segno  bacchico,  l'altra 

con  Corona  d'ellera;   la  maggior  parte  di  quest'ultima  mostra  uno  stile  rilassato  e  sciolto. 

.;en  die  Deutung  dieser  Münzen  auf  Pan:  Furtwängler,  Satyr  von  Pergamon  S.  27,  1  ; 

vgl.  Roscher's  Lexikon  III  S.  1430.] 

*  Un  tipo  simile  di  Pane  veniva  ripetuto  nell'arte  piü  recente  qualche  volta,  distinto 

perö  da  due  lunghe  corna.    Cosi  da  quei  grandi  festoni  che  adornano  una  camera  della 

detta  casa  di  Livia  sul  Palatino  pende   la  bellissima  maschera   di  Pane   siffattamente 

rappresentato;  simile  e  anche  il  busto  a   sinistra   nel   noto   rilicvo   di    terracotta  Denkm. 

a.  Kunst  II,  42,  527. 

4  Naturalmcnte  l'esecuzione  e  molto  meno  caratteristica;  la  serie   piü    antica    (circa 
Cr.»  presso  Cohen,  Med.  cons.  t.  41,  9.  10;   quella   piü  recente   (43  a.  Cr.)  ib.  t.  41, 
ove  le  sembianzc  del  Satiro  sono  piü  ciliare,  c  qualche  volta  vi  si  vede  aggiunto 
anche  il  pedo. 

^en/.a  dubbio  i  due  tipi  crano  conteniporaneamcnte  in  uso  non  poco  tempo, 

he  si  trovano  degli  escmplari    apparcntementc  tardi  fra  quei  barbati    (p.  e  Köhne  1. 

■    dall'altro  canto  ci  sono  fra  gli  imberbi  alcuni    di  stile    sevcro    e    senza 

na  d'ellera  (I.  c.  t.  V  20),  mcntre  la  maggior  parte  colla   Corona  e  di  stile    piü    tardo. 

ntemporaneo  non  prova  nicnte  per  l'originc,   che  per  gli   Imberbi   non   puö 

esscrc  anteriore  del  sec.  quarto  a.  Cr.  —  Cf.  inoltrc  Berliner  Blätter  für  Münzk.  II  a  t.  21,  4. 


Con  Rappresentazioni  Bacchiche.  147 

corna  (1.  c.  n.  6—8).  Quest'ultimo  diventö  il  tipo  piü  comune  di  Pane  sulle  mo- 
nete  di  Sicilia  e  della  Magna  Grecia  nel  quarto  secolo  specialmente  (cosi  su 
quelle  di  Siracusa,  Segesta  e  Pandosia,  altri;  cf.  Wieseler,  Gott.  Nachrichten  1875 
p.  469  seg.)1  come  pure  sopra  quelle  d'Arcadia.  Ma  nel  medesimo  tempo  nella201 
Crimea  si  rappressentava  Pane  sotto  la  forma  di  Satiro,  ed  anco  nella  vicina 
Macedonia,  sulle  monete  di  Antigono  Gonata,  egli  e  un  Satiro  giovine  che  si 
distingue  soltanto  alle  corna  (cf.  Usener,  Rhein.  Mus.  1874,  43;  Wieseler,  Comm. 
de  Pane  p.  7). 

Vediamo  dunque  che  cosi  a  Panticapaion  come  in  Sicilia,  allorquando  si 
voleva  la  prima  volta  rappresentare  Pane,  si  scelse  il  tipo  giä  fissato  pei  Sileni 
o  Satiri,  senza  d'immischiarvi  alcuna  cosa  della  capra  che  un'  aggiunta  esteriore 
come  le  corna  qualche  volta  (in  Sicilia).  Se  adesso  ci  ricordiamo  del  tipo  ca- 
prino  completo  nei  monumenti  attici  del  sec.  quarto,  e  molto  verosimile,  che  anche 
qui  il  tipo  satiresco  coli'  aggiunta  esteriore  perö  delle  gambe  e  corna  caprine, 
era  1'  originario.  Infatto  cosi  soltanto  la  storia  del  tipo  in  discorso  corrispon- 
derebbe  con  quella  generale  dell'arte.  Imperocche  sarä  difficile  provare  che  giä 
nel  sec.  quinto  1'  arte  greca  cominciasse  a  frammischiare  nei  tratti  ideali  dei  visi 
forme  caratteristiche  di  animali.  La  coda,  gli  orecchi,  i  piedi  animaleschi  dei 
Sileni  p.  e.  non  sono  che  aggiunte  esteriori,  ma  le  forme  ideali  del  viso  loro  e 
principalmente  il  naso  rincagnato  non  e  preso  da  alcun  animale  ma  piuttosto 
dagli  uomini  codardi  e  vili. 

Dietro  tali  considerazioni  si  scioglie  anche  l'altra  questione  per  noi  piü  im- 
portante,  quando  e  dove  nascesse  il  tipo  umano  e  giovanile  di  Pane.  Le 
monete  della  Sicilia  ci  hanno  mostrato  che  dal  tipo  satiresco  togliendo  la  barba 
e  facendo  piü  nobile  il  viso  n'  usciva  quell'  altro  umano:  le  corna  dategli  da 
talune  vennero  anche  tralasciate  da  altre.2  Dunque  in  quelle  regioni  ove  non  si 
era  formato  il  tipo  caprino  ma  quello  satiresco  s'era  conservato,  doveva  nascere 
la  figura  tutta  umana,  mentre  sarebbe  davvero  stranissimo  se  l'Attica,  che  dal 
viso  satiresco  barbato  aveva  formato  quello  caprino,  avesse  pur  creato  quello 
giovanile,  al  quäle  non  c'e  nessun  transito  dal  Pane  caprino.  Mentre  dunque 
era  fuori  d'Attica,  o  nelle  colonie  in  Sicilia  o  pure  nel  Peloponneso  dove  si202 
creava  il  tipo  umano,  non  parmi  meno  certo  che  anche  nell'Attica  presto  venisse 
do  molti  accettato  il  nuovo  tipo.  II  eh.  Wieseler  ha  il  merito  di  aver  provato 
il  primo,  che  la  solita  distinzione  di  Pane  attico  o  caprino  e  Pane  arcadico  od 
umano  non  e  giusta,  che  la  forma  umana  non  era  1'  originaria  in  nessun  luogo 
e  che  dessa  era  nota  ed  usata  anche  in  Attica  (Gott.  Nachrichten  1875  p.  433  sg.). 
Se    egli    crede   perö    che    quest'ultima   sia    stata   creata    in  Atene  dalla   scuola 

1  In  molti  casi  perö  non  sappiamo  di  certo,  se  le  belle  teste  cornute  (p.  e.  sopra 
aleune  monete  di  Akragas,  di  Agyrion  etc.)  sono  di  Pane  o  di  giovani  divinitä  di  fiumi. 

2  Cf.  Wieseler,  Gott.  Nachrichten  1875  p.  455  sg.,  ove  erano  da  menzionare  anche  le 
monete  d   Messana  da  noi  sopra  rilevate. 

10* 


Cista  Prenesttna  e  teca  DI  Spkcchio 

di  Prassitele,  le  nostre  ricerche  provano  il  contrario.  Ne  quello  e  vero,  che  le 
s tat uo  e  bustJ  di  Pane  umano  rimastici  mostrino  1'  influenza  della  scuola  at- 
tica;  bisogna  distinguervi  varie  classi  e  poi  vedremo  che  una  buona  parte  con 
maggior  ragione  si  ascriverä  ad  influenza  peloponnesiaca.  Isolato  finora  e  un 
onna  della  villa  Borghese '  che  mostra  il  dio  nella  florida  etä  d'un  efebo  vigoroso 
ienz'alcun  altro  distintivo  della  sua  natura  animalesca  che  due  piccolissimc 
corna  spuntanti  dalla  fronte;  il  suo  viso  e  piuttosto  largo  e  nello  sguardo  non 
si  scorgo  nulla  che  accenni  alla  vaga  leggerezza  degli  esseri  bacchici,  ma  corri- 
sponde  invece  benissimo  al  Pane  efebo  e  cacciatore  di  alcune  monete  della 
Magna  Grecia  e  della  Sicilia.  Piü  comune  e  un  altro  tipo  del  dio  in  cui  le 
corna  spuntano  non  dalla  fronte  ma  piü  in  alto,  in  mezzo  ai  capelli,  ed  essendo 
piü  lunghe  esse  non  si  staccano  ma  si  stringono  al  capo,  mentre  gli  orecchi 
sono  pur  sempre  piü  o  meno  animaleschi.  Appartengono  a  questa  classe  tutte 
203  e  quattro  le  statue  finora  conosciute,2  le  quali,  quantunque  di  esecuzione  dell' 
epoca  romana,  per  le  proporzioni  e  le  forme  semplici  fanno  supporre  un  originale 
antelisippiano;  anzi  la  statuetta  di  bronzo  (d),  ciö  che  mi  pare  assai  importante, 
t-  una  ripetizione  di  quel  noto  tipo  del  doriforo  di  Policleto.  La  posizione  di 
tutte  le  membra  e  le  proporzioni  delle  forme  sono  affatto  le  stesse;  colla  mano 
destra  abbassata  perö  egli  tiene  la  siringa  come  attributo  distintivo.  —  Vi  sono 
ancora  diverse  teste  appartenute  a  statue  simili,  specialmente  due  del  museo 
Lateranense:  n.  277  del  catalogo  [Furtwängler,  Meisterwerke  S.  480  Anm.  1. 
Heibig,  Führer-  687J  ove  i  capelli  trattati  con  ispecial  cura  non  ricciuti  e  folti  ma 
aderenti  al  capo  ricordano  di  nuovo  i  tipi  peloponnesiaci;  V  intera  forma  del 
cranio  ed  il  modo  speciale  col  quäle  i  capelli  coprono  la  parte  superiore  degli  orecchi, 
trova  la  sua  perfetta  analogia  in  una  testa  eccellente  del  museo  Chiaramonti,3  la 

1  Mcntovato  anclie  da  Conze,  Götter  u.  Heroengest.  p.  40.   In  Atene,  mi  vien  detto, 

apparvc  poco  fa  nel  commercio  antiquario  una  bellissima  statuetta  di  Pane  umano  in 

bronzo,  scduto  e  con   traccie   probabilmente   di   un   cane   appresso;  i   capelli   si   dicono 

lunghi  ma  irsuti  c  !a   faccia  quasi    ferocc.     Dunque    Pane  cacciatore   come   sopra   certe 

monete.     Di  special  importanza  si  e  che  il  bronzo  proviene   dal   Peloponneso.     Non 

lare  per  ora  notizie  piu  dettagliate.     [Nach    Furtwiingler's   eigener   Untersuchung, 

Athen   Mitt.  1878  S.  294,  1  nicht  Pan,  eher  ein  König  der  Diadochenzeit  mit  Stierhörnern.] 

1  a  e  b  due  statue   a    Londra   coll'iscrizione   dell'artista   M.  Cossutius   Ccrdo  (Anc. 

Marbl.  II  33;  43  [Cat.  of.  sculpture  1666.  1667.  Furtwängler,  Meisterwerke  S.  480  Anm.  1]); 

c  del  tutto  corrispondente  e  la  statua  vaticana  della  Gall.  dei  candel.  n.  246  (incsattamente 

mentovata  nella  Beschr.  Roms  II  2,  272,  19  [Heibig,  Führer»  395]).     La   testa  e  riportata 

ma  vi  apparteneva;  moderno  c  il  braedo  sinistro;  originariamente  serviva  di  decorazione 

ad  una  fontana  e  l'acqua  sortiva  dal  vaso  che  tiene  nella  mano   destra  abbassata    e   ap- 

..iata  ad  un  pilastro.     La  testa  e  un  po'  inclinata  come  in  a  e  b,   il   lavoro    pcraltro 

d  statuetta  dl  bronzo  a  Parigi,  pubbl.  da  Clarac,  Musec  726  G,   1681    B  ma 

mo:  ittamente.    Io  giudico  dietro   un  gesso.    [Vgl.  Furtwängler,  Athen.  Mitt.  1878 

■     rat  12J. 

»  N.  507  del  catalogo  attuale  [Amelung,  Vatican  I  Taf.  69].   Non  t  pubblicata  ne  la 
■'ta   che    presso  il  Hasch,  Verhandl.  der  Philologenvers.  1874  p.  163. 


con  Rappresentazioni  Bacchiche.  149 


quäle  offre  uninteressante  modificazione  del  tipo  del  doriforo.  La  seconda  testa 
del  Laterano  (n.  101  [Heibig,  Führer2  656])  e  una  replica  modificata  della  prima,1 
in  cui  l'artista  sol  cercava  d'introdurre  qualche  elemento  caprino,  facendo  sporgere 
un  poco  la  mascella  superiore  cosi  che  venga  ad  avere  la  stessa  altezza  della 
punta  del  naso  un  tantino  schiacciato  —  tratti  essenziali  codesti  del  tipo  caprino.2 
Di  lavoro  molto  mediocre  e  la  testa  vaticana  (Gerhard,  Ant.  Bildw.  t.  319,  6)  3 
rimarcabile  peraltro  per  gli  orechi  piccoli  ed  interamente  animaleschi.  Mentre  in 
tutte  queste  teste  il  carattere  sentimentale  certamente  non  e  il  predominante,  e 
molto  diversa  la  testa  della  Glittoteca  di  Monaco  (Brunn,  Beschr.  der  Glypt.  n. 
102  [Furtwängler  261  j).  Le  corna  qui  non  sono  piü  aggiunte  esternamente,  ma 
crescono  proprio  dall'  organismo  della  fronte;  il  capo  poi  rivolto  all'  insu  e  la 
conformazione  degli  occhi  gli  danno  quel  carattere  vago  e  bramoso  ben  rilevato 
dal  Brunn  e  nel  quäle  al  contrario  delle  teste  antecedenti  si  puö  ravvisare  l'in-  204 
fluenza  della  scuola  attica.  Probabilmente  qui  appartiene  anche  una  testina 
d'Atene  descritta  da  Heydemann,  Marmorb.  zu  Athen  n.  781  (non  cosi  n.  735 
[Athen  467]  e  neanche  le  altre  annoverate  dal  Wieseler,  Comm.  de  Pane  p.  15, 
perche  appartengono  al  tipo  dei  Satiri). 

Forse  anche  1'  arte  statuaria  ha  rappresentato  Pane  umano  senza  corna, 
come  l'abbiamo  notato  giä  sopra  alcune  monete.  Non  parlo  del  cosidetto  Nar- 
cisso  di  Pompei  spiegato  per  Pane  dal  eh.  Benndorf  (Annali  1866,  107),  giacche 
questo  troppo  si  scosta  dai  certi  tipi  di  Pane  noti  finora;  ma  una  testa  del 
museo  Chiaramonti 4  presenta  la  massima  analogia  con  quella  di  Monaco  nella 
general  espressione;  ma  in  eiaseuno  dei  due  punti  dove  spuntano  generalmente 
le  corna,  si  scorge,  separata  dalla  benda  che  gli  cinge  il  capo  e  tutta  isolata, 
una  foglia  d'ellera  che  col  suo  gambo  pare  uscir  fuori  dai  capelli,  probabilmente 
per  rimpiazzar  le  corna  in  simile  modo  come  nella  celebre  cosidetta  Arianna  del 
Campidoglio.  Gli  orecchi  poi  sono  umani  ed  i  capelli  un  po'  piü  lunghi  e  folti 
che  non  nella  testa  di  Monaco,  la  quäle  e  di  gran  lunga  superiore  a  questa  nell' 
eseeuzione  del  lavoro. 

Pane  umano  senza  corna,  sprovisto  dunque  di  tutti  i  segni  della  sua  natura 
caprina,  oltre  che  in  questa  testa  e  nelle  monete  sopra  accennate,  non  c'e  dato 
ravvisarlo  che  in  aleuni  vasi  dipinti   della  bassa  Italia;  giache  quelli  d'Atene,   di 


1  Colla  quäle  corrisponde  anche  nelle  misure.  —  Senza  ragioni  bastanti  e  stata 
chiamata  femminile. 

2  Dico  ciö  che  il  catalogo  significa  come  viso  arcigno.  —  Sgraziatamente  nel  n.  277 
queste  parti  caratteristiche,  cioe  non  soltanto  il  naso  (menzionato  dal  catalogo)  ma  anche 
tutto  il  labbro  superiore,  sono  moderne;  si  vede  perö  che  non  aveva  quell'  espressione 
caprina  probabilmente  introdoüa  piü  tardi;  anche  i  capelli  del  n.  101  si  scostano  dalla 
maniera  piü  originale  del  n.  277. 

3  [Amelung,  Vatican  II  Tat.  72  Nr.  320.] 

4  Beschr.  Roms  II  2,  65,  408  —  n.  410  del  catalogo  attuale  [Amelung,  Vatikan  I  Taf.  61]. 
La  testa  non  e  ne  femminile  ne  piegata  in  giü,  anzi  un  poco  in  alto. 


ClSTA  PRENESTINA  l    rECA  Dl  Specchbo 


Cirene  e   della  Crimea   mentovati   dal   eh.    Wieseler,  il   quäle  recentemente  ha 
trattata  tale  quistione  con  larga  dottrina  (Gott.  Nachrichten  1875,  441,  sg.),  non 

esempi  sicuri;1   ma   esempi   incontestabili   sono   alcuni  vasi  della  Puglia,- 
iei  quali  in  generale  Pane  innano  e  figura  comunissima,  ciö  che  corrisponde  bene 
coi  risultati  ottenuti  di  sopra. 

S'intende  che  prima  dello  stile  libero  dei  vasi  del  secolo  quarto  a.  Cr.  non 
compare  mai  Pane  umano,  ma  neppure  quello  caprino;  anzi  quest'  ultimo  su 
vasi  e  la  forma  piü  recente,  forma  che  prevale  sempre  piü  col  decadere  della 
pittura  vasculare  e  sta  in  istretto  rapporto  col  significato  bacchico  di  Pane;  giacche 
egli  in  generale  nei  vasi  comincia  soltanto  di  entrar  nel  ciclo  bacchico.3  In  forma 
umana  egli  non  viene  quasi  adoperato  che  come  un  di  piü  nelle  rappresentanze 
mitiche  oppure  in  quelle  cotidiane  per  accennare  alla  natura  del  luogo  rustico  e 
montagnoso  od  alla  sua  relazione  con  Venere;  e  questa  pare  sia  la  ragione  della 
sua  totale  assenza  dai  vasi  di  stile  piü  severo,  pei  quali  non  si  adoperavano  ancor 
tali  ae^iunte.  Anche  su  quel  bellissimo  vaso  siciliano  di  S.  Martino  Pane  non 
ha  aleuna  relazione  con  Bacco  ma  e  semplicemente  il  dio  delle  montagne  (Denkm. 
a.  K.  II  425). *  E  di  fatti  io  non  posso  addurre  che  pochissimi  vasi  con  Pane 
umano  bacchico;  in  due  egli  parteeipa  della  compagnia  di  Bacco  stesso  (Napoli 
1769  B,  e  Mus.  brit.  n.  1549  [F  114]  =  Hancarville  I  104)  ed  in  un  altro  che  io  vidi 
presso  il  sig.  Simmaco  Doria  a.  S.  Maria  di  Capua  egli  e  frapposto  in  mezzo 
al  tiaso,  giacche  seduto  a  destra  con  nebride,  clava  e  siringa  egli  guarda  dan- 
zanti  dinanzi  se  due  Menadi,  un  Satiro  barbato  ed  uno  imberbe  che  e  caduto 
a  terra.5    Tuttavia  aleuna  volta  accade  che  a  Pane  umano  si  aggiunge  la  coda, 


1  Non  oserei  chiamar  Pane  il  giovane  del  vaso  attico  presso  Stackeiberg,  Gräber 
t.  28,  5;  egli  e  rappresentante  della  ripa  come  anche  la  figura  rispettiva  nel  vaso  di 
Crimea  CR.  1-66  t.  3  e  segnatamente  quclla  sul  vaso  di  Cirene  (Berichte  d.  säclis.  Ges.  1871 
t.  Ii.  Quest'ultima  composizionc,  giusta  la  mia  opinione,  e  stata  malintesa  nel  vaso  di 
provenienza  italica  nel  CR.  1866  t.  5,  4,  ove  quclla  figura  viene  raddoppiata  e  la  figura 
di  Giove  come  pur  1'  indieazione  del  mare  e  tralasciata.  Qui  certamente  non  e  rappresen- 
tato  Pane  (voluto  dal  Wicseler  1.  c.  p.  452);  perche  due  Pani  umani  senz'  aleuna  diffe- 
renza  son  tutt'  altro  che  probabili. 

*  Cf.  Wicseler  I.  c.  p.  444.  Credo  sicuri  specialmentc  questi:  Jatta,  Catalogo  n.  424; 
Mon.  d.  Inst.  IV  14;  Gerhard,  Apul.  Vas.  t.  11;  a  t.  8  sono  due  Pani  umani,  uno  dei  quali 
privo  di  corna,  senz'alcuna  ragione;  Heydemann,  Vascns.  in  Neapel,  n.  690  A  e  B  (quest' 
ultimo  pubblicato  recentemente  da  Overbeck,  Atlas  z.  Kunstm.  t.  13,  15;  che  la  testa  su- 
periore  di  Pane  qui  sia  moderna,  come  dice  il  Heydemann,  io  non  ho  potuto  trovarlo; 
almeno  la  parte  ove  dovrcbbero  spuntare  lc  corna  e  antica).  —  A  CR.  1862,  t.  4  infinc 
non  e  che  un  Satiro. 

:  BisoglU  ricordarsi  che  anche  sulle  monetc  di  Pane  umano  niente  accenni  al caratterc bac- 
chico sc  non  la  Corona  d'ellcra  che  nelle  piü  recenti  monete  di  Panticapco  divienepiü  spessa. 

*  [Furtwlngler-Reichhold  Tat  59]. 

1  II  vaso  i  di  stile  rclativamcntc  buono  e  non  i  policrotno  come  tanti  vasi  eapuani. 

Si  pno  aggiungere  cosi  qui  come  alla  serie  leguente  un   vaso   napoletano  ove  Pane 

umano  .•  riunito  con  un  Satiro  cornuto  auch'  egli;    giacche  le  corna    espresse    nel    Mus. 


con  Rappresentazioni  Bacchiche.  151 

e  cosi  simile  ad  un  Satiro  viene  introdotto  nel  ciclo  bacchico,  come  in  un  vaso  206 

della  Crimea  (Ant.  du  Bosph.  t.  63,  1 — 3  =  Stephani,  Vasensamml.  1788)  ed  in  un 

altro  di  Cirene  (Mus.  brit.  C3[E228])  ove  Pane  umano  colla  coda  suona  la  solita  si- 

ringa  presso  Bacco  ed  i  suoi  seguaci.1    Vediamo  farsi  un  passo  avanti,  quando 

si  aggiungono  i  piedi  caprini  e  del  pelo  alla  parte  superiore  della  coscia,  come 

nel  bellissimo  vaso  della  Crimea  (Compte  rendu  1861  t.  II)  ove  un   cotal  Pane 

e  frammisto  ai  Satiri  barbati,  distinguendosi  perö  anche  al  viso  piü  nobile.2  Ma 

ecco  giä  l'influenza  del  Pane  tutto  caprino.    Questo  dunque  si  trova  spesso  tra 

il  tiaso  bacchico  nei  vasi  dello  Stile  sciolto  di  Cirene  e  della  Crimea  che  si  pos- 

sono  dire  attici;3  ma  resta  sempre  piuttosto  raro  su  quelli  dell'Italia,  i  quali,  se 

adoperano  Pane  caprino,  amano   piü   la  forma  giovanile  senza  barba.4    Talora 

nella  stessa  scena  si  trovano  riuniti  i  due  tipi,  l'umano  piü  nobile  e  l'altro   ca-  207 

Borb.  VIII  27  ma  non  mentovate  dal  Heydemann  nel  suo  catalogo  n.  1979  A  esistono 
infatti  sull'originale,  che  in  conseguenza  e  uno  dei  primi  esempt  di  quella  mescolanza 
di  Satiro  e  Pane. 

1  Anche  un  vaso  della  Puglia  a  Napoli  (Heydemann  n.  2020)  e  uno  presso  Tisch- 
bein (t.  14  del  V  vol.  esistente  nella  biblioteca  dell'Instituto  [vielmehr  eine  Wiederholung 
von  Bd.  II  Taf.  33  =  Reinach,  Rep.  II  300,  3])  mostrano  Pane  con  tirso,  coda  e  corna 
fra  altre  persone  bacchiche.  Ma  le  corna  rassomigliando  molto  a  certi  ornamenti  del 
capo  sui  vasi,  perciö  sono  ambigue  non  di  rado;  cosi  p.  e.  Ernst  Schulze,  Vasensamm- 
lung Leesen  t.  II  io  crederei  che  non  ci  sia  altro  che  un  Satiro  semplice.  [Katalog  einer 
Sammlung  Vasen  aus  dem  Nachlasse  des  Frhrn.  von  Leesen,  Köln  1907,  Nr.  43.  Jetzt 
in  Ny  Carlsberg.     Zwei  weiß  aufgemalte  Hörnchen  sind  sicher.] 

2  Sopra  questo  tipo  di  Pane  coi  soli  piedi  di  capra  cf.  Wieseler,  Gott.  Nachr.  1875, 
439.  Forse  codesto  Pane  —  barbato  s'intende  —  e  piü  antico  di  quello  colle  gambe 
tutte  di  capra.  Si  puö  ricordare  il  bellissimo  vaso  della  Magna  Grecia  Mon.  d.  Inst.  IV 
34  [Gotha]  nello  stile  del  sec.  quarto,  che  finora  e  senza  analogia,  mostrando  tre  Pani  di  quel 
tipo  saltanti  intorno  a  Mercurio;  essi  si  accostano  bensi  al  tipo  generale  dei  Satiri  o 
Sileni  barbati,  ma  nelle  fattezze  chiaramente  manifestano  un  carattere  caprino  bene  es- 
presso  (Pani  in  pluralitä  sono  giä  conosciuti  dagli  autori  del  sec.  quinto,  cf.  Wieseler, 
Comm.  de  Pane  p,  7).  Mi  contento  accennare  a  quest'  interessantissima  questione.  —  Ai 
noti  rilievi  con  questo  tipo  (annoverati  dal  Wieseler,  Nachr.  1873,  528)  posso  aggiungere 
il  frammento  di  una  piccola  ara  rotonda  nel  giardino  pubblico  a  Tivoli,  ov'  e  conservata 
la  gamba  destra  di  quel  Pane  e  una  parte  di  una  Ninfa. 

3  Sono  tutte  rappresentazioni  bacchiche  e  si  capisce  perche,  quando  Pane  caprino 
attico  veniva  introdotto  nei  vasi  della  Magna  Grecia,  con  lui  cominciasse  anche  il  suo 
significato  bacchico.  Pei  vasi  di  Crimea  cf.  Stephani,  Vasens.  n.  1983  a  e  2161  (due 
Pani  che  si  allontanano  da  una  Baccante  dormente);  quelli  di  Cirene  cf.  Brit.  Mus.  C  2 
[E  241]  e  il  giä  citato  C  3  [E  228],  ove  oltre  il  Pane  piü  umano  si  vede  quello  intera- 
mente    caprino;  ib.  C  20.  [E  435.] 

4  I  pochi  esempi  della  forma  barbata  v.  presso  Wieseler,  Nachr.  1875,  467.  Agli 
imberbi  annoverati  nello  stesso  luogo  si  possono  aggiungere  parecchi,  frai  quali  rilevo 
soltanto,  come  isolato  finora,  il  vaso  di  Zurigo  n.  307  che  secondo  la  descrizione  mostre- 
rebbe  Pane  imberbe  colle  gambe  caprine  ma  senza  corna.  —  Le  rappresentanze  del  resto 
anche  qui  sono  bacchiche  la  maggior  parte  e  sul  vaso  di  Napoli  n.  934  egli  e  quasi  del 
tutto  Satiro,  perche  il  suo  viso  non  e  caprino  ma  identico  con  quello  dei  Satiri  imberbi 
sul  medesimo  quadro. 


ClSTA   PRENESTINA   E   TECA   DI   SPECCHIO 


prino '  e  questo  dimostra  che  essi  nel  tempo  in  cui  s'incontravano  l'uno  e  l'altro 
venivano  consideniti  come  rappresentanti  due  persone  simili  sebbene  diverse;  ma 

uno  qui  in  un  periodo  di  transizione. 

Riguardando  ora  all'arte  piü  recente,  alle  pitture  parietali  e  ai  tanti  rilievi 
deü'epoca  romana,  non  troveremo  piü  altro  fuorche  Pane  caprino  e  bacchico, 
quello  umano  essendo  scomparso  quasi  per  intero.  E  vero  che  alcune  monete 
spedalmente  del  Peloponneso  ritengono  1'  antico  loro  tipo  anche  ai  tempi  degli 
imperatori  (cf.  Wieseler,  Nachr.  1875,  973)  e  l'esecuzione  delle  statue  e  busti 
sopramentovati  non  pare  molto  anteriore,  ciö  che  vuol  dire  che  di  quando  in 
.  quando  continuava  a  riprodursi  ancora  il  tipo  umano  come  si  riproducevano  tanti 
tipi  antichi;  ma  nelle  anzidette  classi  di  monumenti  dell'  epoca  romana  non  si 
riscontra  piü.  Fra  le  pitture  pompeiane  finora  si  conosce  un  solo  esempio  (Mon. 
dell'Inst.  X  36,  1),  ma  e  una  statua  dipinta,  dunque  non  persona  dell'azione 
stessa.  Notevolissima  poi  e  una  delle  pitture  esquiline  dell'  Odissea  (Wörmann 
t.  II  [Nogara,  Le  nozze  Aldobrandine  Taf.  15.  16.])  in  cui  il  pastore  che  insieme 
con  una  donna  rappresenta  secondo  l'iscrizione  le  No/xal,  malgrado  il  suo  vestiario 
umano  ha  due  lunghe  corna  ben  distinte.  Dunque  invece  di  rappresentare 
lo  stesso  Pane  umano  come  divinitä  dei  pastori  e  dei  prati,  l'artista  dei  tempi 
alessandrini,  ai  quali  rimonta  l'originale,  prescelse  di  formar  una  nuova  figura 
allegorica,  confondendo  Pane  umano  con  un  pastore  reale.  Le  corna  dunque 
si  aggiungevano  per  idealizzare  il  carattere  pastorale:  ecco  il  filo  che  ci  con- 
duce  ad  un'altra  questione  interessantissima  spettante  a  una  trasformazione 
nello  sviluppo  artistico  dei  Satiri  i  quali  mano  a  mano  rimpiazzavano  Pane 
umano  confondendo  le  qualitä  di  quest'ultimo  con  quelle  loro  proprie. 
Ognuno  conosce  la  grandissima  differenza  che  esiste  tra  i  Satiri  sui  monu- 
208menti  dell'  epoca  romana,-  i  quali  portano  come  attributo  fisso  tanto  il  pedo 
quanto  la  siringa,  distintivi  propri  originariamente  soltanto  di  Pane  e  della 
sua  vita  pastorale,  ed  hanno,  sia  nelle  forme  del  corpo  nerboruto  ma  senza  no- 
biltä,  sia  nel  viso  improntato  di  certa  serena  rustichezza,  tutti  i  caratteri  della  vita 
campestre  —  e  il  tipo  antico  dei  Satiri,  quäle  si  conservö  quasi  per  tutta  la 
pittura  vasculare,  rappresentati  colla  lunga  coda  da  cavallo,  con  un'espressione 
piuttosto   di    impudente    codardia   che  di   rustica   semplicitä,    appunto   il   yivog 

iidarwv  ZarvQwv  xal  äfit]%avo£Qy(OV   di    Esiodo;   o   l'altro  tipo  piü    recente 
deH'arte  Prassitelia,  il  quäle  poco  influenzö  la  pittura  vasculare  e  che  per  le  code 

1  II  caprino  barbato  accanto  all'umano  trovasi  sul  giä  citato  vaso  della  Cirenaica 
Brit.  Mus.  C  3  [E  228J;  1'  imbcrbe  caprino  coli'  altro  sui  due  vasi  di  Napoli  n.  690 
B  e  3218  B. 

:  Quanto  ai  rilievi  romani    dobbiamo    forsc    riconoscere    Pane    umano    nclla   figura 

stante  con  siringa  e  pedo  alla  crcsta  di  un  elmo  pompeiano  (Napoli  Mus.  Naz.  catalogO 

delle  armi  gladiatorie  n.  275):  la  parte  superiore  della  testa  non  essendo  intatta  non  sap* 

piamo  sc  ave.sse  anche  le  corna.  Tutti  i  rilievi  deH'elmo  peraltro,  spedalmente  le  Muse, 

ntono  un  originale  piü  antico. 


con  Rappresentazioni  Bacchiche.  153 


piccole  caprine  s'accosta  maggiormente  a  quello  dell'  epoca  alessandrina,  pur  da 
questo  tanto  diverso  per  l'abbandono  del  dolce  far  niente  espressovi  in  modo 
meraviglioso:  sono  i  servitori  prescelti  del  dio  Bacco  e  non  hanno  da  far  nulla 
colla  vita  pastorizia  di  quelli.1 

Ma  la  differenza  veniva  espressa  anche  per  aggiunte  esteriori;  ai  Satiri 
rustici  cosi  si  davano  quei  bargigli  al  collo  tolti  palesamente  dal  capro,  e  nello 
stesso  modo  si  aggiungevano  pure  le  corna  caprine,  in  origine  proprie  del  dio 
Pane,  ma  poi,  come  vedemmo  di  sopra  nella  personificazione  dei  prati,  usate  in 
modo  piü  libero.  —  So  che  il  eh.  Wieseler  nella  dottissima  sua  Comment.  de 
Pane  et  Paniscis  etc.  Gott.  1875  voleva  provare  che  tutti  i  cosidetti  Satiri  cornuti 
sono  per  vero  Pani  o  Panischi.  Ma  le  corna  qui  non  costituiscono  differenza 
essenziale,  non  essendo  che  un  anello  di  quella  catena  che  produce  il  tipo  rustico 
dei  Satiri.  Ma  il  W.  pare  neghi  esistere  differenza  fra  il  tipo  di  Pane  umano  e209 
quello  dei  Satiri  giovani,  frammischiando  egli  sempre  le  teste  diversissime  dell'uno 
e  dell'altro  tipo  (1.  c.  p.  15  sg.).2  Certo  i  Satiri  s'  aecostavano  assai  un  tempo 
al  Pane  umano  e,  come  osservammo  di  sopra,  da  esso  toglievano  ancor  molte 
qualitä  nuove  e  fra  queste  anche  le  corna.  Ma  restavano  tuttavia  sempre  Satiri 
e  il  loro  tipo  e  derivato  da  quello  antico  dei  Satiri  e  non  di  Pane.  Conseguenza 
di  tale  somiglianza  era,  che  Pane  umano  dovea  svanire  presto  per  esser  rim- 
piazzato  dai  Satiri,  e  che  specialmente  nei  tempi  romani   spesse  volte   doveasi 


1  Senza  entrar  nei  dettagli  osservo  soltanto  che  non  ci  manca  un  tipo  mediatore 
fra  questi  due;  e  quello  del  Satiretto  col  flauto  (Clarac  703,  1673  etc.),  il  quäle  nei 
complesso  non  e  che  una  modifieazione  di  quello  cosidetto  Prassitelio,  ma  tanto  neue 
forme  del  corpo,  nei  ventre  e  nelle  gambe,  quanto  nell'espressione  del  viso  si  manifesta 
per  un  essere  piü  rustico,  e  il  bue  aggiunto  qualche  volta  (Clarac  710  B,  1670  B)  lo  di- 
mostra  propriamente  un  pastore. 

2  Le  teste  di  Satiri  cornuti  sono  molto  piü  numerosi  che  non  si  crederebbe  dall'elenco 
del  Wieseler.  Eccone  aleune  altre  degne  di  essere  mentovate:  nei  Vaticano,  Gall.  dei 
candel.  n.  201  il  frammento  di  quel  Satiro  che  si  fa  estrarre  dal  piede  una  spina  da  Pane 
caprino;  per  malinteso  il  frammento  e  stato  mal  ristaurato  con  gambe  caprine;  le  due 
piccole  corna  non  si  ripetono  nella  replica  piü  completa  dello  stesso  museo  (Visconti 
P.-Cl.  I  48  [Heibig,  Führer2  353]  e  non  erano  dunque  essenziali.  —  La  bella  erma  della  Gall. 
dei  candel.  n.  260  con  piccole  corna  evidentemente  caprine,  simile  alle  note  piccole  erme 
pompeiane  di  bronzo,  esistenti  a  Napoli.  Poi  Beschreib.  Roms  II  2,  193,  96  spuntano  le 
corna  ed  insieme  i  bargigli  del  collo;  similmente  ib.  III  1,  165;  una  testa  presso  il  sig. 
Depoletti  a  Roma  di  tipo  analogo  alla  pittura  parietaria  nei  Denkm.  a.  K.  II,  523;  nei  pal. 
Spada  a  Roma  il  busto  in  rilievo  sopra  un  pilastro  interessante  simile  a  quelli  descritti  dal- 
l'Heydemann,  Marmorb.  in  Athen  n.  321;  la  statua  di  un  Satiro  con  piecola  barbaccia  che 
serviva  d'atlante,  nei  cortile  del  Museo  nazionale  a  Napoli  e  molti  altri  busti  e  statue. 
—  Femminile  perö  di  certo  e  la  bella  testa  della  Gall.  dei  candel.  n.  136  colle  piccole 
corna  spuntanti  dalla  fronte  fanciullesca.  —  Erroneamente  infine  il  Wieseler  p.  16  cita  il 
rilievo  presso  Gerhard,  Ant.  Bildw.  113,  1,  perche  il  creduto  Pane  ha  la  testa  moderna  e 
non  e  che  un  Satiro;  similmente  il  Satiro  del  rilievo  dei  Denkm.  a.  Kunst  II,  421  presso 
Bröndsted,  Voyages  en  Grece  evidentemente  non  e  cornuto. 


QSTA  PRENESTINA  E  TECA  DI  SPECCHIO 


confondere  Pane  e  Satire.  Holla  prova  di  questo  fatto  conosciuto  e  una  moneta 
lü  Caesarea  Paneas  coniata  sotto  gli  Antonini,  che  mostra  invece  di  Pane  il  noto 
Upo  del  Satiretto  col  flaute  senza  corna,  E  per  l'opposto  i  medesimi  Pani 
caprinl  ddle  volte  si  chiamavano  Satiri;  cosi  giä  presso  Lucrezio  (4,  584)  e  poi 
presse  Orazio  (carm.2,  19,  4)  e  in  un  epigramma  greco  (Anth.  Plan.  15)  si  parla 
di  Satiri  con  gambe  caprine.  Gli  e  perciö  che  non  voglio  dar  gran  peso  al 
passo  di  Calpurnio  (ecl.  2,  13)  ove  son  mentovati  Satyri  bicornes,  ma  e  degno 
di  rilievo  perö  che  un  conoscitore  d'  arte  cosi  profondo  come  Luciano  chiami 
210  Satiri  quegli  esseri  rustici  cornuti  da  lui  descritti  in  maniera  del  tutto  corrispon- 
dente  all'arte.1 

Ma  quando  e  che  Pane  umano  scomparisce  e  vien  surrogato  dai  Satiri 
rustici  e  cornuti?  Abbiamo  giä  veduto  che  questo  sviluppo  rimane  estraneo  alla 
pittura  vasculare,  ove  soltanto  in  pochissimi  esempi  recenti  si  osserva  un  avvi- 
dnamento  e  anche  un  combinamento  di  Satiro  e  Pane  che  riceve  la  coda  in 
rappresentazioni  bacchiche,  o  tutt'al  piü  aleuni  tentativi  isolati  di  trasferir  dei 
tratti  caprini  sopra  i  Satiri.-  Ma  adesso  i  monumenti  dell'arte  etrusca  recente 
ricevono  la  loro  importanza  storica,  rappresentando,  come  giä  osservammo,  lo 
sviluppo  che  segue  immediatamente  quello  della  recente  pittura  vasculare.  Pane 
qui  si  riscontra  in  tutte  e  tre  le  sue  forme:  umano  si  scorge,  oltre  che  nei  due 
monumenti  qui  pubblicati,  in  un'  altra  cista  ora  a  Parigi  (cf.  Schöne,  Annali  1866, 
n.  64)  ov'egli8  sta  in  mezzo  ad  una  comitiva  poco  chiara  di  giovani  con 
lancie  e  di  donne  ignude  con  tirsi,  aggruppato  con  una  di  codeste  donne  bacchiche. 
Piü  chiara  e  la  sua  azione  in  un  bellissimo  gruppo,  che  serviva  di  manico  al 
coperchio  di  una  cista  Barberiniana  con  battaglia  di  Centauri,  per  mala  Ventura 
non  ancor  pubblicato  (Schöne  1.  c.  p  175  n.  44  [Bollettino  d'Arte  1909  S.  189. 
191.  204]).     Egli,   tutto   umano,    fornito    perö    di    piecole    corna    e    di    orecchi 

1  Cf.  specialmente  Bacch.  1  ove  cgli  cliiama  i  Satiri  dygolxove  vscwIoxovg  yvpvovs.  .  . 

lovxaSf  xai  xegaxa  »In  tote&Qti  yewij&sToiv  igltpois  laoqnmai.    In  un  altro  passo  (deor. 

conc.  4)  oltrc  a  cornuti  vengono  chiamati   anch'essi   calvi   come   Sileno;   ma    quei  Satiri 

calvi  barbati  dell"  arte  piü  antica   non  sono   mai   cornuti,   ne   giova   molto    che   qualchc 

volta  sui  vasi  si  trovano  Satiri  imberbi  calvi  perche  non   Hanno  corna,  sieche   parc   che 

Luciano  abbia  aggiunto  qucll'attributo  per  meglio  rilevare  il  carattere   effemminato  di 

tutta  la  schiera  bacchica,  scopo  principale  di  tutto  il  passo,   al    quäle   spetta  anclie   quel 

".,  mentre  Sileno  c  Avdfc.     In  ambedue  i  luoghi  i   Satiri    espressamente 

vengono  chiamati  rustici  e  son  distinti  da  un  solo  Pane   caprino   seguente  la    tradizione 

piü  comunc  dell'arte.     Ma  Bis  accus.  10  la  voce  Satiri  e  usata  in  senso  piü  largo  e  non 

nfica  altro  che  i  sopra  detti  (c.  [))    Uovvoov  öegAnovree,  laonde  Pane  ben  poteva  chla- 

marsi  uno  di  loro,  senza  che  il  passo  provi  ciö  che  il  Wicseler  (1.  c.  p.  9)  vuole. 

'   e.  il  vaso  attico  presso  Stackeiberg,  Gräber  t.  21   da  al  viso  del  Satiro  o  Sileno 
bafbato  qualchc  tratto  caprino. 

*  I.e  corna  e  i  tirsi  non  dubbii  (cf.  il  tirso  della  Baccante  sulla  nostra  cista)  vietauo 
di  vedervi  una  coppia  nuzialc  umana.     Sono  esseri  bacchici  riuuiti  con  uomini    che  gO- 
;io  la  loro  compagnia.     Un  concetto  piü  preciso  difficilmentc  si  trova. 


con  Rappresentazioni  Bacchiche.  155 

aguzzi,1  ha  l'onore  di  sorreggere  lo  stesso  dio  Bacco.  Da  molte  teche  di  21 1 
specchi  etruschi  c'e  nota  la  composizione,  probabilmente  nata  giä  nel  secolo 
quarto,  di  Amore  chi  sostiene  Bacco,  e  qui  per  la  prima  volta  vediamo  Pane 
umano,  il  quäle  presenta  tante  analogie  con  Amore,  fare  lo  stesso  servizio  a 
Bacco  che  lä  Amore,  talche  e  molto  probabile  che  tanto  il  Satiretto,  che 
nell'arte  greco-romana  vediamo  generalmente  in  simili  rappresentanze,  quanto 
il  Pane  caprino,  che  tal  fiata  pur  vi  scorgiamo,  sieno  stati  sostituiti  piü  tardi, 
quando  era  scomparso  cosi  quell'  Amore  bacchico2  come  Pane  umano.  —  In 
fine  rileverö  un  vaso  dipinto  etrusco  (Mus.  brit.  n.  1681  [F  484])  con  Pane  umano  in 
bacchica  rappresentanza  tenente  i  crotali  ed  un  ramoscello.  —  Pane  caprino  im- 
berbe  e  barbato  pure  si  scorgono  sopra  degli  specchi.3  —  Che  se  or  aggiungiamo 
a  questi  i  nostri  due  monumenti  e  riflettiamo,  che  Satiri  cornuti  e  rustici  non  se 
ne  rinvengono  affatto,  troviamo  un  perfetto  accordo  colla  pittura  vasculare:  sol- 
tanto  che  l'arte  etrusca  come  nella  figura  di  Eros  cosi  in  questa  di  Pane  mostra 
uno  stadio  un  po'piü  recente,  adoperando  Pane  anche  nella  sua  forma  umana, 
a  quel  che  c'e  dato  giudicare  quasi  sempre  in  rappresentanze  bacchiche.  Inoltre 
la  nostra  teca  (B)  offrendoci  una  composizione  proprio  alessandrina  ci  dimostra 
il  fatto  ben  importante  che  ancora  l'arte  del  terzo  secolo  non  conosceva  soltanto 
Pane  umano,  ma  anzi  tentava  di  rappresentare  perfino  il  nuovo  mito  della  poesia 
alessandrina  di  Pane  ed  Eco  dando  le  forme  umane  a  quello.  Quindi  possiamo 
con  probabilitä  conchiudere,  che  quel  sopra  discusso  cambiamento  nel  tipo  dei 
Satiri  collo  sparire  di  Pane  umano  non  aveva  luogo  prima  della  fine  del  secolo  212 
terzo  all'incirca,4  e  che  le  pitture  delle  cittä  del  Vesuvio,  non  conoscendo  quasi 
piü  quella  forma  di  Pane,  non  devono  in  questo  punto  risalire  ad  originali  piü 
antichi  del  secondo  secolo. 

1  E  da  correggere  in  alcuni  punti  la  citata  descrizione,  la  quäle  riconosce  qui  un 
Satiro,  ma  le  corna  piccole  mi  parevano  incontestabili;  il  naso  e  retto  e  manca  la  coda, 
gli  orecchi  sono  aguzzi.  —  Lo  stile  si  puö  dire  eccellente;  soltanto  le  proporzioni  sono 
troppo  svelte,  le  gambe  troppo  lunghe  ed  il  petto  troppo  stretto,  sieche  molta  analogia 
con  questa  offre  la  figura  della  strigile  Mon.  IX  29  anch'essa  di  Palestrina. 

2  Furtwängler  Eros  p.  80  [oben  S.  52]. 

3  Mon.  IX  29  [Etr.  Spieg.  V  Taf.  45]  imberbe  coli'  iscrizione  Painiscos;  probabilmente 
anche  Gerhard,  Etr.  Spieg.  t.  311;  barbato  ib.  t.  150.  —  II  eh.  Wieseler  1.  c.  p.  17  ravvisa 
Pane  nelle  sembianze  di  Satiro  cornuto  sopra  lo  specchio  presso  Inghirami,  Mon.  etr. 
ser.  II  28;  ma  nella  testa  un  po'guasta  le  corna  sono  tutt'altro  che  certe. 

4  Debbo  mentovare  qui  come  appartenente  probabilmente  al  terzo  secolo  o,  per  1' 
invenzione  almeno,  forse  al  quarto,  il  frammento  bellissimo  di  un  vaso  die  marmo  nel 
museo  Lateranense  (Garrucci  t.  43,4  [Heibig,  Führer2  662]).  Sopra  esso  e  a  vedersi  Pane 
umano  colla  coda  in  mezzo  al  tiaso  bacchico,  in  modo  tutto  analogo  come  appare  su 
qualcuna  delle  ricordate  pitture  vasculari.  Le  sue  corna  lunghe  aderenti  ai  capelli  dif- 
feriscono  molto  da  quelle  piccole  dei  Satiri  rustici,  coi  quali  egli  non  ha  che  fare.  Una 
replica  meno  ben  riuscita  della  medesima  figura  si  trova  sopra  un  altro  vaso  bacchico 
nella  Gall.  dei  candelabri  n.  210  (Gerhard,  Ant.  Bildw.  t.  108),  ove  perö  la  superficie  e 
cosi  cancellata  che  le  corna  non  si  distinguono  piü. 


ClSTA  Prenestina  e  TECA  DI  Specchio 


Lascio  ad  altra  occtsione  lo  sviluppare  piü  diligentemente  e  mettere  in  con- 
oesso  piü  largo  i  punti  della  storia  di  Pane  e  dei  Satiri  accennati  qui;  perche 
ort  ini  preme  SOltanto  di  fissar  la  posizione  storica  dei  nostri  due  monumenti. 
A  questo  scopo  non  debbono  tralasciarsi  alcune  particolaritä:  ed  in  prima, 
che  fe  comune  ad  ambedue  i  nostri  Pani  il  pedo.  Era  questo  il  solito  attributo 
di  Pane  da  Luciano  appunto  descritto  (Bacch.  2)  colla  siringa  in  una  mano  e  la 
dos  xiitt.-rr/jj,  il  bastone  ricurvo,  nell'  altra.  E  curioso  perö  che  non  era 
ricurvo  in  tutti  i  tempi  il  pedo.  Giacche  osservando  le  piü  antiche  rappresen- 
tanze  di  Pane,  quelle  dei  secolo  quarto,  non  iscorgiamo  mai  il  pedo  ricurvo  ma 
senipre  un  diritto  bastone  nodoso  od  una  piccola  mazza.  Cosi  su  quella  bella 
moneta  degli  Arcadi,  ove  siede  sull'  Olimpo  (Period.  numism.  III  3,  9)  o  su 
quella  di  Messana,  ove  scherza  colla  lepre  (ib.  III  1,6)  ed  anche  sopra  un  rilievo 
votivo  di  Megara  (Wieseler,  Abhandl.  d.  K.  Ges.  zu  Göttingen  vol.  XX)  apparte- 
nente  al  quarto  o  terzo  secolo,  Pane  umano  non  porta  che  il  bastone  semplice, 
e  questo  rimane  il  suo  attributo  anche  in  tutta  la  pittura  vasculare,  non  solo 
nello  Stile  dei  quarto  sec.  (come  nel  vaso  di  S.  Martino  p.  e.),  ma  e  si  in  quello 
piü  recente.1  Questa  piccola  mazza  dei  resto  e  uno  strumento  da  caccia  assai 
comune  nei  vasi  dipinti  e  vedesi  anche  in  altri  monumenti  piü  recenti,2  mentre 
213  il  pedo  rincurvo  e  affatto  estraneo  alla  pittura  vasculare,  se  si  eccettuino  pochi 
esempi  di  epoca  piü  recente,3  ed  e  invece  costante  per  Pane  ed  i  Satiri  nei 
monumenti  dell'  epoca  greco-romana.  Quelli  dell'  arte  etrusco-latina  recente 
s'interpongono  anche  qui  tra  gli  uni  e  gli  altri:  sulla  cista  Ficoroni  i  cacciatori 
si  servono  ancora  di  quelle  mazze  diritte.  Ma  alcuni  altri  monumenti  prenestini 
mostrano  il  pedo  adunco  vero  e  proprio.  Un  Centauro  p.  es.  lo  usa  quäl  arma 
nella  cista  Barberiniana  che  ha  per  manico  quel  bei  gruppo  or  ora  descritto  [oben 
S.  154];  cosi  si  trova  presso  il  cacciatore  Ganimede  nella  teca  di  specchio  nei 
Mon.  VIII  47,  2  ne  manca  in  mano  di  uno  degli  Amorini  sullo  specchio  sopra  dis- 


1  Cf.  p.  e.  Gerhard,  Apul.  Vas.  t.  8;  t.  E  3,  4;  Millingen,  Vases  div.  43;  Revue  archeol. 
(1849)  V  Taf.  100  etc. 

*  Cf.  Stephani  CR.  1861,  37  e  specialmente  1867,  p.  68  n.  3,  ove  vengono  citati 
parecchl  esempi.  —  Anche  nel  rilievo  sepolcrale  attico  di  buon'  epoca  riprodotto  negli  Annali 
1876  tav.  d"agg.  li  [Brunn-Bruckmann  469]  la  mazza  e  riferibile  alla  caccia  cosi  come  il  cane. 

'  Due  vasi  a  figure  nere  di  lavoro  etrusco  il  piü  trascurato,  uno  nel  museo  Gre- 
goriano  e  1'  altro  presso  il  sig.  Aug.  Castellani,  lo  mostrano  in  mano  di  cacciatori  di 
lepri.  —  Nei  vasi  puglicsi  si  trova  rade  volte  una  forma  che  si  avvicina  a  quella  deH'arte 
recente;  ancli'  cssa  ha  1'  estremitä  un  poco  ineurvata,  ma  non  tanto  che  formi  un  uncino. 
Cf.  Panofka,  Mus.  Blacas  t.  7;  Bull.  arch.  napol.  I  3  =  Stark,  Niobe  t.  II;  della  stessa 
speeie  sono  i  bastonl  dei  due  Pani  nel  vaso  non  pubblicato  a  Napoli  n.  3218  B,  mentre 
negli  altri  casi  ove  il  catalogo  dell'IIeydemann  parla  di  un  pedo  non  si  vedono  die 
bastoni  comuni ;  nel  n.  3244  la  parte  superiore  dei  cosidetto  pedo  c  di  ristauro  moderno. 
II  pedo  che  si  vede  insieme  a  due  bastoni  rcgolari  nel  vaso  di  Stile  bellissimo  presso 
Millingen,  Anc.  mon.  t.  18  0  si  ha  da  corregger  dietro  il  disegno  -  dei  resto  perö  molto 
piu  inesatto  —  dei  Miliin,  Vas.  peints  II   11,  o  e  un'eccezione  isolata. 


con  Rappresentazioni  Bacchiche.  157 


cusso,  il  quäle  anche  in  tutto  il  rimanente  mostra  1'  influenza  alessandrina  (Gerhard, 
Spiegel  t.  329);  finalmente  in  un  altro  specchio  (ib.  t.  304)  lo  tiene  un  giovine 
bacchico  poco  chiaro,  probabilmente  un  Satiro,  e  questo  sarebbe  il  primo  esempio 
di  siffatto  uso.  La  conclusione  che  c'  e  dato  ritrarre  da  cotali  fatti,  che  cioe 
il  pedo  rincurvo  non  si  adoperava  nel  sec.  quarto  e  sol  veniva  in  uso  verso  la 
fine  del  terzo  sec,  sta  in  perfetto  accordo  colle  notizie  degli  autori;  giacche 
Senofonte  Cyn.  VI  11,  17  nomina  come  arma  comune  per  la  caccia  delle  lepri 
la  mazza  ro  göncuov,  mentre  il  pedo,  xb  laytoßölov,  non  vien  allegato  prima 
dei  tempi  alessandrini  (presso  Teocrito  ed  in  epigrammi  dell'  Antologia.)1  Sui 
nostri  due  monumenti  per  conseguenza  il  pedo  puö  servire  di  nuovo  argomento  214 
per  mostrare  l'influenza  dell'arte  alessandrina. 

Un  altro  attributo  proprio  di  Pane  e  la  sirin ga  che  vediamo  suonata  dal- 
l'Amorino  della  nostra  teca  (B).  Essa  pare  il  piü  antico  attributo  di  Pane  e  non 
difetta  quasi  mai  nelle  rappresentanze  attiche  di  Pane  caprino,  caratterizzandolo 
essa  come  pastore,  laddove  la  mazza  o  il  pedo  accennano  piuttosto  al  dio  cac- 
ciatore.  Ma  queste  due  qualitä,  di  pastore  e  di  cacciatore,  erano  riunite  in  Pane 
fin  da  principio  (cf.  l'inno  omerico2)  come  lo  erano  in  tante  altre  persone  mito- 
logiche,  le  quali  vivevano  nei  campi  e  nelle  selve;  cosi  Endimione  (cf.  Jahn, 
Arch.  Beitr.  71),  cosi  Narcisso  (Wieseler,  Narkissos  p.  14),  Paride  e  Ganimede, 
tutti  si  rappresentavano  ora  cacciatori  ed  ora  pastori.  Ed  e  poi  tanto  vero  che 
Pane  umano  e  anche  cacciatore,  che  delle  volte  egli  porta  una  o  due  lancie.3 
Ma  ritornando  alla  siringa  essa  presenta  in  B  una  forma  rimarcabile  tanto  pel 
numero  delle  canne,  che  sono  dodici,  mentre  il  solito  numero  era  sette  od  anche 
nove  (Theoer.  id.  8,  18),  quanto  per  l'egual  lunghezza  delle  canne,  contraria 
all'uso  comune  dei  monumenti  greco-romani  (cf.  Ovid.  Met.  1,710  disparibus  ca- 
lamis),  di  guisa  che  la  diversitä  del  suono  doveva  essere  prodotta  dalla  diversa 
situazione  dei  fori.  Nei  monumenti  la  siringa  piü  corrispondente  alla  nostra  e 
quella  sopra  un  vaso  di  marmo  nella  villa  Borghese,  che  ha  pur  dieci  o  dodici 
canne  eguali  (la  pubblicazione  negli  Annali  1863  tav.  d'agg.  L,  1  [Hauser,  Neuatt. 
Rel.  S.  24  Nr.  32]  in  questo  punto  non  e  esatta).  Ma  la  forma  rettangolare  in  generale 
senza  dubbio  e  la  piü  antica,  perche  essa  esclusivamente  si  trova  in  tutta  1'  arte  fin 
al  morir  della  pittura  vasculare,  mentre  1'  altra  piü  nota  a  canne  disuguali  venne  in  uso 
soltanto  coi  monumenti  greco-romani.  La  siringa  piü  antica  nell'  arte  e  sul  vaso 
Francois,  ove  la  Musa  Urania  la  suona,  di  forma  rettangolare  e  di  nove  canne.  Se- 
guono,  dopo  un  lungo  intervallo,  i  monumenti  del  sec.  quarto,  specialmente  le  belle 


1  Cf.  Stephani,  CR.  1867  p.  67.     Evidentemente   falsa  e  1'  opinione    dello   Stephani 
che  il  QÖTia/.ov  di  Senofonte  sia  identico  col  "/.ayo>ß6iov  degli  autori  piü  recenti. 

2  Egli  e  tanto  röuto?  quanto  äygevg;  non  c'  e  che  Nonno  Dion.  14,  87  che  distingua 
due  Pani  diversi  secondo  questi  cognomi. 

3  P.  e.  sulle  note  monete  di  Pandosia  e  sul  vaso  presso  Gerhard,  Apul.  Vas.  t.  E  3 
e  probabilmente  nella  summentovata  statuetta  del  Peloponneso  di  recente  scoperta  [S.  148, 1]. 


ClSTA   PRENESTINA   E   TECA  DI  SPECCHIO 


monete  doli'  Arcadia  e  di  Sidlia,  in  cui  Pane  umano  ha  sempre  codcsta  siringa 
di  canne  eguali  (cf.  Period.  numism.  III  3,  2.  7.  9)  e  tale  si  scorge  pur  anco  in 
tutti  i  migliori  csemplari  di  quel  Pane  attico  caprino  avvolto  nella  pelle.1  Nella 
pittura  vascularia  del  quarto  e  terzo  secolo  non  di  rado  essa  e  ricoperta  da  una 
larga  fasda  per  modo  che  non  si  veggano  che  le  estremitä  delle  canne;  inoltre 
vi  si  aggiungono  delle  strisce  incrociate,  nonche  un  filo  da  essere  portata  piü 
comodamente.'  Per  non  conoscere  abbastanza  bene  questa  forma  alcuni  dotti 
la  hanno  cambiata  delle  volte  con  un  diptychon,  ciö  che  era  cagione  di  spie- 
gazioni  falsissime.3  I  monumenti  etruschi  poi  ritengono  ancora  quest'  antica 
forma  della  fistola  (cf.  oltre  la  nostra  teca  lo  specchio  presso  Gerhard,  Etr.  Sp. 
t.  150),  di  modo  che  quella  a  canne  disuguali  per  quel  ch'io  sappia,  cominci 
soltanto  coli'  epoca  greco-romana. 

Avendo  esaminato  gli  attributi  osserviamo  il  vestimento  dei  nostri  Pani:  in 
B  egli  siede  sopra  una  clamide,  veste  che  non  e  rara  a  trovarsi  data  a  Pane 
umano  come  segno  della  natura  sua  nobile  ed  umana.  Cosi  lo  vediamo  giä 
sulle  belle  monete  degli  Arcadi  e  di  Pandosia  e  sul  rilievo  votivo  di  Megara 
(Wieseler,  Gott.  Abhandl.  vol.  XX  [Berlin  711]);  sopra  i  vasi  dipinti  la  clamide  sembra 
addirittura  piü  in  uso  della  pelle.4  Interessante  sotto  questo  riguardo  e  una  statuetta 
216  di   terracotta   nel   Museo  britannico5  ritraente  Pane  umano   cornuto,   che  assiso 


1  Cf.  anche  la  statuetta  di  Cipro  presso  Doli,  Samml.  Cesnola  VII  7,  [Cesnola  coli.  I 
Tat.  119,  868]  senza  testa,  una  volta  forse  Pane  umano.  —  L'originale  del  sopracitato 
vaso  della  Villa  Borghese  senza  dubbio  rimonta  al  sec.  quarto  a.  C. 

2  Di  un  gran  numero  ecco  alcuni  esempi:  Gerhard,  Mysterienbild.  t.  1;  Apul.  Vas. 
t.  8;  Mon.  d.  Inst.  IV  14;  IX  52;  32.  33;  Panofka,  Mus.  Blacas  t.  7;  Minervini,  Mon.  di 
Barone  t.  18,  19;  Stephani,  CR.  1862  t.  4. 

3  Cf.  Gerhard,  Apul.  Vas.  t.  11,  ovc  l'interno  dell'oggetto  quadrato  che  tiene  Pane 
(accanto  a  Venerc  e  un  po'  cancellato,  ma  si  distinguono  ancora  le  due  striscie  incro- 
ciate, per  cui  non  v'ha  dubbio  che  sia  la  solita  siringa,  avvegnache  il  eh.  Wieseler  (Gott. 
Nachr.  1875,  448)  riconosca  qui  un  diptychon  e  cerchi  di  provarc  come  questo  attributo 
siasi  trasferito  a  Pane  da  Mcrcurio.  —  Un  altro  esempio  e  il  vaso  da  Jone,  Gerhard, 
Ant.  Bildw.  115  =  Klite  ceram.  I  25,  ovc  non  solo  Pane  ma  anche  Argos  tiene  la  siringa, 
quest'  ultima  disegnata  un  poco  in  iscorcio  e  inesattamente,  tuttavia  si  vede  che  e  una 
siringa.  I  vani  tentativi  di  spiegare  il  creduto  diptychon  di  Argos  —  alla  cui  mazza 
tanto  bene  quadra  la  fistola  —  veggonsi  raecolti  presso  Overbeck,  Zeus  p.  468. 

*  Krroncamente  il  eh.  Wicseler  (1.  c.  p  26)  crede  che  sul  vaso  Gerhard,  Ant.  Bildw. 

lano  due  Pani,  uno  colla  pelle  f altro  colla   clamide,   giacchc   la  parte   superiore   di 

quest'ultimo  e  ristaurata  e  probabilmcnte  non  era  Pane  ma  Mercurio   che   conduceva   la 

dea.     Con  cio  spariscono  anche  le  difficoltä  rilevate  dallo  stesso  Comm.  de  Pane  p.  11. 

1  I.a  notizia  di  questa  statuina  la    debbo  alla   gentilezza   del   sig.  Murray.  Rispetto 

allo  stile  vuolsi  appartenga  alla  stessa  classc  delle  terrecotte  di  Tanagra;  ma  la  provenienza 

Nel  Museo  campano  a  Capua  esiste  la  statuetta  dl  terracotta  di  im  giovane 

'ndc  ir;  duto  sopra  una  roccia  e  suonantc  la  siringa  a  nove  canne  eguali; 

capelli  ricchi,  il  viso  nobile  e  rappreseuta  forse,  benche  manchino   le    corna,   Pane 

um.r 


con  Rappresentazioni  Bacchiche.  159 


suona  la  fistola  ed  ha  la  clamide  in  dosso,  cosi  che  essa  gli  pende  dal  capo, 
cinto  inoltre  di  una  specie  di  diadema.  —  Peraltro  dobbiamo  notare  che  delle 
volte  anche  i  Satiri  della  specie  piü  umana  e  nobile  portano  il  drappo  in  luogo 
della  pelle:  cosi,  a  cagion  d'esempio,  in  modo  molto  simile  alla  nostra  teca  lo 
ha  quel  Satiro  giovane  del  monumento  di  Lisicrate  che  siede  il  piü  vicino  a 
s.  di  Dioniso  quäl  suo  ministro  prescelto:  e  cosi  meritano  d'  essere  confrontati x 
il  vaso  di  marmo  nei  Mon.  IX  45;  la  bella  ara  a  Venezia,  Zanetti,  Ant.  statue 
di  Ven.  II  36  [Dütschke  V,  303],  e  alcuni  vasi  dipinti  come  nei  Mon.  II,  37  e 
Minervini,  Mon.  di  Barone  t.  16.  Quanto  alla  nebride  ond'  e  fornito  Pane  in  A,  mi 
contento  d'  osservare  che  la  maniera  di  rannodarla  nei  mezzo  del  petto  pare 
essere  scelta  con  gran  predilezione  dagli  artisti  etruschi  pei  Satiri  (cf.  gli  specchi 
presso  Gerhard  t.  69.  101—105.  302.  308). 

Gli  orecchi  poi  sono  animaleschi  in  B  come  generalmente  nelle  statue  e 
busti  di  Pane  umano,  mentre  i  vasi  dipinti  per  lo  piü  glieli  danno  umani.  In 
A  non  sono  accennati  ne  in  Pane  ne  in  alcuna  delle  altre  figure  della  nostra 
cista  —  una  trascuratezza  tutt'  altro  che  rara  nei  monumenti  etruschi,  special- 
mente  graffiti,  ove  a  figure  che  debbono  essere  Satiri  mancano  invece  ben  spesso 
o  gli  orecchi  o  la  coda  o  ambedue  i  segni  caratteristici,2  non  avendo  gli  Etruschi 
quel  senso  pel  tipico  posseduto  dai  Greci. 

Infine  merita  pure  speciale  attenzione  l'atteggiamento  del  nostro  Pane  in  217 
A.  Come  abbiamo  giä  accennato,  egli  danza  dietro  la  musica  di  Sileno,  insieme 
colla  Baccante  a  destra,  ed  e  evidente  eseguire  essi  due  una  contraddanza  simile 
a  quella  usata  tutt'oggi  in  Italia,  alzando  cioe  un  braccio  verso  il  capo  e  abbas- 
sando  l'altro.  Le  gambe  naturalmente  devono  corrispondersi  in  croce  colle 
braccia,  come  le  vediamo  nella  Baccante;  per  cui  quelle  di  Pane  non  sono  dis- 
poste  ammodo,  giacche  avrebbe  dovuto  o  muover  in  avanti  la  gamba  destra  —  ciö 
che  non  avrebbe  corrisposto  tanto  bene  colle  gambe  della  Menade  —  o  alzare  il 
braccio  destro  — ■  ciö  che  impediva  quell'  Amorino  nell'  aria.  —  Tale  concetto 
nella  giusta  sua  forma  si  riscontra  non  di  rado  in  statue  e  rilievi,  e  sono  Satiri 
giovani  che  si  rappresentano  cosi.  Dapprima  dev'essere  mentovata  una  statua 
di  Tessalia  (Scholl,  Arch.  Mitth.  t.  V  11  [Athen  239]),  ove  il  viso  mostra  ancora  il 
tipo  nobile  della  fine  del  quarto  secolo;  il  concetto  non  fu  riconosciuto  dal  Frie- 
derichs, il  quäle  (Bausteine  n.  658  [Friederichs-Wolters  1429])  lo  spiega  per  un 
aposcopeuon;  anche  il  Matz  credeva  (Annali  1870,  101)  che  la  figura  che  ap- 
partiene  al  tipo  in  discorso  sul  rilievo  del  teatro  di  Bacco  (e  il  Satiro  dietro 
Bacco,  cf.  Mon.  IX  16  [Brunn-Bruckmann  Taf.  15])  voglia  coprirsi  la  testa;  mentre 


1  Gli  esempi  addotti  anni  fa  dal  Wieseler,  Satyrspiel  p.  177  sono  problematici  tutti  quanti. 

2  Gerhard,  Etr.  Spieg.  t.  81,  2.69.  308.  349.  304  il  giovane  colla  pantera  ed  il  pedo. 
150  il  giovane  sul  quäle  Ercole  s'appoggia,  evidentemente  doveva  essere  un  Satiro;  Pane 
caprino  gli  e  da  canto;  t.  295  secondo  l'analogia  di  rappresentanze  piü  chiare  e  distinte 
anche  qui  era  inteso  Marsia. 


KJO  ClSTA   PRENESTINA   E   TECA   DI   SPECCHIO 


il  vero  concetto,  dico  il  movimento  di  una  danza,  risulta  chiarissimo  dalla  po- 
sizione  delle  gambe,  le  quali  toccano  il  suolo  soltanto  colla  punta  dei  piedi,  e 
daflo  stesso  confronto  colla  nostra  cista.  —  Importanti  poi  sono  tre  statue  del  Museo 
nazionale  di  Napoli  [Furtwängler,  Satyr  von  Pergamon  S.  14];  due  l  Hanno  le  teste 
e  braccia  moderne,  ina  i  torsi  sono  di  lavoro  ottimo:  rappresentano  corpi  molto 
svelti,  graziös!  e  nobili;  e  con  ciö  combina  anche  la  mancanza  delle  code,  mancanza 
che  osserviamo  pure  in  un  altro  tipo  di  Satiro  dell'  epoca  Prassitelia.2  La  terza  statua 
e  di  lavoro  mediocre,  ma  ha  la  testa  antica,  la  quäle,  come  quella  della  statua 
di  Tessalia,  corrisponde  tanto  bene  col  tipo  di  quel  cosi  detto  Satiro  Prassitelio 
che  si  riposa,  che  dobbiamo  supporre  anche  1'  originale  delle  statue  in  discorso 
essere  stato  creato  ancora  nel  secolo  quarto,  di  modo  che  guadagniamo  un  nuovo 
218  tipo  importante  pel  carattere  dell'arte  in  quel  tempo.  Ma  l'originale  doveva 
subire  molte  modificazioni,  alle  quali  forse  appartiene  giä  la  nebride,  aggiunta 
nella  terza  statua  di  Napoli  e  nella  maggior  parte  delle  altre,  e  senza  dubbio 
il  pedo,  che  vediamo  non  di  rado  nella  mano  abbassata  e  giä  sulla  nostra  cista; 
la  quäle  ciicostanza  ci  fa  congetturare,  che  il  pedo  s'introduceva,  quando  un 
artista  del  sec.  terzo  si  serviva  del  concetto  in  discorso  per  Pane  umano.3  Ma 
piu  tardi  mediante  altre  modificazioni  piü  essenziali  anche  di  questo  concetto  si 
formava  un  Satiro  tutto  rustico  che  porta  delle  frutta  nella  nebride  sul  braccio 
sinistro  abbassato  ed  alza  la  destra,  generalmente  col  pedo;  cosi  in  una  quarta 
statua  di  Napoli  (Gerhard,  Neap.  ant.  Bildw.  n.  34  [Satyr  von  Pergamon  S.  14]), 
ove  il  pedo  e  in  parte  antico  e  la  testa  coronata  di  pino  (erroneamente  creduta 
moderna  dal  Gerhard)  ha  delle  piccole  corna  ben  adattate  al  tipo  rustico  del  viso 
e  di  tutto  il  corpo,  al  quäle  adesso  non  manca  piü  neppure  la  coda.  AI  mede- 
simo    tipo    appartengono   poi   le    celebri    statue    di    rosso   antico    nel   Vaticano 


1  Gerhard,  Neapels  ant.  Bildw.  n.  65  e  69;  una  c  pubblicata  molto  insufficientemcnte 
da  Clarac,  Musee  678,  1581.  Le  due  statue  sono  repliche  identiche  ed  anche  del  mede- 
simo  marmo. 

*  Dico  quello  che  versa  da  bere. 

1  Anche  nel  cratere  Chlgiano  (Welcker,  Zoegas  Abh.  t.  5,  13  [Matz-Duhn  3687])  la 
figura  rispettiva  i  cornuta  e  sta  in  mezzo  fra  Satiro  c  Pane.  —  II  pedo  riunito  col  nostro 
concetto  si  trova  poi  specialmente  in  una  bella  statuetta  nella  casa  di  Lucrezio  a  Pompei, 
che  conserva  perö  la  testa  del  tipo  antico;  molto  similc  a  qucsta  e  la  statua  dipinta  parimente 
pompeiana  mentovata  nel  catalogo  dell'  Heibig  al  n.  432.  Vi  appartengono  pure  la  base  di 
un  candelabro  prcsso  Visconti,  Mus.  P.  Cl.  V  t.  A  2  ed  un  torso  della  Gallcria  dei  cande- 
labri  (n.  25),  ove  si  e  conscrvato  un  pezzo  del  pedo  nel  braccio  sin.  abbassato.  —  In 
modo  tutto  analogo  si  dava  il  pedo  anche  al  cosidctto  Satiro  Prassitelio:  nell'  escmplarc 
del  Braccio  nuovo  del  Vaticano  (n.  120  [Amelung,  Vatican  I  Tat  19  Nr.  120])  un  pezzo 
.  braccio  destro  superiorc  t  antico;  inoltre  al  capo  e  aggiunta  una  Corona 
di   pi  •   Altri    esempi    del   nostro    Satiro    danzante,    DU    colle    braccia    ristaurate   in 

modo   falso,   veggansi    prcsso    Clarac,  Mus.   de   sculpt.  716   D,   1685   D;    711,    1693   A; 

1719. 


con  Rappresentazioni  Bacchiche.  161 

[Amelung,  Vatican  II,  Taf.  76]  e  nel  Campidoglio  [Heibig  Führer2  534]  e  molte 
altre  (cf.  Clarac  t.  716,  1707;  716D,  1685E).1 

In  ultimo  luogo  non  vogliamo  tralasciare  i  vasi  dipinti;  ma,  come  tanti  altri 
concetti  statuari  del  sec.  quarto,  anche  il  nostro  non  sembra  essersi  divulgato 
molto  in  questa  pittura  popolare,  ed  i  pochi  esempi  che  si  potrebbero  citare 
(come  Tischbein,  Vas.  Harn.  II  44;  Miliin,  Peint.  de  vas.  I  67;  anche  due  a  Napoli 
descritti  da  Heydemann  n.  961  e  967)  non  debbono  con  necessitä  essere  derivati  219 
da  quell'originale  statuario. 

Se  adesso  ci  rivolgiamo  alla  Baccante  che  eseguisce  la  contraddanza  con 
Pane  sulla  cista  nostra,  troveremo  che  il  concetto  e  l'istesso,  e  se  non  vi  fosse 
quello  scambio  nel  movimento  delle  braccia  di  Pane,  tutte  le  membra  si  cor- 
risponderebbero  esattamente.  Mettendo  in  avanti  la  gamba  destra  ella  alza  il 
braccio  sinistro,  abbassa  il  destro  e  rivolge  il  capo  all'indietro  verso  il  compagno. 
Piü  notevole  ancora  si  e  che  tutta  la  persona  fuorche  la  fronte  ed  il  naso  e 
avviluppata  nel  mantello.  Non  voglio  parlar  a  lungo  intorno  tutte  le  danzatrici 
velate  simili  in  qualche  punto  alla  nostra,  ma  mi  limiterö  al  piü  necessario.  E 
dapprima  conviene  osservare  che  il  nostro  non  e  il  solo  monumento  di  arte 
italica  che  ci  mostri  tale  concetto;  anzi  lo  troviamo  sopra  due  eiste  prenestine. 
In  una  (Gerhard,  Akadem.  Abh.  t.  57. 58)  la  Baccante  danza  pure  insieme  con  un 
Satiro  giovane,  senza  perö  piegar  all'indietro  il  capo,  essendo  giä  rivolta  con 
tutto  il  corpo  verso  il  compagno,  e  senza  sollevare  il  braccio;  ma  la  disposizione 
del  mantello  e  l'istessa;  il  rialzo  sulla  testa,  che  rassomiglia  molto  a  un  berretto 
frigio,  probabilmente  e  cagionato  da  un  alto  ciuffo.  Neil'  altra  cista  (Barberiniana, 
descritta  nel  Bull.  1866,  80)  o,  a  dir  meglio,  in  altre  due,  esistendo  questa  in 
due  repliche  identiche,  la  figura  rispettiva,  riunita  con  altre  senz'  aleun  senso 
chiaro,  corrisponde  ancor  piü  alla  nostra,  perche  solleva  il  braccio  destro  verso 
il  naso  lasciato  scoperto  dalla  veste,  ed  abbassa  l'altro;  il  movimento  delle  gambe 
non  e  visibile  trovandosi  nascosto  da  un  uomo  inginocchiato.2  Modificato  in 
altra  guisa  troviamo  il  nostro  concetto  sulla  pittura  parietale  di  Capua  nel  Bull, 
arch.  nap.  n.  s.  II  13  [Jahrbuch  des  Arch.  Inst.  1909  S.  111,  25];  vi  troviamo  il 
ripiegamento  del  corpo  ma  le  braccia  sono  disposte  in  maniera  diversa.  Ad 
ogni  modo  queste  pitture  di  Capua  sembrano  appartenere  allo  stesso  tempo  e 
sviluppo  delle  eiste  prenestine. 

La  questione,  donde  prendessero  gli  artisti  del  Lazio  e  della  Campania  la 
conoscenza  di  questo  concetto,  si  scioglie,  se  ci  ricordiamo  che  giä  i  vasi  di- 
pinti del  secolo  terzo  fabbricati  nell'Italia  meridionale  lo  conoscevano  e  adoperavano  220 


1  Sono  modifieazioni  meno  importanti,  se  egli  porta  invece  di  frutta  Bacco  fanciullo 
stesso:  Gerhard,  Ant.  Bildw.  103,  1  e  sul  sareofago  ib.  110,  1;  a.  t.  102,  1  egli  porta  un' 
otre  sul  dorso,  ma  il  movimento  di  gambe  e  braccia  e  il  medesimo. 

2  E  per  questo  che  tutto  il  concetto  della  donna  nella  descrizione  summentovata  e 
stato  male  inteso:  ella  danza  senza  dubbio  e  non  fa  conversazione. 

A.  Furtwängler.    Kleine  Schriften.  I.  11 


QSTA  PRENESTINA   E  TECA  DI  SPECCHIO 


non  di  rado:1  come  in  tanti  altri  punti,  anche  qui  le  eiste  latine  stanno  sotto 
1'  Influenza  di  questi  vasi.  Ma  se  giä  nel  terzo  sec.  il  concetto  era  tanto  di- 
vulgato  nei  vasi  d'Italia,  secondo  tutte  le  analogie  dobbiamo  supporre  con  neces- 
sitä,  che  1'  originale  o  piuttosto  gli  original!  di  questo  e  dei  simili  concetti  rimontano 
almeno  alla  fine  del  sec.  quarto  e  sono  anteriori  all'  epoca  cosidetta  alessandrina, 
nella  quäle  perö  era  ancora  molto  in  uso;3  ma  nell'  epoca  romana  prevale  sempre 
piü  la  tendenza  a  denudare  anche  le  Baccanti  ed  anche  fra  le  pitture  pompeiane 
sono  soltanto  pochissime  figure  decorative  isolate3  che  ripetono  ancora  il  motivo 
antico.  —  Cosi  possiamo  stabilire  almeno  certi  limiti  di  tempo  nei  quali  si  usava 
il  nostro  concetto. 

Ma  c'  e  ancora  un'  altra  Baccante  velata  nella  stessa  guisa  sulla  nostra  cista; 
essa  perö  pare  riposarsi  dalla  danza  appoggiandosi  colla  mano  destra  a  quel- 
l'alto  pilastro  ed  incrocicchiando  le  gambe.  II  medesimo  pilastro  e  il  termine  a 
cui  tende  anche  la  terza  Menade,  la  quäle  non  e  velata;  porta  oltre  il  chitone 
anche  un  gran  mantello,  ha  i  capelli  corti,  e  regge  il  tirso  colla  sinistra,  mentre 
tien  protesa  la  destra  dietro  il  pilastro,  muovendo  verso  questo  con  passo  di 
danza.  Cosi  fanno  pure  i  due  Satiri  che  vengono  V  uno  da  destra  e  1'  altro  da 
221  sinistra,  in  perfetta  simmetria  rivolgendo  ambedue  un  poco  il  capo  e  apportando 
ambedue  cose  necessarie  per  un  convito.  Pare  pertanto,  che  quel  pezzo  archi- 
tettonico,  un  muro  disegnato  in  iscorcio  e  decorato  sulla  fronte  quäle  anta  con 
un  capitello  ionico,  debba  significare  1'  entrata  di  un  qualsiasi  edificio  o  tempio, 
nel  quäle  la  comitiva,  dopo  la  danza,  vuol  ricrearsi.  Una  parete  viene  anco 
accennata  da  quegli  oggetti  sospesi  che  si  scorgono  a  destra  del  Satiro  col 
cratere  e  che  hanno  tutta  V  apparenza  di  una  spada  e  di  un  unguentario.  Meno 
chiaro  ancora  e  il  significato  di  quell'  oggetto  che  pende  dal  secondo  pilastro 
minore  dietro  la  donna  danzante  (forse  e  un  paio  di  scarpe?  cf.  Elite  ceram.  II 

1  Cf.  intorno  a  tutte  lc  figure  simili  Heibig,  Untersuch,  über  d.  camp.  Wandgm.  316; 
mi  basta  aggiungere  un  esempio  di  grandissima  analogia  colla  nostra  figura,  la  Baccante 
sul  vaso  ruvese  Arch.  Ztg.  1872,  t.  70  che  e  tutta  velata  e  che  pur  rivolge  il  capo  indietro. 
H  pcraltro  da  osservarsi  che  figure  di  donne  col  capo  e  viso  velato  fino  al  naso 
nelle  pitture  vasculari  oecorrono  con  maggior  frequenza  in  istato  tranquillo  che  non  dan- 
zanti,  il  quäle  costume  e  stato  benc  spiegato  per  un  passo  di  Dicearco  da  Stephani, 
Ant.  du  Bosphore  II  45  e  CR.  1861  p.  7  (ove  perö  senza  differenza  vengono  citate  per- 
ne  tranquille  c  danzanti). 

*  Cf.  Heibig  1.  c.  e  Hcydcmann,  Marmorbildw.  in  Athen  n.  701  p.  252.  —  Ai  rilievi 
si  aggiunga  il  cratere  Borghese  Annali  1863  tav.  L,  1,  che  vedemmo  rimontare  al  quarto 
0  terzo  sec;  il  concetto  di  una  dellc  Ninfe  c  l'istesso  come  quello  della  cista;  soltanto 
il  braccio  non  e  alzato  piü  che  orizzontalmente  cosi  come  quasi  in  tutte  le  altre  repliche. 
Colle  sole  eslremitä  cambiate  si  vede  il  nostro  concetto  nel  rilievo  del  putealc  vaticann 
fierhard,  Ant.  Bildw.  t.  13  [Amelung,  Vatican  I,  Taf.  97).  —  Alle  statuine  si  deve  aggiun- 

un   bellissitno   bfonzo   a   Torino   che  fra   poco   sarä  reso  pubblico  dal  sig.  Heyde- 
mann.   | Verhüllte  Tänzerin,   1.  Hall.  Winckclmannsprogr.] 

•  Hella  villa  di  Cicerone:  Pitt.  d'Hrc.  III  29. 


con  Rappresentazioni  Bacchiche.  163 

49).  Alla  destra  poi  del  Satiro  o  Sileno  con  1'  otre  e  sospesa  una  lira  di  tar- 
tarüga,  certamente  piü  convenevole  a  cosi  fatta  compagnia  che  non  la  spada. 
Tutto  lo  spazio  rimanente  e  caratterizzato  come  aria  libera  da  que'  due  uccelli 
i  quali  servono  a  un  tempo  di  riempimento.  E  con  quest'  ultimo  scopo  si  ripe- 
tono  anche  sopra  altre  eiste  senz'  aleun'  altra  signifieazione  (cf.  p.  e.  le  eiste 
Barberiniane  descritte  nel  Bullettino  1866,  79,80  e  39;  un'  altra  del  signor  Aug. 
Castellani  mentovata  nel  Bull.  1867,  133,  ed  altre).  Gli  e  desso  un  costume 
antichissimo,  il  quäle  giä  si  osserva  nelle  note  patere  di  Cipro  e  di  Palestrina 
(p.  e.  Musee  Napol.  III  t.  12  o  Mon.  d.  I.  X  31  e  33)  e  che  poi  svanisce  per 
riapparire  in  questi  recenti  prodotti  prenestini. 

Adesso  ci  rimangono  ancora  da  esaminare  sulla  nostra  cista  Tun  dopo  l'altro, 
i  cinque  Satiri  e  Sileni.  —  Quello  in  mezzo  fra  Pane  e  la  Baccante  velata 
suona  la  doppia  tibia,  azione  che  si  puö  dire  propria  di  Sileno  e  che  spesso 
oecorre  nei  vasi  dipinti,  nei  rilievi  della  cosidetta  visita  di  Bacco  ad  Icario,  ove 
tutta  la  figura  di  Sileno  ha  qualche  somiglianza  colla  nostra,  e  neppure  manca 
negli  altri  monumenti  etruschi  o  latini,  trovandosi  sopra  tre  eiste  prenestine 
(Barberiniane,  cf.  Bull.  1866,  79  n.  6;  80  n.  7;  81  n.  8)  accovacciato  presso  aleune 
donne  ignude  in  atto  di  suonare  la  doppia  tibia.  Anche  il  mantello  ed  i  stivali 
sono  propri  del  Sileno  molle.  II  secondo  sta  a  cavalcioni  d'un  capro  tranquilla- 
mente,  regge  colla  mano  sinistra  le  redini  e  posa  la  destra  sul  collo  dell'  ani- 
male.  Egli  e  calvo  e  coronato  di  ellera  come  il  suo  compagno,  perö  ha  la  barba 
piü  lunga,  il  ventre  piü  grosso  e  un  po'  peloso;  il  panneggio  poi  e  piü  corto  222 
e  gli  pende  dalla  spalla  sinistra.  Per  riempire  lo  spazio  e  disegnato  un  rialzo 
fra  le  gambe  del  capro,  e  dietro  di  lui  serve  allo  stesso  scopo  un'  oca.  Secondo 
il  solito  idealismo  dell'  arte  greca  qui  accettato  dai  Latini,  il  Sileno  e  troppo 
piecolo  in  confronto  del  capro;  ma  d'altra  parte  se  fosse  piü  grande,  mal  potrebbe 
cavalcare  cosi  piecolo  animale.  Sono  parecchie  le  persone  mitologiche  che  tal- 
volta  cavalcano  la  capra  e  spesso  si  vede  Mercurio,1  e  non  di  rado  anche 
Venere  e  Amore,  e  nel  ciclo  bacchico  poi,  col  quäle  quest'  animale  stava  sempre 
in  istretta  relazione,  si  trovano  Sileni  o  Satiri  del  tipo  antico  e  Menadi  giä  sopra 
vasi  a  figure  nere2  e  Bacco  stesso  sopra  uno  di  Stile  severo  (Mon.  VI,  VII  67).  Tut- 
tavia  il  Sileno  del  comune  tipo  recente  non  e  troppo  ovvio  sopra  la  capra  e  nell' 
arte  romana  egli  suol  servirsi  a  preferenza  d'  un  animale  piü  forte,  cioe  dell'  asino. 
Sulla  capra  perö  si  vede  in  una  statua,  in  un  rilievo  e  in  aleune  pietre  incise.3 


1  Cf.  Stephani,  CR.  1869  p.  93. 

2  Cf.  Stephani  1.  c.  p.  70;  72.   [Furtwängler,  Münchener  Sitzungsber.  1899,  II  S.  590]. 

3  Cf.  Stephani  1.  c.  p.  67,  5  il  quäle  oltre  la  statua  presso  Clarac  731,  1759,  il  rilievo 
lateranense  (n.  116  del  catalogo)  e  le  gemme  aggiunge  anche  la  statuina  della  Gall.  dei 
candelabri  (Clarac  733,  1768);  ma  questa  non  offre  ne  capra  ne  Sileno,  giacche  l'animale 
appartiene  ad  una  specie  africana  ed  il  cavalcatore  mostra    il  corpo   (rotto  in  due  pezzi) 

11* 


154  Cista  Prenestina  e  TECA  Dl  Specchio 


Di  contro  al  nostro  Sileno  viene  ballando  un  giovane  Satiro,  che  poggia  la 
destra  al  fianco  e  stende  il  braccio  sinistro.  AI  movimento  delle  braccia  corri- 
spondono  le  gambe  in  croce.  I  capelli  irsuti,  ed  il  naso  camuso  lo  caratteriz- 
zano  un  Satiro  della  classe  inferiore,  benche  V  espressione  del  viso,  che  non  e 
greca,  si  debba  ascrivere  all'  artista  latino.  II  suo  atteggiamento  trova  analogie 
anco  nei  vasi  dipinti;1  ma  in  relazione  piü  intima  pare  stia  con  un  bellissimo 
tipo  di  Satiro  spesso  ripetuto  sopra  rilievi  di  basi  da  candelabro  o  di  vasi  di 
marmo,'-'  ove  il  braccio  sinistro  proteso  e  perö  sempre  coperto  della  nebride  e 
:1  capo  e  piü  inchinato  e  distinto  qualche  volta  da  lunghi  capelli.  Tuttavia 
quest'  analogia  non  basta  per  affermare  che  la  cista  stia  sotto  1'  influenza  di 
quel  concetto  dei  rilievi,  che  senza  dubbio  perö  anch'  esso  rimonta  almeno  al 
terzo  o  forse  quarto  secolo. 

In  mezzo,  tra  il  Satiro  ed  il  Sileno,  si  osserva  dietro  di  un'  ara  con  due 
gradini  un  erma  itifallico  barbato  colla  faccia  un  po'  satiresca,  senza  dubbio 
Priapo,  fatto  semplicemente  di  legno,  come  lo  solevano  fare  i  contadini.  E 
per  altro  degno  d'  attenzione  che  una  cotal  forma  d'  erma  e  in  generale  gli  ermi 
di  Priapo  non  si  trovano  nella  pittura  vascularia,  la  quäle  conosce  soltanto  ermi 
di  Bacco  e  di  Mercurio  nella  forma  semplice  col  fusto  non  interrotto  (cf.  la  dotta 
dissertazione  del  Gerhard  sopra  gli  ermi  [vgl.  Ephemeris  1908  Taf.  8]).  Pare 
che  anche  questa  particolaritä  stia  in  relazione  col  fatto  confermato  altrove, 
che  tutti  gli  elementi  propriamente  rustici  non  venivano  introdotti  nell'arte  altro 
che  dopo  lo  sviluppo  rappresentatoci  dai  vasi  dipinti.  E  quanto  all'  erma  di 
Priapo,  la  nostra  opinione  viene  confermata  dagli  scrittori  antichi,  fra  i  quali,  per 
quel  ch*  io  so,  Teocrito  (epigr.  4  [Bucolici  rec.  Wilamowitz  S.  82])  e  il  primo 
a  descriverci  un  tale  erma.  E  le  sue  parole  corrispondono  in  modo  singolare 
colla  forma  del  nostro  erma,  giacche  egli  non  solo  lo  chiama  di  legno, 
ma  ZQtoxeXkg,  parola  male  intesa  finora  e  per  la  quäle  non  conveniva  cercare 
un  senso  inusitato  e  poco  adattato  (cf.  Meineke  p.  400  della  terza  sua  ediz.),  ma 
che  spiegasi  perfettamente  per  quei  tre  pezzi  di  legno,  onde  e  fatto  1'  erma 
nostro:  un  pezzo  serve  di  sostegno,  1'  altro  fa  con  questo  un  angolo  ottuso  ed 
ha  il  capo  di  Priapo,  il  terzo  costituisce  il  fallo  enorme,  di  modo  che  benissimo 
potevano  confrontarsi  i  tre  pezzi  colle  tre  gambe  riunite,  simbolo  notissimo  fra 
i  Greci.  Molto  meno  adattato  sarebbe  quell'attributo  per  gli  ermi  di  Priapo,  come 
li  vediamo  sopra  rilievi  e  pitture  dell'epoca  romana,    perche  il  corpo  vi  e  tutt' 

di  una  personn  robustissima  con  pelle  rannodata  al  petto,  certamentc  Ercole.  Quanto 
alla  testa  essa  non  vi  appnrtienc  affatto  e  pare  quella  di  un  Panc  senza  corna  ossia  d'un 
Satiro  barbato. 

1  Cf.  p.  e.  Inghirami,  Vasi  fitt.  t.  99  Satiro  barbato.  Meno  simili  sono  altri,  come 
Labordc,  Vas.  LamberK  I  9.  56.    [Wien,  Sacken-Kcnner  S.  229  Nr.  169,  S.  233  Nr.  199.] 

*  P.  e.  la  base  del  Campido^lio  presso  Ri^lictti  II  310  [Hauter,  Neuatt.  Reliefs  S.  18 
Nr.  21);  il  cratere  del  Salpion,  col  quäle  combina  un  gran  rilievo  pompeiano  a  Na- 
poli  [ebenda  S.  17  Nr.  18];   pol   Gerhard,  Ant.  Bildw.  t.  45,  ed  altri. 


con  Rappresentazioni  Bacchiche.  165 

umano  fino  alle  anche.   La  nostra  cista  ci  presenta  la  forma  piü  antica  semplice 
e  rustica,  che  senza  dubbio  era  in  uso  nel  secolo  terzo  avanti  Cristo. 

Veniamo  ora  al  secondo  Satiro  imberbe  che  con  passo  danzante  porta  un 
gran  cratere.  Le  sue  membra  sono  pure  disposte  in  croce,  cosi  che  alla  gamba 
destra  corrisponde  la  spalla  sinistra  sospinta  in  avanti  e  alla  gamba  sinistra  riti- 
rata  il  braccio  destro  colla  face.  Dalla  spalla  manca  gli  scende  giü  la  nebride, 
di  cui  si  vede  sul  dorso  la  coda.  II  concetto  e  bellissimo  e,  come  quasi  tutti  224 
gli  altri  della  cista,  preso  da  un  buon  tipo  greco.  Infatti,  pressoche  identico  lo 
troviamo  sopra  un  vaso  di  Ruvo,1  ove  si  scorge  il  medesimo  atteggiamento  pit- 
toresco  della  nebride  e  lo  stesso  contrasto  attraente  tra  la  parte  superiore  del 
corpo  ripiegato  all'  indietro  e  le  gambe  atteggiate  al  passo.2  Allo  stesso  tipo 
risale  anche  il  Satiro  di  uno  specchio  (Gerhard  t.  301  probabilmente  di  Palestrina), 
ma  di  esecuzione  un  po'  trascurata.  II  concetto  appartiene  dunque  almanco  al 
secolo  terzo  avanti  Cristo,  ma  pare  che  piü  tardi  sparisse  presto,  perche  nei  rilievi 
dell'arte  greco-romana  non  mi  sovviene  di  averlo  mai  veduto;  invece  il  concetto 
analogo  di  un  Satiro  barbato  che  porta  con  ambedue  le  mani  un  cratere  sulle 
spalle,  occorre  non  di  rado  (p.  e.  Montfaucon,  Ant.  expl.  II  85  =  Hübner,  Ant. 
Bildw.  in  Madrid  n.  289). 

La  figura,  che  dall'  altra  parte  del  pilastro  ionico  si  contrappone  a  questa 
ora  considerata,  regge  sulle  spalle  un  otre  ripiena,  e  barbata  e  calva,  e  cinta  di 
corona  d'  ellera  al  capo  ed  ha  ai  fianchi  un  grembiule  rannodato  sul  di  dietro; 
la  coda  non  si  vede,  ma  potrebbe  essere  occulta.  Dai  due  Sileni  spiegati  di 
sopra  codesta  figura  si  distingue  per  la  magrezza  delle  forme,  per  la  mancanza 
degli  stivali,  per  il  grembiule  onde  e  cinta,  di  guisa  che  e  lecito  dubitare,  se 
essa  appartenga  alla  stessa  specie  di  esseri  bacchici  coi  due  Sileni.  Quanto  al  con- 
cetto, specialmente  nell'arte  italica,  ognuno  si  ricorda  che  la  statua  del  Sileno 
Marsia  sul  Foro  Romano  nel  concetto  principale  presentava  molte  analogie  colla 
nostra  figura.  E  per  quel  panno  intorno  ai  fianchi,3  esso  non  e  raro  pei  Satiri 
barbati,  ove  sta  quasi  sempre  in  relazione  coli'  occupazione  loro  piü  bassa, 
ma  si  trova  per  quel  ch'  io  so  soltanto  nei  monumenti  greco-romani  (p.  e.  nei 
rilievi  presso  Gerhard,  Ant.  Bildw.  t.  109,  2;  112,  2.  3;  Zoega,  Bassir.  t.  76  e  cf. 
Wieseler,  Satyrsp.  p.  173). 

Ma  ora  la  questione  e,    se  infatti  abbiamo  un  diritto   di  distinguere  questa  225 
figura  come  Satiro  barbato  da  quegli  altri  due  Sileni,  se  dunque  insieme  con  Sileni 
riuniti  possano  apparire  Satiri  barbati,,  e  poi  se  o  quando  nell'  arte  greca  si  trovino 


1  Heydemann,  Vasensamml.  zu  Neapel.  SA  687.  Rochette,  Choix  de  peint.  p.  27  vig.  3. 

*  Qualche  modificazione  e  cagionata  dalla  maniera  un  po'  trasandata  del  pittore  vas- 
culare,  al  quäle  faceva  piü  comodo  disegnare  la  testa  tutta  di  profilo  e  staccare  il  braccio 
destro  dal  corpo.  —  Molto  piü  si  scostano  altri,  p.  e.  Tischbein,  Vas.  Ham.  II  44. 

3  Debbo  mentovare  anche  il  cane  che  corre  a  d.  dietro  la  figura  in  discorso,  ma 
non  pare  aver  altro  scopo  che  forse  di  portar  il  nostro  occhio  al  gruppo  seguente. 


Cisia  Prenestina  e  TECA  DI  Specchio 


Sileni  in  pluralitä,  insomma  vi  e  da  esaminarsi  la  relazione  che  esisteva  fra  Sileno 
-.ltiro  per  tutto  lo  sviluppo  dell'  arte  antica  e  specialmente  nel  secolo  terzo. 

Non  sembra  dubbio  che  1'  origine  mitologica  e  locale  dei  Satiri  e  Sileni  e 
ben  diversa.  La  poesia  omerica  non  conosce  altro  che  i  Sileni,  i  quali  vengono 
menzionati  neU'inno  a  Venere  (v.  262).  Dei  Satiri,  come  servitori  di  Bacco, 
essa  non  ne  sa  nulla,  e  se  cosi  non  fosse,  li  avrebbe  introdotti  nell'  inno  a  Dioniso 
lä  dove  racconta  la  lotta  coi  pirati,  nella  quäle  il  dio  e  aiutato  soltanto  dal  leone 
e  dall'  orso.  Esiodo  invece  pare  non  conosca  che  i  Satiri,  che  sono  anche  da 
lui  messi  in  relazione  colle  Ninfe  (presso  Strab.  X  471).  Essendo  tuttavia  tra 
loro  molto  simili,  presto  i  Satiri  si  confusero  coi  Sileni.1  L'  arte  almeno  non 
conosceva  per  essi  differenza  di  sorta  fino  a  tutto  il  secolo  quinto  ed  aveva  per 
ambedue  un  unico  tipo,  il  quäle  perö  trasse  evidentemente  origine  dall'  idea  dei 
Sileni:  gli  attributi  equini,  le  unghie  (nel  tipo  piü  antico),  la  coda,  gli  orecchi 
si  riferiscono  alla  natura  di  quei  demoni  dell'  acqua,  ed  il  nome  di  Sileni  pare 
sia  anche  stato  il  piü  comune  per  quegli  esseri,  almeno  nella  vecchia  Attica: 
cosi  l'iscrizione  dei  vaso  Francois  li  chiama  Sileni,  non  Satiri.  Mentre  in  questo 
vaso  essi  hanno  ancora  i  piedi  da  cavallo,  ricevono  poi  ben  presto  sui  vasi 
jomuni  a  figure  nere  i  piedi  umani,2  ma  nondimeno  si  chiamavano  Sileni,  come 
ce  lo  prova  una  tazza  a  figure  nere  da  Egina  con  iscrizione  (Gerhard,  Auserl. 
Vas.  t.  238:  cf.  Bull.  1830,  129  [Arch.  Anz.  1889,  91,  1]).  Importante  sotto  quest' 
aspetto  e  anche  il  Marsia  di  Mirone;  essendo  originariamente  Sileno  egli  veniva 
rappresentato  in  quel  tipo  antico  che  vale  tanto  pei  Satiri  quanto  pei  Sileni,  ma 
che  nei  tempi  piü  recenti  era  proprio  soltanto  ai  Satiri  barbati.  Una  volta  creato 
questo  tipo  di  Marsia  si  conservö  per  tutta  1'  arte  antica  con  leggiere  modi- 
ficazioni  fino  ai  sarcofaghi  romani  piü  bassi;  ed  e  forse  in  conseguenza  di  ciö 
che  gli  scrittori,  dal  quarto  secolo  av.  Cristo  in  poi,  lo  chiamano  quasi  sempre 
Satiro.  Soli  alcuni  vasi  dipinti  della  bassa  Italia  e  dello  stile  piü  libero  fanno 
alcuni  tentativi   per  caratterizzarlo  quäle  Sileno  dei  tipo  recente.3 

1  Marsia  p.  e.  nella  tradizione  originaria  dell'Asia  Minore  ccrtamente  era  Sileno  (cosi 
lo  chiama  l'autore  piü  antico  che  nc  parli  coi  nome  suo,  cioe  Erodoto  VII  73,  e  anche 
Pausania),  ma  nella  Grecia  veniva  idcntificato  con  un  Satiro  e  cosi  si  chiama  giä  da  Pla- 
tonc  (Symp.  p.  215  B,  cf.  Michaelis,  Annali  1858  p.  301 ;  307)  in  un  passo  ov'  e  chiaro 
che  egli  non  distingue  il  tipo  dcl  viso  di  Satiro  da  quello  dei  Sileni.  —  Quei  Sileni 
pcraltro,  con  fistola  o  flauti,  mentovati  ivi  da  Piatone  come  armadi  degli  scultori  per  lc 
immagini  degli  iddii,  io  non  me  li  posso  immaginar  meglio  che  mediante  quelle  figure 
di  Sileni  sedenti  dei  tipo  antico  sul  lampadario  di  Cortona  (Mon.  III  42;  simili  altrove). 
Certamente,  secondo  le  parole  di  Piatone,  non  erano  ermi  senza  mani,  ed  e  una  diversa 
«•peeie  di  armadi  quella  che  descrive  il  Maximus  nel  passo  citato  dallo  Jahn  (Sympos. 
p.  112  scc.  ed.). 

2  Tuttavolta  neH'arte  ctrusca  si  conservava  piü  a  lungo  l'antico  tipo  equino. 

*  Gli  son  dati  gli  stivali  nei  vasi  Elite  ccr.  II  64.  67.  74  c  Revue  arch.  II  42  (?),  gli 
orecchf  da  porco   (intorno  cui  v.  piü    sotto)    nel  vaso  Bitte  II  72.     In    duc   altri    egli    ha 


con  Rappresentazioni  Bacchiche.  167 


Ma  quando  apparisce  quest'  ultimo?  —  Due  vasi  con  iscrizioni  sono  a  pro- 
varci,  che  nella  prima  metä  del  quarto  secolo  non  si  era  ancor  fissato  un  tipo 
speciale  di  Sileno.  V  uno  proviene  dall'Attica  stessa  e  mostra,  in  un  ricco 
tiaso  bacchico,  un  Satiro  barbato  del  comune  tipo  antico,  che  con  ambedue  le 
mani  si  alza  da  terra;  1'  iscrizione  lo  chiama  Zdevog;  lo  Stile  e  assai  libero,1 
ma  la  forma  delle  lettere,  anteriore  ad  Euclide,  vieta  di  ritenerlo  molto  poste- 
riore all'anno  400  a.  Cr.  L'altro  vaso,  di  pittura  piü  recente,  appartiene  alla  col- 
lezione  Jatta  a  Ruvo  (catalogo  n.  1093);  ciascuna  figura  del  ricco  tiaso  rap-227 
presentatovi  ha  la  propria  iscrizione,  ma  quel  Satiro  barbato  col  nome  Hdrjvog, 
che  sta  suonando  la  doppia  tibia,  non  si  distingue  affatto  dagli  altri  Satiri  bar- 
bati  d'  intorno.2  —  Non  meno  interessante  e  la  rappresentanza  di  un  vaso  chiu- 
sino  dello  stile  bello,  in  cui  il  Sileno  (e  giusta  il  mito  non  e  uno  della  specie, 
ma  il  Sileno)  venendo  condotto  prigioniero  dinanzi  a  Mida,  ha  ancora  quel- 
l'antico  tipo,  toltine  gli  orecchi  ripiegati  in  giü,  a  guisa  di  quelli  del  porco  (An- 
nali 1844  tav.  d'  agg.  H).  Simili  tentativi  di  fissare  una  nuova  caratteristica  si 
trovano  anche  in  altri  vasi  dello  stile  bello.  Importante  e  per  questo  riguardo 
un  vaso  siciliano  ora  a  Palermo  (Mon.  IV  10),  ove  Sileno  prigioniero  e  distinto 
dai  Satiri  barbati  soltanto  per  la  mancanza  della  coda;  sullo  stesso  vaso  perö 
alcuni  altri  segni  caratteristici  del  nuovo  tipo  sono  impartiti  ad  altri  Satiri  bar- 
bati, dei  quali  uno  p.  e.  ha  le  scarpe  e  due  altri  gli  orecchi  da  porco.3  Man 
mano  perö  il  nuovo  tipo,  che  qui  e  fluttuante  ancora,  si  fissa,4  per  distinguere 
dalla  schiera  degli  altri  un  solo  Sileno,  che  piü  non  apparisce  in  pluralitä;  anzi 
di  solito  sui  vasi  dipinti  egli  non  viene  congiunto  piü  con  Satiri  barbati  ma 
soltanto  con  quegli  imberbi6  e  mostra  di  stare   cosi   in   istretta  relazione    con 


tutta  1'  apparenza  del  Papposileno  (ma  tiene  ancor  la  coda)  Elite  II  69  e  Arch.  Ztg.  1869 
t.  17.  —  Forse  con  questo  fatto  devesi  mettere  in  relazione  un  altro,  cioe  che  il  Marsia 
nazionale  degli  Itali  e  specialmente  de'Latini,  quello  che  non  aveva  da  fare  con  Apolline 
ma  che  si  venerava  sul  foro  tanto  a  Roma  quanto  nei  municipi,  aveva  (secondo  le 
monete  ed  i  due  gran  rilievi  del  Foro  Romano)  il  tipo  di  Sileno  distinto  per  la  grassezza, 
aveva  gli  stivali  e  portava  l'otre,  perö  come  sui  vasi,  ancora  aveva  la  coda:  probabil- 
mente  questo  tipo  s'  e  fissato  frai  Latini  nel  medesimo  tempo  (il  sec.  terzo)  quando  1' 
arte  dell'Italia  meridionale  trasferiva   la  special   caratteristica   di   Sileno   al  Satiro  Marsia. 

1  Sgraziatamente  il  Dumont  (nella  Gaz.  des  beaux  arts)  Vases  peints  de  la  Grece 
pr.  p.  9  [=  Ceramiques  de  la  Grece  propre  par  Dumont  et  Chaplain  II  S.  88]  non  ha 
pubblicato  che  un  frammento  del  vaso  importantissimo.  Una  descrizione  completa  vedi 
nei  Göttinger  gel.  Nachrichten  1874  p.  11.  [Berlin  2471.    Samml.  Sabouroff  Taf.  55.] 

2  Secondo  la  gentile  comunicazione  del  sig.  prof.  Heydemann  fatta  davanti  1'  originale. 

3  Uno  inoltre  e  tutto  calvo,  se  pur  i  capelli  e  la  barba  non  sono  invece  svaniti. 

4  Mentre  il  vaso  pugliese  nel  Compte-rendu  dello  Stephani  1863  t.  5,  3  non  gli 
da  che  gli  stivali  e  gli  orecchi  da  porco,  altri  gli  danno  anche  la  grassezza  del  ventre 
e  spesso  il  mantello;  ma  la  coda  generalmente  vien  mantenuta  ancora  nei  vasi. 

5  Sul  vaso  di  Pietroburgo  n.  851  uno  dei  due  Satiri  barbati  ha  i  capelli  bianchi 
senza  avere  perö  il  tipo  speciale  di  Sileno.  —  Satiri  imberbi  con  Sileno  p.  e.  Bull.  Nap. 


|58  ClSTA  PRENESTINA  E  TECA  DI  SPECCHIO 

qtiello  svfluppo  che  toglieva  la  barba  ai  Satiri  comuni.  Ed  infatti  il  nuovo  tipo 
di  SUeno  sta  nolla  inedosima  relazione  coli'  antico  tipo  dei  Satiri  barbati  come 
■tiri  giovanili:  sono  ambedue  derivati  da  lui  e  non  appariscono  che  nello 
stile  sciolto  dopo  alcuni  tentativi  nello  stile  bello,1  e  tuttavia  sopra  ambedue 
nella  pittura  vascularia  anche  del  secolo  terzo  predomina  quel  tipo  antico. 

Non  dobbiamo  tralasciar  un'  altra  maniera  di  distinguere  il  Sileno  solo  rela- 
tivamente  piü  frequente  nei  vasi,  ed  e  il  Papposileno  tutto  coperto  di  pelo. 
Non  era  questo  un  tipo  tutto  nuovo,  dappoiche  giä  nei  vasi  a  figure  nere  Satiri 
pelosi  occorrono  tal  fiata,  ma  frammischiati  agli  altri  senz'  alcuna  distinzione.2  Indi 
si  perdono  nei  vasi  dello  stile  severo  e  ritornano,  in  tutt'  altro  modo,  e  non 
con  pelo  naturale  ma  con  un  rivestimento  siffatto  e  per  lo  piü  con  stivali,  nei 
vasi  di  stile  libero,  dove  il  Papposileno  e  una  persona  ben  distinta  dalla  schiera 
degli  altri  Satiri.  Non  v'ha  dubbio  che  questo  nuovo  sviluppo  sia  cagionato 
dal  dramma  satiresco,  nei  quäle  un  Sileno  figurava  come  padre  e  soprastante 
del  coro  dei  Satiri,  e  questo  Sileno  nei  vaso  notissimo  Mon.  III  31  ha  quel  rivesti- 
mento peloso  e  probabilmente  l'avrä  avuto  anche  il  Sileno  del  Ciclope  euripideo.3 
Se  aggiungiamo  all'  influenza  del  dramma  il  comparire  dei  Satiri  imberbi,  avremo 
le  due  ragioni  che  facevano  nascere  nell'  arte  del  secolo  quarto  il  tipo  di  u  n 
Siieno  padre  dei  Satiri.4  Infatti  anche  Papposileno  ormai  non  si  trova  piü  in 
.^''pluralitä,5  ed  e  persona  che  sta  tutta  da  se.     Egli  e  curatore  di  Bacco  fanciullo 


n.  s.  IV  3;  V  13,  altri.  —  Piü  spesso  si  trovano  Satiri   imberbi   insieme  coli'  antico  tipo 

dei  Sileni  o  Satiri  barbati  (che  venivano  poi  rimpiazzati  da  quel  nuovo  Sileno  solo): 
giä  sul  monumento  di  Lisicrate  e  sui  vasi  p.  e.  Millingcn,  Coli.  div.  1.  2;  Tischbein, 
Harn.  II  51.  III  15.  I  51;  Gerhard,  Apul.  Vasenb.  t.  4.  2;  Stephani,  CR.  1873  t.  6  etc. 

(nell'  ultimo  vaso  il  Satiro  imberbe  non  ha  coda,  ciö  che  accade  anche  altrove  nei  Satiri 

piü  nobili,  p.  e.  Bull.  Kap.  n.  s.  V  13). 

1  Quanto  ai  Satiri  giovanili  accenno  a  quelli  che  non  si  distinguono  dall'antico  tipo 

che  per  la  mancanza   della  barba  e   ritengono   perciö   anche   la   calvizie.   Cf.  gli  esempi 

raecolti  dal  Gerhard,  Hyperb.  Stud.  II  115,  96,  ai  quali  s'aggiungano  Mus.  Greg.  II  18,2; 

O.  lahn,  Vasenb.  t.  II  e  parecchl  altri,  specialmente  alcuni  crateri  di  S.  Agata  dei  Goti  a 

Napoli. 

*  Cf.  i  vasi  di  Monaco  n.  685  (1444];  Pictroburgo  n.  216;  Mon.  X  8  [Furtwängler- 
keichhold,  Vasenmalerei  I  Taf.  41)  (ov'  hanno  anche  le  ungliie).  Senza  compagni  in  im 
vaso  di  Monaco  fn.  601  [2088])  c  in  uno  del  sig.  Aug.  Castellani,  ove  sta  in  agguato  per 
una  donna.   Cf.  anche  il  graffito  arcaico  Gerhard,  Ant.  Bildw.  56,  2.  3. 

*  Cf.  Wicscler,  Satyrspiel  p.  29. 

4  Questa  senza  dubbio  era  1'  idea  principale  del  Papposileno  c  quanto  al  suo  vesti- 
mento  il  eh.  Wieseler  (I.  c.  p.  133)  avrä  ragione,  se  egli  lo  riguarda  non  tanto  come 
animalesco  ma  come  Mgno  della  mollizic;  ma  se  egli  perciö  vuol  riferirc  il  passo  di 
Pollucc  loHanto  alla  maschcra  del  vi$o,  non  posso  aeconsentire,  parendomi  molto  piü 
•  abile  che  Polluce  stesso,  dietro  la  descrizionc  del  suo  autore,  abbia  preso  quel  vesti- 
mento  in  segno  di  una  natura  piü  animalesca. 

*  Cf.  Wicscler  1.  c.  p.  29.    —  Soltanlo    il    vaso    presso    Passeri  t.  263  =  Miliin,  Vas. 

ist«  or.i   a  l.cydcn,  cf.  Iansscn,    Monum.  van  het  mus.  van  Outhcden 


con  Rappresentazioni  Bacchiche.  169 


giä  nel  bellissimo  vaso  di  stile  proprio  attico  nel  Museo  Gregoriano  (vol.  II  t.  26, 
proviene  da  Vulci)  e  porta  il  suo  allievo  sulle  spalle  nella  nota  statua  d'Atene 
(Kekule,  Bildw.  im  Theseion  p.  16;  cf.  Friederichs,  Baust,  n.  621  [Friederichs-Wolters 
1503]),  ove  il  suo  rapporto  col  teatro  riesce  anche  piü  chiaro  per  ciö  che  Bacco  quäl 
dio  del  dramma  tiene  in  mano  una  gran  maschera  scenica.  Quanto  al  tipo  del  viso 
assai  espressivo,  si  scorge  il  medesimo  nel  Papposileno  del  teatro  di  Dioniso  a 
Atene  (Mon.  IX  16)  che  serve  di  sostegno  architettonico  e  che  appartiene  probabil- 
mente  (cf.  Annali  1870, 99)  al  tempo  stesso  di  quell'altro,  cioe  al  quarto  secolo.  Una 
replica  esatta  di  lavoro  romano  e  stata  trovata  recentemente  sull'Esquilino  (Bull, 
com.  1875  t.  14);  essa  e  soltanto  cambiata  in  decorazione  di  fontana  soppor- 
tando  1'  otre  traforata.  Una  particolaritä  che  si  osserva  molto  bene  nell'  originale 
(non  visibile  nella  pubblicazione  citata)  sono  gli  orecchi  pendenti  e  grassi  simili 
a  quelli  del  porco,  ancor  essi  pelosi.  Secondo  ciö  che  mi  vien  comunicato  da 
Atene,  lo  stesso  si  scorge  dall'osservatore  attento  anche  nell'originale  d'Atene.1 
Questi  tre  monumenti  statuari  ci  porgono  la  migliore  idea  del  tipo  attico  di 
Sileno  nel  quarto  secolo,  il  quäle  quanto  all'espressione  del  viso  differisce  di  molto 
da  quello  noto  da  parecchie  statue  romane  (p.  e.  Mus.  Chiaram.  I  40  [Amelung, 
Vatican  I  Taf.  71],  41;  Pio-Cl.  I  45),  ma  dall'  altra  parte  corrisponde  perfettamente 
colla  faccia  di  Socrate,  che  ai  suoi  tempi  veniva  confrontato  con  Sileno.  Perö  non 
e  qui  il  luogo  di  comparare  piü  a  lungo  i  tipi  artistici,  che  richiederebbesi  un 
lavoro  speciale,  nel  quäle  si  dovrebbe  assegnar  p.  e.  anche  il  giusto  suo  posto  alla 
celebre  statua,  conservata  in  parecchie  repliche,  di  Sileno  portante  Bacco  fanciullo 
sulle  braccia  [Furtwängler,  Glyptothek  238],  ov'  egli  ha  piuttosto  le  forme  svelte 
e   robuste  dell'  antico  tipo  dei  Satiri  barbati  anziehe  quelle  del  vero  Sileno.2 

Avendo  ormai  accennato,  come  nel  secolo  quarto  quasi  contemporaneamente  230 
si  sviluppava  il  tipo  prediletto  d'Atene,  il  Sileno  padre  e  Papposileno  col  rivesti- 
mento  scenico,  e  quell'altro  tipo  che  si  distingue  fuor  dell'etä  specialmente  per 
la  grassezza  e  mollizie  e  che  nei  secoli  posteriori  divenne  il  piü  comune,3  desi- 
dero  rilevar  di  nuovo  soltanto  quella  toccata  particolaritä  degli  orecchi  da  porco, 
i  quali  appartengono  ai  segni  caratteristici  di  ambedue  le  forme,  con  cui  si  stac- 


te  Leyden  p.  175  n.  1814)  offre  due  Papposileni;  ma   possono   riguardarsi   piuttosto   per 
a  ripetizione  di  una  sola  persona  anziehe  per  due  persone  diverse. 

1  Anche  nella  sopracitata  statua  del  Teseo  di  Atene  io  poteva  osservar  questa  forma 
dell'orecchio  in  un  gesso  esistente  a  Roma. 

2  Egli  ha  anche  la  coda  (almeno  nell'  esemplare  vaticano)  e  forma  evidentemente 
un  passaggio  fra  1'  antico  ed  il  nuovo  tipo  di  Sileno,  nato  con  probabilitä  quando  quest' 
ultimo  non  era  ancora  ben  fissato  generalmente.  —  Dall'altro  canto  pare  che  quel  posteriore 
tipo  di  Sileno  nelle  sopramentovate  statue  romane,  sia  derivato  dal  viso  di  questo  an- 
ziehe dal  Papposileno  attico;  ma  non  posso  dilungarmi  sopra  queste  cose,  interessantissime 
peraltro. 

3  La  relazione  piü  precisa  di  queste  due  forme  di  Sileno  sarebbe  ancora  a  fissarsi: 
basti  adesso  d'  osservare  che  non  appariscono  sui  vasi  1'  una  accanto  all'  altra. 


J  -()  ClSTA  PKENEST1NA   E  TECA  Dl  SPECCHIO 


Cava  U  Sileno  solo  dall'  indistinta  scliiera  antica.  Non  sono  rari  nei  vasi  dipinti 
di  Stile  libero.1  Ma  ciö  che  vieppiü  ci  interessa  si  &  che  i  monumenti  etruschi 
del  terzo  secolo  li  danno  al  loro  Sileno  quasi  sempre,  quando  pur  non  vengono 
iralasciati  del  tutto  come  nella  nostra  cista.  La  cista  Ficoroni  invece  giä  offre 
ben  espressi  quegli  orecchi  e  la  seguono  le  altre  eiste  e  gli  specchi  (tutti  per 
quanto  io  sappia  d'  origine  prenestina).'J  E  pare  infatti  che  nell'antico  Lazio  la 
relazione  del  Sileno  col  porco  abbia  avuto  una  speciale  popolaritä,  ne  per  nulla 
231  una  moneta  di  Signia  congiunge  la  testa  di  Sileno  col  capo  e  le  gambe  di  un 
cinghiale  (Poole,  Catal.  of  gr.  coins.  Italy  p.  44).  —  Del  resto  anche  non  pochi 
monumenti  dell'arte  greco-romana,  che  tutti  paiono  risalire  ad  originali  incirca  del 
terzo  secolo,  ritengono  quella  stessa  forma  degli  orecchi,  e  notissimo  e  infatti 
il  busto  vaticano3  che  in  modo  ammirabile  trasforma  tutto  il  viso  di  Sileno 
secondo  la  natura  del  porco.  Aggiungi  assai  esempi  finora  non  osservati,  come 
fralle  pitture  pompeiane  almeno  un  esempio  certo  si  scorge  nel  grande  e  bello 
quadro  descritto  dall'Helbig  n.  1239;  e  fralle  statue  parecchi  altri,  come  una 
statuetta  della  Galleria  dei  candelabri  (n.  256;  inesattamente  pubblicata  da  Visconti, 
Pio  Cl.  VII  3)  di  medioere  lavoro,  la  quäle  per  il  viso  risale  a  quel  tipo  proprio 
attico,  che  si  risente  puranco  benche  piü  modificato  nella  statuetta  pompeiana 
di  fontana  (Mus.  di  Napoli  [Clarac  734  D  1771])  che  tiene  un  gran  corno  sul 
ginocchio.  Ivi  la  statuetta  di  bronzo,  ove  Sileno  cavalca  sopra  V  otre,  ha  i 
medesimi  orecchi  [Villa  Ercolanese  Tai  16,  8  S.  270,  44].  Ma  fra  i  piecoli 
bronzi  merita  special  menzione  una  bellissima  figurina  del  museo  Kircheriano 
ritraente  Sileno  chinato  sopra  i  ginocchi  posti  esattamente  l'uno  accanto 
l'altro,  e  in  atto  di  alzare  le  braccia  per  ricevere  un  carico:  la  testa  fornita 
degli   orecchi   in    discorso,    come  tutto   il  corpo,   risente  una  moderata  severitä 

1  Sono  sempre  intesi  quegli  orecchi  grassi  e  ripiegati  ingiii.  Nel  vaso  sopra  dis- 
cusso  Mon.  IV  10  non  appartengono  ancora  a  un  Sileno  solo,  come  poi  sempre;  p.  e. 
Ölte  II  72;  Arch.  Ztg.  1855  t.  83;  Bull.  Nap.  n.  s.  IV  3;  CR.  1863  t.  5,  3.  Tischbein  II  37 
(Papposileno  simile  sopra  un  vaso  policromo  del  sig.  Simmaco  Doria  a  S.  Maria  di 
Capua),  molti  altri  non  pubblicati,  p.  e.  Napoli  n.  1759,  ove  la  descrizione  deH'Heydemann 
erroneamente  menziona  un  Satiro  barbato,  mentre  c  Sileno  calvo,  con  alti  stivali  e  cogli 
orecchi  in  discorso;  singolare  e  il  modo  come  e  avviluppato.  —  Lo  Stephani  CR.  1863 
p.  229  menzionando  aleuni  esempi  annovera  anche  il  vaso  di  stile  legato  Luynes,  Descr. 
t.  30  che  non  vi  appartiene  affatto,  i  Satiri  barbati  dell'antico  lipo  stendendo  avanti  pieni 
di  cupidigia  i  soliti  orecchi  equini. 

7  Cf.  il  coperchio  della  cista  Mon.  IX  22  coH'iscrizione  Ebrios;  lo  specchio  ib.  t.  24, 
il  Sileno  coH'iscrizionc  di  Marsia;  uno  specchio  del  sig.  Aug.  Castellani,  ove 
Sileno  alzando  una  Corona  e  tenendo  un  caduceo  (!)  sta  presso  una  donna  c  un  altere; 
anche  Gerhard,  I.tr.  Spieg.  t.  291  A.  —  Gli  orecchi  non  sono  poi  benc  espressi  nella  cista 
Mon.  VI  10  (ove  nel  disegno  paiono  umani)  c  in  tre  altre  Barbcrinianc  descritte  nel 
Bull.  1868,  p.  79.  80.  81. 

1  Visconti,  Pio-Cl.  VI  9.  1  [Amelung,  Vatican  II  Taf.  72  Nr.  321];  la  forma  di  busto 
f;inaria. 


con  Rappresentazioni  Bacchiche.  171 


di  stile  conformemente  allo  scopo  suo  tettonico.  Frai  rilievi  mentovo  quel  bello 
del  Vaticano  pubblicato  inesattamente x  dal  Visconti,  Pio-Cl.  IV  28  [Amelung, 
Vatican  II,  Taf.  66]  ove  occorrono  gli  stessi  orecchi.  I  quali  infine  non  sono 
rari  in  maschere  decorative,  come  si  vedono  nella  grande  maschera  di  marmo 
nel  Laterano  (catal.  n.  377),  in  un'  altra  simile  nel  museo  Kircheriano,  in  due 
altre  nella  villa  Albani,  poi  in  quella  che  tiene  il  ragazzo  nella  statua  capitolina 
(Righetti  I,  90  [Heibig,  Führer2  533])  e  qualche  volta  anche  ai  manichi  dei  vasi 
di  bronzo  (p.  e.  Napoli  picc.  br.  n.  7749). 

Or  ci  resta  di  vedere  in  che  relazione  stia  il  tipo  speciale  di  Sileno,  svilup-  232 
pato  come  sappiamo  soltanto  nel  secolo  quarto,  cogli  altri  Sileni  oSatiri  bar- 
bati.  —  Sul  vaso  del  dramma  satiresco  (Mon.  III  31)  vediamo  Papposileno  colla 
barba  bianca,  ch'  e  la  propria  sua  maschera,  accanto  al  coro  dei  Satiri  barbati 
tutti  quanti;  tuttavia  negli  altri  vasi  dipinti,  come  osservammo  giä  sopra,  non 
viene  congiunto  con  Satiri  barbati  ma  spesso  con  giovani,  e  lo  stesso  accade 
nei  monumenti  etruschi  o  piuttosto  latini,  ove  Sileno  ha  perö  la  sua  special 
significazione  di  dio  delle  acque  e  delle  fontane2  e  non  trovasi  quasi  mai  riunito 
con  Dioniso.  La  nostra  cista  pertanto  introducendolo  nel  tiaso  bacchico  anche 
in  questo  punto  s'avvicina  piü  ad  original!"  greci.  Quanto  poi  ai  Satiri  barbati, 
cosi  come  sono  usati  anche  nella  pittura  vasculare  piü  recente  accanto  ai  Satiri 
giovani,  non  cessano  di  comparire  neppure  nei  monumenti  etruschi  delterzo  secolo.3 

Tutt'altro  avviene,  se  ci  rivolgiamo  alle  pitture  parietali  di  Pompei  ed  Er- 
colano,  giacche  qui  e  sparito  quasi  interamente  il  Satiro  barbato  —  nel  catalogo 
dello  Heibig  si  trova  soltanto  due  volte  e  anco  come  figura  isolata:  n.  435  e 
440  —  ed  il  tiaso  Consta  dei  soli  Satiri  giovani  intorno  al  vecchio  loro  maestro 


1  Gli  orecchi  sono  disegnati  come  umani,  donde  1'  errore  del  Gerhard,  Hyperb. 
Stud.  II  112,  84.  —  Orecchi  umani  peraltro  non  possono  negarsi  neanco  nei  Satiri  giovani 
dell'arte  statuaria,  ed  in  primo  luogo  debbo  mentovare  una  statua  del  museo  Torlonia 
a  Roma  (n.  15  del  catalogo  ancora  fuor  di  commercio),  ove  un  cattivo  corpo  porta  la 
bella  testa  (che  non  gli  appartiene)  di  un  Satiretto  molto  giovane,  coronato  di  pine  e 
con  orecchi  umani.  Anche  due  teste  del  piccolo  museo  sul  Palatino,  esse  pure  coronate 
di  pine,  non  possono  essere  che  Satiri  giovani  a  malgrado  degli  orecchi. 

2  E  quest'e  la  sua  significazione  nelle  eiste  sopracitate  per  gli  orecchi,  e  inoltre  in 
quella  Annali  1868,  414  n.  71.  —  E  poi  a  rammentarsi  che  anche  il  Papposileno  del  teatro 
di  Bacco  ad  Atene  e  stato  cambiato  dai  Romani  in  un  largitore  d'aequa. 

3  Cf.  le  eiste  seguenti:  Annali  1866,  159,  3  (Gerhard,  Etr.  Spieg.  t.  6)  ove  il  Satiro 
rimpiazza  il  tibicine  negli  esercizl  ginnastici,  ciö  che  non  si  troverebbe  facilmente  in 
monumenti  greci;  Mon.  VI  54;  Mus.  borb.  XIV  40  al  coperchio;  Bull.  1870,  101; 
Mon.  VI,  VII  61—64  piede  di  cista.  Cf.  anche  gli  specchi  di  stile  libero  presso  Gerhard 
t.  106;  315  (quello  a  t.  309  mi  pare  falso).  —  Nei  vasi  dipinti  di  fabbrica  etrusca  di 
stile  recente  perö  i  Satiri  barbati  sono  piü  comuni  degli  imberbi  (ve  ne  sono  parecchi 
non  pubblicati  nel  Museo  Gregoriano  ed  altrove);  anche  uno  dei  rari  vasi  dipinti  finora 
usciti  dal  suolo  di  Palestrina,  ch'e  una  piecola  cista  della  solita  forma  con  coperchio,  ma 
senza  piedi  (alta  0,14;  e  nel  possesso  del  sig.  Aug.  Castellani),  offre  la  testa  di  un  Satiro 
barbato  di  fronte  ad  una  testa  muliebre  bianca,  piü  volte  ripetuta. 


QSTA  PRENESTINA  E  TECA  DI  SPECCHIO 


Sileno.  La  forma  antica  di  quest'ultimo,  la  forma  del  dramma  satiresco,  cioe  il 
Papposileno  tuttavia  qui  e  sparito  anche  lui,  e  negli  altri  monumenti  greco-ro- 

233 man!  e  almeno  divenuto  rarissimo.  Piü  di  frequente  s'  incontrano  dei  Satiri  bar- 
bati  in  parecchi  monumenti  dell*  arte  greco-romana  che  rimontano,  con  molta 
probabilitä,  ad  originali  dell'  epoca  dei  diadochi  e  riempono  cosi  la  lacuna  fra  i 
vasi  dipinti  e  quelle  pitture  parietali,  dimostrando  che  anche  l'arte  alessandrina 
usava  ancora  l'antico  tipo  dei  Satiri  o  Sileni,  limitandosi  a  dargli  un'apparenza 
piü  nobile,  un  naso  piü  retto,  la  capigliatura  ricca,  e  ben  distinguendolo  dal 
vero  Sileno,  al  quäle  adesso  non  di  rado  vedesi  opposto  nella  stessa  rappresen- 
tanza.  I  monumenti  a  cui  alludo,  sono  specialmente  rilievi  di  vasi  marmorei  o 
di  basi,  nei  quali  suol  predominare  1'  influenza  dell'arte  del  quarto  e  terzo  se- 
colo.1    Molto  piü  raro  e  riscontrarlo  sopra  sarcofaghi.'-  —  Quanto  poi  all'  arte 

234statuaria  1'  invenzione  del  gruppo  di  un  Satiro  barbato  che  ha  attaccato  libidinosa- 
mente  un  Ermafrodito  che  ne  lo  respinge,  non  puö  essere  anteriore  al  secolo 
terzo  a.  Cr.  Di  questo  gruppo  esiste  un  esemplare  a  Berlino  [Beschrbg.  d.  ant. 
Skulpt.  195],  un  altro  e  presso  Clarac  671,  1736,  ma  ambedue  hanno  moderna  la  testa 
del  Satiro.   Perö  a  Roma  nel  museo  Torlonia  si  trovano  due  repliche,  delle  quali 


:  Si  confrontino  per  ciö  lc  basi  di  Vcnezia  presso  Zanetti  II  35  [Hauser,  Neuatt. 
Rel.  S.  91  Nr.  13];  un'  altra  molto  bella  dall'  Esquilino  (descritta  inesattamente  nel  Bull, 
com.  1874,  252,  7),  ove  il  Satiro  barbato  danzante  verso  d.  e  rivolgente  il  capo  tiene 
nella  sin.  abbassata  il  tirso  e  nclla  d.  la  patera  come  pare  a  modo  dei  giuocatori  del 
cottabo.  Composizioni  piü  grandi  sono:  Hübner,  Ant.  Bildw.  in  Madrid  n.  289  [Arndt, 
Kinzelaufnahmen  1690—93];  il  cratere  bacchico  del  Museo  capitolino  (tom.  IV  t.  58 
[Hauser  S.  105  Nr.  40]),  il  cratere  coll'insania  di  Licurgo  (Mon.  IX  45  [Hauser  S.  105  Nr.  38]), 
e  quello  che  adorna  il  noto  fregio  del  foro  Traiano  (Mus.  lateran.  catal.  n.  59);  poi  nello 
stesso  Museo  lateranense  n.  324  il  rilievo  di  una  colonna,  ove  il  Satiro  si  distingue 
chiaramente  dal  Sileno  ed  ha  pure  i  capelli  irsuti;  delle  grandi  corna  caprine  mcntovate 
dal  catalogo  io  non  poteva  vcderc  nemmanco  la  traccia.  —  Non  di  rado  il  tipo  barbato 
t  frammisto  ai  Satiri  vendemmianti;  cosi  sulla  bellissima  base  ov'  e  pur  ancora  Pap- 
lleno,  Mus.  Horb.  II  11  [Hauser  S.  103  Nr.  35a];  sul  cratere  presso  Piranesi,  Vasi  II 
J9  [Brit  Mus.  2502]  ed  il  cratere  vaticano  Beschr.  Roms  II  2,  277,  24  [Hauser  S.  103 
(5c].  —  Non  c  raro  il  nostro  tipo  infine  ncppurc  in  rilievi  di  terracotta  (p.  e.  Cam- 
pana, Opere  t.  51). 

2  II  bellissimo  sarcofago,  prov.  da  Napoli,  nel  Vaticano  (Mus.  Pio-Cl.  IV  21)  d'  in- 
venzione stupenda  ce  n'  offre  due  cinti  di  grembiali  di  pelle,  nonche  un  Sileno  contrad- 
distinto  a^li  stivali  ed  al  mantello  (le  restaurazioni  non  sono  di  rilevanza).  Sul  rieco 
coperchio  del  sarcofago  lateranense  n.  373  (riprodotto  ma  inesattamente  nel  punto  seguentc 
nei  Mon.  VI.  VII  80,  2)  il  Sileno  non  e  che  uno  solo  come  sempre,  e  la  figura  a  sin. 
per  la  sua  magrcv.za,  per  gli  abbondanti  capelli  c  per  la  pelle  che  ha  intorno  alle  coscie, 
mostra  d'appartencre  al  tipo  dei  Satiri  barbati.  —  In  un  sarcofago  di  Londra  (Anc.  Marbl. 
•  [Cat  of.  Sculpt.  2298])  dl  (lue  Sileni  uno  e  moderno.  Un  Satiro  barbato  sopra  il 
o  Ib.  t.  37  [Nebenseite  desselben  Sarkophags].  Per  lc  molte  ristaurazioni  in  gesso 
non  si  puo  addurre  per  certo  il  sarcofago  Matlci  (Mon.  Matth.  III  8,  1  [Matz-Duhn  2301]) 
citato  dal  Gerhard,  Hypcrb.  Stud.  II  118.  —  Piccolc  barbaccie  di  manicra  proprio  barbara 
portano  i  Satiri  di  un  sarcofago  napoletano  assai  tardo  (Gerhard,  Neap.  ant.  Bildw.  n.  452). 


con  Rappresentazioni  Bacchiche.  173 

una  conserva  anche  la  testa  del  Satiro  barbato,  coronata  di  pino  e  con  un'  espres- 
sione  selvaggia,  siccome  tutto  il  corpo  e  robusto.1  II  celebre  Satiro  della  villa 
Borghese  [Heibig,  Führer2  987[  che  suona  le  tibie  anche  lui  difficilmente  sarä 
anteriore  ad  Alessandro  Magno.  —  Appartengono  qui  anche  alcuni  noti  bronzi2 
e  principalmente  il  famoso  Fauno  di  Pompei  (Denkm.  a.  Kunst.  II  530  [Friederichs- 
Wolters  1504]),  il  quäle  non  e  che  un  Satiro  barbato;  perche  non  v'  ha  dubbio, 
che  tal  fiata  si  aggiungevano  (ma  certamente  non  prima  del  terzo  secolo)  delle 
corna  anche  ai  Satiri  barbati  come  a  quegli  imberbi.3 

Alla  fine  di  questa  rivista  non  voglio  tralasciar  una  doppia  testa  interes- 
santissima  del  museo  Chiaramonti  (vol.  III  t.  91  [Amelung,  Vatican  I  Tai  47 
Nr.  229]),  che  da  una  parte  offre  il  solito  Sileno  dell'arte  greco-romana,  e  dall'altra 
il  miglior  esempio  del  tipo  arcaico  di  Sileno,  che  ancora  non  si  distingueva  dalla 
schiera  dei  Sileni  o  Satiri  barbati.  II  contrasto  e  riuscito  in  modo  stupendo  e 
si  puö  indagare  fino  agli  Ultimi  dettagli.*  L'  intenzione  dell'  artista  di  certo  non 
era  se  non  che  di  rappresentare  la  stessa  persona  sotto  forme  diverse,  e  cosi 
questo  prezioso  monumento  e  a  provarci  di  bei  nuovo  che  nei  tempi  dello  Stile  235 
severo  e  legato  non  v'  era  altro  tipo  di  Sileno  che  quello  comune  a  tutto  il  coro 
bacchico. 

Stabilito  per  tal  modo  lo  sviluppo  dei  tipi  nell'  arte  e  specialmente  la  nas- 
cita  del  tipo  di  Sileno  come  persona  che  si  distacca  dalla  schiera  barbata  dei 
Satiri  o  Sileni,  siamo  in  grado  di  renderci  conto  dei  van  termini  relativi  a  questi 
tipi  che  vengono  adoperati  dagli  antichi  scrittori  contemporanei  a  cotale  sviluppo; 


1  N.  155  del  catalogo  [Museo  Torlonia  157];  la  replica  e  n.  149  [Museo  Torlonia 
151].  —  Del  resto  si  confronti  il  gran  rilievo  del  Mus.  borb.  V  53  [Guida  del  museo  di 
Napoli  Nr.  285],  ove  il  Satiro  inoltre  ha  due  piccole  corna. 

2  Cf.  Bronzi  d'Erc.  II  p.  157  e  Clarac  716  C,  1715  D.  Una  piccola  barba  l'ha  pure  il 
Satiro  ebbro  nei  Br.  d'Erc.  II  p.  161  [Friederichs-Wolters  1499];  egli  inoltre  e  cornuto,  ciö 
che  non  si  vede  nei  disegni;  una  replica  della  testa  di  questa  statua,  anch'essa  cornuta 
ed  eseguita  in  marmo,  esiste  nei  museo  Torlonia  (il  catalogo  n.  109  la  chiama  Marsia 
[Museo  Torlonia  111;  Furtwängler,  Glyptothek  224]). 

3  Oltre  i  monumenti  mentovati  giä  disopra  si  trovano  delle  corna  grandi  in  un 
Satiro  barbato  del  sarcofago  negli  Ancient  marbl.  X  39  [Brit.  Mus.  2298]  e  piü  piccole 
non  sono  rare  in  maschere  decorative  di  Satiro  barbato.  Noto  in  quest'occasione  che 
nell'arte  decorativa  le  maschere  di  Satiro  barbato  sempre  restavano  in  uso  (cf.  p.  e. 
Schöne,  Griech.  Rel.  t.  5.  6.  Piranesi,  Vasi  I  1  sg.  49  sg.)  e  non  di  rado,  p.  e.  ai  manichi 
dei  vasi   di   bronzo   da  Pompei,  ritengono  il  tipo  arcaico. 

*  Nei  Sileno  del  tipo  arcaico  si  puö  osservare  la  fronte  bassa,  i  capelli  irsuti,  gli 
occhi  grandi,  ma  non  molto  infossati,  il  naso  molto  breve  e  camuso,  la  bocca  sporgente 
e  severa,  la  barba  ed  i  capelli  trattati  come  una  massa  coerente,  coi  dettagli  quasi  graffiti, 
la  carne  magra  coll'ossatura  marcata  ecc.  e  tutto  il  contrario  nei  tipo  recente  dall'  altra 
parte.  La  conservazione  e  ottima  e  la  stessa  base  antica  mostra  che  non  era  doppia 
erma;  sono  due  maschere  di  decorazione,  come  le  vediamo  tante  volte  fra  1'  architettura 
nelle  pitture  pompeiane. 


174  Cista  Prenestina  e  teca  DI  Specchio 


cche  per  non  ritoraai  all"  antica  confusione  (cf.  Wieseler,  Satyrsp.  p.  198)  si 
deve  separare  sempre  i  diversi  tempi  degli  scrittori. 

II  primo  che  rammenti  Sileno  quäl  persona  isolata,  sembra  essere  Pindaro,1 
e  lo  fa  in  un  tempo  quando  Karte  non  aveva  ancora  sviluppato  un  tipo  speciale. 
\\a  e  al  dramma  satiresco  che  con  ogni  probabilitä  si  deve  la  distinta  contrap- 
posizione  di  un  Sileno  alla  schiera  degli  altri;  quella  relazione  di  Sileno  come 
piü  attempato  (Eur.  Cyd.  10.)  dei  Satiri  e  come  padre  loro,  che  troviamo  giä 
completa  presso  Euripide,  forse  non  esisteva  molto  prima  di  lui,  perche  Eschilo 
e  Sofocle2  a  quel  che  pare  non  facevano  ancora  quella  distinzione.  L'arte  d'allora 
almeno  non  conosceva  che  un  solo  tipo  per  tutti  e  due,  ed  a  questo  tipo  era 
comune  per  lo  piü  il  nome  di  Sileni,  ciö  che  vien  dimostrato  dalle  iscrizioni 
dei  vasi  menzionati  sopra.  La  cosa  e  importante  a  sapersi,  perche,  quantunque 
il  dramma  satiresco  avesse  in  seguito  sviluppato  quella  terminologia  conservataci 
236  da  Polluce  (IV  142),  la  quäle  chiama  Satiri  tutti,  anche  gli  attempati,  e  non  conosce 
che  un  solo  Sileno,  padre  di  quelli,  il  Papposileno,  pure  gli  scrittori  dei  quarto 
secolo  parlano  tuttavia  di  Sileni  in  plurale,  evidentemente  neh"  antico  senso, 
cioe  per  quel  tipo  comune  barbato,  che  predominava  anche  nella  piü  recente 
pittura  vasculare.  Senofonte  parla  come  se  vi  fossero  molti  Sileni  nel  dramma 
satiresco  (Conv.  4,  19  ndvztov  2eiXrjvc5v  rwv    iv   xoig   oarvgcxolg   aXoyimoz   &v 

>)3  e  pensa  senza  dubbio  ad  un  coro  barbato  simile  a  quello  nel  vaso  Mon. 
III  31.  -  Qanto  a  Piatone  egli  annovera  i  Sileni  accanto  ai  Satiri,  ai  Pani  ed 
alle  Ninfe  (Leges  12,  18,  p.  815  C)  e  parla  dei  oarvQiy.ov  ögäfAa  xal  oih-jvixöv 
(Conv.  p.  222  D)  prendendo  evidentemente  questa  signifieazione  dal  coro,  nel 
quäle  riconosceva  dunque  anch'  egli  dei  Sileni,  e  non  deve  far  nessuna  specie 
che  la  commedia  attica  antica  o  almeno  Eupolis  dicesse  Sileni,  dove  scrittori 
piü  recenti  avrebbero  detto  Satiri  (Phot.  Lex.  p.  511  =  Meineke,  Poet.  com.  II  575 
ZtXrjroi  oi  Zdtvgot  EÜTtoltg]  cf.  Esich.  Sdijvot  HdtvQOi).  Ancora  ai  tempi 
d'Alessandro  Magno  si  parlava  di  Sileni  nell'antico  senso  invece  di  Satiri  e  nel 
discorso  di  Ägide  ad  Alessandro  Plutarco  (De  adul.  et  am.  18  =  Op.  mor.  ed. 
Dübner  I  72,  39)  dice  che,  siecome  tutti  i  figli  di  Giove  hanno  piacere  a  *6Xa£iv 

1  Nel  frammento  presso  Paus.  III  25,  2  Sileno  e  giä  il  curatore  di  Bacco,  nell'altro 
frammento  (schol.  Aristoph.  nub.  223)  Sileno  parla  come  sprezzatore  savio  della  vita 
umana  ad  Olimpo  —  riunione  quest'ultima,  la  quäle  pare  accenni  a  Marsia,  cosi  che 
F.rodoto  non  sarebbe  pel  medesimo  il  piü  antico  testimonio  (un'altra  allusione  al  ülito 
di  Marsia  piu  antica  di  Hrodoto  ha  riconosciuta  lo  Stephani  C.  R.  1862  p.  84  presso 
Sokme). 

*  Schol.  Theoer.  4,  62  (Aesch.  Fr.  36.  Hermann).  —  Euripide  invece  nelle  liuxyui, 
bracht  avesse  avuto  frequente  1'  occasionc,  non  mentova  che  i  ftcuvöftavot  Sdxvgot  (v.  130). 

1  It).  5,  7  egli  fa  menzione  pure  dei  Sileni  come  figli  dellc  .WA.—.  —  Che  poi  i 
fi^li  di  Sileno,  che  nel  dramma  satiresco  crano  i  Satiri,  potessero  chi.imarsi  anch'essi 
Sileni,  almeno  nella  tradizionc  localc,  ce  lo  prova  im  pafto  dl  Diodoro  Siculo  III  72  tratto 
qualche  autore  piii  antico. 


con  Rappresentazioni  Bacchiche.  175 


äv&QCOTTou;  y.ai  xarayeXdoroig,  cosi  anche  Bacco  Zedrjvoig  heoTzero.  Anzi  lo 
stesso  Nicandro  (Alexiph.  30)  descrivendoci  i  seguaci  di  Bacco  vendemmianti  che 
bevono  il  vin  nuovo,  li  chiama  Sileni1  e  da  a  loro  l'attributo  di  Auovvooio 
xv&rjvoi,  mostrando  cosi  che  egli  immaginavaseli  piuttosto  attempati.  —  Nulla, 
c'  impedisce  di  intendere  in  tutti  questi  Sileni  quell'antico  tipo  barbato  che  anche 
dalle  iscrizioni  dei  vasi  dipinti  vien  chiamato  Sileno  e  che,  anche  dopo  l'origine 
di  un  tipo  speciale  pel  Sileno  padre,  si  conservö  ed  era  molto  in  uso  ancora237 
nel  terzo  sec.  a.  Cr.  II  tipo  imberbe  per  contrario,  formato  non  prima  del  secolo 
quarto,  mancando  d'  una  piü  antica  denominazione,  si  chiamava  dappertutto  col 
nome  preciso  fissato  dal  teatro,  cioe  con  quello  di  Satiro.  Ed  ecco  che  cosi 
anche  le  spiegazioni  dei  dotti  e  degli  antiquari  posteriori,  e  quella  stessa  di 
Pausania  che  sarä  stata  la  piü  comune,  si  capiscono  perfettamente.2  Ne  in 
veritä  avean  torto  quegli  altri,  i  quali,  accorgendosi  che  Sileni  in  pluralitä  erano 
usati  soltanto  dagli  scrittori  relativamente  piü  antichi,3  credevano  che  Sileni  in 
generale  fosse  l'antico  nome  dei  Satiri.4 

Oltre  di  questi  ci  rimangono  ancora  alcuni  passi  riguardanti  i  Sileni  plura- 
lizzati  che  crediamo  di  dover  separare  dagli  altri.  Ed  in  primo  luogo  cito  la 
pompa  di  Tolomeo  Filadelfo  descritta  da  Calisseno  il  Rodio  autore  contemporaneo, 
nella  quäle  si  vedevano  non  soltanto  moltissimi  Satiri,  ma  altresi  parecchi  Sileni, 
distinti  questi  Ultimi  all'  abito  piü  completo  per  aver  essi  le  ciamidi  (Athen.  V 
p.  197  e  198a)  e  gli  stivali  (p.  198a);  ma  con  cpoiviyJdsg  indosso  appariscono 
una  volta  anche  i  Satiri  (p.  198b),  i  quali  (p.  197  f.)  avendo  dipinto  il  corpo 
erano  nudi.  II  Sileno  isolato  si  trova  una  sol  volta  quäle  intendente  dei  Satiri 
che  pigiano  le  uve  (p.  199a).  Altro  cenno  distintivo  non  c'  e;  quindi  noi  dob- 
biamo  supporre  che  i  Satiri  fossero  imberbi  e  che  coi  Sileni  giusta  1'  uso  ancora 
valevole  nel  terzo  secolo  s'abbia  voluto  indicare  quell*  antico  tipo  dei  Satiri 
barbati;  i  quali  anche  nel  dramma  satiresco  potevano  portare  un  vestimento  piü 
completo  di  quello  dei  Satiri  dell'  arte,  come  ci  prova  Poll.  IV  118;  il  vooräiog 
yawv  daovg,  ov  oi  JZedrjvol  (pooovoiv  non  puö  essere  infatti,  secondo  ciö  che 
ha  provato  il  Wieseler  (Satyrsp.  p.  92  sg.  138  sg.),  il  costume  del  Papposileno  238 


1  Ovidio  invece,  benche  imitatore  dei  poeti  alessandrini,  non  conosce  piü  Sileni, 
ma  si  trova  in  pien  accordo  coi  monumenti  romani,  distinguendo  dai  Satiri  1'  unico 
Sileno  vegliardo  cavalcante  sull'asino  (cf.  Fast.  I  399  sg.  III  745.  VI  324  sg.).  Cosi  lo  fa  pure 
Vergilio  descrivendo  (Ecl.  6)  il  Sileno  legato  da  due  Satiri  giovanili. 

2  Pausania  I  23,  5  dice  che  quelli  tra  i  Satiri  che  son  maggiori  di  etä  si  chiamano 

Sileni.     Cf.  Etym.  Magn.  Seih]voi  Myovzai  ot  yzgovres  T(7>v  ^azvQOJV. 

3  Nonno  raccogliendo  nei  suoi  Dionisiaca  tutti  gli  esseri  bacchici  di  tutta  la  let- 
teratura  antica,  naturalmente  accanto  di  Sileno  si  serve  anche  dei  Sileni  i  quali  anch' 
essi  sono  ysoorrsg:  44,  25,  perö  essendo  di  epoca  cosi  tarda  non  ha  nessun  valore  per 
le  nostre  ricerche. 

4  V.  lo  scoliasta  a  Nicand.  Alexiph.  30;  vi  spettano  anche  le  sopracitate  glosse  di 
Fozio  ed  Esichio. 


|7ß  CßTA  Prenestina  e  teca  di  Specchio 


che  Inoltre  non  veniva  mal  pluralizzato,  bensi  quello  di  quei  Sileni,  le  cui  ma- 
schere  dallo  stesso  Pollucc  (IV  142)  vengono  piü  esattamente  designate  siccome 
proprio  dei  Satiri  barbati  (cf.  Wieseler  1.  c.  35). '   Arrogi  che  quel  medesimo  grosso 
chitone  viene  anche  attribuito  ai  cori  di  danzatori  vestiti  da  Sileni   nella  pompa 
che  si  faceva  a  Roma  nei  ludi  maximi.    E  importante  che  le  notizie  che  Dionigi 
(Ant.  Rom.  YII  72  p.  1491)  ci  da  intorno  questo  proposito  furono   prese  da  Q. 
labio  Pittore  (cf.  1.  c.  p.  1483).     Quantunque  ora  sia  probabile,   che  giä  fin  dai 
irimi  tempi  in  quell'occasione  figurassero  dei  danzatori  travestiti  (cf.  Mommsen, 
Rom.  Gesch.  I\  224),  pur  e  certo   che   quest'   identifieazione  coi  Sileni  e  Satiri 
non  poteva   essere   d'assai  anteriore   a  Fabio,    perche    pensando  allo   sviluppo 
dell'arte  non  possiamo   ammettere   nel  Lazio   prima  dei   secolo   terzo  dei  Satiri 
distinti    da   Sileni,  cioe  Satiri  imberbi;   ma    all'anzidetto    secolo    quadra  ancora 
molto  bene  la  pluralitä  dei  Sileni  opposti  a  Satiri,  conformemente  alla  pompa  di 
Tolomeo.  —  Quello  che  v'ha  di  comune  in  tutti  questi  passi-  si  e  che  abbiamo 
sempre  a  che  fare  non  colle  stesse  persone  mitologiche,  ma  con  uomini  che  si 
son  travestiti  per  il  ballo  o  per  qualche  festivitä,  e  che  i  Sileni,  opposti  ai  Satiri 
evidentemente  siccome  i  piü  attempati,  portano  un  vestimento  tutto  particolare. 
lo  perö  non  conosco  nessun  monumento  d'arte  che  mostri  una  pluralitä  di  Sileni 
ovvero  Satiri  barbati  con  quegli  abiti  indosso;   la  cagion  e  sola   questa  che   la 
tradizione  dell'arte  e  per  fermo  indipendente  dalle  condizioni  reali   di  quei  tra- 
vestimenti;  insomma  non  e  entrata  nell'  arte  quella  forma  descritta  nei  passi  sullodati. 
Ritornando  adesso  alla  nostra  cista,  non   possiamo   giustificar  la   pluralitä 
dei  Sileni  d'  essa  da  nessuno  dei   passi   ora   considerati   e  molto   meno  ancora 
dall'arte  stessa.   Giacche  il  tipo  speciale  dei  vero  Sileno,  creato  nel  secolo  quarto, 
non  e  stato  mai  pluralizzato,  per  quanto  io  sappia,  nell'  arte  greca  o  romana,  e 
239dobbiamo  supporre  per  necessitä,  che  la  cista  prenestina,   la  quäle   ha   impron- 
tato,  come  vedemmo,  quasi  eiaseuna  figura  ad  originali  greci,  noti  specialmente 
nel  secolo  terzo,  compilando  la  composizione  per  malinteso  vi  abbia  introdotto 
due  Sileni  propri.     Quanto  al  terzo,  il  cui  nome  e  stato  lasciato  dubbio,  dietro 
tali  circostanze  sembra  non  potersi  affermare  se  non  che   questo,   che  egli   ap- 
parteneva  originalmente  all'  antico  tipo  dei  Satiri  barbati,  ancora  in  uso  nel  terzo 
sec,  ma  che  la  sua  congiunzione  cogli  altri  due  Sileni  spetta  dei  tutto  all'artista 
latino.  AI  quäle  ascriveremo  anche  la  mancanza  di  tutto  quel  fuoco  ed  entusiasmo 
bacchico  ovvio  nelle  simili  composizioni  greche;  ma  perö  la   nostra    cista    ha    i 
suoi  meriti  per  1'  abile  composizione  dei  gruppi s  e  piü  ancora  per  essere  l'unica 

1  EUano,  War.  bist  III  40  avra  tratta  la  sua  notizia  intorno  i  Sileni  ed  il  loro  vestimento 
)  da  una  fönte  simile,  che  trattava  dcl  teatro  o  da  altri  travestimcnli. 

*  S'aggiungl  anche  PolL  IV  104.  un  passo  molto  mendoso,  ove  vien  mentovato  un 
ballo  laconico  di  Sileni  e  Satiri. 

1  II  uruppo  di  dietro  e  fatto  propriamente  per  la  cista;  ma  la  contraddanza  di  Pane 
e  la  Baccantc  con  o^ni  probabilitä  e  presa  da  originale  ^reco.  L'aggiuntfl  di  quel  Sileno 
sopra  la  capra,  che  non  vi  ha  punto  a  che  fare,  e  il  principalc  errorc. 


con  Rappresentazioni  Bacchiche.  177 

fra  tutte  le  conosciute  che  ci  dia  un  tiaso  bacchico  greco  senza  alcun  elemento 
nazionale  e  con  cosi  pochi  malintesi.  Le  altre  eiste  bacchiche,  che  qui  si  deb- 
bono  confrontare,  sono:  in  primo  luogo  quella  al  n.  11  nell'elenco  del  eh.  Schöne 
(Annali  1866,  165),  ove  ad  una  scena  non  per  anco  spiegata1  sono  riunite  delle 
figure  bacchiche  tutte  piene  di  malintesi  nazionali  eccetto  la  contraddanza  simile 
di  una  Baccante  ed  un  giovine  Satiro.  Indi  segue  una  cista  Barberiniana  (Bull. 
1866,  39),  ove  tra  Peleo  Tetide  Perseo  e  Minerva  si  scorge  Bacco  giovane  sor- 
retto  nella  solita  maniera  da  un  ragazzo  e  preceduto  da  Sileno.2  In  modo  ana- 
logo,  senza  alcun  intelligibile  rapporto,  sono  frammiste  aleune  figure  bacchiche 
nella  cista  Mon.  IX  22  (anche  in  quelle  del  Bull.  1866,  80,  139);  ma  la  scena 
piü  frequente,  che  troviamo  intercalata  dapertutto,3  e  quella  di  Sileno  colle  donne 
ignude,  della  quäle  giä  abbiamo  parlato.4 

A  questo  confronto  assai  favorevole  per  la  nostra   cista  corrisponde  anche  240 
il  disegno  che  e  relativamente  buono,  e  parimenti  gli  ornati  al  di  sotto  e  al  di 
sopra,  tra  i  quali  Ultimi  la  Corona  d'ellera  e  proprio  quella  stessa  tanto  frequente 
nei  vasi  dipinti  del  secolo  terzo  e  nei  monumenti  etruschi  della  stessa  epoca. 

Se  adesso  ci  domandiamo  il  valore  artistico  della  teca  pur  da  noi  pubbli- 
cata,  dobbiamo  per  dapprima  rilevare,  che  l'invenzione  e  greca  senza  dubbio; 
ma  intorno  l'esecuzione  si  puö  essere  ambiguo.  —  Certo  non  vorrei  dar  troppo 
peso  ad  aleuni  difetti  del  disegno  specialmente  visibili  verso  il  ventre  e  le  gambe 
di  Pane  (per  dire  uno,  la  maniera  con  cui  la  coscia  sinistra  e  attaccata  al  corpo); 
ma  piü  rilevanti  sono  forse  aleuni  dettagli  come  p.  es.  la  forma  grossissima  degli 
orecchi  di  Pane,  che  difficilmente  si  troverebbero  in  Satiri  giovani  o  Pani  umani 
dell'arte  greca  contemporanea,  mentre  nei  monumenti  etruschi  essa  e  assai  fre- 
quente.6 Inoltre  il  trattamento  del  panneggio  di  gran  lunga  diverso  da  quello 
dei  rilievi  di  bronzo  greci  di  quest'epoca  (osservisi  in  ispecie  il  lembo  della  veste 
sotto  la  coscia  e  la  parte  che  l'attornia,  la  quäle  si  ripete  sopra  una  teca  pari- 
mente  etrusca  del  sig.  Aug.  Castellani  mentovata  brevemente  nei  Bull.  1865,  246), 
e  da  ultimo  lo  stesso  ornamento  che  circonda  il  quadro  mi  conferma  nell'opinione 
che  l'esecuzione  non  sia  greca.   Questo  ornamento  infatti  si  ripete  spesso6  sopra 


1  Certamente  non  e  il  ritorno  dei  Dioscuri,  come  vollero  Birch  e  Jahn;  si  confronti 
Mon.  VIII  56. 

2  La  calvizia  ed  il  naso  rincagnato  non  lasciano  dubbio;  la  descrizione  sopra  citata 
per  questa  scena,  non  e  esatta. 

3  Cosi  p.  e.  nella  cista  Bull.  1866,  77  in  mezzo  d'una  scena  che  io  credo  certamente 
il  sacrifizio  d'Ifigenia  in  Aulide,  come  proverö  in  altra  occasione. 

4  Ma  i  due  Satiri  barbati  che  si  avvicinano  alle  donne  (v.  Bull.  1870,  101)  ricor- 
dano  piü  che  altro  i  vasi  dipinti. 

5  Cf.  p.  e.  lo  specchio  presso  Gerhard  t.  302.  —  Orecchi  interamente  animaleschi 
presso  gli  Etruschi  si  vedono  anche  nei  tipo  [imberbe  e  nobile  dei  Satiri;  cf.  Gerhard, 
Spiegel  83.  105.  299;  le  eiste  Gerhard,  Ak.  Abh.  t  57.58;  Mon.  IX,  23. 

6  Non  di  rado  insieme  colle  teste  di  lione  che  servono  per  attaccarvi  il  manico. 

A.  Furtwängler.   Kleine  Schriften  I.  1* 


J7g  ClSTA  PRENtSTINA   E  TECA  DI   SPECCMO 


teche  di  Livoro  indubitatamente  etrusco,  tra  le  altre  in  quelle  del  riconoscimento 
di  Paride  o  di  Bacco  sostenuto  da  Amore;  ma  non  l'ho  veduto  in  nessuna  teca 
.imente  greca,1  ove  di  solito  l'orlo  o  manca  o  non  e  decorato  o,  quando  lo 
sia,  l'ornamento  e  tutt'  altro  (cf.  p.  es.  Stackeiberg,  Gräber  t.  7).  L'ornato  della 
nostra  teca  appartiene  all'  arte  antichissima,  alla  decorazione  geometrica,  e  sarebbe 
di  molto  strano  il  vederlo  nell'arte  greca  del  sec.  terzo,  laddove  possiamo  vedere 
24lnella  stessa  epoca  quasi  un  ritorno  generale  a  quell'antichissimo  sistema  in  certi 
vasi  dipinti*  di  fabbrica  locale  etrusca.2 

Quanto  all'  originale  greco  di  cui  la  nostra  teca  cornetana  credo  sia  imitazione 
abbastanza  esatta,  sembrami  assai  probabile  sia  stato  comunicato  dalla  Campania 
o  dalla  Magna  Grecia.  —  Che  nel  secolo  terzo  vi  fosse  in  Etruria  una  impor- 
tazione  di  rilievi  greci  in  bronzo,  e  fuor  di  dubbio,  ed  a  Corneto  p.  es.  ne  e 
stato  trovato  uno  (Mon.  VI  47,  6)  di  stile  bellissimo,  simile  in  tutto  ai  noti 
bronzi  di  Siris.3  Che  le  stesse  relazioni  esistessero  poi  anche  con  Palestrina, 
lo  mostrano  i  rilievi  nei  Mon.  IX  31,  1  (cf.  Arch.  Ztg.  1876  p.  9),  3  e  4  dello 
stesso  stile  greco.4  Ebbene  quest'  importazione  eccitava  l'imitazione;  ma  che  gli 
originali  imitati  venivano  appunto  dall'Italia  meridionale,  vien  reso  probabilissimo 
dalla  teca  essa  pure  cornetana  che  insieme  con  un  rilievo  di  terracotta  pugliese 
si  pubblicherä  nei  nostri  Annali  dell'  anno  venturo  [1884  S.  30].  Accennano 
inoltre  al  medesimo  risultato  alcuni  rilievi  di  terracotta  provenienti  da  Orvieto 
(Mon.  IX  26),  essendosi  trovate  in  Puglia  le  esatte  repliche  del  vaso  colle  Amazoni 
[Annali  1871  S.  14]  ed  il  rilievo  con  Socrate  essendo  giä  conosciuto  per  una 
replica  in  bronzo  pompeiana  [Kekule,  Bildnisse  des  Sokrates  S.  57].  Se  questi 
rilievi  sieno  importati  o  imitati,  non  e  sicuro,  ma  il  rilievo  con  Ercole,  la  Vittoria 
ignuda  e  Venere,  che  appartiene  alla  stessa  serie,  e  probabilmente  opera 
d'imitazione,  perche  oltre  trovarsi  in  molte  repliche  (parecchie  di  nuovo  se  ne 
videro  poco  fa  a  Roma)  e  imitato  anche  in  due  specchi  prenestini  [Pagenstecher, 
Calenische  Reliefkeramik  S.  20].  —  Si  potrebbero  aggiungere  molte  ragioni 
per  provare  queste  relazioni  dell'arte  etrusca  con  quella  dell'Italia  inferiore, 
p.  es.  intorno  l'importazione  di  vasi  da  quella  parte  e  l'imitazione  che  su- 
birono    neH'Etruria  se   non    che    mi   contenterö   qui   di    rilevare    il    fatto    a 

mio  giudizio  sicuro,  che  tutti  i  rilievi  di  bronzo  e  di  terracotta  finora  citati 
appartengono  incirca  allo  stesso  tempo  e  sviluppo  delle  eiste  e  degli 
specchi   dello  stile    libero,   sviluppo   che  segue  quindi  immediatamente   quello 


1  La  collezione  piü  complcta  veggasi  nel  lavoro  del  Mylonas  segnalato  nel  Bull,  de 
-.  hellen.  1877  p.  108. 
1  Parecchl   esempi    nel    Musco   etrusco   di    Fircnze.  —  Anche   tra  i  vasi   dell'Italia 
meridionale  alcuni  riprendono  i  concetti  geometrici  anliehissimi. 

J  lanto  IUI  compoiizione  il  Brunn  (Ann.  1860,  490  [Kleine  Schriften  I  S.  236])  ben 
'»nfronta  ad  un  rilievo  di  terracotta  dell'  Italia  meridionale  (Arch.  Ztg.  1817  t.  1). 
i  il  frammento  molto  simile  n.  2  provienc  dall'Italia  meridionale. 


Con  Rappresentazioni  Bacchiche.  179 

dei  vasi  dipinti  e  che  trova,  anche  questa  volta,  la  miglior  sua  caratteristica 
nell'  uso  di  Eros;  il  quäle  cosi  nel  rilievo  di  Socrate  con  Diotima  come 
nelle  note  teche  con  Bacco  sostenuto  da  Amore  non  si  discosta  per  anco 
dalla  tradizione  dei  vasi  dipinti.1  Invece  la  patera  negli  Annali  1871  t.  A, 
appartenente  alla  serie  stessa  di  quei  rilievi  e  non  piü  alla  propria  pittura  vas- 
culare,  ne  mostra  giä  compiuto  quella  nuova  forma  di  Eros  che  ci  piacque 
chiamar  alessandrina:  abbiamo  dunque  il  medesimo  contrasto  che  osservammo 
tra  i  nostri  due  monumenti,  la  cista  coli'  Eros  essenzialmente  antico  e  la  teca 
dall'  altra  parte.     Ci  troviamo  appunto  nel  periodo  di  transizione. 

Per  riassumer  or  dunque  il  risultato  principale  dei  nostro  articolo,  gli  e 
precisamente  codesta  posizione  intermedia  di  tutti  i  monumenti  in  discorso,  dico 
intermedia  fra  la  tradizione  piü  antica  della  pittura  vascularia  ed  i  monumenti 
greco-romani,  che  noi  abbiamo  cercato  di  provare,  perche  adesso  essa  si  rivela, 
non  meno  che  in  Eros,  nel  medesimo  grado  di  sviluppo  che  rappresentano  le 
figure  bacchiche  dei  nostri  monumenti.2  In  essi  vediamo  ancora  Pane  umano 
che  sparisce  poco  dopo,  qui  divenuto  bacchico  e  lä  innamorato,  segni  di  un 
periodo  piü  recente;  i  Satiri  ancora  non  sono  quegli  esseri  rustici  come  piü  tardi, 
e  se  i  concetti  artistici  per  la  maggior  parte  occorrono  nei  vasi  dipinti,  altri  det- 
tagli  se  ne  allontanano  (p.  es.  l'erma  di  Priapo,  il  pedo,  il  Sileno  sulla  capra  ecc),  243 
accennando  piü  al  carattere  dell'arte  grande  nel  secolo  terzo  a.  Cr.  Cosi  sotto 
tale  riguardo  l'importanza  di  questa  classe  di  monumenti  (eiste,  specchi,  i  citati 
rilievi  e  le  ultime  pitture  vascularie)  riesce  grandissima,  perche,  essendo  deter- 
minati  all'incirca  nel  tempo,  essi  sono  quasi  gli  unici  che  possano  riempire  in 
moltissimi  punti  la  lacuna  che  esiste  fra  la  tradizione  dei  vasi  dipinti  e  quella 
dell'  arte  greco-romana  e  perche  col  mezzo  loro  potremo  anche  precisare  in 
seguito  la  posizione  di  non  pochi  altri  monumenti,  i  quali  non  ci  furono  conser- 
vati  se  non  per  la  vasta  arte  romana  che  tutti  e  quanti  altri  periodi  d'arte  avea 
in  se  raecolti  e  concentrati. 


1  Cf.  Furtwängler,  Eros  p.  87  [oben  S.  56]. 

2  Anche  la  forma  con  cui  sono  rappresentati  certi  miti  nella   classe   di  monumenti 

in  discorso,  contribuisce  a  questa   caratteristica;    p.  e.  la   cista   Mon.  VI  40   nella   storia 

d'Andromeda  segue  l'antica  tradizione  dei  vasi  dipinti   (che  probabilmente   era   quella 

d'Euripide,  cf.  Trendelenburg,  Ann.  1872,  113  sg.),  secondo  la  quäle  Andromeda  e  legata 

alla  forca  e  non  allo  scoglio.     All'  incontro  nel  giudizio  di  Pari  de  gli   specchi   conos- 

cono  giä  la  versione  col  pomo,  ignota  ai  vasi,    e  la   rappresentazione  della   gara   musi- 

cale  fra  Apolline  e  Marsia  sopra  una  cista  Barberiniana  (a  quel  che  pare  non  ancora 

descritta  [Boll.  d'arte  1909  S.  203])  s'aecosta   piü   alla   tradizione  recente  conservata  nei 

sareofaghi,  offrendo  dietro  ognuno  dei  lottatori  una  divinitä  femminile  sedente  e  velata, 

probabilmente  Rhea  e  Leto,  benche  manchi  la  caratteristica  piü  speciale  come  nelle  altre 

divinitä  astanti,  tra  le  quali  si  riconosce  soltanto  Diana.   La  cista  proverebbe  dunque,  che 

la  composizione  dei   sareofaghi,    almeno    nei  tratti  essenziali,  risale  ad  un  originale  dej 

secolo  terzo. 

12* 


180  ClSTA  Prenestina  b  teca  DI  Specchio 

Per  riempire  lo  spazio  abbiamo  fatto  ineidere  due  teste  di  bronzo  in  gran- 
dezxa  naturale,  ambedue  provenienti  dagli  seavi  di  Roma  ed  ora  possedute  dal 
R.  Museo  di  Dresda.  Quella  a  sinistra  [Taf.  2,  2  [Röscher,  Myth.  Lex.  III,  1434]], 
per  la  rara  sua  bellezza  disegnata  in  tre  vedute,  era  originariamente  attaccata 
a  qualche  arnese  e  fra  le  due  corna  si  vede  ancora  una  sporgenza  che  sembra 
essere  appunto  l'avanzo  di  un'  ansa.  Siccome  poi  il  rovescio  non  e  affatto 
ricurvo,  viene  esclusa  l'idea  che  aderisse  al  ventre  di  un  vaso.  La  conser- 
vazione  e  buona;  non  manca  che  1'  estrema  punta  della  barba,  la  parte  sinistra 
della  quäle  ha  un  po'  sofferto  dall'ossidazione.  La  maschera  rappresenta 
Pane  barbato  e  cornuto,  e  questo  tipo  e  espresso  con  tanta  maestria  che 
non  posso  fare  a  meno  di  analizzarlo  piü  specialmente.  —  La  parte  carat- 
teristica  sopra  ogni  altra,  quella  che  determina  tutte  le  forme  del  viso,  e  la 
prominenza  della  mascella  superiore.  L'intera  ossatura  del  viso  sporge  in  fuori 
gradatamente  dalla  radice  del  naso  fino  alla  punta,  che  tuttavia  e  di  ben 
poco  piü  alta  della  stessa  mascella  superiore.  Di  qui  parte  una  linea  retro- 
cedente  ed  appena  interrotta,  dal  naso  fino  al  mento,  per  cui  non  abbiamo  un 
naso  che  sporge  indipendente,  come  nell'  uomo  ed  anche  nei  Sileni  o  Satiri, 
ma  abbiamo  piuttosto  il  naso  di  un  muso  animalesco,  simile  specialmente  a 
quel'.o  della  capra.  La  radice  del  naso  essendo  larga,  anche  gli  occhi  sono  lon- 
tani  l'uno  dall'altro  siccome  negli  animali.  Inoltre,  sporgendo  molto  l'ossatura 
media  del  viso,  tutto  deve  concentrarsi  verso  il  mezzo,  ed  e  perciö  che  lo  sguardo 
degli  occhi,  espresso  colla  pupilla  incisavi,  e  convergente;  e  per  questo  che  le 
244  pieghe  della  fronte  sulle  sopraciglia  sono  dirette  anch'esse  all'  ingiü  verso  il 
naso.  La  fronte  stessa,  bassa  ma  lunga,  e  pur  divisa  mediante  una  piega  oriz- 
zontale.  La  bocca  poi  per  la  grandezza  corrisponde  quasi  esattamente  alla  di- 
stanza  notata  tra  gli  occhi,  anche  questa  una  particolaritä  che  difficilmente  si 
troverebbe  in  un  viso  tutto  umano,  ove  gli  occhi  non  stanno  cosi  lontani,  ma 
che  contribuisce  assai  al  carattere  tettonico  della  maschera.  —  Ora  a  queste  forme 
essenziali  corrispondono  tutte  le  altre.  La  barba  ed  i  capelli  non  sono  divisi 
nel  mezzo,  ma  sono  tripartiti  con  una  ciocca  analoga  alla  sporgenza  centrale  del 
viso,  che  e  la  forma  essenziale.  Sopra  questa  ciocca  trovava  appoggio  il  manico, 
il  quäle  innalzandosi  aveva  quasi  un  secondo  rinforzo  nella  sporgenza  mede- 
sima  della  parte  mediana  del  viso.  La  grandezza  dell'  anzidetta  ciocca  di  ca- 
pelli e  eguale  alla  distanza  fra  gli  occhi  ed  alla  larghezza  della  bocca,  dalle  cui 
estremitä  partono  i  mustacchi  rispondenti  ai  fori  degli  occhi,  di  modo  che  e  libero 
il  labbro  superiore  che,  come  muso  animalesco,  non  puö  essere  coperto  da  barba. 
Non  appartenendo  dunque  al  centro,  i  mustacchi  si  congiungono  colle  parti  la- 
terali  della  barba,  anch'  essa  tripartita;  perche  dal  mento,  che  e  pur  libero,  scende 
giü  un  piü  lungo  riccio  simile  alla  barba  caprina.  Le  parti  laterali  della  barba, 
che,  cominciando  dagli  orecchi,  non  raggiungono  che  la  metä  della  parte  me- 
diana, ritornano  molto  addietro,   sollevandosi   la   mascella   superiore;   mentre   le 


con  Rappresentazioni  Bacchiche.  181 


parti  laterali  dei  capelli  sporgono  fuori,  essendo  la  fronte  retrocedente.  —  Le 
punte  degli  orecchi  aguzzi,  che  appaiono  dietro  i  capelli,  hanno  ancor  essi  il 
loro  posto  acconcio.  Infatti  congiungiamo  queste  due  punte  coi  lembi  estremi 
della  barba  a  destra  e  a  sinistra,  tiriamo  poi  le  diagonali,  ed  ecco  cadere  nell'- 
intersecazione  la  punta  del  naso,  la  quäle,  per  cotali  proporzioni,  si  distingue 
come  vero  centro  della  composizione.  Le  corna  si  staccano  in  linea  retta  sui 
mustacchi;  gli  occhi  si  piegano  indietro  e  danno  all'  insieme  quella  forma  bel- 
lissima  nell'arte  decorativa  ch'  e  il  triangolo  pendente.  Ne  la  lunghezza  delle 
corna  e  in  veritä  arbitraria  e  basta  restituire  un  piccolo  pezzo  che  manca  alla 
barba  per  aver  un  triangolo  identico  nelle  proporzioni  a  quello  del  viso  formato 
dai  termini  laterali  dei  sopraccigli  e  dall'  estremitä  del  mento. 

Maschere  simili  di  Pane  barbato  in  bronzo,  le  quali  abbiano  servito  allo 
stesso  scopo,  benche  meno  frequenti  di  quelle  di  Sileni  o  Satiri,  pure  non  sono  245 
rare;  pubblicate  perö  ne  sono  poche;  cf.  una  a  Vienna,  Sacken  e  Kenner,  Die 
ant.  Bronzen  t.  29,  13;  due  di  Napoli:  Mus.  Borb.  V  28,  d.  II  47,  4  (meglio  presso 
Poppe,  Ornamente  t.  9,  6),  un'altra  presso  Bellori  et  Causseus,  Pict.  ant.  cryptarum 
p.  198  (ove  perö  le  corna  sono  dubbie  o  trasformate  in  forme  ornamentali,  ciö 
che  si  vede  anche  in  alcune  delle  maschere  pompeiane).  Ma  a  Napoli  si  tro- 
vano  ancora  nove  vasi  di  bronzo  con  siffatte  maschere  di  Pane  ai  manichi.  Ma 
il  risultato  del  confronto  di  tutte  queste,  confronto  che  qui  non  permette  lo 
spazio  d'istituire,1  mette  fuor  di  dubbio  la  superioritä  della  nostra  maschera  a 
tutte  le  altre,  tanto  per  la  nobile  moderazione  che  la  distingue  da  altre  piuttosto 
esagerate,  quanto  per  la  viva  espressione  che  si  puö  ben  dire  1'  ideale  canonico 
di  Pane  caprino. 

L'altra  testa  riprodotta  a  destra  [Taf.  2,  1  ]  era  un  peso  di  stadera  e  rappresenta 
in  esecuzione  mediocre  il  busto  di  fircole,  coperto  della  pelle  di  leone  che  gli 
cade  sulle  spalle  senza  essere  rannodata  sul  petto  come  di  solito.  L'eroe  e  ancora 
giovane  e  l'espressione  del  viso  rivolto  un  po'  a  sinistra  ha  un  che  di  molle  e 
di  dolce  che  pare  contrario  al  suo  carattere.  Tuttavia  giova  ricordarsi  che  c'  e 
una  classe  di  teste  d'Ercole  giovane  in  marmo  (tutte  appartenenti  come  pare 
ad  erme)  le  quali  rivelano  ancora  piü  questo  carattere  di  certo  cotai  vago  e 
molle  desiderio.  Mi  spiace  che  lo  spazio  troppo  ristretto  non  mi  conceda  di 
spiegarmi  meglio;  ma  mi  riserbo  di  ritornare  su  questo  argomento  un'altra  volta; 
per  ora  basti  dire  che  di  questa  classe  di  teste,  fino  ad  oggi  poco  osservata 
soltanto  in  Roma  ho  contato  io  stesso  da  ben  dodici  esemplari.2 


1  Sarebbe  interessante  specialmente  per  la  varia  maniera  con  cui  sono  applicate  le 
corna. 

2  Qualche  volta  venivano  scambiate  per  Bacco.  —  Un  esemplare  e  stato  pubblicato 
da  Visconti,  Pio-Cl.  VI  12.  [Rom.  Mitt.  1889  S.  189  ff.] 


|  sj  ClSTA   PRENEST1NA   E   TECA   DI   SPECCHIO 

POSTILLA 

447  1.  Ai  pochi  esempi  di  Amore  con  ali  di  farfalla  finora  noti  (vd.  p.  190  [oben 
S.  138])  posso  aggiungerne  altri  assai  interessanti,  e  sono  le  pitture  del  tablino 
della  casa  pompeiana  Reg.  I  is.  II  n.  16  (Fiorelli,  Descriz.  p.  43).  Negli  scomparti- 
menti  laterali  delle  tre  pareti  si  vedono  le  figure  isolate  ritte  (non  volanti)  alterna- 
tivamente  di  Amore  nudo  o  di  Psiche  vestita,  fra  le  quali  due  volte  Amore  e 
munito  di  ali  di  farfalla,  mentre  quelle  di  Psiche  una  volta  sono  di  uccello.  Come 
io  supposi  giä  dissopra  a  p.  190  [oben  S.  138],  e  un  mero  Capriccio  artistico  questo 
scambiare  le  ali  fra  Psiche  ed  Amore.  Pare  importante  perö  che  tanto  queste 
pitture  quanto  quell'  altra  notissima  che  da  le  ali  in  discorso  ad  uno  degli 
Amori  (Müller-Wieseler  Denkm.  a.  Kunst  II  691)  —  secondo  le  ricerche  che  es- 
porrö  in  altro  luogo  —  appartengono  allo  Stile  terzo  di  Pompei,  il  quäle  con- 
frontato  col  quarto  ha  delle  relazioni  piü  strette  coll'arte  alessandrina,  dalla  quäle 
dipende  anche  la  figura  rispettiva  della  nostra  cista. 

2.  In  quanto  alla  quistione  intorno  ai  Satiri  cornuti  debbo  rilevare  che  il 
Compte  rendu  de  la  comm.  arch.  pour  l'ann.  1874,  ove  il  eh.  Stephani  ampiamente 
tratta  del  medesimo  tema  (p.  66 — 88),  mi  e  venuto  in  mani  soltanto  dopo  che 
il  mio  articolo  era  giä  stampato.  Lasciando  tante  particolaritä  voglio  ritornar 
soltanto  sopra  la  quistione  interessante  intorno  le  figure  giovanili  cornute  ma 
fornite  della  coda  satiresca,  le  quali  sopra  aleuni  vasi  di  Pietroburgo  dallo  St. 
(p.  79  sg.)  vengono  spiegate  per  Satiri,  mentre  io,  mettendole  nel  loro  connesso 
storico,  le  avevo  spiegate  (p.  205  sg.  [oben  S.  150  ff.])  per  Pane  umano,  chenell' 
ultimo  suo  stadio  si  avvicina  tanto  a  Pane  caprino  (come  sul  vaso  attico  CR.  1861, 
t.  II)  quanto  ai  Satiri  imberbi,  nei  quali  poi  doveva  scomparire;  ma  il  periodo 
di  transizione  s'esprime  appunto  in  ciö  che  Pane  umano  divenuto  bacchico  riceve 
la  coda  dai  Satiri;  ma  dall'altro  canto  non  era  meno  naturale  la  conseguenza 
che  i  Satiri  ricevessero  le  corna  da  Pane  umano.  Ed  infatti  credo  di  poter 
addurre  frai  vasi  per  eiaseuna  di  queste  due  possibilitä,  cioe  per  Pane  con  coda 

448  satiresca  e  per  Satiro  giovanile  con  corna,  almeno  un  esempio  certo.  Sopra  un 
cratere1  del  principe  del  Drago  (cf.  Bull.  1873,  p.  118)  il  giovane  cornuto  se- 
dente  sul  rovescio,  al  quäle  viene  offerta  una  patera  da  una  donna,  dietro  cui 
sta  un  Satiro  barbato,  e  Pane  senza  dubbio,  benche  abbia  la  coda  dei  Satiri; 
il  suo  viso  nobile,  gli  onori  che  gli  si  fanno  ed  anche  il  gran  fusto  di  pino 
nella  sua  mano,  che  i  Satiri  non  tengono  mai  e   che  meglio   si    adatta   a  Pane 

tutto  ci  fa  riconoscere  quest'ultimo.  II  contrario  avviene  nel  cratere  napole- 
tano  citato  da  me  giä  a  p.  205  not.  2  [oben  S.  150],  ove  la  presenza  di 
Pane  umano  ci  costringe  a  riconoscere  un  Satiro  nella  figura  rispettiva  sulla 
pantera. 

1  Lo  stile  m  aecosta  molto  a  qnello  dei  cratcri  proprio  attici  del  sec.  quarto. 


Con  Rappresentazioni  Bacchiche.  183 


Restano  1  tre  vasi  tutti  a  quel  che  pare  di  fabbrica  attica  del  secolo  quarto : 
1)  Antiqu.  du  Bosph.  Cimm.  t.  63,  1—3;  2)  Mus.  brit.  C  3  [E  228],  ove  la  figura 
rispettiva,  suonando  la  siringa  e  piü  probabile  Pane;  3)  Overbeck,  Atlas  zur  KM. 
t.  16,  16,  ove  la  faccia  e  tutta  satiresca.  — 

II  carattere  indeciso  di  queste  figure  e  la  conseguenza  naturale  di  un  periodo 
di  transizione;  benche  dunque  io  debba  rettificare  la  mia  asserzione  (p.  210  [oben 
S.  154]),  che  i  Satiri  cornuti  ancora  non  esistano  affatto  nella  pittura  vascolare, 
resta  perö  il  mio  risultato  intorno  il  tempo  quando  si  e  compiuto  il  cambiamento 
in  discorso  (p.  211  [oben  S.  155]). 

3.  Credo  infine  grave  mancanza  l'aver  taciuto  di  un'obiezione  che  con  ra- 
gione  si  potrebbe  fare  contro  il  risultato  sviluppato  da  me,  che  i  tratti  caprini 
nell'arte  siano  trasferiti  ai  Satiri  da  Pane  e  che  ciö  cominciasse  soltanto  verso 
la  fine  del  quarto  sec.  incirca.  Debbo  avvertire  che  io  con  ciö  non  volevo  negar 
per  nulla  che  la  natura  caprina  nei  Satiri  non  sia  originaria.  Anzi  ce  lo 
dimostra  giä  la  parola  stessa  di  Haxvgog,  essendo  essa  senza  dubbio  identica 
col  TizvQog  dei  Dorii,  che  propriamente  significava  capro.  E  che  questa  signifi- 
cazione  in  Attica  fosse  generalmente  adottata  almeno  nei  tempi  d'  Eschilo  e 
regnasse  specialmente  nei  dramma  satirico,  ci  vien  provato  da  quel  noto  trimetro 
(attribuito  con  ragione  ad  Eschilo  Fr.  202),  ove  il  Satiro  direttamente  vien  chia- 
mato  rgdyog,  e  pure  da  un  altro  frammento  di  Eschilo  (Fr.  19)  ove  1'  ogyjqmq 
oavvQiyJ]  vien  detta  rgayiy.)],  ed  infine  anche  dalla  stessa  parola  rgaycodia  nei  449 
senso  originario  come  canto  dei  caproni,  cioe  dei  Satiri.  Vi  s'aggiunge  che  nei 
dramma  satirico  il  costume  principale  (fuori  della  reßg(g)  era  Yalyfj  Iq'alij  ossia 
rgayfj  (Poll.  Onom.  IV  118).2  Contro  tutto  ciö  i  passi  d'  autori  che  danno  ai 
Satiri  le  code  di  cavallo  (v.  Stephani  C.  R.  1874,  68  n.  2)  non  provano  niente, 
essendo  tutti  (il  piü  antico  e  quello  di  Ctesias,  ed  Müller  p.  87)  di  un  tempo, 
quando  i  Satiri  coi  Sileni  erano  giä  confusi  ed  il  tipo  di  questi  era  adottato 
per  quelli.  A  tutti  i  sopracitati  fatti  dunque  contrario  e  il  tipo  dei  Satiri  in  tutta 
l'arte  fin  al  sec.  quarto,  non  prendendo  mai  i  suoi  tratti  caratteristici  (coda  ed 
orecchi)  dal  capro  ma  dal  cavallo.  Sono  invece  i  Sileni  che  hanno  connesso 
intimo  col  cavallo.  Se  io  dunque  dicevo  p.  225  [oben  S.  165]  che  l'arte  fin'a  tutto 
il  sec.  quinto  non  distingueva  fra  Satiro  e  Sileno,  poteva  dire  con  piü  precisione  ed 


1  Tralascio  gli  esempi  non  abbastanza  certi. 

2  Eur.  Cycl.  79  i  Satiri  si  lagnano  di  dover  servire  al  Ciclope  %vv  täds  toäyov  yj.aiva 
fiekia,  in  altre  occasioni  dunque  avevano  vestimenti  piü  nobili,  ed  infatti  il  noto  epi- 
gramma  di  Dioscoride  (Anth.  Pal.  VII  37)  ci  dice  che  Sofocle  era  quello  che  dava  ai 
Satiri  Umr)v  dlovgyiöa,  mentre  poi  Sositeo  ravvivava  le  usanze  antiche  (Anth.  Pal.  VII 
707),  e  cosi  anche  Polluce  1.  c.  dice  che  delle  volte  portavano  abiti  tessuti  e  splendidi. 
Neil'  arte  perö  non  pare  che  sia  entrato  questo  costume,  se  non  vogliamo  riferirvi  quei 
Satiri  ammantellati  di  alcuni  vasi  di  stile  della  fine  del  quinto  sec.  (p.  e.  Napoli  S.  A. 
240;  Stephani  C.  R.  1868  p.  129;  168). 


184  Qsta  Prenestina  e  teca  di  Specchio 

:tezza:  i  Satiri  non  sono  punto  entrati  nell'arte  figurativa  ed  il  loro 
nome  si  trasferiva  soltanto  al  tipo  dei  Sileni.  -  Per  spiegarci  questo  fatto  strano 
consideriamo  l'origine  locale  dei  Sileni  come  dei  Satiri.  Questi  Ultimi  senza  dubbio 
appartengono  propriamente  al  Peloponneso  ed  in  ispecie  alla  parte  settentrionale 
di  esso  (cf.  la  loro  genealogia  presso  Esiodo  e  l'origine  peloponnesiaca  dei  cori 
di  Satiri  —  Arion  a  Corinto  — ,  della  jonycoöia  e  dei  dramma  satirico  —  Pra- 
tinas  da  Fliunte  — ).  I  Sileni  invece  ebbero  origine  nella  Macedonia,  Frigia  e 
Lidia,  ove  i  loro  miti  sono  localizzati  (cf.  anche  il  Sileno  Maleäyovoe  di  Pin- 
daro  Fr.  57,  ov'e  intesa  la  punta  merid.  di  Lesbo).  Qui  dunque  si  formava  quel 
tipo  di  Sileno  colle  unghie,  orecchi  e  coda  di  cavallo,  dei  quäle  le  piü  antiche 
rappresentazioni  per  noi  saranno  quelle  note  monete  di  Macedonia  e  dell'isola 
di  Taso,  che  mostrano  Sileno  proprio  come  w/Mpößag  (Acheo  Fr.  51  Nauck). 
450  Gli  Ionii  ricevettero  questo  tipo,  che  in  conseguenza  divenne  proprio  dei  vasi 
calcidici  (fatti  probabilmente  nella  stessa  Chalkis  d'Euboea),  ove  per  conferma 
due  volte  anche  il  nome  ascritto  accenna  al  carattere  equino  istoe  e  Ijiaiog.  II 
primo  vaso  che  li  riunisce  con  Bacco  e  quello  pure  ionico  nei  Mon.  X  8.  Segue 
evidentemente  sotto  l'influenza  ionica  il  vaso  attico  dei  Francois  [Furtwängler- 
Reichhold,  Vasenmalerei  Taf.  1 — 3  u.  11 — 13],  che  ritiene  quel  tipo  equino  anche 
nelle  unghie  ed  inoltre  li  chiama  espressamente  Sileni.  Se  ci  rivolgiamo  adesso 
all'arte  peloponnesiaca  anteriore  dei  sec.  quinto,  ed  in  ispecie  ai  vasi  corinzii, 
riesce  importantissimo  il  fatto  che  vi  mancano  assolutamente  e  Sileni  e  Satiri: 
i  Satiri  nazionali  non  erano  entrati  nell'arte,  ed  il  tipo  dei  Sileni  non  era  ancora 
noto.  -  -  La  combinazione  di  quest'ultimo  coi  Satiri  dei  Peloponneso  si  effettuö 
nel'Attica,  la  quäle  ritenne  il  tipo  dei  Sileni  consegnatole  dagli  Ionii  e  mano 
mano  nel  corso  dei  quinto  sec.  lo  trasferi  pure  ai  Satiri  dei  Peloponneso,  che 
t'inora  non  si  erano  ancora  rappresentati.1  Cosi  poi  i  Sileni  divengono  Satiri 
(benche  ritengano  l'antico  tipo  di  Sileni)  ed  il  Sileno,  che  giä  nei  miti  locali 
antichi  esisteva  accanto  alla  pluralita,2  ricevendo  un  nuovo  tipo  speciale,  vien 
opposto  ai  Satiri.3 

Rileviamo  dal  fatto  stabilito  (pel  quäle  bastino  per  ora  questi  pochi  cenni) 
che  vi  potevano  esistere  nella  conoscenza  comune,  ed  eziandio  essere  rappresen- 


1  Font  un  tentativo  di  rappresentar  i  Satiri  nella  vera  loro  natura  caprina  sono  quei 
caproni  a  faccie  umane  in  compagnia  di  Bacco  e  Sileni  sopra  alcuni  vasi  a  figure  nere 
attici  (Monaco  n. 682  Jahn   [1828];  Caylus,  Recucil  II  33). 

2  Sopra  l'antichitä  dei  miti  accennati  cf.  Rohde,  Griccli.  Roman  p.  204,  3.  —  Bacchyl. 
ir  2  nc  e  creduto  il  tcstimonio  piü  antico;   ina  giä   i    vcrsi    di    Pindaro  Fr.  128,   ove  il 

HO  (probabilmente  Marsia)  parla  ad  Olimpo,   lo  mostrano    come   disprezzatore   della 
fortuna  umana,  tratto  caratteristico  dei  sopra  mentovati  miti. 

Sgraziatamente  mancano  affatto  degli    indizi  certi    onde   giudicar   lo   sviluppo   di 

ti  tipi  nel  dramma  satirico,  questione  nella  quäle  il  noto  vaso  attico  (Mon.  III  31)  ci 
aiuta  poco,  essendo  esso  giä  dei  quarto  secolo. 


con  Rappresentazioni  Bacchiche. 


185 


tati  nelle  feste,  degli  esseri  i  quali  perö  nell'arte  figurativa  non  ricevettero  un 
tipo  loro  proprio;  ma  ne  rileviamo  pure  l'influenza  grandissima  dell'arte  della 
Grecia  settentrionale  e  dell'Ionia  e  vediamo  di  nuovo  con  quanta  tenacitä  un 
tipo  una  volta  creato  fosse  conservato  nell'arte  antica. 


BÜSTE  PANS  IN  TERRACOTTA 

(ATHENISCHE  MITTEILUNGEN  III  1878) 
(Tafel  VIII  [=  Tafel  9,  3]) 


:|ie  Büste,  die  wir  hier  von  zwei  Seiten  veröffentlichen,  stammt  aus  der 
nächsten  Umgebung  der  Stadt  Athen  '  und  befindet  sich  gegenwärtig 
im  Besitze  der  archäol.  Gesellschaft  im  Varvakion.2  [Jetzt  im  National- 
museum.] 

Es  ist  unverkennbar,  daß  wir  es  zu  tun  haben  mit  einem  neuen  und  ori- 
ginalen Versuche  eines  attischen  Künstlers,  die  tierischen  Formen  im  Typus  des 
bärtigen  gehörnten  Pan  mit  den  menschlichen  wirkungsvoll  verschmolzen  vor- 
zuführen. Derselbe  gestand  dem  tierischen  Elemente  hier  mehr  zu,  als  wir  in 
der  schönen  Dresdner  Bronzemaske,  die  ich  in  den  Monum.  ined.  dellTnst.  X,  45,  3 
[oben  Taf.  2,  2]  veröffentlichte,  bemerken,  geht  indeß  immer  noch  nicht  so  weit, 
wie  z.  B.  der  Künstler  eines  vatikanischen  Marmorkopfes  ging  (Gall.  dei  busti 
Nr.  316  [Amelung,  Vatican  II,  Taf.  72]). 

Als  Grundform  des  Kopfes  können  wir  auch  hier  wie  in  jener  Bronze3  das 
Vorspringen  des  Oberkiefers  betrachten,  was  übrigens  hier  noch  mehr  pronon- 
ciert  ist  als  dort,  indem  derselbe  auch  über  die  Nasenspitze  etwas  heraustritt. 
Damit  hängt  auch  die  tierischere  Gestaltung  der  Nase  zusammen,  deren  Spitze 
weit  herabgeht,  während  die  Flügel  mit  den  Nasenlöchern  hoch  heraufgezogen 
sind  und  zurücktreten  wie  bei  der  Ziege.  Verstärkt  und  festgehalten  wird  diese 
nach  der  Mitte  herausdrängende  Richtung  zunächst  in  der  oberen  Gesichtshälfte, 
ndem  ein  dicker  Haarschopf  in  die  Stirne  hereinwächst  bis  nahe  an  die  Nasen- 
wurzel herunter,  wo  sich  wieder  die  dem  Zuge  jenes  Schopfes  folgenden  hoch- 
geschwungnen  Augenbrauen  treffen.  Auf  diese  Art  wird  die  eigentlich  mensch- 
liche Stirne,  die  in  der  Dresdner  Maske  noch  bedeutsam  entwickelt  ist,  hier  fast 
völlig  negiert.  Der  dominierende  Punkt  des  Untergesichtes  ist  das  nackte  Kinn 
selbst,  nicht  wie  an  der  Bronze  die  Bartspitze;  denn  wie  bei  der  Ziege  beginnt 
hier  der  Bart  erst  weiter  hinten  und  der  Unterkiefer  weicht  nicht  zurück  wie  dort, 
sondern  reicht  fast  soweit   heraus  wie   die  Nasenspitze.  —  Daß  unser  Künstler 


Revier,  in  dem  sie  gefunden  ward,  ist  nahe  beim  Stadion  in  südöstlicher 
Richtung  davon  entfernt  und  heißt  MayxQ&ri  (wo  das  anlautende  ,u  offenbar  älteres  n  vertritt. 

7  Die  Hohe  da  BOste  beträgt  0,15.  Der  Abbildung  liegt  eine  Zeichnung  von  Herrn 
Architekten  Friedrich  Thicrsch  zu  Grunde  [Umgezeichnet  von  K.  Reichhold]. 

1  Vgl.  Annali  dclllnst.  1877  S.  243  ff.  [oben  S.  180  K.J. 


Büste  Pans  in  Terracotta.  187 


indeß  an  rechter  Stelle  auch  von  der  Natur  abzuweichen  versteht,  zeigt  der  Bart 
selbst,  indem  er  nicht  wie  beim  Ziegengeschlechte  in  einem  nach  vorn  sich 
krümmenden  Busche  wächst,  sondern  vielmehr  nach  hinten  gegen  den  Hals  sich 
zurücklegt;  durch  ersteres  wäre  das  Ganze  zu  tierisch  und  dadurch  niedrig  komisch 
geworden. 

An  diese  hervortretenden  mittleren  Gesichtsteile  schließen  sich  nun  zurück- 
weichend die  der  beiden  Seiten  an,  und  zwar  entsprechen  sich  die  Ansätze  der 
Hörner,  die  Ansätze  des  Schnurrbarts  und  endlich  zwei  eingetiefte  Punkte  unter 
den  Mundwinkeln,  die  das  Kinn  scharf  vorspringen  lassen.  Was  den  Schnurrbart 
betrifft,  so  läßt  er  die  ganze  Oberlippe  frei,  was  in  ungleich  geringerem  Grade 
auch  schon  an  jener  Bronze  der  Fall  ist;  hier  muß  er  der  durchaus  abweichenden 
Bildung  der  Nase  folgen  und  setzt  daher  hoch  oben  gleich  unter  den  Nasen- 
löchern ein.  So  entsteht  ein  ungewöhnlich  großer  leerer  Raum  auf  der  Ober- 
lippe, den  der  Künstler  durch  die  Anbringung  zweier  Warzen  zu  füllen  gesucht 
hat;  eine  ähnliche  brachte  er  weiter  unten  auf  dem  nackten  Kinne  an.  —  Während 
alle  bisher  hervorgehobnen  Unterschiede  unsrer  Büste  von  jener  Bronze  ein 
stärkeres  Hervorheben  des  tierischen  Elementes  bezwecken,  ist  dies  mit  den 
Hörnern  nicht  der  Fall.  Sie  sind  nicht  lang  und  heraustretend,  wie  in  der  Natur 
und  in  jener  Bronze,  sondern,  wie  es  hier  wohl  technisch  durch  das  gebrechliche 
Material  angezeigt  war,  kurz  und  anliegend,  ja  von  dem  dicken  Haarwulste  sich 
wenig  unterscheidend.  Mit  dieser  Gestaltung  der  Hörner  hängt  auch  die  der  157 
Haare  zusammen;  dieselben  umgeben  in  einem  einfachen  Wulste,  wie  er  im  all- 
gemeinen den  älteren  Typen  eigentümlich  ist,  vorne  den  Kopf,  von  dem  in  die 
Stirne  vorwachsenden  Schöpfe  regelmäßig  nach  den  Seiten  zurückweichend,  und 
reichen  auch  hinten  im  Nacken  in  Gestalt  voller  dicker  Locken  bis  zum  Ansätze 
des  Rückens.1 

Das  Gewandstück,  das  auf  der  linken  Schulter  geknöpft  scheint,  ist  nicht 
deutlich  genug  charakterisiert,  um  es  als  Fell  zu  erkennen,  als  welches  es  ur- 
sprünglich doch  wohl  gedacht  war.2  Um  so  deutlicher  hat  der  Künstler  sich 
ausgedrückt,  indem  er  an  der  Basis  in  Relief  eine  Syrinx  (von  neun  ungleichen 
Röhren),  das  gewöhnlichste  Attribut  des  Pan,  anbrachte. 

Die  Büste  ist  aus  einem  roten  und  feinen  Tone  geformt,  der  gegenwärtig 
noch  großenteils  mit  einer  dünnen  Erdkruste  bedeckt  ist;  von  einem  weißen 
Überzuge  oder  von  Farbresten  konnte  ich  nichts  entdecken. 

Vergleichen  wir  den  Kopf  mit  andern  attischen  Terrakotten,  so  weicht  er  in 
der  Art  der  Arbeit  von  denen  des  vierten  Jahrhunderts  allerdings  beträchtlich 
ab;  es  ist  alles  etwas  gröber  und  voller;   an  den  Haaren  ist  nach  dem  Formen 


1  Von  einem  Kranze  oder  Binde  ist  nichts  zu  bemerken,  obwohl  der  vordere  etwas 
absetzende  Haarwulst  etwas  derartiges  voraussetzen  ließe. 

2  Zur  Anordnung  desselben  auf  der  Brust  der  Büste  vgl.  z.  B.  die  Bronzebüste  eines 
jugendlichen  Satyrs  bei  Caylus,  Rec.  d'ant.  III,  43,  4. 


Büste  Pans  in  Tekracotta. 


kaum  etwas  nachmodelliert;  sie  sind  in  größeren  Partien  geformt  als  an  älteren 
Terrakotten,  aber  gleichwohl  in  den  Hauptsachen  scharf  und  nirgend  vernach- 
lässigt. Beachten  wir  ferner  die  Augen  mit  ihren  scharfen  Lidrändern  und  den 
flachen  Augäpfeln,  so  werden  wir,  wenn  auch  einerseits  der  ganze  Charakter 
des  Werks,  der  das  Tierische  so  stark  betonende  Typus  des  Pan  und  auch  schon 
jene  spätere  Form  derSyrinx1  uns  in  eine  jüngere  Zeit  weist  als  das  vierte  und 
wohl  auch  dritte  Jahrhundert,  doch  andrerseits  nicht  unter  das  zweite  oder  erste 
f.  Chr.  herabgehen  wollen.  Es  fragt  sich  nur,  ob  die  Büstenform  sich  mit 
dieser  Ansetzung  vereinigen  läßt. 

Unser  Monument  hat  nämlich  die  Form  der  vollkommen  entwickelten  Büste, 
d.  h.  mit  Bruststück  und  Armansätzen;  ja  es  ist  sogar  etwas  Bewegung  in  diesen 
Teilen,  indem  der  linke  Arm  etwas  zurückgebogen  und  die  linke  Schulter  etwas 
gehoben  erscheint.  Ein  schmaler  Streif,  der  indeß  noch  nicht  wie  bei  den 
römischen  Büsten  als  Inschrifttäfelchen  gestaltet  ist,  verbindet  die  Brust  mit  der 
runden  Basis.  Daß  letztere  mit  Relief  geziert  ist,  dürfte  eine  ziemlich  einzeln 
stehende  Eigentümlichkeit  sein,  mit  der  sich  zunächst  vergleichen  läßt  das  Relief 
auf  dem  viereckigen  Täfelchen  unter  dem  Bruststücke  einer  römischen,  wohl  noch 
der  letzten  republikanischen  Zeit  angehörigen  Büste  (Arch.  Zeit.  1875  Taf.  3 
[Österr.  Jahresh.  X,  153]).  —  Ich  glaube  nun  in  der  Tat,  daß  man  die  Büsten- 
form mindestens  im  2.  Jahrh.  als  bekannt  voraussetzen  muß.  Mit  Recht  hat 
Heibig  (Untersuch,  über  d.  Camp.  Wandm.  S.  40)  darauf  hingewiesen,  daß  auf 
den  Münzen  die  große  für  die  ganze  Folgezeit  bleibende  Veränderung,  zu  dem 
bloßen  Kopfe  auch  einen  Teil  der  Brust  hinzuzufügen,  bereits  in  der  Diadochen- 
periode  eintritt.  Namentlich  sind  es  die  Ptolemäermünzen,  die  hierin  eine  sich 
steigernde  Entwicklung  bieten,  und  von  denen  bereits  die  des  Ptolemäus  IV  ein 
volles  Bruststück  mit  Gewand  auf  den  Schultern  hinzufügen.2  Daß  diese  Um- 
gestaltung mit  dem  Aufkommen  der  Büste  in  der  Plastik  zusammenhängt,  ja 
letztere  bereits  voraussetzt,  scheint  mir  nicht  zweifelhaft.  [Anders  Furtwängler, 
Antike  Gemmen  III,  S.  162.]  Wollte  man  einwenden,  daß  jene  Münzen  (ebenso 
wie  der  berühmte  sog.  Cameo  des  Philadelphos  und  der  Arsinoe  [Furtwängler, 
Ant.  Gemmen  53,  2])  gerade  eine  Eigentümlichkeit  der  plastischen  Büste,  nämlich 
den  hinten  ausgeschnittnen  Rücken  nicht  zur  Anschauung  bringen,  so  hängt  das 
mit  dem  Münzstile  zusammen  und  findet  sich  in  der  Regel  ebensowenig  bei 
den  Münzen  der  römischen  Kaiser. 

Nach  Heibig  (a.  a.  O.)  wurde  eine  aus  einem  Akanthuskranze  herauswachsende 
weibliche  Büste  in  einem  Canosiner  Grabe  mit  späten  bemalten  Vasen  zusammen- 
gefunden, was  für  die  Existenz  der  Büste  in  jener  Zeit  unwiderleglich  beweisen 


1  Vgl.  Annali   1877  S.  21  1  |obcn  S.  157J. 

*  Gute  Abbildungen  in  der  Wiener  Zeitschr.  für  Numism.     1869  Taf.  1,5—7;  Ptole- 
V  ebenda  1870  Taf.  6. 


Büste  Paks  in  Terracotta.  189 


würde.1  Indeß  kann  dies  nur  ein  vereinzeltes  Beispiel  gewesen  sein,  da  Büsten 
im  allgemeinen  unter  den  Terrakotten  jener  Gräber  nicht  vorkommen.  Büsten 
in  gebranntem  Tone  sind  jedoch  überhaupt  sehr  selten;  es  mag  dies  damit  zu- 
sammenhängen, daß  das  ursprüngliche  und  für  die  Büste  geeignetste  Material 
die  Bronze  war  (vgl.  Heibig  a.  a.  O.  S.  41)  und  daß  die  Form  in  der  Regel  nur 
für  Porträts  verwendet  wurde.  Deshalb  wird  auch  unser  Pan  nicht  in  die 
ersten  Anfänge  der  Geschichte  der  Büste  gehören;  eine  nahe  Analogie  findet  er 
in  der  großen  Marmorbüste  des  Silen  im  Vatikan,  die  sich,  eben  in  der  Büsten- 
form, ebenfalls  nur  zum  Ziele  setzt,  den  tierischen  Charakter  jenes  dem  Schweine 
verwandten  Wesens  zum  Ausdrucke  zu  bringen  (Visconti,  Mus.  Pio-Cl.  VI,  9,  1 
[Amelung,  Vatican  II  Taf.  72  Nr.  321]  und  der  Arbeit  nach  wohl  noch  dem  Ende 
der  Diadochenperiode  angehören  kann.  Die  oben  angedeuteten  Umstände  mögen 
auch  die  Ursache  gewesen  sein,  daß  uns  die  Büsten  der  Diadochenperiode  so 
fast  gänzlich  verloren  gegangen  sind. 

Was  Terrakottabüsten  betrifft,  so  sind  mir  wenigstens  aus  griechischen 
Sammlungen  keine  bekannt;2  auch  unter  den  doch  der  späteren  hellenistischen 
Epoche  angehörigen  zahlreichen  jüngst  aus  Kleinasien  bekannt  gewordenen 
Terrakotten  scheinen  sich  eigentliche  Büsten  nicht  zu  befinden.3  In  Bronze  da- 160 
gegen  hat  die  Büstenform,  und  eben  für  ideale  Gegenstände,  nicht  Porträts,  eine 
sehr  ausgiebige  Verwendung  gefunden  in  der  dekorativen  Industrie  der  römischen 
Epoche,  als  aufgeheftete  Zierat  an  Geräten  aller  Art,  als  Hängegewichte  und  dgl. 
Eingehendere  Untersuchungen,  die  überhaupt  das  hier  nur  flüchtig  berührte 
Gebiet  der  Geschichte  der  Büste  in  hohem  Grade  verdiente,  würden  vielleicht 
feststellen,  ob  auch  hier  vorrömische  Vorbilder  zu  Grunde  lagen  oder  nicht.  Für 
jetzt  genüge  es,  uns  von  dem  Werte  überzeugt  zu  haben,  welchen  die  hier  ver- 
öffentlichte Büste  nicht  nur  durch  ihren  Gegenstand  hat,  sondern  auch  durch  ihr 
Material  und  ihre  wahrscheinliche  Entstehungszeit. 

1  [Die  Canosiner  Büste,  jetzt  im  Brit.  Mus.  ist  abgeb.  E.  Hübner,  33.  Berliner  Winckel- 
mannsprogr.  Taf.  3,  6  S.  22.]  Die  ebenda  S.  40  Anm.  2  genannte  attische  Grabstele  [Ame- 
lung, Vatican  I  Taf.  30,  198,  vgl.  Hübner  a.  a.  O.  S.  17,  1]  gehört  nicht  hieher.  Der 
ferner  dort  besprochne  Kopf  in  Villa  Borghese  ist  nicht  mit  Sicherheit  zu  verwenden, 
da  es  nicht  feststeht,  ob  Büste  und  Kopf  ursprünglich  zusammengehören. 

2  Es  ist  natürlich  nur  von  eigentlichen  Büsten  im  engern  Sinne  die  Rede;  häufig 
sind  bekanntlich  größere  Brustbilder  archaischen  Stiles,  meist  aus  Böotien  und  Lokris 
stammend  (vgl.  ein  Beispiel  in  Mon.  grecs  de  l'assoc.  des  etudes  gr.  1873  Taf.  II),  die  den 
Körper  gewöhnlich  bis  zum  Bauche  geben  und  ohne  Rückseite  sind;  auch  solche,  die 
bloß  Kopf  und  Hals  geben,  und  einzeln  zum  Aufsetzen  gearbeitete  Köpfe  kommen  vor, 
gehören  aber  nicht  hieher. 

3  Vor  Zeiten  hat  Caylus  in  seinem  Recueil  d'ant.  einige  abgebildet;  so  eine  offen- 
bar sehr  hübsche  und  noch  griechische  Büste  aus  Sizilien  Bd.  III,  Taf.  60,  2,  die  noch 
einen  weißen  Überzug  und  Farbreste  tragen  soll;  es  ist  ein  pathetischer  Jünglingskopf; 
die  Basis  fehlt.  Ferner  Bd.  V  Taf.  38,  3  eine  Frauenbüste  aus  Corneto,  VII,  54,  4  eine 
aus  Veleia,  III,  92,  1  eine  aus  Nismes,  eine  Frau  mit  Kalathus,  die  Büste  auf  runder  Basis 
—  die  letzteren  alle,  wie  es  scheint,  aus  guter  römischer  Zeit  und  keine  ein  Porträt. 


DER  SATYR  AUS  PERQAMON 

VIERZIGSTES  PROGRAMM  ZUM  WINCKELMANNSFESTE 
DER  ARCH/EOLOGISCHEN  GESELLSCHAFT  ZU  BERLIN,  1880 

[Tafel  4—6] 

aune  Satyrn  Silene  Pane  —  wie  kreuzen  und  vermischen  sich  die  Vor- 
stellungen von  dieser  lustigen  Schar,  nicht  nur  bei  uns,  sondern  teil- 
weise schon  bei  den  Alten!  Wie  schwanken  und  wechseln  jene  Be- 
zeichnungen, während  die  künstlerischen  Typen  selbst  sich  so  einfach  und  klar 
scheiden  und  in  so  deutlicher  Stufenfolge  entwickeln.  —  Winckelmann,  dessen 
Erinnerung  diese  Blätter  gewidmet  sein  sollen,  hatte,  obwohl  er  sich  um  die 
Benennung  nicht  eben  viel  Sorge  machte,  mit  gesundem  Blicke  nicht  nur  die 
Haupttypen,  die  in  seinem  beschränkten  Materiale,  den  römischen  Statuen  und 
Reliefs  vorkamen,  erkannt  und  geschieden,  sondern  auf  dieselben  auch  die  Namen 
Pan,  jugendliche  Satyrn  und  ältere  Silene  im  wesentlichen  richtig  verteilt.1  Um 
so  auffallender  ist  die  anderwärts  begegnende  Verwirrung;  unter  „Satyrn"  z.  B. 
verstand  man  allgemein  nur  bocksfüßige  Wesen,  während  die  Satyrn  selbst  Faune 
hießen.-'  Obwohl  uns  gegenwärtig  ein  unvergleichlich  größeres  Material  vor- 
liegt, von  dem  Winckelmann  nichts  ahnte,  sind  doch  die  Hauptfragen,  die  Unter- 
scheidung von  jugendlichem  Pan  und  Satyrn,  von  Satyrn  und  Silenen  noch  bis 
heute  viel  umstritten.  Die  Schuld  der  ungenügenden  Lösung  derselben  lag  freilich 
4  meist  in  der  falschen  Stellung  der  Fragen,  indem  man  nach  theoretischen,  all- 
gemein durchführbaren  statt  nach  historischen,  von  Zeit  und  Ort  bedingten 
Unterscheidungen  forschte.  Und  doch  gibt  es  kaum  ein  bunteres  farbenreicheres 
Blatt  in  der  Geschichte  der  Entwickelung  griechischer  Idealtypen  als  das  jener 
munteren  Wesen.  Eine  lange  reiche  Entwickelung  rollt  sich  vor  uns  auf  —  von 
jenen  hochaltertümlichen  Silenen,  den  wilden  rohen  Wald-  und  Wasserdämonen, 
die  mit  Hufen,  mit  Schwanz  und  Ohren  der  Pferde  hüpfen  und  tanzen,  Nymphen 
rauben  und  entführen,  bis  zu  den  zarten  schwärmerisch  versunknen  jugendlichen 
Satyrn  voll  Grazie  und  Anmut,  und  von  da  wieder  zu  den  bäurisch  derben 
frechen  jungen  Burschen.  Einige  Skizzen  zur  genauem  Behandlung  jener  Ge- 
schichte, die  mannigfaltiger  und  interessanter  ist  als  die  der  meisten  höhern 
Göttertypen,  habe  ich  schon  vor  einigen  Jahren  versucht;3   dieselben   hier  aus- 

1  Winckclmanns  Werke,  herausgegeben  von  H.  Meyer  und  J.  Schulze.  Dresden  1811. 
lid.  IV.  7511    VI  2,231. 

ttnds  lid.  IV,  284  Anmcrk.  von  IL  Meyer  und  J.  Schulze. 

nnall  delT  Inst  1877,  184-245  und   117    •ISO  [oben  S.  131  ff.  u.  182  ff.|. 


Der  Satyr  aus  Pfrgamon.  191 


zuführen,  zu  berichtigen,  zu  erweitern,  so  wie  es  der  Gegenstand  verlangte, 
verbietet  leider  Raum  und  Zweck  dieser  Schrift.  Nur  zwei  schöne  Monumente, 
beides  neue  Erwerbungen  der  Königl.  Museen  in  Berlin,  beide  in  jenen  Zusammen- 
hang gehörig,  sollen  hier  ausführlicher  besprochen  und  in  denselben  eingereiht 
werden. 

Weitaus  den  ersten  Rang  nimmt  die  Bronzestatuette  ein,  welche  unsere  erste 
Tafel  [Taf.  4]  in  Radierung  von  C.  L.  Becker  in  Originalgröße  wiedergibt,1  und  die 
in  der  Tat  nicht  zu  dem  geringsten  gehört,  was  uns  die  so  glücklichen  Grabungen 
in  Pergamon  geliefert.  Hier  bedarf  es  keines  längern  Sichhereinversenkens,  ein 
Blick  genügt,  um  das  so  momentan  und  packend  gefaßte  Motiv  zu  verstehen. 
Der  jugendliche  Satyr  prallt  plötzlich  zurück,  der  ganze  Körper  ist  in  Spannung, 
er  steht  mit  beiden  Füßen  nur  auf  den  Zehen;  mit  der  Rechten  aber  holt  er 
aus  zu  einem  kräftigen  Schlage.  Indeß  brauchen  wir  nicht  um  ihn  besorgt  zu 
sein;  das  Tier,  das  ihn  angreift,  sei  es  eine  Schlange  des  Waldes,  die  gegen  ihn 
züngelt,  oder  sei  es  gar  nur  der  Hund  eines  Hirten  der  den  umherstreifenden 
Gesellen  anbellt,  das  Tier  ist  jedenfalls  im  Ernste  nicht  gefährlich;  denn  der  5 
Grundton  im  Gesichte  unsres  Satyrs  ist  eine  unverwüstliche  Heiterkeit.  Eine 
bei  Plinius  erhaltene  epigrammatische  Schilderung  des  von  Parrhasios  gemalten 
Demos  der  Athener  rühmt,  daß  im  Gesichte  desselben  die  verschiedensten  Eigen- 
schaften, wie  Zornmut  und  Milde,  Hoheit  und  Niedrigkeit  usw.  vereinigt  Aus- 
druck gefunden  hätten.  Ähnliches  können  wir  vom  Gesichte  unsres  Satyrs  sagen. 
Oder  malt  sich  hier  nicht  gleich  deutlich  die  Frechheit  des  durchtriebenen  Schelms, 
dem  wir  alles  zutrauen  und  die  Feigheit  des  niedern  Burschen,  ferner  eine  ge- 
wisse zügellose  Wildheit,  die  mutwillig  alle  Ordnung  umkehren  möchte  und  zu- 
gleich doch  eine  Harmlosigkeit  und  Gutmütigkeit,  die  uns  dem  Nichtsnutzigen 
nicht  gram  werden  läßt,  indem  wir  bedenken,  daß  er  ein  richtiger  Sprößling  aus 
dem  yevog  ovnöavc7)v  Zazvgcov  neu  äjj.)]yavoEQyaiv.  —  Kurz  der  Kopf  unsrer 
Figur  dankt  seinen  Ursprung  einem  Wurfe  wie  er  genialer  kaum  gedacht  werden 
kann;  auch  wüßte  ich  ihm  unter  den  so  zahlreichen  Monumenten  absolut  nichts 
an  die  Seite  zu  stellen.  —  Sein  Typus  im  allgemeinen  reiht  sich  unter  die  „bäu- 
rischen" jugendlichen  Satyrn  ein;  relativ  am  nächsten  steht  ihm  eine  in  Marmor 
nicht  seltene  Gattung  von  Köpfen  mit  gutmütig  zum  Lachen  breit  verzognen 
Munde,  wobei  die  Zähne  sichtbar  werden;'-  was  aber  hier  meist  nur  lahmes 
Grinsen  ist,  das  ist  dort  packendes  Leben.  Die  Nase  unsres  Kopfes  ist  mehr 
als  sonst  kurz,  eingeknickt  und  vorne  breitgequetscht,  das  lange  Spitzohr  eben- 


1  [Darnach  unsere  Taf.  4  in  Lichtdruck.] 

2  Zwei  nicht  bedeutende  Exemplare  im  Berliner  Museum  Nr.  132  und  199  (Gerh.) 
[Beschr.  d.  ant.  Skulpt.  269  u.  270];  anderwärts  oft,  z.  B.  im  Capitol.  Mus.  Galler.  Nr.  25; 
im  Museo  Torlonia  in  Rom  Nr.  110  und  114.  —  Dieser  Typus  scheint  bei  der  Etymologie 
vorgeschwebt  zu  haben,  die   wir  bei  Aelian,  Var.  hist.  III,  40  lesen:   SaxvQtn  de  ö.to  tw 

oeoi]gerai. 


192  Der  Satyr  aus  Pergamon. 


falls  stark  tierisch,  die  Haare  kurz  und  struppig,  vorne  etwas  aufgesträubt,  ohne 
Kranz  oder  Binde.  Die  Ausführung  des  Körpers  gibt  dem  Kopfe  wenig  nach; 
er  ist  kräftig,  doch  schlank,  mager,  sehnig,  namentlich  an  den  Beinen,  die  fast 
allen  Fettes  ermangeln,  wo  der  Wadenmuskel  fast  zu  hart  sich  abgrenzt  und  am 
linken  Oberschenkel  die  Austiefung  zwischen  der  Gruppe  der  Anzieher  und  den 

6  großen  Schenkelmuskeln  etwas  zu  stark  geraten  ist.  Dafür  ist  die  umhüllende 
zarte  obere  Fettschicht  und  Haut  am  Oberkörper  wundervoll  lebendig  zum  Aus- 
druck gekommen.  Während  die  Beine  den  hüpfenden  Springer  zeigen,  verrät 
die  leise  trotz  der  Anspannung  deutliche  Fülle  des  Bauches  unter  dem  weich 
und  tief  eingesenkten  Nabel  den  lustigen  Schlemmer.  Doch  am  schönsten  ist 
der  Übergang  von  Bauch  und  Brust  in  seiner  lebensvollen  Zartheit;  letztere  selbst 
ist  kräftig  und  zeigt  jenes  auf  den  Pergamenischen  Reliefs  besonders  übliche 
starke  Hervortreten  des  Handgriffs  oben  am  Brustbein.  In  der  erhobenen  rechten 
Hand  ist  die  Höhlung  für  einen  senkrecht  niedergehenden  runden  Stab  erhalten, 
der  besonders  gearbeitet  war,  während  im  übrigen  die  ganze  Figur  mit  den 
Extremitäten  in  einem  Stücke  massiv  gegossen  ist.  Die  Waffe,  die  nur  kurz 
gewesen  sein  kann,  war  ohne  Zweifel  das  Pedum  oder  Lagobolon.  Der  linke 
Oberarm  ist  zwar  zu  lang,  doch  fällt  dies  für  die  Gesamtwirkung  nicht  auf,  für 
welche  diese  Abweichung  geradezu  berechnet  scheint.  Vom  Arme  fällt  ein 
Pantherfell  herab,  das  einen  malerischen  Hintergrund  gibt  und  den  Raum  zwischen 
den  Beinen  passend  füllt;  dasselbe  ist  in  seinen  einzelnen  Haaren  sorgfältig 
ziseliert.  Die  linke  Hand  hält  die  Syrinx.  Der  Figur  fehlt  die  Basis;  die  in  der 
Abbildung  angedeutete  ist  modern.  Der  rechte  Fuß  ist  etwas  nach  innen  ver- 
dreht, was  bei  dem  Mangel  der  Basis  leicht  geschehen  konnte.  Da  die  ganz 
erhaltenen  Zehen  keinerlei  Ansatzspur  zeigen,  so  saß  die  Figur  auch  im  Alter- 
tum nie  fest  auf  einer  Basis;  sie  war  vielmehr  mittelst  eines  noch  auf  der  Rück- 
seite des  Felles  erhaltenen  längeren  Kupferstiftes  an  eine  glatte  gerade  Rückwand 
befestigt;  das  Pantherfell  und  die  Hand  mit  der  Syrinx  bilden  deshalb  hinten 
eine  glatte  Anschlußfläche,  während  der  übrige  Körper  indeß  auch  hinten  sorg- 
fältig rund  ausgearbeitet  ist;  nur  den  doch  nicht  sichtbaren  Satyrschwanz  ließ 
der  Künstler  weg.  Nahe  liegt  die  Vermutung,  daß  auf  jener  Rückwand,  sei  es 
die  Wand  eines  Kastens  oder  andern  Gerätes,  noch  mehrere  Figuren,  vor  allem 
der  Gegner  des  Satyrs  gebildet  war.     Gegen  letzteres  spricht  jedoch  das  starke 

7  Herausspringen  der  Figur;  das  Tier  müßte  ebenfalls,  um  überhaupt  von  dem 
ausholenden  Arme  des  Satyrs  getroffen  werden  zu  können,  bedeutend  aus  der 
Fläche  herausspringen,  während  es  doch  als  Angreifer  direkt  gegen  den  Satyr 
gerichtet  sein  mußte.  Vielleicht  war  also  der  Gegner  unsrer  Phantasie  überlassen. 
Die  Befestigung  an  eine  gerade  Fläche  und  den  Mangel  einer  Basis  finden  wir 
übrigens  ganz  ebenso  an  einer  Bronzegruppe  des  Theseus  und  Minotauros,1  die 


i/.c,  'iH.  Berliner  Winckelmanns-I'ro^ramm   1878. 


Der  Satyr  aus  Pergamon.  193 


ebenfalls  aus  Kleinasien  und  ungefähr  wohl  auch  aus  derselben  Zeit  stammt.  — 
Die  Erhaltung  unsrer  Figur  ist  zwar  im  ganzen  sehr  gut,  doch  wird  die  Fein- 
heit der  Formen  und  die  scharfe  Ziselierung  vielfach  von  der  körnigen  Patina 
überwuchert. 

Die  Zeitbestimmung  der  Statuette  im  allgemeinen  kann  nicht  zweifelhaft 
sein.  Auch  sie  wird  der  Höhe  der  Kunstblüte  in  Pergamon,  dem  3.  oder  2.  Jahr- 
hundert v.  Chr.  angehören.  Daß  sie  nicht  wesentlich  später  falle,  dafür  bürgt  uns  vor 
allem  die  eminente  Frische  und  Genialität  der  Arbeit;  dann  aber  auch  etwas 
rein  äußerliches,  die  Form  der  Syrinx,  deren  sieben  Röhren  noch  fast  ganz  gleich 
lang  gebildet  sind;  denn  dies  ist  die  ältere  Form,  die  mit  dem  Beginne  der 
griechisch-römischen  Zeit  verdrängt  wird  von  der  unten  ausgeschnittenen  Gestalt 
mit  ungleichen  Röhren.1  Daß  die  Figur  andrerseits  nicht  älter  sei,  das  wird,  wie 
wir  des  Nähern  noch  ausführen  werden,  durch  den  bäurischen  Typus  des  Satyrs 
und  die  Übertragung  von  Syrinx  und  Pedum  auf  ihn  hinlänglich  erwiesen.  Dazu 
kommt,  daß  der  gesamte  stilistische  Charakter  den  großen  Pergamenischen 
Reliefs  nicht  unwesentlich  verwandt  erscheint.  Wir  haben  hier  wie  dort  die  stark 
hervortretende  Trennung  der  Muskelpartien  und  doch  die  weiche  naturalistische 
Behandlung  der  Oberfläche  und  am  Rumpfe  besonders  das  Streben  nach  mög- 
lichst mannigfaltig  gebrochenen  Linien,  sowie  endlich  den  gewaltigen  Schwung 
der  Bewegung.  —  Auch  darf  man  erwähnen,  daß  die  Figur  im  Schutte  eines 
hellenistischen  Hauses  in  Pergamon,  südöstlich  vom  Altarplatze  gefunden  ward;  daß 
sie  einst  dem  Schmucke  jenes  Hauses  oder  eines  Gerätes  in  demselben  diente,  8 
ist  eine  naheliegende  Möglichkeit.  Für  den  besondern  Charakter  des  Kopfes 
aber,  für  den  Geist,  in  dem  er  erfunden  und  ausgeführt  ist,  weiß  ich  augen- 
blicklich nichts  zu  nennen  was  ihm  innerlich  verwandter  wäre  als  der  Kopf  des 
einst  Castellanischen  jetzt  im  British  Museum  befindlichen  Dornausziehers.2  Hier 
wie  dort  dieselbe  geniale  Art,  den  momentanen  Ausdruck  der  beidemale  lebhaft 
erregten  derben  Burschen  wiederzugeben;  hier  wie  dort  trotz  des  verschiedenen 
Gegenstandes  eine  Tendenz  zum  Niedern,  Bäurischen;  auch  der  Dornzieher  hat 
eine  stumpfe  im  Winkel  vorspringende  Nase.  Hier  wie  dort  ist  der  Augapfel 
selbst  ganz  flach3  gehalten,  dagegen  springen  die  Augenlider  stark  vor  und  ist 
namentlich  das  obere  Lid  an  beiden  in  gleicher  und  durchaus  ungewöhnlicher 
Weise  stark  entwickelt.  Die  von  den  meisten  vertretene  Ansicht,  daß  jener 
Dornauszieher  Pergamenischer  Kunstrichtung  angehöre,  erfährt  hierdurch  eine 
Bestätigung;  ja  man  darf  die  Werke  wohl  in  die  nächste  Schulgemeinschaft  setzen. 

Es  ist  ein   mehrfach  erörterter  Streitpunkt,   ob   die   Komposition   an  jenem 


1  Siehe  die  Nachweise  in  meinem  oben  zitierten  Aufsatze  Ann.  1877,  214  ff.  [oben 
S.  157  ff.]. 

2  Ich  kenne  denselben  leider  allerdings  nur  aus  den  Abbildungen  (Annali  d.  I.  1876, 
Taf.  N;  Mon.  d.  Inst.  X,  30.    Arch.  Ztg.  1879  Taf.  2  und  3.  [Brit.  Mus.  1755]). 

3  Der  Augenstern  ist  an  unserm  Satyr  durch  ein  kleines  eingebohrtes  Loch  bezeichnet. 

A.  Furtwängler.    Kleine  Schriften.  I.  1" 


]04  Der  Satyr  aus  Pergamon. 


Dornauszieher  auch  die  originale  Erfindung  der  Zeit  sei,  welcher  wir  ihn  zu- 
schreiben. Dieselbe  Frage  können  wir  für  unsern  Satyr  ziemlich  sicher  mit 
Nein  beantworten. 

Eine  halblebensgroße  Marmorstatue  in  London  '  zeigt  den  von  seinen 
wütenden  Hunden  angegriffenen  Aktäon  in  genau  demselben  Motive  wie  unsern 
Satyr;  die  Abweichungen  erklären  sich  einfach  daraus,  daß  der  letztere  an  eine 
Rückwand  befestigt  war;  deshalb  mußte  der  linke  Arm  des  Satyrs  nicht  nach 
vorn,  sondern  nach  der  Seite  ausgestreckt  werden,  deshalb  ist  hier  auch  das 
linke  Bein  mehr  nach  außen  gestellt  und  deshalb   auch   im  Knie   weniger  ein- 

9  gebogen,  so  daß  die  Last  des  Körpers  auf  ihm  nicht  allein  ruht.  Im  übrigen 
sind  die  Übereinstimmungen  so  groß,  daß  ein  abhängiges  Verhältnis  der  beiden 
Figuren  notwendig  anzunehmen  ist.  Das  Pantherfell,  das  beiden  vom  linken 
Arme  herabhängt,  fällt  bei  der  Bronze  zwischen  die  Beine,  wieder  wegen  der 
Rückwand  und  weil  hier  weder  unten  der  Hund,  noch  die  Stütze  an  der  Seite 
vorhanden  sind.  —  Das  ältere  Original  für  diese  beiden  Figuren  indeß  —  ist 
nichts  andres  als  der  Marsyas  von  Myron,  der  zurückprallt  vor  der  drohenden 
Bewegung  der  Athena,2  die  Rechte  über  den  Kopf  erhebt,  doch  die  Flöten  am 
Boden  mit  lüsternem  Blicke  betrachtet.  Der  Aktäon  stimmt  so  genau  mit  dem 
Marsyas,3  daß  die  Annahme  eines  Zufalles  nicht  für  diejenigen  allein  ausgeschlossen 
bleibt,  die  wissen  wie  einmal  erfundene  Motive  im  Altertum  durch  stete  Tradition 
sich  verbreiten  und  neue  Benutzung  erfahren.  Myron  also  ist  der  Erfinder  dieses 
so  recht  in  seiner  Richtung  liegenden  momentanen  Motivs  des  plötzlichen  Zurück- 
schreckens. Während  der  Marsyas  indeß  die  Rechte  nur  aus  Schreck  und  Er- 
staunen erhebt,  so  tut  es  Aktäon  um  zu  einem  wuchtigen  Schlage  gegen  die 
wilde  Meute  auszuholen  und  ganz  dasselbe  tut  unser  Satyr.  Die  Frage,  welches 
der  beiden  letztern  Werke  zuerst  von  dem  des  Myron  abgeleitet  sei,  läßt  sich 
nun  einfach  entscheiden;  denn  es  ist  klar,  daß  die  Umbildung  des  ursprünglichen 
Motivs  zu  einem  Hauen  gegen  einen  Angreifer  eben  nur  aus  der  Umdeutung 
zu  Aktäon,  nicht  aber  zu  einem  Satyr  zu  erklären  ist;  denn  für  letztern  ist  die 
Verteidigung  gegen  ein  Tier  etwas  durchaus  Ungewöhnliches,  das  in  seinem 
Charakter  und  seiner  Lebensweise  nicht  begründet  ist.  Niemals  wurden  Satyrn 
als  Jäger  gedacht;  sie  spielen  nur  zuweilen  mit   dem  Panther  oder  dem  Hasen 

10  als  befreundeten  Tieren  oder  haschen  den  letztern  in  scherzhafter  Weise.*   Unser 


1  Ancient  marbles  of  the  Brit.  Mus.  II,  45,  [Cat.  of  Sculpture  1568],  Friederichs, 
Bausteine  Nr.  101,  [I'riederichs-Wolters  457]. 

1  Nach  der  wohl  richtigen  Auffassung  E.  Petersens  Arch.  Ztg.  1880,  S.  25;  unmöglich 
kann  ich  indessen  zugleich  ein  Tanzmotiv  darin  erkennen,     [österr.  Jahresh.  XII,  154.] 

*  Ungleich  weniger  treu  gibt  das  Motiv  die  in  einer  Bronzestatue  vorliegende  spätere 
Umbildung  des  Marsyas  wieder  (Arch.  Ztg.  1879  Taf.  8  [Cat.  of  Bronzes  in  the  Brit. 
Mus.  269T}. 

4  So  In^hirami,  Mus.  Chilis.  Taf.  206,  207.  Vgl.  was  Stephani  CR.  1862,  S.  62  ff.  1867 
nmensteUL 


Der  Satyr  aus  Pergamon.  195 


Motiv  ist  also  vom  Aktäon  erst  auf  den  Satyr  übergegangen.  Doch  sehr  viel 
älter  scheint  die  Erfindung  des  Aktäon  nicht  zu  sein.  Das  Londoner  Marmor- 
exemplar ist  allerdings  gering,  doch  läßt  es  erkennen,  daß  die  altertümliche 
Formenhärte  des  Myronischen  Originales  durchaus  in  die  spätere  Weise  übersetzt 
war.1  Der  Kopf  ist  bekanntlich  fremd  und  die  Hörner  modern.  Friederichs 
(Bausteine  Nr.  101)  wollte  jenen  nach  einem  Cameo  des  Brit.  Mus.  ergänzen  und 
gründete  darauf  die  Behauptung,  das  Original  der  Statue  habe  noch  in  die  Zeit  des 
strengen  Stiles  des  5.  Jahrhunderts  gehört.  In  jenem  Cameo,  den  Friederichs  als 
„herrlich"  preist,  kann  ich  indeß  nur  ein  schwaches,  leblos  glattes,  modernes 
Machwerk  erkennen.2  Geeigneter  zu  einer  Zeitbestimmung  scheint  die  folgende 
Erwägung.  Während  nämlich  auf  den  mehrfachen  Darstellungen  von  Aktäons 
Tode  in  der  altem  Kunst  sowie  in  der  spätem  unteritalischen  Vasenmalerei  nie- 
mals das  Motiv  unsrer  Statue  erscheint,3  so  ist  das  letztere  hingegen  das  durchaus 
gewöhnliche  auf  den  Pompeianischen  Wandbildern;4  dieselben  zeigen  überdies  n 
sicher,  daß  man  in  die  rechte  Hand  der  Statue  das  Pedum  zu  ergänzen  hat; 
auf  dem  linken  Arme  pflegt  auch  hier  das  Fell  zu  flattern,  nur  als  Tracht  des 
Jägers  natürlich.  Es  ist  demnach  das  wahrscheinlichste,  daß  das  Motiv  des 
Marsyas  erst  in  hellenistischer  Zeit  auf  Aktäon   übertragen  wurde,  wo   es  sich, 

1  Nur  ein  Detail  wie  die  sonst  weniger  übliche  dreieckige  Gestalt  der  in  der  Mitte 
heraufwachsenden  pubes  scheint  am  Marsyas  Aktäon  und  Satyr  nicht  zufällig  gleich  zu  sein. 

2  Ich  kenne  ihn  aus  demselben  Abgüsse,  den  Fr.  zitiert;  der  (offenbar  nicht  fragmen- 
tierte) Stein  zeigt  nur  die  Büste  bis  untei  die  Brust;  die  Nebris  ist  wie  auf  der  Statue 
umgeknüpft;  der  Kopf  indeß  ist  sichtlich  dem  Aktäon  der  Selinuntischen  Metope  nachgeahmt. 
Die  erhobene  Rechte  ist  ohne  Waffe,  die  der  Fälscher  nicht  zu  ergänzen  wagte.  [Vgl. 
Catalogue  of  engraved  Gems  in  the  British  Museum  776  „Cameo,  fragment".  Abgeb. 
nach  Abguß:  Wieseler,  Denkm.  a.  K.3  II  Taf.  17,  186a.] 

3  Vgl.  über  Aktäondarstellungen  Benndorf,  Met.  v.  Selinunt  S.  56  ff.  und  das  da- 
selbst Zitierte.  [Bolte,  De  mon.  ad  Odysseam  pertinentibus  S.  44,  94.  Robert,  Sarko- 
phag-Reliefs III,  1  S.  1.]  Die  älteste  ist  auf  einer  sehr  altertümlichen  Schale  (Elite  ceram. 
II,  103  C),  wo  Akt.  im  archaischen  Laufschema  und  ganz  nackt  erscheint.  In  ein  Knie 
gesunken  zeigt  ihn  dagegen  schon  der  streng  rotfigurige  Stil,  wo  noch  jede  Andeutung 
der  Verwandlung  fehlt  (Elite  cer.  II,  99;  Mus.  Campana,  Catal.  IV,  781,  Zeichnung  beim 
römischen  Institut)  und  ebenso  ist  er  später  auf  den  Unteritalischen  Vasen,  wo  indeß 
Hörner  aus  dem  Haupte  sprießen.  Vereinzelt  ist  die  der  Version  des  Stesichoros  fol- 
gende Metope  von  Selinunt. 

4  Die  Komposition  ist  besonders  beliebt  in  der  altern  Gruppe  der  Pomp.  Bilder,  dem 
von  Mau  sog.  3.  Stile,  der  meist  hellenistischen  Vorbildern  ziemlich  getreu  zu  folgen 
scheint.  Diesem  Stile  gehören  von  den  bei  Heibig  aufgezählten  Nr.  249.  251.  252,  und 
von  den  bei  Sogliano  nachgetragenen  Nr.  115.  116.  118  an.  Helb.  252b  ist  sogar  ein  Bild 
des  zweiten  Stiles.  Besonders  deutlich  ist  unser  Motiv  in  Heibig,  Atlas  Taf.  8  und  in 
Helb.  Nr.  251,  das  von  H.  vergeblich  im  Museum  gesucht  wurde;  doch  habe  ich  das 
treffliche  und  wohlerhaltene  Bild  III.  Stiles  in  den  Magazinen  wiedergefunden;  die  Gestalt 
des  von  oben  herabspähenden  Aktäon  ist  in  den  bisherigen  Beschreibungen  übersehen 
worden.  Das  Bild  gehört  also  zu  denen,  welche  die  zwei  verschiedenen  Szenen  ver- 
einigen. 

13* 


Der  Satyr  aus  Pergamon. 


wie  die  Nachbildungen  in  den  Wandgemälden  vermuten  lassen,  großer  Beliebtheit 
erfreute  und  gelegentlich,   wie  unsre  Bronze  lehrt,   auch   einem  Satyr  verliehen 

wurde. 

Was  man  früher  für  höchst  unwahrscheinlich  halten  mochte,  daß  die 
hellenistische  Kunst  ein  älteres  Motiv  übernommen  und  nach  ihrer  Weise  neu 
staltet  habe,1  sehen  wir  hier  in  einem  sichern  Beispiele,  das  auch  für  andere 
Fälle  lehrreich  ist.  Welchen  ich  vor  allen  meine,  ist  denjenigen  nicht  unbekannt, 
die  der  Frage  nach  den  Dornauszieher-Statuen  näher  stehen.  Oder  wird  man  es 
noch  unmöglich  finden,  daß  der  derb  bäurische  Junge  der  Castellanischen  Figur, 
ebenso  wie  unser  ihm  so  nah  verwandter  Satyr,  die  geniale  Umbildung  eines 
altern,  Myronischen  Motivs  sei,  dessen  bestes  Exemplar  (schwerlich  das  Original) 
die  Capitolinische  Bronze  wäre?  Aus  der  unmittelbar  packenden  realistischen 
Gestalt  sollte  man  später  jenes  gebundene,  dem  Kreise  des  niedern  aber  er- 
greifenden Lebens  entrückte  Bild  geschaffen  haben?  Man  tat  wohl  diesen  an- 
geblichen Vorgang  in  den  mystischen  Schleier  Pasitelischer  Schule  zu  hüllen. 
[Vgl.  Furtwängler,  Meisterwerke  S.  685.]  Wir  halten  uns  an  die  nachweisbare 
Entwickelung,  wonach  die  Übersetzung  idealer  allgemeiner  Fassung  in  realistische 
und  speziell  in  ländlich-bäurische  gerade  der  hellenistischen  Kunst  eigen  ist.2 
12  Wir  können  diese  Umbildung  an  dem  ganzen  Geschlechte  der  Satyrn  nach- 

weisen; besonders  deutlich  und  durch  mehrere  Stadien  aber  läßt  sie  sich  an  der 
Gruppe  von  Statuen  verfolgen,  welcher  die  auf  unsrer  zweiten  Tafel  [Taf.  5] 
wiedergegebene  angehört. 

Es  ist  dies  eine  der  letzten  Erwerbungen  des  Berliner  Museums,  leider  zwar 
ohne  Kopf  und  Arme,  doch  durch  ihre  treffliche  frische  Ausführung  alle  ähn- 
lichen Statuen  überragend.  Die  wohl  erhaltene  Figur  aus  Parischem  Marmor,  in 
wenig  mehr  als   halber  Lebensgröße   gebildet,3  stellt  einen  Satyr  dar,   kenntlich 

1  Annali  1876,  133  (C.  Robert). 

1  Ganz  dasselbe  tat  mit  dem  Dornauszieher  auch  die  Kunst  der  Renaissance:  eine 
Handzeichnung  in  Florenz  (unter  den  „ignoti",  wohl  Anfang  16.  Jahrh.)  gibt  die  Statue 
ähnlich  dem  Castellanischen  Exemplare  mit  kräftigern  Formen,  losem  Haare  und  Stumpf- 
nase wieder.  —  In  Gedanken  ferner  pflegte  man  früher  fast  allgemein  die  Capitolinische 
Brom«  unwillkürlich  sich  in  ein  Genrebild  im  modernen  Sinne  umzubilden;  natürlich  daß 
man,  als  die  Castellanische  Figur  gefunden  war,  diese,  die  jener  langgehegten  Vorstellung 
.  iel  mehr  entsprach,  für  das  Original  zu  halten  geneigt  war.  —  Die  übrigen  antiken 
Wiederholungen  in  Marmor  schließen  sich  bekanntlich  der  Bronze  an,  doch  so  daß  sie 
deren  altertümlichen  Charakter  erweichen  und  verflachen:  wenn  man  also  gerade  an 
diesem  Charakter  keinen  Gefallen  fand,  weshalb  sollte  man  die  freie  lebendige  Castel- 
lanische Iigur  nicht  kopiert  haben  —  wenn  letztere  das  Original  war? 

1  Hohe  0,985  ohne  die  Plinthe.  Ergänzt  ist  die  ganze  Plinthe,  der  ganze  rechte 
Fuß,  die  vordere  H;ilftc  des  linken,  ein  Stück  des  1.  Unterschenkels  über  dem  Knöchel 
und  ein  Stück  von  der  Außenseite  der  1.  Wade.  Gebrochen  über  dem  1.  Knie  und  unter 
dem  r.  Knie.  An  der  Außenseite  des  1.  Gesäßes  ist  ein  länglicher  Ansatz  erhalten  für 
die  die  jetzt  in  Gips  als  Baumstamm  restauriert  worden  Ist.   Es  fehlen  der  Kopf, 


Der  Satyr  aus  Pergamon.  197 


an  dem  kleinen  Schwänzchen  hinten  im  Kreuz,  zwar  noch  von  großer  Jugend 
(ohne  pubes)  doch  schon  von  straffen  sehnigen  Formen.  Tanzend  hüpft  er 
einher,  beide  Füße  auf  die  Spitzen  der  Zehen  gehoben  und  den  einen  zierlich 
vor  den  andern  setzend.  Doch  während  die  Beine  in  angestrengter  Spannung 
ganz  gerade  emporschießen,  so  zeigt  der  Oberkörper  reizvolle  Bewegung,  indem 
er  sich  nicht  nur  nach  seiner  Linken  herabneigt,  sondern  sich  nach  derselben 
Seite  hin  auch  etwas  dreht.  Der  Kopf  war  nach  der  Richtung  der  erhaltenen 
Halsgrube,  und  da  der  rechte  Kopfnicker  vortritt,  nach  seiner  linken  Seite  etwas 
abwärts  gewendet.  Der  rechte  Arm  war  ganz  hoch  erhoben  in  der  Richtung 
über  den  Kopf.  Der  linke  Oberarm  geht  etwas  seitwärts  vom  Körper  weg;  auf 
der  linken  Schulter  hängt  eine  Nebris,  die  indeß  einen  Teil  derselben  unbedeckt 
läßt;  daß  das  Fell  auf  dem  Unterarm  einen  angefüllten  Bausch  bildete,  läßt  sich 
noch  an  dem  Erhaltenen  sehen,  indem  ein  Stückchen  jener  füllenden  Masse,  auf  13 
welche  die  Klaue  der  Nebris  sich  umbiegend  niederfällt,  geblieben  ist.  All  dieses 
entspricht  einer  besser  erhaltenen  Statue  in  London,  die  wir  auf  Tai  III  Nr.  1 
[Taf.  6,  1]  wiedergeben,1  so  genau,  daß  wir  die  unsrige  wohl  nach  ihr  ergänzen 
müssen.  Doch  bevor  wir  dies  näher  erörtern,  bewundern  wir  die  dem  Londoner 
Exemplar  weit  überlegene  Schönheit  des  Torsos.  An  der  gut  erhaltenen  Ober- 
fläche ist  das  Fleisch  antik  poliert,  während  die  Nebris  etwas  rauh  gelassen  ist; 
ebenso  unterschied  schon  Praxiteles  an  seinem  Hermes  das  Gewand  vom  Fleische. 
Auch  die  Rückseite  ist  gleichwie  an  letzterm  gearbeitet,  indem  nur  ein  Teil  glatt 
poliert,  doch  der  Rücken  selbst  rauh  gelassen  ist.  Das  anatomische  Detail 
namentlich  an  der  rechten  Seite  von  Brust  und  Bauch  ist  von  größter  Schönheit; 
einige  Abweichungen  von  der  Natur  sind  wohl  geflissentlich,  wie  daß  der  schiefe 
Bauchmuskel  an  der  rechten  Hüfte  zu  wenig  angespannt,  an  der  linken  zu  wenig 
zusammengeschoben  ist,  oder  daß  die  geraden  Bauchmuskeln  unter  dem  Nabel 
zu  geringe  Anspannung  zeigen.  Es  liegt  ihnen  die  bei  mehr  dekorativen  antiken 
Werken  häufige  Tendenz  zu  Grunde,  von  der  normalen  ruhigen  Muskellage  auch 
bei  heftiger  bewegten  Körpern  möglichst  wenig  abzuweichen.  —  Nicht  allein  die 
sehnigen  Formen  selbst,  sondern  auch   der  ganze  stilistische  Charakter  ist  der 


der  r.  Arm,  der  1.  von  der  Mitte  des  Oberarmes  an,  das  Glied  und  das  Ende  des  Schwänz- 
chens. Kopf  und  r.  Arm  waren  in  moderner  Zeit  restauriert,  wovon  die  tiefen  Klammer- 
löcher und  Kanäle  für  den  Bleiverguß  übrig  sind;  der  Bruch  am  1.  Oberarm  ist  zugerichtet 
als  ob  eine  Ergänzung  angesetzt  werden  sollte,  doch  fehlt  das  Klammerloch.  —  Erworben 
wurde  die  Figur  durch  W.  Bode,  Frühjahr  1880,  aus  Casa  Alberti  in  Florenz,  wo 
man  schon  seit  lange  im  Besitze  derselben  zu  sein  angab,  ohne  doch  näheres  zu  wissen. 
—  In  Dütschke's  Zerstr.  Antiken  in  Florenz  fehlt  das  Werk.  Ob  es  in  älterer  Literatur 
irgendwie  erwähnt  wird,  ist  mir  unbekannt.    [Beschr.  d.  ant.  Skulpt.  262.] 

1  Ergänzt  sind  nach  den  Angaben,  die  mir  K.  Lange  freundlichst  mitteilte,  nur  der 
r.  Arm  mit  Pedum;  das  Knäbchen  ist  bis  auf  ein  Stück  seiner  1.  Hand  ganz  antik.  Auch 
der  Kopf  des  Satyrs  ist  alt.  —  Vgl.  Guide  Brit.  Mus.,  Graeco  Rom.  Sculpt.  I2,  1879  S.  42 
Nr.  109.    [Cat.  of  Sculpture  1656.] 


Der  Satyr  aus  Pergamon. 


Pergamenischen  Bronze  offenbar  verwandt;1  doch  lehrt  uns  gerade  dieser 
Vergleich,  sowie  der  mit  den  Pergamenischen  Reliefs,  daß  dem  Marmor  doch 
14  etwas  von  der  vollen  Kühnheit  und  Frische  der  letztern  fehlt,  so  daß  wir  eher 
geneigt  sind,  denselben  späterer  Zeit,  etwa  dem  1.  Jahrhundert  v.  Chr.,  zu- 
zuschreiben. 

Nach  Maßgabe  der  Londoner  Statue  hätten  wir  also  auf  dem  linken  Arme 
auch  der  unsrigen  nicht  nur  einen  von  Früchten  dick  angefüllten  Schurz,  sondern 
auch  das  kleine  Dionysosknäbchen  zu  denken.  Die  über  den  Kopf  erhobene 
Rechte  schwang  überdies  das  Pedum;  denn  daß  dies  an  der  Londoner  Figur 
richtig  ergänzt  sei,  lehrt  eine  Statue  desselben  Motivs  in  Neapel,3  wo  ein  Stück 
des  Pedums  mit  der  rechten  Hand  antik  ist.  Daß  diese  Häufung  dreier  Zutaten, 
die  alle  ohne  Beziehung  unter  einander  sind,  und  von  denen  jede  allein  als  Motiv 
genügen  würde,  nicht  das  Ursprüngliche  sein  kann,  wird  man  gerne  zugeben. 
Was  soll  der  volle  Fruchtschurz,  was  das  hochgeschwungene  Pedum,  was  vor 
allem  aber  soll  das  zarte  Kind,  während  der  Satyr  sich  in  wirbelndem  Tanze 
dreht?  Ohne  Zweifel  ist  diese  Überladung  der  Kontamination  verschiedener 
Motive  zu  danken. 

Mustern  wir  die  Reihe  der  das  Grundmotiv  unsrer  Statue  wiedergebenden 
Bildwerke,  d.  h.  die  auf  beiden  Zehenspitzen  tanzend  dargestellten  Satyrn,  welche 
das  linke  Bein  voransetzend  den  rechten  Arm  erheben,  so  scheidet  sich  leicht 
eine  Gruppe  als  die  einfachste  aus,  die  auch  durch  anderes,  namentlich  die 
Eigenart  des  Kopftypus,  sich  als  die  ursprünglichste  erweist.  Vor  allem  sind  es 
zwei  gleiche  Statuen  in  Neapel,  die  allerdings  der  antiken  Köpfe  entbehren  und 
von  denen  eine  auf  Taf.  III,  2  [Tai  6,  2]  abgebildet  ist,3  freilich  nicht  so,  daß 
man  daraus  eine  Anschauung  von  der  zarten  Schlankheit  dieser  edeln  Formen 
erhielte;  Arme  und  Kopf  sind  modern;  vermutlich  fiel  das  Pantherfell  über  den 
linken  Arm.  Das  Schwänzchen  fehlt,  wie  es  den  Wiederholungen  des  ein- 
schenkenden Satyrs  zu  fehlen  pflegt,  der  Praxiteles  zum  wahrscheinlichen  Ur- 
heber hatte;  mit  dem  letztern  stimmt  auch  die  Bildung  des  übrigen  Körpers  im 
wesentlichen  überein.     Die  Darstellung  scheint   sich   allein   zu   konzentrieren   in 

1  Unter  dem  schrägen  Bauchmuskel  tritt  an  der  angespannten  r.  Hüfte  deutlich  der 
vordere  obere  Darmbeinstachel  heraus.   An  der  r.  Hüfte  der  Pergam.  Bronze  erkennt  man 
Mibe  noch  unter  der  Patina  durch.  —  Es  steht  dies   Detail   in  Beziehung  mit   einer 
•.ohnheit  der  hellenistischen  Kunst,  die  wir  jetzt  am  deutlichsten  an  den  Pergamenischen 
Reliefs,   doch   auch  an  andern   auf  diese  Epoche  zurückgehenden   Werken    beobachten 
können,   daß  nämlich   die   fleischige  Bekleidung  des  Darmbeinkammes   als   eine  durch 
weiche  Falten  sowohl  von  den  Bauch-  als  von    den  Schenkelmuskeln  gesonderte  Partie 
gearbeitet  wird.     Die  Einfachheit  der  Linien  der  älteren  Kunst  wird  auf  diese  Weise  ge- 
brochen und  der  Heiz  eines  neuen  wechselnden  Formcnspicles  umkleidet  die  Hüften. 
1  Gerhard,  Neap.  ant.  Bildw.  Nr.  34  Kjuida  265] ;  vgl.  Annali  1877,  218  [oben  S.  160]. 
1  Gerhard  a.  O.  Nr.  65  und  69  [Guida  266  und  264].  Clarac  678,  1581.   Annali  1877, 
[oben  S.  160]. 


Der  Satyr  aus  Pergamon.  199 


dem  graziösen  Tanze  eines  der  Edelsten  aus  Dionysos  Gefolge.  Durch  Erhaltung  15 
der  Köpfe  ausgezeichnet  sind  zwei  im  wesentlichen  übereinstimmende  kleinere 
Statuen  aus  Lamia  in  Thessalien  l  und  aus  Pompei.2  Bei  beiden  hängt  auf  dem 
gesenkten  linken  Arme  ein  Pantherfell,  beide  halten  in  der  Linken  das  Pedum. 
Im  Typus  des  Kopfes  schließen  sie  sich  jenem  edeln  ausruhenden  Satyr  an,  der 
so  häufig  kopiert  wurde;  außer  den  spitzen  Ohren  mengt  sich  keine  niedere 
Form  ein;3  die  Nase  ist  edel  und  gerade;  volle  reiche  lockige  Haare  umkränzen 
das  Gesicht,  das  mit  weichlichem,  fast  schmachtendem  Ausdrucke  in  die  Ferne 
blickt.  Die  Thessalische  Statue  ist  der  Pompeianischen  in  der  Ausführung  weit 
überlegen  und  zeigt  auch  am  Körper  ungewöhnlich  weiche,  zarte  Formen.  Der 
bei  diesen  Statuen  immer  erhobene  rechte  Arm  verbunden  mit  der  Richtung 
des  Kopfes  nach  links  oben  (v.  Besch.)  hat  zu  einem  großen  Mißverständnis 
des  ganzen  Motivs  geführt.  Man  glaubte  nämlich  einen  Satyr  zu  erkennen,  der 
sich  auf  die  Zehen  erhebt,  um  in  die  Ferne  zu  spähen  und  der  die  Augen  mit 
der  Rechten  beschattet.  Abgesehen  davon,  daß  die  erhaltene  Rechte  der  Pom- 
peianischen Figur  dieser  Erklärung  wenig  günstig  ist,  so  wird  bei  näherer  Be- 
trachtung jedermann  zugeben,  daß  die  Bewegung  unsrer  Figuren  vielmehr  die 
eines  hüpfenden  Tanzes  ist,  wo  immer  ein  Bein  vor  das  andere  gesetzt  und 
dazu  je  der  entgegengesetzte  Arm  graziös  über  den  Kopf  erhoben  wird,  sowie 
daß  ein  ernstliches  in  die  Ferne  Spähen  mit  einem  so  lebhaften  Tanze  sich  un-  16 
möglich  verträgt.  Dennoch  läßt  sich  nicht  leugnen,  daß  die  Bewegung  des  rechten 
Armes  gegen  den  Kopf  sofort  an  diejenigen  erinnert,  welche  sich  die  Augen 
vor  dem  Lichte  der  Sonne  beschatten  wollen,  ein  auch  in  der  antiken  Kunst 
(wenigstens  seit  der  Vasenmalerei  des  freien  Stiles)  gerade  für  Satyrn  nicht 
seltener  Gestus.  Ja,  jene  Ähnlichkeit  ist  so  groß,  daß  von  ihr  der  Name  des 
Tanzes  selbst  entlehnt  wurde:  denn  dieser  Tanz  ist  es  offenbar,  den  die  Griechen 
oxo7iög  oder  oxcojzevjua  nannten  und  bei  welchem  der  Tanzende  die  eine  Hand 


1  Scholl,  Mitt.  a.  Griech.  Tat.  V.  11.  Friederichs,  Bausteine  Nr.  658  [Friederichs- 
Wolters  1429].  Jetzt  im  Nationalmuseum  zu  Athen  [239].  Am  1.  Oberarme  ist  der  Ansatz 
für  das  Pedum.  —  Ein  andrer  Torso  desselben  Museums  wiederholt  das  Motiv  im  all- 
gemeinen, doch  ist  der  1.  nicht  der  r.  Arm  erhoben,  über  welchen  ein  langes  Gewand 
herabfällt  (H.  0,61). 

*  Marmorfigur  der  casa  di  Lucrezio;  schlecht  doch  am  richtigsten  abg.  bei  Breton 
Pompeia3  S.  395.  Interpoliert  ist  die  sonst  bessere  Abbildung  bei  Niccolini,  Le  case  etc., 
casa  di  Lucr.  Taf.  IV  Nr.  5  (danach  Overbeck,  Pompei3  S.  486  Nr.  285a)  [4  S.  551.  Rei- 
nach, Rep.  II,  139,  2] ;  das  Pedum  ist  weggelassen  und  das  Fell  geht  quer  über  den 
Körper  und  bedeckt  die  Scham,  während  es  im  Originale  gerade  herabfällt;  das  Glied  ist 
infibuliert  am  Originale! 

3  Der  Pompeianische  hat  ebensowenig  wie  die  beiden  Statuen  in  Neapel  ein  Schwänz- 
chen. —  Daß  die  kleinen  Hörnchen  über  der  Stirn,  die  ich  zu  unterscheiden  glaubte, 
eine  willkürliche  Zutat  des  Pompeianischen  Kopisten  sind,  ist  zweifellos,  wenn  man  den 
Zusammenhang  übersieht. 


200  Dfr  Satyr  aus  Pergamon. 


so  über  die  Stirnc  erhob,  als  ob  er  in  die   Ferne   spähe;   und   zwar  galt   dies 
speziell  als  ein  "X'l."'1  oatvQtxdv.1 

Demnach  kann  wohl  auch  der  im  Altertum  hochberühmte  änooxojtsvaw  ge- 
nannte Satyr  des  Malers  Antiphilos,  eines  Nebenbuhlers  des  Apelles  und  Proto- 
genes  sehr  wohl  ein  tanzender  gewesen  sein;  wir  wissen  zwar  nur,  daß  derselbe 
mit  einem  Pantherfelle  dargestellt  war;  aber  da  dies  vom  linken  Arme  herab- 
hängend gerade  auch  in  dem  von  uns  oben  nachgewiesenen  Typus  eine  Rolle 
spielt,  da  der  letztere  ferner  durch  Stil  und  Kopftypus  ohnehin  auf  ein  Original 
etwa  vom  Ende  des  4.  Jahrhunderts  hinweist,  so  könnte  dies  recht  wohl  jenes  Ge- 
mälde gewesen  sein.  Daß  Gemälde  von  hohem  Ruhme,  namentlich  solche,  die  eine 
17  Einzelfigur  darstellten,  späterhin  zu  dekorativen  Zwecken  auch  in  Marmor  kopiert 
wurden,  läßt  sich  bekanntlich  auch  anderwärts  sehr  wahrscheinlich  machen.  So 
kehrt  die  Medea  des  Timomachos  in  einer  Statuette  wieder,2  so  die  Bilder  des 
Andromeda  befreienden  Perseus3  und  des  Theseus,  der  den  Minotaur  erlegt  hat,4 
so  der  Wein  ausgießende  Dionysos  mit  Pan  B  in  statuarischen  Gruppen;  so  ist 
ferner  der  so  häufige  bekannte  ausruhende  Satyr  doch  sehr  wahrscheinlich  einem 
Gemälde  des  Protogenes  entlehnt;6  so  endlich  scheint  wenigstens  der  Oberkörper 
der  zahlreichen  Statuen  der  Aphrodite  Anadyomene  von  Apelles  Bild  genommen, 

1  Stephani,  Melanges  Greco-rom.  I  S.  554  ff.  hat  die  betr.  Stellen  zusammengestellt, 
doch  wie  mir  scheint  falsch  beurteilt.  Indem  er  durchaus  unwahrscheinlicher  Weise 
uv/ta  als  gleich  oxd>y>  annimmt,  schreibt  er  Athenäus  eine  starke  Verwechselung 
(von  r\y.<;,<i>  und  oxoxSs)  zu.  Viel  einfacher  löst  sich  die  Frage  wenn  man  bei  Athen.  XIV 
p.  629  F  liest:  .  .  .  oxdnp  oxtbjievfM'  rjr  dk  rö  axcöxerfia  (st.  6  axeoy)  xCov  anooxonovvnüv 
'"  r'/.,~i"n>  äxgttv  *■')>'  y/Toa  i)Ji£Q  rar   ftszdtJtOV  xexvoruixözoiv'    fivtjfiovevei  Aio%vAog  .  .  .  .  jetzt 

paßt  auch  erst  die  angeführte  Belegstelle  des  Äschylus,  die  ja  nicht  vom  fyxojy  sondern 
vom  oxduuvfta  redet;  die  Corruptel  bei  Ath.  ist  indeß  alt  und  lag  schon  Eustathios  vor 
(ad  Odyss.  V,  66  p.  1523).  Offenbar  ist  ein  älterer  Kommentar  zu  dem  Äschylos-Verse 
die  Quelle  für  Athenäus  sowohl  als  für  Hesychius  (der  unter  axdonevfM  dieselbe  Er- 
klärung gibt  wie  Ath.).  Eine  unnötige  Wiederholung  ist  es,  daß  Athen,  nachher  den  axonög 
(p.  630)  noch  einmal  aufführt.  Denn  daß  der  oxo.i<k  eben  der  Tanz  war,  wo  das  oxtbnsvfta 
angewendet  wurde,  geht  sowohl  aus  Hesych.  (ynöaxonav  x*Qa'  Alayj'dog-  wojieg  ol 
xskevei  n/t/unrtaat  ri/v  y.eloa,  xa&ÖJtBQ  roig  flüvag  Tioiovat'  ayij/ta  de 
iixdr  ö  oxon6s),  als  aus  Photios  hervor:  oxcbjisvfia'  o^f/fia  aarvgixdv  <»?  xal 
4  oxoxit  (so  verbessert  G.  Hermann,  Aesch.  frg.  77  statt  axanöe)'  ovxmg  Alaxülog  (Phot. 
lex.  ed.  Naber  II  p.  168). 

*  Arch.  Ztg.  1875,  Taf.  8,  2. 

1  Gruppe  in  Hannover  (K.  Fr.  Hermann,  Götting.  Winckelm.-Progr.  1851).  —  Friede. 
richs,  Baust.  Nr.  763  [f-'riederichs- Wolters  1559].  Bötticher,  Gipsabg.  Nr.  1171.  [Arndt,  Einzel- 
aufnahmen 107-1.] 

*  Gruppe  im  Schlosse  zu  Wörlitz  [Arndt,  Einzclaufnahmen  385]. 

5  N'uove   mernorie   dell'  Inst.  Taf.  10.  O.  Benndorf  S.  276  ff.     Daß   auch   die  Kompo- 
m  Wasser   sich  spiegelnden  Narkissos   mit  Eroa  usw.  (Wiescler,  Nark.  Nr.  10) 
der  Malerei  entnommen  sei,  hat  Welckcr  (Rhein.  Mus.  1854,  282)  richtig  bemerkt. 

*  So  auch  Stephani,  Mel.  Greco-rom.  III,  398;  CR.  1870/71  S.  99.    [Anders  Furtwängler, 
terwerke  S.  560.   Glyptothek  Nr.  229.] 


Der  Satyr  aus  Pergamon.  201 


während  der  Unterkörper,  dessen  Bildung  schwankt,  im  gemalten  Originale  nicht 
sichtbar  war.1  ■ — 

Das  Pedum  unsrer  Statuen  dürfen  wir  freilich  dem  etwaigen  Originale  des 
Antiphilos  nicht  zuschreiben,  da  dieses  als  Attribut  des  Pan  erst  später  auf  die 
jugendlichen  Satyrn  übertragen  wurde.  Ganz  ebenso  ward  es  von  spätem 
Kopisten  zuweilen  auch  dem  ausruhenden  Satyr  statt  der  Flöten,  die  er  ursprüng- 
lich hielt,  gegeben.2  Jenen  Austausch  zwischen  Pan  und  Satyrn  werden  wir 
weiter  unten  in  seinen  Zusammenhang  einreihen.  Es  sei  nur  erwähnt,  daß  hier 
offenbar  ein  bestimmter  älterer  Typus  des  Pan  mit  dem  tanzenden  Satyr  kon- 
taminiert wurde,  welcher  jenen  mit  dem  Pedum  im  linken  Arme  und  die  Rechte 
über  die  Stirn  erhebend  darstellte,  ein  Typus,  den  wir  zuerst  auf  einer  schönen 
Münze  von  Ainos  vom  Ende  des  5.  Jahrhunderts,3  auf  einer  anderen  von  Aigiale  18 
auf  Amorgos  (Lambros,  No.u.  'Ajnogyov  Nr.  5.  6  [Brit.  Mus.  Crete  Taf.  20,  2]) 
und  später  öfter  finden.4 

Auf  Pompeianischen  Wandbildern  ist  unser  tanzender  Satyr  gerade  in  der 
Gestalt  dieser  ersten  Kontamination  mit  dem  Pedum  in  der  Linken  sehr  häufig 
als  Einzelfigur,  besonders  in  den  gemalten  Architekturen.5  Doch  treten  hier  meist 
kleine  Varianten  hinzu,  indem  die  erhobene  Rechte  bald  einen  kleinen  Eimer,6 
bald  eine  Syrinx7  hält,  bald  als  Stütze  für  etwas  darüber  sich  Aufbauendes 
dienen  muß.8  —  Bevor  wir  indeß  durch  diese  Varianten  uns  weiter  leiten  lassen, 
betrachten  wir  einige  Werke,  die  den  Grundtypus  nur  wenig  modifiziert  wieder- 


1  Letzteres  von  Benndorf  erwiesen  in  Mitteil.  d.  Athen.  Inst.  I,  50  ff.  [Furtwängler  in 
Helbings  Monatsber.  I  S.  179]. 

2  So  im  Exemplar  des  Braccio  nuovo  im  Vatikan  [Amelung,  Vatican  I  Taf.  19] 
(s.  Annali  1877,  S.  218  Anm.  [oben  S.  160]).  Auch  in  einer  freien  Wiederholung  der 
Statue  in  einem  jetzt  zerstörten  Pompeianischen  Bilde  (Mus.  Borb.  X,  42,  Heibig  Nr.  441) 
hält  er  das  Pedum. 

3  Nach  v.  Sallet,  Zeitschr.  V  S.  184.  Zum  Typus  vgl.  die  oben  zitierte  Stelle  des 
Hesych  über  vxooxoxov  yjoa. 

*  Für  den  jugendlichen  Pan  z.  B.  auf  einer  autonomen  Kupfermünze  von  Thessalonike 
kurz  vor  der  römischen  Herrschaft  (Mionnet  I,  493  Nr.  330) ;  für  denselben  ferner  auf 
einem  Pompeianischen  Gemälde  des  älteren  sog.  zweiten  Stiles,  wo  er  als  Statue  dar- 
gestellt ist  (Mon.  d.  Inst.  X,  36,  1);  in  demselben  Motive  ist  ein  herbeieilender  Hirte 
(wenn  nicht  ursprünglich  Pan)  auf  einem  Endymionbilde  des  dritten  Stiles  dargestellt 
(Bull.  1873,  239;  Sogliano  Nr.  456);  bei  einem  bocksbeinigen  bärtigen  Pane  als  Statue 
kehrt  dasselbe  wieder  auf  dem  Niobidenbilde  3.  Stiles  (Bull.  1873,  206;  Sogliano  Nr.  505); 
vgl.  übrigens  die  oben  zitierte  Stelle  bei  Hesych:  axoay.oxovvzeg  .  .  .  xadänso  zovg  Ilävag 

noiovai. 

5  Diese  Figuren  sind  in  den  Katalogen  der  Bilder  von  Heibig  und  Sogliano  meist 
übergangen.  Ohne  Attribut  der  R.  z.  B.  im  triclinium  des  Hauses  Fiorelli,  Descr.  S.  374  oben. 

6  Heibig  Nr.  429;  Kopf  nach  links  aufwärts,  jugendlich  edles  Gesicht. 

7  Im  tablinum  des  Hauses  Fiorelli,  Descriz.  S.  384,  sowie  ähnlich  auf  der  parete 
nera  u.  sonst. 

8  Mehrmals  an  der  Basis  in  dem  Hause  Fiorelli,  Descriz.  S.  133. 


202  Per  Satyr  aus  Pergamon. 


geben.  Nur  die  Seiten  des  Oberkörpers  sind  vertauscht  bei  dem  jugendlichen 
tanzenden  Pan  einer  Praenestinischen  Bronzecista  (Mon.  d.  Inst.  X,  45  [oben 
Taf.  1]).  der  mit  einer  verhüllten  Mänade  im  Contretanz  begriffen  ist,  so  daß  bei 
der  Bewegung  der  erhobenen  Hand  an  ein  Beschatten  der  Augen  gar  nicht  gedacht 
werden  kann.  Eine  Statue  in  Neapel,1  zwar  von  mittelmäßiger  Arbeit,  doch 
wichtig  durch  den  antiken  Kopf,  der  mit  dem  des  edlen  ausruhenden  Satyrs  im 
wesentlichen   stimmt,    unterscheidet  sich    vom   Grundtypus    nur  durch    die  als 

19  Chlamys  umgeknüpfte  Nebris,  die  auf  den  linken  Arm  fällt,  ein  Motiv,  das  in 
der  folgenden  Klasse  wichtig  wird.  Durch  derbere  kräftigere  Formen,  sowie 
durch  lebhaftere  Bewegung  im  Oberkörper,  indem  die  linke  Schulter  stärker 
zurück-  und  herabgezogen  ist,  unterscheiden  sich  einige  Werke,  die  hiedurch 
ebenfalls  zur  nächsten  Gruppe  überleiten.  So  ein  Torso  des  Vatikan  mit  Pedum 
in  der  Linken,  ohne  Fell,8  und  namentlich  eine  vorzügliche  Bronzestatuette  in 
Berlin,  die  wir  Taf.  III,  5  [Taf.  6,  5]  wiedergeben.3  Der  Satyr  ist  hier  ebenfalls 
ohne  Fell  und  hält  in  der  Linken  die  auch  von  Pan  entlehnte  Syrinx  (mit  un- 
gleichen Röhren);  die  Bewegung  der  Rechten  sieht  hier  der  Abwehr  gegen 
Blendung  besonders  ähnlich;  die  Tanzbewegung  der  angespannten  Beine  ist 
jedoch  ganz  evident.  Der  Kopf  zeigt  zwar  noch  deutlich  die  Grundlage  des 
altern,  edeln  Typus,  ähnlich  der  Neapler  Statue  Taf.  III,  3  [Taf.  6,  3],  doch  ist 
derselbe  bereits  etwas  ins  Ländliche  und  Derbe  gezogen;  ebenso  sind  die  Mus- 
keln des  Körpers  nicht  mehr  weich  und  zart,  sondern  kräftig,  ja  etwas  hart.4 

Dieser  letztere  Formcharakter,  nur  mitunter  noch  sehniger  und  derber,  ist 
der  feststehende  für  die  zweite  Hauptgruppe,  in  welcher  der  Kopf  nicht  mehr 
nach  links  aufwärts,  sondern  nach  rechts  herabgewendet  und  der  Oberkörper 
durch  Zurück-  und  Herabziehen  der  linken  Schulter  stark  gedreht  erscheint,  wo 
ferner  nicht  mehr  einfach  weich  und  graziös  schwebender  Tanz,  sondern  ein 
heftig  angespanntes  Hüpfen  und  Wirbeln  dargestellt  ist.  Die  veränderte  Kopf- 
richtung finden  wir  zwar  schon  in  einigen  jener  Einzelfiguren  auf  Wandgemälden, 
so  auf  dem  hier  Taf.  III,  4  [Taf.  6,  4]  statt  mancher  andern 5  abgebildeten,  das 
überdies  interessant  ist   durch  die  in   der   Rechten   erhobene  Weintraube;   eine 

20  ganz  kleine,   doch  vorzügliche  Bronzestatuette  in   Berlin  wiederholt  genau   das- 


ilier  auf  Taf.  III,  3  [Taf.  6,  3];  vgl.  Annali  1877,  217  unten   [oben  S.  160].    Auch 
die  linke  Hand  mit  dem  Pedum  scheint  antik.     Im  Haare  ist  nur  eine  Binde. 

1  Tialleria  dei  candclabri  Nr.  25.    A.  Klügmann  hatte  die  Güte,  meine  Notizen  über 
ihn  zu  vervollständigen;  danacli  entbehrt  er  des  Schwänzchens. 

1  Vgl.  I'riederichs,  Berl.  ant.  Bildw.  II,  Nr.  1835,  wo  freilich  weder  die  Beschreibung 
genau,  noch  das  Motiv  verstanden  ist. 

4  Die  Ausführung  weist  trotz  ihrer  Sorgfalt  und  teilweisen  Vorzüglichkeit  auf  spätere 

ils  die  Pergamenische  Bronze,  neben  welcher  dort  namentlich  Brust  und  Bauch  akademisch 
leblos  und  hart  erscheinen;  auch  sind  sowohl  Oberschenkel  als  Bauch  etwas  zu  kurz. 

El  befindet  sich  in   den   Stabianer  Thermen;    es   scheint  identisch   mit  dem   bei 
Heibig  Nr.  432  beschriebenen. 


Der  Satyr  aus  Pergamon.  203 


selbe  Motiv,  die  Traube  und  das  Pedutn,  nur  die  Nebris  fehlt.1  Doch  das  Ge- 
wöhnliche in  dieser  Gruppe  ist,  daß  der  Satyr  ein  Fell  als  Chlamys  um  hat,  in 
dessen  Bausche  auf  dem  linken  Arme  er  eine  Fülle  von  Früchten  trägt,  auf  die 
er  nun  befriedigt  lächelnd  niederblickt.  Die  Belastung  mit  Früchten  widerspricht 
natürlich  dem  ursprünglichen  einfachen  Tanzmotive  direkt;  noch  schwerer  wird 
das  Ganze  dadurch,  daß  er  in  der  erhobenen  Rechten  das  Pedum  schwingt,3 
ohne  doch  irgend  die  Absicht  zu  haben,  damit  einen  Schlag  auszuführen.  Es 
sollte  vielmehr  durch  jene  Zutaten  der  speziell  ländliche  Dämon  charakterisiert 
werden.  —  Die  Köpfe  dieser  Statuen  zeigen  wie  die  Körperformen  immer  jenen 
bekannten  derben,  niedrigen  Typus,  der  von  dem  idealern  der  ersten  Gruppe 
weit  verschieden  ist;  gewöhnlich  sprießen  auch  zwei  kleine  Hörnchen  unter  den 
aufgesträubten  Haaren  auf  der  Stirn  empor.3  Die  Beliebtheit  des  Typus  geht  aus 
den  zahlreichen  Wiederholungen  hervor.  Auf  unsrer  Tafel  ist  deshalb  keine 
abgebildet,  weil  sie  bis  auf  das  Knäbchen  genau  mit  Taf.  III,  1  [Taf.  6,  1],  stimmen.4 

Eine  weitere  Zutat  ist  es  endlich,  daß  auf  die  linke  Hand  noch  der  kleine  21 
Dionysos  gesetzt  wird,  wie  dies  in  der  Londoner  Statue  und  wahrscheinlich,  da 
die  Nebris  mit  letzterer  so  genau  stimmt,  auch  in  unserer  Alberti'schen  der  Fall 
war.  Die  Kombination  eines  anderen  selbständigen  statuarischen  Motives 
mit  dem  zuletzt  entwickelten  ergab  dies  Resultat.  Auf  Taf.  III,  6  [Taf.  6,  6] 
habe  ich  die  schwebende  Einzelfigur  einer  Pompeianischen  Wand  wiedergeben 
lassen.5    Sie    zeigt    uns,   glaube   ich,    jenes    neu    hinzugetretene   Motiv    noch 

1  Friederichs,  Berl.  a.  Bildw.  II,  1837,  der  auch  hier  das  Tanzmotiv  nicht  erkennt. 
Hierher  gehört  indeß  auch  eine  Statue  ohne  Nebris  bei  Piranesi,  Musee  Napoleon  II 
Taf.  14  (wo  befindlich?). 

2  Nach  dem  Neapler  Exemplar  (Gerhard,  Ant.  Bildw.  Nr.  34),  wo  die  rechte  Hand 
mit  einem  Stücke  des  Pedums  alt  ist,  sind  die  andern  Exemplare  zu  restaurieren. 

3  In  Neapel  (Gerhard,  Neap.  ant.  Bildw.  Nr.  34,  wo  der  Kopf  fälschlich  für  modern 
erklärt  wird  [Reinach,  Rep.  II,  137,  6]). 

4  Es  sind  namentlich  die  im  Vatikan  (s.  Visconti,  Mus.  Pio-Clem.  III,  42  und  Clarac  706, 
1684;  an  letzterm  Orte  sind  die  Angaben  der  Ergänzungen,  die  A.  Klügmann  nachzuprüfen 
die  Güte  hatte,  im  wesentlichen  richtig);  ferner  die  in  Villa  Albani  (Clarac  716 D,  1685  E), 
an  welcher  nach  Klügmanns  Mitteilungen  der  Kopf  mit  kleinen  Hörnchen  zwar  gebrochen 
doch  zugehörig,  dagegen  das  Pedum  in  der  L.  (statt  in  der  R.)  ganz  modern  ist;  dann 
im  Museo  Torlonia  (Catal.  Nr.  43;  Clarac  716,  1707  [Museo  Torlonia  45])  ebenfalls  mit  an- 
tikem Kopfe;  letzteres  gilt  ebenso  von  zwei  Statuen  in  Florenz,  die  eine  in  den  Uffizien, 
s.  Dütschke,  Nr.  124  [Amelung,  Führer  58],  die  andere  im  Pal.  Pitti  (Dütschke,  Zerstr.  ant. 
Bildw.  in  Flor.  Nr.  31 ;  das  Motiv  verkennt  Dütschke  beidemale);  endlich  zwei  Exemplare  bei 
Maffei,  Raccolta  Taf.  36  und  38,  einst  in  den  orti  Medicei;  bei  einer  dritten  ebenda  Taf.  37 
scheint  der  Kopf  in  falscher  Richtung  ergänzt  (sie  scheint  identisch  mit  Clarac  701,  1658,  wo 
mit  vertauschten  Seiten.  [Vielmehr  sind  wahrscheinlich  die  drei  Maffeischen  Exemplare 
identisch  mit  den  beiden  schon  erwähnten  und  einem  dritten  Florentiner  Stück  und  zwar 
Maffei  36  =  Dütschke  II,  32;  Maffei  37  =  Dütschke  III,  124;  Maffei  38  =  Dütschke  II,  31. 
Ein  neugefundenes  Exemplar  abgebildet  Musee  de  Cherchel  Taf.  10,  2.  Vgl.  auch  Furt- 
wängler,  Coli.  Somzee  Taf.  23.] 

6  Heibig  Nr.  373. 


204  Der  Satyr  aus  Pergamon. 


unvermengt  mit  Fremdem.  Es  ist  kein  anderes  als  das  Motiv  des  Hermes  von 
Praxiteles,  jenes  einzig  schönen  Werkes,  das  uns  ein  merkwürdiges  Geschick  fast 
unversehrt  wiederschenkte  und  dessen  lebhafte  Nachwirkung  im  Altertum  wir 
erst  zu  erkennen  beginnen.1  Statt  Hermes  ist  ein  jugendlicher  Satyr  gesetzt, 
der  das  Dionysosknäbchen  (die  Flügel  desselben  fallen  offenbar  dem  Pom- 
peianischen  Dekorateur  der  Verfallzeit  zur  Last)  auf  dem  linken  Arme  trägt  und 
ihm  in  der  hoch  erhobenen  Rechten  eine  Weintraube  lockend  hinhält,  nach  der 
das  Kindchen  begehrlich  die  Hände  ausstreckt.  Das  Bild  spricht  jedenfalls  auch 
zu  Gunsten  der  Restauration  des  Hermes  mit  einer  Traube,  um  so  mehr,  als  sich 
dasselbe  Motiv  wiederholt  in  der  statuarischen  Einzelfigur  einer  anderen  Pom- 
peianischen  Wand,2  die  dem  Hermes  noch  näher  steht,  indem  der  Satyr  nicht 
schwebt,  sondern  ruhig  auf  dem  rechten  Beine  steht  und  ganz  wie  Hermes  auf 
dem  linken  Vorderarme  eine  herabhängende  Chlamys  trägt;  das  Knäbchen,  dem 
die  Traube  gereicht  wird,  hat  hier  auch  keine  Flügel.  —  Auf  einem  Sarkophage 8 
22  findet  sich  das  Tragen  des  Kindes  zwar  mit  dem  Tanzmotive  vereinigt,  doch 
ohne  den  Fruchtschurz. 

Die  ganze  Entwicklung,  die  wir  hier  überblickten,  von  dem  einfachen  tan- 
zenden Satyr  mit  dem  Fell  auf  dem  Arme  bis  zu  der  letztbesprochenen  über- 
ladenen Bildung  scheint  der  hellenistischen  Zeit  anzugehören,  indem  wir  den  An- 
fangspunkt kaum  älter  als  das  Ende  des  vierten  Jahrhunderts  setzen  konnten  und 
unser  Alberti'scher  Satyr,  der  doch  bereits  am  Ende  der  Reihe  steht,  wegen  des  Cha- 
rakters seiner  Ausführung  nicht  später  als  das  erste  Jahrhundert  v.  Chr.  sein  dürfte.4 
Die  Umbildung  eines  übernommenen  Motives  in  hellenistischer  Kunst  führte  hier 
zwar  nicht  zu  gleich  erfreulichen  Resultaten  wie  wir  sie  an  der  Pergamenischen 
Bronze  beobachteten,  doch  dürfte  sie  nicht  von  geringerem  Interesse  sein, 
namentlich  da  sie  auch  auf  die  Entwicklung  des  Typus  der  jugendlichen  Satyrn 


1  Ich  bemerke  hier,  daß  das  Berliner  Museum  zwei  Torse  besitzt,  die  sowohl  im 
Motiv  als  in  der  Bildung  der  Körperformen  und  in  den  Maßen  mit  dem  Hermes  ziemlich 
genau  übereinstimmen,  mit  der  Abweichung,  daß  der  r.  Arm  etwas  höher  gehoben  war 
und  vielleicht  über  dem  Kopfe  lag  und  daß  der  ganze  Körper  etwas  aufrechter  steht  und 
mit  der  L.  weniger  fest  sich  auflehnte;  der  eine  ist  zu  einem  Apollo  (Nr.  11  bei  Gerhard 
(Beschr.  d.  ant.  Skulpt.  44,  Furtwängler,  Meisterwerke  S.  570  Anm.  3])  restauriert,  der 
andere  ist  unergänzt  (Nr.  763  [Beschr.  512]);  ganz  dasselbe  gilt  von  dem  Tors  einer 
kleinen,  vorzüglich  gearbeiteten  Statuette  desselben  Museums.   [Beschr.  45]. 

*  Oben  im  1.  oecus  des  Hauses  Fiorelli,  Descriz.  S.  144.  [Abgeb.  Jahrb.  des  arch. 
InsL  1887  Taf.  6  S.  66.] 

•  Gerhard,  Ant.  Bildw.  Taf.  110,  1;  auch  hier  erhebt  die  Rechte  das  Pedum.  Im 
Motiv  etwas  abweichend,  doch  sehr  ähnlich,  ist  ein  tanzender  Satyr  mit  dem  Knäbchen 
auf  dem  Vatikanischen  Sarkophage  Visconti,  Mus.  Pio-Clem.  V,  8  [Amelung,  Vatican  II, 
Taf.  9j. 

'I  •      ht  sich,  daß  im  übrigen  die  Zeit  der  Ausführung  der  Exemplare,  an  denen 

wir  die  einzelnen  Stadien  der  Entwickclung  verfolgten,  gewöhnlich  eine  ganz  andere   ist 
als  die  der  Erfindung  und  des  Entstehens. 


Der  Satyr  aus  Pergamon.  205 


Licht  wirft.  Es  wird  nicht  unzweckmäßig  sein,  wenn  wir,  um  den  letzteren 
Punkt  schärfer  zu  fassen,  uns  den  ganzen  Zusammenhang  vergegenwärtigen,  in 
dem  unsere  Satyrfiguren  stehen,  also  die  Entwickelung  der  Silene  und  Satyrn 
nebst  der  des  Pan  in  den  Hauptzügen  überblicken. 

Die  Silene,  jene  Dämonen  des  feuchten  Waldes,  ja  quellenden  Wassers, 
die  in  Kleinasien  und  Nord-Griechenland  ihre  eigentliche  Heimat  haben,  sie  fanden 
hier  auch  ihre  älteste  Darstellung,  welche  die  charakteristischen  Züge  wie  Schwanz, 
Ohren,  Hufe,  von  dem  auch  sonst  für  feuchte  Götterwesen  symbolischen  Tiere, 
dem  Pferde  entlehnte.  Wie  sie  ein  Homerischer  Hymnus  schildert,1  so  finden 
wir  sie  auf  den  ältesten  Münzen  von  Thasos  und  Macedonien2  mit  Nymphen  23 
gruppiert.  Ihre  ursprüngliche  nahe  Verwandtschaft  mit  den  Kentauren  tritt  hier 
deutlich  hervor,  indem  auf  eben  diesen  Münzen  genau  dieselbe  Komposition  des 
nymphenraubenden  Silen  auch  mit  angehängtem  Pferdehinterleib  erscheint.  Der 
Typus  der  Silene  selbst  ist  hier  noch  nicht  gefestigt,  indem  sie  bald  mit  bald 
ohne  Pferdehufe,  bald  mit  bald  ohne  Pferdeschwanz  erscheinen.  In  Kleinasien 
finden  wir  die  Silene  auf  dem  alten  Friese  von  Assos;  und  unter  den  Resten 
altionischer  Kunst  nehmen  sie  auf  den  chalkidischen  Vasen  eine  nicht  unbedeutende 
Stellung  ein;  auch  hier  wechselt  Pferdehuf  mit  Menschenfuß.3  Silen  ist  ein 
älterer  Münztypus  des  chalkidischen  Naxos;  er  erscheint  als  Wasserdämon  auf 
Münzen  der  chalkidischen  Himeräer.4  —  Durch  die  ionische  Kunst  scheint  der 
alte  Typus  der  Silene  den  Etruskern  mitgeteilt  worden  zu  sein,  wo  denn  die 
Pferdehufe  ungleich  zäher  und  länger  festgehalten  wurden.  —  Eines  der 
sprechendsten  Zeugnisse  für  den  Einfluß  chalkidischer  Kunst  auf  die  altattische 
Vasenmalerei  sind  die  pferdebeinigen  Zdevoi  der  Francoisvase;  freilich  bildet 
der  Verfertiger  derselben  (Ergotimos)  den  Zdevog  anderwärts  an  den  Füßen 
menschlich.6  —  Dagegen  sind  nun  die  Silene  in  den  Gebieten  alter  dorischer 
Kunst    überhaupt   etwas    durchaus    unbekanntes.     Niemals    erscheinen    sie    auf 

1  In  Ven.  (IV)  V.  262  rf]Oi    (d.  h.  Nvftq>flöi)  8s  Zsdrjvol  .  .  .  (.doyovx     sv    (fdözrjzi    nv%<5 

OJIEIWV    SQOEVZ03V. 

2  Sie  werden  den  Letäern  und  Orrheskiern  zugeteilt  [Bulle,  Silene  S.  2].  —  Die 
ähnliche  Gruppe  eines  eine  Nymphe  wegtragenden  Silenes  auch  auf  einem  archaischen 
Relief  von  Delphi  (wie  es  scheint  nur  aus  Wieseler,  Denkm.  a.  K.  II  Nr.  472  bekannt  [jetzt 
als  zu  dem  Kalathos  der  Karyatide  Fouilles  de  Delphes  IV  Taf.  19.  20  gehörig  erkannt]). 

s  Auf  der  Vase  Nr.  8  bei  Klein,  Euphron.  S.  31  P  S.  65],  von  der  eine  Zeichnung  im 
Apparat  des  Berliner  Museums  sich  befindet,  ist  nur  einer  der  sieben  Silene  pferdehufig 
[Bulle,  Silene  S.  9].  —  In  einer  Vasengruppe,  die  ich  mit  Wahrscheinlichkeit  etwas  spätrer 
chalkidischer  Fabrikation  zuschreiben  zu  dürfen  glaube  (München  685  [1444];  Würzburg  331 
[JHS.  1899  Taf.  5  Sittl,  Dionys.  Treiben  Taf.  2,  3];  Deinos  in  Wien,  Ost.  Mus.  [Masner 
215]),  haben  die  Silene  bereits  alle  Menschenfüße.  —  Die  Silene  der  ebenfalls  ionischen 
Phineusschale  (Mon.  d.  Inst.  X,  8  [Furtwängler-Reichhold  Taf.  41])  zeigen  Hufe. 

4  Ein  archaisches  Exemplar,  wo  der  Kopf  des  Silenes  vom  altern  Typus  im  Profil 
steht,  im  Berliner  Museum;  eines  der  gewöhnlichen  spätem  s.  bei  Wieseler,  D.  a.  K.  II  Nr.  497. 

5  Gerhard,  Aus.  Vas.  238  [Berlin.  Arch.  Anz.  1889  S.  91.  Nr.  1]. 


OQ5  Der  Satyr  aus  Pergamon. 


korinthischen  Vasen,  und  ebensowenig  z.  B.  auf  den  so  zahlreichen  Pinakes  aus 
Alt-Korinth,  die  das  Berliner  Museum  neuerdings  erworben,  welche  ja  so  mancherlei 
Darstellungen  zeigen;1  sie  fehlen  ferner  am  Kypseloskasten,  wo  doch  Dionysos 
in  der  Weinlaube  vorkömmt;  sie  fehlen  auch  auf  den  Vasen,  die  mit  der  Arkesilas- 
schale  aus  einer  Fabrik  sind-  und  wenn  nicht  aus  Sparta,  so  doch  wohl  aus 
Kyrene  stammen  [vgl.  Annual  of  the  British  School  at  Athens  XIV  S.  30  ff. 
XV  S.  23  ff.];  und  auch  daß  sie  auf  Peloponnesischen  Bronzereliefs  in  Olympia8 
und  Selinuntischen  Skulpturen  nicht  vorkommen,  darf  man  wenigstens  erwähnen. 
Und  doch  war  ein  den  Silenen  so  verwandtes  dämonisches  Geschlecht,  das 
der  bei  Hesiod  zuerst  genannten  Satyrn,  gerade  auch  im  Peleponnese  heimisch.4 
Aber  wie  denn  so  oft  auch  bei  den  Griechen  bestimmte  Vorstellungen  über 
göttliche  Wesen  gar  lange  im  Volke  walten,  bis  sich  die  bildende  Kunst  ihrer 
bemächtigt,  so  wurden  die  Satyrn,  mehr  Dämonen  der  trockenen  Berge  als  der 
feuchten  Niederungen  und  deshalb  auch  nicht  mit  dem  Pferde,  sondern  mit  den 
Ziegen  in  ursprünglich  naher  Verbindung,  überhaupt  von  der  altgriechischen  Kunst 
nicht  dargestellt.  Als  in  Athen  durch  das  Satyrdrama  die  Satyrn  populär  wurden, 
war  in  der  Kunst  hier  bereits  der  Typus  der  Silene  adoptiert.  Darüber,  wie  die 
Satyrn  in  der  alten  Zeit  auf  der  Bühne  erschienen,  wissen  wir  nichts,  als  daß 
ein  Bocksfell  ein  Hauptstück  des  Kostümes  war,  so  daß  der  Satyr  selbst  als 
Bock  angeredet  werden  konnte,5  sowie  daß  die  Maske  der  Satyrn  sich  wenig- 
stens in  späterer  Zeit  in  keiner  Weise  von  derjenigen  Gestalt  unterschied,  die 
in  Athen  sich  handgreiflich  aus  dem  altüberkommenen  Typus  der  pferdeohrigen 
25  Silene  entwickelt  hatte.  Es  gibt  in  der  ganzen  Kunst  des  fünften  Jahrhunderts 
in  Athen  nur  diesen  einen  Typus  der  bärtigen,  stumpfnasigen  Wesen,  meist  mit 
Glatze  und  langen  Locken  hinten  herab,  mit  Pferdeschwanz  und  Pferdeohren, 
aber  ohne  dem  Bocke  entlehnte  Abzeichen;  Vaseninschriften  noch  vom  Anfange 
des   vierten  Jahrhunderts   nennen   diesen  Typus  korrekter  Weise  Silen6  und  das 

1  Eine  vollständige  Beschreibung  derselben  wird  demnächst  in  meinem  neuen  Ver- 
zeichnisse der  Berliner  Vasensammlung  erscheinen.  [S.  47  ff.] 

2  Von  G.  Löschcke  in  dem  Dorpater  Programm  von  1879  zusammengestellt  [Arch. 
Zeit.  1881  S.  217].  Hinzuzufügen  ist  namentlich  die  fragmentierte  Schale  in  Würzburg 
Nr.  434  [Sittl,  Dionysisches  Treiben  S.  22  Abb.  4],  was  ich  deshalb  erwähne,  weil  in  der 
Beschreibung  von  Urlichs  frageweise  von  einem  Satyr  die  Rede  ist,  während  nur  ein  ge- 
wöhnlicher Jüngling  tanzend  dargestellt  ist. 

*  Das  Fragment  einer  Terrakottastatue  aus  Olympia  (Ausgr.  v.  Olympia  IV,  Taf.  27  A 
(Olympia  III  Taf.  8,  1])  einen  pferdehufigen  Silen  darstellend,  scheint  wie  andere  Terra- 
kotten (selbst  architektonische)  dahin  importiert. 

'  Vgl.  Annali  1877,  S.  448  f.  [oben  S.  183]. 
»  Aeschyl.  Fragm.  202. 

•  Annali  d.  Inst.  1877,  226  ff.  [oben  S.  167].  —  Auf  einer  streng  rolf.  Schale  dagegen 
heißt  ein  gewöhnlicher  bärtiger  Silen  SATRVBS,  w;is  doch  wohl  statt  SatvQoe  verschrieben 
(Bull.  d.  Inst  1860,  35;  Zeichnung  beim  Institut  in  Rom).  [Diese  Zeichnung  der  über- 
malten Vase  abgeb.  Klein,   Lieblingsinschriften  '  S.  38.    Das   Original  in   Würzburg,   Ur- 


Der  Satyr  aus  Pfrgamon.  207 


gleiche  tun  die  Schriftsteller  desselben  Jahrhunderts.1  Doch  heißt  andererseits 
die  auf  Vasen  so  oft  dargestellte,  wildtanzende  Umgebung  der  Rhea  und  des 
Dionysos  bei  Eurip.  Bacch.  130  ^ärvoot  und  Ktesias  schrieb  nicht  den  Silenen, 
sondern  den  Satyrn  übergroße  (d.  h.  Pferde-)Schwänze  zu  (Fragm.  ed.  Müller 
p.  87).  Also  hatte  man  in  Athen  den  neu  zutretenden  Satyrn  die  vorhandene 
Form  der  Silene  gegeben  und  beide  Gattungen  von  Wesen  hatten  sich  ver- 
schmolzen. —  Eine  neue  Scheidung  sollte  indeß  wieder  durch  das  Satyrdrama, 
wenn  nicht  veranlaßt,  so  doch  begünstigt  werden.  Obwohl  Silen  als  Einzel- 
person, als  weiser  Erzieher  des  Dionysos  z.  B.  schon  lange  in  den  Sagen  Gel- 
tung hatte,2  war  doch  ein  besonderer  Typus  für  ihn  in  der  Kunst  noch  nicht 
geschaffen;  der  Myronische  Marsyas  unterscheidet  sich  in  nichts  von  dem  da- 
maligen allgemeinen  Typus  der  Silene.  Im  Chore  des  Satyrdramas  jedoch  mußte 
sich  bald  das  Bedürfnis  einstellen,  den  Chorführer  vor  den  übrigen  bestimmt  zu 
unterscheiden.  Im  Euripideischen  Kyklops  liegt  diese  Scheidung  bereits  voll- 
endet vor:  der  Chorführer  ist  der  Silen  und  ist  der  greise  Vater  der  jugendlichen 
Schar,  die  nun  Satyrn  heißen.  Die  beiden  neuen  Typen,  die  hiedurch  veranlaßt 
wurden,  die  bartlosen  jungen  Satyrn  und  der  greise  Papposilen  brechen  sich  in 
der  bildenden  Kunst  allerdings  erst  langsam  und  allmählich  Bahn,  indem  der 
allgemeine  ältere  Typus  der  Silene  zäh  festgehalten  wird.  Doch  erscheint  Pappo- 
silen, von  den  Zotteln  eines  engen  dichten  Wollegewandes  bedeckt,  gelegentlich  26 
vom  Ende  des  fünften  Jahrhunderts  an.3  Aber  auch  ohne  jenes  Bühnenkostüm  ver- 
sucht man  einen  einzelnen  alten,  weichlichen  Silen  von  den  übrigen  zu  unter- 
scheiden. Zahlreiche  Übergänge  finden  statt;4  indeß  befestigt  sich  im  vierten 
Jahrhundert  dieser  neue  Typus,  der  auch  mit  einem  neuen  tierischen  Abzeichen  aus- 
gerüstet wird,  indem  die  Pferdeohren  bei  dem  einen  alten  Silene  zu  Schweins- 
ohren werden,5  wie  sein  ganzer  Körper  nun  fette  Weichheit  ist. 

Hand  in  Hand  ging  hiemit  das  Aufkommen  der  bartlosen,  fortan  xaz'  Qoyj}v 
diesen  Namen  führenden6  Satyrn,  die  auf  Vasen  schon  zu  Ende  des  fünften  Jahr- 


lichs  I  S.  50,  87.  ist  jetzt  gereinigt,  Sittl,  Parerga  S.  29,  die  fragliche  Inschrift  ist  echt. 
Reisch  in  Festschrift  f.  Gomperz  S.  461.  W.  Schulz  in  Göttinger  gel.  Anz.  1896  S.  254 
will  rückläufig  Sißvgra?  lesen.] 

1  Annali  1877,  S.  236  [oben  S.  174]. 

*  Ebenda  S.  235  [oben  S.  173]. 

3  Der  herrliche  Krater  Mus.  Greg.  II,  26  [Heibig,  Führer1  II,  1233]  gehört  zu  seinen 
ältesten  Darstellungen.  —  Vgl.  Annali  1877,  228  ff.  [oben  S.  168  ff.]. 

4  Vgl.  Annali  1877,  227  [oben  S.  167].  —  Auf  einem  vorzüglichen  athenischen  Deinos 
vom  Anfang  des  4.  Jahrh.  in  der  Sammlung  v.  Sabouroff  [Furtwängler,  Sammlung  Sabouroff 
Taf.  56]  sind  in  einem  Schwärme  gewöhnlicher  bärtiger  Silene  zweie  durch  weißes  Haar, 
gebückte  Haltung  und  Krückstock  als  Greise  ausgezeichnet. 

5  S.  Annali  1877,  230  [oben  S.  169].  —  Auch  auf  Münzen  des  schönen  Stils,  z.  B. 
denen  von  Thasos  mit  Silenskopf  ist  das  dicke  Ohr  deutlich,  ebenso  auf  solchen  von 
Katane  mit  Silensmaske. 

6  Vgl.  Ann.  1877,  237  [oben  S.  175]. 


208  Der  Satyr  aus  Pergamon. 


hunderte  vereinzelt,  dann  aber  immer  häufiger  erscheinen;  sie  werden  die  bevor- 
zugte Schar  ihres  nunmehr  auch  jugendlichen  Gottes  Dionysos.  Wie  weit  die 
Praxitelische  Zeit  in  der  Veredelung  dieser  Wesen  ging,  die  bei  Eurip.  Cycl.  624 
noch  &rJQes  angeredet  werden,  sehen  wir  an  dem  bekannten  einschenkenden 
Satyr,  ja  gelegentlich  ging  man  bis  fast  zum  Sentimentalen,  dem  Eros  Ver- 
wandten.1 

Doch  hier  müssen  wir,  die  Entwicklung  der  Satyrn  unterbrechend,  erst  einen 
Blick  werfen  auf  denjenigen,  dessen  Gestalt  sich  fortan  mit  jenen  vielfach  be- 
rühren und  vermengen  sollte,  auf  Pan,  den  Gott  des  felsigen  Gebirgs,  dessen 
Wesen  und  Treiben  nicht  nur,  sondern  dessen  äußere  Erscheinung  uns  schon  so 
plastisch  entgegentritt  in  jenem  Homerischen  Gedichte  auf  ihn  (Hymn.  Hom.  19), 
dem  an  poetischem  Reize  Weniges  gleichkömmt.  Er  ist  halb  Ziege  halb  Mensch, 
alyutödtjg,  dacigcosi  ist  äykai&eiQOG  und  fjvyheios  und  trägt  ein  Luchsfell  auf 
27  dem  Rücken.  Hiernach  kann  kein  Zweifel  sein  über  die  Gestalt  des  Pari 
in  der  archaischen   Kunst;2  als  atyojigoocjjiog  und  Tgayooxnb'jg  (Herod.  II,  46) 


1  Derart  ist  ein  ganz  einziger  jugendlicher  Satyrkopf  mit  Pantherfell  über  dem  Kopfe 
von  eigener  Schönheit,  im  Museo  Torlonia  zu  Rom  Nr.  115. 

1  Irrtümlich  habe  ich  früher  angenommen  (Annali  1877,  199  ff.  [oben  S.  145  ff.],  Pan 
sei  gerade  in  älterer  Zeit  auch  unter  dem  Typus  des  hornlosen  bärtigen  Satyrs  dargestellt 
worden.  Ich  halte  es  indeß  jetzt  für  unmöglich,  daß,  obwohl  dies  die  allgemeine  An- 
nahme ist,  auf  die  ich  mich  auch  damals  stützte,  die  Münztypen  von  Pantikapäon  den 
Pan  darstellen  sollten.  Die  Deutung  auf  Pan  basiert  bekanntlich,  da  Pan  keineswegs  ein 
in  Pantikapäon  besonders  verehrter  Gott  ist,  ausschließlich  auf  dem  Anklänge  an  den 
Stadtnamen.  Solche  beabsichtigte  Anspielung  des  Münztypus  auf  den  Namen  der  Stadt 
wäre  ja  an  und  für  sich  sehr  möglich,  aber  diese  Möglichkeit  kann  nichts  beweisen 
gegen  zwingende  Gründe,  die  uns  verbieten,  überhaupt  Pan  zu  erkennen.  Der  Typus  ist 
immer  vollkommen  der  des  bärtigen  Satyrs  mit  dicker  Stulpnase  und  hat  nie  etwas  vom 
Bocke  und  nichts  von  Pan;  es  ist  ganz  unannehmbar,  daß  zu  Anfang  des  4.  Jahrh.  — 
denn  höher  herauf  scheinen  die  Münzen  bis  jetzt  nicht  zu  reichen  —  wenn  auch  in 
ferner  Stadt,  so  doch  von  echtgriechischen  vorzüglichen  Künstlern  für  Pan  nicht  der  all- 
gemein vorhandene  Typus,  sondern  der  des  bärtigen  Satyrs  gewählt  worden  sei.  Im 
Norden,  in  Macedonien,  waren  von  altersher  Silene  beliebtester  Münztypus;  durch  Ein- 
fluß von  hier  wird  der  Typus  von  Pantikapäon  zu  erklären  sein.  Auch  die  zahlreichen 
spätem  Exemplare  Pantikapäons  mit  dem  bartlosen,  meist  efeubekränzten  Kopfe  zeigen 
niemals  Hörner,  vielmehr  den  ausgesprochensten  Satyrtypus.  —  Zu  bemerken  ist  noch, 
daß  in  Pantikapäon,  wenn  auch  nicht  häufig,  doch  auch  der  gewöhnliche  Typus  des  einen 
alten  Silens  mit  Glatze  und  Schweinsohr  erscheint,  zum  Beweise,  daß  Silen  In  seinen 
verschiednen  Gestalten  dort  eben  heimischer  Typus  ist,  während  bis  jetzt  noch  kein  ein- 
ziger sichrer  gehörnter  Pan  dort  nachgewiesen  ist.  —  Eine  bloße  Annahme  ist  es  ferner 
auch,  daß  C.  Vibius,  auf  den  Beinamen  Pansa  anspielend,  einen  Panskopf  auf  seine 
Münzen  geprägt  habe;  der  betr.  Typus  (s.  Ann.  1877,  200,  2  [oben  S.  146  Anm.  4])  bezieht 
sich  vielmehr  offenbar  auf  szenische  Spiele  und  ist  nichts  als  die  Theatermaske  eines 
bärtigen  Satyrs.  Bestätigt  wird  dies  durch  ein  Exemplar,  wo  auf  dem  Rvs.  eine  andere 
szenische  bakchischc  Maske  mit  Kopfbinde  (nicht  Silen)  dargestellt  ist.  —  Man  wird 
überhaupt  auch  den  unbärtigen  edlen  Pan  niemals  hornlos  annehmen  dürfen;   zu   den 


Der  Satyr  aus  Pergamon.  209 

ward  er  überall  und  nach  der  Schlacht  von  Marathon  auch  in  Athen  verehrt.  In 
unseren  Monumenten  erscheint  er  allerdings  erst  aus  der  Zeit  um  und  nach  400, 
und  zwar  auf  Attischen  Votivreliefs  ganz  so  wie  ihn  das  homerische  Gedicht 
schildert,  zwar  mit  den  Abzeichen  der  Ziege,  doch  mit  langem  fließendem  Barte 
und  vollem  Haare,  nicht  ohne  göttliche  Würde.1  Doch  die  Tendenz  nach  bart- 
loser Jugendlichkeit  der  Götter,  welche  ungefähr  gleichzeitig  Hermes,  Dionysos  28 
und  den  Satyrn  die  Barte  nahm,  führte  dazu,  daß  auch  der  bocksbeinige  Pan  schon 
zu  Ende  des  fünften  Jahrhunderts  zwar  nicht  in  Athen,  doch  in  Thrakien  (die  oben- 
genannte Münze  von  Aenus)  bartlos  gebildet  ward  und  dasselbe  war  in  Böotien 
der  Fall,  wo  er  in  einem  herrlichen  Votivrelief  aus  Tanagra  als  önadog  und 
y.vwr  Tiavxodcmog  der  Göttermutter  Rhea  (Pind.  Fragm.  63  ff.  Böckh)  neben  ihrem 
Throne  zu  stehen  scheint,2  während  er  in  einem  anderen  etwas  späteren,  viel- 
leicht   auch   böotischen,   Votivrelief  nebst  einem   Jagdhunde   als  Begleiter  des 


von  mir  Annali  1877,  204,  3  [oben  S.  150  Anm.  2]  angeführten  Apulischen  Vasen  be- 
merke ich  nur,  daß  bei  ihnen  allen  eine  neue  Prüfung  der  Originale  nötig  ist;  von  den 
beiden  Berliner  Vasen  (Gerhard,  Ap.  Vas.  Taf.  8  u.  1 1  [Berliner  Vasenkatalog  3258  und 
3240])  habe  ich  konstatiert,  daß  die  weiß  aufgemalten  verblaßten  Hörner  des  Pan  nur 
von  der  Übermalung  verdeckt  waren.  —  In  dem  mir  soeben  nach  Abschluß  der  Korrektur 
zukommenden  3.  Hefte  des  V.  Bandes  der  Athen.  Mitteil,  spricht  A.  Milchhöfer  (S.  209) 
über  den  altern  Typus  des  Pan.  Daß  ich  denselben  gegenwärtig  als  einen  von  dem  der 
Silene  ursprünglich  durchaus  verschiedenen  erkenne,  ist  oben  ausgesprochen.  Was  mich 
früher  Annali  1877,  199  ff.  [oben  S.  145  ff.]  zur  Annahme  bewog,  daß  sich  der  Panstypus 
zunächst  an  den  der  Silene  angeschlossen  habe,  waren  nur  die  Münzen  von  Pantikapäon. 
Ohne  der  letztern  im  geringsten  zu  gedenken,  oder  dies  ernste  Hindernis  zu  beseitigen  (wie 
ich  dies  oben  versucht),  bestreitet  Milchhöfer  jene  Annahme,  die  er  mindestens  unrichtig 
aufgefaßt  hat.  Oder  wird  jemand  im  Ernste  z.  B.  daran  anstoßen,  daß  ich  Ann.  1877,  201 
[oben  S.  147]  sagte,  die  aufgeworfene  Stumpfnase  des  Typus  der  Silene  sei  nicht  die 
Nachahmung  eines  tierischen  Zuges,  sondern  eines  den  uomini  codardi  e  vili  eigenen? 

—  Ganz  unrichtige  Vorstellungen  von  der  Entwickelung  der  in  Betracht  kommenden 
Typen  zeigt  übrigens  M.'  Behauptung,  der  bärtige  Pan  des  ganz  tierischen  Bockstypus 
berühre  sich  —  im  4.  Jahrh.  —  mit  „gewissen"  Satyrtypen. 

1  So  besonders  in  dem  schönen  Relief  Heydemann,  Marm.  in  Athen  Nr.  13  =  Böt- 
ticher,  Gipsabg.  Nr.  322  [Friederichs-Wolters  1137];  nur  der  Oberkörper  erscheint  auf  dem 
herrlichen  Nymphenrelief  Mitt.  Ath.  Inst.  V,  Taf.  7,  das  wohl  eher  etwas  vor  400  fällt.  — 

—  Vgl.  auch  Ann.  1877,  198  [oben  S.  145]. 

2  Im  Varvakion,  [jetzt  Nat.Mus.  1421,  Arndt,  Einzelaufnahmen  1250]  nicht  vollständig, 
aus  mehreren  Fragmenten  bestehend,  von  denen  einige  mir  erst  durch  die  Freundlich- 
keit von  Hrn.  Dr.  L.  Gurlitt  bekannt  wurden,  der  das  Ganze  demnächst  veröffentlichen 
wird  [Arch.  Zeit.  1880  Taf.  18.  Besprochen  von  Milchhöfer,  Athen.  Mitt.  V  S.  216].  Er- 
halten ist  von  Pan  nur  der  gehörnte  jugendliche  Oberkörper,  dessen  Kleinheit  die  Bocks- 
beine ziemlich  sicher  voraussetzen  läßt;  von  der  wahrscheinlichen  Rhea  ist  nur  ein  Ellen- 
bogen und  Rest  des  Gewandes  und  Thrones  erhalten;  rechts  stehen  ein  bärtiger  Mann 
und  mehrere  Mädchen,  eines  mit  Tympanon.  Die  Erklärung  aus  dem  in  Theben  von 
Pindar  gestifteten  Kulte  der  Rhea  mit  Pan  zusammen  (Pind.  Fragm.  63  ff.  Pyth.  III,  137  und 
schol.)  ist  mindestens  sehr  wahrscheinlich. 

A.  Furtwängler.    Kleine  Schriften.  I.  14 


2\Q  De»  Satyr  aus  Pergamon. 


Dionysos  auftritt.1  -  Doch  gerade  die  Vorstellung  von  dem  Jäger  Pan,  dem 
und  dypetJc  (s.  bes.  Anth.  Pal.  VI  passim)  scheint  die  Bildung  eines 
neuen  Typus,  des  völlig  menschlichen  edeln  jugendlichen  nur  mit  zwei  Hörnchen 
versehenen  Gottes  begünstigt  zu  haben.  So  sehen  wir  ihn  denn  als  schönen 
Jäger  auf  einem  Felsen  sitzend  ruhen  oder  mit  einem  Häschen  spielen,  wie  ihn 
die  herrlichen  Münzen  des  vierten  Jahrhunderts  von  Arkadien  und  von  Messana  in 
Sizilien-  zeigen.  Wo  dieser  Typus  zuerst  entstand  ist  unsicher;  da  er  in  Athen  in 
religiösen  Darstellungen  niemals  und  nur  gelegentlich  auf  bemalten  Vasen  des 
29  späteren  Stiles  erscheint,  so  war  hier  der  Ursprung  schwerlich.  Dagegen  können 
wir  nachweisen,  welche  Kunstschule  es  war,  die  jenem  Typus  seine  in  der  statu- 
arischen Kunst  kanonische  Gestalt  verliehen  hat.  Es  war  die  Nachfolge  Poly- 
klets  in  Argos,  die  das  berühmte  Musterbild  edler  jugendkräftiger  Gestalt,  den 
„Doryphoros"  ihres  Meisters  einfach  zum  Gotte  Pan  umschuf,  indem  sie,  alles 
andere  belassend,  nur  anschmiegende  Hörner  und  in  die  Hände  Syrinx  und 
Pedum  zufügte.  Mehrere  erhaltene  Statuen  und  mehrere  einzelne  Köpfe3  geben 
uns  eine  Anschauung  dieser  Komposition.  Ruhig  steht  der  Gott  auf  dem  rechten 
Beine,  das  Haupt  etwas  geneigt.  Es  liegt  ein  eigenes  Etwas  in  diesem  Typus, 
das  uns  als  stille  Schwermut,  als  eine  passive  tiefe  Melancholie  anmutet,  die 
weitere  Entwickelung  von  etwas,  zu  dem  der  Doryphoros  selbst  nur  einen  Ansatz 
zeigt.  Es  ist  dieser  Hauch  einer  ruhigen  Wehmut  etwas  ganz  anderes  als  jene 
aktive,  sehnsuchtsvolle  Erregung,  welche  attische  Werke  derselben  Zeit  durch- 
zieht. So  äußert  sich  die  Tendenz  der  Zeit,  das  Streben  nach  dem  Ausdruck 
subjektiver  Empfindung,  verschieden  in  Athen  und  Argos;  und  wir  werden  darin 
bestärkt,  in  jenem  Wesen  einen  charakteristischen  Zug  der  späteren,  uns  bis  jetzt 
noch  so  wenig  bekannten  Peloponnesischen  Schule  zu  sehen,  wenn  wir  uns 
einer  anderen  statuarischen  Komposition  erinnern,  die  namentlich  im  Typus  des 
Kopfes  die  unverkennbarste  Verwandtschaft  mit  jenem  Pane  hat;  ich  meine  die 
gewöhnlich  Narkissos  genannten,  besser  vielleicht  als  Hyakinthos  zu  deutenden 
Jünglingsstatuen,  die  mit  der  einen  Hand  sich  aufstützend  den  Körper  entlasten 
und  die  andere  Hand  schlaff  auf  den  Rücken  legend  schwermütig  zur  Erde  blicken.* 

1  In  Berlin  (Gern.  Nr.  812  [Beschr.  d.  ant.  Skulpt.  687]),  von  Prokesch  aus  Griechen- 
land mit  der  bekanntlich  nie  stringent  beweisenden  Provenienz  Athen  gebracht;  das 
Material,  ein  sehr  feinkörniger,  kalksteinähnlicher  Marmor  würde  eher  für  Böotien  sprechen. 
Von  Dionysos  ist  nur  der  Unterkörper  erhalten. 

1  Auf  andern  Münzen  von  Messana  und  solchen  von  Syrakus  erscheint  nur  der 
Kopf  des  edeln  gehörnten  Gottes,  durch  beigefügte  Syrinx  sicher.  —  Die  andern  angeb- 
lichen Darstellungen  des  Pan  auf  Sizilischen  Münzen  sind  ganz  unsicher  oder  sind  als 
Flußgöttcr  zu  fassen. 

'  Siehe  vor  allem  die  von  mir  Mitt.  d.  Ath.  Inst.  III.  Taf.  12  publizierte  Bronze; 
dann  die  sehr  verwandten  zwei  Statuen  des  M.  Cossutius  [Brit.  Mus.  Cat.  of.  sculpt.  1666, 
7)  und  eine  dritte  im  Vatikan  (s.  Annali  1877,  202  Anm.  2  [oben  S.  148J)  und  mehrere 
Köpft    (ebenda  S.  203  [oben  S.  148  ff.  I'urtwänglcr,  Meisterwerke  S.  480]). 

4  Ich  selbst  habe  in   einer  früheren  Behandlung   dieses   in   zahlreichen    Kopien   er- 


Der  Satyr  aus  Pergamon.  211 


So  hatten  sich  denn  unabhängig  von  einander  und  ungefähr  gleichzeitig  die  30 
edeln  Typen  des  jugendlichen  Satyr  und  des  jugendlichen  Pan  entwickelt.  Eine 
Berührung  zwischen  den  beiden,  doch  so  verwandten  Wesen  war  ungemein 
nahe  liegend.  Sie  erfolgte  in  vollem  Maße  in  der  hellenistischen  Zeit  und  ward 
begünstigt  durch  eine  bekannte  Richtung  eben  dieser  Epoche,  durch  die  idyllische 
oder  bukolische.  Das  Harmlos-Ländliche,  Hirten,  Jäger,  freie  Natur  und  alles, 
was  damit  zusammenhing,  das  waren  Lieblingsgebiete  der  damaligen  Phantasie. 
Bekanntlich  ist  für  uns  das  klarste  Zeugnis  dieser  Richtung  in  der  Pompeianischen 
Wanddekoration  erhalten,  wo  sie  uns  aus  allen  Ecken  und  Enden  in  Gestalt  von 
Pedum  und  Syrinx,  von  ländlicher  Kapelle,  Hirten  und  Herden  entgegentritt. 
Nun  waren  zwar  die  Satyrn  bisher  teils  als  von  allerlei  tollen  Mutwillens  voll, 
als  tanzend  und  flötend  —  xgö^  ög%)]oiv  xal  fxeXcodiav  xal  Tiäoav  äveaiv  xal 
naxbvav  euderoi,  Diodor.  I,  18  — ,  teils  als  edle  Diener  ihres  weichlichen  Herren 
dargestellt  worden,  aber  das  Ländliche  hatte  ihnen  durchaus  gefehlt.  Dies  mußte 
von  Pan,  dem  Jäger  und  Hirten  auf  sie  übertragen  werden;  von  ihm  entlehnen 
sie  nun  die  Rohrflöte,  von  ihm  den  Hirtenstab,  von  ihm  auch  gewisse  Abzeichen 
der  Ziege,  dieses  echt  idyllischen  Tieres.  —  Indeß  wurden  durch  diese  Berührung 
von  Satyr  und  Pan  natürlich  gelegentlich  auch  Züge  der  Satyrn  auf  letzteren 
übertragen;  und  zwar  geschah  dies  gerade  zu  Anfang  der  hellenistischen  Epoche. 
Von  Antigonos  Gonatas  nach  der  Gallierschlacht  geschlagene  Kupfermünzen 
zeigen  Pan  durchaus  im  Typus  eines  jugendlichen  Satyrs  mit  Schwanz,  doch 
mit  Hörnern  versehen,  wie  er  ein  Tropaion  aufrichtet,1  und  Silbermünzen  desselben 
Königs  geben  dem  Panskopfe  ganz  die  Züge  des  derben  Satyrtypus  nur  mit  Hörnern  31 
(Wieseler,  D.  a.  K.  I,  232),  und  ganz  dasselbe  tun  Kupfermünzen  von  Pella  in  Make- 
donien (Mionnet,  Suppl.  III,  89  Nr.  547  ff.).  —  Auch  für  jene  Übertragungen  von 
Pan  auf  die  Satyrn  haben  wir  jetzt  einen  festen  Haltepunkt  in  den  Pergamenischen 


haltenen  Typus  (Bull.  d.  Inst.  1877,  158  ff.  [oben  S.  131  ff.])  mich  lebhaft  für  Narkissos  er- 
klärt. Gegen  ihn  spricht  jedoch,  daß  er  vor  der  hellenistischen  Zeit  nur  in  der  phokischen 
und  böotischen  Lokalsage  existiert  zu  haben  scheint,  während  unser  Typus  sicher  ein 
älterer  und,  wie  oben  hervorgehoben,  ein  peloponnesischer  ist.  Der  Kopf  ist  am  besten 
erhalten  in  dem  Bull.  1864,  256  erw.  jetzt  in  Berlin  befindl.  Exemplare  [Beschr.  d.  ant. 
Skulpt.  263].  Der  in  Lakedämon  alte  Kult  des  Hyakinthos,  des  schönsten  der  Jüng- 
linge, ist  bekannt.  Das  schwermütig  matte  Versunkensein  würde  dem  Bilde  des  durch 
frühen  Tod  Hingerafften  wohl  anstehen.  Zu  Boden  blickend,  steht  Hyakinthos  Apoll 
gegenüber  auf  einem  Gemälde  bei  Philostr.  iun.  14.  —  Daß  der  Apfel,  den  in  der  Tat 
zwei  Exemplare  (s.  Bull.  1877,  158  [oben  S.  131])  in  der  auf  dem  Kücken  liegenden  r. 
Hand  zeigen,  einfach  für  einen  Todesdämon  beweise,  ist  durchaus  unhaltbar.  Es  wird 
nach  der  gewöhnlichen  Bedeutung  des  Apfels  ein  Liebesgeschenk  von  Apollo  sein  sollen. 
[Furtwängler,  Meisterwerke  S.  483  ff.] 

1  Über  den  Typus  des  jugendlichen  Pan  mit  Satyrschwanz  s.  meine  Bemerkungen 
gegen  Stephani  in  Annali  1877,  447  ff.  [oben  S.  182  ff.].  Zu  den  sichern  Beispielen  ist 
außer  obigem  Münztypus  hinzuzufügen  ein  spätattischer  Krater  in  Berlin  Nr.  1015  (Gerh.). 

[Furtwängler,  Vasenkatalog  2648.] 

14* 


212  Dbr  Satyr  aus  Pergamon. 


Reliefs.  Satyrn  dos  derben,  jugendlichen  Typus  begleiten  dort  Dionysos;  an  dem 
einen  ziemlich  erhaltenen  Kopfe  sind  die  Haare  gesträubt  und  am  Halse  hängen 
jene  kleinen  Zotteln  der  Ziegen  (7  faea),  die  wir  von  zahlreichen  Satyrn  des 
Kindlichen  Typus  kennen  (Annali  1877,  208  [oben  S.  153]);  ein  andrer  wohl- 
erhaltener  Satyrkopf  vom  kleinern  Friese1  zeigt  gar  die  kleinen  sprießenden 
Hörner  der  Ziege,-  die  (nicht  zu  verwechseln  mit  den  längern  des  Pan)  wir  ja 
auch  als  den  ländlichen  Satyrn   eigen   kennen,   ihnen   die  Lukian  (Bacch.  1)  die 

tixovs  veaviaxovg  nennt,  die  xigaza  ola  toJ^  uqti  yevvrj$WHV  igkpoig 
rn,»t  vetcu  (vgl.  deor.  conc.  4),  die  Hörnchen,  die  ja  auch  dem  Typus  unsrer 
Alberti'schen  Statue  nicht  zu  fehlen  pflegen. 

So  hätten  wir  denn  unsern  beiden  Monumenten  in  einem  größern  historischen 
Zusammenhange  ihre  Stelle  angewiesen;  der  etwas  mühsame  Pfad,  der  uns  dazu 
führte,  wird  uns  aber  den  reinen  Genuß  nicht  stören  an  jenem  Bilde  frischer, 
sprühender,  ungetrübtester  Lebenslust,  von  dem  wir  ausgingen,  an  dem  Satyr 
von  Pergamon. 

1  Das  Stück  der  großen  Reliefs  ist  skizziert  in  Conze  u.  Humann,  Ergebnisse  I  S.  53 
Ausgrabungen  von  Pergamon  III,  2  Taf.  1,  der  Kopf  vom  kleinern  Friese  dort  Taf.  36,  2]. 

Der  kleinere  Fries  enthält  noch  eine  schöne,  sitzende,  jugendliche  Figur,  die  das 
Knie  mit  beiden  Händen  umfaßt;  das  Gesicht  fehlt  größtenteils,  doch  die  langen  Spitz- 
ohren sind  erhalten;  die  unbärtige,  schwanzlose  edle  Gestalt  wird  wahrscheinlich  Pan  sein, 
vielleicht  als  Repräsentant  Arkadiens  in  einer  auf  Telephos  Jugend  bezüglichen  Szene. 
[Ausgrabungen  von  Pergamon  III,  2  Taf.  32,  2.  ] 

-  Zu  den  gehörnten  Satyrn   vgl.  Annali  1877,  208  ff.  u.  448  [oben  S.  153  ff.  u.  183]. 

Ohne  Verständnis  für  die  tatsächliche  historische  Entwicklung  gelangt  Stephani, 
Compte  rendu  1874,  66  ff.  zu  ganz  falschen  Resultaten,  indem  er  (S.  79)  behauptet,  es  sei 
kein  Zweifel,  daß  die  Alten  „schon  in  sehr  frühen  Zeiten'  den  Satyrn  Ziegenhörner 
gaben  und  indem  er  die  Hörner  zur  Unterscheidung  von  Satyr  und  Pan  überhaupt  un- 
brauchbar erklärt  und  statt  dessen  „den  kritischen  Wert  des  Pferdeschwanzes"  in  helleres 
Licht  setzen  zu  müssen  glaubt. 


ARIANNA  DORMENTE 
E  BACCO  SOPRA  CRATERE  ETRUSCO 

(MON.  DELL' INST.  VOL.  X  TAV.  51  [=  Taf.  7];  ANNALI  DELL'  INSTITUTO 
50,  1878  TAV.  D'AGG.  H.  J.  [=  Taf.  8.  9,  1  u.  2]) 


el  cratere,  che  col  grazioso  permesso  del  proprietario  sig.  principe  del  80 
Drago  vien  pubblicato  sulla  tav.  51  dei  nostri  Monumenti  [Taf.  7],  e 
uscito  da  quella  necropoli  posta  fra  Filacciano  e  Nazzano  sul  confine 
dell'Etruria  e  della  Sabina  che  pochi  anni  fa  fu  descritta  dal  sig.  Heibig  (Bull. 
1873  p.  113  sg.).  II  principale  risultato  di  questi  scavi  furono  alcuni  grandi 
crateri,  fra  i  quali  primeggia  il  nostro  per  la  rappresentazione  nuova.  Giacche 
la  donna  che  dorme  nel  centro  distesa  sopra  una  pelle  di  pantera  e  che,  sebbene 
mancante  della  testa  e  del  petto,  puö  interamente  ricomporsi,  senza  dubbio  e 
Arianna  abbandonata  da  Teseo,  alla  quäle  s'  avvicina  Bacco   col  suo  corteggio. 

Ma  prima  di  occuparci  del  soggetto  vogliamo  esaminare  la  tecnica  ed  il 
carattere  stilistico  del  nostro  vaso.  II  disegno  e  condotto  con  un  pennello 
assai  fino  (ma  non  colla  penna)  e  con  colore  molto  denso,  sieche  le  linee, 
almeno  sulla  parte  principale,  hanno  il  solito  rilievo  dei  buoni  vasi.  Col  mede- 
simo  colore,  ma  stemperato  molto  con  acqua,  sieche  diviene  brunastro,  sono 
fatti  i  contorni  tanto  esterni  quanto  interni  delle  parti  dipinte  in  bianco.  Anche 
gli  orecchini  dunque,  le  armille  e  le  collane  sono  brunastre,1  ciö  che  e  da  notarsi 
come  differenza  della  tecnica  solita,  nella  quäle  il  disegno  sul  bianco  e  sempre  81 
eseguito  in  giallo.  Oltre  ciö  si  e  adoperato  un  rosso  scuro  per  aleune  aggiunte 
come  le  corone  d'  ellera,  i  puntini  nel  tirso,  i  fili  di  perle  attorno  il  petto  del 
Satiro  a  sin.  ,  per  le  frutta  del  canestro  del  Satiro,  per  le  frondi  del  gran  tralcio 
di  vite  e  per  gli  stivali  di  Bacco.  Col  rosso  mischiato  al  bruno  sono  fatte  le 
frutta  del  canestro  a  sin.     II  giallo  invece  manca  affatto. 

II  vaso  ha  la  forma  di  cratere  e  gli  ornamenti  soliti  per  questo  genere,  cioe 
al  di  sopra  le  foglie  d'alloro  e  al  di  sotto  le  palmette  giacenti;  piü  comune  di 
queste  perö  suol  essere  il  meandro.  Anche  il  carattere  della  composizione  ap- 
partiene  ad  un  tipo  ben  distinto,  col  quäle  si  decoravano  nelle  fabbriche  attiche 
piü  recenti  specialmente  i  crateri,  non  esclusi  perö  altri  vasi  che  offrissero  uno 
spazio  analoge  Vi  sono  cioe  le  figure  raggruppate  attorno  di  un  centro  in  due 
file,  ma  cosi  che  quelle  dell'  ordine  superiore  colle  gambe  sogliono  entrare  nell' 

1  Dello  stesso  colore  sono  aleune  striscie  riportate  sugli  abiti  ricamati. 


214  Arianna  Dormentk 


ordine  inferiore.  Le  figure  sedenti  alle  due  estremitä  rivolte  colle  gambe  al  di 
iuori,  col  viso  verso  l'interno,  appartengono  anch'  esse  a  questo  tipo  di  compo- 
sizioni  vascolari.  11  loro  rovescio  quasi  sempre  e  decorato  con  sole  tre  figure 
grandi,  per  lo  piu  bacchiche,  cioe  Menadi  con  Satiri,  oppure  con  quei  giovani 
ammantellati,  soliti  giä  nei  vasi  dell'  epoca  anteriore.1  Lo  stile  del  disegno  e 
sempre  del  piu  libero  ed  e  caratteristico  a  questo  tipo  che  gli  abiti  tanto  delle 
donne  quanto  degli  uomini  per  lo  piu  sono  coperti  di  ornati  ricchi  specialmente 
;oll'  ornamento  delle  onde,  con  raggi  e  palmette.  Le  donne  sogliono  esser  di- 
pinte  in  bianco.  Anche  i  soggetti,  nei  quali  predominano  quei  bacchici  senza 
azione  dedsa,  ed  i  concetti  di  alcune  figure-  hanno  un  carattere  speciale.  I 
Satiri  generalmente  sono  ancora  barbati;  quegli  imberbi  ritengono  perö  la  cal- 
vizia  sopra  la  fronte,  mentre  alcuni  ricci  sogliono  cadere  avanti  gli  orecchi. 
Amore  non   ha  mai  i  capelli  acconciati  in  maniera  femminile. 

Si  possono  fare  delle  suddivisioni  e  distinzioni  piu  sottili  nei  tipo  de'  vasi 
in  discorso,  ma  per  ora  basti  d'  averne  accennato  alcuni  tratti  principali.  Quanto 
alla  fabbrica  cui  originariamente  appartiene  codesto  tipo,  non  puö  essere  dubbio 
a  chiunque  si  occupa  della  pittura  vascolare  piu  recente,  che  essa  e  attica.  Non 
posso  entrare  qui  in  tutte  le  particolaritä,  e  siccome  io  cercherö  altrove  di  svi- 
luppare  ampiamente  il  carattere  speciale  della  pittura  vascolare  recente  in  Attica 
in  confronto  a  quella  nell'  Italia  meridionale  ed  in  altri  siti,  lascio  per  ora  questo 
tema  e  mi  rivolgo  al  nostro  cratere. 

La  questione  che  sorge  si  e,  se  esso  sia  di  fabbrica  propriamente  attica, 
o  se  piuttosto  sia  un'  imitazione  eseguita  altrove.  I  seguenti  indizi  ci  costringono 
a  rispondere  in  quest'ultimo  senso.  Di  minor  importanza  sembra  la  maniera 
sopra  descritta  di  disegnare  sul  bianco  con  color  brunastro,  mentre  i  vasi  attici 
ivi  adoperano  il  giallo.:i  Ma  tale  identica  particolaritä  e  gli  stessi  orecchini,  gli 
stessi  ricci  davanti  l'orecchio,  le  stesse  armille,  gli  stessi  profili  delle  donne  si 
83  trovano  in  due  vasi  del  museo  Gregoriano,  del  resto  di  tecnica  diversa,  ed 
ambedue  indubitatamente  etruschi/     L'  uso  poi  del   colore   rosso-brunastro  pei 


1  Facendo  astrazione  di  tanti  altri  non  pubblicati  voglio  citarne  soltanto  alcuni  ad 
ognuno  noti  come  Laborde,  Vases  Lamb.  I  65  [Wien,  Sacken-Kenncr  S.  227  Nr.  160],  Miliin, 
Vasei  peints  I  56.  57.  ib.  1  67. 

;  Cosi  p.  es.  i  Satiri  o  Ninfe  con  canestroni  di  frutta,  come  sul  vaso  nostro,  sono 
frequenti  proprio  in  questo  genere  di  vasi. 

3  In  un  cratere  della  Beozia  pero  ho  veduto  qucllo  stesso  nerastro  bruno  sopra  il 
bianco. 

4  Ambedue  non  pubblicati  e  di  provenienza  ignota.  11  primo,  un  cratere  nella  sala 
delle  tazze,  t  in  tutta  la  tecnica  e  lo  stile  molto  analogo  al  nostro,  benche  il  carattere 
etru  ia  molto  piu  palpabilc  (giä  nella  forma  che  e  la  stessa  come  Mus.  Gregor.  II, 
95,  van  nei  mezzo  della  fila  infima).  Sulla  parte  principale  si  vede  Perseo  e  la  Medusa, 
dal  collo  della  quäle  spunta  la  testa  del  Pegaso.   II  rovescio  e  bacchico.  —  L'altro  vaso 

anfora  ai  manichi  con  volute  cd  £  il  piu  bei  campione  di  quella  tecnica  non  rara 


e  Bacco  Sopra  Cratere  Etrusco.  215 


dettagli  sopraccennati  e  del  tutto  estraneo  ai  vasi  attici  di  questo  tipo  ed  appar- 
tiene  al  periodo  anteriore  dello  stile  cosi  detto  bello  e  quello  severo.  Ma,  ciö 
che  piü  importa,  anche  il  disegno  dei  profili,  delle  donne  in  ispecie,  ed  i  movi- 
menti  —  come  quello  del  Satiro  a  dr.  di  Bacco  —  il  panneggio  nelle  parti  mosse, 
poi  anche  la  striscia  delle  palmette  in  giü,  alle  quali  manca  non  tanto  accura- 
tezza  quanto  la  vita,  infine  la  grossa  tenia  sospesa  nel  campo  libero  del  rovescio, 
—  tutto  questo  non  si  combinerebbe  coli'  origine  attica,  ma  non  offre  nemmeno 
analogie  sufficienti  per  riconoscervi  alcuna  delle  fabbriche  dell'  Italia  meridionale. 

Arroge  una  cosa  che  non  e  di  lieve  importanza,  ed  e  la  figura  di  Bacco 
stesso.  Non  dico  il  chitone  ricamato  —  giacche  questo  e  una  particolaritä 
appunto  del  Dioniso  attico  —  ma  e  la  barba  che  mi  offende  e  la  quäle  deve 
dirsi  del  tutto  estranea  al  Bacco  di  questo  stile  vascolare,  perche  collo  stile 
»bello«  essa  svanisce  affatto.  Anche  qui  dunque  il  pittore  del  nostro  vaso  fram-  84 
mischiava  delle  reminiscenze  di  uno  stile  anteriore,  e  cosi  si  spiegherä  pure  quel 
tralcio  di  vite  che  insieme  con  un  grosso  scettro  egli  tiene  nel  braccio. 

Riassumendo  questi  fatti  dobbiamo  riconoscere  qui  l'imitazione  di  un  cratere 
attico  fatta  nell'  Etruria  meridionale  stessa.  Ne  ci  mancano  delle  analogie  per 
questo  fatto.  Prima  di  tutto  esaminiamo  gli  altri  vasi  dello  stesso  scavo.1  E 
fra  questi  almeno  un  cratere  (Bull.  1873  p.  122)  per  la  tecnica  perfetta  ed  il  di- 
segno finissimo  non  lascia  alcun  dubbio  intorno  la  sua  origine  propriamente 
attica.2  Ma  un  terzo  cratere  proveniente  dalla  stessa  tomba  col  nostro  (1.  c. 
p.  117,  2)  e  interessantissimo  per  la  questione  dell'  imitazione;  giacche  egli  per 
la  tecnica  in  generale  non  puö  separarsi  dal  nostro,  non  offre  perö  —  se 
eccettuiamo  la  grossa  tenia  nel  campo  libero  —  tante  particolaritä  che  si  dov- 
rebbero  ascrivere  all'  imitazione,  come  quello;  i  profili  e  tutto  il  disegno  si  puö 
dire  quasi  attico.3  Meno  bene  dunque  e  riuscita  1'  imitazione  nel  nostro  vaso, 
ma  ancora  piü  evidente  e  l'influenza  locale  nel  terzo  cratere  della  stessa  tomba4 


nei  vasi  etruschi,  di  dipingere  le  figure  con  color  rosso  sopra  la  vernice  nera.  Rappre- 
senta  sul  ventre  una  donna  in  ginocchi  minacciata  da  un  giovane  colla  spada:  sul  collo 
due  Amori  con  un  ragazzo,  giuocanti  come  pare.  Lo  stile  e  libero  ed  imita  bene  i  vasi 
di  stile  bello.  Siccome  esso  probabilmente  in  un'  altra  occasione  sarä  pubblicato,  cosi 
mi  astengo  da  una  descrizione  piü  dettagliata. 

1  Per  la  squisita  gentilezza  del  principe  del  Drago  potei  con  ogni  agio  studiare  i 
sette  vasi  grandi  esposti  ora  nel  suo  palazzo.  I  vasi  piccoli  perö  ed  i  frammenti  non 
li  ho  veduti. 

2  L'argilla  e  piü  rossa  della  nostra,  la  vernice  piü  lucente,  i  profili  ed  i  capelli  sono 
fatti  come  p.  es.  nel  vaso  attico  Mon.  III  31.  Lo  strumento  non  e  il  pennello  ma  la 
penna.  —  Sgraziatamente  non  si  poteva  piü  fissare  la  tomba  donde  era  sortito,  ne  gli 
oggetti  trovati  assieme. 

3  La  composizione  e  pure  ben  ordinata  secondo  le  norme  del  tipo  di  questi  vasi. 
Sopra  la  rappresentanza  del  rovescio  cf.  la  postilla  al  mio  articolo  negli  Annali  1877 
p.  448  [oben  S.  182]. 

4  La  tecnica  e  la  stessa  come  nel  nostro ;  ma  vi  si  aggiunge  che  le  code  dei  Satiri 


•2\(\  Akianna  Dormi  Ml 


.c.  p.  118,3).  -  Una  grande  distanza  probabilmente  non  tanto  di  tempo 
quanto  di  carattere  -  separa  queste  imitazioni  di  vasi  attici  da  un'  altra  specie 
di  fabbrica  locale  trovata  insieme  con  specchi  ed  altri  prodotti  dell'  arte  etrusca 
piü  recente  negli  stessi  scavi,1  la  quäle  non  ha  da  fare  con  originali  attici,  ma 
nella  tecnica  e  nel  carattere  degli  ornamenti  offre  molti  punti  di  contatto  colle 
piü  recenti  stoviglie  della  Campania.'-' 

Ma  questa  necropoli  presso  Nazzano  non  e  la  sola  che  offra  tali  specie  di 
vasi.  Anzi  quella  di  Poggio  Sommavilla  posta  in  vicinanza  della  prima  mostra 
dei  fatti  assai  simili.  Anche  qui  cioe  si  trovano  dei  crateri  attici  dello  stile 
recente,  e  sono  quelli  due  nel  museo  di  Parma,  uno  dei  quali  appartenente  dei 
tutto  a  quel  sopra  descritto  tipo  e  pubblicato  nei  Mon.  II  55,  l'altro  presso  Jahn, 
Arch.  Beitr.  t.  5.  6.  [Heydemann,  Oberital.  S.  48,  45.46.]  Dell'  imitazione  poi  di 
originali  attici  c'  e  un  esempio  molto  significante  nel  vaso  Lambruschini,3  lo 
stile  dei  quäle  giä  da  Heibig  (1.  c.  p.  115)  fu  confrontato  con  quello  dei  nostri 
crateri.  Anche  qui  negli  ornamenti  degli  abiti,  nel  disegno  dei  capelli  e  delle 
teste  ed  in  tante  altre  particolaritä  si  scorge  1'  influcnza  dell'  originale  attico;  ma 
non  soltanto  pel  disegno  un  po'  stentato  e  per  certi  ornamenti,  ma  anche  nel 
soggetto  pel  grosso  sbaglio  di  confondere  un  rapitore  dei  Palladio  con  Mer- 
86  curio*  rivelasi  1'  artista  etrusco.  —  II  rovescio  non  distinguendosi,  come  pare 
secondo   il  lucido,   dai    vasi    della   sopraccennata    seconda  specie  la    quäle 

anche  a  Sommavilla  vien  rappresentato  da  un  vaso  importante  (Berlino  n.  1789 
[2953])  --  ci  mostra  che  quelle  due  specie  erano  contemporanee,  ciö  che  viene 
confermato  da  uno  scavo  a  Castel  d'  Asso  ove  secondo  Heibig  (Bull.  1874 
p.  261)  uscivano  dalla  medesima  tomba  un'  idria  di  quello  stile  attico  imitato 
con  vasi  di  quell'  altro  genere  piü  comune  e  piü  cattivo  che  sta  in  relazione 
coi  prodotti  della  Campania. 

Altri  esempl  simili  al  vaso  nostro  finora  non  sono  a  mia  conoscenza,  eccet- 
tuato  uno  molto  interessante   che   si  pubblica  sulla  tav.  d'agg.  H  [Taf.  8]  dietro 


sono  fattc  nella  manicra  etrusca,  cioe  tutte  riempite  di  color  bruno,  nc  i  puntini  bianclii 
nel  fregio  delle  palmette  in  giü  sono  di  uso  attico,  mentre  essi  si  trovano  in  crateri  della 
Beozia.  —  II  rovescio  e  molto  rozzo. 

1  Se  la  lazza  descritta  I.  c.  p.  121  infatti  appartienc  alla  prima  nostra  classe  (io  non 
la  ho  vcduta),  queste  due  specie  si  trovano  nella  stessa  tomba. 

-  Qui  appartienc  I'  anfora  descr.  1.  c.  p.  122  ed  il  holmos  ib.  al  qualc  esiste  un 
compagno  (non  mentovato  dal  Helbig)  con  rappresentanza  senza  speciale  interesse. 

1  Arch.  Ztg.  1818  t.  17,  1.  Un  lucido  piü  csatto  presso  l'Istituto.  [.'originale  adesso 
m  trova  a  Lisbona;  e  un  vaso  a  colonnettc  (erroneamente  il  Jahn,  Hinlcit.  zur  Münchner 
Vascnsammlung  p.  LXIV  lo  chiama  eratcre). 

4  i-.vidcntemente  I'  originale  era  come  Miliin,  Peint.  de  vases  II  18  [Paris,  Cabinet  des 
Medaillcs]  o  Laborde,  Vas.  Lamb.  I  75  [Wien.  Sacken-Kenner  S.  217  Nr.  68],  ne  si  deve 
cercare  un  senso  mitologico  nascosto.  Che  la  figura  colla  clava  sia  maschile,  dal  lucido 
mi  pare  certo.     Qu;ili  liano  i  dettagli  della  tecnica,  sgraziatainc-nte  non  c  noto. 


e  Bacco  Sopra  Cratere  Etrusco.  217 


un  lucido  esistente  nell'apparato  vecchio  dell'  Institute  Sgraziatamente  il  luogo 
della  provenienza  —  che  sarä  stato  nell'  Etruria  meridionale  —  e  ignoto,  ne  si  sa 
il  luogo  ove  attualmente  esiste  [Jetzt  in  Bonn.  Salis  im  Aren.  Jahrbuch  1910  S.  132]. 
E  un  cratere  il  cui  disegno,  benche  risenta  molto  piü  della  influenza  nazionale, 
da  non  potersi  porre  in  dubbio  la  sua  origine  etrusca,  e  perö  simile  a  quello 
del  nostro  vaso.  Col  quäle  peraltro  esso  ha  comune  la  particolaritä  del  Bacco 
barbato,  confermando  cosi  che  anche  nel  nostro  vaso  quest'  anomalia  deve 
ascriversi  all'  artista  etrusco.1  II  gruppo  principale,  in  cui  Bacco  vien  quasi 
tirato  innanzi  da  Arianna  e  copiato  da  un  originale  simile  al  vaso  attico  Mon.  III  87 
31,  ove  troviamo  il  gruppo  medesimo  ma  con  Bacco  imberbe.  Non  meno 
interessante  e  il  gruppo  a  destra:  vi  vediamo  un  Satiro  barbato  che  porta  sul 
dorso  una  Baccante  nuda  e  dipinta  tutta  bianca  con  clamide  sul  dorso,  che 
sta  suonando  le  doppie  tibie.  Appunto  questo  gruppo  si  vede  delle  volte 
sopra  vasi  arcaici  a  figure  nere,2  mentre  se  nell'  arte  piü  recente  oecorre 
un  motivo  simile  —  p.  es.  le  numerose  donne  portanti  Amore  oppure  delle 
compagne  —  la  figura  viene  portata  in  tutt'  altra  maniera,  mettendo  cioe  una 
gamba  fra  uno  dei  bracci  ripiegati  del  portatore  ecc.  Dobbiamo  dunque  costatare 
un  altro  esempio  di  quella  confusione  proprio  etrusca  di  originali  arcaici  con 
altri  recenti.  —  II  rovescio  mostrante  un  uomo  ballante  con  oenochoe  in  mano3 
in  mezzo  fra  due  giovani  ammantati,  e  molto  simile  a  quello  del  vaso  Lam- 
bruschini,  confermando  cosi  l'affinitä  dei  due  vasi. 

Debbo  dire  infine  che  anche  a  Cerveteri  si  e  trovato  un  vaso  (oenochoe 
mentovata  nel  Bull.  1865  p.  219)  appartenente  alla  nostra  serie.    La  composizione 
ne  e  propriamente  attica  (ma  senza  special  interesse)  ed  anche  il  disegno  —  per 
quanto  posso  giudicare  dal  lucido  dell'Instituto  —  non  aecusa   altro  paese    che  88 
1'  Attica  stessa.4 

1  Un  terzo  esempio  di  Bacco  barbato  in  un  vaso  etrusco  dello  stile  recente  c  il 
giä  citato  di  Sommavilla  a  Berlino  1789  [2953],  ove  l'uomo  barbato  col  corno  potorio 
senza  dubbio  e  Bacco.  —  Sülle  tazze  chiusine  Gerhard,  Trinksch.  u.  Gef.  10,  3  [Berlin 
2943]  e  Annali  1868  tav.  B  che  imitano  piuttosto  lo  stile  „belle,  egli  puö  meglio 
giustificarsi. 

2  Cosi  sopra  un'anfora  attica  di  Cerveteri  giä  del  signor  Aug.  Castellani  (disegno 
presso  l'Istituto)  ove  la  donna  e  pure  rivolta  all'  altra  parte  e  suona  le  tibie ;  cosi  poi  in 
un'  altra  anfora  di  Corneto  (Bull.  1859  p.  131)  ove  quattro  Sileni  portano  altrettante  donne, 
due  delle  quali  suonano  le  tibie.  Stanno  in  relazione  con  queste  altre  rappresentazioni, 
ove  un  Sileno  porta  il  suo  compagno  —  come  sopra  un  vaso  orvietano  di  stilo  severo: 
Annali  1877,  p.  133  —  oppure  Bacco  e  Arianna  dai  Sileni  vengono  portati  sulle  teste  — 
come  in  una  tazza  chiusina  a  fig.  nere. 

3  E  dessa  interessante,  perche  il  carattere  degli  ornamenti  mostra  che  il  pittore 
pensava  ad  un  vaso  di  quella  teenica  che  dipinge  col  rosso  sopra  il  fondo  nero;  era 
dunque  contemporanea  questa  specie  con  quella  in  discorso. 

4  II  Brunn  perö  dice  1.  c.  »la  qualitä  della  terra  e  della  vernice  che  poco  ha  resistito 
alle  influenze  del  tempo,  mi  fanno  credere  ad  una  fabbrica  particolare«.  —  Le  donne 
sono  bianche  ed  i  chitoni  hanno  i  soliti  ornamenti  di  onde  e  raggi. 


218  ÄRIANNA   D0RMENTE 


II  risultato  duiique  di  questi  fatti  e  che  dei  vasi  attici  specialmente  crateri 
della  seconda  metil  del  secolo  IV  incirca,  quali  nella  Campania  e  principalmente 
a  S.  Agata  dei  Goti  non  sono  rari,  venivano  anche  nell'Etruria  meridionale,  ove 
tarono  la  Viva  imitazione  almeno  di  una  fabbrica  —  la  quäle  forse  servivasi 
anche  di  operai  greci?  il  cui  sito,  per  quanto  possiamo  congetturare  per  ora, 
sarä  stato  nella  parte  Orientale  dell'  Etruria  meridionale.  Vediamo  raggiunto  in 
queste  imitazioni,  le  quali  formano  perö  un  ciclo  ristrettissimo  confrontato  colla 
grandissima  quantitä  degli  altri  vasi  di  fabbrica  locale,  il  piü  alto  grado  dell'  arte 
etrusca  recente  e  servono  di  conferma  a  ciö  che  esposi  negli  Annali  1877  [oben 
S.  17S]  intorno  1' abilitä  con  cui  furono  imitati  i  rilievi  di  teche  di  specchi,  ma 
pure  questi  soltanto  nell'  Etruria  meridionale. 

Intorno  le  altre  specie  di  vasi  dello  Stile  recente  che  si  trovano  nell'  Etruria 
tema  che  io  mi  propongo  di  trattar  piü  diligentemente  in  altra  occasione  — 
riesce  importante  in  primo  luogo  il  risultato  negativo,  che  vasi  di  fabbrica 
pugliese  —  neppure  vasettini  con  soli  ornamenti  pugliesi  —  non  si  trovano 
affatto  nell'  Etruria,  per  quanto  io  in  viaggi  iterati  potevo  costatare.  Per  conse- 
guenza  non  furono  imitati  mai  vasi  pugliesi.1  Ma  importati  e  forse  anche  imitati 
89  furono  alcuni  probabilmente  della  Lucania.2  L'  influenza  predominante  perö 
sopra  la  fabbrica  locale  nell'  Etruria  evidentemente  l'esercitavano  —  alla  fine  del 
sec.  IV  e  nel  sec.  III  —  le  fabbriche  della  Campania,  ciö  che  vien  provato  dalla 
maniera  della  decorazione  e  da  altre  circostanze  che  qui  non  e  il  luogo  di  anno- 
verare.  Anche  quei  crateri  attici  dei  quali  parlammo  sopra,  saranno  venuti  proba- 
bilmente di  lä;  perche  durante  il  sec.  IV  1'  importazione  di  vasi  diretta  dall'Attica 
all'  Etruria  pare  d'essersi  diminuita  e  poi  d'aver  cessato  per  fare  posto  alla  fab- 
bricazione  locale  sotto  1'  influenza  predominante  della  Campania.3 

Avendo  ricevuto  cosi  il  nostro  cratere  il  posto  suo  nella  storia  della  pittura 


1  Nei  vasi  di  Bomarzo  citati  come  tali  da  Jahn,  Beschr.  der  Vasensammlg.  in  München, 
EinL  nota  525  il  caratterc  principale  e  qucllo  proprio  etrusco  c  nazionale  e  gli  elementi 
sono  piuttosto  presi  dalla   Campania  che  dalla  Puglia. 

*  Lo  stile  di  questa  contrada  riconosco  in  un  vaso  della  stessa  Sabina  ora  nel- 
l'Accadcmia  di  Pietroburgo  (lucido  presso  l'Istituto).  A  Cerveteri  pure  si  trovava  un 
tal  vaso  (giä  Castellani)  rappresentante  un  giovane  con  strigile  fra  due  donne.  Ad  una 
fabbrica  analoga,  ma  migliore  e  probabilmente  anteriore,  il  luogo  della  quäle  non  posso 
re  ancora,  ma  che  non  c  ne  attica  ne  pugliese,  appartiene  non  soltanto  il  vaso  cor- 
netano  ncll'Arch.  Ztg.  1851,  t.  36,  ma  anche  quell'  olla  trovata  a  Orvieto  (mentovata 
da  Körte,  Annali  1877,  138,32);  questo  stile  forse  trovö  un'imitazione  cccellente  in  due 

i  eretani  del  sig.  Aug.  Castellani. 

1  Aggiungo  a  queste  osservazioni  che   i  crateri   della  Bcozia   offrono    un'analogia 

frappante  ai  sopra  descritti  dell'  Ktruria,  essendo  anch'cssi  in  parte  importati   dall'Attica, 

in  parte  imitati  dagli  originali  attici,  dai  quali  non  di  rado   si   distinguono   difficilmcnte, 

mentrc  una  terza  classc  al  primo  sguardo   per   la   tecnica   cd    il    discgno   rivelasi    come 

•/.io.     Ne  parlcro  piü  cstcsamentc  in  altra  occasione. 


e  Bacco  Sopra  Cratere  Etrusco.  219 


vascolare,  cominciamo  ad  esaminar  il  soggetto  rappresentato,  cioe  Arianna  addor- 
mentata  cui  s'  avvicina  Bacco  col  suo  corteggio. 

Una  volta  si  poteva  credere  che  Arianna  dormente  fosse  un  soggetto 
proprio  soltanto  all'  arte  alessandrina,  e  che  perciö  il  vaso  nostro  possa  servir  di 
aPP°gg'°  alla  creduta  relazione  delle  pitture  murali  delle  cittä  campane  coi  vasi  90 
dipinti.  Una  tazza  cornetana  bellissima,  di  Stile  severo,  che  verrä  pubblicata  nei 
Monumenti  dell'  anno  futuro  [XI,  20  vgl.  Annali  1885  S.  154],  ci  mostra  il  fatto 
che  giä  circa  la  metä  del  secolo  quinto  suoleva  rappresentarsi,  almeno  in  pittura, 
Arianna  dormente.  La  tazza  che  dall'una  parte  mostra  Elena,  la  sposa  infedele, 
perseguitata  da  Menelao,  rappresenta  dall'  altra  uno  sposo  infedele,  cioe  Teseo 
che  lascia  Arianna:  ma  tanto  Elena  quanto  Teseo  stanno  sotto  l'ordine  di  di- 
vinitä,  quella  sotto  Afrodite,  al  tempio  della  quäle  fugge  or  ora,  e  questo  sotto 
Mercurio  l  che  e  venuto  per  guidarlo  via.  Teseo  sta  per  prendere  i  suoi  sandali 
dal  suolo  ove  dormendo  li  aveva  messi,  e  s'apparecchia  cosi  a  seguire  Mercurio. 
La  sorte  perö  che  aspetta  Arianna  vien  accennata  da  una  grandissima  vite  al 
lato  suo  e  dall'  Erote  che  viene  giä  a  coronarla.  La  scena  seguente,  quando 
cioe  arriva  Dioniso,  non  la  possediamo  ancora  in  un  monumento  del  secolo 
quinto,  ciö  che  probabilmente  non  e  che  per  caso.  E  vero  che  il  noto  vaso 
di  stile  severo  presso  Gerhard,  Etr.  u.  camp.  Vas.  6.  7  [Berlin  2179]  offre  una 
composizione  totalmente  diversa,  provando  cosi  che  a  quel  tempo  la  scena  di 
Bacco  con  Arianna  dormente  nell'  arte  non  era  ancora  divenuta  tipica ;  -  ma  la 
nostra  tazza  contiene  quasi  accennata  anticipatamente  la  seconda  scena.  Scono- 
sciuta  sgraziatamente  e  1'  epoca  delle  pitture  nel  tempio  di  Dioniso  a  Atene 
(Paus.  I  20,  2),  ove  era  rappresentata  Arianna  dormente  probabilmente  nel  mezzo, 
e  da  un  lato  la  partenza  di  Teseo  e  dall'  altro  1'  arrivo  di  Bacco.  Si  puö  con-  91 
getturare  soltanto  che  questa  decorazione  del  tempio  si  sia  eseguita  con  proba- 
bilitä  nello  stesso  tempo,  quando  Alcamene  fece  la  nuova  statua  criselefantina 
del  dio,  cioe  ancora  nel  secolo  quinto.     [Münch.  Sitzungsber.  1901  S.  413.] 

Fra  le  due  rappresentazioni  piü  antiche  di  Arianna  dormente  che  ci  siano 
conservate  resta  perö  l'intervallo  di  piü  di  un  secolo.  Da  ciö  debbon  anche 
spiegarsi  alcune  differenze  che  offrono  le  due  figure:  sulla  tazza  essa  e  vestita 
completamente  nella  maniera  delle  donne  in  questo  stile;  sul  cratere  nostro  il 
corpo  superiore  e  nudo.  Mentre  quella  giace  sulla  sola  roccia,  questa  vi  ha 
aggiunto  un  cuscino  e  una  grande  pelle  di  pantera  che  accenna  anticipatamente 
alla  sua  natura  bacchica;  e  mentre   quella  nella   posizione   delle  membra   e  nel 


1  Servio  ad  Georg.  1,  222  menziona  anche  questa  versione  del  mito,  l'antichitä  della 
quäle  per  la  nostra  tazza  vien  provata. 

2  Una  bella  anfora  a  volute  dello  stile  severo  esistente  nella  Biblioteca  vaticana 
rappresenta  lo  sposalizio  del  tutto  nelle  forme  tipiche  umane:  Bacco  barbato  perfetta- 
mente  vestito  appoggiando  il  tirso  conduce  verso  d.  la  sposa  velata  prendendola  alla 
mano  sinistra. 


ARIANNA   DORMl  Ml 


capo  sostenuto  dal  braccio  sinistro  ritiene  una  certa  dignitä  quasi  rigida  che  non 
si  abbandona  tutta  al  sonno,  questa  invece  si  e  sdraiata  mollementc  giacendo 
mezza  sul  ventre  e  rivolgendo  le  ginocchia  in  giü;  la  testa,  ora  perduta,  riposava 
sulle  bracda,  sieche  il  motivo  riesce  molto  simile,  meno  la  direzione  diversa,  a 
quella  figura  giacente  poco  chiara '  sopra  im  cratere  capuano  dello  stesso  stile 
attico  recente  (Mon.  X  3  [Würzburg]  —  concetto  che  nell'arte  piü  recente  non 
ho  trovato  piü  nella  stessa  guisa.  —  II  connesso  delle  nostre  rappresentazioni 
con  quelle  delle  Baccanti  dormenti  e  innegabile;  perciö  ne  dobbiamo  fare 
una  breve  rassegna.  II  vaso  piü  vicino  al  nostro  cratere  quanto  allo  stile  sarä 
un'  anfora  di  Pietroburgo  (Stcphani,  Vasens.  der  Erm.  n.  2161)  proveniente  dalla 
Crimea,  che  mostra  la  Ninfa  dormente  col  braccio  d.  rivolto  sulla  testa,  ma 
vestita  del  chitone,  in  inezzo  fra  due  Pani  caprini  che  si  allontanano  non  osando 
sturbarla.  Nello  stile  del  secolo  quarto  e  eseguito  un  vaso  del  museo  Sant- 
angelo  a  Napoli  (n.  313  Heyd.)2  ov'essa  alza  pure  un  braccio  sopra  la  testa  e 
vien  guardata  da  due  Satiri  barbati  che  si  avvicinano  a  passi  di  danza.  Ma  i 
vasi  piü  importanti  sono  tre  dello  stile  ancora  un  po'  legato  degli  Ultimi  decenni 
del  secolo  quinto.  Di  uno  sgraziatamente  non  posso  citare  che  le  descrizioni 
(Mus.  etr.  de  Luc.  Bonap.  de  Canino,  Viterbe  1829  p.  65,  543  =  Cat.  Durand 
139  =  Beugnot  27  =  Rouen  catal.  1868  p.  75  n.  23).  II  carattere  del  disegno 
di  quest'  idria  -  che  si  dice  di  una  finezza  ammirabile  —  puö  rilevarsi  dall'  is- 
crizione  KAUOS;3  la  Baccante  dormente  vestita  del  chitone  e  assalita  da  due 
Satiri  barbati  itifallici.  La  composizione  pare  sia  molto  simile  alla  pittura  di 
un'  anfora  cosidetta  nolana,4  della  quäle  per  la  squisita  gentilezza  del  sig.  Heydc- 
mann  che  me   ne  favoriva  il  lucido,  posso  offrire  ai  lettori  un  disegno   un   po' 

1  La  spiegazione  del  eh.  Stephani,  Annali  1874  p.  76,  che  cssa  sia  Adone  ferito  dal 
dnghtale,  e  piü  che  improbabilc.  A  me  non  pare  dubbio  che  il  fabbricatore  molto  negli- 
gente  del  vaso  in  discorso  abbia  disegnato  un  giovanetto  invece  di  una  Ninfa  sorpresa 
dal  Satiretto.  Tulto  il  vaso  e  trascurato  e  consiste  di  figure  o  gruppi  presi  da  altre 
composizionl  ed  appena  messi  in  rclazione  fra  di  loro:  un  tale  gruppo  c  la  Ninfa  ossia 
Venere  lattante  Amore,  e  sul  rovescio  quell'uomo  barbato  ubbriaco  (non  e  an  Satiro, 
come  dice  lo  St.),  che  vien  condotto  da  un  Sileno.  I  due  giovanl  sulla  parte  principnlc 
nell"  ordine  superiore  a  dr.  V  uno  seduto  c  l'altro  stante,  ambedue  con  clamide,  non 
ono  essere  Satiri  ne  trovano  aleuna  spiegazione  in  questo  luogo.  Fra  le  figure 
nfinc  aleuni  molivi  sono  ripetuti  due  0  tre  voltc. 

II  eh.  Heydemann  nel  suo  catalogo  p.  707  annovera  in  quest'  occasione   altri    vasi 

qui  riferibili  (cf.  anchc  llclbig,  Untersuch,  p.  238),  dei  quali  perö  n.  3  c  4  sono  identici; 

il  n.  5  lo  escludo  dallc  mie  considerazioni  perche   pubblicato   troppo  insufficicntemcntc. 

Le  due  lettere  2'  Q  graffite  sul  piede  del  vaso,  sc  sono  fatte   prima  che    l'argilla 

fu  cotta,  provano  soltanto  che  il  vaso  appartiene  al  periodo  di  transizione  dei  due  alfabett, 

l.i  fine  del  secolo  V. 

menzionata  da  Panofka  (Arch.  Ztg.  1848,  p.  248,  5)  il  quäle  leggeva  accanto  alla 

Baccante  HO*;  (Heydemann,  Neapel  S.  707  Nr.  1]    il   nostro   disegno   invece  offre  leite 

letter»-  c  tut.    diverse  da  quelle  del  Panofka;  ne  la  forma  piü  recente  i.  e  certa. 


e  Bacco  Sopra  Cratere  Etrusco.  221 


impiccolito  sulla  tav.  d'agg.  I,  1  [Taf.  9,  1].  Lo  stile  e  legato  ed  i  capelli  lun- 
ghissimi  del  Sileno,  come  pure  la  cuffia  della  donna  ed  il  chitone  fino  colle 
pieghe  numerose,  sono  propri  allo  stile  dell'  epoca  sopraccennata.  Le  lettere 
ascritte  alle  due  figure  sfortunatamente  non  possono  leggersi.  Sopraffatta  da 
stanchezza  la  Baccante  si  e  seduta  sopra  di  una  roccia  col  dorso  reclinato,  dando 
alla  testa  un  appoggio  col  braccio  destro;  la  mano  sin.  stringe  ancora  il  tirso, 
mentre  essa  con  la  bocca  aperta  si  addormenta.  II  Sileno,  cautamente  avvicinatosi. 
dapprima  per  averla  in  suo  potere  e  farla  inerme  se  si  svegliasse,  la  prende  al 
braccio  destro  e  colla  sua  destra  pare  pronto  a  toglierle  il  tirso.  Ad  uno  stile 
un  po'  piü  libero  appartiene  1'  altra  pittura  che  posso  pure  per  la  gentilezza  del 
sig.  Heydemann  pubblicare  sulla  tav.  d'agg.  I,  2  [Taf.  9,  2].  Essa  e  presa  da  un 
orcio  ceretano  [Brit.  Mus.  E  555]  insieme  col  quäle  ne  fu  trovato  un  altro  esem- 
plare  identico  (Bull.  d.  Inst.  1866  p.  186.  1869  p.  29,  5).1  Lo  stile  e  del  piü  bello 
che  possa  immaginarsi 2  e  quäle  fiori  verso  1'  anno  400  a.  C.  II  sistema  della 
decorazione,  eseguito  con  straordinaria  esattezza,  e  rarissimo  ne  posso  citare  un 
esempio  eguale;  e  da  notarsi  in  ispecie  il  manico  decorato  alla  parte  esterna 
con  omamento  a  scacchi.  La  Baccante  dorme  un  sonno  tranquillo,  tiene  perö  94 
il  tirso  nella  mano  destra;  oltre  del  solito  chitone  ed  un  piccolo  mantello  ha  la 
nebride  in  dosso  ed  un  altro.  abito,  secondo  il  costume  ovvio  specialmente  in 
questo  stile.  I  Satiri  che  stanno  ancora  piü  da  lontano  che  non  nell'  altra  pit- 
tura, s'  avvicinano  e  con  gesti  accennano  alla  loro  cupidigia.  —  Alla  fine  sia 
fatta  menzione  di  una  tazza3  del  medesimo  stile  col  precedente,  ove  la  Baccante 
vestita  nello  stesso  modo  come  lä  e  munita  pure  della  stessa  benda  larga  nei 
capelli,  si  e  posta  a  riposare  ma  non  dorme  ancora;  come  cuscino  le  serve  una 
grande  anfora  puntuta  coronata  d'ellera,  sopra  cui  s'appoggia  coli'  omero  e  braccio 
destro  che  regge  nello  stesso  tempo  la  testa  grave  forse  dall'  effetto  del  vino; 
avendo  posto  il  tirso  al  fianco  suo  essa  mette  anche  il  braccio  sin.  sulla  spalla 
d.  Accanto  di  lei  giace  un  Satiro  barbato  che  appoggiandosi  sopra  un  otre  sta 
bevendo  da  un    cantaro,  cosi   che   il  viso   e  veduto  di  faccia.4    Non  si  tratta 


1  L'uno  dalle  mani  del  sig.  Aless.  Castellani  e  andato  in  Inghilterra,  l'altro  che  c 
frammentato  si  trova  ancora  presso  il  signor  Augusto  Castellani,  ov'io  lo  potei  esaminare. 

-  La  nostra  riproduzione  non  e  eguale  alla  finezza  dell'  originale. 

■■  La  conosco  da  un  mediocre  lucido  esistente  presso  l'Istituto,  il  quäle  lucido  nel 
1861  fu  eseguito  a  Atene.  L'  altra  parte  esterna  mostra  una  Baccante  ignuda  colla  cuffia 
e  col  tirso  giacente  che  offre  una  grande  tazza  ad  un  mulo  itifallico  che  le  sta  incontro. 
L'interno  e  una  replica  —  ma  senza  le  iscrizioni  —  di  quello  della  nota  tazza  di  Sosia 
con  alcune  modificazioni  ed  in  uno  stile  un  po'  piü  libero.  Un  sospetto  dell'  autenticitä, 
per  quanto  posso  giudicare  dal  lucido,  non  sarebbe  giustificato.  [Furtwängler-Reichhold, 
Vasenmalerei  Taf.  123  Anm.  13.     Collignon-Couve  1166  bis.] 

4  Se  eccettuiamo  i  vasi  pugliesi,  troviamo  i  visi  veduti  di  faccia  assai  piü  spesso 
nei  vasi  artici  di  stile  legato  e  bello  che  non  in  quello  libero  e  sciolto. 


222  Arianna  Dormente 


dunque   di    quella  sorpresa  della  Baccante  dormente,  ma  e  una   scena  anteriore, 
quando  la  donna  stanca  dal  furore  bacchico  si  riposa. 

II  risultato  piü  significante  che  rileviamo   da   questi   vasi,   e  che  giä  nella 
seconda  metä  del  secolo  quinto  era  un  soggetto  familiäre  alla  pittura  il  rappresentare 

95  delle  Baccanti  stanche  e  dormenti  che  vengono  sorprese  da  Satiri.  Certo  e 
dunque  che  Nicomaco  non  era  il  primo  a  dipingere  Bacchas  obreptantibus 
Satyris  (Plin.  nat.  bist.  35,  109)  —  un  nuovo  esempio  di  quanto  dobbiamo  essere 
cauti  con  cotali  opinioni.  Meno  giusto  ancora  era  il  credere  che  i  nostri  vasi 
avessero  relazione  coli'  arte  alessandrina  e  colle  pitture  paretarie  conservateci. 
Anzi  sebbene  vediamo  il  concetto  in  discorso  anche  nello  Stile  sciolto,  i  tratti 
essenziali  qui  restano  perö  gli  stessi,  separando  cosi  i  vasi  decisamente  dalla 
tradizione  ovvia  nelle  pitture  paretarie.  Sempre  nei  vasi  incontriamo  il  chitone 
e  non  vediamo  mai  rappresentata  quella  nuditä  lasciva  che  e  il  motivo  princi- 
pale  delle  pitture  murali.  Nei  vasi  invece  il  concetto  e  il  contrasto  fra  la  Bac- 
cante tranquilla  e  stanca  che  si  e  addormentata  poco  prima,  tenendo  ancora  il 
tirso,  colla  cupidigia  dei  Satiri  d'  intorno;  mentre  nelle  pitture  murali  non  e  che 
il  dorso  di  una  donna  bella  che  viene  snudata.  Se  queste  pitture  annoverate 
dall'  Heibig  n.  542 — 546  rimontino  a  Nicomaco  stesso,  come  si  crede  generalmente, 
non  si  puö  ne  affermare  ne  negare  decisamente.  Per  me  peraltro  quest'  opinione 
e  poco  probabile,  non  parendomi  degna  di  un  gran  maestro  del  secolo  quarto 
quella  composizione; '  ed  inoltre  le  parole  di  Plinio  obreptantibus  Satyris  accen- 
nano  piuttosto  a  motivi  simili  a  quelli  dei  vasi,  che  non  a  quello  snudare.    Ma 

96  con  questa  e  connessa  un'  altra  composizione2  (Heibig  n.  559 — 564)  la  quäle  ci 
e  interessante  specialmente  perche  il  motivo  della  Baccante  —  caratterizzata  come 
tale  per  gli  attributi  bacchici  —  nei  tratti  caratteristici,  cioe  nella  posizione  della 
testa  e  delle  braccia,  corrisponde  perfettamente  colla  nota  statua  dell'  Ermafrodito 
dormente.  La  questione  perö,  quäle  sia  1'  originale,  la  statua  o  la  composizione 
pittorica,  e  difficile  a  decidersi;  ma  riflettendo  che  non  e  ben  naturale  volendo 
rappresentare  un  Ermafrodito  il  dargli  la  veduta  principale  dal  dorso,  e  che  tutta 
la  figura  ha  un  carattere  pittorico  e  pare  fatta  per  quel  motivo  dello  snudare, 
mi  e  piü  probabile  che  la  celebre  statua  sia  derivata  da  rappresentazioni  di  Bac- 
canti dormenti  nella  pittura:  avendo  bisogno  di  dare  alla  figura  isolata  un  interesse 
piü  sostanziale,  la  scoltura  ne  fece  un  Ermafrodito.  Non  lo  crederei  impossibile 
che  l'artista  fosse  proprio  quel  Polycles  del  quäle  Plin.  34,  80  mentova  un  Erma- 


1  La  quäle  del  resto  finora  non  si  e  trovata  che  nell'  ultimo  stile  di  Pompei. 

■  Con  cui  corrisponde  il  rilievo  di  sareofago  Zoega,  Bassir.  II  t.  72:  c  sempre  un 
Pane  caprino  itifallico  che  seuopre  certe  parti  della  figura  giacente.  Si  potrehbe  pensare 
che  anche  qui  si  abbia  a  riconoscere  Hrmafrodito;  ma  gli  attributi  bacchici,  il  connessn 
colle  pitture  precedenti  ed  il  fatto  che  lo  stesso  motivo  fu  anche  adoperato  per  Arianna, 
non  lo  fanno  probabile. 


e  Bacco  Sopra  Cratere  Etrusco.  223 


frodito  celebre  in  bronzo,1  e  che  viveva  nel  secolo  secondo  a.  C.2  —  Se  l'Ana- 
pauomene  di  Aristide  appartenga  qui  o  no,  non  puossi  dire. 

Ma  prima  di  ritornare  ad  Arianna,  voglio  rilevare  che  le  rappresentazioni  di  97 
Baccanti  dormenti  sono  assai  piü  antiche  che  quelle  dei  Satiri  dormenti,  quali 
per  noi  cominciano  soltanto  coli'  arte  statuaria  e  col  noto  Fauno  Barberini,  circo- 
stanza  che  si  spiega  forse  tanto  dal  carattere  delle  donne  piü  inclinate  allo  stan- 
carsi  ed  offrenti  inoltre  il  contrasto  coi  Satiri  lascivi,  quanto  dal  fatto  che  Arianna 
dormente  era  pure  un  tipo  noto  giä  nel  V  secolo. 

II  motivo  proprio  dell'Arianna  della  tazza  cornetana,  cioe  1'  appoggiar  la 
testa  col  braccio  sin.,  non  lo  abbiamo  trovato  fra  le  Baccanti  dormenti,  le  quali 
hanno  per  lo  piü  un  braccio  alzato  sopra  la  testa  (cosi  in  quattro  dei  sei  vasi). 
Rispetto  ai  numerosi  quadri  paretari  che  riuniscono  1'  eroina  dormente  sia  con 
Teseo  sia  con  Bacco,  non  posso  entrare  in  un  esame  dettagliato  dei  motivi; 
ma  voglio  rilevare  il  risultato  principale:  se  prescindiamo  dal  concetto  isolato  di 
una  pittura  recentemente  scoperta  (Bull.  d.  Inst.  1876  p.  223)  e  da  alcune  altre 
che  imitano  la  composizione  anziconsiderata  della  Baccante  sorpresa  e  snudata 
(Helb.  1239  e  1240),  l'Arianna  della  pittura  paretaria  —  e  proprio  nella  serie 
piü  antica  dei  quadri,  cioe  di  quelli  dei  terzo  stile  —  ha  sempre  un  tipo  molto 
tranquillo;  giace  sul  dorso  per  lo  piü  con  ambedue  le  braccia  lungo  i  fianchi  o 
l'uno  messo  sopra  la  testa;  siffatto  tipo  non  ha  relazione  diretta  ne  coi  vasi 
dipinti  ne  —  ciö  che  e  il  piü  importante  —  colla  celebre  statua  vaticana. 
Quest'ultima  secondo  l'opinione  comune  rimonta  ad  un  originale  greco  di  epoca 
assai  buona  (cf.  Friederichs,  Bausteine  p.  369  [Amelung,  Vatican  II,  Taf.  57]);  ma 
ecco  alcuni  dubbi:  se  la  statua  avesse  esistito  prima  delle  nostre  pitture  murali, 
avrebbe  potuto  rimanere  senza  alcuna  influenza  sopra  di  esse?3  e  l'artista  di  98 
quel  nuovo  quadro  (Bull.  1.  c.)  cercando  un  motivo  piü  svariato  e  piü  mosso, 
perche  non  avrebbe  scelto  quello  della  statua?  Appunto  questa  pittura  essendo 

1  Non  conosciamo  dai  monumenti  verun'  altra  rappresentazione  statuaria  d'Ermafrodito 
che  potrebbe  rimontare  ad  un  originale  celebre,  e  perciö  lo  credo  probabile  che  quello 
di  Pöbele  era  dei  tipo  conservato.    [Anders  Furtwängler,  Statuenkopieen  S.  584.] 

2  II  eh.  Urlichs  (Chrestom.  Plin.  p.  328)  e  secondo  lui  il  eh.  Overbeck  (Gesch.  d.  Plast. 
II,  289)  credono  di  dover  intendere  nel  passo  34,  80  il  Policle  dell'ol.  102,  che  fece  la 
statua  di  Alcibiade;  ma  le  loro  ragioni  non  bastano.  Plinio  avendo  34,  52  annoverato 
il  Policle  dell'  ol.  156  fra  i  suoi  contemporanei  riassume  tutti  come  celeberrimi,  dei  quali 
tratta  poi  piü  estesamente,  ed  in  questo  capitolo  si  trova  la  menzione  di  Policle  (§80): 
non  vedo  ragione,  perche  Plinio  non  avesse  potuto  inserir  qui  un  estratto  relativo  al 
capolavoro  molto  lodato  di  quell'  artista,  sebbene  per  caso  sia  il  solo  di  quelli  dell'ol.  156, 
che  egli  trovö  degno  di  menzionare  qui.  L'opinione  dei  eh.  Urlichs  pare  nata  dall' idea 
falsa  che  cioe  anche  quegli  eslratti  in  ordine  alfabetico  siano  presi  da  una  storia  d'arte. 

3  Anche  il  quadro  Heibig  n.  1237  citato  ancora  dal  Mau,  Bull  1876  p.  224  non  ha 
da  fare  niente  colla  statua  ne  nel  panneggio  ne  nel  movimento;  perche  non  solo  il 
braccio  alzato  sopra  la  testa,  ma  la  riunione  di  questo  motivo  con  quello  dei  braccio  sin. 
ripiegato  e  il  caratteristico  distintivo  della  statua. 


224  Arianna  Dormente 


dello  stilo  ultimo  dl  Pompei  e  inostrando  quanta  era  ancora  l'abilitä  degli  artisti 
nd  modlficare  i  niotivi  tradizionali  per  ottenere  maggiore  effetto,  ci  conferma 
nel  trar  la  conclusione  necessaria,  che  cioe  l'invenzione  della  statua  vaticana 
non  rimonti  oltre  la  metä  del  primo  seeolo.  La  conferma  piü  stringente  la  troviamo 
nel  fatto  che  le  rappresentanze  d'Arianna  dormente  in  monumenti  piü  recenti 
delle  pitture  campane  dipendono  quasi  tutte  dalla  statua.  Ripetizioni  perfette  se 
ne  trovano  nel  noto  rilievo  della  villa  Adriana  nel  Vaticano  [Amelung,  Vatican  II, 
Tat'.  53  u.  61]  e  nella  moneta  di  Alessandro  Severo  (Denkm.  a.  K.  II,  417);  ma 
anche  i  sarcofaghi,  per  quanto  io  li  potei  confrontare,  nei  tratti  caratteristici,  cioe 
nella  riunione  del  braccio  sin.  piegato  verso  la  testa  ed  il  destro  rivolto  sopra 
la  testa,  corrispondono  colla  statua.1  Ne  il  lavoro  di  quest'  ultima  con  le  sue 
repliche '  contraddice  alla  mia  opinione,  la  quäle  non  domanda  piü  dall'  artista 
die  di  poter  riunire  due  motivi  delle  braccia  inventati  giä  prima  3  e  di  formare 
il  panneggio  in  modo  pieno  d'effetto.  Abbiamo  dunque*  un  altro  esempio  inte- 
ressante del  fatto  che  gli  artisti  statuari  piü  recenti  prendevano  i  loro  concetti 
anche  dalla  pittura.  L'esempio  piü  analogo  al  nostro,  ma  piü  antico  probabil- 
mente,  e  il  sopradiscusso  Ermafrodito;  esempio  ancora  piü  antico,  ma  meno 
certo,  sarebbe  che  il  noto  cosidetto  Fauno  Prassitelio  sia  trasformato  dal  Satiro 
di  Protogene  [vgl.  Glyptothekskatalog  230;  oben  S.  86]  e  le  Anadiomeni  dalla 
pittura  d'Apelle  [vgl.  oben  S.  201  Anm.  1].  In  tempi  piü  tardi  si  copiavano 
anche  gruppi  interi  dalla  pittura,  come  Bacco  con  Pane  (Nuove  Memor.  d.  Inst.  1. 10, 
Benndorf  ib.  p.  276),  Teseo  coi  fanciulli  dopo  l'uccisione  del  Minotauro  (Gerlach, 
\\  orlitzer  Ant.  I,  5  [Arndt,  Einzelaufnahmen  385]),  Perseo  con  Andromeda  (K. 
F.  Hermann,  Perseus  u.  Androm.  Gott.  1851),  infine  Medea  (Arch.  Ztg.  1875  t.  8) 
<j  Narcisso  (VVieseler,  Narkissos  tav.  10  cf.  Welcker,  Rhein.  Mus.  1854  p.  282). 

II  pensiero  nuovo  che  alcuni5  volevano  vedere  nell'Arianna  vaticana,  non 
pare  potersi  provare.     Si  voleva  cioe  spiegare  il  sonno    di  Arianna   non  per  il 

1  Cf.  l'clenco  dei  sarcofaghi  presso  Stark,  Sachs.  Ber.  1860  p.  26,  fra  i  quali  il  n.  13 
(crroncamente  attribuito  al  Vaticano)  e  il  piü  siinilc  alla  nostra  statua;  gli  altri  per  lo 
piü  tralasciano  il  chitone. 

.nnovcratc  da  Stark  1.  c.  p.  25  e  Dilthcy,  Rhein.  Mus.  XXX  p.  154,  2.  Aggiungo 
alcune  notizie  intorno  la  statua  piü  grandc  del  vero  nel  musco  Torlonia  n.  297  [Museo 
Torlonia  389]  cliiamata  Arianna.  Non  ha  da  fare  colla  statua  vaticana:  e  una  Ninfa  che 
dorme  con  bocca  aperta;  gli  occhi  chiusi  sono  molto  grandi  e  lavorati  con  grande  es- 
pressione;  il  braccio  d.  sta  sopra  la  testa,  il  sin.  e  moderno  come  la  basc  ed  altre  parti 
meno  importanti.  La  statuetta  vaticana  (n.  5  presso  Stark  [Amelung,  Vatican  II,  Taf.  61]) 
<Ii  genuinitä  sospetta. 

•  II  braccio  sin.  sul  monumento  piü  antico,  cioe  la  tazz.i  cornetana,  contiene  giä 
quello  df-U'Arianna  vaticana. 

'  11  ^iusto  accennava  giä  il  cli.  Hclbig,  Unters,  p.  253,  2. 

tptatoOC  accennata  da  Stark  I.  c.  p.  31   cd  altri  e  sviluppata  recentcmcntc  dal  Mau 
nel  Bull.  1876  p.  224. 


e  Bacco  Sopra  Cratero  Etrusco.  225 


solito,  durante  il  quäle  fu  abbandonata  da  Teseo  e  poi  incontrata  da  Bacco,  ma, 
frammettendo  la  scena  del  risvegliarsi,  per  un  secondo  sonno  che  avrebbe  se- 
guito  tanta  fatica  ed  il  quäle  spetterebbe  soltanto  all'  arrivo  di  Bacco.  Ma  cosl 
la  statua  sarebbe  priva  di  quella  chiarezza  che  spicca  negli  occhi  e  rivela  subito 
il  momento  rappresentato,  e  la  quäle  e  necessaria  nell'  arte  statuaria  ancora  piü 
che  non  in  pittura.  Ma  prescindendo  anche  da  ciö  e  pure  dal  fatto  che  il  rilievo 
della  villa  Adriana  nel  Vaticano  riunisce  appunto  il  tipo  della  statua  colla  par-  100 
tenza  di  Teseo,  io  dubito  molto  che  quel  secondo  sonno  non  sia  del  tutto  una 
finzione  moderna.  Nessun  autore  ne  fa  menzione,  sebbene  p.  es.  presso  Catullo 
lo  dovremmo  aspettare;  ma  egli  (od  il  suo  originale  piuttosto)  presceglie  di 
abbandonar  la  tradizione  volgare,  secondo  cui  Arianna  da  Bacco  fu  trovata  dor- 
mente,  e  di  farla  trovar  svegliata  ed  attristata  (64,  251  sgg.).  Interessante  e  poi 
che  l'originale  (qui  senza  dubbio  alessandrino),  dal  quäle  Nonno  prese  la  sua 
descrizione  (47,  265),  non  osa  di  fare  quella  variazione  e  fa  trovare  Arianna  da 
Bacco  ancora  immersa  nel  sonno,  dal  quäle  essa  poi  si  risveglia  e  comincia  a 
lamentarsi  senza  accorgersi  del  tiaso  vicino.1  Nego  dunque  che  gli  antichi  ve- 
dendo  rappresentata  Arianna  dormente  abbiano  mai  distinto  fra  un  primo  ed  un 
secondo  sonno.  Come  abbiamo  veduto  di  sopra,  Arianna  dormente  nel  mo- 
mento tanto  della  partenza  di  Teseo  quanto  dell'  arrivo  di  Bacco  e  un  tipo  creato 
giä  nel  quinto  secolo,  mentre  Arianna  svegliata  che  si  lamenta  e  piange,  nella 
poesia  e  nell'  arte a  appartiene  ai  tempi  alessandrini  forse  piü  recenti  e  certo  non 
poteva  cambiare  il  significato  di  un  tipo  cosi  antico. 

Mi  restano  poche  parole  a   dire  intorno  le  altre  figure  del  nostro   cratere. 
Sopra  Arianna  cammina  Bacco  verso  sin.  rivolgendo  la  testa  verso  d.;  evidente-  101 
mente  egli  non  si  e  ancora  accorto  della  bella  dormente  ed  i  suoi  passi  accelerati 


1  Questa  e  la  situazione  nella  pittura  Heibig  n.  1234,  la  quäle  riunisce  l'Arianna 
svegliata  con  Bacco  dietro  di  essa. 

2  Fra  i  monumenti  conservati  finora  non  si  trova  prima  del  quarto  ossia  ultimo 
periodo  della  pittura  murale  pompeiana.  —  La  figura  nella  Nekyia  di  Polignoto  non  rap- 
presentava  questo  momento  dello  svegliarsi,  ma  in  generale  Arianna  sedente  sola  sopra 
una  roccia,  cioe  l'isola  ove  fu  abbandonata.  —  La  bella  statua  di  Dresda  colle  sue  repliche 
(Stark  1.  c  p.  28  [Friederichs-Wolters  1576])  viene  spiegata  generalmente  per  Arianna 
svegliata  ed  attristata;  ma  non  e  per  niente  sicura  siffatta  spiegazione.  Giacche  il  musaico 
di  Salzburgo  (presso  Creuzer,  Symb.  Atl.  t.  55)  che  serve  d'appoggio  a  quell'  opinione 
(difesa  anche  dal  Jahn,  Arch.  Beitr.  p.  282)  non  prova  nulla,  offrendo  un  motivo  essenzial- 
mente  diverso:  la  figura  rispettiva  invece  di  mettere  una  gamba  un  po'  piü  in  alto  che 
1'  altra.  incrocia  le  gambe;  ne  differisce  meno  la  posizione  delle  braccia.  Infine  la  figura 
del  musaico  non  e  nemmeno  un'Arianna  sicura,  ma  forse  rappresenta  l'isola  di  Creta. 
Ma  l'analogia  per  la  statua  che  manca  nel  musaico,  la  troviamo  in  modo  stringente  in 
un  sarcofago  di  Marsia  (Mon.  d.  Inst.  VI  18  [Robert,  Sarkophagreliefs  III,  2  Taf.  64]),  ove 
la  figura  corrispondente  siede  in  mezzo  fra  i  due  litiganti  e  secondo  ogni  probabilitä 
rappresenta  la  ninfa  Aulocrene:  e  ad  una  Ninfa  della  specie  piü  nobile  corrispondono 
bene  tutti  i  concetti  di  codesto  tipo  statuario.   [Oesterr.  Jahresh.  X  S.  318.] 

A.  Furtwängler.   Kleine  Schriften  I.  15 


226  Arianna  Dormente  e  Bacco  Sopra  Cratero  Etrusco. 


non  tendono  a  raggiungere  Arianna  ma  sono  l'espressione  del  generale  furore 
bacchico.  Si  vede  che  questo  concetto  e  poco  conveniente  al  momento  rap- 
presentato  nel  nostro  quadro;  ed  in  fatto  esso  non  e  creato  per  il  medesimo 
ma  copiato  altrove.  Per  caso  quel  cratere  attico  genuino  sopramentovato  dello 
stesso  scavo  (Bull.  1873  p.  122)  ci  offre  nella  figura  principale  di  Bacco  un  ori- 
ginale quäle  poteva  servir  per  la  nostra;  il  movimento  e  lo  stesso,  ben  adatto 
perö  nella  rappresentanza  di  un  komos  sul  vaso  attico;  anche  il  chitone,  e  perfino 
lo  scettro  non  solito  in  mano  di  Bacco  trova  qui  il  suo  originale.  Intorno  alle 
aggiunte  dell'  artista  etrusco,  specialmente  alla  barba,  abbiamo  parlato  sopra. 
—  A  sin.  di  Bacco  cammina  verso  cL,  una  Baccante  con  un  passo  ancora  piü 
rapido,  rivolgendo  anch'essa  la  testa,  come  risulta  dalle  poche  traccie  conservate. 
Anche  questa  figura  e  presa  da  altri  vasi  bacchici;  occorre  p.  es.  quasi  identica 
(se  non  che  il  braccio  d.  vi  e  alzato)  e  sul  medesimo  posto  nella  composizione 
dell'  oenochoe  attica  di  Cervetri  sopra  mentovata.  —  Corrisponde  a  d.  di  Bacco 
102  un  Satiro  barbato  con  canestro  di  frutta.1  Se  la  combinazione  del  tutto  esterna 
e  superficiale  di  queste  tre  figure  con  Arianna  dormente  debbasi  soltanto  all'  artista 
di  questo  vaso,  o  invece  all'  originale  di  esso  —  pensando  ad  originale  cosi 
trascurati  come  quel  cratere  nei  Mon.  d.  Inst.  X,  3  [Würzburg]  —  e  una  questione 
che  per  ora  debbo  lasciar  indecisa. 

La  Baccante  dell'  ordine  inferiore  a  d.  di  aspetto  dignitoso,  tenendo  il  timpano 
sospeso  dalla  mano  d.,  insieme  col  Satiro  a  sin.,  che  tiene  il  timpano  nella 
stessa  guisa,  paiono  i  soli  che  osservino  la  bella  addormentata;  l'ultimo  altresi 
pare  d'aver  toccato  colla  mano  d.  la  di  lei  testa  disgraziatamente  perduta.  La 
Baccante  dietro  di  lui  col  canestro,  il  coperchio  del  quäle  e  rimarcabile,  guarda 
dall'  altra  parte  un  po'  in  giü,  senza  che  se  ne  possa  vedere  il  motivo.  Le  figure 
che  restano  nell'  ordine  superiore,  sono  aggiunte  per  riempir  lo  spazio  e  sono 
prive  ancora  piü  delle  altre  di  un  connesso  essenziale  colla  rappresentazione 
principale.  Noto  soltanto  il  gran  ventaglio  in  mano  della  donna  a  d.  che  nella 
stessa  forma  occorre  non  di  rado  nelle  pitture  vascolari  piü  recenti,  mentre  il 
ventaglio  a  foglia  non  si  trova  mai  in  vasi  dipinti  ed  apparisce  soltanto  con 
quelle  figurine  di  terracotta  che  anche  per  altre  ragioni  si  dimostrano  come  piü 
recenti  della  pittura  vascolare,  e  poi  nelle  pitture  murali  campane.  —  Infine 
all'  estremitä  destra  del  quadro  e  sopra  il  manico  siede  su  di  un  panneggio  Amore 
come  giovane  con  ali  lunghissime  e  coi  capelli  ricchi  ma  maschili,  com'e  il  co- 
stume  nei  vasi  attici;  anche  egli  e  coronato  d'  ellera  come  compagno  del  tiaso 
bacchico;  ma  qui  la  sua  presenza  e  cagionata  non  meno  dal  carattere  erotico 
della  scena  rappresentata. 

1  II  suo  piede  d.  c  discynato  sopra  qucllo  bianco  di  Arianna. 


AUS  DER  UMGEBUNG  OLYMPIAS 

(LITERARISCHE  BEILAGE  DER  KARLSRUHER  ZEITUNG 
VOM  8.  UND  15.  FEBRUAR  1880) 


eber  Olympia,  als  einem  antiken  Kulturzentrum  und  internationalen  Fest-  41 
platze  der  alten  Welt,  mag  man  leicht  die  Umgebung  vergessen,  inner- 
halb deren  es  steht  und  geworden  ist.  Und  doch  darf  diese  nicht 
geringes  Interesse  beanspruchen;  jetzt  noch  wenig  bekannt,  wird  sie  in  Zukunft 
auch  häufiger  besucht  werden;  namentlich  wenn,  wie  es  den  Anschein  hat,  in 
der  Tat  der  größte  Teil  der  Funde  in  einem  Lokalmuseum  am  Orte  selbst  be- 
lassen werden  sollte,  statt  nach  Athen  gebracht  zu  werden,  wie  es  das  Interesse 
der  Wissenschaft  verlangt. 

Die  Lage  Olympias  selbst  ist  bedeutend,  indem  sie  abgeschlossen  ist  und 
gleichsam  einen  Ruhepunkt  bietet  im  wechselvollen  Tale  des  Alpheios.  Es  ist 
die  Stelle,  wo  der  muntere  Bach  Kladeos  den  Alpheios  erreicht.  Da,  wo  die 
beiden  Täler  —  in  fast  rechtem  Winkel  —  zusammenstoßen,  erhebt  sich  der 
spitze  Hügel  des  Kronion,  an  dessen  Fuße  sich  der  heilige  Bezirk  ausbreitet. 
Hier  unten  reicht  der  Blick,  das  Alpheiostal  abwärts,  nicht  weiter  als  eine  halbe 
Stunde  bis  dahin,  wo  der  Fluß,  von  Hügeln  eingeengt,  eine  Biegung  macht,  um 
dann,  für  immer  die  Berge  verlassend,  seinem  Ziele,  dem  Meere,  zuzueilen. 
Flußaufwärts  wird  das  Bild  ebenfalls  bald  abgeschlossen  durch  den  spitzen  grünen 
Berg,  von  dessen  Gipfel  einst  die  alte  Stadt  Phrixa  auf  Olympia  herabsah;  da- 
hinter ein  Stückchen  vom  breiten  Rücken  des  nackten  felsigen  Hochgebirges 
Arkadiens.  Mit  Ausnahme  hievon  ist  der  Blick  überall  eingeschlossen  von  nahen 
sanften  Höhen,  deren  weicher  Sandboden  von  niedern  Pinien  dicht  bewachsen 
ist.  Ein  ganz  anderes  Bild  zeigt  sich  schon  auf  dem  Berge  von  Druva,  wo  das 
deutsche  Haus  steht.  Hier  tritt  allenthalben  das  Hochgebirge  hinter  den  Vor- 
bergen heraus  und  hebt  die  stille  Ruhe  des  Abgeschlossenen  auf.  Am  mannig- 
faltigsten ist  der  Blick  auf  den  langen  dunkeln  Gebirgszug,  der  hinter  dem  jen- 
seitigen Alpheiosufer  sich  westlich  bis  zum  Meer  herabsenkt;  es  sind  die  Triphy- 
lischen  Berge.  An  ihrem  letzten  Ausläufer  gegen  das  Meer  unterscheidet  man  im 
Morgenlichte  deutlich  einen  grauen  Steinring;  es  sind  die  Mauern  von  Samikon. 

Um  eine  kleine  Probe  dessen  zu  geben,  was  die  an  Olympia  nächst  an- 
grenzenden Gegenden  bieten,  will  ich  mit  einem  Ausfluge  an  die  zuletzt  genannte 

Stätte  beginnen. 

15* 


228  Aus  der  Umgebung  Olympias. 


So  leicht  ist  es  hier  freilich  nicht,  seiner  Reiselust  zu  folgen;  denn  die  Ver- 
kehrsmittel sind  bis  jetzt  leider  gerade  für  die  interessanteren  Gegenden  auf 
eminent  primitiver  Stufe.  Um  nach  Triphylien  zu  gelangen,  muß  zunächst  der 
Alpheios  überschritten  werden.  Die  Barke,  die  nahe  bei  Olympia  nach  den 
jenseitigen  Dörfern  zu  führen  pflegte,  war  durch  die  außergewöhnlich  starken 
Regengüsse  des  vergangenen  Winters  zerstört,  und  da  nur  die  Bewohner  der 
Ionischen  Inseln  hier  eine  Barke  zu  machen  verstehen,  so  ist  eine  neue  nicht  so 
schnell  beschafft.  Wir  mußten  also  zwei  Stunden  flußabwärts  reiten,  um  eine  dort 
befindliche  Fähre  zu  benutzen.  Mit  großen  Stangen  wird  die  Barke  über  die  starke 
Strömung  getrieben,  was  einen  Kraftaufwand  erfordert,  wie  ihn  eben  nur  solche 
riesenstarke  Gesellen,  wie  unsere  beiden  Fährleute,  zu  leisten  vermögen.  Sie 
werden  dafür  von  jeder  Person  mit  einem  Franken  bezahlt;  sie  müssen  freilich 
auch  einen  hohen  Pachtzins  zahlen  an  die  Kirche;  denn  diese  ist  Besitzerin  der 
Flußbarken,  ganz  wie  in  alten  Zeiten  die  Verkehrsmittel  in  erster  Linie  auch  in 
den  Händen  der  Tempel  lagen.  Drüben  ging  es  nun  über  grüne  Hügel  weg  voll 
Weinpflanzungen  und  Feigenbäumen;  endlich  durch  einen  felsigen  Engpaß  hinab 
gegen  das  Meeresufer,  dessen  erfrischenden  Wind  wir  nach  Olympias  schlaffer 
Luft  mit  Freuden  begrüßten. 

Hier  liegt  das  ansehnliche  Städtchen  Agulenitza  am  Anfange  der  langen, 
dem  Meeresufer  parallel  sich  nach  Süden  erstreckenden  Lagune,  die  wegen  ihres 
Reichtums  an  Fischen  und  wilden  Enten  berühmt  ist.  Es  ist  hier  einer  der  frucht- 
barsten Plätze  Griechenlands;  die  Orangen  gedeihen  zu  seltener  Güte  und  waren 
gerade  damals  (März)  in  der  schönsten  Reife.  Der  Lagune  entlang  reihen  sich 
fast  ununterbrochen  Landgüter,  ein  in  Griechenland  sehr  seltener  Anblick.  Die 
Aussicht  ist  ebenso  reizend  rechts  auf  den  See  voll  grüner  Inseln  als  links  auf 
die  Hügel,  wo  die  großen  gelben  Ginsterbüsche  schon  Ende  März  in  Blüte 
standen;  dazwischen  die  kräftigen  hohen  Pinien,  die  hier  in  dieser  Gegend,  wie 
ich  es  jedoch  anderwärts  nirgends  in  Griechenland  gesehen  habe,  der  schönen 
aus  Italien  jedermann  bekannten  Gattung  angehören,  deren  große  astlose  Stämme 
sich  erst  ganz  oben  zu  einer  mächtigen  Krone  ausbreiten.  —  Es  hat  aber  auch 
die  ganze  Küste  hier  einen  weniger  griechischen,  als  mehr  italienischen  Charakter, 
jedenfalls  steht  sie  in  lebhaftem  Gegensatze  zu  der  Ostküste  Griechenlands,  wo 
die  kahlen  Berge  fast  überall  an  das  Ufer  reichen. 

In  der  Ferne,  am  Ende  des  Sees,  springt  ein  spitzer  Berg  gegen  das  Meer 
er  trägt  die  alte  Veste  Samikon.  Kurz  bevor  wir  ihn  erreichten,  begegnete 
uns  eine  Schar  von  Frauen,  die,  große  Blumensträuße  in  der  Hand,  mit  schweren 
Säcken  auf  dem  Rücken  beladen,  des  Weges  zogen.  Sie  boten  sich  uns  an, 
ein  Lied  zu  singen;  es  war  ein  einfacher  Glück-  und  Segenswunsch  für  den 
Wanderer;  sie  sangen  es,  ohne  die  drückende  Last  nur  etwas  abzustellen.  Freilich 
braucht   der  Grieche   zum  G  auch    wenig  die  Brust,    es  wird  alles  durch 

die  gesungen. 


Aus  der  Umgebung  Olympias.  229 


Die  alte  Stadt  Samikon,  auch  Makistos  genannt,  erstreckte  sich,  wie  man 
nun  erkannte,  von  den  beiden  Gipfeln  des  steilen  Hügels  am  Abhänge  herab. 
Die  hohen  Mauern,  die  sie  einst  umgaben,  haben  sich  indeß  nur  an  der  obern 
Hälfte  der  Stadt  vortrefflich  erhalten,  den  Rand  der  felsigen  Höhe  umkränzend.  42 
Nach  dem  Strande  und  der  Ebene  zu  ist  der  Hügel  nicht  steil;  doch  vom  Ge- 
birge ist  er  durch  eine  tiefe  Talschlucht  getrennt,  wo  die  roten  Kalkfelsen  in 
steilen  Wänden  abfallen.  Am  Burgfelsen  selbst  grünt  auch  zwischen  den  zer- 
klüfteten Felsnadeln  überall  dunkles,  stachliges  Eichengestrüpp.  Wir  mußten  die 
Pferde  unten  lassen  und  uns  zu  Fuße  durcharbeiten.  Kaum  weniger  felsig  ist 
aber  das  Innere  der  Burg,  dazu  von  mannshoch  aufgeschossenen,  gelb  blühen- 
den Gewächsen  dicht  bedeckt.  Weiter  nach  unten  verhindern  Gesträuch  und 
Bäume,  ja  gestürzte  Eichen  den  Weg;  denn  wo  immer  ja  in  Griechenland  noch 
Wald  geblieben  ist,  sieht  man  auch  gestürzte,  nutzlos  verfaulende  Stämme, 
höchstens  von  Hirtenfeuern  etwas  angebrannt. 

Die  Mauern  gehören  zu  den  besterhaltenen  in  Griechenland  und  sind  aus 
großen  polygonen  Kalkstein-Blöcken  gefügt,  doch  bereits  so,  daß  ungefähr  regel- 
mäßige horizontale  Schichten  entstehen.  Die  Burg  gehört  indeß  noch  jener  alten 
Periode  an,  die  keine  eigentlichen  Türme  kennt  und  dieselben  ersetzt  durch  vor- 
springende Verstärkungen  der  in  zahlreichen  Ecken  dem  Bergrande  folgenden 
Mauer.  Am  interessantesten  ist  hierin  ein  Punkt  an  der  dem  Meere  zugewendeten 
Burgseite,  wo  ein  gewaltiger  Mauerklotz  vorspringt,  um  eines  der  Tore  zu 
schützen,  ähnlich  wie  dies  beim  Löwentore  in  Mykene  der  Fall  ist.  Doch  hat 
der  Eintretende  hier,  abweichend  von  dort  und  von  der  Regel,  den  Turm  nicht 
auf  der  vom  Schilde  ungedeckten  rechten,  sondern  auf  der  linken  Seite.  Be- 
merkenswert ist  indeß  an  diesem  Mauervorsprunge  noch,  daß  er  mit  seinem 
untern  Teile  schräg  ansteigt  und  darauf  erst  die  vertikale  obere  Hälfte  sitzt. 
Diese  praktische  Konstruktionsweise  ist  gleichwohl  sonst  in  dem  antiken  Festungs- 
bau fast  gar  nicht  in  Anwendung  gekommen,  um  erst  in  nachrömischer  Zeit  in 
größerm  Umfange  wieder  aufzutreten.  Die  erhaltenen  Tore  sind  alle  außer- 
gewöhnlich eng  und  eigentlich  nur  kleine  Pförtchen  zu  nennen,  außen  von  0,54, 
innen  in  der  Mitte  aber  gar  nur  von  0,35  m  Breite,  so  daß  man  sich  förmlich 
durchwinden  muß.  Die  Mauerstärke  beträgt  2,56—60  m,  was  nach  der  neuesten 
Feststellung  des  olympischen  Maßes  acht  olympische  Fuß  ausmacht. 

Die  Aussicht  auf  die  Lagune  unten  mit  ihren  zahllosen  grünen  Inseln  und 
das  weite,  glänzende  Meer  dahinter,  die  frische,  reine  Seeluft  und  die  feste,  den 
Zugang  von  Süden  beherrschende  Lage  lassen  die  einstigen  Einwohner  dieser 
Stadt  beneidenswert  erscheinen.  Gleichwohl  sind  hier  keine  Spuren  einer  mittel- 
alterlichen oder  neueren  Niederlassung;  nur  unten  an  der  Paßstraße,  wo  dieselbe, 
sich  zwischen  dem  Meere  und  den  Bergen  hinziehend,  das  Lagunengebiet  betritt, 
ist  ein  kleines  mittelalterliches  Fort.  —  Hier  unten  am  Meere  lag  einst  auch  ein 
gefeiertes  Poseidonheiligtum,  kein  Tempel,  nur  ein  Hain  von  wilden  Ölbäumen, 


2  jo  Aus  der  Umgebung  Olympias. 


deren  struppige,  kleinblättrige  Stämme  man  hier  allenthalben  sieht.  Auch  die 
Altis  zu  Olympia  war  ja  erst  nichts  anderes  als  ein  solcher  Hain,  bis  der  älteste 
Tempel,  das  1  teraion,  dort  gegründet  wurde,  und  zwar  von  den  Bewohnern  der- 
jenigen Stadt,  deren  Lage  wir  jetzt  aufsuchen  wollen,  von  Skillus;  dies  war  in 
ältester  Zeit  nach  Pisa  die  nächste  Stadt  bei  Olympia;  diese  beiden  wurden  indeß 
schon  sehr  früh  von  den  Eleiern  zerstört,  und  Pisa  lebte  gar  nicht,  Skillus  erst 
zu  Anfang  des  vierten  Jahrhunderts   durch  die  Lakedämonier  wieder  etwas  auf. 

Von  den  Landhäusern  bei  Samikon  führt  ein  gegenwärtig  noch  in  Arbeit 
begriffener  breiter  Weg  durch  stattliche  Pinienwälder  nach  dem  großen  Dorfe 
Krestena  in  einem  durch  Korinthenbau  reichen  Tale  eines  kleinen  Nebenflusses 
des  Alpheios,  in  dem  man  richtig  den  alten  Selinus  erkannt  hat.  Wendet  man 
sich  flußabwärts,  so  gelangt  man  nach  einer  halben  Stunde  da,  wo  der  Fluß  in 
einem  Knieeck  sich  nach  Norden  wendet,  zu  einem  isolierten  Hügel,  dessen  Gestalt 
und  Lage  sofort  eine  antike  Akropolis  verrät.  Zufälligerweise  scheint  jedoch  noch 
niemand  bisher  auf  diese  Stelle  aufmerksam  geworden  zu  sein.  Es  ist  die  gesuchte 
Stätte  von  Skillus  [vgl.  Olympia  I  S.  10].  Der  niedrige,  oben  flache  Hügel  erhebt  sich 
oberhalb  des  Flusses,  der  hier  eine  Mühle  treibt,  und  erstreckt  sich  von  Norden 
nach  Süden.  An  der  Nordostseite  fällt  er  in  steilen  Kalkfelsen  ab.  Teilweise  scheinen 
die  Felsstücke  künstlich  geordnet  zu  sein.  Auf  der  Höhe  ist  von  einigen  riesigen 
Blöcken  eine  ebene  Terrasse  gebildet,  auf  der  sich  wohl  einst  ein  Gebäude  erhob. 
Sicherer  noch,  als  durch  diese  geringen  Reste,  die  auf  die  älteste  Periode  der 
Stadt  zurückgehen  mögen,  erkennen  wir  die  antike  Niederlassung  durch  die  zahl- 
reichen Tonscherben,  die  unten  von  den  Bauern  auf  Haufen  zusammengeworfen 
sind;  sie  gehörten  der  zweiten  Periode  der  Stadt,  ihrer  Wiederbesiedelung  durch 
die  Lakedämonier  an.  Es  sind  meist  schwarz  gefirnißte  Ziegel,  wie  sie  in  Athen 
und  Olympia  der  gutgriechischen  Zeit  angehören;  auch  Gefäßfragmente  mit 
schwarzem  Firniß  aus  dem  vierten  oder  dritten  Jahrhundert  vor  Christus. 

In  unmittelbarer  Nähe  steht  noch  ein  herrlicher  Pinienwald  von  der  schönsten 
hochstämmigen  Art  —  vielleicht  noch  aus  der  Pflege  des  Xenophon,  der,  von  Athen 
verbannt,  hier  sein  Leben  in  Ruhe  beschloß,  wo  ihm  die  Lakedämonier  festen 
Wohnsitz  gegeben  hatten.  —  Gleichwohl  muß  auch  dieses  Tal  sich  seit  Xeno- 
phons  Zeiten  beträchtlich  verändert  haben  durch  teilweise  Entwaldung;  denn  der 
alte  Wildreichtum  ist  geschwunden  und  die  Talsohle  reich  mit  Korinthen  be- 
pflanzt; der  wasserreiche  Bach  wird  an  mehreren  Stellen  zu  Mühlen  benutzt. 
Von  seinem  Reichtum  an  Fischen,  den  das  Altertum  rühmt,  wissen  indeß  wenigstens 
die  heutigen  Umwohner  nichts;  wobei  man  freilich  zu  bedenken  hat,  daß  die 
modernen  Griechen  überhaupt  so  gut  wie  gar  nicht  fischen;  selbst  am  Meere 
sind  es  fast  nur  Italiener,  die  dies  tun.  —  Daß  der  Fluß  einen  großen  Teil  seiner 
Umgebung  versumpft,  die  nun  von  hohen  Rohrgewächsen  bestanden  ist,  mag 
auch  im  Altertum  der  Fall  gewesen  sein;  wenigstens  ist  gerade  dieser  Umstand 
sehr  passend   für   die  Anlage   eines  Artemis-Heiligtums.     Hier  am  untern  Laufe 


Aus  der  Umgebung  Olympias.  231 


des  Selinus,  nördlich  von  Skillus,  müssen  wir  uns  den  großen  Park  denken,  den 
Xenophon  für  die  Ephesische  Artemis  gekauft  und  ihr  geweiht  hatte;  der  kleine 
Tempel  mit  dem  Schnitzbilde  der  Göttin  darin  war  ganz  dem  Vorbilde  in  Ephesos 
nachgeahmt;  in  den  bewaldeten  Hügeln  der  Umgebung  ward  die  Göttin  durch 
Jagd  gefeiert.  Der  üppige  Wiesengrund,  den  Xenophon  rühmt,  ist  jetzt  noch 
hier  am  Ausgange  des  Selinustales  erhalten;  von  hier  ist  offenbar  auch  die  An- 
gabe der  Entfernung  vom  Olympischen  Zeustempel  bei  Xenophon  auf  20  Stadien, 
d.  h.  eine  kleine  Wegstunde  gerechnet.1 

Andere  interessante  Stätten  berührte  ich  auf  einem  Ausfluge  zu  Ostern  dieses 
Jahres;  er  führt  uns  zunächst  aufwärts  im  Flußtale  des  Alpheios.  —  Es  war 
Karfreitag  und  die  Sonne  brannte  bereits  recht  kräftig,  als  wir  aufbrachen;  wir 
waren  Zweie  und  ohne  Führer,  was  zwar  viel  Angenehmes  hatte,  aber  sich  doch 
manchmal  rächen  sollte.  Wir  ritten  nun,  die  Pferde  mit  Essen  für  mehrere  Tage 
wohl  bepackt,  aufwärts,  dem  Flusse  entlang,  der  hier  von  mäßigen,  pinien- 
bewachsenen Höhen  umsäumt  wird.  Alle  Felder  waren  dicht  von  dem  hoch- 
aufgeschossenen, weißviolett  blühenden  Asphodelos  bedeckt  (jetzt  von  den  Griechen 
„sphendükli"  genannt).  So  dachte  sich  Homer  die  Wiesen  der  Unterwelt  be- 
wachsen, und  man  versteht  dies  wohl  bei  der  fahlen  Farbe  der  Blüten  und  den 
dunkeln  langen  Blätterbüscheln;  namentlich,  da  diese  Felder  in  der  Regel  allein 
diese  und  keine  anderen  Blumen  und  kein  frisches  Gras  tragen.  In  angenehmem 
Gegensatze  standen  rechts  die  zahlreichen  kleinen  Inseln  des  Alpheios,  die,  im 
Winter  meist  überschwemmt,  jetzt  ein  dichtes,  frischgrünes  Platanengebüsch 
zeigten.  Es  begegneten  uns  Kinder  und  Weiber,  die  mühsam  auf  dem  Rücken 
Reisig  einherschleppten  —  die  Männer  saßen  im  Cham'  (Wirtshause)  an  der 
Straße  und  feierten  den  Tag  mit  Kartenspiel. 

Bald  ward  das  Tal  enger  und  die  Berge  höher;  schon  sah  man  drüben  am  43 
felsigen  Gebirge  Triphyliens  das  nächste  Ziel  unserer  Reise,  die  Felsburg  von 
Platianä.  Aber  der  Fluß  war  hier  nicht  zu  überschreiten.  Eine  Barke  existierte 
nicht  in  der  Gegend  und  es  war  wenig  ermunternd,  einen  Haufen  Leute  am 
Wasser  sich  abmühen  zu  sehen,  um  die  Ladung  eines  Pferdes  zu  retten,  das 
mit  dem  Reiter  hier  eben  im  Flusse  gestürzt  war.  Um  den  Übergang  zu  er- 
möglichen, mußten  wir,  das  Ufer  verlassend,  noch  ein  paar  Stunden  an  steiler 
Berglehne  entlang  reiten,  bis  zur  Grenze  von  Elis  und  Arkadien,  wo  der  Grab- 
hügel des  ersten  olympischen  Siegers,  des  Koröbos,  noch  heute  steht  und  wo 
die  Hauptflüsse  Arkadiens  und  des  Peloponneses  zusammentreffen.  Wir  über- 
schritten glücklich  erst  den  Erymanthos,  dann  in  vielen  Armen  den  Ladon  und 
endlich  den  nun  ungefährlichen  Alpheios.  Drüben  verloren  wir  zwar  bald  den  Weg, 
gelangten  aber  auf  eine  freie  Höhe,   die  uns  durch  einen  prächtigen  Rundblick 


1  Xenophon  Anab.  V.  3,u  ff.    Die  Angabe   ist   nicht   auf  Skillus,   sondern   auf   die 
Anlage  des  Artemis-Heiligtums  zu  beziehen. 


Aus  der  Umgebung  Olympias. 

lohnte.  Das  ganze  Dreistromgebiet,  das  wir  durchritten  und  das  unten  wenig 
Übersicht  und  wenig  Reize  bot,  lag  jetzt  klar  vor  uns  und  gleichsam  motiviert 
und  vorständlich  gemacht  durch  das  dahinter  allmählich  sich  aufbauende  Hoch- 
gebirge. Ein  alter  Hirte  brachte  uns  wieder  auf  den  richtigen  Pfad,  der  nun 
durch  ein  reizendes  Tal  aufwärts  führte;  rechts  steile,  von  Pinien  bewachsene 
Abhänge,  im  Rücken  der  Blick  gerade  auf  das  noch  schneebedeckte  Erymanthos- 
gebirge.  Eine  mittelalterliche  Ruine  auf  einem  Hügel  und  eine  große,  ziemlich 
wohl  erhaltene  (türkische?)  Brücke  über  den  Bach  deuteten  auch  hier  auf  eine 
vergangene  höhere  Kultur  des  vereinsamten  Tales.  Der  Pfad  führt  heute  nicht 
mehr  über  die  Brücke,  sondern  abseits  durch  den  Bach. 

Der  Weg  steigt,  man  erblickt  in  der  Ferne  auch  die  schneeige  Spitze  des 
Kyllenegebirges.  Im  Walde  holte  mich  ein  junger  Bursche  ein  und  geleitete 
mich  bis  zum  Dorfe.  Er  war  von  großer  Gesprächigkeit  und  Naivität.  Als  er 
von  mir  hörte,  daß  ich  nicht  aus  der  Gegend  sei  und  eigentlich  eine  andere 
Sprache  spreche,  meinte  er,  es  werde  also  wohl  Albanesisch  sein  —  von  einer 
andern  nicht-griechischen  Sprache  hatte  er  keine  Ahnung.  Große  Heiterkeit  er- 
regte es  gar  bei  ihm,  als  ich  meinem  zurückgebliebenen  Gefährten  mich  durch 
Ruf  bemerklich  zu  machen  suchte.  Er  konnte  durchaus  nicht  verstehen,  warum 
ich  ihn  nicht  bei  seinem  Namen  rufe.  Die  Griechen  sind  übrigens  vorzügliche 
Rufer;  sie  verständigen  sich  auf  merkwürdig  weite  Entfernungen  völlig  deutlich 
in  längeren  Sätzen. 

Das  Dorf  (Platianä)  ergab  sich  leider  als  nur  aus  ärmlichen  Hütten  bestehend. 
Wir  waren  zwar  sofort  von  Männern  und  Weibern  umringt,  die  uns  neugierig 
begafften;  aber  keine  Hand  rührte  sich,  um  uns  beim  Absatteln  der  Pferde  zu 
helfen;  es  war  ihnen  etwas  zu  Ungewöhnliches,  daß  Fremde  zu  Pferde  ohne 
vermittelnden  Führer  ankamen;  auch  die  fremdartigen  Sättel  mochten  ihr  Erstaunen 
erwecken.  Denn  böswillig  sind  die  Leute  eigentlich  nirgends  in  Griechenland 
und  man  fühlt  sich  auch  in  dem  verkommensten  Dorfe  viel  sicherer  und  gemüt- 
licher als  etwa  in  den  Dörfern  Mittel-  und  Unteritaliens.  Einen  Gastfreund  findet 
man  immer,  der  sein  Haus  und  was  er  hat  zur  Verfügung  stellt.  Nur  in  ganz 
albanesischen  Dörfern  trifft  man  manchmal  finstre  Mienen  und  gleichgiltig  grobes 
Verweigern. 

Am   Abend   dieses  Karfreitags    sahen   wir   noch   ein   seltsames   Schauspiel. 

.trömte  alles  zur  Kirche,  auch  unser  Gastfreund  verschloß  das  Haus  und  wir 
mußten  mit.  Die  Kirche  lag  über  dem  Dorfe  am  felsigen  Abhang;  sie  war  ge- 
drängt voll.  Der  Eingang  war  an  der  einen  Langseite  und  der  Innenraum  durch 
einen  Bretterverschlag  der  Quere  nach  in  zwei  ungleiche  Teile  geschieden;  in 
dem  kleinem  hintern  waren  die  Frauen  und  Kinder  zusammengedrängt;  sie  mußten 
stehen,  während  die  Männer  im  Mittelraume  zum  Teil  auf  hohen  Stühlen  an  der 
Wand  saßen.  In  der  Mitte  dieses  Raumes  stand  eine  Bahre  mit  einem  Baldachin 
aus    hölzernen    Rundbogen,    ganz    überdeckt    mit    jenen    prächtigen    feuerroten 


Aus  der  Umgebung  Olympias.  233 


Anemonen,  wie  sie  das  griechische  Frühjahr  in  Menge  bringt.  Auf  der  Bahre 
lag  ein  hölzernes  häßliches  Kruzifix,  das  nach  längerm  Singen  und  Beten  weg- 
genommen und  entfernt  wurde,  als  Zeichen  für  den  Tod  Christi.  Nun  wurde 
die  Bahre  von  vier  Männern  über  den  geöffneten  Eingang  emporgehoben  und 
die  ganze  Gemeinde  begab  sich  je  zu  zweien  ins  Freie;  ein  jeder  mußte,  sich 
bückend,  unter  der  Bahre  durchschreiten.  Dies  ging  nicht  ab  ohne  mancherlei 
Scherze,  wie  man  denn  überhaupt  bei  den  Griechen  feierliche  Handlungen  ohne 
Intermezzos,  die  nach  unsern  Begriffen  Störungen  sind,  gar  nicht  zu  sehen  be- 
kommt; bei  einer  Trauung  in  einer  Kirche  z.  B.  sah  ich  einmal  Kinder  ruhig  ihr 
Spiel  treiben  mitten  im  feierlichen  Kreise;  das  heilige  Brod  in  der  Kirche  wird 
ungefähr  ebenso  verteilt,  wie  es  draußen  im  Bäckerladen  geschieht.  Diese  bequeme 
Formlosigkeit,  die  ein  straffes  Sichzusammennehmen  nicht  kennt  und  die  alles 
mit  jenem  Lieblingsworte  der  Griechen  mit  „dhen  pirasi",  d.  h.  „es  macht  nichts", 
entschuldigt,  sie  durchdringt  die  ganze  griechische  Gesellschaft.  Sie  hat  freilich 
auch  wieder  das  Angenehme  im  Gefolge,  daß  es  ein  steifes  Abschließen  einzelner 
Kreise  nicht  gibt,  daß  Titel  gar  nichts  gelten  und  Hoch  und  Nieder  auf  einem 
fast  gleichen  Fuße  verkehren.  Im  Altertum  scheint  es  übrigens  nicht  viel  anders 
gewesen  zu  sein. 

Gleichwohl  war  die  oben  geschilderte  Szene  wohl  geeignet,  einen  tiefern 
Eindruck  zu  machen.  Ich  stand  abseits  im  Dunkel;  der  Himmel  war  bewölkt 
und  finster;  dreimal  zogen  die  Leute  um  die  Kirche,  dann  ging's  wieder  unter 
der  Bahre  durch  ins  Innere.  Die  Gesichter  der  kräftigen  Männer,  von  den  flackern- 
den Kerzen  erleuchtet,  die  sie  in  den  Händen  trugen,  Typen  der  echtgriechischen 
Art,  mit  vollen  schwarzen  Barten  und  zum  Teil  mit  langen  lockigen  Haaren, 
erinnerten,  zusammen  mit  der  Einsamkeit  des  kleinen  Dorfes,  gewaltig  an  die 
Macht  des  Christentums,  das  an  diesem  Tage  über  so  zahllos  verschiedene  und 
sich  fremde  Elemente  triumphiert  durch  den  gleichen  Glauben  an  den  Gekreuzigten. 
—  Auch  für  den  Maler  wären  derartige  Szenen  gewiß  fruchtbar,  wie  man  über- 
haupt schwerlich  irgendwo  mehr  interessante  und  zugleich  wirklich  schöne  Männer- 
typen finden  kann  als  in  Griechenland;  dazu  das  Seltsame  der  Nationaltracht, 
die  nur  allmählich  in  den  größern  Städten  der  europäischen  weicht.  Die  Frauen 
bieten  dem  gegenüber  weniger;  die  häufig  sehr  schönen  Züge  haben  fast  immer 
etwas  durch  niedere  Arbeit  Gedrücktes;  auch  ist  ihre  Tracht  im  Peloponnese 
wenigstens  am  Werktage  wenig  charakteristisch;  nur  in  den  mehr  albanesischen 
Gegenden  tragen  sie  über  dem  Hemde  den  langen,  vorne  offenen,  weißwollenen 
Überrock  ohne  Ärmel,  der  mit  schwarzen  Verzierungen  reich  besetzt  ist. 

Die  Rückkehr  ins  Quartier  riß  uns  bald  aus  unseren  Betrachtungen;  eine 
Katze,  die  sich  ebensowenig  um  die  Fasten  kümmerte  wie  wir,  hatte  aus  unserem 
offenen  Reisesacke  eines  der  gebratenen  Hühner  erwischt  und  bereits  zum  größern 
Teile  verspeist.  Wir  hängten  nun  den  Sack  vorsichtig  an  einem  der  rußigen 
Balken   des   offenen   Daches   auf.     Unsere  Hütte   war   ein    echtes   griechisches 


Aus  der  Umgebung  Olympias. 


Baoerngenuch  der  geringem  Art,  d.  h.  vier  niedere  steinerne  Wände  und  ein 
Holzdach  darüber;  von  Fenster  keine  Rede;  eine  niedere  Türe  mußte  außer  den 
Bewohnern  auch  Licht  herein  und  Rauch  heraus  lassen.  Noch  weniger  existierten 
natürlich  Tische,  Stühle  oder  gar  ein  Bett.  Die  Einrichtung  bestand  lediglich 
aus  einigen  niedern  kofferartigen  Kasten  und  mehreren  riesigen  Tongefäßen,  die 
zur  Aufbewahrung  von  Öl  und  Wein  u.  dgl.  dienten.  Einige  Decken  wurden 
uns  für  die  Nacht  auf  den  Erdboden  gelegt  und  wir  sahen  den  Nachthimmel 
über  uns  durch  die  zahllosen  Ritzen  und  Löcher  des  Daches.  Unangenehm 
ward  dies  jedoch,  als  während  der  Nacht  ein  furchtbarer  Sturm  losbrach  und  so 
durch  jene  Spalten  fegte,  daß  der  Staub  vom  Erdboden  des  Hauses  in  Wirbeln 
herumflog.  Es  war  Scirocco,  und  als  wir  des  Morgens  heraustraten,  war  der 
44  Himmel  wie  die  Erde,  ein  einförmiges  Grau  und  die  weite  Aussicht  aller  Reize 
entkleidet.  Dieser  häßliche  Wind  ist  in  Olympia  sehr  häufig  und  macht  sich 
noch  mit  viel  größerer  Intensität  fühlbar  als  in  Italien. 

Den  hinter  dem  Dorfe  sich  steil  erhebenden  langgestreckten  Felsrücken  er- 
stiegen wir  nun,  von  der  Nordseite,  im  Geleite  unseres  alten  Gastfreundes,  der 
so  rüstig  den  verwachsenen  steilen  Pfad  hinaufschritt,  daß  wir  ihm  keuchend 
kaum  nachfolgen  konnten.  Auf  der  Kammhöhe  oben  sahen  wir  die  Reste  der 
Stadtmauer  sich  hinziehen.  Man  erwartet  dahinter  ein  breites  Plateau  für  die 
Stadt  und  ist  überrascht,  nur  eine  ganz  schmale,  nicht  mehr  als  30—40  Schritte 
breite,  aber  langgezogene  Hochfläche  zu  finden,  die  sich  nach  der  Mitte  etwas 
einsenkt  und  von  welcher  der  Berg  nach  Süden  kaum  weniger  steil  abfällt  als 
nach  Norden.  An  diesem  schroffen  südlichen  Abhänge  nun  sind  die  Reste  der 
eigentlichen  Stadt  und  ihrer  Häuser,  noch  unten  von  der  Ringmauer  umgeben. 
Die  Schwierigkeit  und  Unbequemlichkeit  des  Verkehrs  bei  solcher  Lage  kam  ja 
zur  Zeit  der  Gründung  dieser  und  ähnlicher  Städte  nicht  in  Betracht  gegenüber  der 
Sicherheit,  die  sie  gewährte.  Oben  auf  der  Hochfläche  jedoch  sind  die  wichtigsten 
Ruinen,  die  zwar  in  den  Verhältnissen  sehr  klein,  doch  zu  den  besterhaltenen  Städte- 
resten in  ganz  Griechenland  gehören.  Wahrscheinlich  war  es  die  alte  Minyerstadt 
Aipion,  deren  öffentliche  Gebäude  hier  auf  der  Hochfläche  verteilt  gewesen  zu 
sein  scheinen  [vgl.  Olympia  I  S.  9].  Fünf  verschiedene  Plateaus  sind  sowohl  unter 
sich  als  gegen  die  Unterstadt  von  besondern  Mauern  umgeben.  Soviel  sich 
erkennen  läßt,  enthielten  dieselben  nicht  bloß  kleine  Tempelzellen,  sondern  auch 
kleine  feste  Häuser,  die  man  für  öffentliche  Zwecke  dienend  oder  als  Wohnungen 
der  vornehmsten  Geschlechter  fassen  kann.  Die  Hauptruine  dieser  Art  heißt  bei 
den  Leuten  der  Gegend  „Der  Königspalast".  Die  Bauart  wechselt  ab  von  roherer 
zu  scharfer  polygoner  Fügung,  bis  zum  akkuratesten  Quaderbau.  Das  Material 
lusschließlich  der  harte  graurötliche  Kalkstein,  aus  dem  der  Berg  selbst  besteht. 
Der  interessanteste  Teil  der  Ruinen  ist  das  kleine,  aber  relativ  sehr  wohl 
•  rhaltene  Theater,  das  merkwürdigerweise  nicht  an  den  Bergabhang  gelehnt, 
dem    auf    der  Hochfläche   selbst    errichtet    ist.     Seine   kleinen   Dimensionen 


Aus  der  Umgebung  Olympias.  235 


erlaubten  indeß  die  Kreise  der  Zuschauer  ohne  Unterbauten  einfach  einzugraben. 
Da  das  Theater  der  Griechen  zu  den  öffentlichen  Gebäuden  und  sogar  zu  den 
mit  dem  Kulte  eng  verknüpften  geheiligten  gehörte,  so  erklärt  es  sich,  weshalb 
man  es  in  diesem  Falle  mit  in  den  Kreis  der  auf  der  Burghöhe  angebrachten 
und  besonders  gesicherten  Anlagen  gezogen  hat.  Unter  den  Fragmenten  der 
neun  Sitzreihen  befindet  sich  noch  ein  trefflich  erhaltener  bequemer  Kalkstein- 
sessel, der  einst  einer  ganzen  Reihe  ähnlicher  für  die  Vornehmsten  bestimmter 
Sitze  angehört  zu  haben  scheint,  ebenso  wie  der  Marmorsessel  im  Theater  von 
Athen,  von  welch  letzterem  sich  jener  indeß  durch  die  Form  wesentlich  unter- 
scheidet, denn  nicht  der  elegant  geschweifte  attische  Holzstuhl,  sondern  die 
ältere  schwerere  Thronsesselform  diente  als  Vorbild.  —  Der  Grundriß  dieses 
Theaters,  der  sich  auf  dem  nach  Boutan  bei  Bursian,  Geographie  Griechenlands  II 
Taf.  7  gegebenen  Plane  der  Burg  findet,  ist  unrichtig,  wie  der  ganze  Plan  in 
allen  Einzelheiten  völlig  unzuverlässig  ist.  Das  Theater  gehörte  seinem  Grund- 
risse nach  dem  von  Strack,  Das  altgriechische  Theatergebäude  S.  1  als  a  be- 
zeichneten Typus  an. 

Selten  findet  man  die  antiken  Stadtreste  unberührt  von  späteren  Nieder- 
lassungen. So  sind  denn  auch  hier  deutliche  Spuren  von  einer  byzantinischen 
Ansiedelung.  Die  vielen  Ziegel,  die  am  Boden  liegen,  scheinen  ihrer  Beschaffen- 
heit nach  alle  von  einer  solchen  herzurühren;  auch  findet  sich  die  Ruine  einer 
byzantinischen  Kirche,  die  noch  jetzt  dem  Volke  bekannt  ist  als  dem  heiligen 
Elias,  dem  Bewohner  aller  Berggipfel  geweiht;  auch  die  völlig  zerstörten  Kirchen 
bleiben  dem  Volke  heilig.  An  der  Apsis  der  Kirche  sind  profilierte  Blöcke,  wie 
es  scheint,  von  einem  antiken  Rundbau  verwendet. 

Unterdessen  hatte  der  Himmel  sich  geklärt  und  ein  frischerer  Wind  reinigte 
die  Luft,  so  daß  wir  der  großartigsten  Rundsicht  genießen  konnten,  die  sich  vom 
Meere  bis  tief  nach  Arkadien  hinein  erstreckte. 

Unten  im  Dorfe  erwartete  uns  bereits  der  Papas  (Pfarrer),  der  uns,  wie  dies  50 
Sitte  zu  sein  pflegt,  seinen  Ehrenbesuch  abstattete.  Es  war  ein  schon  halb- 
ergrauter Alter,  der  uns  in  seinem  heutigen  gewöhnlichen  Gewände  fast  etwas 
reinlicher  vorkam  als  gestern  Abend  in  der  Kirche  mit  den  seidenen  Lappen  oder 
dem  Festornate.  Indeß  entpuppte  er  sich  im  Verlaufe  des  Gesprächs,  das  er 
auf  dem  Boden  sitzend  eifrig  mit  uns,  während  wir  frühstückten,  führte,  als  ein 
höchst  vernünftig  denkender  Mann.  Er  war  zwar  in  seinem  ganzen  Leben  noch 
nicht  aus  der  nähern  Umgegend  herausgekommen,  wußte  aber  doch  etwas  von 
den  Unterschieden  der  griechischen  und  der  römischen  oder  „westlichen"  Kirche, 
hatte  sich  indeß  die  Überzeugung  verschafft,  daß  sowohl  diese  als  überhaupt 
alle  Religionsunterschiede  ohne  wesentliche  Bedeutung  seien  und  daß  es  nur 
auf  die  Gerechtigkeit  des  Menschen  ankomme.  —  Es  ist  nicht  selten,  unter  den 
Pfarrern  der  griechischen  Dörfer  solche  freidenkende  Männer  zu  finden;  denn 
die  Kirche  verlangt  hier  überhaupt  keine  Gesinnung,    sondern  nur  die  Kenntnis 


Als  der  Umgebung  Olympias. 

r  Formeln  von  dem  Priester.  Dieses  Fehlen  jedes  religiösen  Fanatismus, 
ferner  die  unlösbare  Verbindung,  in  der  der  Priester  mit  dem  Volke  steht,  welchem 

ch  nicht  als  fremdes  und  höheres  Wesen  gegenüberstellt,  sondern  dem  er 
sich  völlig  gleichordnet  —  unterscheiden  sich  ja  die  meisten  Dorfpfarrer  am 
Werktage  kaum  vom  gemeinen  Bauer  —  dies  sind  offenbare  Vorzüge  der  griechi- 
schen Priesterschaft,  welche  sie  der  antik  hellenischen  verwandt  machen. 

Unser  Gesprich  wandte  sich  indeß  bald  auf  das  jedem  geborenen  Griechen 
von  Jugend  auf  liebste  Thema,  die  Politik;  die  Bewunderung  der  Größe  und 
.Macht  Deutschlands  und  Klagen  über  das  arme  kleine  Griechenland  pflegen  der 
Schluß  davon  zu  sein.  So  auch  diesmal,  nur  zeichnete  sich  unser  Papäs  aus 
durch  eine  ihm  eigene  kräftige  Bildersprache,  wie,  wenn  er  die  Lage  Griechen- 
lands schilderte,  das  jetzt  mitten  in  einem  reißenden  Strome  stehe  und  ohne  Hilfe 
nicht  ans  andere  Ufer  gelangen  könne,  oder  gar,  daß  es  jetzt  in  der  Luft  aufgehängt 
sei  und  mit  den  Füßen  keinen  festen  Boden  zu  erreichen  vermöge,  u.  dgl. 

Von  unserem  Frühstück  rührte  er  nichts  an,  wegen  der  strengen  Fasten,  die 
in  den  letzten  Tagen  vor  Ostern  geradezu  fast  alle  Nahrung  verbieten  (nur  Brot, 
Wasser  und  einige  Oliven  werden  genommen);  selbst  den  Wein  schlug  er  aus, 
der  übrigens  an  diesem  Orte  von  ganz  vorzüglicher  Qualität  war,  vorausgesetzt, 
daß  man  seine  Kehle  an  den  starken  Beigeschmack  des  Harzes  gewöhnt  hatte. 
Freilich  gestand  der  Papäs,  so  streng  wie  es  sein  sollte,  halte  er  die  Fasten  auch 
nicht,  und  dabei  fragte  er  uns  mit  schlauer  Miene:  Haltet  ihr  denn  alles,  was 
euch  geboten  ist? 

Endlich  brachen  wir  auf,  hatten  aber  nicht  geringe  Mühe,  um  über  die  von 
zahllosen  trockenen  Bächen  („rewmata")  durchrissenen  Hügel  hinüber  auf  die 
>ße  Straße"  nach  Andritzena  zu  gelangen.  Diese  von  den  Leuten  sogenannte 
große  Gemeindestraße,  war  freilich,  wie  gewöhnlich  in  Griechenland,  nichts 
anderes  als  ein  erbärmlicher  Saumpfad.  In  der  Nähe  des  Dorfes  Longos  bei 
einer  einzelstehenden  Kirche   hielten   wir  Mittagsruhe   unter  dem  Schatten  einer 

i^en  dunkeln  Stacheleiche  (heute  purnäri  genannt),  die  dazu  noch  ganz 
von  einer  lang  herabhängenden  Efeuart  zur  luftigen  kühlen  Laube  gestaltet 
ward.  Solche  einzelne  prächtige  große  Bäume  sind  in  Griechenland  neben  den 
Kirchen  häufig,  ganz  wie  es  bei  den  antiken  Heiligtümern  zu  sein  pflegte.  — 
Iter  kamen  wir  in  einem  Tale  mit  üppigster  Vegetation  zu  einer  Quelle,  die 
mit  zu  den  schönsten  gehört,  die  ich  in  Griechenland  gesehen,  wo  die  Quellen 
die  Perlen  der  Landschaft  zu  sein  pflegen.  Das  Wasser  ergoß  sich  in  mehreren 
'rnen  aus  dem  Felsen,  umschattet  von  einer  Reihe  feierlich  alter  Riesenplatanen. 

i  noch  so  eiliger  Grieche  geht  an  einer  solchen  Stelle  vorüber,  ohne  wenigstens 
einen  Augenblick   zu   rasten;   er  glaubt  die  Quelle  von  Geistern   bewohnt  und 

:ht   mit   einer   gewissen  Ehrfurcht  und  Verehrung  von  ihr,   ganz  wie  es  das 

Ein    weniger   feierliches   als    anmutiges   Bild   gewähren   solche 

Quellen   in    di  der  Dorfer,    wo   man    häufig    die   sämtlichen  Frauen  und 


Aus  der  Umgebung  Olympias.  237 


Mädchen  des  Dorfes  sieht,  wie  sie  mit  der  Wäsche  beschäftigt,  die  einen  am 
Kessel  mit  dem  kochenden  Wasser  stehen,  die  andern  die  Kleider  reiben  und 
klopfen  und  auswinden,  alle  die  Gewänder  hochgeschürzt  und  mit  bloßen  Füßen, 
dazu  singend  und  scherzend. 

Auf  unserm  Wege  hörte  indeß  bald  die  reiche  Bewachsung  auf  und  wir 
durchritten  eine  Hochebene  und  dann  immer  steigend  trockene,  nur  von  Büschen 
bewachsene  Höhen,  bis  wir  abends  das  in  dieser  Bergeinsamkeit  auffallend  statt- 
liche Städtchen  Andritzena  erreichten.  Der  Ort  war  mir  bereits  bekannt  von 
einer  Tour  im  vorigen  Jahre,  die  ich  von  hier  nach  dem  bekannten  Tempel  von 
Phigalia  gemacht  hatte.  Ich  kehrte  also  in  demselben  Cham'  wie  damals  ein, 
dessen  Wirt  sich  freilich  nicht  sehr  edel  erwies,  denn  er  verlangte  den  andern 
Morgen  nicht  weniger  als  elf  Francs  nur  für  ein  erbärmliches  enges  Zimmerchen 
mit  zwei  Holzpritschen,  auf  die  einige  Decken  gelegt  waren!  So  ist  der  Grieche, 
sobald  er  etwas  von  Kultur  beleckt  wird.  —  Das  Städtchen  besitzt  übrigens  ein 
großes  Schulgebäude  mit  einer  altern  Bibliothek,  die  nicht  ohne  Wert  sein  soll, 
ferner  mehrere  fast  europäisch  aussehende  neue  Häuser,  während  die  alten  in 
der  engen  Hauptstraße  mit  ihren  weit  vorladenden  Holzlauben  und  Holzgallerien 
den  echten  Typus  der  bessern  griechischen  Wohnung  wiedergeben,  die  auch 
meist  mit  einem  Oberstock  versehen  ist.  Was  mir  indeß  am  meisten  für  einen 
relativ  hohen  Kulturgrad  des  Ortes  zeugte,  waren  frei  in  den  Höfen  angebrachte 
kleine  und  niedere  gewölbte  Nischen,  deren  geschlossene  Wand  gegen  die  Straße, 
die  offene  gegen  das  Haus  gerichtet  war;  ihre  Bedeutung  ergab  sich  leicht  schon 
durch  den  Geruch. 

Die  Nacht  war  die  Osternacht  der  Griechen;  aber  nicht  nur  für  dieses  Fest, 
sondern  noch  mehr  für  unsern  Plan,  den  folgenden  Tag  das  Lykaion  zu  besteigen, 
war  ein  um  Mitternacht  ausbrechender  und  andauernder  Regen  höchst  fatal. 
Am  Ostermorgen  ordneten  wir  denn  zunächst  an,  daß  für  uns  auch  ein  Fest- 
lamm gebraten  würde,  um  wenigstens  das  mitzumachen;  denn  an  diesem  Tage 
denkt  und  tut  der  Grieche  nichts  anderes  als  Lämmer  braten  und  Lämmer  ver- 
tilgen. Überall,  wo  man  eintritt,  wird  man  gezwungen,  etwas  mitzuhalten.  Das 
Lamm  wird  ganz  mit  Kopf  und  Schwanz  aufgetragen  und  dann  einfach  mit  den 
Händen  zerrissen.  Als  Vorkost  werden  die  in  einen  Zopf  geflochtenen  und  ge-  51 
bratenen  Eingeweide  genossen. 

Unter  den  Sachen,  die  uns  der  Kunsthändler  anbot,  der  an  solchen  Orten 
nicht  zu  fehlen  pflegt,  waren,  wie  dies  leider  gerade  in  Arkadien  gewöhnlich 
ist,  nicht  wenige  gefälschte  Münzen  und  Bronzefiguren.  Marmorsachen  werden 
in  diesen  Gegenden  sehr  wenig,  bemalte  Vasen  gar  nicht  und  gute  Bronzen 
doch  recht  selten  gefunden.  Gleichwohl  bekamen  wir  eben  hier  eine  treffliche 
Bronzestatuette  zu  sehen,  etwa  aus  dem  vierten  Jahrhundert  v.  Chr.;  es  war  der 
jugendliche  und  ganz  menschlich  gebildete  Pan,  der  Hauptgott  der  Arkader;  er 
hat  das  rechte  Bein  auf  eine  Erhöhung  gestellt  und  blickt  in  die  Ferne;  nur  in 


238  -  der  Umgebung  Olympias. 


der  autfallend  zurückweichenden  Stirn  mit  den  kleinen  heraussprießenden  Hörn- 
chen  suchte   der  Künstler   das   Tierische,    das   der  Mythus   dem  Gotte  gab,   an- 
leuten.1     Solche  kloine  Götterbilder  wurden  zahlreich  in  die  Heiligtümer  ge- 

it.  und  /war  hlufig  gerade  ein  Gott  in  das  Heiligtum  eines  andern. 

Als  der  {limine!  sich  gegen  elf  Uhr  etwas  geklärt  hatte,  nahmen  wir  endlich 
Abschied  von  Andritzena,  um  ostwärts  auf  dem  Wege  nach  Karytäna  weiter  zu 
ien.  Wir  hatten  beim  Wegreiten  noch  einen  reizenden  Rückblick  auf  das 
höchst  malerisch  in  die  Bergmulde  heraufgebaute  Städtchen;  die  Höhen,  die  un- 
mittelbar dahinter  aufsteigen,  sind  kahl,  aber  das  darunter  sich  herabziehende 
Tal  ist  fruchtbar  und  grün  mit  Weinbergen  und  schattigen  Bäumen.  Diese  An- 
lage der  Dörfer  in  der  Höhe  an  der  Grenze  des  fruchtbaren  und  des  steinig 
kahlen  Landes  findet  man  gerade  in  Arkadien  sehr  häufig. 

Es  dauerte  indeß  nicht  lange,  so  begann  der  Regen  von  neuem  und  be- 
gleitete uns  mit  Unterbrechungen  den  ganzen  fünfstündigen  Weg  bis  Karytäna. 
Doch  zwischenein  zerriß  der  Sturm  häufig  die  Wolken  und  zeigte  uns  die  herr- 
liche Landschaft  im  Sonnenlichte.  Zur  Rechten  hatten  wir  beständig  in  wechseln- 
den Bildern  das  majestätische  Lykaiongebirge  mit  dem  breiten  Felsenhaupte, 
und  man  begriff  wie  die  Naturreligion  der  ersten  Ansiedler  diesen  Berg  zum 
Mittelpunkte  ihrer  Ehrfurcht  vor  dem  Göttlichen  machen  mußte  und  wie  er  dies 
bleiben  konnte  durch  die  Jahrhunderte  hindurch,  bis  Christentum  und  fremde 
Einwanderer  auch  ihm  die  Ehre  nahmen. 

Wir  überschritten  den  Fluß,  der  hier  vom  Gebirge  herabkommt  und  nordwestlich 
dem  Alpheios  zuströmt,  erstiegen  darauf  die  jenseitige  Höhe,  mußten  nun  zwar 
die  Ruine  der  Stadt  Lykoa  (beim  Dorfe  Lavda)  links  liegen  lassen,  fanden  aber 
am  Wege  eine  verfallene  Kirche  und  dabei  Reste  eines  zerstörten  Dorfes;  in  der 
ersten  waren  zahlreiche  antike  Kalksteinstufen  mit  hübscher  Profilierung,  gleich 
der  an  den  Hallenstufen  Olympias  gewöhnlichen,  nebst  andern  schönen  Quadern, 
die  auf  die  einstige  Existenz  eines  einzelnen  Heiligtums  in  der  Nähe  schließen 
ließen. 

Später  durchkreuzten  wir  noch  einmal  ein  herrliches  Engtal  mit  schäumendem 
Bache;  das  Dorf  lag  rechts  in  erstaunlicher  Höhe  an  der  Bergwand,  unten  weideten 
die  Herden,  Schafe  und  Ziegen;  die  Hirten  waren  ein  junger  Mann  und  ein 
Ichen,  beide  in  ihren  Festkleidern  aus  reiner  weißer  Wolle  mit  den  schwarzen 
aufgesetzten  Arabesken.  Man  wird  sonst  wohl  nie  in  Versuchung  kommen, 
arkadisches  Hirtenleben  zu  beneiden,  denn  so  schmucke  Paare  gehören  sehr  zu 
den  Ausnahmen.  Im  weiten  Bogen  ging  es  nun  hinab,  dem  Alpheios  zu, 
nach  dem  schwer  zugänglichen  Karytäna. 

gibt   im  Peloponnese   kaum   einen    überraschenderen   und  großartigeren 
Blick  als   der  sich   uns  an   der  Stelle   eröffnete,   wo  der  Alpheios  die  hügelige 

1  (Athc  n.  .Min.  1878  S.  294  Anm.    Wernickc  in  Festschrift  für  Bcnndorf  S.  153  ff.] 


Aus  der  Umgebung  Olympias.  239 


grüne  Ebene  von  Megalopolis  verläßt  und  zusammengeengt  sich  durch  das  Fels- 
gebirge eine  Bahn  bricht.  Der  kühne  zackige  Berg  drüben  rechts  trägt  auf  seiner 
breiten  Spitze  die  stattlichen  Türme  und  Mauern  des  großen  fränkischen  Schlosses, 
das  Hugues  von  Bruyeres  einst  zu  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  hier  errichtete; 
darunter  am  grünen  Abhänge  das  heutige  Städtchen  und  im  Vordergrunde  unten 
die  malerische  mittelalterliche  Brücke  von  fünf  hohen  Bogen  von  einem  Felsen 
zum  andern  über  das  gelbliche  Wasser  des  schäumenden  Flusses. 

Bald  darauf  ritten  wir  durch  die  engen  und  steilen  schmutzigen  Gassen  des 
alten  Städtchens,  bis  uns  einer  aus  der  gaffenden  sonntäglich  gekleideten  Menge 
einen  würdigen  Alten  wies,  der  sich  bereit  erklärte,  unsern  Wirt  zu  machen.  Im 
großen  Zimmer  der  Familie  waren  bald  die  besten  Teppiche  für  uns  bereit  gelegt 
und  die  Alte  mit  ihren  zwei  erwachsenen  Töchtern  sorgte  für  unsere  durchnäßten 
Kleider.  Bei  unserem  Mahle  steuerte  der  Wirt  zu  dem  von  uns  mitgebrachten 
Vorrat  noch  weiteren  Lammsbraten,  Salat  und  Sauermilch  bei;  letztere  wird  als 
Nachkost  gegessen.  Er  selbst  mit  seinem  Sohne,  einem  hübschen,  lebhaften 
jungen  Manne,  setzte  sich  zu  uns;  die  Frauen  blieben  nach  griechischer  Sitte  in 
der  Ferne.  Als  das  übliche  Ausfragen  und  die  Politik  glücklich  abgemacht  war, 
begannen  wir  mit  dem  jungen  Manne  —  derselbe  war  Hufschmied  —  einen 
Disput  über  die  beste  Art  der  Hufe;  er  ließ  sich  nicht  überzeugen,  daß  unsere 
Hufeisen  besser  sein  müssen  als  die  platten  Eisen,  mit  denen  in  der  Türkei  wie  in 
Griechenland  die  ganze  Fläche  des  Hufes  beschlagen  wird.  Die  Mädchen  zeigten 
uns  mit  großem  Stolze  einen  riesigen  Stoß  von  Teppichen  als  Werk  ihrer  Hände; 
es  ist  eine  Gattung  sehr  starker,  aus  Schafwolle  in  bunten,  grellen  Farben  ge- 
wobener Teppiche,  auf  denen  man  sowohl  schläft  als  sitzt  und  reitet;  sie  bilden 
einen  Hauptteil  der  Aussteuer,  wie  bei  uns  das  Linnenzeug.  Die  Dekoration 
derselben  zeigt  im  allgemeinen  den  orientalischen  Stil,  doch  mit  größeren  und 
einfacheren  Ornamentmotiven,  die  rein  geometrisch  ohne  alles  Pflanzliche  sind. 
Leider  ist  diese  Industrie  eine  rein  häusliche  und  private;  die  Sachen  kommen 
gar  nicht  in  den  Handel;  jede  Familie  macht  ihren  Bedarf.  Von  eigentlicher 
Industrie  ist  ja  im  inneren  Griechenland  noch  nirgends  die  Rede. 

Der  andere  Morgen  überraschte  uns  mit  einem  ganz  herrlich  klaren  Himmel. 
Es  war  Ostermontag,  aber  nicht  das  Osterfest,  sondern  das  Panigyri,1  welches 
heute  dem  Schutzheiligen  in  der  kleinen  Kapelle  oben  in  den  Vorwerken  des 
Schlosses  gefeiert  werden  sollte,  brachte  das  ganze  Karytäna  auf  die  Beine.  Von 
Sonnenaufgang  an  strömte  alles  auf  dem  steilen  Wege  zu  der  Burg  hinauf,  alles 
in  den  besten  Festtagskleidern,  meist  natürlich  der  nationalen  Art,  doch  auch 
für  das  Umsichgreifen  „europäischer"  Kultur  (die  Griechen  rechnen  sich  nämlich 
nicht  zu  „Europa")  waren  Anzeichen  vorhanden,  ja  an  einer  Frau  bemerkte  ich 
sogar  Glacehandschuhe.  —  Oben   in   der  kleinen  kuppelgewölbten  Kapelle,   die 


1  Bezeichnung  der  religiösen  Volksfeste;  altgriechisch  =  panegyris. 


HQ  Ars  der  Umgebung  Olympias. 


allein  noch    unversehrt  bei  den  Schloßruinen  stand,    drängten  sich  die  Ein-  und 
.nenden.     Ein   jeder  will   wenigstens  eine   brennende  Kerze  weihen  und 
die  heiligen  Bilder  abküssen. 

ist  bekannt,  daß  diese  Feste  oder  Panigyrien  sich  hauptsächlich  um 
Kapellen  konzentrieren,  welche  etwas  außerhalb  der  Stadt  im  Freien  liegen.  So 
:i  hier;  und  es  war  offenbar  für  die  meisten  ein  nicht  unwichtiger  Teil  des 
:es,  die  Burg  wieder  einmal  zu  besteigen  und  sich  der  herrlichen  Aussicht 
zu  freuen.  Die  Jungen  konnten  sich  nicht  halten,  bereits  am  hellen  Tage  Raketen 
und  Schwärmer  loszulassen.  Die  Ruinen  des  Schlosses  sind  ausgedehnt  und 
wohl  erhalten,  denn  erst  König  Otto  hatte  die  Burg  schleifen  lassen  zum  großen 
Wrdrusse  der  Einwohner  Karytänas,  die  es  noch  jetzt  nicht  begreifen  wollten, 
daß  die  Burg,  die  im  Freiheitskampfe  unter  Kolokotroni  ein  Bollwerk  gegen  die 
Türken  gewesen  war,  nun  nutzlos  geworden  sein  könne.  Erstaunen  erregen  die 
riesigen  Zisternen  aus  der  fränkischen  Zeit,  als  hier  eine  Baronie  mit  22  Ritter- 
lehen ihren  Herrensitz  hatte.  Die  Bauart  der  altern  Teile  stimmt  ganz  mit  dem 
Schlosse  Yillehardouins  bei  Kalamata  überein.  Von  antiken  Werkstücken,  die 
nach  einigen  verbaut  sein  sollen,  konnten  wir  nichts  auffinden.  —  Der  Aussicht 
von  oben  läßt  sich  weniges  vergleichen;  der  Burgfelsen  fällt  gegen  den  Fluß 
unmittelbar  und  schroff  ab;  drüben  erheben  sich  über  den  grünen  Abhängen 
und  den  hoch  oben  klebenden  Dörfern  die  rötlichen  Felsen  der  breiten  Lykaion- 
Spitzen  mit  bläulichen  Schatten,  dann  die  grüne  Ebene  von  Megalopolis  und  gen 
rden  die  massigen  kahlen  Höhen,  auf  denen  man  uns  hoch  oben  die  Dächer 
des  Städtchens  Dimitzana  zeigte,  nicht  ohne  Äußerungen  des  Neides,  denn 
Dimitzana  war  Vorort  des  Gaues  geworden,  wozu  Karytäna  mehr  Recht  zu  haben 
glaubte,  vermöge  seiner  bessern  Lage  nahe  der  fruchtbaren  Ebene.  Wir  waren 
immer  von  Haufen  Neugieriger  umdrängt,  namentlich  als  wir  die  große  franzö- 
che  Karte  ausbreiteten;  charakteristisch  war  es,  als  einer  mich  nach  einem  der 
umliegenden  Dörfer  fragte,  ob  das  wohl  auch  verzeichnet  sei;  er  wurde  alsbald 
von  einem  andern,  der  sich  europäisch  kleidete,  zurechtgewiesen,  wie  er  glauben 
könne,  daß  so  gemeine  Namen  in  der  Karte  ständen. 

r  schwer  trennten  wir  uns  im  Weggehen  von  dem  malerischen  Anblicke 

■   an   den   schroffen  Felsen    und   auf  den  Zinnen    der   Ringmauer   zerstreuten 

mit  ihren  roten  Fessi's.    Auf  die  Fortsetzung  des  Festes  deuteten  bereits 

Im  Freien  am  Spieße  bratenden  Lämmer;  den  Schmauß  und  Tanz  mußten 

wir  den  andern  überlassen,  wir  besuchten  nur  noch  eine  alte  Kirche  der  Unter- 

!t   mit   einem   in  französisch-romanischem  Stile  erbauten  Glockenturme,  einer 

rnheil  in  Griechenland,  und  ritten  weg  gen  Nordwesten,  um  die  Ruinen  der 

aufzusuchen. 

Id  hatten  wir  das  enge  Tal  des  Gortynios  erreicht,  eines  munteren  Flusses 

klarem  Wasser,  der  in  seinem  obereren  Laufe  bei  den  Alten  Lusios 

genannt   wurde,   angeblich    weil    das  Zeuskind   darin    gebadet   sein  sollte;    nach 


Aus  der  Umgebung  Olympias.  241 


Pausanias  hatte  er  das  kühlste  Wasser  von  allen  Flüssen,  wenigstens  in  Klein- 
asien und  Griechenland;  doch  ist  zu  bezweifeln,  daß  sich  Pausanias  hiezu  eines 
Thermometers  bedient  habe.  Eine  alte  Brücke,  wohl  noch  aus  fränkischer  Zeit, 
führt  hinüber;  wir  erstiegen  nun  die  jenseitige  Höhe,  gerieten  aber  etwas  zu 
hoch  und  kamen  ins  Dorf  Atzikolo,  das  wir  links  oben  hätten  liegen  lassen  sollen. 
Wir  trafen  die  Leute  alle  auf  dem  Platze  um  die  Kirche  versammelt  und  sollten 
nun  einen  seltsamen  Überfall  durch  Gastfreundschaft  erleben.  Ein  älterer  Mann, 
dem  sich  bald  noch  zwei  jüngere  anschlössen,  kam  auf  uns  zu;  auf  meine 
Fragen  nach  dem  Wege  zu  den  Ruinen  antwortete  er  nicht,  sondern  mit  still- 
schweigender und  unheimlicher  Entschlossenheit  faßte  er  mein  Pferd  beim  Zügel 
und  führte  es,  ohne  auf  meine  Remonstrationen  eine  Silbe  zu  antworten,  nach 
seinem  Hause;  hier  endlich  fragte  er,  ob  mir  Kaffee  oder  wenigstens  ein  Rhaki 
(Schnaps)  gefällig  sei;  da  ich  ärgerlich  geworden  war  und  wir  gar  keine  Zeit 
zu  verlieren  hatten,  schlug  ich  alles  aus;  wir  betraten  das  Haus  nicht,  aber  auf 
dem  Wege  zu  den  Ruinen  hinunter  begleitete  uns  der  Mann  doch  mit  seinen 
beiden  Söhnen,  welche  dann  die  Sorge  für  die  Pferde  übernahmen,  während  er 
uns  ein  ganz  vortrefflicher  kundiger  Führer  durch  alle  Reste  des  alten  Gortys 
wurde  und  uns  nachher  noch  ein  großes  Stück  des  Weges  begleitete.  Das  alles 
tat  er,  wie  sich  dann  deutlich  zeigte,  nicht  aus  Eigennutz,  sondern  nur  aus  Ehr- 
geiz, vor  allem  hätte  er  gerne  die  Fremden  in  seinem  Hause  gesehen. 

Die  Abhänge  vom  Dorfe  zur  alten  Stadt  herab  und  letztere  selbst  waren 
ganz  bedeckt  von  grünen  Weinbergen  und  Getreidefeldern.  Hier  erhebt  sich  der 
Stadthügel  nur  wenig,  aber  nach  der  andern  Seite  (Osten),  wo  tief  unten  der 
Fluß  strömt,  fällt  er  in  steilen  Wänden  ab.  Gleichwohl  finden  sich  an  diesem 
Abhänge  außerhalb  der  Burgmauer  mehrfache  alte  Terrassenmauern.  —  Die  Aus- 
sicht ist  rings  durch  das  kahle  hohe  Kalkgebirge  begrenzt;  großartig  ist  der  Blick 
in  die  Schlucht  des  Gortynios,  die  sich  nördlich  hinaufzieht  bis  nach  Dimitzana, 
noch  wilder  und  voll  losgerissener  Felsblöcke  ist  die  Schlucht  des  östlich  herab- 
kommenden Nebenflusses;  an  ihren  schroffen  Wänden  brachte  der  südliche 
Himmel  die  wunderbarsten  Reflexe  hervor.  Hoch  droben  sah  man  hier  bereits 
in  dem  völlig  kahlen  und  felsigen  Gebiete  das  nicht  unbedeutende  Städtchen 
Stemnitza.  Es  ist  dies  einer  der  wenigen  Punkte,  wo  etwas  Industrie  getrieben 
wird,  hier  indeß  leider  von  bedenklicher  Art;  denn  von  hier  kommen  jene  zahl- 
reichen falschen  Bronzestatuetten,  die  dem  Fremden  namentlich  im  Peloponnese 
angeboten  werden  und  die  teils  recht  gute  Nachahmungen  antiker  Sachen,  teils 
recht  schlechte  Neuschöpfungen  sind. 

Die  Burgmauern  von  Gortys1  sind  meist  noch  sehr  gut  erhalten;  die  Bauart 
im  allgemeinen  ist  die  polygone,  doch  auf  derjenigen  Stufe  der  Entwickelung, 
wo    die   Blöcke    alle    scharf   gefügt   werden   und   eine   horizontale   Schichtung 


1  Frazer  zu  Paus.  VIII,  28. 
A.  Furtwängler.   Kleine  Schriften  I.  16 


S  der  Umgebung  Olympias. 


-cht  wird.  Am  großen  Tore  an  der  nordöstlichen  Seite  sind  die  größten 
und  unregelmäßigsten  Blöcke  angewendet,  zum  Teil  von  einem  Meter  Höhe  und 
Meter  Länge.  Dies  Tor,  jetzt  reich  von  Efeu  umrankt,  macht  in  der  Tat 
einen  großartigen  und  malerischen  Eindruck,  auch  ist  die  Anlage  interessant,  indem 
sehen  die  an  beiden  Seiten  schräg  vorspringenden  Mauern  eingesenkt  ist, 
d.  h.  die  Mauerfortsätze  stoßen  in  stumpfem  Winkel  auf  den  Tordurchgang, 
welcher  eine  Breite  von  3,50  Meter  (d.  h.  1 1  olympische  Fuß)  hat.  Die  Stärke 
der  Mauern  beträgt  2,60  Meter  (=8  olympische  Fuß).  Das  Hauptheiligtum  von 
Gortys  war  der  reiche  und  berühmte  Tempel  des  Asklepios,  der  zwar  jedenfalls 
nicht,  wie  man  aus  einer  falsch  interpungierten  Stelle  des  Pausanias  [VIII,  28,  1] 
blossen  hat,  aus  pentelischem  Marmor  erbaut  war  —  denn  dies  wäre  ein  im 
Peloponnese  ganz  beispielloser  Luxus  gewesen  —  wohl  aber  die  Bilder  des  hier 
verehrten  jugendlichen  Asklepios  nebst  der  Hygieia  aus' jenem  Marmor  und  von 
der  berühmten  Hand  des  Skopas  besaß.  Der  Tempel  ist  völlig  zerstört  und  nur 
die  Fundamente  aus  Kalkstein  haben  sich  südwestlich  außerhalb  der  Burgmauer 
erhalten;  sie  lagen  in  einem  Kornfelde,  als  dessen  Besitzer  sich  unser  Führer 
ergab,  der  uns  denn  auch  erlaubte,  sie  genau  zu  messen.  Die  Größe  des 
Tempels  war  danach  ungefähr  derjenigen  des  Metroons  in  Olympia  gleich,  das 
dem  Pausanias  als  ein  an  Maßen  großer  Tempel  erschien. 

Von  Gortys  schlugen  wir  die  Richtung  zurück  nach  Olympia  ein;  der  Pfad 
führt  in  reicher  Abwechselung  durch  meist  unbebautes  Bergland  voll  üppiger 
Vegetation,  teilweise  im  ausgetrockneten  und  verwachsenen  Bette  früherer  Bäche, 
bis  wir  bei  Sonnenuntergang  sanfteres  Hügelland  erreichten;  aber  die  Nacht  war 
hereingebrochen,  die  Pferde  stolperten  auf  dem  steinigen  Pfade,  den  wir  nur 
mit  Anstrengung  festzuhalten  vermochten,  das  wütende  Gebell  der  Schäferhunde 
begleitete  uns  und  übertönte  das  einförmige  Quaken  der  Frösche,  das  unten  vom 
Flusse  heraufdrang.  Das  nächste  Dorf  war  noch  weit,  ein  paar  Hütten,  die  wir 
unterwegs  fanden,  waren  so  erbärmlich,  daß  wir  lieber  im  Freien  kampiert  hätten; 
endlich  waren  wir  so  glücklich,  einen  Menschen  zu  finden,  der  uns  auf  dem 
nächsten  Wege  zum  ersehnten  Dorfe  Agianni  führte,  das  jetzt  die  Stelle  der  alten 
arkadischen  Stadt  Heraia  einnimmt. 

Hier  fanden   wir  treffliches  Quartier  bei  einem  alten  Bauer,   dessen  schöne 

Tochter  uns  bald  von  dem  vortrefflichen  Weine  brachte,  für  den  die  Gegend  schon 

im  Altertum  bekannt  war.    Der  Oberstock  des  Hauses  bestand  in  einem  großen 

Saale  mit  offenem  Holzdache,  an  dessen  Balken  zahllose  Ziegenschläuche  und  Felle 

aufgehängt  waren.    Wir  wurden  auf  einige  neue  Decken  am  Boden  gebettet;  uns 

enüber  legten  sich,  worin  die  griechische  Sitte  nichts  Anstößiges  findet,  die  Fa- 

•  Vater  und  Töchter,  nieder;  der  Jüngste,  der  Liebling  des  Vaters,  ein  derber 

chlief  bereits  längst  auf  einer  Holzkiste  in  eine  besondere  Decke  gewickelt. 

dem  auf  di<s  nachtliche  Idyll  folgenden  prächtigen  Morgen  rüsteten  und 

imückten  sich  die  beiden  Töchter  schon  zeitig  zum  „Panigyri",  das  unten  am 


Aus  der  Umgebung  Olympias.  243 


Flusse  bei  einer  einsamen  Kapelle  stattfinden  sollte  und  wo  man  den  ganzen 
Tag  zu  tanzen  und  zu  schmausen  dachte.  Wir  aber  durchforschten  die  geringen 
Reste  der  alten  Stadt,  die  an  der  Grenze  des  kahlen  Hochgebirges  und  der 
niederen  grünen  Bergzüge  in  herrlich  freier  Lage  am  Hügel  über  dem  Flusse 
sich  ausbreitete,  welcher  hier  aber  aus  dem  engenden  Gebirge  ein  offenes  Tal- 
bett betritt.  Außer  einigen  schönen  Quaderfundamenten,  die  in  den  Getreide- 
feldern versteckt  liegen,  ist  nichts  erhalten;  aber  wie  viel  die  Bauern  zerstört 
haben,  läßt  sich  daraus  abnehmen,  daß  das  ganze  große  Dorf  aus  zerschlagenen 
antiken  Werkstücken  erbaut  ist.  Auch  die  ganz  neue  große  Kirche  ist  so  her- 
gestellt. —  Eine  neue  und  geräumige  Kirche  gehört  übrigens  gegenwärtig  zum 
Typus  der  größeren  Dörfer  im  Peloponnes;  wo  der  Wohlstand  sich  etwas  hebt, 
verwendet  man  ihn  dazu,  die  ohne  Ausnahme  kleinen  Kirchen  der  früheren  Zeit 
zu  ersetzen.  Außerdem  drängt  die  Neuzeit  auch  hier  auf  Konzentration;  die 
zahlreichen,  im  Felde  zerstreuten  Kapellen  der  altern  Zeit  verfallen  meist,  ohne 
hergestellt  zu  werden,  und  der  Kultus  sammelt  sich  mehr  in  der  neuen  und 
großen  Dorfkirche.  —  Antike  Fundstücke,  Skulpturen  oder  Inschriften  werden  bei 
solchen  Bauten  selten  geschont,  und  während  man  sie  früher  wenigstens  so  ein- 
mauerte, daß  sie  noch  betrachtet  werden  können,  ist  es  jetzt  nicht  selten,  daß 
man  die  Dinge  zerschlägt  oder  mit  der  Kehrseite  nach  außen  vermauert,  und 
zwar  weil  man  fürchtet,  es  könne  der  Regierung  zu  Ohren  kommen,  die  das 
Vermauern  von  Antiken  überhaupt  verbietet.  Leider  haben  ja  überhaupt  die 
Gesetze  des  neuen  Griechenland  fast  nur  größere  Zerstörung  der  Antiken  zur 
Folge  gehabt  als  früher,  da  die  zur  Ausführung  nötigen  Beamten  fehlen.  Wären 
die  der  Regierung  verhaßten  Kunsthändler  nicht,  so  würde  es  gar  schlimm  aus- 
sehen. —  Einige  gutgesinnte  Leute  gibt  es  übrigens  in  den  meisten  Dörfern; 
wie  weit  deren  Dummheit  aber  geht,  zeigte  der  Lehrer  unseres  Dorfes,  der  mit 
Eifer  uns  alle  Reste  von  Heraia  zusammensuchte  und  gleich  zuerst  als  Haupt- 
sache uns  vor  einen  großen  festlich  aufgepflanzten  Stein  hinführte  —  es  war 
ein  Sandstein,  vom  Wasser  zu  einer  etwas  wunderlichen  Form  gebildet;  den 
Leuten  galt  er  für  ein  Hauptwerk  der  Skulptur  und  auf  Veranlassung  des  Lehrers 
war  beschlossen  worden,  den  Stein  in  den  nächsten  Tagen  in  das  Museum  von 
Dimitzana  (dem  Hauptorte  des  Gaues)  wandern  zu  lassen;  unsere  Autorität  be- 
freite indeß  den  Rücken  eines  Maulesels  von  dem  Schicksale,  das  eben  so  harm- 
lose als  schwere  Naturgebilde  hinauf  in  jene  Bergstadt  schleppen  zu  müssen.  — 
Die  Autorität  der  Fremden  pflegt  überhaupt  bei  den  Griechen  eine  sehr  große 
zu  sein;  man  ist  fast  allenthalben  im  Volke  überzeugt,  daß  wir  mit  Hilfe  unserer 
Bücher  ganz  genau  wüßten,  wo  jeweils  die  Tempel  und  Schätze  vergraben  liegen. 
Als  wir  endlich  auch  die  paar  im  Dorfe  verbauten  Inschriften,  die  Wasser- 
leitungsreste, die  Gräber  usw.  gründlich  besichtigt  hatten,  traten  wir  den  Rück- 
weg nach  Olympia  an,  der  von  der  Mündung  des  Ladon  an  derselbe  war,  wie 
der  Hinweg   am  ersten  Tage.     In  den  Dörfern  fanden  wir  heute,  als  am  Oster- 

16* 


>4j  Aus  der  Umgebung  Olympias. 


die-  los  auf  den  freien  Plätzen  zum  Tanzen  versammelt,  die  Mädchen  und 

Minner  in  gesonderten  Reigen;  denn  nur  selten  sieht  man  beide  Geschlechter 
immen  tanzen,  und  dann  hält  man  sich  nicht  an  der  Hand  selbst,  sondern 
einem  an  den  Zipfeln  ergriffenen  Taschentuche.  Man  wollte  durchaus,  daß 
wir  auch  in  den  Reigen  träten,  der  indeß  bekanntlich  nur  einfache  langsame 
Schritte  macht,  während  der  Vortänzer  in  den  kühnsten  Sprüngen  zu  glänzen 
sucht.  Einen  leidenschaftlichen  Charakter  sah  ich  den  griechischen  Tanz  nur  an- 
nehmen, wenn,  was  seltener  geschieht,  sich  zweie  allein  gegenüber  tanzen;  dann 
kann  er  sich  zu  unheimlicher  Aufregung,  ja  Raserei  steigern,  während  man  in 
Italien  den  lustigen  und  heitern  Charakter  nie  verleugnet  sehen  wird. 

Je  näher  wir  Olympia  kamen,  desto  häufiger  wurden  wir  von  Leuten  aufs  freund- 
lichste begrüßt,  die  zu  unsern  Arbeitern  gehörten,  oder  von  Bauern,  die  von  einer 
»ichtigung  Olympias  zurückkehrten.  Denn  Hunderte  von  den  Umwohnern  pflegen 
in  den  Ostertagen  nach  den  wieder  erstandenen  Tempeln  zu  wallfahrten;  selbst 
das  Museum  der  Statuen  beginnt  populär  zu  werden  unter  den  Griechen.    Dafür 
te  damals  namentlich  der  mit  der  Bewachung  des  Museums  betraute  griechische 
Aufseher,  der  durch  seine  volkstümlichen  Erklärungen  den  Leuten  die  Sache  an- 
zupassen wußte.   Einigen  Frauen  erläuterte  er  z.  B.  den  Hermes  mit  dem  Bacchus- 
kinde von  Praxiteles  einmal  so:   Hermes  sei  der  König  der  Nereiden  (der  noch 
vom  Volke  geglaubten,  unsern  Nixen  und  Elfen  entsprechenden  Wesen,  die  auch 
Kinder  lieben);  der  habe  hier  eben  eine  Frau  mit  einem  Kinde  getroffen,   habe 
ein  Gewand   auf  einen  Ölbaum    nebenbei   gelegt  und   das  Kind  auf  den  Arm 
nommen,  um  ihm  eine  Traube  zu  schenken. 
Vom  hohem  Gebirge  kommend,  fanden  wir  jetzt,  je  mehr  wir  uns  Olympia 
näherten,   desto   eindringlicher,   wie  sehr  doch  die  Gegend  hier  an  bedeutender 
Haltung  abnimmt;  der  ruhige  Zug  der  pinienbewachsenen  Höhen  hüben  und 
drüben  ist  nicht  mit  Unrecht  mit  dem  deutschen  Mittelgebirge  verglichen  worden. 
die  Mündung  des  Kladeostales  und  der  steile  Kronionhügel  machen  bei  der 
»lympias  selbst  einen  bedeutsamen  Abschnitt.   Da  die  Anlage  eines  Stadions 
und  dann  eines  Hippodroms  für  den  Festplatz  Haupterfordernis  war,  so  war  eben 
kaum  eine  andere  passendere  Ebene  am  Alpheios  zu  finden.    Indeß  wird 
{dingen,  alle  Grunde  zu  erkennen,  weshalb  Olympia  gerade  hier  gegründet 
und  '^roß  geworden  ist. 


EINE  AUSGABE  DER  FUNDE  VON  OLYMPIA 

IN  EINEM  BANDE 

(PREUSSISCHE  JAHRBÜCHER  1882  BAND  51.) 


egrabner  Schatz,  verborgner  Sinn  ist  Verlust  ohne  Gewinn"  —  diesem  369 
alten  Spruche  folgend  hat  die  Direktion  der  Ausgrabung  Olympias  nach 
Abschluß  jedes  Ausgrabungsjahres  einen  Band  mit  vorläufigen  Mit- 
teilungen über  die  wichtigsten  Resultate  herausgegeben.  Und  jetzt  wieder,  nach- 
dem die  Arbeit  abgeschlossen  ist  und  der  Spaten  ruht,  nachdem  fünf  jener  statt- 
lichen Bände  vorliegen,  die  doch  zum  großen  Teile  nur  provisorisches  Stückwerk, 
nur  die  einzelnen  Steinchen  bieten,  aus  denen  der  Kundige  sich  ein  Bild  zu- 
sammensetzen mag,  jetzt  da  alle  Freunde  des  Altertums  einen  Überblick  über  das 
Gewonnene,  eine  kurze  Zusammenfassung  des  Wichtigsten  wünschen  mochten, 
erhalten  wir  wieder  einen  neuen  Band,  der  jenem  Bedürfnisse  entspricht,  so  weit 
es  eben  bis  jetzt  möglich  ist,  und  für  den  wir  den  Herausgebern  wie  dem  Ver- 
leger gleich  dankbar  sein  müssen.1 

Den  letzten  Anstoß  dazu  hat  indeß,  soviel  wir  wissen,  ein  zufälliger  äußerer 
Umstand  gegeben;  als  nämlich  im  Frühjahre  vorigen  Jahres  die  griechische  Re- 
gierung uns  die  sogenannten  Dubletten  der  Funde  Olympias  zuerkannt  hatte, 
fehlten  diesseits  augenblicklich  die  Mittel,  um  dieselben  rasch  nach  Deutschland 
zu  befördern;  die  vorliegende  Publikation  hat  dies  indeß  sofort  möglich  gemacht, 
so  daß  schon  seit  Januar  dieses  Jahres  wenigstens  die  Abteilung  der  kleineren 
Fundstücke  provisorisch  im  Antiquarium  der  königlichen  Museen  dem  allgemeinen 
Studium  zugänglich  ausgestellt  werden  konnte. 

Es  ist  ein  Band  von  vierzig  Tafeln  und  kurzem  erläuternden  Texte,  der  von 
Curtius  und  Adler,  sowie  zwei  Architekten,  den  Herren  Borrmann  und  Gräber, 
verfaßt  ist.  Die  Mehrzahl  der  Tafeln  wiederholt,  freilich  mit  mancherlei  Ver- 
besserungen, die  wichtigsten  der  Denkmäler,  die  bereits  in  jenen  fünf  einzelnen, 
in  demselben  Verlage  seit  1876  erschienenen  Bänden  veröffentlicht  waren;  doch  370 
sind  auch  nicht  weniger  als  elf  Tafeln  ganz  neu  hinzugefügt,  die  fast  das  Inter- 
essanteste und  Bedeutendste  des  Bandes  enthalten.  Es  konnte  nämlich  bereits 
ein  Teil  der  Resultate  benutzt  werden,  die  sich  aus  den  Vorarbeiten  ergaben,  die 


1  Die  Funde  von  Olympia,  Ausgabe  in  einem  Bande,  herausgegeben  von  dem  Di- 
rektorium der  Ausgrabungen  zu  Olympia,  XXXX  Tafeln,  Berlin,  E.  Wasmuth  1882. 


|£  Eine  Ausgabe  der  Funde  von  Olympia  in  einem  Bande. 

vnwartig  EU  einer  abschließenden  wissenschaftlichen  Verarbeitung  des  ganzen 
:npischen  Materials  gemacht  werden.  Dahin  gehört  vor  allem  die  Restauration 
der  großen  Giebelgruppen  des  Zeustempels,  die  jetzt  auf  Anregung  und  unter 
der  Leitung  von  E.  Curtius  im  Werke  ist.  Dieselbe  hat  damit  begonnen,  zunächst 
in  genauen  verkleinerten  Modellen  das  Ganze  wiederherzustellen.  So  war  es 
möglich,  bereits  in  unserem  Bande  photographische  Ansichten  des  in  jenen 
Modellen  vollständig  restaurierten  Ostgiebels  des  Zeustempels  sowie  einiger 
Hauptgruppen  vom  Westgiebel l  zu  geben.  Natürlich  hofft  man  nach  Beendigung 
dieser  Modelle  die  Restauration  auch  im  großen  ausführen  zu  können;  doch  soll 
diese  Arbeit  noch  etwa  zwei  Jahre  beanspruchen.  Hoffentlich  können  wir  also 
binnen  kurzem  endlich  einmal  den  durch  keine  Lücke  getrübten  Totaleindruck 
zweier  großartigen  monumentalen  Schöpfungen  empfangen,  zweier  Giebelgruppen, 
die  ohne  Zweifel  im  griechischen  Altertame  selbst  zu  den  ersten  und  bedeutendsten 
Werken  der  Art  gehörten. 

Man  pflegt  heutzutage  gegen  Restauration  antiker  Bildwerke  etwas  mißtrauisch 
zu  sein,  da  man  nur  allzu  deutlich  sieht,  wie  viel  frühere  Zeiten  darin  gesündigt 
haben;  es  weiß  jetzt  jeder,  daß  selbst  die  von  einem  Manne  wie  Thorwaldsen 
ausgeführte  Restauration  der  Giebelgruppen  von  Ägina  in  München  eine  verfehlte 
war,  daß  die  Anordnung  der  Figuren  eine  mehr  als  zweifelhafte,  daß  der  Stil  des 
Ergänzten,  besonders  der  Köpfe,  ein  vielfach  mißverstandener  ist.  Doch  bei  den 
olympischen  Giebeln  liegt  die  Sache  anders:  erstlich  sollen  nicht  die  Originale, 
die  ja  in  Olympia  selbst  geblieben  sind,  sondern  nur  die  Abgüsse  restauriert 
werden,  und  dann  ist  durch  den  Reichtum  des  Erhaltenen  die  Basis  für  den 
Ergänzer  eine  so  gesicherte,  daß  er,  wie  wir  zuversichtlich  sagen  dürfen,  in 
keinem  Hauptpunkte,  nur  in  unwesentlicheren  Nebendingen  fehlzugehen  Gefahr 
läuft.  Unter  diesen  Umständen  wird  die  Forderung,  die  wir  als  eine  ideale  gewiß 
allen  uns  trümmerhaft  überkommenen  antiken  Meisterwerken  entgegenbringen,  zu 
einer  Forderung  der  Pflicht:  wenn  es  so  sicher  und  leicht  zu  erreichen  ist,  aus 
dem  Stückwerk  ein  Ganzes  zu  machen,  so  muß  es  auch  geschehen. 

Indeß  bezwingen  wir  unsere  Ungeduld  und  freuen  uns  an  dem,  was  bereits 
•istet  ist.    Schon  die  Ausführung  der  Modelle  hat  natürlich  sehr  viele  Resultate 
371  gebracht.     Gar  mancher  Torso,   mancher  trümmerhafte  Rest,  der  vordem  unver- 
ständlich  war,   ist  jetzt,  nachdem   ihn   das  geübte  Auge   und   die  Sorgfalt  des 
Künstlers  richtig  erkannt  hat,2  bedeutsam,  ja  zuweilen  entscheidend  für  die  Auf- 
fassung ganzer  Gruppen  geworden. 

Die  beschleunigte  Publikation  eines  Teiles  der  Restauration  gewährt  indeß 
leich  die  Sicherheit,  daß  etwaige  begründete  Ausstellungen  an  einzelnen  Punkten 
der  Ausführung  im  großen  berücksichtigt  werden  können. 

Tafel  VI,  VII,  X;  gegenwärtig  sind  die  beiden  Giebel  in  den  Modellen  (im  Maßstäbe 
von  1     10)  fertig  "nd  sind  Abgüsse  der  letzteren  käuflich. 

1  Herr  QrBUBcr,  ein  Schüler  Schapcrs,  hat  sich  der  mühevollen  Aufgabe  unterzogen. 


Eine  Ausgabe  der  Funde  von  Olympia  in  einem  Bande.  247 

Die  schwankende  Auffassung  und  das  doch  immer  wachsende  Verständnis 
der  in  Olympia  zu  Tage  gekommenen  Kunstwerke  bildet  schon  jetzt  ein  eigenes 
und  besonders  interessantes  Kapitel  in  der  Geschichte  der  Archäologie.  Selbst 
der  Praxitelische  Hermes  ist  ja  von  diesem  Wellenschlage  ergriffen  worden;  auch 
er  mußte  eine  erste  kurze  Periode  durchmachen,  in  welcher  er  von  manchen 
Kennern  nicht  für  ein  Werk  des  großen  Praxiteles,  sondern  nur  für  eines  aus 
seiner  Schule  oder  für  das  eines  spätem  Namensvettern  gehalten  wurde.  Ich 
selbst  gestehe,  daß  ich,  als  ich  den  Hermes  zum  ersten  Male  sah  —  es  war  in 
Olympia,  gerade  ein  Jahr  nach  der  Auffindung  — ,  daß  ich  während  der  Be- 
trachtung selbst  zwar  nur  ergriffen  war  von  dem  überwältigenden  Eindrucke  eines 
Meisterwerkes,  wie  ich  es  noch  nie  gesehen,  daß  aber  nachher,  als  bei  der 
Rückfahrt  auf  ruhiger  See  sich  die  gewissenhafte  Überlegung  einstellte,  ich  das 
Geschaute  mit  dem  Bilde,  das  ich  bis  dahin  von  Praxiteles  erlernt  oder  mir  zu- 
rechtgemacht hatte,  gar  nicht  in  Übereinstimmung  bringen  konnte;  erst  allmählich 
lernte  ich  —  umzulernen.  —  Und  die  Giebelskulpturen?  Sie  schienen,  als  sie 
einzeln  zu  Tage  kamen,  manchen  Forschern  so  untereinander  widersprechend,  daß 
man  sie  zum  Teil  für  unmöglich  zu  einem  Ganzen  gehörig  oder  einzelnes  — 
wie  den  Greis  auf  Tafel  IX  —  um  wenigstens  ein  Jahrhundert  später  als  das 
übrige  entstanden  hielt.  Man  hatte  erwartet,  Skulpturen  im  Stile  der  Parthenon- 
giebel zu  finden,  und  war  nun  überrascht,  etwas  ganz  anderes  vor  sich  zu  sehen; 
die  einen  waren  enttäuscht  und  wandten  ihr  Interesse  gleichgültig  von  dem 
Ganzen  ab,  die  andern  waren  um  so  eifriger  in  Hypothesen  über  die  Herkunft 
des  Stiles,  für  die  nun  fast  in  sämtlichen  von  Griechen  bewohnten  Landschaften 
gesucht  wurde,  indem  man  in  der  Freude  über  das  im  Originale  Gewonnene  den 
sichern  Anhalt,  den  die  alte  Tradition  an  die  Hand  gab,  meist  verschmähte. 

Es  gibt  wohl  kein  beredteres  Zeugnis  für  die  eminente  Bedeutung  der  olym- 
pischen Funde  als   dieses,   daß  sie  so   wenig  sich   in  die  bisherigen  Schemata  372 
unserer  kunstgeschichtlichen  Weisheit  einfügen  wollten,  daß  sie  so  energisch  zum 
„Umlernen"  zwangen. 

Noch  sind  wir  mitten  im  Schwanken  darin.  Die  Herausgeber  der  Publikation, 
das  Direktorium  der  Ausgrabungen  bewahrt  indeß  auch  im  vorliegenden  Bande 
wie  in  den  früheren  seine  ruhige  und  vorsichtige  Haltung,  nur  das  möglichst 
Gesicherte  gebend.  Wenn  ich  jedoch  jetzt  die  wichtigsten  Tafeln  des  Bandes 
dem  geneigten  Leser  etwas  näher  zu  charakterisieren  unternehme,  so  wird  sich 
wohl  manche  individuelle  Anschauung  beimischen,  die  wenigstens  den  einen 
Vorzug  haben  mag,  allmählich  im  Umgang  mit  den  Objekten  selbst  entstanden 
zu  sein. 

Die  Tafelreihe  wird  eröffnet  durch  umfassende  Ansichten  des  Ausgrabungs- 
feldes selbst  (Tafel  I— V);  wir  betrachten  diese  besser  später  mit  dem  Plane 
zusammen.  Es  folgt  dann  gleich  (Tafel  VI,  VII)  jene  vollständig  restaurierte  und 
vom  Rahmen  des  Gesimses  eingeschlossene  Ansicht -des  Ostgiebels.    Man  hat 


AUSGABE   DER   FUNDE  VON   OLYMPIA  IN  EINEM  BANDE. 


diese  Komposition  früher  steif  und  leer  genannt,  als  man  nur  die  einzelnen  Stücke 
kannte.  Die  Rekonstruktion  widerlegt  jenen  Vorwurf  glänzend.  Die  starren  Torsen 
haben  durch  Arme  und  Beine  und  Wendung  des  Kopfes  Leben  und  Bewegung 
erhalten;  der  Raum  ist  vollständig  gefüllt  und  in  leicht  faßlicher,  dem  suchenden 
Sich  einprägender  Harmonie  rollen  die  Linien  von  der  Mitte  nach  den 
beiden  linden. 

Die  völlige  und  zwanglos  schöne  Füllung  jedes  gegebenen  Raumes  ist  ein 
Vorzug,  den  die  Antike  bekanntlich  in  besonders  hohem  Maße  besitzt;  er  konnte 
sich  leicht  da  bilden,  wo  die  Plastik  figürlicher  Gruppen  überhaupt  nur  dekorativen 
Zwecken  diente,  wie  es  im  Altertum  eigentlich  bis  nach  Alexander  der  Fall  war, 
und  wo  sich  figürliche  Gruppenbildung  überhaupt  nur  entwickelte  im  Anschlüsse 
an  das  Ziel  gefälliger  Raumfüllung. 

Es  sind  fünf  Stellen  jener  Giebelkomposition,  die  das  Auge  zuerst  festhalten: 
die  mächtige,  genau  in  der  vertikalen  Mittellinie  stehende  gerade  Gestalt  des 
Zeus;  dann  die  Gruppe  der  Rosse  rechts  und  links  mit  ihren  gestreckten  Leibern, 
die  beiden  Giebelschrägen  bezeichnend;  und  endlich  die  lagernden  Figuren  der 
Ecken,  deren  Unterteile  ruhig  den  Linien  der  Architektur  folgen  und  gleichsam 
in  sie  übergehen.  Dies  sind  die  Angelpunkte,  es  ist  das  feste  Knochengerüste 
der  Komposition:  das  übrige  legt  sich  bekleidend  und  füllend  dazwischen. 

Aber  fragen  wir  nicht  besser  erst,  welcher  Moment  der  Handlung  eigentlich 
dargestellt  ist?  Ein  Versuch,  diese  Frage  zu  beantworten,  würde  uns  gleich  lehren, 
wie  sehr  die  rein  künstlerischen  Forderungen  unserem  Künstler  das  erste  waren 
und  das  Streben  nach  genauem  Ausdrucke  des  Stoffes  zunächst  etwas  zurück- 
stand. Man  mußte  die  zu  Grunde  liegende  Fabel  schon  kennen,  um  seine  Dar- 
stellung zu  verstehen;  einen  einzelnen  sofort  faßlichen  Moment  derselben  hat  er 
überhaupt  nicht  gegeben;  er  hat  in  einem  idealen  Gesamtbilde  vereinigt,  was  die 
e,  in  einzelne  Handlungen  zerlegt,  bot;  er  folgte  frei  und  ganz  den  Gesetzen 
der  eigenen,  der  bildenden  Kunst.  —  Die  Sage  ist  bekanntlich  die  vom  Wett- 
rennen des  Pelops  und  Önomaos,  das  in  Olympia  als  das  älteste  und  denk- 
würdigste galt  und  in  welchem  Pelops  siegend  sich  die  schöne  Braut  Hippo- 
dameia,  des  Önomaos  Tochter,  erwarb. 

In  der  Mitte  zwischen  den  beiden  Parteien  steht  Zeus,  nicht  als  Schiedsrichter 
urteilend,  wie  man  gemeint  hat,  noch  etwa  das  Opfer  jener  beiden  entgegen- 
nehmend, sondern  einfach  als  der  göttliche  Mittelpunkt  des  Ganzen,  nach  dessen 
Ratschlüsse  die  Verwickelung  sich  löste,  zu  dessen  Ehren  dies  alles,  das  Wett- 
•ien  der  Sage  wie  das  der  wirklichen  Feste  geschieht,  zu  dessen  Ehren  der 
Tempel  selbst  erbaut  ist.  So  steht  Athena  in  den  äginetischen  Giebeln  unsichtbar 
waltend  inmitten  der  Kämpfenden.  Nur  durch  die  Wendung  des  Kopfes  deutete 
un-  Her  an,  daß  Zeus  sich  dem  Pelops  geneigt.    In  den  beiden  Paaren  der 

die  man  als  leblos  und  steif  getadelt  hat,  entwickelt  der  Künstler 
Imehr  eine  einfache,  aber  feine  Schilderung  des  ethischen  Charakters  wie  der 


Eine  Ausgabe  der  Funde  von  Olympia  in  einem  Bande.  249 


Stimmung,  und  symbolisiert  hiedurch  Verlauf  und  Ausgang  des  ganzen  Ereignisses: 
auf  Seiten  des  Pelops  bescheidene  Festigkeit  und  Freude,  dort  bei  Önomaos 
trotzige  Unruhe  und  trübes  Sinnen.  Selbst  auf  die  Wagenlenker  erstreckt  sich 
dieser  Gegensatz;  jener  jugendliche,  zarte  des  Pelops  ist  fröhlich  zugewandt; 
abgewandt  kniet  der  treulose  Myrtilos  drüben.  Die  Rosse  sind  nicht  angeschirrt, 
denn  keine  Wagen  sind  da;  ein  lebloses  Objekt  wie  einen  leeren  Wagen  konnte  der 
Künstler  nicht  brauchen ;  auch  sind  ja  die  Pferde  allein  das  Wesentliche  [Anders 
Archäol.  Jahrb.  1891  S.  76  ff.].  Solche  Abstraktionen  gehören  ja  zur  Eigenart  der 
griechischen  Kunst,  die  den  Ballast  banaler  Deutlichkeit  nie  schleppen  wollte.  Da 
aber  die  Rosse  nur  am  Zügel  gehalten  werden,  müssen  selbstverständlich  die  Lenker 
vor  denselben  sich  befinden;  sie  füllen  hier  trefflich  den  Raum  aus,  ohne  durch  zu 
starre  Symmetrie  zu  stören.  —  Hinter  den  Rossen  ist  ein  Einschnitt  der  Komposition; 
eine  neue  kleinere  Abteilung  beginnt,  um  sich  dann  in  den  Ecken  zu  verlieren.  Zu- 
nächst lagern  da  an  der  Erde  zwei  merkwürdige  Gestalten,  ältere  Männer,  verschieden 
bewegt;  auch  hier  der  auf  Pelops'  Seite  in  freudiger  Erregung  emporblickend, 
und  der  andere  drüben,  ein  Greis,  in  finsterem  Sinnen  umwölkten  Blickes  nach 
der  Mitte  schauend.  Auch  hier  wie  bei  den  Wagenlenkern  ist  durch  die  ab- 
weichende Richtung  die  sonst  allzu  strenge  Symmetrie  gemildert,  doch  ist  diese 
Richtung  hier  natürlich  die  umgekehrte  von  der  der  Wagenlenker,  so  daß  ein  an- 
genehmer Chiasmus  entsteht;  zugleich  war  es  so  möglich,  auf  die  Seite  des  374 
Pelops  die  stärkere  Bewegung,  auf  die  andere  die  Ruhe  des  dumpfen  Brütens 
zu  bringen.  —  Diese  beiden  Figuren  wurden  vom  Künstler  geschaffen  im  An- 
schlüsse an  einen  Typus,  der  für  verwandte  Szenen  bereits  feststand.  Zu  allen 
wichtigen  Unternehmungen,  Kriegszügen  und  dergleichen  gehörte  bei  den  Alten 
der  Seher,  und  was  Sage  und  Poesie  so  vielfach  verwendeten,  das  ließ  auch  die 
Kunst  sich  nicht  entgehen,  das  schöne  Motiv  des  weisen  Sehers,  der  das  Unheil 
heraufziehen  sieht,  ohne  es  abwehren  zu  können.  Altertümliche  Vasenbilder  zeigen 
oft  bei  Szenen  kriegerischen  Auszuges  und  besonders  bei  jenem  verhängnisvollen 
des  Amphiaraos  einen  Greis  vor  den  Pferden  des  Wagens,  meist  an  der  Erde 
sitzend,  der  mit  der  Gebärde  der  Trauer  sich  an  den  Kopf  greift.  Halimedes  wird  er 
auf  einer  sehr  alten  Vase *  genannt,  und  der  Halitherses,  den  noch  spätere  Künstler 
dem  Auszuge  des  Amphiaraos  zufügten,  war  gewiß  dieselbe  Figur;  Halitherses  heißt 
auch  in  der  Odyssee  ein  greiser  weiser  Vogelschauer  auf  Ithaka,  der  des  Odysseus 
Ankunft  prophezeit  und  das  Unheil  der  Freier  vorausgesehen  hat.  Der  Name, 
vielleicht  mit  den  alten  mythologischen  Vorstellungen  vom  weisen  Seegreise  zu- 
sammenhängend, war  eben  typisch  für  jene  typische  Figur.  Wir  wissen  nicht,  ob  man 
auch  Namen  hatte  für  die  Seher  des  Pelops  und  Önomaos,  doch  ist  dies  ohne  Belang. 
Der  Rahmen,  den  die  vier  Eckfiguren  nun  um  diese  Komposition  bilden,  ist 
einem  Rahmen  aus  frischem  Grüne  zu  vergleichen;  es  sind  Wesen  der  Natur,  die 


[Berlin  1655.    Furtwängler-Reichhold-Hauser,  Griechische  Vasenmalerei  121.] 


l-isr  Ausgabe  der  Funde  von  Olympia  in  einem  Bande. 

lebendigen  Vertreter  der  lokalen  Umgebung;  hier  links  der  Fluß  Alpheios,  dessen 
Wellen  nur  wenige  Schritte  von  da  flössen,  eine  Nymphe  neben  ihm,  die  vielleicht 
Mumenlesende  gedacht  Ist;   und  drüben  der  muntere,  jugendlich  neugierige 
ch  Klldeos  nebst  einem  knabenhaften  Gesellen,  der  in  unbekümmerter  Unschuld 
:  Natürlichkeit,   als  ob  er  am  Bache  säße,   die  Nägel  der  Zehen  sich  reinigt 
Vchäol.  Jahrb.  1891  S.  87]. 
Um  sich  die  Wirkung  dieser  Idee  auf  die  Zeitgenossen  zu  vergegenwärtigen, 
muß  man  bedenken,  daß  sie,  die  so  viel  nachgeahmte,  damals  eine  völlig  neue 
war.  Jene  Dämonen,  welche  die  Natur  selbst  darstellen  sollen,  begann  man  damals 
■  einzuführen  in  die  Kunst,   und  welch   glücklicher  Gedanke  war  es,   die  so 
spröden  Ecken  des  Giebeldreiecks  mit  solchen  behaglich  gelagerten  Gestalten  des 
Lokales  zu  füllen!    Phidias  an  den  Giebeln  des  Parthenon  konnte  nichts  Besseres 
tun  als-    wiederholen;  die  Ecken  seines  Westgiebels  mit  ihren  Flußgöttern  werden 
unter  unmittelbarem  Einflüsse  unseres  olympischen  Ostgiebels  entstanden  sein; 
denn  auch  jenen  Knaben  auf  der  rechten  Seite  wiederholte  er  dort  sehr  ähnlich. 
Derselbe  ist  in  unserem  Giebel  auch  eine  vorzüglich  passende  Figur  als  Übergang 
375  zwischen  seinen  beiden  ins  Profil  gewendeten  Nachbarn.   Seine  Stellung  zeigt  ihn 
nimlidi  von  vorne,1  wodurch  sich  die  Ecke  zugleich  sondert  und  doch  ein  ge- 
fälliger Übergang  erzielt  wird,  den  wir  auf  der  andern  Seite  des  Giebels  vermissen 
[Anders  Archäol.  Jahrb.  1891  S.  79]. 

Also  eine  durchaus  fein  abgewogene,  bis  ins  einzelne  überlegte  Komposition 
haben  wir  vor  uns,  die  sich  aufs  natürlichste  in  den  Rahmen  des  Giebelfeldes 
einordnet. 

Diese  ließ  sich  indeß  erst  nach  der  im  vorliegenden  Bande  publizierten  Re- 
stauration und  Anordnung  der  einzelnen  Figuren  richtig  beurteilen.  Es  ist  freilich 
schon  vorher  in  einigen  im  Publikum  weiter  verbreiteten  Büchern  eine  andere 
Aufstellung,  die  einigen  Figuren  einen  andern  Platz  anweist,  publiziert  und  ganz 
neuerdings  von  ihrem  Urheber,  G.  Treu,  in  der  Archäologischen  Zeitung 2  ausführlich 
■rteidigt  worden;  ich  muß  dieselbe  jedoch  für  verfehlt  halten. 

Von  dem  westlichen  Giebel   konnte  noch  keine  vollständige  Restitution 

/eben   werden;   nur  zwei  der  kühnsten  und  originellsten  Gruppen   sind  ver- 

ntlicht   nebst   einigen   der  schönsten   Köpfe   und   Torsen   (Tafel  X  ff.).     Der 

genstand  ist  ein  wilder  Kampf  der  Kentauren,  der  Pferdemenschen,  mit  Peirithoos 

is   und   deren  jugendlichen  Genossen   bei  der  Hochzeit  des  ersteren. 

b   herrscht  hier  das  gleiche  Kompositionsprinzip   wie   dort;   auch   hier  steht 

-'•n^erade  eine  Göttergestalt  in  der  Mitte;  Apollo  ist  es,  an  dem  sich  hier  wie 

•  m  festen  Riffe   die   von  beiden  Seiten   heranstürmenden  Wellen  brechen. 

'ichtung  ge^en  die  Mitte  in  den  beiden  Hauptgruppen  zu  Seiten  des  Apoll 

II  dürfte  noch  etwas  mehr  in  die  Vorderansicht  gedreht  werden,  als  es  auf 
der  Tafel  geschehen  i 

*  (  '1.1  ff.  Tafel  12] 


Eine  Ausgabe  der  Funde  von  Olympia  in  einem  Bande.  251 

wird  dann  unterbrochen  und  es  folgen  als  Vermittlung  zunächst  zwei  kleinere 
aus  dem  Hintergrunde  herausspringende  Gruppen,  dann  aber  in  Wendung  nach 
den  Giebelecken  die  Kentaurengruppen  der  Tafel  X.  Den  Schluß  bilden  gegen 
die  Mitte  gewandte  weibliche  Gestalten,  die  etwas  einförmig  hintereinander  liegen, 
so  daß  wir  hier  die  wohltuende  rhythmische  Abwechslung  des  Ostgiebels  vermissen. 
Die  Eckfiguren  dienen  indeß  auch  hier  zur  lokalen  Fixierung  und  Umrahmung 
durch  die  Natur;  es  sind  die  Nymphen  der  feuchten  Täler  am  Pelion,  wo  man 
den  Kampf  geschehen  dachte  [Anders  Archäol.  Jahrb.  1891  S.  87]. 

Es  ist  nun  überliefert,  und  wir  haben  bis  jetzt,  wie  ich  glaube,  keinerlei 
Recht,  es  zu  leugnen,  daß  das  östliche  Giebelfeld  von  Päonios,  das  westliche 
von  Alkamenes  herrühre.  Aber  wir  lernen  jetzt  aus  den  Funden,  daß  diese  beiden 
Künstler  sich  überaus  nahe  gestanden  haben  müssen.  Das  Kompositionsprinzip 
ist  an  beiden  Giebeln  dasselbe;  die  große  Verschiedenheit  rührt  von  dem  ver- 
schiedenen Stoffe  her;  und  wenn  wir  am  Westgiebel  die  Gruppen  zuweilen  etwas 
hart  und  gezwungen,  die  Symmetrie  etwas  zu  starr  finden,  so  könnte  dies  eben-  376 
sosehr  dem  schwierigen  Stoffe  als  der  Individualität  des  Künstlers  zur  Last  fallen. 
Die  Übereinstimmung  in  der  Ausführung  der  beiden  Giebel  aber  ist  noch  evidenter 
für  denjenigen,  der  die  Stücke  alle  einzeln  in  den  Originalen  kennt.  Von  den 
vorhandenen  Differenzen  sind  die  zwischen  einzelnen  Figuren  des  Westgiebels 
selbst  (vergleiche  zum  Beispiel  Tafel  XIV,  A  und  B)  entschieden  stärker  als  die 
zwischen  den  beiden  Giebelfeldern.  Die  beiden  Künstler  müssen  also  eng  ver- 
bunden gewesen  sein,  etwa  als  Lehrer  und  Schüler.  Nun  rühmt  sich  aber  der 
eine  derselben,  Päonios,  wie  es  scheint,  in  der  Inschrift  eines  anderen  Werkes, 
der  Nike,  daß  er  den  ganzen  Schmuck  des  Giebeldaches  gemacht  habe.  Vielleicht 
also  war  Päonios  der  Meister,  dem  das  Ganze  zugeteilt  war,  und  Alkamenes  sein 
Schüler,  dem  jener  den  Westgiebel  insbesondere  anvertraute?  Gewisse  Ungleich- 
heiten des  letzteren,  einerseits  das  Haften  an  altertümlicher  Strenge,  andererseits 
der,  besonders  in  den  Nymphen  der  Ecken  fühlbare,  bedeutend  freiere  Charakter, 
würden  vielleicht  für  jene  Annahme  sich  verwenden  lassen,  da  sie  den  jungen 
Künstler  zu  verraten  scheinen.  Jedenfalls  ist  der  Ostgiebel  gleichmäßiger  und 
harmonischer  auch  in  der  Ausführung,  denn  jene  gewisse  Starrheit,  die  namentlich 
in  den  Mittelfiguren  herrscht  und  mit  dem  sonstigen  Streben  nach  Natürlichkeit 
und  Weichheit  kämpft,  sie  gehört  zu  dem  Stile  der  Tempelskulpturen  überhaupt, 
der  Giebel  wie  der  Metopen. 

Von  den  letzteren,  den  Metopen,  geben  Tafel  XXI  und  XXII  die  besten 
Proben;  es  sind  neue  Aufnahmen  nach  den  durch  die  letzten  Funde  vervollständigten 
Abgüssen.  Man  hat  die  Metopen  stilistisch  teils  ganz  von  den  Giebeln  trennen, 
teils  sie  in  zwei  durchaus  verschiedene  Gruppen  teilen  wollen;  beides  fälschlich. 
Vor  zu  subtilen  Unterscheidungen  und  zu  raschen  allgemeinen  Folgerungen  aus 
einzelnen  Differenzen  kann  man  sich  nicht  genug  hüten;  haben  doch  die  an- 
fänglichen Versuche,   die  Figuren   nach  stilistischen   Beobachtungen   dem   einen 


Kim   Ausgabe  der  Funde  von  Olympia  in  einea\  Bande. 


H    dem    andern   Giebel   zuzuweisen,   zu   den   falschesten   Resultaten    geführt. 
Die  Metopen    bilden    mit   den  Giebeln   eine  unzertrennliche  Gruppe  und  ihr  Stil 

derselbe,  den  wir  als  den  des  Päonios  bezeichnen  dürfen.     Ihre  Ausführung 

Indefi  etwas  straffer  und  sorgsamer  als  die  der  Giebel.  Besonders  anziehend 
\tkismetope  Tafel  XXI  mit  der  edlen  Ruhe  ihrer  Gestalten.  Die  originellste 
der  Metopen  konnte  leider  nicht  mitgegeben  werden;  es  ist  die  des  Herakles  mit 
dem  Xemeischen  Löwen;  ganz  abweichend  von  aller  Tradition  nämlich  zeigt  da 
der  Künstler  den  Heros,  der  bei  dieser  seiner  ersten  Großtat  allein  noch  in  un- 
bärtiger Jugendlichkeit  dargestellt  ist,  nicht  im  Kampfe,  sondern  in  schwermütiger 
Ruhe  nach  dem  Siege;  er  setzt  den  Fuß  auf  das  erlegte  Tier  und  stützt  den 
müden  Kopf  in  die  Hand;  es  ist,  als  ob  sein  trüber  Blick  all  die  Mühe  und  Not 
prophetisch  voraus  erkenne,  die  ihm  noch  bevorstehen.  Gewiß  kein  geringer 
Künstler,  kein  „Steinmetze  von  Elis"  war  es,  der  es  wagen  durfte,  so  kühn  mit 
einem  durch  Jahrhunderte  feststehenden  Typus  zu  brechen  und  ein  Stimmungs- 
bild an  Stelle  der  Handlung  zu  setzen.    Ich  erkenne  hier  eben  Päonios. 

Der  Zeustempel  wurde,  wie  wir  jetzt  sicher  wissen,  für  einen  so  großartigen 
Bau  sehr  rasch  und  in  einem  Zuge  errichtet;  die  Metopentafeln  mußten  während 

Aufbaues  selbst  eingefügt  werden;  die  Giebelfiguren  aber  sind  von  jenen 
nicht  zu  trennen.  So  stand  der  ganze  Tempel  schon  etwa  um  460  fertig  da. 
Der  zweite  größte  Tempelbau  des  damaligen  Griechenland,  der  Parthenon  in 
Athen,  wurde  erst  zirka  zwölf  Jahre  später  begonnen.    Das  Früheste  an  dem  so 

len  Bildschmucke  des  Parthenon  sind  unstreitig  die  Metopen,  die  also  nicht 
lange  nach  Vollendung  der  olympischen  Skulpturen  entstanden.  Es  ist  nun  überaus 
interessant  -  -  namentlich  da  auch  ihr  Hauptgegenstand,  Kentaurenkämpfe,  sich 
mit  Olympia  berührt  — ,  hier  Vergleiche  anzustellen;  sie  führen  tief  ein  in  das 
damalige  Kunstleben.  Der  große  Gegensatz,  der  zuerst  zwischen  den  olympischen 
und  jenen  attischen  Werken  zu  bestehen  scheint  und  den  ich  bei  meinem  ersten 

suche  in  Olympia  selbst  sehr  lebhaft  empfand,   verschwand  mir  bei  näherem 
Studium  immer  mehr.    Abgesehen  von  einigen  wenigen  sich  leicht  ausscheidenden 

topen  steht  die  Überzahl  derselben  am  Parthenon    unter  dem  evidenten  Ein- 
flüsse derselben  Kunstweise,   die  wir   in  Olympia  erkennen.     Der  durchgehende 
iiied  ist  nur  der:  was  dort,  in  Olympia,  einem  mächtigen  breiten  Strome 
hbar   hinrauscht,   das  fließt   hier,    in  schmäleres  Bette  gedämmt,   ruhiger, 

-   meist   auch    klarer.     Die   breite   Fülle   sucht   man    in    magere   Straffheit   zu 

ideln  und  da*  Ungebundene  zu  regeln.  Nicht  immer  ist  die  Wirkung  günstig; 
matt  und  abgeschwächt  erscheint  namentlich  die  Wiederholung  jener  zwei  mächtigen 

;ppen  der  frauenraubenden  Kentauren  zu  beiden  Seiten  des  Apollon.'  Die  Ent- 
lehnung ist  ganz  zweifellos;  wie  im  Giebel  hat  der  Metopenkünstler  die  beiden 

ippen  gegenübergestellt  und  nur  durch   eine   getrennt,   welche   dem  Apollon 

1  (Michaeli  .  PsfttMDOfl  Tafd3.  X,  XII.] 


Eine  Ausgabe  der  Funde  von  Olympia  in  einem  Bande.  253 


dort  entspricht,  also  eine  ganz  für  die  Bedingungen  der  Giebelfelder  erfundene 
Komposition  in  die  Metopen  übertragen.  Wohl  sind  nun  in  letzteren  die  Glieder 
der  Frauen  klarer,  die  dort  noch,  unter  der  schweren  Hülle  des  Gewandes  ver- 
steckt, nur  zu  erraten  sind;  wohl  sind  die  Reste  des  Altertümlichen  in  den  Falten 
beseitigt;  —  aber  die  Energie,  das  Feuer  der  Bewegungen,  die  Prägnanz  der 
Motive  ist,  hier  wenigstens,  verloren  gegangen.  —  Die  Abhängigkeit  der  meisten 
Parthenonmetopen  von  der  in  Olympia  repräsentierten  Kunsttradition  ist  aber 
auch  in  den  rein  formalen  Dingen  deutlich.  Man  liebt  es  hier  wie  dort,  die  378 
Haare  plastisch  nur  als  glatte  Masse  zu  bilden  und  das  übrige  der  Malerei  zu 
überlassen;  auch  an  den  Roßschweifen  geschieht  dies.  In  den  Gewändern  erkennt 
man  hier  wie  dort  dieselbe  Art  von  dicken  Stoffen,  die,  wo  sie  aufliegen  oder 
sonst  zusammengedrückt  werden,  sich  in  weiche  Falten  mit  rundlichen  welligen 
Brüchen  legen;  besonders  an  verborgeneren  Stellen  der  Metopen  entdeckt  man 
überraschende  Übereinstimmungen  mit  den  olympischen  Gewändern;  selbst  die 
eigene  Art,  wie  zum  Beispiel  auf  dem  linken  Schenkel  des  hockenden  Knaben 
im  Ostgiebel  der  Mantelrand  aufliegt,  kehrt  dort  wieder.  In  den  Köpfen  ist 
besonders  eine  jüngst  erst  vervollständigte  Metope  frappant  ähnlich. 

Wie  erklärt  sich  dieses  Verhältnis?  Sind  die  olympischen  Skulpturen  vielleicht 
selbst  nur  aus  attischer  Schule  hervorgegangen?  —  Nein;  die  Kunstweise,  die 
uns  ein  nicht  genug  zu  preisendes  Geschick  in  Olympia  erhalten  hat,  war  viel- 
mehr eine  Lehrerin  und  eine  der  Hauptquellen  für  die  attische,  aus  denen  diese 
sich  kräftigte,  um  dann  durch  das  Genie  des  Phidias  jene  ihre  einzige  Höhe  zu 
erreichen.    Und  jene  Kunstweise  ist  keine  andere  als  die  ionische. 

Eine  allzu  einseitige  Voreingenommenheit  für  die  Originalität  attischer  Kunst 
hat  es  bisher  verhindert,  daß  man  die  noch  im  ganzen  fünften  Jahrhundert  eminente 
Bedeutung  der  ionischen  Kunst  richtig  würdigte;  freilich  hat  man  auch,  was  von 
letzterer  erhalten  ist,  zum  Teile  nicht  als  solches  erkannt.  Der  Charakter,  der  uns 
in  den  verschiedenen  lokalen  Gruppen  der  altionischen  Kunst  —  in  Kleinasien,  auf 
den  Inseln,  den  nördlichen  und  westlichen  Kolonien  —  ziemlich  übereinstimmend 
entgegentritt,  ist  der  einer  eigenen  Vollsaftigkeit,  einer  ungeniert  derben  Ursprüng- 
lichkeit und  einer  reichen  Phantasie;  Schöpfungen  wie  die  ihr  durchaus  eigenen 
pferdehufigen  stumpfnasigen  Silene  sind  sprechendes  Zeugnis  dafür.  Aber  diese 
Kunst  mit  ihrer  breiten  Fülle,  sie  geht  vom  Äußerlichen  aus,  vom  bunten  Reize 
der  Erscheinung,  sie  dringt  nicht  in  die  Tiefe,  sie  ergründet  nicht  die  Gesetze 
der  Organismen,  sie  begnügt  sich,  den  äußern  Schein  des  Natürlichen  zu  geben 
und  tut  dies  mit  sinnlichem  Feuer  und  Energie,  aber  sie  fragt  nicht  nach  gesetz- 
mäßiger Begründung  von  innen  heraus.  Daher  denn  ihr  vorwiegend  malerischer 
Charakter;  auch  ist  neben  der  Malerei  selbst  die  dekorative  Skulptur  ihre  Haupt- 
tätigkeit; sie  bedeckt  gern  alles,  Geräte  und  Bauten,  mit  bunt  bemaltem  figür- 
lichem Schmucke.  Ihr  Stil  war  schon  in  der  archaischen  Periode  weniger  herb 
und  streng  als  der  im  übrigen  Griechenland;  sie  gelangte  zuerst  dazu,  an  Stelle 


1'iM   AUSGABE  der  Funde  von  Olympia  in  einem  Bande. 


konventioneller  steifer  Faltenzüge  eine  weiche  natürliche  Gewandbildung  zu  setzen; 
Leben  und  Ausdruck,  zunächst  mehr  sinnlicher,  dann  auch  geistiger  Art  sah  man 
zuerst  an  ihren  Köpfen.  Als  Athen  nach  den  Perserkriegen  sich  so  glänzend 
erhob  und  die  materiellen  und  geistigen  Kräfte  der  ionischen  Welt  in  sich  zu 
vereineil  strebte,  da  war  es  epochemachend  für  die  Kunst,  als  ein  Genius  ersten 
Ranges  wie  der  große  ionische  Maler  Polygnot,  und  ihm  folgend  manche  Ge- 
nossen ionischer  Abkunft,  sich  in  Athen  niederließen.  Ihre  Kunst  hatte  eine 
mächtige  Wirkung  hier,  die  wir  noch  aus  dem  Umschwünge  teilweise  erkennen 
können,  der  selbst  die  handwerksmäßige  Gefäßmalerei  damals  betraf.  —  Als 
aber  der  olympische  Tempel  gebaut  ward,  da  galten  gewiß  noch  die  ionischen 
Künstler  für  die  ersten  in  der  dekorativen  Tempelskulptur;  in  der  Konkurrenz 
ward  Päonios,  gebürtig  aus  Mende,  einer  nördlichen  ionischen  Kolonie,  der 
Sieger;1  sein  Genosse  Alkamenes  aber  stammte  von  Lemnos,  einer  Insel  im 
Gebiete  ionischer  Kunstweise.  Echt  ionisch  aber  sind  an  ihren  Skulpturen  alle 
ihre  wichtigsten  Eigenschaften:  zunächst  der  gesamte  malerische  Charakter  der- 
selben; im  einzelnen  die  Behandlung  der  Haare,  auch  die  Hauben  und  bunten 
Binden  der  Frauen,  die  auch  Polygnot  so  sehr  liebte;  das  Gewand  mit  den 
weichlichen  Falten,  die  Körper,  die,  obwohl  in  der  Anlage  noch  etwas  altertümlich 
gebunden,  doch  schon  durch  weiche  Hautfalten  das  Natürliche  erstreben  und  von 
der  straffen  attischen  Magerkeit  weit  entfernt  sind;  dann  die  Köpfe  mit  ihren 
weichen  Partien  um  die  Augen  und  jenen  Falten,  die  innere  und  äußere  Erregung 
widerspiegeln;  vor  allem  aber  die  so  überraschend  naturwahren  Typen  des  Greises 
und  der  alten  Frauen;  so  wußte  auch  Polygnot  die  Lebensalter  vorzüglich  zu 
unterscheiden,  und  die  einzigen  Analogien  für  jene  olympischen  Bildungen  finden 
wir  auf  gleichzeitigen  ionischen  Tonreliefs,  die  nach  einem  Hauptfundorte  „melische" 
genannt  zu  werden  pflegen,  und  auf  jenen  attischen  Vasen,  die  eben  unter  Polygnots 
Einflüsse  stehen  und  die  auch  sonst  die  überraschendsten  Analogien  mit  den 
olympischen  Skulpturen  aufweisen.  Echt  ionisch  ist  ferner  jene  ungeschminkte 
Natürlichkeit  der  Motive,  die  sich  trotz  einer  gewissen  Gebundenheit  überall 
durchringt  und  besonders  deutlich  ist  in  dem  Knaben,  der  sich  an  den  Zehen 
kraut,  oder  selbst  der  feierlichen  Gestalt  des  Zeus,  der  mit  der  Rechten  so 
natürlich  und  unbewußt  in  den  Rand  seines  Mantels  greift.  Und  als  ionisch 
dürfen  wir  schließlich  auch  die  feurige  Bewegung  und  die  Kühnheit  der  Gruppen- 
bildung  im  Westgiebel  ansprechen,  vielleicht  auch  den  Gedanken,  durch  Dämonen 
der  Natur  und  des  Lokales  das  Ganze  zu  umrahmen. 

schichtliche  Bedeutung  dieser  Tradition  hat  zuerst  H.Brunn  erkannt; 

die  unzweifelhaft  richtige  Bahn  gewiesen,  ist  man  ihm  bis  jetzt  nicht  gefolgt. 

seine  feine  stilistische  Würdigung   der   olympischen  Skulpturen    ist  trotz   mancher 

wir  bis  jetzt  nach  dieser  Seite  besitzen.    [Sitzungsbcr.  der  Bayer. 

Akadcm:  nsdl.  phJlof.-phllol.  Klasse  1877,  I  S.  1—28  und  1878  I  S.  442—471  = 

Kleine  Schriften  II  S.  201  ff.  und  217  ff.] 


Eine  Ausgabe  der  Funde  von  Olympia  in  einem  Bande.  255 

Die  Malerei  und  die  mit  ihr  immer  Hand  in  Hand  gehende  Reliefskulptur  380 
haben  die  Gruppenbildung  bei  den  Alten  entwickelt.  Die  olympischen  Giebel- 
figuren, obwohl  fast  ringsum  ausgeführt,  sind  doch  nur  als  Hochreliefs  zu  fassen, 
ja  als  sehr  malerische,  wie  am  besten  die  zwei  Kentauren  zeigen,  die  nur  mit 
den  Vorderkörpern  aus  der  Giebelwand  herausspringen,  während  ihre  größere 
hintere  Hälfte  der  Phantasie  zu  ergänzen  überlassen  ist.  Die  dorische  Giebel- 
plastik, wie  sie  vom  äginetischen  Tempel  vorliegt,  gibt  freilich  den  Figuren  ganz 
statuarische  Abrundung,  kennt  aber  die  verschlungene  Gruppenbildung  ionischer 
Kunstart  nicht.  Phidias  erscheint  später  auch  hierin  als  Vermittler  der  beiden 
Richtungen. 

Verweilen  wir  einen  Augenblick  bei  Phidias.  Er  war  bekanntlich  der  Schöpfer 
jenes  mächtigen  Zeusbildes,  welches  das  Großartigste  war,  das  Olympia  je  be- 
sessen, das,  später  nach  Byzanz  geschleppt,  leider  nur  die  steinerne  Basis  zurück- 
ließ, die  wir  —  und  auch  diese  zerstückt  und  in  alle  Winde  zerstreut  —  wieder- 
auffanden. Der  Zeitpunkt  der  Ausführung  jenes  Werkes  ist  in  neuester  Zeit  eine 
brennende  Frage  geworden.  Auch  ich  glaube  indeß  bestimmt,  daß  sich  die 
Errichtung  des  Zeuskolosses  unmittelbar  an  den  Tempelbau  anschloß  und  die 
Eleier  nicht  mit  dem  Wichtigsten  über  zwanzig  Jahre,  gerade  bis  Phidias  zu- 
fällig aus  Athen  fliehen  mußte,  warteten.  Es  ist  jetzt  wenigstens  nachgewiesen 
worden,  daß  der  Parthenon  erst  447  begonnen  wurde  und  Phidias  sehr  wohl 
vorher  in  Olympia  sein  konnte1  [Anders  Meisterwerke  S.  58  ff.  Melanges  Perrot 
S.  109  ff.]  Man  wird,  als  der  Bau  seiner  Vollendung  nahte,  für  das  Zeusbild 
ebenso  wie  einst  für  die  Tempelskulpturen  eine  Konkurrenz  eröffnet  haben. 
An  ihr  beteiligte  sich,  wie  ich  eine  Andeutung  des  Pausanias  verstehe,  und 
wie  es  ja  sehr  natürlich  war,  der  dort  anwesende  Alkamenes;  aber  Phidias 
siegte.  Er  ließ  sich  gleich  vor  den  Mauern  der  heiligen  Altis  eine  Werkstatt 
bauen  und  muß  nun  eine  Reihe  von  Jahren  im  Tale  des  Alpheios  an  jenem 
einzigen  Werke  gearbeitet  haben.  Alkamenes  aber,  weit  entfernt,  sich  durch  jene 
Niederlage  gekränkt  zu  fühlen,  schloß  sich  wohl  von  nun  an  eng  an  den  über- 
legenen Genius  des  Phidias  an,  und  letzterer  wird  begierig  aufgenommen  haben, 
was  ihm  die  ionische  Kunstweise,  die  er  bis  dahin  mehr  aus  der  Malerei  kennen 
mochte,  die  er  selbst  in  der  Jugend  getrieben  hatte,  auch  in  der  Skulptur  entgegen- 
brachte. Die  letzten  Figuren  seines  Westgiebels  machte  Alkamenes  vielleicht  erst,  als 
Phidias  bereits  anwesend  war;  sie  sind  die  einzigen,  die  aus  attischem  Marmor  vom 
Pentelikon  gefertigt  sind,  dessen  Brüche  man  damals  in  Athen  selbst  erst  begann 
in  größerem  Maßstabe  für  Skulptur  zu  benutzen  [vgl.  Olympia  III  S.  93  ff.]. 

Um  447  also  fing  man  mit  dem  Bau  des  Parthenon  an,  von  dessen  plastischem  381 
Schmucke  die  Metopen  der  älteste  Teil  sind,  der  eine  so  große  Abhängigkeit  von 


1  Durch  G.  Löschcke  in    „Historische  Untersuchungen",  Festschrift  für  A.  Schäfer, 
Bonn  1882. 


i)C£  AUSGABE   DER  FUNDE  VON   OLYMPIA  IN  EINEM  BANDE. 


und  Vortagen  ionischer  Kunst  und  speziell  Olympias  zeigt.  Phidias  selbst 
wird  an  ihnen  nicht  viel  Teil  haben,  da  er  zu  sehr  mit  dem  Bilde  der  Parthenos 
selbst  und  dann  mit  Fries  und  Giebeln  beschäftigt  sein  mußte;  nach  der  Vollendung 
Hildes  aber  wurde  er  angeklagt  und  gefangen  gesetzt;  doch  er  entfloh,  und 
u  wandte  er  sich  nach  der  Stätte,  wo  er  solange  geweilt,  wo  sein  größtes 
Werk  sich  befand  und  er  Freunde  und  Verehrer  genug  haben  mußte,  wo  seine 
Nachkommen  in  der  Folgezeit  einen  ständigen  Ehrenposten  bekleideten,  nach  Elis. 
Vielleicht  arbeitete  er  hier  noch  ein  oder  das  andere  Werk,  wie  die  goldelfen- 
beinerne Aphrodite  in  der  Stadt  Elis  und  vielleicht  die  Siegerstatue  des  schönen 
Knaben  Pantarkes,  dessen  Name  er  als  den  seines  Lieblings  am  Finger  jener  Liebes- 
:in  anbrachte  [Meisterwerke  S.  62].  Der  Greis  scheint  in  Elis  ruhig  gestorben  zu 
sein.  So  wenigstens  glaube  ich  mir  diese  vielumstrittenen  Dinge  zurechtlegen  zu 
müssen.  -  -  In  Athen  aber,  wo  die  Friese  des  Theseion,  die  zwar  bedeutend  freier 
und  gewiß  später  als  die  Parthenonmetopen  sind,  doch  auch  noch  den  ionischen 
Einfluß  deutlich  zeigen,  hat  Phidias  in  den  Giebeln  und  dem  Fries  des  Parthenon 
uns  Werke  hinterlassen,  welche  durch  die  geniale  Vereinigung  der  verschiedensten 
Elemente  und  den  eigenartigen  attischen  Geist  ein  Höchstes  darstellen. 

Dies  letztere  würde  uns  aber  immer  ein  Rätsel  geblieben  sein,   wenn  nicht 

Olympia  wieder  erstanden  wäre.    Nicht  einen  Ausläufer  der  phidiasischen  Kunst, 

wie  man  vor  der  Ausgrabung  vermutet  hatte,  etwas  viel  Wichtigeres  haben  wir 

inden,  den  Schlüssel  zu  jener,  die  Blüte  einer  anderen  älteren  Kunstweise,  die 

Quelle  und  Vorbedingung  der  attischen. 

Ich  brauche  es  schließlich  kaum  zu  betonen,  wie  unrichtig  es  nach  unserer 
chauung  sein  muß,   wenn  man,  wie  dies  vielfach  geschehen  ist,   den  eigen- 
tümlichen Stil  der  olympischen  Bildwerke  einer  lokalen  „Steinmetzenzunft"  von 
Klis  zuschreibt  und  die  Entwürfe  von  attischen  Meistern  herrühren  läßt.  Abgesehen 
davon,   daß  eine  Bildhauerschule  von  Elis  mit  einem   bestimmten  Stile  niemals 
stiert  hat,  so  ist  jene  Trennung  von  Ausführung  und  Entwurf  auch  ganz  un- 
erlaubt, es  ist  eine  Trennung  von  Seele  und  Leib,   die  aufs  innigste  verbunden 
id;  denn  der  Stil        und  um  diesen  handelt  es  sich,  um  einen  sehr  bestimmten 
und  überall  festgehaltenen  Stil,   nicht  um  den  Grad  der  Ausführung  —  der  Stil 
ist  der  volle  Ausdruck  und  Ausfluß  des  künstlerischen  Gedankens  selbst. 

-  mit  wenigen  Worten  kann  ich  das  viele  andere  berühren,  das  uns  Olympia 

382  geliefert  und  von  dem  der  vorliegende  Band  eine  Auslese  gibt.    Da  ist  zunächst 

die  Nike  des  P&Ollios  (Tafel  XVI),  ein  glänzendes  Zeugnis  von  dem  Fortbestehen 

und  der  Weiterbildung  der  ionischen  Kunst  auch  nach  und  trotz  der  phidiasischen. 

Hoffentlich  wird  uns  bald  die  in  Arbeit  begriffene  Restauration  dieses  prächtigen 

l  vollen  Genuß  desselben  verschaffen;  große  Partien  des  vom  Winde 

hten  wallenden  Gewandes  sind  nebst  dem  größten  Teile  der  Arme  verloren 

&V  sich   jedoch    fast   mit  Sicherheit  wieder  herstellen.     Es  ist  die 

ur  der  großen  Plastik,  die  ich  überhaupt  kenne,  der  ich  das  Schweben 


Eine  Ausgabe  der  Funde  von  Olympia  in  einem  Bande.  257 


wirklich  glaube,  die  wirklich  keiner  körperlichen  Stütze  bedürftig  sich  von  oben 
herabzusenken  scheint,  ein  Werk  von  einer  Kühnheit  und  einem  malerischen  Wurfe, 
wie  er  der  strengeren  attischen  Kunst  nicht  eigen  war.  Zwei  Gruppen  von  ähn- 
lichem Charakter,  aus  derselben  Epoche  und  ebenfalls  ionischer  Kunstart,  glaube 
ich  jüngst  unter  den  von  den  Franzosen  auf  Delos  gefundenen  Skulpturen  er- 
kannt zu  haben.1 

Von  dem  reichen  Schatze  altertümlicher  Skulpturen  bietet  der  Band  wenigstens 
einiges;  worunter  ich  freilich  ungern  den  Kolossalkopf  der  Hera  vermisse,  die  einst 
im  Heraion  stand  und  in  welchem  wir  wohl  den  merkwürdigsten  hochaltertümlichen 
Götterkopf  überhaupt  besitzen  [Olympia  III,  Tafel  1].  Der  Marmorkopf  eines  Kriegers 
auf  Tafel  XXII  ist  vielleicht  ein  Teil  einer  sehr  interessanten  Gruppe  gewesen; 
G.  Treu  wollte  ihn  zwar  dem  Waffenläufer  Eperastos  zuschreiben;  er  gehört  jedoch 
wohl  zusammen  mit  einem  anderen  behelmten  Kopfe,  dem  eines  Besiegten,  und 
mag  einer  Gruppe  des  Phormis  angehört  haben,  der  einen  Gegner  niederstößt, 
einer  der  drei  von  Pausanias  erwähnten  [Furtwängler,  Ägina,  Das  Heiligtum  der 
Aphaia  S.  347  ff.]. 

Praxiteles'  Kunst  ist  vertreten  durch  einen  reizenden  kleinen  Aphroditekopf 
und  natürlich  vor  allem  durch  den  Hermes,  dessen  von  dem  Originale  genommene 
Photographien  auf  Tafel  XVIII  auch  jetzt  nach  der  großen  Verbreitung  der  Abgüsse 
noch  einen  eigenen  Wert  haben. 

Auch  aus  der  reichen  Fülle  der  Bronzen  enthält  der  Band  charakteristische 
Beispiele.  Sie  gehören  meist  jener  alten  und  ältesten  Zeit  Olympias  an,  da  der 
heilige  Hain  noch  kaum  Gebäude  trug  und  die  Bäume,  besonders  dicht  in  der 
Umgebung  der  Altäre,  mit  ehernen  Weihgeschenken  reich  behangen  waren  und 
rings  in  großer  Zahl  die  bronzenen  Kessel  und  Dreifüße  standen. 

Aus  dem  topographisch-architektonischen  Teile  will  ich  nur  besonders  hervor- 
heben die  ganz  neuen  Blätter,  die  den  Zeustempel  betreffen:  Tafel  XXXII  gibt  zum 
ersten  Male  den  Grundriß,  wie  er  nach  den  eindringenden  letzten  Forschungen 
W.  Dörpfelds  sich  gestaltet  hat;  man  sieht  die  Basis  des  Zeusbildes,  den  hypäthralen  383 
Raum  davor,  die  Schranken  usw.  Die  bemalten  architektonischen  Terrakotten, 
eine  Gattung  welche  durch  die  Funde  Olympias  eine  ungeahnte  allgemeine  Be- 
deutung erhalten  hat,  indem  wir  die  äußere  Bekleidung  alter  Steinbauten  mit 
großen  bunten  Tontafeln  durch  sie  erst  kennen  lernten,  bilden  den  Schluß  des 
reichen  Bandes. 

Bevor  wir  Abschied  nehmen,  blicken  wir  noch  auf  den  Situationsplan  mit 
seiner  Fülle  von  Gebäuden  verschiedenster  Art  und  auf  die  neu  publizierte  große 
photographische  Ansicht  des  ganzen  Ausgrabungsfeldes  (Tafel  I— III).  Rings  um- 
rahmt von  sanften  pinienbewachsenen  Höhen  liegt  hier  in  furchtbarer  Zerstörung, 
aufgelöst,  zerfallen  und  in  Stücke  zerrissen  jenes  einst  so  stolze  Ganze.   Schwer 


1  Siehe  Archäologische  Zeitung  1882  S.  335  ff. 
A.  Furtwängler.    Kleine  Schriften  I.  17 


liNi   Ausgabe  der  Funde  von  Olympia  in  einem  Bande. 


findet  sich  der  Blick  zurcctit;  allmählich  unterscheidet  er  an  der  erhöhten  Lage 
und  der  Mächtigkeit  der  Trümmer  den  Tempel  des  Zeus.  Von  der  Art  seines 
Zusan1menstur7.es  gibt  Tafel  XXXI   ein  vortreffliches  Bild;   der  erläuternde  Text 

1  (von  Herrn  Gräber)  ist  eine  kurzgefaßte  äußerst  lichtvolle  Darstellung  der 
allmählichen  Zerstörung  Olympias  überhaupt  und  des  Zeustempels  insbesondere l 
und  dann  der  immer  tiefer  alles  begrabenden  Überschwemmung.  Welche  Ge- 
schichte haben  diese  Trümmer!  was  können  sie  dem  erzählen,  der  lauschen  und 

verstehen  kann! 

Wir  hoffen  hierin  auf  die  endliche  Gesamtpublikation  über  Olympia,  die  der 
würdige  Abschluß  des  nationalen  Unternehmens  werden  soll.  Wir  wissen,  daß 
alles  bisher  Publizierte  nur  ein  kleiner  Teil  des  Vorhandenen  ist,  daß  eine  Fülle 
von  Material,  das  sich  nur  im  großen  Zusammenhange  geben  läßt,  im  olympischen 
Archive  und  in  Geist  und  Erinnerung  der  an  der  Ausgrabung  Beteiligten  auf- 
gestapelt liegt.  Die  Aufgabe  der  architektonischen  wie  der  archäologischen  Teile 
jenes  Werkes  wird  aber  die  sein,  Olympias  Geschichte  zu  rekonstruieren,  ganz 
und  nach  allen  Seiten,  von  dem  einfachen  Haine  und  Altare  mit  den  primitiven 
Weihegaben  an  bis  zum  Höhepunkte  edelsten  Tempelbaues  und  reichster  Plastik, 
bis  zu  den  roheren  Prachtwerken  der  Römer  und  endlich  bis  zur  Hütte  des  späten 
verkommenen  Bewohners  —  eine  selten  reiche  monumentale  Geschichte  fröhlichen 
Wachsens,  erhebender  Größe  und  traurigen  Verfallens,  und  diese  an  einem  Orte, 
dessen  Name  uns  allen,  die  wir  auf  klassischer  Bildung  fußen,  von  Jugend  an 
lieb  und  teuer  ist  —  in  Olympia. 


1  Darin   eine   besonders   schlagende   tatsächliche  Bestätigung  der  oben  [S.  248]  be- 
schriebenen von  E.  Curtius  herrührenden  Aufstellung  des  Ostgiebels. 


ZUM  BATHRON 
DES  ANATHEMS  DES  PRAXITELES 

[ARCHÄOLOGISCHE  ZEITUNG  37,  1879] 


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eber  die  Zusammengehörigkeit  der  Inschriften  Nr.  5  und  6  (Archäologische  43 
Zeitung  1876  S.47L;  Tafel  6,  1.2)  und  Nr.  220  (1878  S.  181)  ist  schon 
zu  letzterer  die  Rede  gewesen.  Ein  später  von  mir  angestellter  Versuch, 
die  zerstreuten  Blöcke  wieder  zusammenzustellen  und  zwar  auf  einem  erst  in 
diesem  Jahre  völlig  ausgegrabenen  Porosbathron,  das  seiner  Gestalt  und  Lage 
nach  als  das  ursprüngliche  vermutet  werden  durfte,  hatte  den  günstigsten  Erfolg  44 
und  führte  zu  folgenden  nicht  unwesentlichen  Resultaten  [Olympia  II  Tafel  92,  9 
S.  144.  V  S.  389  und  S.  643  ff.]. 

Die  Archäologische  Zeitung  1878  S.  182  angenommene  Sechszahl  der  Marmor- 
blöcke erwies  sich  als  unrichtig,  indem  sich  der  angeblich  inschriftlose  Stein  als 
hintere  genau  anpassende  Hälfte  des  zweiten  ergab  (siehe  den  vorstehenden 
Grundriß).  Es  folgt  demnach  auf  die  Inschrift  des  Athanodoros  und  Asopodoros 
unmittelbar  die  Weihung  des  Praxiteles.  Die  Zusammengehörigkeit  der  Blöcke 
in  dieser  Reihenfolge  ist  jetzt  auch  durch  das  genaue  Anpassen  der  Klammerspuren 
erwiesen.  Der  Porosunterbau  ferner,  der  in  den  Maßen  überraschend  genau  zu 
den  fünf  Marmorblöcken  stimmt  und  ebenfalls  in  seinen  beiden  Stufen  aus  je 
fünf  Stücken  besteht  (vergleiche  Vorder-  und  Seitenansicht),  beweist  definitiv,  daß 
uns  kein  Inschriftstein  fehlt.  —  Die  unterste  Porosstufe  ist  als  nicht  sichtbares 
Fundament  behandelt,  die  zweite  dagegen  ist  sorgfältig  geglättet  und  von  feinem 
weißem   Marmorstucke  bedeckt.     Hierauf   erheben   sich    die  Inschriftsteine   aus 

17* 


260  Zum  Bathron  des  Anathems  des  Praxiteles. 


schein  Marmor,1  auf  denen  jedoch,  wie  der  oben  umlaufende  Falz  (siehe 
Durchschnitt)    und    die   symmetrisch    angebrachten   vier   kleinen   Klammerlöcher 

cn.  ehedem  sich  noch  die  die  Statuen  selbst  aufnehmende  Stufe  befand. 
Noch  wichtiger  sind  indess  die  Schlüsse,   die  sich  aus  der  Lage  des  neuen 
Bathrons  ziehen  hissen,  wie  sich  dieselbe  nach  den  letzten  Ausgrabungen  darstellt. 
Rings   um   den  Tempel   erkennt  man  in  einer  gewissen  Tiefe,   sich   von  jenem 

llich  weit  erstreckend,  eine  Schicht  aus  Porosbrocken  und  gelbem  Sande,  die 
ohne  Zweifel  den  Bauschutt  des  Tempels  darstellt.  Über  ihr  ist  der  antike 
Fußboden  deutlich,  unter  ihr  aber  ist  eine  neue  schwarze  Schicht,  die  sich 
namentlich  durch  den  Mangel  aller  Ziegelbrocken  unterscheidet  und  nur  Bronzen 
altertümlichen  Charakters  zu  Tage  gefördert  hat:  es  ist  der  Altisboden  vor  Erbauung 
des  großen  Tempels.  Es  versteht  sich,  daß  diese  älteste  Schicht,  die  gerade  im 
Süden  und  Südosten  des  Tempels  bei  den  diesjährigen  Ausgrabungen  deutlich 
zu  Tage  getreten  ist,  ein  besonderes  Interesse  in  Anspruch  nimmt,  namentlich  da 

außer  den  angedeuteten  kleineren  Funden  auch  noch  mehrfache  Gründungen 
aufweist.  Wahrend  zwar  natürlicherweise  die  meisten  Basen  dem  spätem  Fußboden 

prechend  auf  jener  Schuttschicht  stehen,2  finden  sich  doch  auch  einige  unter 
ihr  innerhalb  des  ältesten  Altisbodens.3   Aber  nirgends  ist  das  letztere  deutlicher 

1  Auch  andere  ältere  Basen  der  Altis  sind  aus  parischem  Marmor,  so  z.  B.  die  des 
Stieres  der  Eretrier,  die  auch  sonst,  in  ihrem  niederen  zweistufigen  Porosunterbau,  ganz 
mit  dem  Praxitelesbathron  übereinstimmt. 

1  Ebenso  wie  auch  die  südliche  Zeus-Terrassenmauer,  unter  welcher  der  Bauschutt  durch- 
geht, um  außerhalb  derselben  an  ihrer  Südseite  zur  Bildung  der  Straße  benutzt  zu  werden. 
1  Ich  hebe  nur  zwei  Beispiele  hervor:  vor  allen  belehrend  ist  eine  nur  fünf  Meter  vom 
Praxitelesbathron  östlich  liegende  Anlage,   nämlich   ein   auf  dem  Bauschutte  befindliches 
;es  Porosbathron,  dessen  einer  Block  weggerissen  ist;    unter  der  Stelle  des  letzteren 
lien    nun   unter   dem   hier  0,28  starken  Bauschutte   eine   alte  Porosbasis   mit  wohl 
Itcnen  scharfen  Kanten  und  dem  Reste  eines  hier  eingelassenen  und  «verbleiten  kreis- 
runden Anathems   aus   parischem   Marmor  von  0,24  Durchmesser   (vielleicht  von   einem 
vieus  hier  an  der  alten  Straße).  —  Nicht  weniger  interessant  ist  es,  daß  das 
fünfzehn  Meter  östlich  der  Südostecke  des  Tempels  befindliche   etwas   gerundete   große 
:';iron  sich  unter  dem  Bauschutte  befindet.    Denn  es  ist  höchst  wahrscheinlich,  daß 
clbe  das  bei  Paus.  V  25,  8  genannte  Werk  des  Onatas  trug,   das   also   auch   vor  die 
•'  mpels  fallt.    Der  Lose  schüttelnde  Nestor  stand  auf  dem  gegenüber- 
nden  Rundbathron,   das   mit   jenem   in  seinem  Niveau,   der   gesamten  Technik   und 
Qualität  des  Materials  völlig  übereinstimmt.     Seine  Lage  wird  indess  erst   erklärt,   wenn 
lie  fehlenden  Blöcke  der  großen  Basis  nach  Norden  hin,    wo  Anschlußfläche  darauf 
hinv.  zen.     Um  Platz  für  die  neun  wohl  ungefähr  lebensgroßen  Helden  zu  ge- 

winnen, mtisscn  wir  nämlich  gerade  noch  vier  Meter  nach  Norden  zusetzen;   und  dann 
auch  dp  Nestor   gleich  weit   entfernt   von    den    beiden  Enden   der   großen 

freilich    nicht   im  Mittelpunkte   des  Kreises,   dessen  Segment   die   letztere 
iher  gerückt  aus  leicht  ersichtlichen  Gründen.  —  Die  übrigen  unter 
ndlichen  Bathren  sind  nur  dadurch  bemerkenswert,   daß   sie  sich   in 
unmitlel  Tempels  befinden,  also  gerade  da,  wo  sie  am  tiefsten  unter  dem 

ren  Fufibodetl  lagen. 


Zum  Bathron  des  Anathems  des  Praxiteles.  261 

als  an  dem  vorliegenden  Bathron  des  Praxiteles.  Dasselbe  erstreckt  sich  in  geringer 
Entfernung  von  der  Südostecke  des  Zeustempels  von  Norden  nach  Süden. 
Unmittelbar  westlich,  nur  einen  Meter  davon  entfernt,  befindet  sich  ein  anderes 
Porosfundament  einer  Basis,  das,  innerhalb  des  späteren  Fußbodens  liegend,  auf 
dem  hier  sehr  deutlichen  Bauschutte  aufsteht.  Die  Unterkante  dieses  Poros- 
fundamentes  liegt  aber  selbst  noch  etwas  höher  als  die  Unterkante  der  marmornen 
Inschriftsteine  unseres  Praxitelesbathrons.  Der  größere  Teil  des  zweistufigen  45 
Porosfundamentes  des  letzteren  liegt  direkt  unter  dem  Tempelbauschutte,  der 
selbst  erst  in  der  Höhe  der  Mitte  der  oberen  Porosstufe  beginnt.  Nach  Erbauung 
des  Tempels  ragte  also  nur  der  obere  Teil  der  marmornen  Inschriftbasis  aus  dem 
Boden,  und  zu  Pausanias  Zeit  wird  auch  dieser  nicht  mehr  sichtbar  gewesen  sein, 
wie  denn  damals  auch  das  Kunstwerk  vermutlich  schon  verschwunden  war.  Es 
stimmt  zu  den  angeführten  Tatsachen,  daß  die  Kanten  der  oberen  stuckbekleideten 
Porosstufe  noch  in  voller  Schärfe  erhalten  sind,  wie  es  nur  möglich  war,  wenn 
sie  nicht  lange  nach  der  Errichtung  gegen  ihre  ursprüngliche  Bestimmung  unter 
die  Erde  kam. 

Es  ist  somit  als  sicher  zu  betrachten,  daß  unser  Bathron  und  damit  das 
Weihgeschenk  des  Praxiteles  bereits  vor  Erbauung  des  Zeustempels  stand,  und 
zwar  parallel  an  der  Straße,  die  wahrscheinlich  von  dem  vorauszusetzenden  alten 
nicht  fernen  Festtore  im  Süden  hier  vorbei  zum  großen  Altare  führte.  Hiemit 
wird  auch  die  Frage  nach  dem  Alter  der  an  dem  Gruppenwerke  beteiligten  vier 
Künstler  definitiv  entschieden.  Sie  arbeiteten  vor  dem  Baue  des  Zeustempels, 
den  man  gegen  die  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts  anzusetzen  pflegt.  Da  die 
Inschriften  (ebenso  wie  das  in  Anmerkung  3  [auf  S.  260]  behandelte  Bathron  des 
Onatas)  schwerlich  vor  das  fünfte  Jahrhundert  gesetzt  werden  können,  so  wird 
hiemit  auch  jene  Ansetzung  des  Tempelbaues  bestätigt. 


INSCHRIFTEN  AUS  OLYMPIA 

[ARCHÄOLOGISCHE  ZEITUNG  37,  1879] 

221. 

Der  eine  der  beiden  letzten  in  der  226.  Olympiade  errichteten Zanes  [Olympia  IIS.  153] 
und  zwar  der  zur  Linken  des  Eingangs  in  das  Stadion  stand  auf  einem  Blocke  blauschwarzen 
Kalksteines,  der  sich  als  ein  zum  zweiten  Male  verwendetes  älteres  Bathron  durch  die  an  der 
rechten  Nebenseite  auf  dem  Kopfe  stehende  Künstlerinschrift  in  den  besten  Zügen  vom 
Anfange  des  vierten  Jahrhunderts  kundgab.  Auf  ihrer  alten  oberen  Fläche  zeigt  die  Basis 
die  Fußspuren  einer  großen  Statue '  und  zwischen  denselben  die  Spuren  einer  Bronzetafel,2 
welche  den  Anlaß  der  sehr  ansehnlichen  Stiftung  gemeldet  haben  wird.  Der  erhaltene 
Block  ist  nämlich  nur  ein  Teil  des  ursprünglichen  Bathrons,  denn  an  der  rechten  Nebenseite 
Anschlußfläche.  Die  Breitseite,  wo  die  Künstlerinschrift  in  der  linken  Ecke  oben  sich 
befindet,  war  die  Vorderseite;  bei  der  späteren  Verwendung  stand  die  linke  Nebenseite  in 
der  Front.  Auf  den  beiden  genannten  Seiten  ist  in  der  Mitte  je  ein  Versatzbossen  stehen 
geblieben.  Das  Material,  blauschwarzer  Kalkstein,  ist  ein  in  Olympia  gerade  im  vierten 
Jahrhundert  für  Basen  häufiges.  Die  Höhe  beträgt  0,255,  die  Länge  1,505,  die  Dicke  0,80. 
Ursprünglich  diente  der  Basis  ohne  Zweifel  zur  Unterlage  eine  andere  größere  aus  Porös 
oder  Kalkstein.    [Olympia  V  Nr.  635.] 

AAlAAAOlEPOHCEPATPOkAFor 
|  I  K  Y  ANIO  *  cu<t 

Pausanias  nennt  nicht  weniger  wie  fünf  Werke  des  Daidalos  in  Olympia;  das 
durch  unsere  Inschrift  bezeugte  muß,  da  seine  Basis  anderweitig  verwendet  worden 
war,  schon  entfernt  oder  zerstört  gewesen  sein.     Nicht   minder  lehrreich  für  die 

chichte  der  Denkmäler  Olympias  ist  ein  zweites  in  derselben  Olympiade  er- 
richtetes zur  Rechten  des  gewölbten  Stadioneingangs  befindliches  Zeusbild;  denn 
auch  dies  stand  auf  einer  bereits  benutzten  Basis.  Es  ist  ein  Block  von  weißem 
Kalkstein,  der  in  den  Maßen  sowie  allen  Details  vollständig  denjenigen  Blöcken 

pricht,  die  den  sechs  in  Olympiade  112  errichteten  Zanes  dienen:  auf  einem 
indamente  liegend  nehmen  diese  das  eigentliche  Bathron  aus  Konglomerat- 

)  auf,  in  welches  die  Bronzefigur  eingelassen  war.     Eben  dieser  Block  fehlt 

nun  bei  dem  letzten  jener  sechs  Zanes  und  ist  ersetzt  durch  eine  schlechte  Platte 

ndstein,   die  für  das  nun  unmittelbar  aufsitzende  Konglomeratbathron  zu 

1  Unge  der  linken  Fußspur  0,28. 

0,06  breit;  an  beiden  Seiten  die  Reste  von  je  zwei  Klammern. 


Inschriften  aus  Olympia.  263 


klein  ist  und  vorn  um  0,15  zurücksteht.    Dazu  kommt,  daß  die  bei  allen  voran- 
gehenden Zanes  genau  eingehaltene  Richtung  der  Basis  verschoben  ist.    Es  kann 
demnach  kaum  einem  Zweifel  unterliegen,  daß  man  sich  bereits  zu  Pausanias  Zeit  46 
nicht  scheute,  einer  noch  stehenden  Zeusstatue  einen  Teil  ihrer  Basis  zu  entziehen, 
um  damit  ein  notdürftiges  Bathron  für  eine  neu  zu  errichtende  zu  gewinnen. 

Sohn  des  Patrokles  nennt  sich  Dädalos  auch  in  einer  zweiten  Inschrift  auf  einer 
Basis  in  Ephesos  (C.  I.  G.  2984  [Löwy  88])  und  Sikyonier  wird  er  konstant  von 
Pausanias  genannt.  Die  Inschrift  seines  Bruders  Naukydes  (Archäologische  Zeitung 
1878  S.  84,  Nr.  129  [Olympia  V  Nr.  159])  steht  ebenfalls  auf  einem  blauschwarzen 
Kalksteinblock  und  die  Buchstabenformen  sind  in  allem  Wesentlichen  gleich. 
Während  Naukydes  jedoch  die  Form  IlaTQoxXrjog  gebraucht,  schreibt  Dädalos 
die  gewöhnliche  ITarQoxXeovg,  hier  wie  auf  der  ephesischen  Basis;  auch  ejtö^oe, 
während  der  Bruder  ejzohjoe  hat. 

Daß  der  Naukydes  der  olympischen  Inschrift  derselbe  ist,  den  Pausanias  in 
der  schwierigen  Stelle  II  22,  7:  ...  rö  jukv  IloXvxXsirog  iiwitjoe,  rö  de  ädeXcpög 
IJoXvxXeiJov  Navxvdrjg  Mö&covog  nennt,  darf  nicht  bezweifelt  werden.  Die  Vaters- 
angabe (Mö&covog)  ist  dort  schon  an  und  für  sich  wenig  angebracht1  und  auch 
ohne  die  olympische  Inschrift  mußte  hier  ein  Verderbnis  angenommen  werden. 
Dagegen  verlangt  sowohl  Überlieferung  als  Zusammenhang  der  Stelle  HoXvxXütov 
beizubehalten.  Ich  vermute  daher,  daß  in  Mö&covog  das  Ethnikon  des  Naukydes, 
etwa  Me&covatog,  steckt.2 

Ein  Polyklet  wäre  also  ädeXcpög  dieses  Naukydes,  der,  nach  unserer  Ver- 
mutung, in  jener  kleinen  Stadt  des  trözenischen  Gebietes  das  Bürgerrecht  erlangt 
hatte.  Es  gibt  nun  zwei  Möglichkeiten:  entweder  ist  jener  Polyklet  der  bekannte 
jüngere,  der  von  Pausanias  als  Schüler  des  Naukydes  und  Argiver  bezeichnet 
wird;  doch  steht  das  Bedenken  entgegen,  daß  er  etwa  achtundzwanzig  Jahre 
jünger  sein  müßte  als  seine  Brüder  Naukydes  und  Dädalos.3  Oder  es  ist  der 
ältere  Polyklet  —  daß  das  in  jener  Pausaniasstelle  genannte  Hekatebild  von 
diesem  herrühren  könnte,  wird  schwerlich  mit  zwingenden  Gründen  zu  bestreiten 
sein  — ;  dann  müßte  aber  bei  Pausanias  etwa  ädelcpiöovg  verbessert  werden; 
dadurch  entstände  ein  Verhältnis,  gegen  das  sich  kaum  Bedenken  erheben  lassen. 
Ein  leichteres  Mittel  wenigstens,  die  Schwierigkeiten  jener  Pausaniasstelle  zu  heben, 
scheint  sich  nicht  zu  bieten. 


1  Vgl.  Hirschfeld,  Tit.  statuar.  S.  36.  Seine  Verbesserung  der  Stelle  beruht  indess  auf 
der  schon  durch  das  unmittelbar  Vorhergehende  widerlegten  Annahme,  daß  unter  yalxä 
"Exanje  dydkftara  ein  dreigestaltiges  Hekatebild  zu  verstehen  sei. 

2  Daß  Naukydes  Argeier  gewesen,  darf  man  aus  der  Inschrift  der  Akropolis  in  Athen 
('Ey.  dgX.  3389  [C.  I.A.  11,3  1624])  nicht  mehr  schließen,  da  man  richtig  bemerkt  hat,  daß 
der  Buchstabenrest  zu  Anfang  einem  N  nicht  angehören  kann. 

3  Zur  Chronologie  des  jüngeren  Polyklet  vgl.  G.  Löschcke,  Archäologische  Zeitung 
1878  S.  10  ff.  [Meisterwerke  S.  414]. 


26  \ 


Inschriften  aus  Olympia. 


286. 

144  Bathron  aus  demselben   schwarzen  Kalkstein  wie  die  des  Naukydes,  Dädalos  und 

Kic.  18  hoch,  0,49  breit,  0,57  tief.    Die  vier  Seiten  sind  rings  je  von  einem  glatten 

Rande  umgeben.  Auf  der  Oberflaehe  die  bleivergossene  Einlassung  für  den  rechten  Fuß, 
der  lmke  war  zurück  gesetzt.  Außerdem  mehrere  Löcher  von  unklarer  Bestimmung.  — 
den  beiden  ursprünglichen  Inschriften  (a,  b)  steht  a  auf  der  (durch  die  Richtung  der 
Fußspur  als  solche  gekennzeichneten)  vertikalen  Vorderseite,  die  Künstlerinschrift  b  (ganz 
wie  die  des  Xenokles)  auf  dem  linken  Rande  der  horizontalen  Oberfläche,  rechts 
auf  derselben  1  lache  die  viel  jüngere  Wiederholung  beider  Inschriften  (c).  —  Gefunden 
am  4.  Juni  1879  südöstlich  vom  Heraion,  zwischen  diesem  und  dem  Pelopion.  [Olympia  V 
Nr.  162.  163.   Meisterwerke  S.  471  ff.] 


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i      Uv&OxXtje   W'/.noQ. 

\H')).\ry.).mi)^  inota   Agyeloe. 


Inschriften  aus  Olympia.  265 


Die  Künstlerinschrift  b  des  Polykleitos  unterscheidet  sich  von  a  nicht  nur 
durch  das  quadratische  Omikron 1  und  das  verschiedene  Ypsilon,  sondern  vor 
allem  durch  das  speziell  argivische  Lambda.  Der  Künstler  war  also  nicht  nur 
argivischer  Bürger,  wie  sowohl  Pausanias  als  die  Inschrift  c  lehrt,  sondern,  da  er 
in  argivischem  Alphabete  schreibt,  auch  von  da  gebürtig.  Unter  den  erhaltenen 
Inschriften  des  jüngeren  Polyklet  —  denn  der  ältere  ist  auch  hier  wohl  aus- 
geschlossen —  ist  die  vorliegende  ohne  Zweifel  die  älteste;  das  argivische  Lambda 
scheint  auch  sonst  noch  in  der  Zeit  bald  nach  dem  peloponnesischen  Kriege  vor- 
zukommen (Kirchhoff,  Studien 3  S.  87).  Auf  der  Basis  des  Xenokles  schreibt  er 
zwar  noch  Epsilon  für  et,2  doch  bereits  A  und  E  mit  kürzerem  Mittelstrich;  auf 
der  thebanischen  endlich,  die  auch  durch  das  gemeinsame  Arbeiten  mit  Lysipp 
in  seine  spätere  Lebenszeit  gerückt  wird,  schreibt  er  auch  El  in  seinem  Namen. 
Die  Datierung  des  Künstlers  durch  Löschcke,  Archäologische  Zeitung  1878  S.  12, 
dürfte  etwas  nach  oben  zu  verschieben  sein. 

In  späterer  Zeit,  doch  wie  es  scheint  noch  im  ersten  Jahrhundert  vor  Christus, 
erneuerte  man  die  Inschriften  des  Bathron,  indem  man  sie  rechts  auf  der  horizon- 
talen Oberfläche  wiederholte,  vermutlich  weil  durch  Aufstellung  einer  oder  mehrerer 
Statuen  in  unmittelbarer  Nähe  die  älteren  Inschriften  nicht  mehr  gut  sichtbar  waren 
(vgl.  Nr.  291.292).  Derselben  Zeit  mag  das  ebenfalls  auf  der  Oberfläche  befind- 
liche Zeichen  IB  angehören.  Da  nach  der  Stelle,  an  welcher  die  Statue  bei  Pau- 
sanias erwähnt  wird,  sich  dieselbe  wahrscheinlich  vor  der  Ostfront  des  Zeustempels 
befand,  so  ist  die  Basis  nach  ihrem  gegenwärtigen  Fundorte  offenbar  verschleppt 
worden  und  zwar  wahrscheinlich  schon  vor  dem  Bau  der  byzantinischen  Mauer. 

287. 

Zwei  Fragmente  von  weißgelbem  Kalkstein,  a  gefunden  am  9.  März  1878  (heraus- 
gegeben oben  unter  Nr.  222)  enthält  die  linke  untere  Ecke;  auf  der  abgeschlagenen  linken 
Hälfte  haben  gerade  zehn  Buchstaben  bequem  Platz.  —  b  rechte  obere  Ecke,  gefunden 
am  2.  Mai  1879.   Zwischen  Zeile  4  und  5  freier  Raum  von  einer  Zeile  [Olympia  V  Nr.  161]. 


(A   IKXYOaUON 
U/////////////APISA 
\    ll'UnOflOI 
a  x^EY? 


)   IHCEPATPOKAl\ ^\'  I  r\  < 


145 


/ 


1  Dasselbe,  ebenso  l  und  <$> ,  begegnet  als  Marke  auf  den  aus  parischem  Marmor 
bestehenden  Ziegeln  des  Zeustempels,  die  nach  verschiedenen  Indizien  in  die  erste  Hälfte 
des  vierten  Jahrhunderts  gesetzt  werden  dürfen.    [Olympia  V  Nr.  681.] 

2  Die  Publikation  in  der  Archäologischen  Zeitung  (Nr.  128)  gibt  □,  doch  besteht  der 
zweite  vertikale  Strich  nur  in  einer  zufälligen  Verwitterung  des  Steines.  [Olympia  V  Nr.  164.] 


Inschriften  aus  Olympia. 


Die  Zusammenstellung  der  beiden  Fragmente  beruht  auf  einer  Vermutung  von 
mir.    Beide  sind  sich  in  allem  Äußeren  und  namentlich  im  Materiale  gleich,  welch 

teres  bisher  noch  an  keinem  andern  Bathron  der  Altis  vorgekommen  ist.    Daß 

letzte  Zeile  vom  Fragment  b  zu  der  Künstlerinschrift  gehört,  wird  auch  durch 
den   zwischen   ihr  und  Zeile  4  gelassenen  Zwischenraum  bestätigt.     Da  jedoch 

le  Fragmente  nicht   unmittelbar  zusammenpassen,   kann  nicht  ITaxgoyJJ[ov<;] 

ergänzt  werden;  andererseits  wird  ein  Vers,  worauf  vhk  zunächst  wiese  (vgl. 

CI.G.  2984  [Löwy  88]),  durch  die  gegebenen  Raumverhältnisse  kaum  gestattet.  Ich 

Inze  deshalb  [  \aidaXog  fai\oir)oe  IIatQoxXi[ovs  /ua&)]r}]<;  xal]  viog;  vielleicht  war 
links  unten  als  sechste  Zeile  noch  hinzugefügt  Ziy.vwviog.  Zeile  4  wird  dann  gelautet 
haben  (als  Pentameter):  [  \aimohov  vfdg1  Nagvxidag  &Ha]kevs',  denn  es  kann 
kaum  ein  anderes  Werk  des  Daidalos  gewesen  sein  als  die  von  Pausanias  VI  6, 1 
genannte  Statue  des  Narykidas  von  Phigalia,  dessen  zum  Teil  auf  b  erhaltenes 
Ethnikon  die  von  Weil,  Archäologische  Zeitung  1879  S.  46,  unabhängig  von  mir  aus 
dem  Fundorte  des  Fragmentes  a  über  dasselbe  geäußerte  Vermutung  bestätigt.3 
Fragment  b  fand  sich  indess  weit  verschleppt  in  eine  sogenannte  Slavenmauer  in 
der  Südosthalle  verbaut.  Ebendahin  von  der  Ostfront  des  Tempels  verschleppt 
war  ja  auch  die  Basis  des  Kritodamos  (Nr.  289).  —  Dädalos  schreibt  hier  wie  in 
seinen  andern  beiden  Inschriften  HaxQOxXeo{v)g,  nicht  TTaTooxkrjog  wie  Naukydes. 
Die  Maße  des  Bathrons  bei  obiger  Zusammenstellung  würden   sein:   Höhe 

3,  Breite  etwa  0,70,  also  ein  der  wohl  nicht  viel  jüngeren  Basis  des  Kritodamos 
>4  zu  0,77)  entsprechendes  Verhältnis. 

288. 

Bronzeplatte,  0,005  dick,  auf  der  Unterseite  mit  zwei  Klammern  versehen,  um  auf  dem 
Steinbathron  horizontal  befestigt  zu  werden.  Dieser  Umstand,  sowie  die  übrige  Technik 
stimmen  überein  mit  der  Inschrift  des  Siegers  Philippos.  Die  Buchstaben  sind  zwar  ziemlich 
tief  graviert,  die  Oberfläche  jedoch  so  zerfressen  von  festem  Oxyde,  daß  die  Reinigung 
große  Schwierigkeiten  verursachte.  Gefunden  am  6.  Juni  1879  im  nördlichen  Teil  des 
aneion.    Faksimile  auf  2/»  [hier  auf  :ri]  verkleinert.    [Olympia  V  Nr.  166.] 


EAA  HNnH'rlpvO^T  OTEOAY/^ri/AlHMIKAMOIZLErS 

'rro\f.    y    |   o^HrsitPAiAOlA^Klr^00 


-  vgl.  Nr.  288.  C.  I.  Att.  III,  124.)  [Zusatz  von  W.  Dittenberger.) 
lieh  war  auch  Fragment  a  in  die  byzantinische  Ostmauer  verbaut,  wie  auch  die 
alliasba«ls  nicht  in  situ  gefunden  ist,  was  wir  gegenüber  der  früheren  irrtümlichen  An- 
gabe ausdrücklich  hervorheben. 


Inschriften  aus  Olympia.  267 


eElXr]V(ov  r\Qiov  xöx    'OXvjuniq,  r\vixa  jlioi  Zevg 

öcbxev  vixrjoai  tcqöjxov  'Olvjumdda. 
innoig  ä&koqoogoig'  xö  de  öevxegov  avxig  i(pe£fjg  146 

Xnnoig.  vlög  6'  r\v  Tgonlog  "AXxivoov. 
Die  Inschrift  gehört  zu  der  von  Pausanias  VI,  1,4  erwähnten  Statue.  Nach 
Pausanias  könnte  es  scheinen,  als  ob  Troilos  seine  beiden  Siege  Olympiade  102 
errungen  hätte.  Dies  wird  jedoch  durch  die  Inschrift  ausgeschlossen;  Olympiade  102 
ist  offenbar  das  Datum  des  ersten  Sieges,  den  er  noch  als  Hellanodike  erfocht, 
was  er  bei  dem  später,  vermutlich  in  der  nächstfolgenden  Olympiade,  erfolgten 
zweiten  nicht  mehr  war. 

Das  Porträt  des  Troilos  war  von  Lysippos,  der  seine  Urheberschaft  vermutlich 
auf  dem  Steinbathron  selbst,  das  noch  nicht  gefunden  ist,  angegeben  hat.  Pau- 
sanias erwähnt  die  Statue  in  der  Reihe  der  von  ihm  ev  defiä  rov  vaov  xfjg  "Hgag 
gesehenen.  Die  im  nördlichen  Teil  des  Prytaneion  gefundene  Inschrift  wird  nicht 
weit  verschleppt  sein;  denn  unter  der  rechten  Seite  des  Heraion  ist  offenbar  die 
Südseite  (von  dem  nach  Osten  Sehenden  aus)  gemeint;  Troilos  ist  die  sechste 
Statue  in  der  gewiß  von  Osten  nach  Westen  gehenden  Reihe,  also  nicht  sehr  fern 
dem  Prytaneion. 

289. 

Bathronaus  schwarzem  Kalkstein,  0,264  hoch,  0,77  breit,  0,36  tief.  Buchstabenhöhe  0,012, 
unten  für  die  Einlassung  in  einen  andren  Basisblock  zugerichtet,  oben  keinerlei  Spuren. 
Gefunden  am  26.  April  1879  östlich  der  römischen  Pompike  vor  der  Front  der  Südosthalle. 
[Olympia  V  Nr.  167.] 

KPIToAAMO£ 

AIXAKAEIToPlcs: 
KAE&NEnoHSE 
Z     I     K     Y     ß     N     I    O    i 


{ 


Kgnoöafxog  \  Al^a  Kleixogiog. 

Kteoov  ijioi]  os  \  JZixvwvtog. 
Die  Statue  ist  erwähnt  von  Pausanias  VI,  8,5:  KQixööajuog  ex  KXeixoQog  im 

jivy/ufj  xal  ovxog  ävayogev&elg  naidwv rijv  de  xov  Aafxoxqixov  (elxöva) 

KXeoov  (exoirjoe),  im  weiteren  Zusammenhange  mit  Statuen  (Hellanikos  7,  8  und 
Xenokles  9, 2),  deren  Standort  im  Osten  des  Zeustempels  sicher  ist.  Der  Schrift- 
charakter entspricht  der  Periode,  in  die  Kleon  zu  setzen  ist,  nämlich  der  Mitte 
des  vierten  Jahrhunderts.  Der  schwarze  Kalkstein  ist  für  Bathren  in  dieser  Zeit 
sehr  beliebt;  auch  die  beiden  Zanes,  die  Kleon  arbeitete,  hatten  solche.  Die  In- 
schrift gibt  ebenso  wie  Nr.  129  (Eukles)  nur  den  Namen  des  Siegers. 


268 


Inschriften  aus  Olympia. 


290. 
(alkstdnbasis,  liegend  beim  zweiten  Fundamente  (von  Westen)  der  Zanes- 
b.uhr.1.   Oben  Fußspuren.    Höhe  0,342,  Breite  0,805.   Buchstabenhöhe  0,010.    [Olympia  V 


KAE.nNs:iKYjnNlo£ 


KkeoiV  —iy.r(i>nog. 
Die  Inschrift  steht  auf  der  Basis  eines  der  ersten  sechs  Zanes,  die  in  Olym- 
piade 98  gestiftet  wurden.  Nach  Pausanias  V,  21,  3  hatte  die  ersten  beiden  Kleon 
rbeitet,  die  Künstler  der  folgenden  vier  waren  unbekannt.  Kleon  hat  seinen 
Namen  mit  kleinen  Buchstaben  an  der  Vorderseite  angebracht,  und  zwar  ohne 
jeden  Beisatz;  denn  es  kann  trotz  der  Verwitterung  des  Steines  versichert  werden, 
daß  nichts  mehr  folgte. 

291.  292. 

Großes  Bathron  aus  pentelischem  Marmor,  0,29  hoch,  0,895  breit,  2,075  tief.  Die 
Inschriften  sind  auf  den  beiden  Schmalseiten  angebracht.  Die  Basis  ist  vermutlich  zweimal 
verwendet  worden,  denn  ihre  Unterfläche  zeigt  zwei  große  runde  Löcher.  —  Buchstaben- 
böhe  Nr.  291  durchweg  0,030;  Nr.  292  Zeile  1:  0,038,  in  den  folgenden  Zeilen  0,032. 
Gefunden  am  7.  April  1879  in  der  byzantinischen  Ostmauer  dem  Buleuterion  gegenüber. 
[Olympia  V  Nr.  278.  279.] 

(291.) 


AEYKICSM-MMI     -CAEYKlOYYlO* 
£     T     P     A    T     HT     C     £YTTATC£PfiMAir2N 
A    I  I    3    A   Y    M     TT      I      ft     I 


(292.) 

A 

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O    M 

M    I    O 

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1    O    A    Y    M 

TT 

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Q 

i 

Inschriften  aus  Olympia.  269 


Der  Buchstabencharakter  von  292  ist  entschieden  später  als  der  von  291, 
wo  er  der  Zeit  des  Mummius  entspricht,  obwohl  bereits  TT  geschrieben  ist. 
Leider  gestattet  bei  der  Mummiusinschrift  Nr.  131  [Olympia  V  Nr.  319]  die  sehr 
schlechte  Erhaltung  nicht,  die  Form  des  Pi  vollkommen  sicher  zu  konstatieren; 
mir  scheint  sie  n  zu  sein.  Wir  besitzen  die,  ebenfalls  der  Ostmauer  ent- 
stammenden Fragmente  eines  zweiten  ganz  gleichen  Bathrons  mit  den- 
selben zwei  Inschriften  in  denselben  älteren  und  jüngeren  Charakteren:  Nr.  11 
[Olympia  V  Nr.  280]  mit  älteren,  132  [Olympia  V  Nr.  281]  mit  jüngeren  Schriftzügen. 
Auch  das  Material  ist  dasselbe.  Die  Höhe  ist  nicht  meßbar,  da  sämtliche  Frag- 
mente unten  gebrochen  sind;  doch  stimmt  die  Buchstabenhöhe,  mit  dem  Unter- 
schied, daß  Nr.  132,  weil  die  erste  Zeile  vom  oberen  Rande  mehr  nach  unten 
gerückt  ist,  die  zweite  Zeile  mehr  verkleinert  gibt.  Aus  demselben  Grunde  ist 
dort  die  dritte  Zeile  weggelassen  und  All  ohne  'OXvjujzio)  noch  in  die  zweite 
gesetzt.  Die  Oberfläche  des  neuen  vollständigen  Bathrons  zeigt  die  unzweifel- 
haften Spuren  einer  Reiterfigur  (Einlassung  für  vier  Hufe);  eine  gleiche  wird  das 
fragmentierte  Bathron  getragen  haben.  Die  Annahme  (Weil,  Mitteilungen  des 
Athenischen  Institutes  III S.  227),  es  handle  sich  um  von  Mummius  gestiftete  Altäre, 
erweist  sich  damit  als  unrichtig.  Die  Doppeltheit  der  Inschrift  führt  zu  der  Ver- 
mutung, daß  man  in  späterer  Zeit  aus  irgend  welchem  Grunde,  etwa  wegen  Ver- 
legung der  Straße,  es  für  passend  fand,  die  Inschrift  auch  auf  der  Rückseite  der 
beiden  gleichen  Bathren  anzubringen.  Eines  der  von  Pausanias  erwähnten  Anatheme 
des  Mummius  scheinen  sie  nicht  getragen  zu  haben.  In  Nr.  292  sind  die  beiden 
zwischen   der  zweiten  und  dritten  Zeile  stehenden  Buchstaben  später  eingefügt. 

293. 

Vorderes  Plinthenstück  von  pentelischem  Marmor,  auf  dessen  rechter  Nebenseite  die 
Inschrift.  Das  Stück  paßt  an  eine  beim  Heraion  gefundene  gut  gearbeitete  weibliche  Figur 
ohne  Kopf  (Inventar  Marm.  Nr.  583).  Höhe  der  Plinthe  0,10.  Buchstabenhöhe  0,010. 
[Olympia  V  Nr.  646.] 

A    I    O    N    Y    £    I    O    £ 
ATTOAAßNIOY 

A   0   H   N  A  I   O  £ 
E   TT  O   I   E   I 

Aiovvmog  \  'AitoXXaiviov  \  A&rjvdiog  \  ijioiet. 
Dionysios  gehört  offenbar  der  athenischen,  um  die  augusteische  Zeit  blühenden 
Künstlerfamilie  an,  in  welcher  der  Name  Apollonios  nicht  selten  gewesen  zu  sein 
scheint.  Er  kann  sehr  wohl  der  Sohn  des  Apollonios  sein,  von  dem  uns  die 
Bronzebüste  des  Doryphoros  in  Neapel  erhalten  ist  (vgl.  zu  ihm  C.  I.  Att.  III  420 
mit  den  Addenda  S.  495);  vielleicht  aber  auch  desjenigen,  der  den  Torso  im 
Belvedere  machte.  Daß  er  noch  der  früheren  Kaiserzeit  angehörte,  scheinen 
sowohl  der  Schriftcharakter  als  die  treffliche  Arbeit  der  Statue  zu  lehren. 


Inschriften  aus  Olympia. 


294. 
Hinfaches  viereckiges  Marmorbathron,  oben  mit  einem  kleinen  profilierten  Rande  vorn, 
links  und  hinten;  rechts  ist  Anschlußfläche;  auf  dem  hier  anstoßenden  Blocke  fand  die 
Künstlerinschrift  ihr  Ende.  Höhe  0,395,  Breite  1,275,  Tiefe  0,57.  Buchstabenhöhe  0,03,  in 
der  Künstlerinschrift  0,02.  Gefunden  am  30.  April  1879,  verbaut  im  nördlichen  Teile  des 
Buleuterion.    [Olympia  V  Nr.  399.] 


HTT-AIZHTflNHAEIflN 
MAAiAAANXAlPOAAHAEION 
APETHZENEKENKAlEYNolAZ 
HIEXP.    NAIATF*    EIEIZEAYTHN 

ATIAZAPIZTOMENE 


11  .t'i/.u-  ij  T(7>y  'HAeicov  |  Muhädav  XaiQÖXa  'HXeiov  \  ägexfjg  evexev  xal 
ebroiac,  |  JJc  >'/'">'  ducreXei  fk  iavzijv.  —  'Aytag  'AQiozojueve[og  inoirjoe]. 

Der  Künstler  Agias,  Sohn  des  Aristomenes,  ist  unbekannt;  hingegen  kennen 
wir  aus  zwei  olympischen  Inschriften  (Nr.  61  [Olympia  V  Nr.  398],  105  [Olympia  V 
Nr.  400])  Aristomenes,  Sohn  des  Agias,  und  Pyrilampos,  Sohn  des  Agias,  beide 
aus  Messene,  offenbar  Glieder  einer  Künstlerfamilie.  Da  jene  beiden  Inschriften 
dem  Schriftcharakter  nach  schwerlich  gleichzeitig,  also  Aristomenes  und  Pyrilampos 
nicht  Brüder  sein  werden,  so  empfiehlt  sich  am  meisten  folgende  Genealogie: 

Agias 

Aristomenes  (Nr.  61) 

Agias  (Nr.  294) 

Pyrilampos  (Nr.  105). 
Die  Zeit  der  Künstler  wird  die  zweite  Hälfte   des   ersten  Jahrhunderts  vor 
Christus  und  die  augusteische  Epoche  gewesen  sein. 

295. 
Südöstlich  des  Zeustempels  am  1.  Januar  1879  gefunden.    Höhe  0,10,  Breite  0,065, 
Dicke  0,01.    Hinten  abgebrochen.    Buchstabenhöhe  bis  22  Millimeter.    Panscher  Marmor. 


UE 


Inschriften  aus  Olympia. 


271 


Die  dritte  Zeile  war  (bustrophedon)  nach  links  geschrieben;  denn  wegen  der 
Interpunktion  könnte  sonst  der  erste  Buchstabe  nicht  B  sein;  auch  der  Rest  des 
zweiten  Buchstabens  stimmt  dazu.  Der  letzte  Buchstabe  der  zweiten  Zeile  war 
ebenfalls  B. 

296. 

Gefunden  2.  Januar  1879  unter  Fragmenten  im  Südosten  des  Zeustempels.  Buch- 
stabenhöhe bis  0,045.  Fragment  (Höhe  0,13,  Breite  0,12,  Dicke  0,085)  von  einem  Rund- 
bathron.  Oben  läuft  ein  erhöhter  Rand  herum.  —  Feinkörniger,  weißbläulicher  Marmor. 
[Olympia  V  Nr.  495.] 


297. 

Die  Inschrift  ist  auf  einen  großen  Schild  (ehemaliger  Durchmesser  ein  Meter)  von 
dünnem  Bronzeblech  eingeschlagen;  derselbe  ward  im  Stadiongraben  den  1.  Januar  1879 
in  großer  Tiefe  gefunden.  Da  er  unter  dem  südlichen  Stadionwalle  sich  befand,  muß  er 
vor  oder  bei  Aufschüttung  des  letzteren  dahin  gekommen  sein.  Die  Inschrift,  der  Rundung 
des  Schildes  folgend,  befindet  sich  0,05  vom  inneren,  0,10  vom  äußeren  Rande  entfernt, 
die  unteren  Enden  der  Buchstaben  diesem  zugewendet.  Der  Rand  ist  mit  feinen  gepreßten 
Flechtornamenten  verziert.  Der  dritte  Buchstabe  ist  durch  ein  größeres  rundes  Loch  zerstört. 
[Olympia  IV  S.  163.  V  Nr.  251.] 


T 


El 


149 


Tägyeioi  ä[ve&ev. 

Die  nächste  Analogie  bietet  die  bekannte  Aufschrift  des  Helmes  aus  Olympia 
C.  L  G.  29;  Add.  S.  885  [Olympia  V  Nr.  250]:  T&Qy[et\oi  äveftev  reo  AiFl  rä>v 
^oqiv&ö&ev,  mit  dem  unser  Schild  trotz  den  etwas  verschiedenen  Formen  des 
Alpha  und  Gamma  in  näherer  Beziehung  gestanden  haben  könnte. 


298. 
Gefäß,  gefunden  am  24.  Februar  1879  innerhalb  des  Prytaneions  und  zwar  tief  unter 
dem  Fußboden  römischer  Zeit.  Die  Inschrift  ist  eingekratzt.  Der  Ton  ist  mit  dem  der 
korinthischen  Vasen  verwandt;  die  Oberfläche  ist  ganz  zerstört  und  zeigt  keinerlei  Farben- 
reste mehr.  Das  Gefäß  ist  auf  ein  Viertel  verkleinert;  die  Inschrift  in  Originalgröße. 
[Olympia  IV  Nr.  1297.  V  Nr.  722.] 


Inschriften  aus  Olympia. 


r 


°  Pio\ 


rr>    U6g. 


299. 


Hohle  vierkantige  Lanzenspitze  aus  Bronze,  die  Inschrift  ist  auf  drei  Seiten  verteilt 
eingraviert    Gefunden  7.  Juni  1879  im  nördlichen  Teile   des  Prytaneion.    Faksimile  auf 
;  Drittel  verkleinert.    [Olympia  V  Nr.  254.] 


a 


ZxvXa  änd   Sovquov  Taoavxivot  nriihjxav  Ad  "OXvfxnicp  dexuxav. 


Offenbar  bezieht  sich  das  Weihgeschenk  auf  die  Kämpfe,  die  Thurii  bald 
nach  der  Gründung  mit  Tarent  bestand  (Antiochos  bei  Strabon  VI  p.  264)  und 
stammt  aus  der  Zeit  zwischen  Olympiade  85  und  90. 

300. 

fanden  20.  Mai  1879   südlich   der  Südostecke   des   Heraion.    Parischer  Marmor, 
i '.reite  0,98,  Tiefe  0,755.    Rechts  und  links  Stoßfläche.    Verkleinerung  auf  ein 
Sechstel,  [hier  auf  ein  Achtel.    Olympia  V  Nr.  267  und  269]. 


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^lOiCOlKEO/v 

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4-  AM  E  N 

Inschriften  aus  Olympia.  273 


Die  Inschrift  ist  eine  Wiederholung  (ß)  der  bereits  in  der  Archäologischen 
Zeitung  1878  Tafel  17,  1  (Nr.  175)  publizierten  (A)  [Olympia  V  Nr.  268].  Der  neue 
Stein  ist  zwar  vollständig  erhalten;  doch  ist  auch  hier  der  Anfang  der  Inschrift  in 
dem  links  fehlenden  Block  verloren;  auf  dem  rechts  anschließenden  setzte  sich  nur 
die  dritte  Zeile  fort.  Dennoch  bringt  uns  der  neue  Fund  bedeutend  weiter.  Wir 
haben  einen  Block  von  der  Basis  der  Weihgeschenke  des  Smikythos  vor  uns  und 
die  erste  Zeile  wird  zu  ergänzen  sein:  Zfxixvdog  Xoiqov  'Prjylvog  xal  Meoorj\viog 
Foixeoiv  iv  Teyer\  nach  Paus.  V  26,5:  rd  de  im  rolg  dvad-rjuaoiv  imyodujuara 
xal  jiarega  Mixvdco  XoToov  xal  'Ekh]vidag  avrw  nöXeig  'Pijyiövre  jiaroida  xal 
xr\v  im  xa>  nooftjjiöj  Meoo>)vyv  öiömoiv'  oixüv  de  (codd.  xal)  rd  /uev  imyQa/jL- 
juara  iv  Teyea  qprjolv  avröv  (mit  offenbarem  Unrecht  hat  Schubart  dem  Vorschlage 
von  Siebeiis  folgend  ov  vor  (pqoiv  eingesetzt),  rd  de  dva^juara  dve&rjxev  ig 
'OXvfimav  tvyr\v  nva  ixrelwv  im  ocorrjgia  Jiaidog  voorjoavrog  vöoov  qp&ivdda. 
Das  Alphabet  unseres  Steines  ist  das  chalkidische,  also  vollkommen  entsprechend 
dem  Stifter  aus  Rhegion;  auch  die  ionische  Form  Teyerj  paßt  dazu.  —  Pausanias 
nennt  eine  ganze  Anzahl  von  Gottheiten  als  von  Smikythos  geweiht;  diese  An- 
gabe läßt  sich  mit  den  Resten  der  zweiten  Zeile  vereinigen,  wenn  man  ergänzt 
ßeoTg  jiäoi]v  xal  &eaig  jidoatg.  Ursprünglich  mag  nämlich  in  der  Tat  ein  relativ 
vollständiger  Götterverein  dargestellt  gewesen  sein;  Pausanias  aber  sah  nicht  mehr 
alles,  da  eine  unbestimmte  Anzahl  der  Statuen  schon  Nero  entführt  hatte.  —  Die 
dritte  und  vierte  Zeile  scheinen  die  Veranlassung  der  Weihung  enthalten  zu  haben. 

Von  dem  links  fehlenden  Blocke  haben  sich  nur  einige  kleine  Splitter  erhalten, 
die  schon  in  den  früheren  Jahren  zerstreut  um  den  Zeustempel  zu  Tage  gekommen 
sind.  In  b  stammt  das  .  .  .  og  ohne  Zweifel  von  Zpiixvftog  oder  Tqylvog  der  ersten 
Zeile,  darunter  der  Rest  von  ä\ve&[t]xe  der  zweiten  Zeile;  in  e  rührt  K/  von  x[al 
Meocnjviog  der  ersten  Zeile  her. 

Die  Gestalt  des  Lambda  A  in  dem  Fragment  /  zeigt,  daß  dieses  sowie  wohl 
auch  die  übrigen  Splitter  von  dem  an  den  früher  bekannten  Stein  (A)  links  an- 
schließenden Blocke  herstammen.  Denn  obwohl  A  und  B  Repliken  geradezu  von 
derselben  Hand  sind,1  hat  doch  A  das  nichtchalkidische  Lambda  A  und  entbehrt 
der  Aspiration  in  öooa  der  dritten  Zeile,  wo  B  eine  als  Übergang  von  B  zu  H 
interessante  Form  des  Spiritus  zeigt.  Die  beiden  Steine  differieren  also  etwas  in 
Dialekt  und  Alphabet.    Daß  sie  indess  zu  demselben  Bathron  gehörten,  beweist  151 


1  Auch  die  Verteilung  der  Buchstaben  ist  dieselbe  mit  Ausnahme  von  Zeile  2.  wo  B 
einen  Buchstaben  mehr  zu  Anfang  hat  als  A. 

A.  Furtwängler.    Kleine  Schriften  I.  18 


Inschriften  aus  Olympia. 


Identität  der  Maße,  der  Bearbeitung  und  des  Marmors.    Bei  einer  Basis  von 

'    sdehnung,  wie  sie  zu  den  Statuen  des  Smikythos  nötig  war,   ist  es  sehr 

natürlich,    daß    die   Weihinschrift   an    zwei   Orten   wiederholt   angebracht   wurde. 

redet  dementsprechend  im  Plural  von  tu  kmyo&fifjuna.  War  die  Inschrift 

eine  Mal  mit  Rücksicht  auf  die  alte  Heimat  des  Dedikanten  chalkidisch,  das 
andere  Mal  wegen  der  neuen  arkadisch? 

Pen  ursprünglichen  Standort  der  großen  Statuenreihe  vermute  ich  in  einem 
der  Nordfront  des  Zeustempels  ungefähr  parallel  laufenden  langgestreckten,  jetzt 
noch  zwölf  Meter  langen  Basenfundamente  aus  Porös.  Seine  Lage  entspricht 
vollkommen  der  Angabe  des  Pausanias.  —  Auf  dem  1,55  tiefen  Fundamente  ist 
nach  Analogie  der  Basen  des  Praxiteles  und  der  Eretrier  eine  weitere  Porosstufe 
zu  denken,  die  zirka  0,20  zurücktrat,  darauf  die  Marmorbasis  in  gleichem  Abstände, 
deren  Tiefe  von  0,755  dann  gerade  zu  dem  Maße  des  Fundamentes  paßt.  —  Das 
letztere  steht  auf  dem  Bauschutte  des  Zeustempels,  ist  also  später  als  die  Er- 
bauung desselben.  Wenn  Smikythos  Olympiade  78  Rhegion  verließ,1  so  wird 
die  Aufstellung  der  Statuen  in  Olympia  keinenfalls  vor  Olympiade  80  erfolgt  sein. 
Im  diese  Zeit  war  der  Zeustempel  aber  ohne  Zweifel  schon  so  weit  fertig,  daß 
ein  Bathron  in  seiner  Nähe  auf  seinen  Bauschutt  zu  stehen  kam.  Die  Basis  des 
Smikythos  tritt  also  in  interessanten  Gegensatz  zu  der  des  Praxiteles,  insofern 
diese  noch  unter  dem  Bauschutte  liegt  und  vor  die  Erbauung  des  Tempels  fällt, 
womit  ja  auch  der  ältere  Charakter  des  Alphabetes  stimmt. 

Noch  ist  zu  erwähnen,  daß  ein  zweiter  vollständiger  Block,    und  zwar  der 

linken  Ecke,  ganz  nahe  bei  B  gefunden  wurde;2  er  scheint  jedoch  nie  eine 

alte  Inschrift  getragen  zu  haben;  in  späterer  römischer  Zeit,  nachdem  die  darauf 

ndliche  Statue  geraubt  worden  war,   ist   er   umgekehrt   und   zur  Basis   einer 

Porträtfigur  gemacht  worden.    Auf  der  ehemaligen  Unterseite  nämlich  sind  jetzt 

f-'ußspuren  einer  Statue  und  vorne  die  Inschrift  Nr.  265  [Olympia  V  Nr.  357]. 
Block  sowie  B  sind  ziemlich  weit  nördlich  verschleppt,  während  A  näher 
dem  ursprünglichen  Standorte  in  beträchtlicher  Tiefe  gefunden  ward. 

301. 

Rundbasis  aus  schwarzem  Kalkstein,  von  der  ungefähr  ein  Drittel  erhalten  ist,  gefunden 
am  11.  ;  i  nicht  in  situ  im  nordlichen  Teile  des  Prytaneion.    Höhe  0,342;  Durch- 

war ungefähr  ein  Meter;  bis  0,49  Tiefe  erhalten.    Oben  hinter  dem  Epigramm  Rest 

lot  7, 170:  6  dt    Mix  I       IXeto,  hthgonot  'Pfjylov  xaxBXiXuitxo, 

•■■i     y.m  tTJV 'Aqx6A(0V    oltcffOat    lUf'ihjXf    :  i    (hinrin    tOV( 

ntlicher  äußerer  Kennzeichen  beweist  die  Zugehörigkeit.    Interessant 

daß  da  Block  als  linke  Kcke  genommen  (a)  vorne  eine  0,68  breite  Stoflfllche  zeigt; 

m  den  Enden  nach  vorn  je  ein  schmaler  Block    als  Abschluß  vor;    oder 

ch  hinten,  wenn  wir,  wa>  weniger  wahrscheinlich,  jenen  Stein  als  rechte  Hckc  nehmen. 


Inschriften  aus  Olympia.  275 


eines  Fußeinsatzes;  die  Künstlerinschrift  steht  auf  der  vertikalen  Seite.   Faksimile  auf  zwei 
Drittel  verkleinert.    [Olympia  V  Nr.  160.] 

£PApTA<£.rAE 

PATEPE£KAIAAEA4>oi 

N/k-TLlAVOTMlLK  AE}ycoNATAN4EVrr*<£  ^Ao/sA 

^EME^A/Ainr/vAlK-^EAAAAo*;  ERPAC A1T6, 
*  E  A  ABENO"E<{>  A  N  <vv 


ArEA  aea  £l<  aAaIKaeo^  Er  oh  te 

Das  aus  drei  Hexametern   und  einem  Pentameter  bestehende  Epigramm  ist  152 
uns  vollständiger  erhalten  in  der  Anthologie  XIII  16,  wonach   die  Inschrift  sich 
so  ergänzt: 

Znägzag  juev   [ßaoüfjeg  ijuol]  Tiazegeg  xal  ädeXcpoi. 

u[gjiiaoi   ö'   <hxv7i6d(ov  l-tttoi]   vixwoa  Kvvioxa 

elxova  zävö'  ecrcaae'  /iör[av]   de  jus  (pafxl  yvvaix&v 

'EXXddos  hc  ndoag  To[r]öe  laßelv  ozicpavov. 
In  der  dritten  Zeile  haben  die  Handschriften  zn'jvd'  eotrjoe;  die  Inschrift  zeigt, 
daß  ruvö'  eoraoe  zu  lesen  ist;  der  Wechsel  der  ersten  und  dritten  Person  in  Zeile  1 
und  3  hat  nichts  Auffallendes.  —  Das  Epigramm  ist  in  der  Anthologie  als  äöio- 
tiotov  bezeichnet,  wie  auch  Pausanias,  der,  ohne  es  ausdrücklich  zu  sagen,  sich 
III  8,2  auf  dasselbe  bezieht  (ausdrücklich  erwähnt  er  es  VI  1,6),  es  einem  un- 
bekannten Dichter  (oozig  ö/j)  zuschreibt.  Kyniska  scheint  mehrere  Wagensiege 
errungen  zu  haben,  wie  das  ägfxaoi  der  Inschrift  und  Pausanias  VI  1,6  im  zeug 
"Okvi-imxoÄg  vixaig  schließen  läßt. 

Das  vorliegende  Rundbathron  trug,  wie  auch  das  Epigramm  angibt,  Kyniskas 
eigenes  Porträt,  welches  Pausanias  in  der  Altis  neben  der  Statue  des  Troilos  sah, 
dessen  Inschrifttafel  in  der  Tat  auch  ganz  in  der  Nähe  zu  Tage  kam.  Auf  einem 
mehrstufigen  Steinbathron  (Udov  xo}]mg)  stand  das  Viergespann  mit  dem  Wagen- 
lenker; daneben  und  zwar  auf  besonderer  Rundbasis1  Kyniskas  Bild.  —  Der 
Künstler  war  Apelleas,  wie  er  sich  in  unkontrahierter  Form  schreibt.  Die  In- 
schrift lehrt  uns  seinen  Vater  kennen.  Kallikles  ist  Sohn  des  Theokosmos,  der 
von  Pausanias  als  Megarer  bezeichnet  wird;  der  letztere  arbeitete  noch  zu  Ende 
des  peloponnesischen  Krieges  am  delphischen  Weihgeschenke  der  Lakedämonier. 

1  Da  indessen  die  ganze  hintere  Hälfte  des  Steines  fehlt,  so  ist  möglich,  daß  es  nur 
ein  halbkreisförmiger  Vorsprung  war,  auf  dem  Kyniska  stand. 

18* 


Inschriften  aus  Olympia. 


Dl  Kvniska  so  lange  gelebt  haben  kann  wie  ihr  Bruder  Agesilaos  und  die  Statue 
I  m  höherem  Alter  gesetzt  haben  wird,  so  braucht  das  Werk  des  Enkels  des 
Theokosmos  nicht  viel  vor  Olympiade  105  zu  fallen.  In  das  erste  Drittel  des 
vierten  Jahrhunderts  wird  es  indess  jedenfalls  gewiesen  durch  das  O  für  ov  und 
durch  die  Formen  des  Ny,  bei  dem  bald  der  erste,  bald  der  letzte,  bald  beide 
Schenkel  etwas  geneigt  stehen. 

Über  das  Motiv  der  Statue  der  Kyniska  glaube  ich  eine  Vermutung  äußern 
zu  dürfen:  sie  war,  wie  uns  dies  auch  von  anderen  Siegerstatuen  in  Olympia 
berichtet  wird,  als  Betende,  um  den  Sieg  Flehende  dargestellt.  Es  würde  nämlich 
vortrefflich  zu  der  Manier  des  Plinius,  wie  ich  sie  an  einem  anderen  Orte  nach- 
gewiesen habe,  passen,  wenn  er  aus  der  Beschreibung  des  Porträts  der  Kyniska 
bei  seinem  Quellenschriftsteller  nur  das  Motiv  exzerpierte  und  dies  zu  einer 
Statuenrubrik  machte,  das  heißt  wenn  die  so  seltsamen  „feminae  adorantes"  des 
Apelleas  nur  aus  einer  Beschreibung  der  Kyniska  entstanden  wären. 

Was  Apelleas  betrifft,  so  ist  wahrscheinlich,  daß  er  auch  Kunstschriftsteller 
war.  Die  ganz  einzig  dastehende  Genauigkeit  und  Ausführlichkeit  der  Angaben 
über  die  Statue  des  Diagoras  in  Olympia  von  Kallikles  würde  sich  wenigstens 
am  besten  erklären,  wenn  dieselben  vom  Sohne  des  Künstlers  herrührten,  das 
heißt  wenn  der  beim  Schol.  Pind.  p.  158  Böckh  neben  Aristoteles  als  Quelle  ge- 
nannte 'AnoXläs  eben  unser  Künstler  wäre.1 

Kyniska  hatte  als  Andenken  ihrer  Siege  noch  ein  zweites  Werk  gestiftet, 
unterlebensgroße  Pferde  im  Pronaos  des  Zeustempels,  dem  Eintretenden  zur 
Rechten  (Pausanias  V  12,5).  Auch  dieses  Anathem  war  von  Apelleas  gearbeitet, 
wie  uns  die  an  der  noch  erhaltenen  Basis  angebrachte  Künstlerinschrift  lehrt.  Ich 
meine  das  genau  an  der  von  Pausanias  bezeichneten  Stelle  im  Pronaos  rechts, 
da  wo  das  Mosaik  einen  Ausschnitt  freiläßt,  gefundene  Bathron  mit  der  schon 
früher  veröffentlichten  Inschrift  (Archäologische  Zeitung  1876  S.  95,  Nr.  58  mit 
Nachtrag  ebenda  S.  195  [Olympia  V  Nr.  634]),  die  ich  nach  neuer  Abschrift  gebe: 


I     ''     \AEA£kAAAIKAEO£ 


Die  Ergfnzung  der  Inschrift,  die  sich  auf  den  ersten  Blick  als  aus  der  ersten 

Ifte  des  vierten  Jahrhunderts  stammend   zu   erkennen   gibt,   ist   unzweifelhaft. 

besteht  aus  parischem  Marmor;   sie  ist  viereckig,   vorn  0,42,   an  den 

1  richtig  vermutet  Bockh,  Pr.if.  zu  Schol.  Pind.  p.  23,  daß  es  derselbe  ist,  dessen 
Wtfr  /  von  Athenäus  IX  p.  369A  zitiert  wird. 


Inschriften  aus  Olympia.  277 


Seiten  0,48  breit,  jetzt  noch  einen  Meter  hoch  und  unten  abgebrochen.  An  allen 
vier  Seiten  geht  oben  ein  doppelter  feiner  Rand  herum.  Auf  der  Oberfläche  sieht 
man  noch  drei  Klammerlöcher  zur  Befestigung  der  Plinthe  des  Werkes.  Die  Pferde 
müssen  nach  den  Dimensionen  der  Basis  ziemlich  klein  gewesen  sein.  Noch  hebe 
ich  hervor,  daß  die  Basis  uns  einen  sicheren  terminus  post  quem  für  die  Datierung 
des  Pronaosmosaiks  bietet:  dasselbe  muß  später  als  das  Werk  des  Apelleas  sein, 
da  der  Ausschnitt  in  der  nordwestlichen  Ecke  des  Mosaiks  offenbar  wegen  des 
älteren  Anathemes  gemacht  ist. 


[ARCHÄOLOGISCHE  ZEITUNG  37,  1879] 

Zu  Nr.  56  und  177. 

1.  Archäologische  Zeitung  1877  Tafel  4,  2  [Olympia  V  Nr.  5].  Der  Anfang  der  165 
zweiten  Zeile  zeigt  nach  einer  von  mir  vorgenommenen  neuen  Reinigung  nicht  o  OS, 
sondern  IYOS.    Ferner  ist  in  Zeile  5  Buchstaben  7  von  links  vollkommen  erhalten: 

T  (statt  I).  —  Die  Platte  ist  unten  und  oben  vollständig. 

2.  Archäologische  Zeitung  1878  Tafel  17,  3  [Olympia  V  Nr.  30].  Die  linke 
obere  Ecke  zeigte  bei  sorgfältigerer  Reinigung  zu  Anfang  der  zweiten  Zeile 
statt  M  vollkommen  deutlich  Aib  .  .  .,  mithin  Aiqpdov,  nicht  ITa\jH(pikov.  Das 
Delta  hat  also  auf  derselben  Inschrift  die  Form  A  und  >.  Zu  Ende  der  ersten 
Zeile  ist  nur  l  und  keinerlei  weiterer  sicherer  Buchstabenrest  vorhanden. 


[ARCHÄOLOGISCHE  ZEITUNG  38,  1880] 

Zu  Nr.  91. 
Zu  den  Beispielen,  daß  eine  ältere  Inschrift  später  an  demselben  Bathron  70 
durch  eine  Wiederholung  ersetzt  wird,  gesellt  sich  die  Basis  des  Tellon.  Die  Nr.  91 
[Olympia  V  Nr.  147. 148]  publizierte  Inschrift  scheint  dem  ersten  Jahrhundert  vor 
Christus  anzugehören;  doch  an  der  links  davon  befindlichen  Seite  des  Bathrons 
sind,  ebenfalls  auf  der  oberen  horizontalen  Fläche,  die  Reste  einer  verlöschten 
Inschrift  des  fünften  Jahrhunderts  zu  erkennen,  von  denen  ich  las: 

////SOASIOSP//// 
'Ogelofidoiog  n  .  .  . 


1 

■ 

[  3  j 

OLYMPIA 

(BERLINER  PHILOLOGISCHE  WOCHENSCHRIFT  1888  Nr.  48) » 

ier  konnte  ich  mich  überzeugen,  daß  ich  früher  (vergleiche  den  Sitzungs- 
bericht der  archäologischen  Gesellschaft  vom  Januar  dieses  Jahres 
[Archäologischer  Anzeiger  1889  S.  57])  mit  Unrecht  in  Zweifel  zog, 
was  Treu  damals  vortrug  und  seitdem  im  Jahrbuch  des  Instituts  III  S.  184  ff. 
ausführlich  dargelegt  hat,  daß  die  beiden  alten  Frauen  und  die  Nymphe  links 
spätere  Kopien  der  verlorenen  Originale  seien.  Die  Abweichungen  der  Ausführung 
im  einzelnen  sind  in  der  Tat  viel  zu  stark,  um,  wie  ich  es  früher  tat,  sie  nur  als 
eine  Stilentwicklung  während  der  Bauzeit  des  Tempels  zu  fassen.  Namentlich 
1515  entscheidend  schienen  mir  die  kleinen  Querfältchen,  durch  welche  der  Verfertiger 
jener  Figuren  die  großen  Flächen  des  Gewandes  zu  beleben  versucht,  eine  Eigen- 
tümlichkeit, die  im  fünften  Jahrhundert  überhaupt  nicht  sicher  nachzuweisen  ist, 
erst  mit  dem  vierten  Jahrhundert  auftritt  und  dann  rasch  beliebt  wird.  Natürlich 
hat  Treu  jene  Figuren  mit  Recht  als  Kopien  bezeichnet  und  nicht  die  Ansicht 
derjenigen  gebilligt,  welche  die  alten  Weiber  für  freie  spätere  Zusätze  erklären. 
Nicht  nur,  daß  dieselben  der  Erfindung  nach  ins  fünfte  Jahrhundert  passen,  ihr 
Typus  kann  sogar  nach  unserer  kunsthistorischen  Kenntnis  nur  eben  in  der  Zeit 
des  olympischen  Tempelbaues  erfunden  sein.  Die  letztere  ist  aber  keineswegs  so 
unsicher,  wie  diejenigen  zu  glauben  scheinen,  die  neuerdings  dieselbe  in  den 
ersten  Anfang  des  fünften  oder  gar  ins  sechste  Jahrhundert  hinaufschieben  wollen. 
Zu  den  bekannten  historischen,  zu  den  .Bronzefundevon  Olympia'  S.  4  f.  zusammen- 
heilten und  zu  den  kunstgeschichtlichen  Gründen  füge  ich  hier  noch  ein  Moment 
hinzu,  auf  das  ich  bei  diesem  letzten  Besuche  in  Olympia  aufmerksam  ward.  Ich 
habe  früher  einmal  (Bronzefunde  S.  5  Anm.  1)  angegeben,  das  Marmordach  des 
Tempels  scheine  erst  einige  Zeit  nach  der  Erbauung  des  Tempels  zugefügt  zu 
■  .  Ich  glaubte  dies  aus  den  von  mir  damals  (187879)  gesammelten  Versetzungs- 
marken der  Marmorziegel  schließen  zu  müssen;  denn  die  älteren  Ziegel  und  Simen- 
stücke,  die  zum  ursprünglichen  Tempeldach  gehörten  und  aus  parischem  Marmor 
l  zum  Unterschiede  von  den  pentelischen  der  späteren  Restauration,  tragen 
als  -iingsmarken  nur  Buchstaben  eines  völlig  entwickelten  Alphabetes  der 

•  n  der  Reise'  iibcrscliricbencn  Reihe  kleiner  Aufsätze  teilen  wir  diesen 
iilichcn  Gründen  schon  hier  mit.] 


Olympia.  279 


ersten  (blauen)  Kirchhoffschen  Reihe  und  zeigen  keine  Spur  mehr  von  archaischem 
Charakter.1  Jener  Schluß  forderte  aber  nicht  nur  etwas  an  und  für  sich  sehr 
Unwahrscheinliches,  sondern  war  auch  nachweislich  falsch.  Denn  die  Löwenköpfe 
der  Sima,  die  zu  eben  jenen  ursprünglichen  Ziegeln  von  parischem  Marmor  ge- 
hören, stimmen  in  Typus  und  Arbeit  so  sehr  mit  dem  Kopfe  des  nemeischen 
Löwen  der  Metope  überein,  daß  man  sie  in  dieselbe  Zeit  wie  die  Tempelskulpturen 
setzen,  ja  derselben  Künstlergruppe  zuschreiben  muß  wie  diese.  Nun  gewinnen 
jene  Marken  aber  die  Bedeutung  eines  sicheren  Dammes  gegen  das  Bestreben, 
die  Skulpturen  zu  hoch  heraufzurücken;  zugleich  sind  sie  ein  bedeutsamer  Finger- 
zeig für  die  Herkunft  jener  in  parischem  Marmor  arbeitenden  Künstler  und  ihrer 
Steinmetzen.  Elischer  Ursprung  ist  jedenfalls  ausgeschlossen;  aber  auch  Argos 
(wegen  A  für  X)  und  die  Inseln  (wegen  B)  kommen  nicht  in  Betracht  und  Ionien 
oder  Nordgriechenland  sind  am  wahrscheinlichsten. 


1  Daß  BQOP<P  mit  eckigen  statt  runden  Linien  geschrieben  werden,  weist  zwar  auf 
relativ  ältere  Zeit  (5.  Jahrhundert),  ist  aber  nicht  archaisch.  E  und  N  haben  nie  schräge 
Striche;  leider  fehlt  A,  das  dafür  —  mit  geradem  Querstrich  —  auf  einem  Porosblock  des 
Tempels  erhalten  ist,  vgl.  Bronzefunde  a.  a.  O.  Häufig  sind  I  mit  Vertikalstrich  und  //; 
dagegen  fehlen  Q  und  'F.  —  Die  Weiterführung  meiner  Sammlung  durch  K.  Purgold  hat, 
wie  mir  derselbe  freundlichst  mitteilt,  nichts  wesentlich  Neues  gebracht.  [Vgl.  jetzt  Olympia  V 
S.  695  und  706  f.]  —  Zuweilen  kommen  sicher  späte  Buchstaben  auch  auf  parischen  Frag- 
menten vor,  was  nicht  irre  machen  darf:  bei  einer  größeren  Restauration  konnten  einige 
von  den  vorhandenen  parischen  Ziegeln  in  anderer  Folge  wieder  verwendet  werden. 


C 


D  E     F       G  H  I        K      O  M 

Der  Ostglebel  nach  Furtwänglers  Aufstellung. 


N 


ZUM  OSTGIEBEL  VON  OLYMPIA 

(JAHRBUCH  DES  DEUTSCHEN  ARCHÄOLOGISCHEN  INSTITUTS  VI  1891) 


iAv^/TS' 


Bindern  ich  mich  anschicke,   in   dieser  vielbesprochnen  Frage  auch   noch 

ein  Wort  zu  sagen,  bin  ich  mir  wohl  bewußt,  daß  die  geneigten  Leser 

das  Recht  haben,  vor  allem  die  möglichste  Kürze  und  dann  nur  solche 

Vorschläge  zu  erwarten,  deren  Ausführbarkeit  mit  allem  gegenwärtig  vorhandenen 

Materiale  geprüft  ist,  die  also  nicht  durch  den  einfachen  Nachweis  der  Tatsachen 

widerlegt  werden  können.     Ich   darf  daher  vorausschicken,   daß  ich  den  Vorzug 

gehabt  habe,  meine  Vermutung  unter  der  Beihilfe  der  ersten  Autorität  in  diesen 

Fragen  zu  prüfen;   Georg  Treu  in  Dresden  gestattete  mir  mit  liebenswürdigster 

Bereitwilligkeit,   Umstellungsversuche  an  den  dortigen  Gipsen  zu  machen,   nach 

welchen  photographische  Aufnahmen  gemacht  wurden,  und  unterstützte  mich  mit 

sachkundigster  Auskunft  auf  alle  meine  Fragen.    Ich  habe  mich  nun  in  Dresden 

redlich  bemüht,  etwas   zu  finden,   das  meine  Vermutung  unmöglich  machte;   da 

ich  nichts  derart  gefunden,  darf  ich  sie  nun  dem  Urteile  anderer  zur  Erwägung 

egen. 

Die  von  Six  und  Sauer  gemachten  Versuche,  die  Handlung  des  Anschirrens  der 
( jespanne  dargestellt  sein  zu  lassen,  sind  durch  Treu  [Jahrbuch  1891  S.  63]  vollständig 
widerlegt  worden.  Es  ist  jetzt  durchaus  gesichert,  daß  die  Pferde  in  gleichmäßigen 
Abständen  neben  einander  stehend  an  die  Wagen  angeschirrt  waren.1  Aber  auch  die 

1  Die  Beweise  Treus  sind,   wie  ich  mich  überzeugt  habe,   absolut  zwingend.    [Vgl. 
:ipia  111  S.  53.]  —  Ich  bemerke  übrigens,  daß  es  falsch  ist,  wenn  man  gewöhnlich  be- 
hauptet, die  verdeckten  Reliefpferde  seien  gleich  vollkommen  ausgeführt  wie  die  Vorder- 
vielmehr fehlt  eine  Menge  feinen  lebendigen  Details,  das  der  Künstler  an  letzteren 
bracht  hat,  an  jenen  völlig;  auch  sind  jene  Reliefpfcrde  an  Bauch  und  Schenkeln  so 
rlich  flach  gebildet,  wie  es  sich  nur  erklärt,  wenn  etwas  vor  ihnen  gestanden  hat. 
-  nicht  richtig,  dieselben  als  völlig  verdeckt  zu  bezeichnen,  da  von  unten  ein 
Teil  ihres  Bauches  sichtbar  war;  es  ist  demnach,  da  Kopf,  Hals,  Brust,  Unterteil  des  Bauches, 
ikel,  Hinterteil  zu  sehen  waren  und  ausgeführt  werden  mußten,  recht  wenig,  was  der 
litt    schenken  können;  doch  um  jenes  andere  auszuführen,  konnte 
M  unausgeführt  lassen.    Sein  Verfahren,  die  Viergespanne  je  in 
iten,  war  abei  jedenfalls  eine  enorme  Ersparnis  an  Kosten  und  Arbeit 
■.dichkeit,  sie  je  aus  einem  einzigen  Blocke  herzustellen. 


Zum  Ostgiebel  von  Olympia.  281 


von  Sauer  (Jahrbuch  1891  S.  16)  selbst  bestätigte  Tatsache,  daß  alle  Pferde  den  Zug- 
riemen um  die  Brust  haben,1  sowie  das  von  Sauer  S.  12  f.  beigebrachte  Vergleichs- 
material berechtigt  nur  zu  einem  methodischen  Schlüsse,  nämlich  daß  die  Anschirrung 
nicht  dargestellt  sein  kann,  daß  vielmehr  die  Pferde  schon  fertig  angeschirrt  sind. 
Dies  muß  Sauer  auch  eigentlich  zugeben,  er  möchte  nur  einen  letzten  Rest  der 
Anschirrungshandlung  retten  und  konstruiert  dazu  eine  Situation,  die  ohne  alle 
Analogie  und  von  äußerster  Unwahrscheinlichkeit  ist;  das  eine  Beipferd,  obwohl 
völlig  angeschirrt,  soll  doch  am  Leitriemen  herangezogen  werden.  An  fertig 
angeschirrten  Wagenpferden  kommt  aber  niemals  das  Leitseil  vor;  es  wurde  gewiß 
beim  Anlegen  von  Gebiß  und  Zügel  als  weiter  unnötig  entfernt.  Nur  unangeschirrte  77 
Wagenpferde  werden  am  Leitseil  herangeführt. 

Eine  weitere  Tatsache,  die  auch  Sauer  bestätigt,  ist  die,  daß  die  Zügel  nach 
hinten  gehen  und  hier  hinter  den  Pferden  irgendwie  gehalten  werden  müssen. 
Es  ist  dies  die  notwendige  Folge  des  bereits  konstatierten  Umstands,  daß  die 
Pferde  eben  fertig  angeschirrt  sind.  Außer  diesem  unumgänglichen  Gezügeltwerden 
von  hinten  wäre  es  an  und  für  sich  auch  möglich,  freilich  unnütz  und  ungewöhnlich, 
daß  die  Pferde  überdies  von  vorne  festgehalten  würden.  Es  könnte  dies  aber 
nur  dadurch  geschehen,  daß  eine  Person  in  die  Zügel  nahe  am  Gebisse  faßte, 
eine  solche  Person  müßte  notwendig  aufrecht  stehen;  ein  unter  den  Köpfen  der 
angeschirrten  Rosse  sitzender  oder  kniender  Mensch  kann  dieselben  nicht  wirklich 
festhalten.  Die  Zügel  liefen  ja  nach  hinten  und  die  Leitseile  waren  abgenommen; 
aber  selbst  wenn  letzteres  nicht  der  Fall  wäre,  hätte  ein  kniender  oder  sitzender 
Mann  mit  den  Leitseilen  in  der  Hand  keine  Gewalt  über  die  gezügelten  Rosse. 
Stehende  Personen,  welche  die  Pferde  wirklich  an  den  Köpfen  halten  konnten, 
gibt  es  nun  aber  unter  den  Figuren  des  Ostgiebels  nicht  und  die  Pferde  desselben 
waren  also  in  der  Tat  nur  von  hinten  gehalten,  wohin  die  Zügel  liefen.  Auch 
die  gleichmäßige  ruhige,  der  Längenachse  der  Körper  folgende  Haltung  der 
Pferdeköpfe  zeigt  ja  schon  deutlich  an,  daß  die  Tiere  nur  von  hinten  gezügelt 
und  nicht  von  vorne  gehalten  werden. 

Mir  erscheinen  diese  Erwägungen  durchaus  zwingend  und  ich  komme  nicht 
über  dieselben  hinaus;  ich  kann  deshalb  keine  der  bisherigen  Aufstellungen  für 
richtig  halten.  Im  Jahrbuch  1889  Tafel  8  9  sind  die  drei  Arten  zusammengestellt, 
wie  man  die  Figuren  unter  der  von  Treu  nun  als  richtig  erwiesenen  Annahme, 
daß  die  vier  Pferde  je  auf  einer  Linie  standen,  angeordnet  hat.  Die  Aufstellung 
Nr.  III,  welche  ich  selbst  früher  verteidigt  habe,2  bevor  die  Tatsache  bekannt  war, 
daß  die  Pferde  mit  den  Zugriemen  fertig  an  den  Wagen  angeschirrt  waren  und 
die  Zügel  nach  hinten  liefen,  kann  nicht  die  richtige  sein,  da  sie  eben  dieser 
Tatsache  widerspricht;  sie  nimmt  an,  daß  die  Pferde  noch  gar  nicht  angeschirrt 


1  [Vgl.  Olympia  III  S.  53.  55. 57.] 

2  Preußische  Jahrbücher  1882  S.  372  ff.  [oben  S.  248]. 


.\  Ostgii  bei   \o\  Olympia. 


jetzt  nachgewiesen  ist  — ,  und  daß  sie  deshalb  von  vorne  an  den 
Zügeln  gehalten  werden  die  doch  nach  hinten  liefen  —  und  zwar  von  Personen, 
die  sich  dazu  seltsamer  Weise  auf  die  Knie  niedergelassen  haben.  Diese  Personen 
en  überdies  keine  passenden  Gegenstücke,  indem  sie  nach  der  gleichen  Seite 
hin  bewegt  und  indem  sie  von  ungleicher  Höhe  sind;  diese  ihre  Höhendifferenz 
ist  aber  gerade  eine  solche,  wie  sie  durch  ihre  Aufstellung  hinter  einander  unter 
der  Giebelschräge  ihre  natürlichste  Erklärung  fände,  weshalb  es  von  vorne  herein 
das  Wahrscheinlichste  ist,  daß  jene  Figuren  in  die  linke  Giebelecke  gehören. 

Die  Aufstellung  Nr.  I  kann  ich  nicht  billigen,  weil  hier  zwar  das  Gespann  der 
linken  Seite  nur  von  hinten  gezügelt  wird,  das  der  rechten  aber  von  vorne  ge- 
halten werden  soll.  Gegenüber  der  Tatsache,  daß  die  Stellung  und  Haltung  der 
Pferde  sowie  die  Spuren  der  Anschirrung  und  der  nach  hinten  laufenden  Zügel 
an  beiden  Gespannen  vollkommen  gleich,  dieselben  also  genau  symmetrisch  ge- 
arbeitet sind,  halte  ich  eine  so  starke  Verletzung  der  Symmetrie,  daß  das  eine 
Gespann  von  hinten,  das  andere  von  vorne  gehalten  werden  soll,  für  unmöglich. 
Wir  sahen  ferner  bereits,  daß  eine  vor  den  angeschirrten  Pferden  an  der  Erde 
sitzende  Person  überhaupt  nichts  mit  deren  Zügeln  zu  tun  haben  kann;  Leitseile 
aber  hatten  die  Pferde  nicht  mehr  und  das  Halten  derselben  durch  den  sitzenden 
Mann  wäre,  selbst  wenn  man  ihre  Möglichkeit  zugäbe,  etwas  völlig  Zweckloses. 
Endlich  ist  die  Haltung  des  Mannes  für  die  vorausgesetzte  Handlung  so  ungeeignet 
wie  nur  möglich.  Der  Versuch  am  lebenden  Modell  lehrt,  daß  dieser  Mann,  wenn 
er  mit  beiden  Händen  wollte  die  Zügel  oder  Leitseile  halten,  um  nicht  zu  fallen 
an  denselben  so  heftig  reißen  müßte,  daß  die  Pferde,  namentlich  die  hinteren, 
unmöglich  die  ruhige  gerade  Haltung  ihrer  Köpfe  bewahren  könnten,  die  sie  jetzt 
zeigen.  Will  man  den  sitzenden  Mann  vor  den  Pferden  aufstellen,  so  darf  man 
ihn  doch  nicht  mit  diesen  sich  beschäftigen  lassen;  man  muß  ihm  einen  Stock  in 
die  linke  Hand  geben,  auf  den  er  sich  stützt,  da  er  sich  sonst  überhaupt  nicht 
aufrecht  erhalten  kann.  Doch  auch  nach  dieser  Verbesserung  besteht  ein  schweres 
'enken  gegen  den  Platz  der  Figur  L:  sie  ist  kein  passendes  Gegenstück  zu  E, 
der  sie  entsprechen  soll,  indem  sie  nicht  unwesentlich  höher  ist  als  letztere  Figur, 
lebel  aber  lehrt  —  ebenso  wie  die  Ägineten  — ,  daß  wir  für  die  sich 
entsprechenden  Figuren  beider  Giebelhälften  auch  möglichst  gleiche  Kopfhöhen 
en   müssen,1   jedenfalls  nicht  ohne  Not  eine  beträchtliche  Differenz  in 

tgiebcl  vorkommenden  I  lühendifferenzcn   scheinen   ganz   gering;   am 

beträchtlich  der  Unterschied  der  beiden  Frauen  H'  und  O',  der  aber  keineswegs, 

iubt,  darauf  weist,  daß  O'  weiter  von  der  Mitte  entfernt  war,  sondern  dadurch 

as  vom  Boden  gehoben,   ()'  dagegen  weit  ausschreitend  dar- 

-ri^ens   entsprechen    sich    hier   nicht  Kinzclfigur  und  Eitizelflgur,    sondern 

und  Gruppe:   jene  Differenz   wird   dadurch   ausgeglichen,   daß  der  Kentaur  N' 

i  höher  /  .     Der  letztere  zieht  den  Schwanz   ein,    nicht  weil  er  naher  .111  die 

Schmer/,  über  die  Wunde. 


Zum  Ostgiebel  von  Olympia.  283 

dieser  Beziehung  zulassen  dürfen.  Ferner  sind  jene  beiden  Gestalten  in  ver- 
schiedenen Proportionen  gebildet,  denn  der  sitzende  Mann  müßte,  wenn  er  die- 
selben Verhältnisse  hätte  wie  der  halbwüchsige  Junge,  noch  wesentlich  größer 
sein  als  er  ist;  nun  lehren  aber  wieder  die  Analogien  anderer  Giebel,  daß  die  sich 
entsprechenden  Einzelfiguren  immer  in  gleichen  Proportionen  gebildet  wurden;  so 
starke  Altersdifferenzen  wie  die  jener  beiden  Gestalten  wird  man  also  bei  Gegen-  79 
stücken  sicher  vermieden  haben.  Der  sitzende  Mann  muß  seiner  kleineren  Pro- 
portion nach  mehr  gegen  die  Giebelecke  hin  gehören.  Endlich  kommt  noch  ein 
technisches  Detail  hinzu,  das  gegen  den  Platz  vor  den  Rossen  spricht:  die  linke 
Kopfhälfte  dieses  sitzenden  Mannes  ist  vernachlässigt,  ja  das  linke  Ohr  ist  voll- 
ständig roh  gelassen.  Nach  der  richtigen  Haltung  des  Kopfes,  die  Treu  jetzt 
nachgewiesen  hat  (Jahrbuch  1889  S.  294  [Olympia  III  S.  60]),  war  diese  schlechte 
Stelle,  wenn  der  Mann  vor  den  Pferden  saß,  von  unten  sehr  deutlich  zu  erkennen; 
es  gibt  aber  kein  Beispiel  an  beiden  Giebeln,  wo  sich  eine  so  auffallende  Ver- 
nachlässigung an  so  sichtbarer  Stelle  fände,1  und  dazu  an  einem  Kopfe,  der  sonst 
vortrefflich  ausgearbeitet  ist.  Der  sitzende  Mann  kann  sich  also  nicht  an  der  ihm 
von  Treu  gegebenen  Stelle  befunden  haben. 

Dagegen  halte  ich  es  für  eines  der  sichersten  Resultate  von  Treus  Forschungen, 
daß  der  hockende  Knabe  E  wirklich  links  vor  den  Pferden  gesessen  hat.  Die 
Bestimmtheit,  mit  der  man  früher  auf  die  Fundumstände  der  Figur  baute,  ist  durch 
Treus  Nachweis,  wie  ich  nach  meiner  Kenntnis  der  Verhältnisse  des  olympischen 
Ausgrabungsfeldes  zugestehen  muß,  zerstört  worden.  Andererseits  sprechen  die 
eigentümliche  Bearbeitung  der  Rückseite  und  der  dreieckige  Grundriß  der  Figur 
entschieden  für  jenen  Platz  vor  den  Pferden,  wo  sie  sich  so  vortrefflich  einfügt, 
wie  die  Oberansicht  in  Nr.  I  zeigt.  Jener  Grundriß  ist  nicht  durch  die  Anlage  der 
Figur  selbst,  sondern  künstlich  dadurch  hervorgerufen,  daß  ein  Stück  des  Rückens 
mit  dem  ganzen  rechten  Glutäus  (vergleiche  Jahrbuch  1889  S.  287)  abgemeißelt  ist. 
Dies  kann  nur  seinen  Grund  in  der  Aufstellung  der  Figur  haben,  und  die  einzig 
passende  Erklärung  bietet  der  Platz  vor  der  schrägen  Linie  der  Pferdebeine  des 
linken  Gespannes.  —  Da  Treu  auch  für  seine  Aufstellung  des  sitzenden  Mannes  L 
die  Grundrißform  desselben  geltend  gemacht  hat,  sei  bemerkt,  daß  der  Fall  hier 
ein  ganz  anderer  ist:  die  ungefähr  dreieckige  Form  des  Grundrisses  von  L  ist 
lediglich  durch  die  Anlage  der  Figur  selbst  begründet  und  beruht  keineswegs  wie 
dort  auf  einer  Abarbeitung  zum  Zwecke  der  Aufstellung,  läßt  also  auf  diese  auch 
keinen  Schluß  zu;  übrigens  ist  die  gestreckte  Grundform  des  L  überhaupt  recht 
verschieden  von  der  des  E. 


1  Wenn  Treu  sich  darauf  berufen  wollte,  daß  von  E  in  seiner  Aufstellung  auch  etwas 
vom  Rande  des  abgearbeiteten  Gesäßes  und  Rückens,  wenn  man  ganz  auf  die  Seite  trat, 
sichtbar  sein  konnte,  so  ist  dies,  zugegeben  daß  es  überhaupt  der  Fall  war,  doch  ganz 
etwas  anderes;  hier  eine  durch  die  Aufstellung  notwendig  gewordene  Abarbeitung,  dort 
die  willkürliche  Vernachlässigung  eines  sichtbaren  Teiles. 


Zum  Ostgiebel  von  Olympia. 


Die  Aufstellung  Nr.  II  im  Jahrbuch  1889  Tafel  89  entspricht  unserer  Haupt- 
tadem  sie  annimmt,  daß  die  beiden  Gespanne  nur  von  hinten  gehalten 
worden.  Doch  setzt  sie  links  vor  die  Pferde  eine  Figur,  deren  Anordnung  wir 
nicht  billigen,  weil  die  Bewegung  ihrer  Arme,  die  hier  mit  den  Pferden  nichts  zu 
tun  haben  kann  (vergleiche  Treu,  Jahrbuch  1889  S.  293),  ganz  unverständlich  wäre; 
auch  ist  dieser  Platz,  wie  wir  soeben  bemerkt  haben,  schon  von  dem  hockenden 
Knaben  besetzt.  Dagegen  scheint  es  mir  ein  vortrefflicher  Gedanke  Kekules,  das 
kniende  .Mädchen  rechts  vor  den  Pferden  zu  den  Füßen  der  Sterope  anzuordnen 
ind  als  deren  Dienerin  zu  erklären.1  Dem  steht  nicht  nur  nichts  im  Wege,  sondern 
spricht  alles  dafür:  vor  allem  gewinnen  wir  jetzt  ein  wirkliches,  überaus  passendes 
genstfick  zu  dem  bereits  eingeordneten  hockenden  Jungen.  Der  beste  Beweis 
dafür  ist,  daß  nur  diese  beiden  Figuren  die  gleiche  Größe  haben.  Scheinbar  ist 
allerdings  der  kniende  Jüngling  B  ein  besseres  Gegenstück  zu  dem  Mädchen,  weil 
die  Bewegung  ihrer  Beine  sich  genauer  entspricht.  Aber  die  Größe  dieser  Figuren 
ist  eine  nicht  unbeträchtlich  verschiedene;  der  Jüngling  B  —  der  keineswegs  ein 
unerwachsener  Knabe  ist!  —  hat  eine  wesentlich  größere  Höhe  als  das  Mädchen. 
Wenn  aber  der  Giebel  Figuren  enthält,  die  sich  mit  jenen  beiden  zu  gleich  großen 
Paaren  vereinigen  lassen,  so  werden  wir,  wenn  nicht  triftige  Gründe  dagegen 
sprechen,  sicherlich  diese  als  die  richtigen  ansehen  und  nicht  jene  von  ungleicher 
Größe.  Wie  vortrefflich  nun  aber  der  hockende  Junge  zu  dem  knienden  Mädchen 
paßt,  ist  unmittelbar  einleuchtend.  Hier  haben  wir  zwei  Gestalten  von  gleichen 
Proportionen  und  ungefähr  gleicher  Altersstufe  —  das  Mädchen  wird  etwas  älter 
sein  und  scheint  auch  ein' wenig  größer  — ;  vor  allem  aber  zwei  Personen  gleicher 
Bedeutung.  Mit  Recht  hat  Kekule  den  Jungen  wie  das  Mädchen  für  Diener  erklärt. 
Jener  Hockende  gehört  ja  einem  bestimmten  festen  Typus  an,  den  die  griechische 
Kunst  seit  der  Zeit  des  strengen  Stiles  speziell  für  wartende  Sklavenjungen  gern 
und  häufig  anwandte;  das  Charakteristische  desselben  ist  namentlich  das  Aufstellen 
des  einen  und  Unterschlagen  des  anderen  Beines  sowie  die  völlige  Untätigkeit, 
die  nicht  selten  zur  Darstellung  des  Schlummerns  gesteigert  wird.  Der  Typus  des 
knienden  Mädchens  ist  nicht  so  speziell  charakteristisch  für  die  Dienerin,  doch  für 
diese  ja  auch  nachgewiesen.  Die  Tracht  des  Mädchens  ist  dieselbe,  welche  im 
tgiebel  die  alten  Dienerinnen  von  den  Herrinnen  unterscheidet.-  Die  gesenkte 
Haltung  der  Arme,  die  freilich  im  einzelnen  nicht  mehr  sicher  zu  ergänzen  sind, 
paßt  sehr  gut  zu  der  Annahme,  daß  das  Mädchen  bereit  war,  das  Schuhwerk  der 

1  Vgl.  auch   neuerdings  Studniczka,   Zeitschrift   für  österreichische  Gymnasien  1890 

W.is  den  Kopf  des  Mädchens  betrifft,  so  hatte  ich  früher  (.50.  Berliner  Winckel- 

mannsprogramm,  1890,  S.  129)  Bedenken  an  seiner  Weiblichkeit  und  somit  an  der  Zugehörig- 

!i  habe  diese  inzwischen  aufgegeben  und  habe  Beispiele  konstatiert,  wo  auch  an 

»ichcr  weiblichen  Köpfen    kürzere  Löckchen  vorne   mit   der  Haarrolle   hinten   zusammen 

Der  den   mannlichen  Typen    immerhin    sehr   ähnliche  Kopf   des  Mädchens 

huldigung  des  Pau  bei 

/    •     lirift  fur  österreichische  Gymnasien  1890  S.  74'). 


Zum  Ostgiebel  von  Olympia.  285 


Herrin  fertig  in  Ordnung  zu  bringen.  Es  ist  ein  äußerlich  wie  innerlich  vortreffliches 
Gegenstück  zu  dem  Sklavenjungen  der  anderen  Seite. 

Von  diesem  festen  Punkte  aus  ergibt  sich  das  Übrige  leicht.  Die  Zügel  der 
Gespanne  liefen  nach  hinten  und  mußten  hier  irgendwie  gehalten  werden.  Das 
Vorhandensein  der  Wagen  hat  Treu  mit  Sicherheit  aus  Jochnägeln,  Brustriemen 
und  Deichsellöchern  der  Pferde  erschlossen.  Daß  dieselben  aber  von  Marmor 
waren,  ist  sehr  unwahrscheinlich.1  Marmorwagen  mußten  beim  Herabstürzen  in 
eine  Menge  Stücke  zersplittern ;  daß  man  gerade  diese  ohne  Ausnahme  alle  sorg- 
fältigst aus  der  Altis  und  der  Umgebung,  die  wir  ausgegraben  haben,  heraus- 
geschleppt haben  sollte,  ist  fast  undenkbar.  Wie  der  Panzer  des  Pelops  aus  81 
Metall  angesetzt  war,  werden  auch  die  Wagen  aus  Bronze  bestanden  haben.  — 
Die  Lenker  der  Gespanne  mußten,  da  sie  auf  den  Wagen  keinen  Platz  hatten, 
gegen  den  Gebrauch  hinter  denselben  auf  der  Erde  kauernd  oder  sitzend  gebildet 
werden.  Der  sitzende  Mann  L,  der  von  den  Aufstellungen  Nr.  II  und  III  sowie  der 
neuen  Sauerschen  hinter  dem  linken  Gespanne  an  erster  oder  zweiter  Stelle  an- 
geordnet wird,  kann  überhaupt  unmöglich  in  der  linken  Giebelhälfte  gestanden 
haben;  denn  hier  wendete  er  dem  Beschauer  ja  gerade  seine  ungünstigste  und 
ganz  vernachlässigte  Seite  zu  und  kehrte  die  gut  gearbeitete  ab;  nicht  nur  die 
linke  Kopfhälfte,  auch  die  nach  rechts  sehende  Seite  des  über  den  Arm  fallenden 
Mantels  ist  vernachlässigt  und  bietet  eine  überaus  ungünstige  Ansicht.  Dieser 
Umstand  ist  entscheidend  dafür,  daß  L  in  die  rechte  Giebelhälfte  muß.  Hinter 
das  Gespann  der  linken  Seite  kann  als  Lenker  nur  der  kniende  Mann  C  und 
hinter  diesem  der  kniende  Jüngling  B  angeordnet  werden.  Die  Armhaltung  beider 
eignet  sich  vortrefflich  dazu,  um  sie  die  Zügel  fassen  und  anziehen  zu  lassen 
(vergleiche  Treu,  Jahrbuch  1 889  S.  290. 299) ;  diese  Handlung,  das  Ordnen  und  Halten 
der  Zügel,  war  offenbar  auf  die  beiden  so  gleichartig  bewegten  Gestalten  verteilt. 

Das  Resultat,  das  sich  nun  für  die  rechte  Giebelhälfte  ergibt,  ist  zunächst  ein 
überraschendes,  bei  genauerer  Prüfung,  wie  ich  glaube,  aber  sehr  einleuchtendes: 
der  sitzende  Mann  L  saß  hinter  dem  sogenannten  Greis.  Gleich  die  erste  Haupt- 
sache stimmt  vortrefflich:  L  hat  genau  die  gleiche  Höhe  wie  B,  sein  Gegenstück. 
Alle  anderen  Aufstellungen  dagegen  geben  L  ein  Pendant  von  wesentlich  ver- 
schiedener Höhe.  —  Es  stimmen  ferner  die  technischen  Hinweise:  erst  an  diesem 
Platze  wird  die  Vernachlässigung  der  linken  Kopfseite  und  des  Mantels  erklärt, 
da  diese  Teile  der  Giebelecke  zugewandt  und  kaum  sichtbar  waren.  Und  die  von 
Treu  beobachtete  eigentümliche  Abarbeitung  der  Unterseite,  die  davon  herrührt, 
daß  die  Figur  für  ihren  Standort  im  Giebel  ein  wenig  zu  groß  geraten  war  und 
unten  etwas  verkürzt  werden  mußte,  erklärt  sich  doch  offenbar  nur,  wenn  sie 
unmittelbar  unter  der  Giebelschräge  saß,2  also,  da  sie  in  der  linken  Giebelhälfte 

1  Über  die  angeblichen  Deichselfragmente  Sauers  vgl.  Treu,  Jahrbuch  1891,  S.  74. 

2  Die  Pferdeköpfe,  an  die  Treu  denkt,  würden  ja  lange  nicht  bis  zu  der  Figur  hinunter- 
reichen. 


Zum  Ostgiebel  von  Olympia. 


mc  sein  kann,  aus  dem  ihr  von  uns  angewiesenen  Platze.    Endlich  ist 

tark<  anziehen  des  rechten  Beines,  das  Treu  mit  Recht  aus  den  er- 
haltenen Faltenzügen  folgert,  eben  hier  in  dem  beschränkten  Räume  besonders 
eh. 
Bei  der  früheren  falschen  Ergänzung  der  Figur  war  es  freilich  unmöglich,  sie 
an  diesen  Platz  zu  stellen.  Jetzt  wissen  wir  durch  Treu,  Jahrbuch  1889  S.  294,  daß 
ihr  Kopf  keineswegs  so  sehr  nach  der  Seite  und  in  die  Höhe  blickte  und  der 
linke  Oberarm  lange  nicht  so  hoch  erhoben  war,  als  man  früher  angenommen 
hatte.1  Von  den  Vorderarmen  ist  leider  nichts  erhalten;  die  linke  Hand,  die  ihm 
Sauer  zuteilt,  gehört  vielmehr  nach  Treus  überzeugendem  Nachweis  dem  sitzenden 
Greis.  Ein  linkes  Handgelenk  aber,  das  Treu  für  den  Mann  in  Anspruch  nimmt  - 
82  und  zu  Gunsten  seiner  Vermutung  verwendet,  daß  er  die  Pferde  halte,  ist  von 
durchaus  zweifelhafter  Zugehörigkeit;  ich  vermute,  daß  es  dem  knienden  Lenker  C 
angehört,  der  die  Zügel  mit  beiden  Händen  in  verschiedener  Weise  anzog,  wie 
das  beim  Lenken  zu  geschehen  pflegt.  Das  Motiv  des  linken  Armes  des  sitzenden 
Mannes  muß,  wie  schon  oben  bemerkt,  notwendig  das  Aufstützen  eines  Stockes 
gewesen  sein,  denn  ohne  eine  solche  Stütze  kann  er  sich  gar  nicht  aufrecht 
erhalten,  und  zwar  wird  er,  wie  der  Versuch  am  Modell  lehrt,  diesen  Stock,  um 
sich  bequem  und  sicher  zu  stützen,  nicht  hoch,  sondern  ziemlich  niedrig,  etwa 
in  der  Höhe  seines  Halses  oder  Kinnes,  fassen.  Der  rechte  Oberarm  war  etwas 
angepreßt  an  die  Brust,  doch  der  Unterarm  konnte  sich  freier  herausbewegen. 
Wenn  man  die  Dresdener  Restauration  des  Mannes,  an  der  übrigens  die  Arme 
beträchtlich  zu  dick  geraten  sind,  in  dieser  Weise  noch  etwas  modifiziert,  ergibt 
sich,  daß  die  Figur  trefflich  an  die  von  uns  angenommene  Stelle  paßt.  Es  ergeben 
sich  dann  jedoch  noch  einige  weitere  Änderungen  der  Dresdener  Aufstellung,  die 
aber  lediglich  Verbesserungen  sein  dürften:  die  meisten  übrigen  Figuren  müssen 
nämlich  mehr  nach  der  Mitte  geschoben  werden.  Die  Dresdener  Aufstellung,  welche 
den  Greis  mit  dem  Scheitel  an  die  Giebelschräge  stoßen  läßt,  schiebt  den  ganzen 

toten  Hügel  wesentlich  mehr  in  die  Ecke  als  den  linken  (vergleiche  Jahrbuch  1889 
Tafe!  •*'».  1);  es  ist  das  die  Folge  davon,  daß  zwei  so  ungleich  hohe  Figuren 
wie  H  und  O  hier  als  Gegenstücke  fungieren.  Setzen  wir  das  richtige  Gegenstück 
/i,  die  gleich  hohe  Figur  L,  ein,  so  ist  jener  Fehler  unmöglich  gemacht;  wir 
erhalten  Eckabschlüsse,  welche  die  erste  Hauptforderung  symmetrischer  Anordnung 
erfüllen,  nämlich  gleiche  Distanzen  der  sich  entsprechenden  Figuren  von  der  Mitte 

_'en. 

lachst   müssen  die  liegenden  Eckfiguren    näher   herangeschoben    werden, 

!urch  sie  nur  lebendiger  wirken,  als  wenn  man  sie  ganz  in  die  Ecke  zwängt. 
haben   allerdings   sehr  reichlich  Raum  und  der  Übergang  von  ihnen  zu  der 

1  Auch  Sauer  hat  in  semer  Skizze,  Jahrbuch  1891  S.  10,  noch  die  falsche  Ergänzung. 

1890  s.  60.   [Olympia  III  S.  60, 1.83.] 


Zum  Ostgiebel  von  Olympia.  287 


nächsten  Figur  ist  etwas  hart,  eher  härter  zwischen  A  und  B  als  zwischen  L  und  P, 
wo  der  linke  Arm  des  Mannes  füllend  in  die  Lücke  zwischen  den  beiden  Figuren 
eingreift.  Am  Westgiebel  sind  diese  Härten  vermieden,  indem  erstens  die  liegende 
Eckfigur  verdoppelt  ist  und  so  den  Raum  besser  füllt,  und  dann  indem  die  Haltung 
der  nächsten  Figur  jederseits  sich  der  Giebelschräge  besser  anschließt. 

Vor  allem  aber  müssen  die  beiden  Gespanne  nebst  den  Wagen  ein  Stück  nach 
der  Mitte  zu  geschoben  werden  —  in  der  Dresdener  Aufstellung  um  gut  25  cm  — , 
was  wiederum  sehr  günstig  wirkt,  indem  nun  die  Mittelgruppe 1  etwas  zusammen- 
rückt und  die  Pferdeköpfe  nicht  durch  das  unmittelbar  über  ihnen  einschneidende  83 
Gesimse  getrennt  erscheinen.  Die  Frauen  rücken  dicht  an  die  Männer  heran  und 
der  Kopf  des  hintersten  Reliefpferdes  folgt,  wenigstens  an  der  rechten  Seite,  wo 
die  Figuren  breiter  und  voller  gebildet  sind,  unmittelbar  auf  die  Frau;  links  ist 
mehr  Luft  und  ist  hier  der  spitze  Winkel  der  Basis  des  hockenden  Knaben  zwischen 
die  Frau  und  die  Pferde  eingeschoben,  während  rechts  vor  der  Frau  und  den 
Pferden  eben  nur  Platz  für  das  kauernde  Mädchen  ist;  so  erklärt  sich  nun  auch 
die  Verschiedenheit  des  Grundrisses  dieser  beiden  Gegenstücke. 

Der  Greis  hinter  dem  Wagen  muß  ein  beträchtliches  Stück  vorrücken.  Den 
Ausschnitt  an  seinem  rechten  Fuße  hat  Treu  (Jahrbuch  1889  S.  285)  gewiß  richtig 
erklärt,  indem  er  hier  die  Wagenplinthe  eingreifen  läßt.  Eine  Plinthe  von  genau 
derselben  Dicke  wie  die  der  Pferdegespanne  mußten  nämlich  die  Wagen  in  jedem 
Falle  haben,  ob  sie  nun  von  Marmor  oder,  wie  ich  annehme,  von  Bronze  waren. 
Treu  denkt  sich  diese  Wagenplinthen  als  Rechtecke,  deren  Langseiten  der  Giebel- 
rückwand parallel  waren;  da  indeß  nur  für  die  Stelle  der  Peripherie  der  Räder, 
mit  welcher  sie  aufstanden,  eine  Unterlage  nötig  war,  werden  die  Plinthen  wahr- 
scheinlicher schmale  Rechtecke  gewesen  sein,  deren  Langseiten  rechtwinklig  zur 
Giebelwand  liefen ;  für  das  vordere  Ende  einer  solchen  Plinthe  wird  das  Stück  am 
rechten  Fuß  des  Greises  ausgeschnitten  sein;  dasselbe  bezeichnet  dann  ungefähr 
die  Mitte  des  Rades.    Indem  wir  also  nicht  nur  das  Gespann  nebst  Wagen  nach 

1  In  der  Aufstellung  dieser  schließe  ich  mich  ganz  an  Treu-Studniczka  an.  Die 
Unmöglichkeit  von  Brunn-Six-Sauers  Umstellung  hat  Treu  dargetan.  —  In  Bezug  auf  die 
Frauen  ist  übrigens  nicht  die  Tracht  als  solche  das  Entscheidende,  denn  die  Tracht  von  K 
in  Jahrbuch  1889  Tafel  8/9, 1  ist  gerade  für  Köre  und  y.ögm  nachzuweisen.  Entscheidend 
sind  die  künstlerischen  Gründe:  das  Zusammenstoßen  des  rechten  Armes  von  Pelops  mit 
dem  linken  von  A'wäre  unerträglich,  während  sich  jetzt  alles  aufs  beste  zusammenschiebt 
(vgl.  Löschcke,  Dorpater  Programm  1885  S.  5);  und  ferner  paßt  das  breite  stolze  Auftreten 
von  K  sehr  gut  zur  Gattin  des  Önomaos,  nicht  aber  zu  Hippodameia.  —  Auch  im  West- 
giebel scheint  mir  ein  bisher  nicht  hervorgehobener  künstlerischer  Grund  die  Frage  nach 
der  Bedeutung  der  beiden  Frauen  zu  entscheiden:  während  die  übrigen  Frauen  fast  wie 
Männer  mit  den  Kentauren  ringen,  faßt  /'  die  Frau  an  der  Brust;  offenbar  ist  dies  der 
geile  Eurytion  und  die  Frau  die  Braut,  nach  der  sich  Apollon  wenden  muß.  Das  vollere 
ionische  Kostüm,  Chiton  und  Mantel,  charakterisiert  die  Mutter,  der  offene  Peplos  die 
Tochter  (vgl.  Treu,  Archäologischer  Anzeiger  1890  S.  60  f.);  die  Treusche  Umstellung  der 
Mittelgruppe  wird  durch  diese  Erwägungen  also  nur  bestätigt. 


js>  ZUM  OSTGIEBH    VON  OLYMPIA. 


der  Mitte  zu  rücken,  sondern  auch  den  Greis  so  weit  vor  den  Wagen  schieben,  daß 
die  Achse  desselben  auf  jenen  Ausschnitt  trifft,  erhalten  wir  völlig  ausreichenden 
Platz,  hinter  ihm  den  sitzenden  Mann  anzuordnen.  Es  ist  aber  einleuchtend,  wie 
viel  angenehmer  es  in  künstlerischer  Beziehung  wirkt,  wenn  die  Beine  des  sitzenden 
-  etwas  vor  den  Wagen  rücken,  als  wenn  er  ganz  hinter  denselben  ge- 
schoben wird. 

Wer  hielt  aber  die  Zügel  des  Gespannes  rechts,  die  doch,  wie  wir  sahen, 
nach  hinten  gingen?  Der  Greis  stützte,  was  Treu  nachweist,  in  der  Linken 
einen  Stab  auf,  der  sich  als  Kentron  fassen  läßt;  die  Rechte  legt  er  an  den  Bart; 
sie  ist  durchhöhlt  gebildet,  so  daß  es  möglich  wäre,  die  Zügel  hindurchzuführen; 
doch  weist  nichts  in  der  Arbeit  darauf  hin,  daß  wirklich  ein  Gegenstand  hindurch- 
ging. Vor  allem  aber  scheint  es  mir  sehr  unwahrscheinlich  und  unnatürlich,  daß 
ein  Mann,  der  mit  der  Rechten  die  Zügel  eines  Gespannes  hält,  gleichzeitig  diese 
Hand  an  den  Bart  legen  sollte.  Ich  nehme  daher  an,  daß  die  Zügel  einfach  um 
den  Wagenrand  geschlungen  waren.  Wenn  ein  Kutscher  von  seinem  Wagen  ab- 
gestiegen ist  und  das  ruhigstehende  Gespann  warten  läßt,  ist  es  allzeit  das  Natür- 
lichste, daß  er  die  Zügel  am  Wagen  befestigt.  Das  griechische  Gefährt  war  aller- 
dings sehr  leicht,  bot  aber  doch  einen  gewissen  Halt;  auch  sitzt  hier  der  Kutscher 
ja  unmittelbar  neben  seinem  Wagen,  den  Blick  auf  die  Pferde  gerichtet;  sowie  er 
sie  unruhig  werden  sieht,  kann  er  sofort  eingreifen. 
84  Die  Betrachtung  des  Äußerlichen  der  Anordnung  und  Ergänzung  der  Figuren 

zu  beschließen,  vergleichen  wir  nun  die  beiden  Ecken.  Wir  haben  links  zwei 
Figuren  in  wesentlich  dem  gleichen  Motive  und  ebenso  rechts;  die  Asymmetrie, 
die  in  der  Entsprechung  des  knienden  C  und  des  sitzenden  N  liegt,  wird  hinter 
diesen  einfach  noch  einmal  wiederholt.  Die  Wiederholung  des  Kniens  und  Zügeins 
links  verlangt  in  der  Tat  auch  die  Wiederholung  des  Sitz-  und  Stockaufstützmotives 
rechts.  Die  beiden  Paare  entsprechen  sich  durchaus,  nur  daß  sie  eben  verschiedene 
Motive  zeigen.  Diese  müssen  aber  in  der  Bedeutung  der  Darstellung  ihren  Grund 
haben. 

Treu  hat  (Jahrbuch  1889  S.  298)  darauf  hingewiesen,  daß  nach  literarischer  wie 
monumentaler  Tradition  Önomaos  später  abfuhr  als  Pelops,  also  diesem  beim 
Wettrennen  einen  Vorsprung  gewährte.  Mit  Recht  suchte  er  eine  Andeutung  davon 
im  Giebel,  wenn  auch  seine  Aufstellung  ihm  dieselbe  kaum  gewährte.  Ganz  anders 
klar  und  deutlich  finden  wir  nun  durch  unsre  Anordnung  jene  Sage  ausgesprochen. 

beiden  Gespanne  stehen  angeschirrt  zur  Wettfahrt  bereit.  Doch  während  links 
eine  rege,  auf  den  unmittelbaren  Beginn  des  Rennens  gerichtete  Tätigkeit  herrscht 
und  die  jugendlichen  Genossen  des  Pelops  die  Zügel  erfassen  und  ordnen,  so 
sehen  wir  rechts  nichts  als  ein  ruhiges  Zuwarten;  die  Zügel  sind  noch  um  den 
Wa.  chlungen  und  die  beiden  Männer  im  Dienste  des  Önomaos,  die  jenen 

knienden  drüben  entsprechen,  haben  sich  ruhig  auf  die  Erde  niedergelassen  und 
ihre  Stabe  auf.  Der  vordere,  der  die  Pferde  im  Auge  behält,  sitzt  in  bequem 


Zum  Ostgiebel  von  Olympia.  289 

zuwartender  Haltung  und  stützt  den  Kopf  dabei  auf  die  rechte  Hand.  Mit  Recht 
hat  Flasch  bemerkt  (Baumeisters  Denkmäler  II  S.  1104AA),  daß  diese  Figur  kein 
Greis  ist,  wie  er  gewöhnlich  genannt  wird.  Der  Typus  des  Greises  ist  ein  ganz  anderer 
in  der  den  Giebeln  zeitgenössischen  Kunst;  ihm  sind  Hakennase,  eingefallene 
Wangen  und  vor  allem  schwaches  Untergesicht  mit  kümmerlichen  Bartstoppeln 
charakteristisch,  im  vollen  Gegensatz  zu  dem  überaus  sinnlichkräftigen  vollbärtigen 
Untergesichte  unseres  Mannes.  Die  Glatze  desselben  ist  keine  andere,  als  welche 
die  jugendkräftigsten  Silene  im  fünften  Jahrhundert  immer  haben.  Auch  gehört 
auf  attischen  Vasen  des  strengen  Stiles  der  glatzköpfige  Mann,  der  mit  Jünglingen 
in  Gelage  und  Komos  schwärmt  und  aufgeregt  den  Flötenbläserinnen  nachstellt, 
zu  den  beliebteren  Typen.  Noch  näher  liegt  in  Olympia  aber  der  Hinweis  auf 
die  Kentauren  des  Westgiebels;  jene  kühnen  Freier  schöner  Frauen  haben  im 
wesentlichen  dieselben  Köpfe,  die  nur  weniger  edel  sind.  Die  Beschuhung  paßt 
ebenfalls  sehr  gut  zur  Charakterisierung  des  sinnlichen  Schlemmers.  Kein  Zweifel, 
daß  die  Figur,  wie  Kekule  zuerst  gesehen  hat,  Myrtilos  zu  benennen  ist,1  den 
es  nach  der  schönen  Hippodameia  gelüstet  und  der  Verrat  im  Sinne  führt. 

Sein  hinter  ihm  sitzender  Genosse,  der  augenblicklich  nichts  zu  tun  hat, 
indem  ja  jener  andere  die  Pferde  im  Auge  behält,  wendet  sich  um  und  blickt 
heraus,  etwas  nach  oben.  Seine  Miene  scheint,  soweit  das  Erhaltene  des  Gesichtes 
mit  seinen  Falten  urteilen  läßt,  Besorgnis  auszusprechen.  Ich  glaube,  es  ist  eine 
wirklich  antik  und  im  Sinne  der  älteren  Zeit  gedachte  Erklärung,  wenn  ich  an-  85 
nehme,  daß  dieser  Mann  ein  unerwartetes  Vogelzeichen  erblickt,  das  ihm  zur 
Linken  unheilverkündend  erscheint.  So  erst  scheint  mir  seine  Bewegung  natürlich, 
und  voll  verständlich  zu  sein,  während  sie  bei  allen  bisherigen  Erklärungsversuchen 
gezwungen  und  unklar  erschien.  Den  rechten  Unterarm  des  Mannes  denke  ich 
mir  mit  einer  das  Staunen  begleitenden  Gebärde  erhoben.  Ich  sehe  keinen  Mantis 
von  Profession  in  ihm,  er  ist  nur  ein  Genosse  des  Myrtilos,  Dienstmann  des 
Önomaos  wie  dieser,  genau  entsprechend  dem  zweiten  der  Pelops  Wagen  bei- 
gegebenen Leute.  Er  befindet  sich  ja  auch  nicht  an  einem  Oionoskopeion;  der 
Vogelflug  war  für  einen  jeden  vor  einem  Unternehmen  bedeutsam.  Die  lebhafte 
und  unbequeme  Wendung,  welche  der  Mann  nach  seiner  Linken  macht,  der  besorgte 
Blick,  mit  dem  er  heraus  an  den  Himmel  schaut,  und  die  zu  ergänzende  Geste 
der  Rechten  mochten  dem  antiken  Beschauer  keinen  Zweifel  an  der  Absicht  des 
Künstlers  lassen.  Der  Mann  ist  neben  dem  »sinnenden  Greis«  ohne  Zweifel  seine 
beste  Schöpfung  im  Giebel;  beide  sind  in  durchaus  eigenartigem,  ausdrucksvollem, 
nur  für  diesen  Fall  erfundenem  aj^fia  dargestellt.  Durch  die  Wendung  des  Ober- 
körpers an  unserem  Vogelschauer  hat  der  Künstler  eine  wirksame  Abwechslung 
und  einen  viel  lebendigeren  Rhythmus  in  diese  rechte  Giebelecke  gebracht,  als 


1  Der  Taraxippos  Pausanias  VI,  20, 17  ist  immerhin  ein  Zeugnis  für  die  Myrtiloslegende 
in  Olympia,  wenn  auch  ungewisser  Zeit  (vgl.  Löschcke,  Dorpater  Programm  1885  S.  14). 

A.  Furtwängler.    Kleine  Schriften  I.  19 


29Q  Zum  Ostgiebel  von  Olympia. 


tut  der  anderen  Seite  vermochte.  Doch  hat  er  für  die  äußere  Symmetrie 
der  Hauptlinien  nachdrücklich  gesorgt.    Man  beachte   nur,   wie  sämtliche  nicht 

enden  oder  Hegenden  Figuren  der  rechten  Giebelhälfte  ihr  rechtes  Bein  im 
Knie  gebogen  aufstellen  und  ebenso  die  entsprechenden  Gestalten  der  linken 
HUfte  je  ihr  linkes  Bein. 

Dennoch  besteht  allerdings  eine  deutlich  fühlbare  Ungleichheit  zwischen  den 
beiden  Giebelhälften,  indem  rechts  alles  breiter  und  massiger  ist  als  links.  Dies 
findet  aber  seine  vollständige  Erklärung  in  dem  Streben  des  Künstlers,  zu  charak- 
terisieren. Wie  vortrefflich  ist  ihm  der  Gegensatz  des  breitspurigen  trotzigen  Auf- 
tretens des  Önomaos  gegenüber  der  Bescheidenheit  des  Pelops  gelungen;  und 
ganz  gleichartig  \$t  der  Gegensatz  in  der  breiten,  sich  pomphaft  entfaltenden 
Erscheinung  der  Sterope  und  der  schmalen,  sich  in  sich  zusammenschließenden 
Figur  der  Hippodameia.  Es  ist  aber  nur  eine  Weiterführung  des  in  der  Mitte 
angeschlagenen  Grundtones,  wenn  nun  auch  hinter  den  Rossen  hier  größere 
Breite  und  Fülle,  dort  schmälere  schlankere  Erscheinung  herrscht.  Der  Künstler 
charakterisiert  weiter,  indem  er  hier  als  Gefolge  des  Önomaos  zwei  ältere  Leute 
darstellt,  die  wartend  an  der  Erde  sitzen,  weil  ihr  Herr  dem  Gegner  einen  Vor- 
sprung gönnen  will;  drüben  knien  die  jüngeren  Genossen  des  jugendlichen  Pelops 
in  voller  Tätigkeit. 

Das  faktische  Übergewicht  der  Seite  des  Önomaos  wird  übrigens  für  die 
Phantasie  dadurch  wieder  ausgeglichen,  daß  Zeus,  die  überragende  Hauptfigur, 
den  Kopf  nach  Pelops  Seite  wendet. 

Der  Künstler  hat,  wie  mir  scheint,  den  wesentlichen  Inhalt  der  Sage  völlig 
deutlich  wiedergegeben.  In  polygnotischer  Weise  stellt  er  nicht  den  Höhepunkt 
der  äußeren  Aktion  dar,  sondern  läßt  die  Personen  in  bedeutungs-  und  ausdrucks- 
vollen Stellungen  noch  ruhig  versammelt  sein.  Das  Opfer  des  Önomaos  hat  er 
86  als  unwesentlich  nicht  dargestellt;1  aber  er  hat  ihn  und  seine  Partei,  sein  Zögern 
und  namentlich  die  Person  des  Myrtilos  charakterisiert.  Und  zwei  besonders 
bedeutungsvolle  Motive  sind  es,  daß  eben  der  eine  unbeschäftigte  Geleitsmann 
des  Önomaos  das  unheilverkündende  Vogelzeichen  erblickt  und  in  demselben 
Augenblicke  Zeus,  der  es  gesendet,  bestätigend  und  entscheidend  das  Haupt  dem 
gner  zuwendet.  Auch  der  Verrat  des  Myrtilos  erscheint  so  als  durch  den 
Ratschluß  des  Zeus  gewollt. 

Noch  sei  auf  einen  feinen  Zug  aufmerksam  gemacht,  den  ich  hier  darin  sehe, 
daß  die  vor  den  Pferden  hockenden  Gestalten  nur  unbedeutende  Nebenfiguren 
sind,  welche  die  Aufmerksamkeit  in  keiner  Weise  von  den  in  der  Mitte  ver- 
sammelten Hauptpersonen  abziehen.  Diesen  Vorzug  hat  nur  unsere  Aufstellung; 
auch   empfinden   wir  jetzt,   wie   gerade  an   dieser  Stelle   durch   ungleiche  Höhe 

dbft  konnte  es  darbringen  und  dieser  tut  es  evident  nicht.    Treu 
hat  auch  völlig  Recht,  indem  er  den  Altar  bestreitet. 


Zum  Ostgiebel  von  Olympia.  291 


unsymmetrisch  wirkende  Figuren  unerträglich  störend  wären,  während  es  kaum 
bemerkt  wird,  daß  hinter  den  Pferden  der  zurückgelehnt  sitzende  » Greis  etwas 
niedriger  ist  als  der  kniende  Mann  links. 

Anderer  Ansicht  war  allerdings  die  antike  Erklärung,  die  uns  bei  Pausanias 
vorliegt;  denn  sie  sieht  Hauptfiguren  in  jenen  Gestalten  vor  den  Pferden.  Offenbar 
suchte  der  antike  Erklärer  unter  den  jederseits  außer  den  Haupthelden  vorhandenen 
vier  Figuren  vor  allem  die  aus  der  Sage  bekannten  beiden  Wagenlenker  zu  finden; 
als  solche  sofort  kenntlich  war  aber  keine  der  Statuen;  denn  hinter  den  Pferden 
sah  man  jederseits  ein  gleichartiges  Paar,  nicht  aber,  was  man  suchte,  je  einen 
einzelnen  distinguierten  Wagenlenker;  daher  nahm  man  denn  die  Einzelfiguren 
vor  den  Pferden  für  diese;  jene  Paare  aber  wußte  man  nur  als  mit  der  Wartung 
der  Pferde  betraute  dienende  Männer  anzusehen.  So  konnte  man  aber  wenigstens 
die  ganze  Mittelgruppe  bis  zu  den  Pferden  mit  mythologischen  Namen  belegen; 
die  vornehmen  Wagenlenker,  so  dachte  man  offenbar,  müssen  in  nächster  Nähe 
der  Haupthelden  sein;  sie  warten,  bevor  das  Rennen  beginnt,  ruhig  vor  den 
Pferden,  mit  deren  Beaufsichtigung  sie  das  Gefolge  beauftragt  haben.  Das  an 
die  Wagenlenkertracht  erinnernde  lange  Gewand  des  Mädchens  und  seine  der 
männlichen  gleiche  Haartracht  erleichterte  diese  falsche  Deutung,  welche  in  ihrer 
Oberflächlichkeit  nicht  nur  die  Weiblichkeit  des  einen  »Lenkers«,  sondern  auch 
das  für  den  anderen  doch  sehr  unpassende  knabenhafte  Alter  völlig  übersah.1 
Den  Gedankengang  aber,  der  zu  diesem  falschen  Resultate  führte,  haben  wir 
noch  vollständig  nachweisen  können.  Dies  ist  alles,  was  man  von  uns  verlangen 
kann.  Denn  durchaus  unmethodisch  wäre  es,  zu  verlangen,  daß  wir  statt  der 
erhaltenen  Skulpturen  selbst  die  Erklärung  bei  Pausanias  zur  Grundlage  für  die 
Anordnung  der  strittigen  Figuren  um  die  Pferde  machten;  wer  glaubt,  von  vorn- 
herein wissen  zu  können,  welche  der  betreffenden  Figuren  von  dem  antiken  87 
Erklärer  für  die  Wagenlenker  angesehen  wurden,  folgt  nur  seiner  willkürlich  vor- 
gefaßten Meinung. 

Die  namengebende  Erklärung  der  Alten,  die  bei  den  Figuren  hinter  den 
Pferden  innehielt,  setzt  wieder  ein  bei  den  Eckfiguren.  Wir  dürfen  diese  nicht 
ganz  übergehen;  es  sind  zwei  Jünglinge,  die  an  der  Erde  liegen  und  mit  lebhafter 
Teilnahme  nach  der  Mitte  blicken.  Pausanias  nennt  sie  Kladeos  und  Alpheios; 
aber  wie  oberflächlich  seine  Deutung  des  Giebels  war,  haben  wir  bereits  bemerkt, 
und  im  Westgiebel  benennt  er  den  Apollon  Peirithoos.  Die  Zweifel  an  Alpheios 
und  Kladeos,  die  zuerst  Kekule  geäußert  hat,  sind  mir  zur  Gewißheit  geworden. 
Jene  Deutung  auf  die  Flußgötter  entspringt  ja  lediglich  hellenistisch-römischer 


1  Diese  beiden  Versehen  des  antiken  Erklärers  bleiben  bei  jeder  Anordnung  bestehen; 
denn  Pausanias  nennt  außer  den  beiden  Wagenlenkern  jederseits  hinter  den  Pferden  zwei 
ävÖQeg,  also  ist  der  Knabe  ebensowenig  erkannt  worden  wie  das  Mädchen.  —  Daß  das 
Versehen  mit  dem  Mädchen  sich  bei  der  Anordnung  desselben  vor  den  Pferden  am 
ehesten  erklärt,  ist  schon  von  Kekule  bemerkt  worden. 

19* 


Zum  Ostgiebel  von  Olympia. 


ichauung.  Seltsam  ist  es,  wie  man  sie  neuerdings  zu  begründen  gesucht  hat, 
nämlich  aus  dem  Westgiebel  des  Parthenon,  während  umgekehrt  für  die  Erklärer 
Parthenon  die  einzige  feste  Basis  jene  Pausaniassche  Deutung  der  olympischen 
iren  ist.  Die  UnStatthaftigkeit  der  Flußgötter  am  Parthenon  habe  ich  kürzlich 
hervorgehoben  und  eine  neue  Deutung  jener  Figuren  versucht.1  In  den  liegenden 
Jünglingen  von  Olympia  konnte  kein  Zeitgenosse  des  Künstlers  Flußgötter  er- 
kennen; er  sah  in  ihnen  gewiß  nur  das,  was  sie  sind,  müßige  Zuschauer,  die 
indeß  durch  ihre  Neugierde  das  Gefühl  der  Bedeutung  des  Vorgangs  im  Betrachter 
verstärken.  Der  untätige  Zuschauer  gehört  bekanntlich  gerade  in  der  älteren 
griechischen  Kunst  zum  Vorrat  der  beliebten  Typen,  wenn  er  auch  nicht  die  hohe 
künstlerische  Bedeutung  erlangt  hat  wie  in  der  italienischen  Kunst  des  Quattro- 
cento. Für  unsere  Jünglinge  wird  der  Künstler  sich  die  Vorbilder  von  den  Wällen 
des  Stadions  und  Hippodroms  zu  Olympia  geholt  haben,  wo  genug  der  Zu- 
schauer so  im  Grase  liegen  mochten,  um  dem  Schauspiele  der  Wettkämpfe  mit 
neugieriger  Teilnahme  zu  folgen. 

Aber  die  Eckfiguren  des  Westgiebels  sind  doch  sichere  Nymphen?  —  Auch 
sie  sind  ja  nur  so  genannt,  weil  man  die  Flußgötter  des  Ostgiebels  für  sicher 
hielt  und  zu  ihnen  Gegenstücke  wünschte.  —  Aber  ihre  »Idealtracht«?  —  Da 
antworte  ich  mit  der  Frage:  für  welche  göttlichen  Frauen  ist  denn  um  die  Mitte 
des  fünften  Jahrhunderts  die  Halbnacktheit  die  ihnen  zukommende  »Idealtracht«? 
Nicht  einmal  für  Aphrodite  und  ihr  Gefolge,  und  ebenso  wenig  für  die  Nymphen, 
welche  das  ganze  fünfte  Jahrhundert  nur  vollbekleidet  kennt.  —  Und  ferner  muß 
man  Löschcke  zugeben,  daß,  wer  die  Eckfiguren  als  Nymphen  deutet,  auch  die 
aufs  engste  mit  ihnen  verbundenen  alten  Frauen  für  gleichartige  göttliche  Wesen 
halten  muß.  Die  sind  aber,  wie  die  Pfühle  des  Hochzeitssaales,  auf  denen  sie 
liegen,  unwiderleglich  zeigen,  sichere  Dienerinnen.  Dann  sind  auch  die  Mädchen 
der  Ecken  nichts  anderes,  und  ihre  Hauben  passen  jedenfalls  sehr  gut  dazu. 
Mich  dünkt,  daß,  wie  jene  alten  Frauen  den  Typus  der  greisen  Schaffnerin  im 
ionischen  Epos,  den  Typus  der  Eurykleia  wiedergeben,  so  die  jungen  Mädchen 
der  Ecken  den  losen  Mägden  entsprechen,  welche  dem  Fremdenbesuch  im  Herren- 
hause leicht  gewogen  sind;  und  für  die  scheint  mir  die  nachlässige  Kleidung  eben 
charakteristisch  zu  sein. 


1  März-Sitzung  der  Archäologischen  Gesellschaft;  siehe  unten  im  Anzeiger  [1891  S.70. 
cruerke  S.  2i2J. 


Zum  Ostgiebel  von  Olympia.  293 


ANHANG 

(ARCHÄOLOGISCHER  ANZEIGER  1891) 


aß  Treus  Anordnung  des  sitzenden  Mannes  im  olympischen  Ost-  93 
giebel  vor  den  Rossen  nicht  richtig  sein  kann,  geht  aus  seinem  neuen 
Versuche  einer  Erklärung  der  Figur  (Jahrbuch  1891  S.  102  f.),  wie  mir 
scheint,  besonders  deutlich  hervor.  Treu  muß  jetzt  zugeben,  daß  das  linke  Handgelenk, 
auf  welches  er  früher  bei  seiner  Deutung  des  Mannes  als  Rosselenker  entscheidendes 
Gewicht  legte,  diesem  nicht  angehören  kann,  und  daß  er  sich  vielmehr  auf  einen 
Stock  gestützt  haben  muß.  Die  Zügel  soll  er  nun  »frei  und  leicht«  nur  mit  der 
Rechten  gehalten  haben,  und  zwar  nur  die  Zügel  des  einen  Beipferdes,  während 
die  der  anderen  drei  Rosse  »am  Wagenrand  oder  Joch«  befestigt  waren.  Ein 
unklarer,  dem  wirklichen  Brauche  völlig  widersprechender  und  deshalb  unmöglicher 
Fall.  Wenn  die  Rosse  angeschirrt  waren  —  und  dies  ist  eine  sichere  Tatsache  — ,  94 
so  müssen  sämtliche  Zügel,  um  den  Jochnagel  geschlungen,  nach  hinten  geführt 
sein.  Wäre  das  eine  Beipferd,  wie  Treu  annehmen  muß,  noch  nicht  angeschirrt, 
so  könnte  es  auch  nicht  so  wie  angeschirrt  neben  den  anderen  Rossen  stehen, 
und  es  müßte  ferner  eine  Person  da  sein,  die  für  seine  Anschirrung  sorgt,  aber 
nicht  ein  untätig  sitzender  Mann,  der  zwar  eine  unbequeme  Wendung  macht,  doch 
nicht  um  nach  den  Pferden,  sondern  um  aus  dem  Giebel  ins  Freie  heraus  zu  sehen.1 

Indem  ich  L  den  Stock  ziemlich  niedrig  fassen  lasse,  wird  seine  Haltung 
dadurch  nicht  mehr  »gezwungen«  (S.  99),  im  Gegenteil,  sie  wird  mit  jedem  Zoll, 
um  den  man  L  den  Stock  höher  fassen  läßt,  unbequemer  und  unsicherer. 

An  meiner  Annahme  betreffend  des  Einschnitts  am  Fuße  von  N  halte  ich 
fest.  Es  griff  ja  nicht  das  Stück  der  Wagenplinthe,  das  von  der  Radperipherie 
berührt  ward,  ein  —  oder  sollte  Treu  dies  annehmen,  so  würde  er  eben  die  Figur 
so  weit  vorrücken,  als  ich  es  wünsche  — ,  sondern  eine  Verlängerung  der  Plinthe, 
die  ebensogut  nach  der  vorderen  Giebelwand  als  nach  der  Giebelecke  zu  sich 
erstreckt  haben  kann.  Bei  meiner  Annahme,  wo  N  vor  den  Wagen  gerückt  wird,  ist 
auch  das  Abnehmen  seines  Fußes  eher  noch  verständlich  als  bei  Treus  Anordnung. 

S.  103.    B  ist  keineswegs  ein  »Knabe«  wie  E,  sondern  ein  Jüngling. 


1  Er  sieht  lediglich  an  den  Himmel  heraus.  Bei  seiner  Bemerkung  über  die  »Wasser- 
nase des  Giebelgeisons«  S.  100  vergißt  Treu,  daß  die  Figuren  doch  nicht  von  oben,  sondern 
recht  tief  von  unten  gesehen  wurden. 


m  Ostgiebel  von  Olympia. 


106.    Die  die  Flußgötter  charakterisierenden     Abzeichen  %  welche  Hypsas 
und  Sefinus  auf  sizilischen  Münzen  halten  und  die  in  die  Hände  der  olympischen 
reu  ergSnzt  werden  sollen,  möchte  ich  genauer  bezeichnet  wünschen.    Nur 
die  Hörner  und  die  Beischriften   machen  sie  auf  jenen  Münzen  kenntlich;   diese 
len  Dinge  waren  in  Olympia  aber  gerade  nicht  vorhanden. 
Ich  kann  kaum  annehmen,  daß  Treu  sich  der  zahlreichen   halb-   und  ganz- 
nackten menschlichen  Frauen  in  der  älteren  griechischen  Kunst  gar  nicht  erinnern 
sollte.1    Auf  den  Nachweis  halbentkleideter  Nymphen  aus  dieser  Epoche  muß  ich 
noch  warten. 


1  Vergleiche  zu  den  Westgiebelmädchen  in  bloßem  Mantel  und  Haube  nur  zum  Beispiel 
Philologus  XXVI,  Tafel  2, 1  =  Klein,  Kuphronios-  S.  110  [=  Furtwängler-Reichhold,  Grie- 
chische Vasenmalerei  II  Tafel  71  S.  63]. 


ZUM  OSTGIEBEL  DES  ZEUSTEMPELS  IN  OLYMPIA 

(BERLINER  PHILOLOGISCHE  WOCHENSCHRIFT  1892,  Nr.  41  und  42) 


ie  eingehende  neue  Besprechung,  welche  G.  Körte  der  Frage  nach  der  1282 
Aufstellung  der  Ostgiebelfiguren  in  Olympia  hat  zu  Teil  werden  lassen 
[vergleiche  Berliner  Wochenschrift  1892  S.  983  ff.  1046  ff.],  macht  es  mir 
zur  Pflicht,  die  Ansichten,  die  ich  früher  in  dieser  Sache  geäußert  habe  (Jahrbuch  des 
archäologischen  Instituts  VI,  1891,  S.  76  ff.  [oben  S.280];  Archäologischer  Anzeiger 
1891,  S.  93  f.  [oben  S.  293]),  nicht  im  Stiche  zu  lassen,  sondern,  soweit  es  in  aller 
Kürze  geschehen  kann,  wenigstens  die  Punkte  hervorzuheben,  die  für  mich  in  der 
Frage  entscheidend  sind.  Ich  tue  dies  nicht  ohne  Widerstreben  und  würde,  wenn 
es  meine  Überzeugung  zuließe,  weit  lieber  der  warmen  Verteidigung  zustimmen, 
welche  die  Aufstellung  von  Curtius  durch  Körte  gefunden  hat,  indem  ich  mich 
gerne  auch  in  dieser  Frage  einig  wüßte  mit  dem  Begründer  all  unserer  olympischen 
Entdeckungen  und  Forschungen,  dem  Manne,  dem  mich  Dankbarkeit  und  Ver- 
ehrung in  besonderem  Maße  verbinden. 

Körte  erwähnt  mit  keinem  Worte  einen  Punkt,  auf  den  ich  besonderes  Ge- 
wicht gelegt  habe  und  der  mir  von  entscheidender  Bedeutung  ist.  Die  linke 
Körperhälfte  des  an  der  Erde  sitzenden  Mannes  (C  bei  Curtius,  L  bei  Treu)  ist 
in  der  Ausführung  vernachlässigt;  sie  kann  nach  dem  in  beiden  Giebeln  ganz 
konstanten  Gesetze,  das  auch  Körte  (S.  986)  zugibt,  nicht  dem  Beschauer  zu- 
gewendet gewesen  sein.  Die  Aufstellung  der  Figur  in  der  linken  Giebelhälfte  — 
also  wie  bei  Curtius  und  Kekule  —  ist  dadurch  völlig  ausgeschlossen;  denn  er 
würde  dort  die  ganz  vernachlässigte,  roh  gearbeitete  und  geradezu  häßliche  An- 
sicht dem  Beschauer  zuwenden,  dagegen  die  andere,  sehr  schön  und  sorgfältig 
gearbeitete  abkehren.  Treu  versetzt  ihn  nun  in  die  rechte  Giebelhälfte,  aber  an 
den  Platz  vor  die  Pferde,  unmittelbar  neben  der  Mitte,  wo  bei  der  richtigen,  von 
Treu  selbst  nachgewiesenen  Wendung  des  Kopfes  die  nur  aus  dem  Rohen  gehauene 
linke  Kopfhälfte  noch  in  störendster  Weise  dem  Beschauer  in  die  Augen  fallen 
mußte.  Schon  deshalb  muß  die  Figur  weiter  nach  rechts  rücken;  da  bleibt  aber 
natürlich  einzig  der  Platz,  den  ich  ihr  angewiesen  habe.  Hier  allein  sind  die 
schlecht  gearbeiteten  Stellen  kaum  sichtbar,  weil  der  Giebelecke  zugekehrt;  außer- 
dem findet  hier  auch  die  Abarbeitung  der  Unterseite  der  Figur  ihre  volle  Erklärung 
(vergleiche  Jahrbuch  1891  S.  81  [oben  S.  285]). 


296  ZUM  Ostgiebel  des  Zeustempels  in  Olympia. 


Diese  meines  Erachtens  un umgängliche  Umstellung  der  einen  Figur  hat 
aber  die  notwendige  Folge,  daß  auch  die  anderen  Gestalten  eben  die  Plätze  er- 
halten, die  ich  ihnen  angewiesen  habe;  es  bleibt  dann  gar  keine  Wahl  mehr. 

Eine  zweite  Betrachtung,  die,  ganz  unabhängig  von  der  ersten,  doch  genau 
zu  derselben  Aufstellung  führt,  geht  von  der  Frage  aus,  welche  Figuren  vor  die 
Pferde  zu  setzen  sind.  Die  beiden  Aufstellungen  von  Curtius  und  Treu  sind  zu 
einer  Zeit  entstanden,  als  man  noch  annahm,  die  vier  Pferde  ständen  jederseits 
lose,  unangeschirrt  und  ohne  Wagen  bereit.  Es  war  dann  nicht  nur  natürlich, 
sondern  notwendig,  sie,  wie  Curtius  es  tat,  von  vorne  an  den  Zügeln  halten  zu 
lassen;  und  Treu  ließ  dies  wenigstens  auf  der  einen  rechten  Giebelhälfte  so  ge- 
schehen. Später  ist  nun  aber  —  von  Treu  selbst  —  der  auf  zahlreiche,  früher 
nicht  beachtete  tatsächliche  Indizien  gestützte  Nachweis  geliefert  worden,  daß  die 
Pferde  vielmehr,  und  zwar  auf  beiden  Seiten  in  genau  derselben  Weise,  völlig 
angeschirrt  vor  die  Wagen  gespannt  waren,  und  daß  demgemäß  alle  Zügel  über 
das  Joch  weg  nach  hinten  liefen.  Treu  ist  in  Folge  davon  Schritt  für  Schritt  von 
seiner  früheren  Annahme  zurückgewichen.  Hatte  er  erst  den  sitzenden  Mann, 
den  er  vor  die  Pferde  rechts  stellt,  alle  Zügel  derselben  halten  lassen,  so  be- 
schränkte er  dann  dessen  Tätigkeit  auf  das  vordere  Beipferd  oder  höchstens  noch 
ein  Jochpferd  (Jahrbuch  1 889  S.  292),  deren  Zügel  er  mit  beiden  gehobenen  Händen 
gehalten  haben  soll.  Später  mußte  er  zugeben,  daß  der  Mann  sich  mit  der  Linken 
auf  einen  Stock  gestützt  hat;  er  sollte  nun  mit  der  Rechten  nur  die  Zügel  des 
vordersten  Beipferdes  gefaßt  halten  (Jahrbuch  1891  S.  102).  Noch  später  gibt  er  zu, 
daß  auch  diese  Zügel  nach  hinten  laufen,  meint  aber,  daß  der  Mann  doch  herein- 
greifen  könne  (Archäologischer  Anzeiger  1891  S.  142):  eine  ganz  verzwickte  und 
verzweifelte  Annahme,  wenn  man  sie  sich  lebendig  macht;  auch  müßte  dann  doch 
wenigstens  der  rechte  Oberarm  in  die  Höhe  gehen,  was  die  Haltung  freilich  noch 
gequälter  machen  würde.  Statt  zurückzuweichen  und  zu  modifizieren,  hätte  Treu 
eben  seinen  ursprünglichen  Gedanken  aufgeben  müssen.  —  In  ähnlicher  Weise 
sieht  sich  nun  Körte,  indem  er  Curtius'  Aufstellung  verteidigt,  genötigt,  von  deren 
Grundgedanken  zurückzugehen,  kommt  dabei  aber  nicht  minder  zu  unmöglichen 
Dingen.  Er  muß  die  völlige  Anschirrung  der  Pferde  an  die  Wagen  zugeben;  um 
aber  den  knienden  Figuren,  die  nach  Curtius  sich  vor  den  Pferden  befinden, 
etwas  zu  tun  zu  geben,  läßt  er  sie  —  nicht  die  Zügel,  was,  wie  er  zugibt,  un- 
möglich ist,  sondern  nur  ein  Leitseil  und  zwar  nur  eines  Pferdes,  je  des  linken 
Beipferdes,  halten,  das  dadurch  als  das  beim  Laufe  wichtigste  bezeichnet  werden 
sollte.  Aber  wenn  es  dies  auch  war,  so  bedurften  doch  die  anderen  ebensoviel 
oder  ebensowenig  des  Haltens.  Die  von  Körte  angenommene  Handlung  wäre 
ollkommen  zwecklose;  er  wird  als  Kundiger  selbst  zugeben  müssen,  daß 
der  Mann  mit  seinem  Leitseil  in  der  Hand  nicht  die  geringste  Gewalt  über  die 
rde,  nicht  einmal  über  das  eine  Beipferd,  an  dem  es  angebracht  ist,  geschweige 
denn  über  die  anderen  hat.    Dann  aber  ist  es  auch  an  sich  unwahrscheinlich  und 


Zum  Ostgiebel  des  Zeustempels  in  Olympia.  297 

'durch  kein  einziges  Beispiel  zu  belegen,  daß  man  den  fertig  angeschirrten  Pferden 
noch  die  Leitseile  gelassen  hätte.  Das  Leitseil  kommt  ausschließlich  bei  un- 
angeschirrten  Pferden  vor.  Die  an  den  Wagen  geschirrten  Rosse  konnten,  sollten 
sie  von  vorne  gehalten  werden,  nur  durch  stehende  Personen,  welche  nahe  dem 
Gebisse  in  die  Zügel  faßten,  gehalten  werden;  solche  existieren  aber  nicht  unter 
den  Giebelfiguren.  Der  Versuch  Körtes,  die  Aufstellung  der  knienden  Figuren 
vor  den  Pferden  zu  retten,  führt  ihn  zu  unannehmbaren  Resultaten  und  beweist 
nur,  daß  jene,  die  ursprünglich  von  der  jetzt  nicht  mehr  zutreffenden  Annahme, 
daß  die  Pferde  unangeschirrt  wären,  ausging,  nunmehr  aufzugeben  ist.  Dazu 
kommt  noch  vieles  andere,  wie  daß  die  beiden  knienden  Jünglinge  sich  nicht  1284 
als  Gegenstücke  eignen,  weder  nach  Stellung  noch  nach  ihrer  Größe,  daß  der 
Kopf  des  einen  so  gesenkt  ist,  wie  es  weder  durch  die  vorausgesetzte  Handlung 
noch  durch  den  Giebelplatz  erklärt  wird  u.  a. 

Wir  müssen  vielmehr  schließen:  da  die  Zügel  der  Pferde  alle  nach  hinten 
gehen,  und  da  unter  allen  Figuren  des  Giebels  keine  existieren,  welche  die  so 
angeschirrten  Pferde  von  vorne  gehalten  haben  können,  so  müssen  die  Plätze 
vor  den  Pferden  durch  Figuren  besetzt  werden,  die  nichts  mit  denselben  zu  tun 
haben.  Die  unmittelbare  Nähe  der  in  strengster  Symmetrie  gehaltenen  Mittel- 
gruppe verlangt  zugleich  auch  hier  möglichst  symmetrische,  namentlich  gleich 
hohe  Gestalten.  Diese  Bedingungen  erfüllt  nur  der  hockende  Knabe  und  das 
kniende  Mädchen.  Setzen  wir  aber  diese  vor  die  Pferde,  so  ergibt  sich  genau 
dieselbe  Aufstellung,  die  wir  vorhin,  von  ganz  anderem  Ausgangspunkte  her, 
gefunden  haben.  Es  bleibt  auch  hier  keine  weitere  Wahl.  Der  sitzende  Mann 
kommt  auch  auf  diese  Weise  mit  Notwendigkeit  an  die  Stelle,  die  wir  ihm  oben 
angewiesen.  Daß  er  sich  an  dieser  Stelle  neben  dem  so  ähnlichen  sitzenden 
»Greis«  besonders  schön  ausnehme,  behaupte  ich  nicht,  ebensowenig  wie  auf 
der  anderen  Giebelhälfte  die  Wiederholung  desselben  Motivs  bei  den  Knienden 
schön  ist.  Aber  die  Forderungen  unseres  subjektiven  Geschmacks  dürfen  doch 
erst  dann  bei  der  Aufstellung  in  Frage  kommen,  wenn  allen  objektiven  Indizien 
Genüge  geschehen  ist. 

Meine  Aufstellung  hat  nun  aber  noch  zwei  wichtige  Vorzüge,  die  keiner  1314 
anderen  zukommen  und  die  auch  den,  der  ihr  mißtrauisch  gegenübersteht,  ge- 
neigter machen  müssen.  Erstlich  erreichen  wir  nur  durch  sie  die  größte  Gleichheit 
in  der  Höhe  der  sich  entsprechenden  Figurenpaare,  die  mit  den  vorhandenen 
Statuen  überhaupt  zu  erreichen  ist;  dabei  differiert  nämlich  nur  die  Höhe  eines 
einzigen  Paares  —  die  zunächst  hinter  den  Wagen  befindlichen  Personen  —  um 
ein  weniges.  Bei  den  übrigen  Aufstellungen  differieren  teils  alle  drei  in  Betracht 
kommenden  Paare  (so  bei  Treu  und  Kekule),  teils  zwei  (bei  Curtius)  recht  wesentlich. 

Zweitens   erhält  man   durch  sie  die  beste  Erklärung  der  Worte,   mit  denen  1315 
Pausanias  die  strittigen  Figuren  beschreibt,  und  seines  Irrtums  in  Bezug  auf  das 
Mädchen.     Pausanias  sieht  in  den  zwei  Einzelfiguren   vor  den  Pferden  die  aus 


1 1  des  Zeustempels  in  Olympia. 


der  Sage  bekannten  beiden  Wagenlenker;  hinter  den  Gespannen  aber  faßt  er  die 
hen  diesen  und  den  Eckfiguien  befindlichen  Figuren  auf  jeder  Seite 
ein  Paar,  als  je  eine  Gruppe  von  dvo  ävdgeg  zusammen  und  erklärt  dieses 
.:  von  zwei  .Männern  jederseits  als  Pferdewärter,  als  Hippokomen  der  beiden 
Helden.  Nur  unsere  Aufstellung  bietet  nun  hinter  beiden  Gespannen  wirklich 
jederseits  ein  durch  Gleichartigkeit  der  Erscheinung  eng  verbundenes  Paar  von 
Männern,  die  sich  auf  die  Pferdewartung  beziehen  ließen.  Alle  anderen  Auf- 
stellungen stellen  starke  Ansprüche  an  Pausanias'  Gedankenlosigkeit,  die  stärksten 
die  von  Curtius,  bei  der  es  kaum  faßlich  ist,  wie  Pausanias  die  zwei  betreffenden 
Figuren  der  linken  Seite  —  wo  das  Mädchen  sich  nach  der  Ecke  wendet  —  sollte 
als  ein  Paar  von  Männern  zusammengefaßt  und  auf  die  Pferdewartung  bezogen 
haben.  Die  Einzelfiguren  der  Wagenlenker  der  Sage  suchte  Pausanias  oder  sein 
Gewährsmann  eben  deshalb  vor  den  Pferden,  weil  er  hinter  denselben  nur  zwei 
Paare  zweier  gleichartiger  Figuren  fand,  und  dann  wohl  auch,  weil  er  sie  zunächst 
den  Helden  vermutete.  Vor  allem  aber  wird  der  lange  Chiton  des  Mädchens 
Anlaß  gewesen  sein,  hier  einen  Wagenlenker  anzunehmen.  Daß  die  von  ihm  für 
die  Lenker  gehaltenen  Figuren  irgend  etwas  mit  den  Pferden  zu  tun  hatten,  sagt 
Pausanias  nicht,  und  die  Forderung  von  Körte,  daß  dies  der  Fall  war,  ist  hinfällig, 
da  wir  andere  ausreichende  Gründe  für  Pausanias'  Irrtum  nachgewiesen  haben. 

Indess  Körte  sieht  mit  Curtius  dessen  Aufstellung  als  schon  durch  die  Fund- 
umstände1 gesichert  an.  Allein  dieses  kann  ich  so  wenig  zugeben,  wie  es 
die  Augenzeugen  dieser  Fundumstände  selbst  behaupten  wollen  (vergl.  Jahrbuch 
1891  S.  98).  Wenn  nach  dem  Zeugnisse  dieser  und  anderer  mit  den  örtlichen 
Verhältnissen  genau  Vertrauter  auch  nur  die  Möglichkeit  besteht,  daß  die  vor 
der  Nordostecke  gefundenen  drei  Statuen  sich  nicht  in  unberührter  Fall-Lage  be- 
fanden, sondern  ganz  oder  teilweise  aus  derselben  entfernt  und  verbaut  waren,  so 
kann  von  einem  sicheren  Fundamente,  auf  dem  jede  Aufstellung  der  Figuren  zu 
ruhen  habe,  offenbar  nicht  die  Rede  sein.  Jene  Möglichkeit  kann  aber  niemand 
leugnen.  Insbesondere  ist  die  Möglichkeit,  daß  der  relativ  kleine  Torso  des 
hockenden  Knaben,  der  in  zwei  Stücken  gefunden  ward,  eine  Strecke  weit  ver- 
schleppt ist,  eine  unleugbare.  Es  ist  hierbei  gleichgültig,  ob  wir,  wie  ich  es  tue, 
diese  Verschleppung  und  die  Verbauung  mit  Treu  für  wahrscheinlich  halten; 
die  vorhandene  und  durch  nichts  zu  beseitigende  Möglichkeit  genügt  allein, 
um  den  Fundumständen  den  Charakter  als  sichere  Grundlage  der  Aufstellung 
zu  nehmen. 

Körte  ist  auch  auf  die  Deutung  näher  eingegangen.    Hier  zeigt  sich  ein  neuer 

rzug  meiner  Aufstellung;   allein   durch   sie  lassen  sich  die  Figuren  leicht  und 

ungezwungen  erklären:    die  vor  den  Pferden  Hockenden  sind  sichtlich  dienende 

:1ten;  die  Paare  jederseits  hinter  den  Wagen  sind  das  Geleite  der  Helden, 

Bemerkungen  Wochenschrift  Nr.  38  S.  1154. 


Zum  Ostgiebel  des  Zeustempels  in  Olympia.  299 

und  die  Eckfiguren  die  neugierigen  Zuschauer  des  sich  vorbereitenden  Rennens. 
Bei  Treus  Aufstellung  ist  das  Mädchen  ganz  unerklärlich,  bei  Curtius  und  Kekule 
sind  die  beiden  vorletzten  Figuren  unverständlich,  und  die  bisherigen  Deutungen 
sind  doch  nur  ein  Raten. 

Körte  schließt  sich  im  übrigen  zumeist  an  Löschcke  an.  Auch  er  ist  der  1316 
Meinung,  daß  die  Version  dargestellt  sei,  wonach  Pelops  durch  die  ihm  von 
Poseidon  geschenkten  Flügelrosse  gesiegt  habe.  Allein  der  Giebel  stellt  ja  ganz 
unzweifelhaft  dar,  daß  Pelops  durch  die  Gunst  und  den  Willen  des  Zeus  siegen 
wird,  und  seine  Rosse  unterscheiden  sich  in  nichts  von  denen  des  Gegners. 
Damit  ist  aber  die  herrschende  Legende  vom  Verrate  des  Myrtilos  sehr  wohl 
vereinbar:  auch  dieser  Verrat,  so  müssen  wir  denken,  liegt  im  Ratschluß  des 
Zeus,  er  ist  das  Mittel,  durch  das  er  Önomaos  verderben,  Pelops  erhöhen  will 
(vergl.  Jahrbuch  1891  S.  86  [oben  S.  290]).  Die  Charakterfigur  des  kahlen  Mannes 
auf  der  Seite  des  Önomaos  verlangt  eine  Deutung  aus  der  Sage  heraus:  hier 
paßt  nur  Myrtilos.  Er  wird  natürlich  nicht  mitfahren;  denn,  wie  Körte  mit 
Recht  bemerkt  (S.  1048),  fahren  die  Helden  allein,  nur  Pelops  mit  Hippodameia; 
deshalb  ist  Myrtilos  auch  nicht  in  der  Wagenlenkertracht.  Die  übrigen  Neben- 
figuren sind  nicht  so  individualisiert  und  die  Sage  bietet  uns  auch  keine  Namen 
für  sie.  Auf  Götter  zu  raten,  wie  auch  Körte  es  tut,  ist  ein  verfehltes  Beginnen. 
Wie  die  Sage  dargestellt  ist,  hat  hier  kein  anderer  Gott  neben  Zeus  etwas  zu 
tun.  Die  einzigen,  die  sonst  der  Sage  nach  erwartet  werden  könnten,  Pelops' 
Beschützer  Poseidon  und  etwa  noch  Önomaos'  Vater  Ares  sind  hier  durch  Zeus' 
entscheidendes  Auftreten  ausgeschlossen.  Gottheiten  aber,  die  nur  zur  Lokal- 
bezeichnung eingeführt  wären,  wie  die,  die  man  hier  vermutet  hat,  gibt  es  in 
der  Kunst  des  fünften  Jahrhunderts  nicht;  wenigstens  sehe  ich  nicht,  daß  sie 
irgendwo  sicher  nachgewiesen  wären. 

Wenn  Körte  S.  1050  sich  Treu  anschließt  und  meint,  es  stehe  nicht  fest,  ob 
die  Jünglinge  in  den  Ecken  nicht  Abzeichen  hielten,  welche  sie  als  Flußgötter 
charakterisierten,  so  übersieht  er  dabei  wohl,  was  ich  Archäologischer  Anzeiger 
1891  S.  94  [oben  S.  294]  gegen  Treu  bemerkt  habe:  die  jugendlichen  Fluß- 
götter Hypsas  und  Selinus  der  sizilischen  Münzen,  auf  die  man  sich  beruft, 
werden  nur  durch  die  Hörner  oder  die  Beischriften  als  solche  kenntlich;  und 
diese  beiden  Dinge  waren  an  den  olympischen  Figuren  sicher  nicht  vorhanden. 
Treu  hat  darauf  ebenda  S.  142  freilich  gemeint,  die  Abzeichen  der  Flußgötter  in 
Olympia  könnten  Schilfstengel«  gewesen  sein,  »wie  sie  der  gleichzeitige  Selinus 
bei  P.  Gardner,  Types  of  Greek  CoinsTaf.2,15— 16,  hält«.  Allein  dies  ist  ein  offen- 
barer Irrtum  von  Treu.  Der  Zweig,  den  Selinus  und  Hypsas  auf  jenen  Münztypen 
halten,  ist  ja  bekanntlich  ein  Lorbeerzweig,  der  zu  dem  Opfer  gehört,  das  sie 
darbringen  und  der  deshalb  auch  richtig  als  Lustrationszweig  bezeichnet  wird; 
mit  der  Bedeutung  als  Flußgott  hat  er  gar  nichts  zu  schaffen;  diese  wird  nur 
durch  Hörner  oder  Inschrift  oder  beides  kenntlich  gemacht.   Es  bleibt  dabei,  daß 


300  ZUM  Ostgiebel  des  Zeustempels  in  Olympia. 

Eckfiguren  in  Olympia  nach  unserer  Kenntnis  der  Kunst  des  fünften  Jahr- 
hunderts von  niemand  in  jener  Zeit  als  Flußgötter  erkannt  werden  konnten;  da- 

cti  genügte  der  Spätzeit  allerdings  das  bloße  Motiv  des  Liegens  zu  jener 
Deutung.  Gegen  meine  Erklärung  der  Figuren  als  typische  Vertreter  der  Zu- 
schauer bei  den  Spielen  bemerkt  Körte  (S.  1051),  daß  ihr  formloses  Benehmen  der 
Heiligkeit  des  Ortes  und  der  Handlung  nicht  entsprechend  sei.  Allein  er  bedenke 
die  Primitivität  des  olympischen  Stadions,  das  keine  festen  Sitze  hatte  und  wo 
die  Zuschauer  einfach  auf  den  mit  Rasen  bewachsenen  Wällen  <  Platz  nahmen 
(Borrmann  in  Olympia,  Textband  II,  1  S.  64).  Da  mag  gewiß  mancher  oben  auf 
dem  Wall  im  Grase  gelegen  haben.  Daß  natürliche  und  bequeme  Körperhaltungen 
den  Alten  selbst  bei  feierlichen  Vorgängen  nicht  anstößig  erschienen,  zeigt  ja  zum 
Beispiel  der  Parthenonfries  deutlich  genug. 


DER  OSTQIEBEL 
DES  OLYMPISCHEN  ZEUSTEMPELS 

(SITZUNGSBERICHTE  DER  PHILOS.-PHILOL.  KLASSE  DER 
KGL.  BAYER.  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN  1903) 


eit  einem  Vierteljahrhundert  bildet  die  Aufstellung  der  Statuen  des  Ost-  421 
giebels  von  Olympia  ein  Problem,  an  dessen  Lösung  von  den  ver- 
schiedensten Seiten  und  mit  der  größten  Anstrengung  fast  unablässig 
gearbeitet  worden  ist.  Groß  ist  die  Zahl  der  Gelehrten,  die  mutig  in  die  Arena 
gestiegen  sind  und  den  Kampf  mit  dem  dunkeln  Rätsel  aufgenommen  haben.  Ich 
selbst  habe  zu  verschiedenen  Malen  mich  unter  die  Streiter  gemischt.1 

Die  monumentale  Publikation  der  Ergebnisse  der  Ausgrabungen  von  Olympia, 
der  1897  erschienene  dritte  Band  „Olympia",  schloß  mit  einer  Dissonanz,  mit  dem 
Gegensatze  der  zwei  Aufstellungen  von  Ernst  Curtius  und  Georg  Treu,  die 
beide  ihre  von  Anfang  an  eingenommenen  gegensätzlichen  Stellungen  unverrückt 
festhielten.  Kurz  darauf  erschien  die  ausführliche  Begründung  einer  neuen  An- 
ordnung von  K.  Wernicke  im  Jahrbuch  des  Archäologischen  Instituts  Band  XII, 
1897,  S.  169—194,  die  in  Comparetti  einen  Anhänger  fand  (Strena  Helbigiana  422 
S.  44  ff.).  In  dem  1901  erschienenen  dritten  Bande  der  großen  kommentierten 
Ausgabe  des  Pausanias  von  Hitzig  und  Blümner  findet  man  die  verschiedenen 
Aufstellungen  und  Deutungen  am  übersichtlichsten  zusammengestellt  (S.  322  ff., 
Tafel  3.  4);  die  beigegebenen  Tafeln  sind  aus  dem  Jahrbuch  1897  wiederholt,  aber 
die  Figuren  sind  hier  in  einheitlicher  Weise  mit  Buchstaben  bezeichnet,  was  die 
Benutzbarkeit  erhöht.  Wir  gebrauchen  im  Folgenden  der  Kürze  halber  dieselben 
Buchstaben  für  die  Figuren  und  wiederholen  auf  S.  424  [S.  302]  die  Abbildungen  der 
drei  letzten  und  wichtigsten  Aufstellungen  von  Treu,  Curtius  und  Wernicke. 

Sicher  ist  bis  jetzt  nur  eines,  nämlich  daß  alle  bisherigen  Anordnungen  des 
Giebels  nicht  befriedigen.     Darum   dürfen  wir  das  Suchen   nach   dem  Richtigen 


1  Ich  habe  zuerst  in  den  Preußischen  Jahrbüchern  Band  51  (1882)  S.  372  ff.  [oben  S.  247 ff.] 
die  Aufstellung  von  E.  Curtius  näher  zu  begründen  und  zu  verteidigen  gesucht.  Später 
habe  ich  im  Jahrbuch  des  Instituts  Band  VI  (1891)  S.  76-87  [oben  S.  280  ff.]  eine  eigene  neue 
Anordnung  versucht  und  im  Archäologischen  Anzeiger  1891  S.  93  f.  [oben  S.  293]  sowie  in 
der  Berliner  Philologischen  Wochenschrift  1892  S.  1282  ff.  und  1314  ff.  [oben  S.  295  ff.]  gegen 
Einwürfe  verteidigt. 


Der  Ostgiebel  des  olympischen  Zeustempels. 


nicl  Am   «renigsten   darf  es   derjenige,   der  selbst  eine  Anordnung 

Wagen  hat  und  die  Unzulänglichkeit  eben  dieser  nun  lebhaft  empfindet. 
L'nd  dies  ist  mein  Fall;  ich  fühle  die  Pflicht,  an  der  Frage  weiter  zu  arbeiten. 

.Weine  frühere  Aufstellung  war  die,   wie  ich   jetzt  glaube,   falsch   gezogene 
Konsequenz  eines  an  sich  gewiß  zweifellos  richtigen  Grundsatzes,  von  dem  wir 


A  B  l 

*u   IHM. 


A  0  1- 

E    Curtiua  1896 


E       F      O  B  J        K       L 


NO  P 

Olympia  III  Taf    18- 


BKOHJFC  M  NE  P 

Olympia  III  Textbd.  Taf.  I, 


A  O 

•wlngler 


D  BIG  II         J      K 

Neue  Aufstellung. 


M 


N 


durchaus  nicht  abgehen  dürfen,   der  aber  bei  allen  anderen  Aufstellungen  mehr 

oder  weniger  verletzt  wird,  des  Grundsatzes,  daß  diejenigen  Figuren  sich  auf  den 

•n  des  Giebels  entsprechen  müssen,  welche  die  gleiche  oder  die  nächst 

gleiche  Höhe  haben.     Die  Richtigkeit  dieser  Forderung  liegt   in   der  Natur   der 

symmetrischen  Komposition  der  Giebelfelder  und  wird  insbesondere  erhärtet  durch 

lue  Befolgung  derselben,  die  wir  an  den  Ägineten  nicht  nur,  sondern  vor 

:  arn  westlichen  Giebelfelde  des  Zeustempels  selbst  konstatieren  können. 


Der  Ostgiebel  des  olympischen  Zeustempels.  303 

Ich  muß  daher  an  den  in  meiner  früheren  Abhandlung  geforderten  Paaren  im 
Ostgiebel  festhalten,  da  sie  allein  der  genannten  Bedingung  genügen,  daß  die  sich 
entsprechenden  Figuren  der  beiden  Seiten  die  gleiche  oder  die  möglichst  annähernd 
gleiche  Höhe  haben  müssen.    Indess  jene  Paare  habe  ich  damals  falsch  verteilt. 

Erinnern  wir  uns  zunächst  der  jener  Grundforderung  allein  entsprechenden  Paare  423 
unter  den  Figuren,  deren  Anordnung  am  meisten  strittig  ist.  Wie  ich  im  Jahrbuch 
des  Instituts  1891  S.  80  [oben  S.  284]  hervorgehoben  habe,  sind  der  hockende  Knabe  E 
und  das  kniende  Mädchen  O  von  gleicher  Größe.  Diese  beiden  Figuren  müssen 
einst  sich  entsprochen  haben.  Sobald  man  einer  derselben  ein  anderes  Gegenstück 
geben  will,  verstößt  man  gegen  jene  Grundforderung;  man  muß  dann  Gegenstücke 
bilden  aus  Figuren  von  wesentlich  verschiedener  Höhe,  wie  Treu,  der  den  hockenden 
Mann  L  als  Gegenstück  zu  E  und  den  knienden  Jüngling  B  als  solches  zu  O 
ansetzt,  oder  wie  Wernicke,  der  umgekehrt  B  und  E  sowie  L  und  O  zusammen- 
ordnet. Während  ein  Paar  von  in  der  Höhe  völlig  übereinstimmenden  und  überdies 
noch  in  Altersstufe  und  Bewegung  vortrefflich  zu  einander  passenden  Figuren  vor- 
handen ist,  reißt  man  dieses  evident  gegebene  Paar  auseinander  und  verbindet 
die  einzelnen  Glieder  mit  Figuren,  die  wesentlich  andere  Größe  haben. 

Auch  an  dem  zweiten  Paare  strittiger  Figuren,  das  ich  damals  aufstellte, 
muß  ich  durchaus  festhalten:  durch  die  übereinstimmende  Größe  werden  der 
hockende  Mann  L  und  der  kniende  Jüngling  B  als  Gegenstücke  erwiesen  (vergleiche 
Jahrbuch  1891  S.  81  [oben  S.  285]).  Jede  andere  Zusammenstellung,  wie  die  von  L 
und  N  bei  Curtius,  von  L  und  E  bei  Treu,  von  L  und  O  bei  Wernicke,  sowie 
ferner  die  von  B  mit  C  bei  Curtius,  B  mit  O  bei  Treu  und  B  mit  E  bei  Wernicke 
vereinigt  Figuren  von  wesentlich  verschiedener  Höhe.1 

Also  die  Gegenstücke,  die  ich  damals  aufstellte,  müssen  bleiben.  Allein  ihre  425 
Anordnung  muß  eine  andere  werden.  Der  sitzende  Mann  L  kann  nicht,  wie  ich 
damals  vorschlug,  rechts  neben  N  gestellt  werden ;  schon  deshalb  nicht,  weil  die 
starre  gerade  Linie  des  von  der  linken  Schulter  herabfallenden  Mantels  abscheulich 
und  unmöglich  wirkt,  wenn  sie  nicht  durch  andere  anschließende  parallele  Linien 
gedeckt  wird.  Auch  die  Gründe,  die  Treu,  Olympia  III  S.  123,  anführt,  sind  durch- 
aus zutreffend.  Die  Zuspitzung  des  Grundrisses  der  Statue  nach  ihrer  rechten  Seite, 


1  Treu  gibt  im  Olympiawerke  die  vermutlichen  ursprünglichen  Höhen  der  Figuren  an. 
Danach  differieren  die  von  Curtius,  Treu  und  Wernicke  als  Gegenstücke  angenommenen 
Figuren  um  10,  15,  20  und  25  cm  in  der  Höhe  (nur  L  und  TV  bei  Curtius  differieren  etwas 
weniger,  nach  Treu  um  8  cm).  Dagegen  differieren  die  von  mir  aufgestellten  Gegenstücke 
nach  Treus  Maßen  nur  um  je  5  cm,  und  auch  diese  5  cm  fielen  vermutlich  noch  weg; 
denn  bei  B  hat  Treu  offenbar  eine  zu  gesenkte  Kopfhaltung  angenommen,  so  daß  die 
ursprüngliche  Höhe  der  von  L  (130  cm)  noch  näher  stand;  und  der  fehlende  Kopf  von  E 
mag  ein  wenig  zu  niedrig  veranschlagt  sein,  so  daß  auch  die  Höhe  von  E  der  von  O 
noch  genauer  entsprochen  haben  wird.  Aber  auch  wenn  wir  die  5  cm  Differenz,  die  Treus 
Berechnungen  geben,  beibehalten,  bleibt  immer  ein  starker  Unterschied  dieser  von  den 
10—25  cm,  um  welche  die  von  den  anderen  angenommenen  Gegenstücke  differieren. 


3Q4  Der  Ostgiebel  des  olympischen  Zeustempels. 


sowie  die  gedrehte  Körperhaltung  wären  an  jener  Stelle  unverständlich;  auch  ist  es 
richtig,  daü  die  Figui  dort  „den  Umriß  des  Greises  daneben  in  störender  Weise 
wiederholte";  nur  durfte  Treu  diesen  Grund  eigentlich  nicht  anführen,  weil  er  selbst, 
worin  ich  ihm  früher  irriger  Weise  gefolgt  bin,  durch  das  Hintereinandersetzen  der 

knienden  Figuren  B  und  C  in  der  linken  Giebelecke  eben  den  Fehler  wiederholt 
hat,  den  er  an  meiner  früheren  Aufstellung  der  rechten  Ecke  mit  Recht  tadelte. 

Hin  ganz  untrügliches  Mittel,  um  die  Stellung  der  Figuren  im  Giebel  zu 
bestimmen,  gibt  uns  der  Grad  der  Ausführung  ihrer  einzelnen  Teile:  in  der  Arbeit 
vernachlässigte,  unausgeführte  Partien  können  unmöglich  der  Hauptansicht  der 
Figuren  ausgesetzt  gewesen  sein.  Aus  diesem  Grunde  ist  die  Möglichkeit,  den 
sitzenden  Mann  L  in  die  linke  Giebelhälfte  zu  stellen,  einfach  ausgeschlossen,  da 
er  hier  gerade  seine  unausgeführte  linke  Kopfseite  dem  Beschauer  zu-  und  die 
sorgfältig  vollendete  rechte  von  ihm  abkehren  würde.  Man  hat  dagegen  sagen 
wollen,  bei  der  Höhe  der  Aufstellung  würde  dies  dem  unbewaffneten  Auge  von 
unten  kaum  aufgefallen  sein.  Allein  darüber  zu  streiten  ist  unnütz.  Die  gesamte 
Arbeit  der  beiden  Giebelgruppen  lehrt  es  als  unumstößliche  Tatsache,  daß  die 
Künstler  in  der  sorgfältigen  Ausführung  überall  eben  so  weit  gingen,  wie  die 
Figuren  von  unten  gut  sichtbar  waren,  dagegen  die  Ausführung  sich  ersparten, 
wo  immer  sie  annehmen  durften,  daß  dies  nicht  der  Fall  sei.  Danach  muß  es 
als  einer  der  sichersten  Punkte  der  Ostgiebelaufstellung  gelten,  daß  L  nicht  links 
hinter  dem  Wagen  gesessen  haben  kann,  wo  er  das  unbearbeitete  Ohr  und  die 
vernachlässigten  häßlichen  Falten  unter  dem  linken  Arme  dem  Beschauer  zu-,  die 
fein  ausgeführten  Teile  aber  abwendet  (vergleiche  auch  Treu,  Olympia  III  S.  122). 

Da  L  nun  nicht  hinter  dem  Greis  N  gesessen  haben  kann,  so  bleibt  für  ihn 
nur  der  ihm  von  Treu  angewiesene  Platz  vor  den  Rossen  der  rechten  Hälfte. 
Und  hier  paßt  er  in  der  Tat  vortrefflich  her.  Nur  hier  findet  seine  verdrehte 
auffallende  Haltung  eine  befriedigende  Erklärung:  er  sitzt  vor  den  Pferden,  die 
Beine  von  ihnen  abgekehrt,  und  dreht  nun  den  Oberkörper  nach  ihnen  um.  Hier 
findet  ferner  jene  gerade  Linie  seines  herabfallenden  Mantels  an  den  parallel 
daneben  stehenden  Pferdebeinen  jenen  Hintergrund,  dessen  sie  notwendig  bedarf. 
Daß  die  Figur  ganz  vorne  an  den  Geisonrand  herangerückt  war,  wie  sie  es  eben 
an  jenem  Platze  sein  mußte,  hat  Treu  (Olympia  III  S.  123)  aus  der  Abmeißelung 
der  Unterseite  und  der  geradlinig  abgeschnittenen  Vorderfläche  des  linken  Ober- 
schenkels mit  Recht  geschlossen. 

Da  nun  das  Gegenstück  von  L  der  Größe  nach,  wie  wir  sahen,  B  gewesen 

o  muß  der  kniende  Jüngling  B  vor  die  Pferde  links.     Doch   bevor  wir  zu 
dieser  Figur  übergehen,  beenden  wir  die  Betrachtung  der  rechten  Giebelhälfte. 

gibt  noch  einen  festen  untrüglichen  Halt  für  die  Aufstellung  der  Giebel- 
gruppe: das  ist  der  Fundort  der  Figuren  der  rechten  Ecke. 

Seit  in  der  Publikation  des  großen  Olympiawerkes  mit  der  ihm  beigegebenen 
idkarte  der  Giebelfiguren  alles  Material  zur  Beurteilung  vorliegt,  kann  meines 


Der  Ostgiebel  des  olympischen  Zeustempels.  305 


Erachtens  kein  Zweifel  mehr  sein,  daß  zwischen  der  Auffindung  der  Figuren  N,  E,  P 
vor  der  Nordostecke  und  der  Auffindung  der  übrigen  Stücke  ein  fundamentaler 
Unterschied  besteht.  Jene  Figuren  lagen  unverbaut  unmittelbar  unterhalb  der 
Nordostecke;  alle  anderen  Stücke  sind  weit  entfernt  und  nicht  in  der  Fall-Lage, 
sondern  verschleppt  und  in  Hüttenmauern  verbaut  gefunden  worden.  Von  jenen 
drei  unterhalb  der  Nordostecke  liegenden  Figuren  gehörten  zwei,  N  und  P, 
zweifellos  in  die  Giebelecke  darüber,  und  zwar  in  derselben  Reihenfolge,  wie  sie 
unten  lagen,  P  rechts  und  N  weiter  links.  Der  Schluß  aus  diesen  Tatsachen  ist 
ganz  unabweislich:  die  zwischen  N  und  P  in  zwei  Stücke  gebrochen  gefundene 
Figur  des  hockenden  Knaben  £  muß  auch  im  Giebel  oben  zwischen  M  und  P 
gesessen  haben. 

Das  durch  die  Größe  gegebene  Gegenstück  von  E  ist  aber,  wie  wir  sahen, 
das  kniende  Mädchen  O;  also  wird  nun  auch  dessen  Platz  bestimmt:  es  muß 
an  die  zweite  Stelle  der  südlichen  Giebelhälfte  von  links  rücken,  da  wo  bereits 
E.  Curtius  es  eingeordnet  hat. 

Außer  den  stehenden  Mittel-  und  den  liegenden  Eckfiguren  bleiben  jetzt  nur 
noch  der  sitzende  Greis  N  und  der  kniende  Mann  C  übrig;  ihre  Plätze  können 
nur  die  einzig  noch  freien  hinter  den  Rossen  sein.  Sie  differieren  etwas  in  der 
Höhe  (N  138  cm;  C  wird  von  Treu  auf  150  cm  berechnet);  allein  dies  ist  hier 
notwendig  motiviert  dadurch,  daß  bei  der  Haltung  mit  nach  der  Giebelmitte  hin 
ausgestreckten  Beinen  der  Kopf  von  N  wesentlich  näher  der  Giebelecke  rückt, 
also  niedriger  sein  mußte  als  der  Kopf  des  Mannes  C,  der  bei  seiner  nicht  am 
Boden  sitzenden,  sondern  knienden  Stellung  näher  nach  der  Giebelmitte  zu  fiel. 
Hierdurch  ward  die  Höhendifferenz  der  beiden  entsprechenden  Figuren  und  damit  428 
eine  kleine  Abweichung  von  der  Regel  notwendig. 

Während  die  Differenz  von  C  und  N  in  der  Haltung  begründet  ist,  so  wäre 
die  von  L  und  N  ganz  unerklärlich,  wenn  diese  Figuren  Gegenstücke  wären; 
L  würde  ja  dann  die  Beine  von  der  Mitte  Wegstrecken,  während  N  sie  der  Mitte 
zustreckt,  also  könnte  die  Figurenhöhe  von  L,  da  der  Kopf  der  Giebelmitte  näher 
gerückt  wäre,  doch  nur  höher  sein,  nicht  aber,  wie  es  tatsächlich  der  Fall  ist, 
niedriger  als  N,  und  die  nachträgliche  Abmeißelung  der  Unterfläche  von  L,  welche 
die  Figur  niedriger  machte,  wäre  ganz  unerklärlich,  während  sie  leicht  verständlich 
ist,  wenn  L  und  B  die  Gegenstücke  sind. 

Endlich  sei  noch  hervorgehoben,  daß  an  C  der  Rücken  unausgearbeitet,  an  O 
aber  sorgfältig  ausgeführt  ist,  was  sich  bei  unserer  Aufstellung  durch  die  Rück- 
sicht auf  den  unten  vor  der  Mitte  stehenden  Beschauer  erklärt  und  sie  bestätigt. 

So  ist  denn  die  Aufstellung  der  strittigen  Figuren  fixiert.  Auf  der  S.  425  [oben 
S.  302]  gegebenen  Skizze,  die  ich  K.  Reichhold  verdanke,  ist  das  Resultat  deutlich 
gemacht.  Zu  derselben  sei  bemerkt,  daß  die  Figuren  der  beiden  Giebelhälften  streng 
symmetrisch  angeordnet  sind,  das  heißt  daß  alle  sich  entsprechenden  Hauptpunkte 
der  beiden  Seiten  in  gleicher  Distanz  von  der  Mitte  liegen.    Dies  scheint  uns  eine 

A.  Furtwängler.    Kleine  Schriften  I.  20 


3QC  DER   OSIV.IEBEL    DES   OLYMPISCHEN   ZEUSTEMPELS. 


ge  künstlerische  Forderung,  gegen  die  Treu  verstößt,  indem  er  in  der 
rechten  Giebelhälfte  alles  mehr  nach  der  Ecke,  in  der  linken  alles  mehr  nach  der 
ii  schiebt.  Die  Punkte,  deren  Symmetrie  so  augenfällig  ist  wie  die  stehenden 
Gestalten  neben  Zeus,  die  Gespanne  und  Wagen,  die  Eckfiguren,  müssen  unter 
allen  Umständen  beiderseits  in  genau  gleichem  Abstände  von  der  Mitte  angeordnet 
werden.  Allerdings  erscheint  die  linke  Hälfte  etwas  lockerer  und  leerer  als  die 
vollere  rechte;  allein  dies  macht  man  nicht  besser  dadurch,  daß  man  die  Figuren 
links  aus  ihren  durch  die  Symmetrie  gegebenen  Plätzen,  wie  Treu  tut,  mehr  nach 
der  Mitte  schiebt.  Der  Unterschied  der  beiden  Seiten  ist,  wie  wir  sehen  werden, 
die  notwendige  Folge  der  verschiedenen  Charakteristik  der  beiden  Helden  und 
ihres  Gefolges. 

Bevor  wir  unser  Resultat  näher  betrachten,  müssen  wir  über  die  Fragen  klar 
werden,  welche  die  Aufstellung  der  Mittelgruppe  betreffen.  Diese  hat  Wernicke 
von  neuem  angeregt,  indem  er  die  beiden  Gruppen  zu  den  Seiten  des  Zeus 
umstellte.    Er  glaubte  dies  auf  Grund  des  Textes  des  Pausanias  tun  zu  müssen. 

Mit  Unrecht.  Wernicke  meint,  h  de£iq  tot  Aiog  bedeute  nicht  „rechts  vom 
Zeus"  vom  Beschauer  aus,  sondern  „zur  rechten  Hand  des  Zeus";  Önomaos  müsse 
also  zur  Rechten  von  Zeus,  links  vom  Beschauer,  aufgestellt  werden.  Wir  wollen 
nun  den  Nachweis  von  Michaelis  (Archäologische  Zeitung  1876  S.  162  f.),  daß 
Pausanias  rechts  und  links  regelmäßig  vom  Beschauer  gebrauche,  nicht  benützen, 
indem  Wernicke  —  obwohl  mit  Unrecht  —  ihn  anzuzweifeln  versucht.  Allein  das 
folgende  tu  di  Ig  ägunega  u.-iö  rov  .\iog  spricht  durch  das  änd  doch  deutlich 
gegen  Wernicke:  „zur  Linken  von  der  Figur  des  Zeus  ab"  setzt  zweifellos  den 
Beschauer  als  bestimmenden  voraus:  der  Beschauer  betrachtet  von  der  Figur  des 
Zeus  aus  die  Figuren  nach  rechts  und  nach  links.  Wenn  nach  des  Zeus  eigener 
Rechten  oder  Linken  orientiert  würde,  dürfte  nicht  änö  stehen.  Den  endgiltigen 
Entscheid  in  der  Frage  aber  geben  die  Namen,  welche  Pausanias  den  liegenden 
Jünglingen  der  beiden  Giebelecken  gibt.  Er  bezeichnet  den  auf  der  Seite  b> 
•  n  rov  \tbs  als  Kladeos,  den  &  ägioteod  utto  tov  Aiog  aber  als  Alpheios. 
Wer  je  vor  der  Front  des  olympischen  Tempels  gestanden  hat  oder  sich  die 
Situation  durch  einen  Lageplan  vergegenwärtigt,  weiß,  wie  völlig  unmöglich  es 
ist,  die  Figur  links,  da  wo  wenige  Schritte  vom  Beschauer  der  Alpheios  in  breitem 
tte  dahinrollt,  für  eine  Personifikation  des  Kladeos,  die  der  entgegengesetzten 
Seite  rechts  aber  für  Alpheios  zu  erklären.  Das  ist  einfach  undenkbar,  weil  absolut 
unsinnig.  Damit  aber  ist  entschieden,  daß  man,  wie  man  es  bisher  auch  fast 
allgemein  getan  hat,  den  Önomaos  vom  Beschauer  rechts  neben  Zeus,  den  Pelops 
links  neben  ihn  aufzustellen  hat. 

Alle  anderen  Umstände  aber  passen  vorzüglich  zu  diesem  Resultat.    Vor  allem 

die  künstlerischen  Forderungen.    Die  gehobenen  Arme  des  Pelops  und  Önomaos 

430  mit  ihren  Lanzen    wären    unmittelbar   neben  Zeus  schwer  erträglich.     Die  ganze 

Wirkung  der  majestätischen  Ruhe  in  der  Haltung  des  Zeus  würde  verloren  gehen. 


Der  Ostgiebel  des  olympischen  Zeustempels.  307 

Ferner  würden  zwar  die  drei  Männer  zusammen  eine  Gruppe  bilden;  aber  die 
Frauen  würden  dann  in  unerträglicher  Weise  isoliert  stehen;  ja  Pelops  und  Hippo- 
dameia  würden  sich  direkt  von  einander  abwenden.  Nun  ist  es  aber  offenbar 
sachlich  notwendig,  daß  Pelops  und  Önomaos  mit  den  zu  ihnen  gehörigen  Frauen 
Gruppe  bilden,  nicht  aber  mit  Zeus,  der  nichts  direkt  mit  beiden  zu  tun  hat, 
sondern  offenbar,  den  Sterblichen  unsichtbar,  nur  in  ihrer  Mitte  weilt.  Bei  der 
Aufstellung  von  Treu  gewinnen  wir  künstlerisch  abgerundete  Gruppen  für  Pelops 
mit  Hippodameia  (F,  G),  sowie  für  Önomaos  mit  Sterope  (7,  K)\  Zeus  steht  dann 
isoliert  in  der  Mitte,  rechts  und  links  von  ihm  bildet  sich  eine  Lücke.  Die  lässige 
Ruhe  seiner  Haltung  wirkt  erst  jetzt  majestätisch.  Man  empfindet,  er  ist  der  Gott, 
der,  den  Sterblichen  unsichtbar,  hier  in  ihre  Mitte  getreten  und  deshalb  von  ihnen 
isoliert  ist. 

Die  beiden  Helden  sind  ganz  vom  Gedanken  an  die  bevorstehende  Wettfahrt 
erfüllt.  Echt  polygnotisches  Ethos  spricht  aus  ihren  Stellungen:  ruhig  und  völlig 
handlungslos,  sprechen  sie  in  der  Art  der  Haltung  ihren  inneren  Charakter  aus: 
bescheiden  und  gottergeben  ist  Pelops  —  trotzig,  auf  die  eigene  Kraft  bauend, 
Önomaos.  Doch  Zeus  wendet  sich  leise,  von  den  Sterblichen  unbemerkt,  dem 
Pelops  zu;  denn  nach  dem  göttlichen  Ratschlüsse  soll  dieser  der  Sieger  bleiben. 
Die  von  mehreren  Gelehrten,  zuletzt  von  Wernicke,  wieder  versuchte  Einführung 
einer  Opferhandlung  und  eines  Altares  neben  Zeus  würde  die  ganze  Absicht  des 
Künstlers,  wie  wir  sie  fassen,  zerstören. 

Auch  die  Frauen  sind  den  Helden  entsprechend  charakterisiert:  die  Haltung 
der  Hippodameia  (F)  ist  ganz  Bescheidenheit,  ebenso  wie  die  von  Sterope  (K) 
ganz  Stolz. 

Doch  der  Unterschied  erstreckt  sich  noch  weiter  auf  die  beiden  Giebelhälften: 
„auf  Seiten  des  Pelops  bescheidene  Festigkeit  und  Freude,  dort  bei  Önomaos 
trotzige  Unruhe  und  trübes  Sinnen".  Diese  von  mir  früher  (Preußische  Jahrbücher 
1882,  Band  51,  S.  373  [oben  S.  249])  gegebene  Charakteristik  passt  bei  der  neuen  431 
Aufstellung  erst  recht.  Der  vor  den  Rossen  sitzende  Mann  L  mit  seiner  gewalt- 
samen Bewegung  drückt  Unruhe,  der  Greis  K  hinter  den  Rossen  trübes  Ahnen 
aus.  Beide  Gestalten,  L  wie  N,  sind  bärtige  bejahrtere  Männer,  entsprechend 
ihrem  Herrn,  dem  bärtigen  Önomaos.  Dagegen  erscheinen  auf  Pelops'  Seite  zwei 
jugendliche  Gestalten,  von  denen  die  eine  (B)  sicher,  die  andere  (C)  wahrscheinlich 
unbärtig  war,1  wie  ihr  Herr.  Beide  Figuren  sind  ganz  schlicht  und  einfach  mit 
ihrer  nächsten  Aufgabe,  der  Wartung  der  Pferde,  beschäftigt:  „bescheidene  Festig- 
keit", ruhige  frohe  Tätigkeit  charakterisiert  die  beiden.  Der  hinter  dem  Wagen 
kniende  jugendliche  Mann  hält,  wie  die  erhaltenen  Reste  der  Arme  beweisen 
(vergleiche  Treu,  Olympia  III  S.  122),   die  nach  hinten  geführten  Zügel  der  an- 


1  Der  Bart,  den  Treu  C  gibt,  ist  durch  nichts  indiziert;  Curtius  und  Grüttner  restau- 
rierten ihn  unbärtig. 


20* 


kQg  Der  Ostgiebel  des  olympischen  Zeustempels. 


►chirrten  Rosse.  Sein  jüngerer  Genosse,  der  vor  den  Rossen  kniende  Jüngling  B, 
wie  sein  Gegenüber  L,  mit  der  Aufsicht  über  die  Pferde  beschäftigt.  Wie  die 
Vernachlässigung  seiner  linken  Kopf-  und  Gesäßseite  beweist,  waren  diese  Teile 
dem  Beschauer  ab-,  die  Figur  also  nach  rechts  gewandt.  Doch  ist  der  Rücken 
vollständig  ausgeführt;  die  Figur  war  also  nicht  wie  C,  an  welcher  der  Rücken 
zur  größeren  Hälfte  unausgeführt  ist  (Olympia  III  S.  62),  in  scharfem  Profil  nach 
rechts  gestellt,  sondern  schräg,  so  daß  der  Rücken  sichtbar  war.1  Auch  schließt 
Treu  (Olympia  III  S.  63)  mit  Recht,  daß  die  Figur  „weiter  von  der  Rückwand  des 
Giebels  abgerückt  war  als  die  meisten  übrigen",  was  eben  zu  unserer  Ansetzung 
nahe  dem  Geisonrande  vor  den  Rossen  paßt.  Wie  ihr  Gegenüber  L,  so  wird  auch  B 
einen  Stab,  ein  Kentron  aufgestützt  haben,  wofür  die  erhaltenen  Reste  der  Arme 
sehr  gut  passen.  Was  den  Kopf  betrifft,  so  nehmen  wir  natürlich  nicht  die  stark 
432  geduckte  Haltung  desselben  an,  die  Treu  (Olympia  III  S.  62)  wegen  der  von  ihm 
der  Figur  im  Giebel  angewiesenen  Stelle  ihr  gegeben  hat,  sondern  wenigstens 
die  aufrechtere,  die  Treu  selbst  früher  (Athenische  Mitteilungen  XIV,  1889,  S.  297) 
mit  Benutzung  der  vorhandenen  Dübelspuren  dem  Kopfe  anwies.  Das  ruhige 
Yorsichhinblicken  in  stiller  Tätigkeit,  wie  dies  die  Figur  nun  zeigt,  ist  so  recht  in 
Übereinstimmung  mit  der  Art  des  Pelops,  wie  sie  uns  der  Künstler  schildert. 

Die  Rosse  sind  beiderseits  an  die  Wagen  schon  fertig  angeschirrt,  wie  aus 
den  erhaltenen  Resten  bewiesen  worden  ist.  Die  Zügel  liefen  nach  hinten.  Ein 
Mann,  der  die  Rosse  wirksam  von  vorne  beaufsichtigen  sollte,  müßte  vor  ihnen 
stehen.  Dies  ging  hier  aus  künstlerischen  Gründen  nicht;  denn  neben  den  stehenden 
Hauptfiguren  war  kein  Raum  mehr  für  eine  stehende  Nebenfigur.  Hier  vor  den 
Pferden  konnte  der  Künstler  nur  am  Boden  sitzende  oder  kniende  Gestalten 
brauchen.  Diese  konnten  aber  immerhin  auch  in  dieser  Stellung  die  Pferde 
beaufsichtigend  gedacht  werden.  Beide  Figuren  stützten,  wie  bemerkt,  einen  Stab 
auf,  der  zum  Regieren  der  Pferde  gehörte;  vermutlich  hielten  sie  aber  ferner  auch 
die  herabhängenden  Leitseile  von  einem  oder  mehreren  Pferden  in  den  Händen. 
Wie  der  Leitriemen  häufig  an  fertig  aufgezäumten  Reitpferden  zur  Führung  an 
der  Hand  vorkommt  (vergleiche  Archäologische  Zeitung  1880  S.  124, 1),  so  mochte 
er  hier  den  angeschirrten  Wagenpferden  zum  Teil  belassen  sein,  weil  der  Künstler 
ihn  hier  brauchte.  Man  hat  mit  Recht  darauf  hingewiesen,  daß  das  linke  Beipferd 
das  vornehmste  und  wichtigste  beim  Rennen  war.  Es  wäre  gewiß  ganz  passend, 
wenn  der  Künstler  eben  das  linke  Beipferd  jederseits  dadurch  ausgezeichnet  hätte, 
daß  es  besonders  am  Leitseil  gehalten  würde.  G.  Körte  hat  dies  schon  vermutet 
und  zwar  bei  Gelegenheit  einer  Verteidigung  der  Aufstellung  von  E.  Curtius 
'hilologischc  Wochenschrift  1892  S.  988).  Diese  Vermutung  erscheint 
aber  ganz  anders  passend,  ja  sie  erscheint  als  evidente  Erklärung  der  eigentüm- 

Aufsteflttng  bd  Curtius,  wo  die  unbearbeitete  linke  Kopfseite  sich  präsentiert, 
rlich  falsch  und  wirkt  durch  die  verkürzte  Ansicht  der  Glieder  auch   künstlerisch 
Richtij  lie  von  Six  und  Sauer  der  Figur  gegebene  Stellung. 


Der  Ostgiebel  des  olympischen  Zeustempels.  309 


liehen  Haltung  der  Figuren  bei  unserer  neuen  Aufstellung!  Jetzt  erst  wird  die 
verschiedene  Bewegung  der  beiden  Figuren  klar:  L  wendet  sich  herum  zu  seinem  433 
linken  Beipferd,  unter  dessen  Kopf  gerade  seine  Hände  zu  stehen  kommen  und 
dessen  Leitseil  er  hält;  B  kniet  deshalb  so  schräg  nach  der  Giebelwand  hin  und 
zeigt  einen  Teil  seines  Rückens,  weil  er  eben  das  Leitseil  seines  linken  Beipferdes, 
welches  das  hinterste  an  der  Giebelwand  ist,  hält. 

Die  von  Pausanias  wiedergegebene  Erklärung  der  olympischen  Exegeten  sah 
in  dem  sitzenden  Manne  L  den  Wagenlenker  des  Önomaos  Myrtilos.  Daß 
Pausanias'  Worte  xd&rjzai  noo  rwv  Xnnmv  so  genau  auf  L  passen,  und  nur  auf 
diese  Figur  —  denn  bei  keiner  anderen  Aufstellung  kommt  ein  sitzender  Mann 
an  dieser  Stelle  vor  die  Rosse  —  ist  eine  gewichtige  Bestätigung  der  Richtigkeit 
dieser  Aufstellung.  In  seinem  Gegenüber  sah  die  olympische  Exegese  Killas, 
den  Lenker  des  Pelops.  Ob  diese  Namen  der  Absicht  des  Künstlers  entsprachen, 
lassen  wir  am  besten  dahingestellt;  sicher  ist,  daß  der  Künstler  auf  beiden  Seiten 
die  gewichtigere  ältere  Figur  an  den  vornehmeren  Platz  hinter  den  Wagen,  die 
weniger  bedeutende  vor  die  Rosse  gestellt  hat. 

Hinter  den  zu  den  Wagen  gehörigen  Gestalten  C  und  N  folgt  beiderseits  ein 
Abschnitt  in  der  Komposition.  Es  kommen  Figuren,  die  mit  der  Szene  in  der 
Mitte  nichts  direkt  zu  tun  haben.  Auch  hier  wirkt  aber  noch  der  Unterschied  der 
beiden  Giebelhälften  nach:  rechts  stärkere  Bewegung  und  gebrochene  Linien,  links 
Ruhe  und  einfache  Schlichtheit.  Der  Jüngling  in  der  Ecke  links  (A)  stützt  ruhig 
den  Kopf  in  die  Hand  und  läßt  den  anderen  Arm  auf  dem  Körper  ruhen.  Ihm 
ist  ein  Mädchen  (O)  zugewandt,  das  die  Hände  gehalten  haben  muß,  als  ob  es 
an  seinem  Fuße  spiele;  der  Künstler  ließ  dies  wohl  absichtlich  unbestimmt.  Der 
Rücken  der  Figur  ist  besonders  sorgfältig  ausgeführt,  viel  mehr  als  die  Brustseite, 
was  zur  Bestätigung  unserer  Aufstellung  dient,  weil  bei  dieser  der  Beschauer  von 
der  Mitte  her  eben  den  Rücken  der  Figur  sah. 

Bei  dem  Gegenstücke,  dem  hockenden  Knaben  E,  ist  die  vom  Künstler  wieder 
absichtlich  unbestimmt  gehaltene  bedeutungslose,  wie  spielende  Gebärde  der  an 
den  Fuß  greifenden  einen  Hand  vollkommen  erhalten.  Es  ist  eine  Haltung  von  434 
der  Art  wie  die  der  Rechten  des  Zeus.  Etwas  Analoges  haben  wir  bei  dem 
Mädchen  O  vorauszusetzen.  Der  Knabe  E  bildet  durch  sein  Motiv  einen  vorzüg- 
lichen Übergang  zu  der  Eckfigur,  wie  oft  mit  Recht  hervorgehoben  worden  ist. 
Seine  vordere,  rechte  und  linke  Körperseite  sind  vollkommen  gleichmäßig  aus- 
gearbeitet; dagegen  ist  sein  Rücken  ganz  roh  gelassen,  ja  es  ist  ein  Teil  des 
unteren  Rückens  und  des  Gesäßes  einfach  weggelassen  (vergleiche  die  Abbildungen 
Olympia  III  S.  59),  indem  der  aufs  äußerste  ausgenutzte,  aber  zu  knappe  Marmor- 
block diese  Teile  nicht  mehr  hergab.  Aus  der  Vernachlässigung  des  Rückens  geht 
mit  Sicherheit  hervor,  daß  diese  Seite  parallel  der  Giebelrückwand  gestanden  hat. 
Dann  zeigte  sich  der  Körper  der  Figur  gerade  von  vorne;  der  Kopf  war  etwas 
nach  der  linken  Schulter  gewendet.    Nur  in  dieser  Stellung  des  Körpers  in  voller 


.^10  Der  Ostgiebel  des  olympischen  Zeustempels. 

iiisicht  wirkt  die  Figur  aucli  künstlerisch  richtig;  sie  ist  ganz  offenbar  für 
diese  Ansicht  angelegt;  ihre  Wirkung  ist  dagegen  eine  schlechte  und  verkehrte, 
tld  man  sie  schräg  aufstellt,  wie  es  Treu  tut,  der  sie  vor  die  Rosse  setzt. 
Wie  bemerkt,  sind  die  rechte  wie  die  linke  Körperseite  voll  ausgeführt,  weil  sie 
beide  zu  sehen  waren;  nur  der  ganze  Rücken  ist  roh,  weil  er  parallel  der  Rück- 
wand aufgestellt  war.  Treu  -  und  ihm  folgend  ich  selbst  früher  —  hatte  sich 
tauschen  lassen  dadurch,  daß  der  unbearbeitete  Rücken  vor  die  Pferde  links  zu 
passen  schien.1 
435  Die  beiden  Figuren,  der  Knabe  E  und  das  Mädchen  O,  bilden  je  eine  lebendige 

Gruppe  mit  den  Jünglingen  in  den  Ecken.  Es  ist  einleuchtend,  wie  sehr  die 
Komposition  dadurch  künstlerisch  gewinnt,  ja  wie  sie  allein  bei  dieser  Anordnung 
Rhythmus  und  Leben  erhält  und  nur  bei  ihr  die  Linien  sich  gefällig  aneinander- 
schließen;  während  die  Rückenlinie  von  B  neben  A  unerträglich  wirkt,  ebenso 
wie  die  starre  Wiederholung  des  Motives,  wenn  B  und  C  hintereinander  knien, 
unerträglich  ist. 

Es  ist  klar,  daß  es  ein  überaus  feiner  Zug  der  Komposition  ist,  daß  die  drei 
Figuren  der  Ecken  nicht  gleichmäßig  alle  nach  der  Mitte  schauen,  was  gar  ein- 
förmig wirkt,  wie  man  bei  Treus  Anordnung  sehen  kann;2  sondern  daß  hier  ein 
Knick,  eine  Unterbrechung  in  der  Mitte  der  drei  angebracht  ist.  Die  langgestreckten 
symmetrischen  Linien  der  liegenden  Eckfiguren  A  und  P  wirken  um  so  kräftiger 
die  Komposition  zusammenfassend  und  einschließend,  wenn  die  nächstfolgende 
Figur  jederseits  nicht  die  gleiche  Richtung  hat.  Der  künstlerische  Gewinn,  das 
reiche  rhythmische  Leben,  das  die  Komposition  durch  die  zunächst  nur  aus  äußeren 
Tatsachen  (Fundstelle  und  Figurenhöhe)  erschlossene  Aufstellung  gewinnt,  ist 
ohne  Zweifel  eine  schöne  Bestätigung  derselben. 

Ich  habe  den  Gedanken  erwogen,  ob  A  und  O  sowie  E  und  P  nicht  durch 
irgend  eine  gemeinsame  Handlung  (etwa  eine  Art  von  Lose-  oder  Würfelwerfen 
oder  dergleichen)  verbunden  gewesen  sein  könnten;  allein  nähere  Überlegung 
zeigte  mir,  daß  dies  nicht  angeht.  Der  erhaltene  Kopf  von  P  blickt  zweifellos 
nach  der  Mitte  zu,  und  dasselbe  ist  für  A  vorauszusetzen.  Auch  ist  dies  nach 
der  Mitte  Blicken  für  die  Komposition  notwendig;  ließe  man  A  mit  O,  P  mit  E 

'  \>iv  Einwendungen  von  G.  Körte  dagegen  in  der  Berliner  Philologischen  Wochen- 
schrift 1892  S.  1046  waren  durchaus  richtig.  —  Nicht  die  „rechte  Seite",  wie  Treu 
(Olympia  IM  S.  122)  sagt,  sondern  nur  der  Rücken  ist  vernachlässigt;  wäre  es  jene,  so 
würde  dies  ja  bei  der  Treu'schen  schrägen  Aufstellung,  wo  die  rechte  Körperseitc  vor- 
gedreht •  recht  sichtbar  geworden  sein.  Aus  der  Art  der  Bearbeitung  der  Statue 
ler  nicht,  wie  Treu  will,  auf  Stellung  in  rechter  oder  linker  Giebclhälfte,  sondern  nur 
auf  die  Art  der  Stellung  vor  der  Giebelrückwand  ein  zwingender  Schluß  zu  ziehen.  — 
ung  der  I  i^ur  habe  ich  übrigens  bereits  in  dem  Aufsatze  in  den  Preußischen 
Jahrbuchern  Band  öl,  1882,  S.  375  Anm.  [oben  S.  250]  verlangt. 

n  i'kes  Aufstellung  Ist    der  Widerspruch    der  beiden  Seiten  auffällig:    links 
:ch  der  Mitte  wie  bei  Treu,   rechts  Knick. 


Der  Ostgiebel  des  olympischen  Zeustempels.  31 1 


sich  beschäftigen,  so  fielen  die  Figuren  aus  dem  geschlossenen  Ganzen  als 
selbständig  sich  abtrennende  Gruppen  heraus.  Ferner  ist  E  seinen  vollständig 
erhaltenen  Gliedern  nach  unbeschäftigt,  und  das  gleiche  ist  für  das  Gegenstück 
anzunehmen. 

Was  nun  die  Bedeutung  der  Figuren  anlangt,  so  gingen  die  olympischen  436 
Exegeten,  denen  Pausanias  folgte,  entsprechend  dem  gemeinen  Laieninteresse,  in 
ihrer  Erklärung  nur  auf  Namen  aus.  Diesem  Streben  verdanken  die  Eckfiguren 
ihre,  wie  jetzt  wohl  allgemein  anerkannt  wird,  falschen  Benennungen,  wodurch  sie 
zu  Naturpersonifikationen  wurden,  dergleichen  das  fünfte  Jahrhundert  ja  überhaupt 
noch  gar  nicht  kannte.  Wir  deuteten  ferner  oben  an,  daß  die  Deutung  der  Figuren 
vor  den  Rossen  als  Hauptwagenlenker  bei  Pausanias  wahrscheinlich  irrig  ist,  indem 
die  zu  dem  Wagen  gehörige  Hauptfigur  jederseits  hinter  demselben  angeordnet 
ist.  Die  olympischen  Exegeten,  die  Pausanias'  Quelle  waren,  fuhren  in  der  Namen- 
gebung  von  der  Mitte  aus  einfach  fort:  nach  den  Haupthelden  mußten  ihre  Wagen- 
lenker kommen;  für  diese  wußten  sie  noch  Namen  anzugeben;  dann  aber  stockten 
sie;  für  die  zwei  Figuren,  die  jederseits  folgten,  fiel  ihnen  nichts  ein;  nur  für  die 
Eckfiguren  hatten  sie  ihre  schlechte  Erklärung  als  Alpheios  und  Kladeos  parat,  die 
ihrem  an  liegende  Flußgötter  allüberall  gewöhnten  Publikum  gar  sehr  einleuchten 
mochte.  Die  Figuren  aber,  die  sie  nicht  benennen  konnten,  waren  ihnen  ganz 
gleichgültig;  sie  werden  bei  Pausanias  beiderseits  zusammengefaßt  als  ovo  ävdgeg, 
und  es  heißt  von  ihnen  einfach,  sie  werden  eben  bmoxößioi  gewesen  sein.  Bei 
dieser  gleichgültigen  nachlässigen  Behandlung  jener  zwei  Figuren  jederseits  kann 
es  nicht  auffallen,  daß  sich  grobe  Irrtümer  in  ihr  verbergen:  das  Mädchen  ward 
als  Mann  und  der  Knabe  mit  dem  Greis  als  ävdgeg  ovo  bezeichnet,  und  es  sind 
beiderseits  zwei  Figuren  zusammengenommen,  die  gar  nichts  miteinander  zu  tun 
haben.  Das  war  die  natürliche  Folge  einer  Exegese,  die  nur  auf  Namen  ausging.  — 
Doch  schlimmer  und  willkürlicher  noch  haben  die  modernen  Exegeten  gehaust, 
die  jenen  Figuren  die  abenteuerlichsten  Namen  verliehen  haben.  Sah  man  doch 
allzulange  geradezu  eine  Hauptaufgabe  der  Archäologie  darin,  eben  denjenigen 
Figuren  gelehrte  Namen  zu  geben,  welche  die  alten  Künstler  offenbar  selbst 
unbenannt  sehen  wollten.1 

Zu  diesen  letzteren  gehörten,  wie  wir  glauben,  auch  die  vier  Eckfiguren  des  437 
olympischen  Ostgiebels.    Sie  sind  zu  beurteilen  wie  die  vier  Eckfiguren  des  West- 
giebels.   Diese  aber  sind  begleitendes  Gesinde  der  Helden,  nichts  weiter;  es  sind 
greise  Schaffnerinnen  und  lose  Mägde,2  namenlose  Gestalten,  bestimmt,  als  füllender 
Rahmen  für  die  Haupthandlung  zu  dienen.    Gleicher  Art  sind  die  entsprechenden, 


1  Vergleiche  Furtwängler-Reichhold,  Griechische  Vasenmalerei  I  S.  117. 184. 

-  Vergleiche  meine  Ausführungen  im  Jahrbuch  des  Instituts  VI,  1891,  S.  87  [oben  S.  292] 
und  Archäologischer  Anzeiger  1891  S.  94  [oben  S.  294].  Treu  ist  neuerdings,  Olympia  III 
S.  136  dieser  meiner  Auffassung  beigetreten;  nur  zieht  er  für  die  jungen  Mädchen  den  Aus- 
druck „Lapithenfrauen"  vor,  der  mir  weniger  passend  erscheint;  doch  ist  dies  unwesentlich. 


312  Her  Ostgiebel  des  olympischen  Zeustempels. 

nur  viel  schöner  komponierten  Eckgruppen  des  Ostgiebels.  Es  ist  Gesinde,  Ge- 
folge der  Herren,  die  in  der  Mitte  dargestellt  sind. 

Wie  wir  oben  schon  andeuteten,  hat  der  Künstler  den  verschiedenen  Grundton 
im  Charakter  der  beiden  Haupthelden  je  auf  ihrer  ganzen  Giebelseite  weiter  klingen 
lassen.  Wir  vernehmen  ihn  noch  leise  darin,  wenn  links,  auf  Pelops'  Seite,  ein 
Mädchen  erscheint,  voll  schlichter  bescheidener  Anmut  und  in  gefaßter  Haltung; 
während  rechts  ein  Bursche  hockt,  in  unbekümmert  derb  sich  gehen  lassendem 
Gebaren.  Und  selbst  von  den  Jünglingen  in  der  Ecke  ist  der  rechts  (P)  lebhaft 
unruhig,  der  linke  (A)  gehalten  still. 

Eine  Folge  der  durchgeführten  Charakteristik  in  den  Figuren  und  ihren 
Haltungen  auf  beiden  Giebelseiten  war  allerdings,  wie  wir  oben  schon  andeuteten 
(S.428)  [oben  S.  306],  eine  gewisse  Ungleichheit,  indem  die  linke  Seite  lockerer, 
die  rechte  voller  wurde,  eine  Ungleichheit,  die  sich  der  Künstler  aber  bei  der 
sonst  festgehaltenen  strengen  Symmetrie  und  den  gleichen  Abständen,  die  alle 
Hauptpunkte  von  der  Mitte  zeigten,  wohl  gestatten  durfte. 

Die  gleichzeitigen  Vasenbilder  geben   uns  Hunderte  von  Beispielen  davon, 

daß   namenlose,   wesentlich   künstlerischem  Bedürfnis   entsprungene  Figuren   als 

Rahmen  um  die  durch  die  Sage  gegebenen  Helden-  und  Göttergestalten  herum 

438  angeordnet  werden.     Es  war  eine  falsche  Richtung  unserer  Wissenschaft,  wenn 

man  auch  da  früher  überall  nach  individuellen  Namen  gesucht  hat. 

Ich  scheide  von  der  Betrachtung  des  östlichen  Giebels  in  Olympia  mit  dem 
Gefühle  der  Erleichterung  und  der  Befriedigung.  Endlich,  glaube  ich,  ist  die 
Anordnung  gefunden,  bei  der  man  sich  wird  beruhigen  dürfen,  bei  der  alle 
inneren  wie  äußeren  Momente,  alle  Grundlagen  berücksichtigt  sind,  welche  durch 
äußere  Indizien  wie  durch  innere  künstlerische  Forderungen  gegeben  werden. 
Endlich  eine  Anordnung,  die  dem  Meister  des  Giebels,  mag  er  geheißen  haben, 
wie  er  wolle,  alle  Ehre  macht  und  uns  reine  Freude  an  seinem  Werke  gestattet.1 


1  [Vergleiche  die  neuesten  Arbeiten  über  den  olympischen  Ostgiebel  von  E.  Pfuhl, 
Archäologisches  Jahrbuch  1906  S.  152  ff.    Quaatz,  Wie  sind  die  Figuren  im  Ostgiebel  des 

tempels  zu  Olympia  anzuordnen?  Berlin  1908.  A.  Trendelenburg,  Qavraolcu  (Berlin 
1910)  S.  25.] 


ZU  DEN  OLYMPISCHEN  SKULPTUREN 

(ARCHÄOLOGISCHE  STUDIEN  HEINRICH  BRUNN  DARGEBRACHT 

AM  20.  MÄRZ  1893) 
[Tafel  11.  12] 


ür  die  Frage  nach  der  Heimat  des  Stiles  der  olympischen  Tempel-  69 
Skulpturen  muß  es  natürlich  von  entscheidender  Bedeutung  sein,  wenn 
es  gelingt,  andere  lokal  fixierbare  Skulpturwerke  nachzuweisen,  die 
nicht  bloß  mehr  oder  weniger  ähnlich  —  denn  das  sind  ja  schließlich  die  sämt- 
lichen Arbeiten  derselben  Epoche  —  sondern  so  gleichartig  sind,  daß  man  sie 
derselben  Künstlergruppe  wie  jene  zuzuweisen  genötigt  ist. 

Ein  Werk,  das  diese  Bedingungen  zu  erfüllen  scheint,  ist  auf  der  Taf.  II  [Taf.  11] 
nach  dem  Originale  abgebildet.  Es  ist  ein  von  einem  phönikischen  Sarkophag 
herrührender  überlebensgroßer  Kopf  von  parischem  Marmor  in  der  ägyptischen 
Sammlung  des  Berliner  Museums.1 

Schon  vor  Jahren  hatte  ich  Gelegenheit,  die  Verwandtschaft,  welche  diesen 
Kopf  und  andere  zu  derselben  Klasse  gehörige  Werke  mit  den  olympischen 
Skulpturen  verbindet,  zu  erwähnen.2  Seine  Schönheit  und  Bedeutung  wird  die  70 
Veröffentlichung  in  einer  der  Ehre  des  Mannes  gewidmeten  Schrift  wohl  recht- 
fertigen, der  zuerst  die  Frage  nach  der  Heimat  des  olympischen  Stiles  zu  be- 
antworten unternommen  und  so  beantwortet  hat,  daß  dies  neue  Denkmal  sich 
als  Bestätigung  in  den  Kreis  des  Wesentlichen  seiner  Anschauung  einreihen  läßt. 

Der  Kopf  schmückte  einst  das  obere  Ende  eines  Sarkophagdeckels.  Er  ist 
in  Hochrelief  auf  demselben  ausgearbeitet.  An  der  Unterseite  des  Deckelrandes 
sieht  man  den  Falz,3  mit  welchem  er  auf  den  Sarkophag  selbst  aufpaßte.  Oben 
ist  an  der  Außenseite  des  Randes  eine  Bosse  stehen  geblieben,  welche  dazu 
diente,  eine  Beschädigung  der  Skulptur  zu  verhindern,  wenn  der  Deckel  ab- 
gehoben oder  aufgesetzt  wurde. 

In  dem  Sarge  muß  einst  ein  vornehmer  Phöniker  bestattet  gewesen  sein. 
Die  an   dem  Stück   hinter  den  Ohren   sichtbare  Kürze  des  vorn   ungescheitelten 


1  Nr.  2123,  von  Lepsius  erworben,   ohne  jede  Fundangabe;   wahrscheinlich   stammt 
er  von  der  syrischen  Küste.     Gesichtslänge  22\/s  cm;  ganze  Höhe  40,  Breite  45  cm. 

2  Archäolog.  Zeitung  1882,  S.  334  mit  Anm.  31. 

3  Ein  entsprechender  Falz  des  Sarkophags  ist  sichtbar  in  der  Abbildung  bei  Perrot 
et  Chipiez,  Hist.  de  l'art  III,  S.  187,  Fig.  132. 


314  ZU  DEN  OLYMPISCHEN   SKULPTUREN. 


Haares  dafl   es  ein  Mann,   ein  Jüngling  war,   der  hier  lag.    Daß  er  ein 

Phöniker  war.  geht  daraus  hervor,   daß  sich  die  Sarkophage  von  der  Gattung, 

.  .her  unser  Fragment  gehört,  nur  in  Phönikien  und  in  einigen  phönikischen 
Kolonialstädten  gefunden  haben.  Sie  sind  mit  Recht  von  Perrot,  welcher  die 
Gattung  zuletzt  eingehend  besprochen  hat,1  als  ein  charakteristischer  speziell 
phönikischer  Typus   bezeichnet  worden,   der  sich  im   engen  Anschlüsse  an  die 

ptischen  Mumiensarge  gebildet  hatte.  Nach  Perrot  kommen  solche,  wie  Renan 

bezeichnet  hat,  „anthropoide"  Sarkophage  in  allen  Nekropolen  Phönikiens 
vor,  nur  bis  jetzt  nicht  in  Tyrus;  in  Sidon  sind  sie  besonders  häufig.  Es  fanden 
sich  ferner  solche  auf  Cypern  in  den  phönikischen  Städten  Kition  und  Amathus,3 
auf  Sizilien  im  Gebiete  des  phönikischen  Solus  und,  wie  es  scheint,  auch  auf 
Corsica.8  Die  vollkommene  Übereinstimmung  der  vereinzelten  an  Küstenplätzen 
Cyperns  und  Siziliens  gefundenen  Exemplare  mit  den  zahlreichen  aus  Phönikien 
selbst  macht  es  sehr  wahrscheinlich,  daß  jene  fertig  aus  den  Werkstätten  in  Syrien 
mittels  des  billigen  Seetransportes  in  die  Kolonialstädte  verschifft  wurden.  Das 
Material  aller  dieser  steinernen  Särge  ist  weißer  griechischer  Marmor,  und  zwar 
in  allen  Fällen,  die  ich  selbst  kenne,  parischer.  So  ist  auch  das  Berliner  Frag- 
71  ment  aus  schönem  parischem  Steine  gefertigt.4  Nur  ein  Exemplar  aus  Tortosa 
ist  in  einem  lokalen  syrischen,  einem  rötlichen  granit-  oder  basaltartigen  Materiale 
gearbeitet'  Da  der  Stil  dieses  Exemplares  mit  dem  der  anderen  durchaus  überein- 
stimmt,* so  wird  hierdurch  bewiesen,  daß  eben  an  der  syrischen  Küste  selbst 
in  diesem  Stile  gearbeitet  worden  ist. 

Der  Stil  der  menschlichen  Gestalten  dieser  Sarkophage  ist  aber  ein  rein 
griechischer.  Der  Typus  der  Särge  als  solcher  ist  aus  Ägypten  entlehnt;  aber 
das  Figürliche  daran  ist  griechisch  ohne  fremde  Beimischung.  Dies  sind  keine 
phönikischen  Produkte  in  Anlehnung  an  griechischen  Stil,  sondern  hier  haben 
einfach  Griechen  im  Auftrage  für  Phöniker  gearbeitet.  Wie  jener  andere  Fall 
aussieht,   wenn  ein  Phöniker  nach  griechischem  Vorbild  arbeitete,   das  lehrt  das 

1  Perrot  et  Chipicz,  Histoire  de  l'art  111,  S.  177  ff.  Von  älterer  Literatur  ist  namentlich 
Renan,  Mission  de  Phenicie  S.  403  ff.  Taf.  59.  60.  6,3  und  Longperier,  Musee  Napoleon  III, 
Text  zu  Taf.  16.  17  zu  vergleichen. 

*  Cesnola-Stern,  Cypern  Taf.  2, 3  (Kition) ;  S.  57.  Cesnola,  Atlas  of  Cypriote  antiquities  I, 
Taf  I  (Kition),  590  (Amathus). 

*  Vgl  Perrot  a.  a.  O. 

1  Von  einer  leicht  bläulichen  Qualität,  wie  sie  auch  unter  den  Proben  vertreten  ist, 
ich  in  den  Brüchen  von  Paros  gesammelt  habe.   Im  übrigen  sind  mir  die  Kollektion 
im  Louvrc  und  die  Kxemplare  in  Palermo  in  den  Originalen  bekannt.     Der  Marmor   ist 
immer  parisch,  meist  von  geringer  Qualität. 

-  ,Lave  brune  de  Safita"  nach  Renan  und  Perrot  a.a.O.  S.  183.    Das  Stück  befindet 
uvre,  WO  es  die  Nr.  24  trägt. 

dem  eines  Sarkophagl  von  Sidon  bei  Perrot  S.  178  Fig.  124  nahe.     Das 
Stück  j;  ;  der  älteren  Serie  seiner  Gattung. 


ZU   DEN   OLYMPISCHEN  SKULPTUREN.  315 


Fragment  eines  tönernen  Sarkophags  von  Amrit  im  Louvre;1  es  ist  eine  bar- 
barische rohe  Nachahmung;  der  Inhaber  des  Sargs  war  wohl  ein  ärmerer  Mann, 
für  den  nur  Terrakotta  und  ein  einheimischer  Künstler  verwendet  wurde.  Die 
vornehmeren  Phönikier  düngen  sich  mit  ihrem  Gelde  einen  Griechen,  der  in  dem 
schönen  Marmor  von  Paros  arbeitete.  Der  kümmerte  sich  nun  freilich  in  der 
Bildung  der  menschlichen  Gestalt  nichts  um  den  Phönikier:  jene  Köpfe  sind  von 
rein  griechischem  Typus  und  haben  nicht  die  Spur  von  Orientalischem;  selbst 
die  Gewandung,  wo  sie  vorkommt,  ist  durchaus  griechisch;  ebenso  sind  es  Haar- 
und  Barttracht  fast  ausnahmslos.2 

Die  Zeit  dieser  Sarkophage  ist  eine  relativ  beschränkte;3  sie  läßt  sich  nach 
den  stilistischen  Kriterien  —  Inschriften  fehlen  durchaus  —  ziemlich  genau  be- 
stimmen. Keiner  reicht  ins  6.  Jahrhundert  herauf.  Erst  im  5.  Jahrhundert,  und 
zwar  erst  in  der  Zeit  nach  den  Perserkriegen,  fangen  die  von  den  Griechen 
gearbeiteten  Sarkophage  an.4  Dies  erklärt  nun  auch  das  stolze  Selbstbewußtsein, 
das  diese  Künstler  erfüllt.  Der  Grieche  nimmt  zwar  das  phönikische  Geld  und 
bequemt  sich  dem  phönikischen  Schema  des  Mumiensarges  an,  aber  von  seinen 
eigentlichen  künstlerischen  Grundsätzen  opfert  er  nichts.  So  war  der  Grieche  der 
älteren  Zeit  vor  den  Perserkriegen  nicht.  Je  höher  wir  heraufgehen,  desto  be- 
scheidener und  demütiger  ist  er  dem  Orientalen  gegenüber.  Schon  früh  wird 
sein  künstlerisches  Geschick  vom  Oriente  ausgenutzt,  aber  nur  allmählich  wächst 
ihm  das  Selbstgefühl.6  Auch  die  Salbgefässe  in  Form  von  Aphroditestatuetten, 
welche  in  der  zweiten  Hälfte  des  6.  Jahrhunderts  für  den  Salbenexport  von  Phöni-  72 
kien  durch  Griechen  gefertigt  wurden,"  haben  noch  einen  leicht  orientalischen 
Beigeschmack,  der  den  Sarkophagen  fehlt. 

Die  ältesten  unter  diesen  sind  eben  diejenigen,  die  einen  den  olympischen 
Skulpturen  direkt  verwandten  Stil  zeigen.  Das  schönste  und  am  feinsten  aus- 
geführte Stück  dieser  älteren  Reihe  ist  unser  Berliner  Fragment.  Im  ganzen 
schließen  sich  diese  älteren  Sarkophage  genauer  an  das  ägyptische  Vorbild  an, 
indem  die  Köpfe  mehr  maskenhaft  behandelt  und  allmählich  in  die  tektonische 
Deckelform  übergeführt  sind,  was  bei  den  späteren  nicht  so  der  Fall  ist.  Auch 
an  unserem  Stücke  dient  die  Verbreiterung  des  Kopfes  nach  hinten  dazu,  den 
Übergang  zum  Deckelrande  zu  gewinnen.    Es  gehört  ferner  zu  dieser  älteren  Serie 

1  Perrot  a.  a.  O.  S.  184,  Fig.  130. 

2  Nur  ein  Beispiel  im  Louvre  ägyptisiert  etwas  (Perrot  S.  181  Fig.  127);  es  ist  ein 
geringeres  Werk  des  4.  Jahrhunderts. 

3  Perrot  hätte  S.  182  f.  die  Zeitgrenze  noch  enger  stecken  dürfen  als  er  es  tat. 

4  Die  ägyptischen  Sarkophage  des  Eschmunazar  und  Tabnit  sind  „antiquarisch"  aus 
Ägypten  erworben  worden  und  werden  jetzt  sehr  spät  datiert  (vgl.  Th.  Reinach,  Gaz.  des 
beaux-arts  1892,  I,  S.  99). 

5  Vgl.  in  Roschers  Lexikon  der  Myth.  I,  S.  1755  ff. 

6  Vgl.  Arch.  Ztg.  1882,  S.  334;  in  Roschers  Lexikon  I,  S.  409,  Z.  14  ff.  Perrot  a.  a.  O. 
S.  201,  Fig.  142. 


316 


Zu   DEN   OLYMPISCHEN  SKULPTUREN. 


73 


der  oben  S.  71  [S.  314]  genannte  Sarkophag  von  lokal  syrischem  Materiale; 
der  Typus  des  Kopfes  ist  der  olympische;  die  Haare  sind  vorn  durch  parallele 
Wellenlinien  gegliedert  Ein  sehr  gutes  Stück  von  parischem  Marmor,  bei 
Tortosa   gefunden,1    zeigt   den    olympischen   Typus  aufs   schönste   ausgeprägt; 

Augen  und  Mund  sind  ganz  so  wie  an  den 
strengeren  unter  den  olympischen  Köpfen;  die 
Haare  enden  nach  vorne  in  Ringeln  wie  am 
olympischen  Apollo,  nur  sind  sie  noch  etwas 
altertümlicher  behandelt.  Auf  die  Brust  fallen 
jederseits  zwei  Locken  herab.  Nächstdem  ist 
der  Sarkophag  eines  bärtigen  Mannes  aus  Sidon 
zu  nennen.2  Das  Auge  ist  vollkommen  so  ge- 
bildet wie  an  den  strengeren  olympischen  Giebel- 
köpfen, der  Bart  gleicht  völlig  dem  des  „Greises" 
im  Ostgiebel.  Besonders  interessant  ist  dann 
der  eine  der  beiden  Sarkophage  von  Solus,3 
weil  er  zum  Kopfe  die  ganze  Figur  mit  Ge- 
wand hinzufügt.  Hier  ist  der  olympische  Stil 
nicht  nur  im  Kopfe,  sondern  ebenso  im  Gewände 
deutlich.  Der  Stoff  ist  in  genau  derselben  charak- 
teristischen Weise  behandelt;  die  wenig  einge- 
tieften Faltenkanäle,  das  Wulstige,  Schwere  des 
Stoffes,  die  Tracht  —  der  dorische  Peplos  mit 
Überschlag  —  die  charakteristische  Falte  am 
oberen  Rande  zwischen  den  Brüsten  und  der 
symmetrische  Fall  des  Überschlags,  alles  dies 
ist  uns  von  den  olympischen  Figuren  ganz 
ebenso  bekannt.  Auch  der  Sarkophag  von 
Kition  gehört  hierher;  er  ist  eine  derbe,  plumpe 
Arbeit;  doch  zeigen  das  Ganze  und  vom  Ein- 
zelnen besonders  Augen  und  Mund  die  olym- 
pische Manier  sehr  deutlich. 
Auf  diese  ältere  Serie  von  Sarkophagen  folgen  dann  solche,  welche  den 
jüngeren  Stil  des  5.  Jahrhunderts,  den  der  phidiasischen  Epoche,  zeigen4  und  später 
solche,  die  stilistisch  mit  den  attischen  Grabreliefs  der  ersten  Hälfte  des  4.  Jahr- 


4 


JggfeMP^ 


1  Im  I.ouvrc  Nr.  22;  nicht  bei  Perrot. 

1  Im  I.ouvrc,  Perrot  S.  181,  lig.  128.     Die  Abbildung  ist   stilistisch  nicht  genügend. 
I  ill.  dclla   commiss.    in    Sicilia  1864,   Tai  I,  2.     Perrot   S.  189  Fig.  134.     Danach 
nd. 

rrotS.  180  H^.  126.    Auch   der  von  Amatlius  gehört  liierher;  ferner  Renan, 


ZU  DEN  OLYMPISCHEN  SKULPTUREN.  317 

hunderts  übereinstimmen.1  Sarkophage,  die  wesentlich  jünger  sein  müßten,  sind 
mir  nicht  bekannt;  die  ganze  Gattung  scheint  mit  der  Alexanderepoche  aufzuhören. 
Das  schönste  Stück  der  älteren  Serie  ist,  wie  schon  bemerkt,  das  Berliner 
Fragment.  Die  stilistische  Übereinstimmung  mit  den  Skulpturen  von  Olympia 
braucht  angesichts  unserer  Tafel  kaum  hervorgehoben  zu  werden;  sie  ist  in  die 
Augen  fallend.  Wir  haben  oben  über  dem  Texte  einen  Kopf  aus  dem  West- 
giebel von  Olympia  zu  bequemerer  Vergleichung  wiedergeben  lassen.2  Die  ge- 
samte Anlage  des  Kopfes  mit  dem  ansteigenden  Schädel,  dem  charakteristischen 
Gesichtsprofile,  dem  breiten  Kinn,  der  Stellung  und  Form  der  großen  und  weiten 
Ohren  ist  hier  wie  dort.  Die  Augen  haben  dieselben  wulstigen  stark  vor- 
springenden Lider,  die  nur  hier  etwas  schärfer  und  feiner  ausgearbeitet  sind  als 
dort.  Nach  der  Schläfe  hin  ist  dieselbe  Erscheinung  zu  beobachten,  die  jüngst 
Magnus  an  den  olympischen  Köpfen  treffend  beobachtet  hat.3  Das  obere  Lid 
erscheint  nach  der  Schläfe  zu  auffallend  breit,  weil  der  vorspringende  Wulst  noch 
nicht  angegeben  ist,  welcher  in  der  Natur  zwischen  dem  temporalen  Ende  des 
Lids  und  dem  oberen  Augenhöhlenrande  liegt.  Der  letztere  ist  etwas  flacher 
und  weniger  vorspringend  gebildet  als  in  Olympia;  dies  macht  unseren  Kopf  ein 
wenig  altertümlicher  als  die  olympischen  Skulpturen.  Unter  den  letzteren  sind 
a  auch  einige  Köpfe  —  sie  gehören  alle  dem  Ostgiebel  an4 — ,  die  den  zwi- 
schen oberem  Augenhöhlenrand  und  Oberlid  liegenden  Raum  nach  der  Schläfe 
zu  schon  als  vortretenden  weichen  Wulst  bilden.5  So  gehen  die  olympischen 
Skulpturen  zu  einem  Teile  schon  über  die  Stilstufe  hinaus,  die  an  unserem  Kopfe  74 
noch  ganz  fest  gehalten  ist.  Vergleichen  wir  weiter,  so  ist  die  Stirne  und  ihre 
Begrenzung  durch  das  Haar  —  man  vergleiche  den  Apollon  des  Westgiebels  — 
ganz  olympisch.  Die  Haare  sind,  wie  auch  in  Olympia  mehrfach,  nur  als  Masse 
angegeben;  diese  ist  aber  hier  — und  darin  zeigt  sich  die  erhöhte  Sorgfalt  un- 
seres Kopfes  —  fein  gekrönelt,  um  rauh  zu  erscheinen;  das  Haar  tritt  hierdurch 
in  lebendigen  Gegensatz  gegen  das  geglättete  Fleisch;6  auch  haftete  die  Farbe, 
die  wir  natürlich  hinzudenken  müssen,  auf  dem  rauhen  Grunde  besser;  am  Ge- 
sichte werden  nur  Einzelheiten  gemalt  gewesen  sein;  die  gemalten  Augensterne 
sind  noch  deutlich  zu  erkennen.   Ganz  olympisch  sind  ferner  die  charakteristische 


1  Ein  schönes  Beispiel  ist  das  bei  Perrot  S.  182  Fig.  129;  die  meisten  sind  viel 
geringere  Arbeiten. 

2  Mit  Erlaubnis  des  Verlegers  aus  dem  noch  nicht  erschienenen  dritten  Bande  von 
„Olympia"  reproduziert.     [Vgl.  jetzt  dort  Tat.  27,  1.  2,  darnach  hier  Taf.  11.] 

3  Hugo  Magnus,  Die  Darstellung  des  Auges  in  der  antiken  Plastik  (1892)  S.  63  f. 

4  Die  drei  in  pentelischem  Marmor  ergänzten  Figuren  des  Westgiebels  kommen 
natürlich  nicht  in  Betracht  (vgl.  Jahrb.  d.  Inst.  III,  184 ff.;  Berliner  philol.  Wochenschr.  1888, 
S.  1514  [oben  S.  278]). 

5  Besonders  der  Kopf  des  „Greises"  und  der  des  sitzenden  Mannes;  weniger  gut 
(mehr  nur  in  der  Mitte)  am  Kopfe  des  Önomaos. 

6  Vgl.  den  archaischen  Kopf  Sammlung  Sabouroff  Taf.  3.  4. 


ZU    DIN    Ol  Y.M1USCHEN   SKULPTUREN. 


breite  starke  Nase  und  der  Mund  mit  den  sehr  vollen  und  lebhaft  geschwungenen 

Lippen  nebst  dein  schon  erwähnten  breiten  Kinn;  auch  hierzu  ist  besonders  der 

i  zu  vergleichen. 

Die  Obereinstimmung  erstreckt  sich  aber  nicht  bloß  auf  den  Stil,   sondern 

auf  die  ganze  Mache,  das  Technische  und  Äusserliche.    Man  vergleiche  nur  die 

wie  die  Nasenlöcher  gebohrt,  wie  die  Nasenflügel  und  wie  die  Rinne  von 

der  Nase  zum  Munde  gebildet   sind.     Kein  Zweifel,   wir  haben   hier  wie  dort 

Arbeiten  desselben  Künstlerkreises  und  derselben  Werkstatt-Tradition  vor  uns. 

Die  Tatsache,  die  wir  hierdurch  ermittelt  haben,  dass  die  Künstler  der  olympi- 
schen Skulpturen  demselben  heimatlichen  Kreise  angehören,  wie  diejenigen,  welche 
um  dieselbe  Zeit  im  Auftrage  von  Phönikiern  an  der  syrischen  Küste  Sarkophage 
arbeiteten,  klärt  uns  zwar  über  jene  Heimat  selbst  noch  nicht  unmittelbar  auf. 
Denn  die  in  Phönikien  einzelne  Aufträge  ausführenden  Künstler  waren  dort  natür- 
lich Fremde.  Allein  wir  sind  bei  diesen  viel  eher  in  der  Lage,  einen  wahr- 
scheinlichen Rückschluß  auf  ihre  Heimat  zu  machen,  als  bei  jenen  in  Olympia 
arbeitenden.  In  Olympia  strömten,  wie  uns  Pausanias'  Beschreibung  zeigt  und 
die  gemachten  Kleinfunde  bestätigt  haben,1  Künstler  und  Werke  aus  dem  ganzen 
Umkreise  antiker  Kultur  zusammen.  Was  wir  dagegen  an  griechischen  Kunst- 
werken der  älteren  Zeit  in  Phönikien  finden,  verrät  seine  künstlerische  Heimat 
deutlich:  es  sind,  wie  dies  auch  in  der  Natur  der  Verhältnisse  liegt,  Arbeiten, 
die  auf  die  kleinasiatische  Küste  oder  die  Inseln  weisen,  und  deren  Stil  als  ionisch 
zu  bezeichnen  ist.  So  die  schon  erwähnten  für  den  phönikischen  Salbenexport 
gefertigten  Gefäße  in  Gestalt  der  Aphrodite  und  andere  mit  ihnen  in  Stil  und 
Technik  völlig  übereinstimmende,  sowohl  stehende,  als  thronende  Göttinnen 
von  Terrakotta.2  Gleiche  Figuren  wurden  namentlich  auf  Rhodos  und  auch  an 
der  kleinasiatischen  Küste  gefunden;3  sie  wurden  aber  auch  nach  dem  Westen 
75  exportiert.1  Die  Qualität  des  Tones  weist  auf  Ionien  als  ihre  Heimat  und  damit 
stimmt  auch  der  Stil  überein.     Die  in  Phönikien  und  seinen  Kolonien   häufigen 


1  Olympia,  Bd.  IV,  Die  Bronzen  und  die  übrigen  kleineren  Funde,  passim. 

Vgl   die   bei   Perrot   a.  a.  O.  III,  S.  64  Fig.  20;    201  Fig.  142;   472   Fig.  344;   473 
\'>  abgebildeten  Beispiele  und  Longperier,  Musee  Napol.  III  Taf.  24,  2.  3;  25,  2. 

2  An  der  ionischen  Küste  und  in  Karien.    Die  Terrakotten  von  Assos  haben  andere 
Typen. 

interessant  ist  die  in  den  sizilischen  Museen  zu  beobachtende  Tatsache, 

daß   solche   ionische   Terrakotten    nach   Sizilien    importiert   und   dann   dort   nachgeahmt 

len   sind,   z.T.  wie  es  scheint  durch  direktes  Abformen.     Der   von   dem    sizilischrn 

:k   Ton    laßt  Original    und  Nachbildung   leicht   erkennen.     Einige  Typen 

.<  i  hYkuK,  Terr.  v.  Sizilien  S.  <J,  Fig.  3;  S.  12,  Fig.  16;  S.  18,  Fig.  34.   Audi 

der  liegende  Mann  und  der  hockende  Dämon  kommen  in  dem  klcinasiatischcn  Tone  vor. 

it  i-t  eme  original-ionische  archaische  Terrakotte  der  Samml.  Navarra 

in  Terranov  (inen  dickbäuchigen  Bogenschützen  mit  hoher  skythischcr  Mutze 

darstellt.        Auch  nach  Etrurien  kamen  die  ionischen  Terrakotten. 


ZU  DEN   OLYMPISCHEN   SKULPTUREN.  319 


—  und  von  dort  auch  exportierten  —  Skarabäen  von  grünem  Jaspis1  sind  zu- 
weilen sicher  von  Griechen  für  Phönikier  gemacht;  die  ionischen  Typen  lassen 
auch  hier  die  Heimat  dieser  Griechen  erkennen. 

In  unserem  Falle  können  wir  indess  noch  bestimmter  urteilen.  An  den  großen 
schweren  Sarkophagen  spielt  das  Material  eine  besonders  wichtige  Rolle.  Die 
künstlerische  Arbeit  pflegt  sich  auf  einen  menschlichen  Kopf  zu  beschränken; 
alles  andere  ist  reine  Steinmetzenarbeit.  Die  meisten  dieser  Sarkophage  sind 
denn  auch  handwerksmäßige  geringe  Leistungen;  unser  Berliner  Fragment  ragt 
durch  seine  feine  Ausführung  hervor. 

Wo  wird  aber  die  Heimat  dieser  Steinmetzen  gewesen  sein?  Gewiß  da  wo 
auch  der  Stein  herkam  —  also  auf  Paros.  Die  Phönikier  waren  schon  zu  ge- 
wandte Geschäftsleute  als  daß  sie,  wenn  sie  etwas  direkt  von  der  Quelle  be- 
ziehen konnten,  sich  erst  an  einen  Vermittler  gewandt  hätten.  Sie  bestellten 
sich  vielmehr  sicherlich  die  großen  Blöcke,  die  sie  zu  ihren  Sarkophagen  brauchten, 
direkt  auf  Paros.  Die  Steinmetzen  oder  Bildhauer,  wie  man  sie  nennen  will, 
begleiteten  die  Fracht  und  machten  sich,  am  Bestimmungsorte  angekommen,  an 
die  Arbeit  nach  Weisung  des  phönikischen  Bestellers,  und  fuhren  nach  erfolgter 
Bezahlung  wohl  in  der  Regel  wieder  nach  Hause;  ausnahmsweise  übernahm  es 
einer  dort,  auch  in  dem  ihm  fremden  Materiale  des  Landes  zu  arbeiten.2 

Und  Genossen  dieser  selben  parischen  Bildhauer,  die  Aufträge  in  Syrien 
annahmen,  sind  nach  Olympia  zur  Ausschmückung  des  Zeustempels  berufen 
worden.  Die  entwickelten  Tatsachen  zwingen  zu  diesem  Schlüsse.  Doch  wird 
es  uns  als  Bestätigung  willkommen  sein,  wenn  wir  auf  einem  anderen  Wege, 
unabhängig  von  dem  Bisherigen,  zu  demselben  Resultate  gelangen. 

Dies  ist  der  Fall  durch  folgende  Erwägung.  Die  Metopen  und  Giebelfiguren 
bildeten  nur  einen  Teil  des  Auftrags,  der  den  mit  der  Ausschmückung  des  Zeus- 
tempels betrauten  Künstlern  ward;  der  zugehörige  zweite  Teil  war  das  Marmor- 
dach mit  allen  seinen  Ziegeln,  seiner  Sima  und  seiner  Menge  kolossaler  Löwen- 
köpfe. Daß  dieses  Dach  von  denselben  Werkmeistern  hergestellt  wurde  wie 
die  Skulpturen,  geht  aus  der  Übereinstimmung  des  Haupttypus  der  Löwenköpfe 
der  Sima  mit  dem  Kopfe  des  nemeischen  Löwen  der  Metope  hervor.3  Beide  76 
Teile,  Metopen  und  Giebel  sowie  das  Dach,  bestanden  aus  parischem  Marmor.4 
Es  war  ein  ganz  gewaltiger  Auftrag,  der  damals  von  der  Tempelbehörde  nach 
den  Brüchen  von  Paros  ging,  ein  im  Peloponnes  bis  dahin  unerhörter  Vorgang. 


1  Beispiele  im  Gemmen-Katalog  des  Britischen  Museums  Tat.  C.  [Furtwängler,  Antike 
Gemmen  IIIS.  108  ff.] 

2  Vgl.  S.  71  [S.314]  oben. 

8  Wie  ich  Berliner  philol.  Wochenschrift  1888,  S.  1515  [oben  S.  279]  betont  habe. 
Vgl.  jetzt  Treu  und  B.  Graf  in  Olympia,  Textband  II,  die  Baudenkmäler,  S.  24  f. 

4  Erst  die  Ergänzungen  des  Daches  wurden  in  pentelischem  Marmor  ausgeführt. 
Vgl.  Olympia  a.  a.  O.  S.  22. 


320  Zu   DEN  OLYMPISCHEN  SKULPTUREN. 


In  Flis  gab  es  überhaupt  keine  einheimische  Kunstschule  —  wie  Überlieferung 
und  Funde  gleichermaßen  lehren  —  jedenfalls  keine  in  Marmorarbeit  geübte,  da 
dies  Material  bis  dahin  in  Elis  kaum  zur  Anwendung  gekommen  war.  In  Argos 
blühte  die  berühmte  Schule  des  Hagelaidas;  allein  auch  hier  fehlte  jede  Praxis 
in  der  .Marmorarbeit;  die  Leute  waren  Erzgießer,  Künstler  von  selbständigen 
Rundwerken,  die  dekorativen  Steinarbeiten  völlig  fern  standen.  Was  war  natür- 
licher, als  daß  man  sich  von  Olympia  aus  mit  dem  Materiale  auch  gleich  die 
geübten  Werkmeister  von  Paros  kommen  ließ,  ebenso  wie  es  die  phönikischen 
Auftraggeber  machten.  Da  tatsächlich,  wie  wir  sahen,  auch  der  rein  technische 
handwerksmäßige  Teil  des  olympischen  Auftrags,  das  Dach  mit  der  Sima,  bei 
dem  das  Material  die  Hauptsache  war,  denselben  Leuten  anvertraut  war  wie  der 
mehr  künstlerische  Teil,  so  ist  jene  Annahme  die  einzig  wahrscheinliche:  parische 
Bildhauer  nahmen  Materiallieferung  und  Ausarbeitung  des  ganzen  Marmor- 
schmuckes des  Zeustempels  in  Akkord. 

Auf  den  zu  dem  ursprünglichen  Dach  gehörigen  parischen  Ziegeln  befinden 
sich  Buchstaben  als  Versetzungsmarken,1  die  für  die  Bestimmung  der  Heimat  der 
\ 'erfertiger  von  Wichtigkeit  sind.  Durch  diese  wird  zunächst,  unsere  bisherigen 
Erwägungen  bestätigend,  sowohl  elischer  als  argivischer  Ursprung  mit  Bestimmt- 
heit ausgeschlossen;  elischer  dadurch,  daß  das  Alphabet,  welches  den  Buchstaben 
E  hat,  einer  anderen  Reihe  angehört  als  das  in  Elis  im  5.  Jahrhundert  herrschende; 
Argos  wird  durch  das  A  ausgeschlossen,  indem  das  Lambda  im  5.  Jahrhundert 
in  Argos  mit  H  bezeichnet  wurde.  Das  Alphabet  ist,  soweit  es  auf  den  Ziegeln 
vorkommt,  ein  rein  ionisches.  Ich  glaubte  früher,  daß  hierdurch  auch  die  Ky- 
kladen  ausgeschlossen  würden,  indem  wir  von  Paros  und  seiner  Kolonie  Thasos 
sowie  Naxos,  Delos  und  Keos  wissen,2  daß  man  dort  in  alter  Zeit  statt  B,  welches 
die  Ziegel  (und  zwar  in  eckiger  Gestalt)  bieten,  vielmehr  C  schrieb;  allein  dieser 
Schluß  ist  nicht  aufrecht  zu  erhalten.  Denn  alle  Beispiele  des  C  für  B  auf  den 
77  Inschriften  der  genannten  Inseln  gehören  in  viel  ältere  Zeit  als  das  Dach  des 
Zeustempels;  sie  sind  rein  archaische,  während  die  Marken  des  letzteren  nichts 
von  archaischem  Charakter  mehr  haben.3  Es  ist  höchst  wahrscheinlich  anzu- 
nehmen       und  jedenfalls  bis  jetzt  durch   nichts  zu  widerlegen  — ,  daß  man  in 

1  Ich  habe  1H77  78  dieselben  gesammelt  und  die  alten  parischen  von  den  ergänzten 
pentelischen  geschieden.  Purgold  hat  meine  Sammlung  weitergeführt  und  hatte  die 
-,  mir  von  dem  Resultate  Mitteilung  zu  machen,  das  aber  nichts  Wesentliches  hinzu- 
brachte; einzelne  Buchstaben  wie  A  und  f2  fehlen  auch  nach  Purgolds  letzter  Sammlung 
in  dem  Alphabet  der  alten  Serie.  Ks  kommen  indess  auch  auf  parischen  Ziegeln  ganz 
späte  Buchstaben  vor;  wahrscheinlich  sind  dies  ältere  Stücke,  die  bei  späterer  Restauration 
in  anderer  Anordnung  verwendet  wurden.  Vgl.  die  kurze  Angabe  des  Wesentlichen  in 
Berliner  philo!.  Wochenschrift  1888,  S.  1515  [oben  S.  279]. 

(X  A.  400 ff.;  Thasos  378 ff. ;  Naxos  407 ff.;  Keos  393;  Delos  vgl.  Kirchhoff, 
Studien  ' 

rl.  philol.  Wochenschr.  a.  a.  O.  [oben  S.  278]. 


ZU   DEN  OLYMPISCHEN  SKULPTUREN.  321 


Paros  um  die  Zeit  des  olympischen  Tempelbaues  das  altmodische  C  aufgegeben 
und  das  ionische  B  angenommen  hatte;  mit  dem  archaischen  Charakter  der  Schrift 
überhaupt  wird  man  auch  diesen  absonderlichen  Buchstaben  haben  fahren  lassen. 
Von  Keos  wenigstens  ist  uns  eine  Inschrift  erhalten,  die  lehrt,  daß  man  hier  in 
der  zweiten  Hälfte  des  5.  Jahrhunderts  nicht  mehr  C  und  überhaupt,  bis  auf  einen 
besonderen  Gebrauch  des  H,  völlig  ionisch  schrieb.1  Das  gleiche  dürfen  wir 
für  Paros  in  der  Zeit  des  olympischen  Baues  voraussetzen.  Die  Marken  der 
parischen  Dachziegel  bestätigen  also  unsere  bisherigen  negativen  Resultate  über 
die  Heimat  der  Künstler  des  Tempels  und  stehen  dem  positiven  nicht  entgegen. 
Wir  dürfen  es  also  als  hinlänglich  gesichert  ansehen,  daß  mit  dem  Marmor- 
schmucke des  Zeustempels  eine  Anzahl  parischer  Bildhauer  und  Steinmetzen  be- 
auftragt worden  ist.  Die  Tradition  bei  Pausanias,  welche  Paionios  als  den  Künstler 
des  Ostgiebels,  Alkamenes  als  den  des  Westgiebels  nennt  —  für  die  Metopen 
liegt  keine  Überlieferung  vor  —  kommt  hiergegen  nicht  in  Betracht.  Sie  würde 
nur  dann  für  uns  Bedeutung  haben,  wenn  sich  beweisen  oder  auch  nur  wahr- 
scheinlich machen  ließe,  daß  sie  auf  echter  Künstlersignatur  beruht.2  Da  dies 
nicht  der  Fall  ist,  so  treten  die  schweren  Bedenken,  die  sich  gegen  sie  erheben, 
in  ihr  volles  Recht.  Alles  Sichere,  was  wir  von  jenen  beiden  Künstlern  wissen, 
weist  sie  in  eine  um  etwa  ein  Menschenalter  jüngere  Periode  als  den  Zeustempel. 
Ferner  steht  die  Nachricht,  die  zwei  verschiedene  hervorragende  und  selbständige 
Künstler  für  die  beiden  Giebel  nennt  und  die  Metopen  nicht  berücksichtigt,  im 
Widerspruche  mit  der  durch  die  Funde  sich  ergebenden  Tatsache,  daß  Giebel, 
Metopen  und  Tempeldach  von  einer  einheitlich  geleiteten  Werkstatt  ausgeführt 
worden  sind.  Endlich  ist  die  Tradition,  was  Paionios  anlangt,  offenbar,  wie  man 
längst  erkannt  hat,  nur  aus  einem  Mißverständnis  der  Nike-Inschrift  entstanden; 
in  dieser  rühmt  sich  aber  der  Künstler  nur  des  Firstschmucks,  nicht  der  Giebel- 
figuren; hätte  er  letztere  gemacht,  hätte  er  sie  sicher  auch  genannt;  die  nicht 
sehr  viel  jüngere  Bauinschrift  von  Epidauros3  hat  es  jetzt  außer  allen  Zweifel 
gestellt,  daß  man  äxocon'JQia  und  haiena  bestimmt  unterschied.  Lassen  wir  den 
Paionios  als  eine  schlechte  antike  Vermutung  fallen,  so  ist  es  unmethodisch,  den 
Alkamenes  allein  aufrecht  zu  erhalten4  und  ihm  nun  alles  zuzuschreiben.  Wir 
wissen  aber  Sicheres  auch  nur  von  einem  Alkamenes,  dem  Schüler  des  Phidias,  78 
dem  Künstler  vom  Ende  des  5.  Jahrhunderts,  der  für  den  Zeustempel  nicht  in 
Frage  kommen  kann.6   Die  Nachricht  des  Pausanias,   daß  Alkamenes  ein  —  un- 


1  U.  Köhler,  Athen.  Mitt.  I,  S.  139 ff.;  über  die  Zeit  S.  147.    I.  G.  A.  395.    Dittenberger, 
Sylloge  468.   [2  877.  I.  G.  XII,  5  593.] 

2  Vgl.  Robert  in  Deutsche  Literaturzeitung  1888,  S.  603. 

3  'Ecpw.  äex-  1886,  S.  145 ff.  Bull,  de  corr.  hell.  1890,  S.590.  [I.  G.  IV,  1484.  Jahrb.  d.  Inst. 
XXIV,  1909  S.  186.] 

1  Wie  schon  Kekule,  Arch.  Ztg.  1883,  S.  243  mit  Recht  betonte. 
5  [Anders  Glyptothek2  Nr.  200.] 
A.  Furtwängler.    Kleine  Schriften  I.  21 


322  ZU   DEN   OLYMPISCHEN   SKULPTUREN. 


glücklicher  •  Nebenbuhler  des  Phidias  gewesen  sei,  die  auch  bei  Plinius  an 
einer  Stelle  erscheint,1  ist,  wie  man  bisher  nicht  bemerkt  hat,  mir  aber  offenbar 
zu  sein  scheint,-'  nur  aus  der  bekannten  Anekdote  erschlossen,  die  über  beide 
Künstler  im  Schwange  war,  wo  Alkamenes  als  der  durch  die  höhere  Weisheit 
des  Phidias  besiegte  Nebenbuhler  im  Wettstreite  mit  einer  Athenastatue  erscheint. 
Die  Tradition,  daß  er  den  Westgiebel  gemacht,  ist  durch  Alkamenes  Verhältnis 
zu  Phidias  vollständig  zu  erklären:  man  schloß,  daß  die  Umgebung  des  Künst- 
lers des  Tempelbildes  auch  an  dem  Tempelschmuck  beteiligt  gewesen  sein  werde. 

Die  Tradition  des  Pausanias  kann  also  gegen  unser  auf  tatsächlichem  Boden 
erlangtes  Resultat  nicht  aufkommen.  Die  Künstler  der  olympischen  Skulpturen 
bleiben  nun  zwar  namenlos,  aber  wir  haben  ihre  Heimat  und  ihre  Art  erkannt. 
Es  sind  technisch  geschickte  Leute,  die  große  Aufträge  in  Marmordekoration 
übernahmen. 

In  der  Tat  weisen  die  olympischen  Skulpturen  ja  auch  gar  nicht  auf  eine 
und  noch  weniger  auf  mehrere  —  eigenartige  starke  Individualitäten.  Sie 
sind  gewiß  nicht  Werke  einer  mächtigen  und  kühn  vordringenden  Persönlichkeit. 
Sie  sind  Durchschnittsleistungen  ihrer  Zeit,  sie  sind  Schul-  und  Werkstattarbeiten, 
nicht  solche  von  Künstlern  ersten  Ranges.  Sie  stehen  weder  geistig  noch  im 
Grade  der  Ausführung  verhältnismäßig  höher  als  ein  gutes  Vasenbild  oder  ein 
sog.  melisches  Tonrelief  ihrer  Epoche.  Von  dem  Ehrgeize,  der  die  Künstler  des 
äginetischen  Tempels  und  des  Parthenon  beseelte,  findet  sich  in  Olympia  keine 
Spur.  Diese  Parier  tun  keinen  Meißelhieb  mehr  als  sie  eben  kontraktlich  zu  tun 
sich  verpflichtet  glauben;  sie  sind  befriedigt,  wenn  die  Figuren  in  der  Haupt- 
ansicht genügend  ausgearbeitet  sind;  wo  sie  können  sparen  sie  sich  Arbeit;  so 
namentlich  auch  an  Haaren  und  Barten.  In  die  Giebelkomposition  haben  sie 
kein  neues  Prinzip  eingeführt;  sie  folgen  dem  älteren  uns  durch  die  Ägineten 
bekannten  Typus,  der  in  die  Mitte  eine  ruhig  stehende  Götterfigur,  in  die  Ecken 
liegende  Gestalten  setzt.  Es  macht  ihrer  Erfindungs-  und  Kompositionsgabe  keine 
besondere  Ehre,  wenn  sie  an  die  Enden  des  Westgiebels  jederseits  in  einförmiger 
Weise  zwei  liegende  Weiber  gesetzt,  im  Ostgiebel  —  wie  die  einzige  mit  den 
Tatsachen  vereinbare  Aufstellung  desselben  lehrt3  —  jederseits  in  zwei  hinter- 
einander befindlichen  Figuren  ungefähr  dasselbe  Motiv  wiederholt  haben.  Und 
illenthalben  stößt  man  auf  Dinge,  die  sich  durch  andere  Denkmäler  der  Zeit 
eben  als  typisch   nachweisen  lassen.     Selbst  das  schöne  Motiv  des  Herakles  in 

1  Paus.  V,  10,  8.    Plin.  34,  49  wo  Alkamenes  als  acmulus  des  Phidias  genannt  wird. 

1  Wie  ich  demnächst  an  anderem  Orte  auszuführen  gedenke.    [Meisterwerke  S.  35.) 

1  Jafafb.  d.  Inst.  VI  (1891)  S.  77  ff.  [oben  S.  281  ff.].    Aren.  Anzeiger  1891,  S.  93  f.  [oben 

•ind  meine  letzte  eingehendere  Begründung  in  Berliner  philol.  Wochenschrift  1892, 

I  ff.  [oben  S.  295  ff.).  -  -  Durch  unrichtige  Aufstellung  verleitet,  bat  man  im 

Ri  gungen   partbenoniseber  Kompositionsweise    zu    verspüren    ge- 

gjl  d   ;  mit  Uni  'Ivmpia  gebt  nirgends  wesentlich  über  Ägina  hinaus,  dei  Parthenon 

aber  betritt  :<./.  neue  Halm.    [Aegina,  Das  Heiligtum  der  Apbaia  S.  32(i  ff.) 


ZU   DEN   OLYMPISCHEN  SKULPTUREN.  323 


der  Löwenmetope,  der  ermattet  das  Haupt  auf  die  Hand  stützt,  ist  nicht  etwa 
hierfür  neu  erfunden;  der  Künstler  fand  es,  wie  Skarabäen  strengen  Stiles  lehren, 
bereits  vor  und  hat  es  nur,  in  nicht  sonderlich  passender  Weise,  auf  das  Löwen- 
abenteuer angewendet.1  So  sind  wir  also  gar  nicht  berechtigt,  bei  den  olympi- 
schen Skulpturen  nach  Künstlernamen  ersten  Ranges  zu  fragen. 

Daß  auf  Paros  ebenso  wie  auf  Naxos  seit  alter  Zeit  das  Steinmetz-  und 
Bildhauergewerbe  blühte,  ist  allgemein  anerkannt;  auch  steht  es  durch  einige 
Zeugnisse  fest,  daß  schon  seit  dem  6.  Jahrhundert  Künstler  von  dort  nach  an- 
deren Gegenden  Griechenlands  wanderten.  Diese  Insulaner  waren  ja  darauf  an- 
gewiesen, ihren  schönen  Marmor  und  ihre  Geschicklichkeit  weit  herum  bekannt 
zu  machen,  da  sie  auf  der  Insel  selbst  nicht  genug  Absatz  finden  konnten.  So 
begegnen  wir  im  6.  Jahrhundert  dem  Parier  Aristion  in  Athen;  und  Kritonides, 
ein  anderer  Parier  dieser  Epoche,  arbeitete  ebenfalls  außerhalb  des  Vaterlandes.2 
Die  Naxier  hat  man  neuerdings  als  im  7.  und  6.  Jahrhundert  für  den  Export  sehr 
tätige  Leute  erkannt;3  sie  haben  zuerst  Ziegel  von  Marmor  hergestellt.  Noch 
im  5.  Jahrhundert  begegnen  wir  dem  Alxenor  von  Naxos  in  Böotien,  der  sich 
mit  dem  Stolze  einer  herabgekommenen  Größe  auf  einer  Stele  lokal  böotischen 
Materiales  verewigte.  Der  Ruhm  des  Marmors  und  der  Kunst  von  Naxos  war 
damals  aber  längst  von  der  Nachbarinsel  Paros  überflügelt. 

Auf  Paros  selbst  ist  wenigstens  ein  Denkmal  erhalten,  das  der  Stilstufe  der 
olympischen  Skulpturen  angehört  und  große  Verwandtschaft  mit  ihnen  wie  mit 
den  parischen  Sarkophagen  Phönikiens  zu  haben  scheint.4  Es  ist  die  Statue 
einer  schwebenden  Nike,  leider  ohne  Kopf.  Der  dorische  Peplos  hat  in  der 
Faltengebung  —  man  beachte  namentlich  die  Anordnung  des  Überschlags;  auch 
die  Falte  am  oberen  Rande  zwischen  den  Brüsten  scheint  nicht  zu  fehlen  —  und 
in  der  Wiedergabe  des  schweren  Wollstoffes  große  Verwandtschaft  mit  Olympia. 
Man  vergleiche  auch  das  von  dem  linken  gehobenen  Oberarm  herabfallende  Stück 
des  Peplos  mit  dem  entsprechenden  Teile  der  Hesperide  der  olympischen  Metope. 
Der  Gegenstand,  eine  fliegende  Nike,  war  von  Archermos  bis  auf  Paionios  ein 
Problem,  an  dem  sich  die  ionische  Marmorskulptur  mit  Vorliebe  versuchte.  Die 
parische  Nike  steht  in  der  Mitte  zwischen  dem  archaischen  Typus  und  dem  des 
Paionios;  sie  kann  lehren,  wie  die  Nike  der  Messenier  aussehen  würde,  wenn 
sie  von  dem  Künstler  des  Ostgiebels  herrührte.  —  Noch  ein  zweites  Werk  darf  80 
hier  genannt  werden,  das  wenigstens  höchst  wahrscheinlich  parischen  Ursprungs 

1  Vgl.  in  Roschers  Lexikon  der  Mythol.  I.  S.  2160. 

2  Löwy,  Inschr.  gr.  Bildh.  Nr.  6  schließt  mit  Recht  aus  der  Nennung  der  Heimat, 
daß  der  Mann  in  der  Fremde  arbeitete.  Nach  Paciaudi  stammt  die  Inschrift  aus  dem 
Peloponnes  oder  dessen  Nachbarschaft. 

3  Sauer,  Athen.  Mitt.  XVII,  S.  37  ff. 

4  Ich  kenne  es  leider  nur  durch  Löwy  in  den  Arch.  epigr.  Mitt.  aus  Österreich  XI, 
Taf.  6,  2,  S.  162 ff.;  zur  Zeit  meiner  Anwesenheit  auf  Paros  scheint  es  noch  nicht  aus- 
gegraben gewesen  zu  sein.    [Roschers  Lexikon  der  Myth.  III  S.  333.] 


ZU  DEN   OLYMPISCHEN  SKULPTUREN. 


die  justinianische  Stde  eines  Mädchens  in  Venedig.1  Sie  steht  der  pari- 
schen Nike  ebenso  nahe  wie  den  olympischen  Skulpturen;  sie  ist  nur  von  un- 
gleich feinerer  delikaterer  Ausführung  als  letztere.   Auch  hier  ist  die  Behandlung 

wollenen  Peplos,   die  Anordnung  des  Überschlags,  die  Falte  auf  der  Brust 

•  olympisch;  dann  vergleiche  man  auch  hier  die  Faltenzüge  am  linken  Arm 
mit  denen  an  der  Hesperide;  man  vergleiche  die  Stellung,  die  Art  wie  das  ent- 
lastete Bein  herauskommt,  die  Führung  des  Gesichtsprofiles  und  die  Anordnung 

1  laares  mit  der  Sphendone;  all  dies  findet  sich  an  den  olympischen  Skulpturen 
völlig  gleichartig.  Selbst  die  ruhige  feine  Stimmung  der  Stele  klingt  wenigstens 
in  der  Hesperidenmetope  wieder. 

Nahe  Analogien  zu  den  olympischen  Skulpturen  bietet  auch  eine  Gattung 
von  kleineren  handwerklichen  Denkmälern,  die  der  Kunstübung  auf  den  Kykladen 
zuzuschreiben  sind,  die  sog.  melischen  Reliefs;2  man  vergleiche  z.  B.  das  Pferd 
des  Elektrareliefs 3  mit  dem  Ostgiebel  und  die  alte  Amme  dort  mit  den  Weibern 
des  Westgiebels.  Die  Palmette  der  Grabstele  auf  eben  diesem  Relief  kehrt  in 
ihrer  absonderlichen  Form  in  jener  Zeit  einzig  an  der  venezianischen  Stele  wieder.4 

Mit  Recht  hat  J.  Six  nach  Brunns  Vorgang  auf  die  nahe  Verwandtschaft  hin- 
gewiesen, welche  zwischen  einigen  Münzen  von  Thasos  mit  dem  eine  Nymphe 
raubenden  Silen  und  dem  Westgiebel  von  Olympia  besteht.5  Thasos  stand  als 
Kolonie  von  Paros  mit  diesem  auch  künstlerisch  gewiß  in  engster  Beziehung.  Ein 
auf  Thasos  gefundener  männlicher  nackter  Torso  von  parischem  Marmor6  gehört 
zu  den  nächsten  Verwandten  der  olympischen  Skulpturen;  er  steht  besonders  dem 
Apollon  des  Westgiebels  nahe.7   Wahrscheinlich  ist  auch  er  parische  Arbeit. 

Es  ist  ferner  in  diesem  Zusammenhange  von  Bedeutung,  daß  der  Kopftypus 
des  Apollon   im  Westgiebel   gerade  auf  Münzen  von  Siphnos  wiederkehrt8  und 


1  Friederichs-Woltcrs,  Gipsabg.  241.  Samml.  Sabouroffl,  Skulpturen,  Einl.  S.  6  Anm.6, 
S.  7  (mit  Abbild.);  hier  sind  die  Gründe  entwickelt,  weshalb  die  Stele  sicher  auf  die 
ionischen  Inseln,  höchst  wahrscheinlich  auf  Paros  gehört;  auch  ist  auf  die  Verwandt- 
schaft mit  Olympia  schon  hingewiesen;  auf  die  mit  der  parischen  Nike  hat  Löwy  a.  a.  O. 
S.  164  aufmerksam  gemacht.    [Jetzt  in  Berlin.    Kekule,  Die  griech.  Skulptur  S.  175.] 

r  diese  vgl.  zuletzt  Pottier  in  Dumont-Chaplain,  Ceram.  gr.  II,  S.  226  ff.  Über  den 
ionischen  Charakter  vgl.  Arch.  Ztg.  1882,  S.  350;  Samml.  Sabouroff  I,  Skulpturen,  Einl.  S.  8. 
»  Mon.  d.  Inst.  VI,  57.    Fröhncr,  Coli.  Lecuyer  Taf.  30. 
4  Samml.  Sabouroff,  Skulpturen,  Einl.  S.  8. 

1  Six  im  Journ.  of  Hell.  Stud.  X,  114.  Vgl.  Head,  Hist.  num.  S.227;  Guide  Taf.  12,6; 
Gardner,  Types  Taf.  3,  28.    Berliner  Catal.  II,  Taf.  4,  38. 

'   Im  Louvre,  Saal  des  Achill  Borghesc,  von  Miller  mitgebracht.     Der  Tors  ist  sehr 
beschädigt;   das   linke   scheint  Standbein    gewesen   zu    sein;   der   linke  Arm  war  in  die 
/t  'vgl.  den  Onomaos),  der  rechte  Oberarm  seitwärts  horizontal  erhoben  und 
wa:  lieh  auf  I.anzi-  od«  Szepter  gestützt. 

7  Auch  d  :  zdgl  die  dort  charakteristische  Bildung.     Die  Pubes  fehlt  leider. 

in  HiM.  u.  phil.  Aufsitze  I'..  Curtius  gew.  Taf.  III,  1,  2.   British  Museum,  Catal. 
27,  11.  1.  rbeck,  Apollon,  Münztaf.  II,  1. 


ZU  DEN  OLYMPISCHEN   SKULPTUREN.  325 

von  keinem  anderen  Orte  ein  dem  olympischen  entfernt  so  ähnlicher  Apollokopf  81 
bekannt  ist.1  Das  kleine,  aber  reiche  Siphnos  war  künstlerisch  gewiß  von  der 
Nachbarinsel  Paros  abhängig;2  schon  im  6.  Jahrhundert  hatten  die  Siphnier  sich 
den  Marktplatz  und  das  Prytaneion  mit  parischem  Marmor  geschmückt,3  den 
parische  Steinmetzen  werden  bearbeitet  haben.  Die  Übereinstimmung  des  siph- 
nischen  und  des  olympischen  Apollokopfes  ist  also  durch  die  gemeinsame  parische 
Herkunft  zu  erklären. 

Endlich  seien  noch  einige  zerstreute  Denkmäler  genannt,  die  ich  wegen  der 
Übereinstimmung  von  Stil  und  Material  als  parische  Arbeiten  der  Zeit  der  olym- 
pischen Skulpturen  betrachten  zu  dürfen  glaube.4  Zunächst  drei  weibliche  Torse 
von  Xanthos;5  sie  tragen  den  dorischen  Peplos  mit  Überschlag;  die  Charakte- 
risierung des  schweren  Stoffes,  die  dicken  wulstigen  wenig  tiefen  Falten  sind 
völlig  olympisch.  An  dem  besterhaltenen  Torso6  stimmt  der  Oberkörper  völlig 
mit  der  Hesperide  von  Olympia  überein,  der  Unterkörper  —  die  Rechte  faßt  das 
Gewand  an  —  ist  der  parischen  Nike  nah  verwandt.  Die  Küste  von  Lykien  war 
eine  Station  für  die  parischen  Bildhauer,  die  nach  Syrien  fuhren;  so  erklärt  sich 
das  Vorkommen  dieser  Statuen  in  Xanthos  leicht.  Sie  hatten  vermutlich  dekora- 
tiven Zweck  und  gehörten  so  recht  eigentlich  in  das  Gebiet  parischer  Marmorkunst.7 

Auch  eine  zweite  schwebende  Nike  haben  wir  zu  erwähnen.  Sie  ward  zwar 
in  Rom  gefunden,8  ist  aber  ein  griechisches  Originalwerk.  Nike  ist  mit  ge- 
schlossenen Füssen  herabschwebend  gedacht;  vermutlich  war  die  Figur  der  First- 
schmuck eines  Giebels.9  Sie  trägt  den  dorischen  Peplos  mit  Überschlag,  dessen 
Enden  sie  —  ein  echt  dekoratives  Motiv  —  mit  beiden  Händen  faßt.  Die  Arbeit 
ist  derb  und  nicht  sonderlich  sorgfältig,  der  Stil  mit  den  wulstigen  rundlichen 
Faltenrücken  völlig  olympisch.  —  Noch  ein  zweites  parisches  Originalwerk,  den 
olympischen  Skulpturen  in  Stil  und  Ausführung  völlig  gleich,  kam  in  Rom  zu 
Tage:  ein  Athenatorso,  mit  großer  schräger  Ägis,  sonst  fast  genau  der  Athena 
der  Augiasmetope  entsprechend;10  sie  ist  sicher  von  demselben  Künstlerkreise  aus- 
geführt wie  jene. 

1  Der  von  Kolophon,  den  Weil  a.  a.  O.  Nr.  3  abbildet,  ist  zwar  auch  verwandt,  doch 
lange  nicht  so  wie  der  siphnische. 

1  [Vgl.  Berl.  philol.  Wochenschrift  1894  S.  1278.] 

3  Herod.  III,  57. 

4  [Vgl.  Ecp.  ägX.  1901  S.  144.] 

5  A.  H.  Smith,  Catal.  of  sculpt,  British  Mus.,  I  96—98.   Der  Marmor  ist  parisch. 

6  Ebenda  96. 

7  Die  das  Gewand  mit  der  rechten  und  die  es  mit  der  linken  Hand  anfaßt  (Nr.  96.  98) 
waren  wahrscheinlich  Gegenstücke.  Das  Motiv  ist  das  alte  der  Kunst  des  6.  Jahrhunderts. 

8  Befindet  sich  im  Konservatoren-Palast,  im  Saale  der  Funde  vom  Esquilin.  Der 
Marmor  ist  parisch.   Unterlebensgroß.    [Heibig,  Führer  2I,  612.] 

9  Zu  dieser  Annahme  paßt  auch  die  Art  der  Verwitterung. 

10  Im  Museo  delle  Terme  zu  Rom,  neuerer  Fund  (Rom.  Mitt.  1891,  S.  239);  parischer 
Marmor;  der  linke  Unterarm  war  vorgestreckt,  der  rechte  gesenkt  [Heibig,  Führer  »II,  1070. 


ZU   DEN   OLYMPISCHEN   SKULPTUREN. 


Fin  Werk  dieser  Art  haben  endlich  auch  die  Ausgrabungen  von  Pergamon 
:.'  Jas  wohl  schon  vor  der  Attalidenzeit  dahin  kam,  da  es  nicht  bedeutend 
genug  erscheint,  um  zu  deren  Kunstsammlung  gehört  zu  haben.  Es  ist  ein  in 
der  Art  des  alten  Niketypus  lebhaft  schreitendes  sich  umblickendes  Mädchen 
(leider  nur  Torso),  das  mit  der  Rechten  wieder  das  Gewand  anfaßt.  Der  Über- 
schlag des  Peplos,  an  dem  auch  die  Falte  am  oberen  Rande  zwischen  den 
Brüsten  nicht  fehlt,  sowie  die  ganze  Gewandbehandlung  stehen  den  olympischen 
Bildwerken  nahe.  Wahrscheinlich  hatte  auch  diese  Statue  einst,  etwa  als  First- 
chmuck,  eine  dekorative  Bestimmung. 

Durch  die  weite  Verbreitung  der  parischen  Werke  wird  es  zu  erklären  sein, 
daß  auch  in  Etrurien  bei  einigen  einheimischen  Skulpturen  eine  nicht  zu  leugnende 
Verwandtschaft  mit  dem  olympischen  Stile  begegnet.  Als  Beispiel  nenfTe  ich 
die  für  ein  etruskisches  Werk  schöne  und  stattliche  Grabgruppe  aus  Cittä  della 
Pieve  im  Museum  zu  Florenz;2  hier  ist  namentlich  der  Kopf  der  Frau,  dann 
aber  auch  die  ganze  Gewandbehandlung  an  beiden  Figuren  Olympia  verwandt.3 

Wir  haben  die  Heimat  der  Künstler  der  olympischen  Tempelskulpturen  fest- 
zustellen gesucht  und  sie  auf  Paros  gefunden,  das  in  jener  Zeit  für  die  dekorative 
Marmorarbeit  weithin  berühmt  gewesen  sein  muß.  Eine  andere  Frage  ist  nun 
aber,  wie  dieser  parische  Stil  sich  gebildet  hat,  aus  welchen  Elementen  er  er- 
wachsen ist.  Eine  vollständige  Behandlung  derselben  würde  hier  viel  zu  weit 
führen;  doch  glaube  ich  andeuten  zu  sollen,  wie  ich  mir  ihre  Lösung  vorstelle. 

Diese  parische  Kunst  ist  keine  einfache;  sie  hat  Mischungen  erfahren.  Ihr 
Grundstock  aber  ist  als  ionisch  zu  bezeichnen;4  ein  Wort  das  einen  weiten  und 
doch  sehr  präzisen  Begriff  in  sich  schließt,  der  sich  auf  eine  Fülle  von  Denk- 
mälern gründet.  Zu  den  ionischen  Grundeigenschaften  gehört  vor  allem  was 
Brunn  gleich  nach  dem  ersten  Bekanntwerden  der  olympischen  Skulpturen5  er- 
kannt und  festgestellt  hat:  jene  unbefangen  natürliche  Auffassung,  eine  Natürlich- 
keit, die  aber  „nicht  eine  künstlerisch  geläuterte  ideale,  sondern  ein  Abbild  der 
ungeschminkten  Wirklichkeit"  ist;  dann  jener  Naturalismus,  der  in  dem  Kahlkopf 
mit  dem  faltigen  dicken  Bauche  und  in  den  alten  Weibern  zu  Tage  tritt;  ferner 
aber  auch  die  Wildheit  und  das  Feuer  der  Bewegung,  die  kühne  verschlungene 

Furtwän^lcr,  Meisterwerke  S.  27).  —  Naheverwandt  ist  auch  der  Torso  Ludovisi,  Schreiber, 
Villa  Ludov.  29;  Heibig,  Führer  '-'II  934,  ein  griechisches  Original  von  parischem  Marmor, 
wahrscheinlich  auch  parischcr  Arbeit;  interessant  ist  die  realistische  Wiedergabe  der  Naht 
an  der  rechten  Seite  des  Peplos. 

•rlin,  Pergamonmuseum.    Parischcr  Marmor.    Überlebensgroß.    [Altertümer  von 
■KM  VII  Taf.  I  Nr.  20.) 

.     1888,  Taf.  14;  im  Musco  ctrusco  zu  Florenz. 
Vgl.  zum  Gewand  besonders  die  sitzende  Athcna  der  Vögcl-Mctope. 

Ztg.  1882,  S.  36a  Preußische  Jahrb.  LI  (1883),  S.  378  f.  [oben  S.  253  ff.) 
-  Akad.  1877  S.  1  ff.,  1878  S.  442  ff.   [Kleine  Schriften  II  S.  201  ff. 
und  217  If.l 


ZU   DEN   OLYMPISCHEN  SKULPTUREN.  327 

Gruppenbildung  im  Westgiebel,  und  die  Typen  der  Kentauren  selbst  sowie  ihr 
„breiter  pastoser  Vortrag";  bei  den  aufrecht  stehenden  Männern  die  Art  des 
freien  kühnen  Auftretens.  Andrerseits  aber  das  Weichliche,  Unakkurate,  Saloppe,  83 
aller  knappen  Präzision  Entbehrende,  jener  Mangel  aller  „Strenge  spezifisch 
plastischer  Stilisierung";  auch  der  sog.  malerische  Faltenstil,  der  Versuch  das 
Zufällige  in  den  sich  zusammenschiebenden  wulstigen  Falten  wiederzugeben; 
und  die  verwandte  Manier  der  Körperbildung,  die  sich  zum  Teil  schon  mit  Haut- 
falten abgibt,  ohne  das  Hauptgerüste  des  Körpers  in  Biegungen  und  Streckungen 
richtig  bilden  zu  können.  Überhaupt  die  ganze  Richtung,  die  nur  auf  einen 
dekorativen  Gesamteffekt  zielt  und  sich  mit  diesem  zufrieden  gibt. 

Indeß   auf   diesen  Stamm   ist  ein  fremdes  Reis   gepfropft.     Auch   dies   hat 
niemand   schärfer  und   richtiger  sogleich  nach  der  Entdeckung  empfunden   als 
Brunn.    Der  inneren  Wahrheit  dessen,  was  er  feststellte,  konnte  es  keinen  Ein- 
trag tun,  wenn  er,  bevor  die  Originale  genauer  bekannt  waren,  einen  äußerlichen 
Irrtum  beging.     Er  erkannte  in   der  Hesperidenmetope  einen  von   den  Giebel- 
figuren total  verschiedenen  Stil  und  „ein  Meisterstück  peloponnesischer  Skulptur",1 
derselben,  der  er  auch  eine  stehende  Frauengestalt  des  Ostgiebels  zuschrieb,  deren 
Zugehörigkeit  zum  Giebel   damals   noch   nicht  bekannt  war.2    In  der  Tat  prägt 
sich  gerade  in  diesen  Stücken  der  starke  peloponnesische  oder  genauer  argivische 
Einfluß  deutlich  aus,  welchen  die  parische  Marmorskulptur  jener  Epoche  in  sich 
aufgenommen  hatte.3  Die  Schule  für  Bronzeguß  in  Argos  hat  in  der  Zeit  um  500 
für  die  ruhigstehende  menschliche  Gestalt  Typen  geschaffen,  die  geradezu  epoche- 
machend waren   und   deren  Einfluß  sich   in   einem   großen  Umkreise  durch  die 
ganze   erste  Hälfte   des  fünften   Jahrhunderts  verfolgen  läßt.     Den   männlichen 
Typus  habe  ich   in    einer  früheren  Abhandlung  festzustellen  versucht.4    Seine 
Einwirkung  ist  in  Olympia  namentlich  in  der  Hesperidenmetope  an  dem  Atlas 
fühlbar,  der  ganz  wie  die  Profilansicht  einer  Statue  aus  dem  Kreise  des  Hagelaidas 
wirkt.    Die  stehenden  Männer  der  Giebel  haben  weniger  davon;  in  der  Art  ihres 
freieren  kraftvollen  Auftretens  und  in  der  Wiedergabe  der  Muskulatur  stehen  sie 
vielmehr   dem  sog.  Omphalos-Apollon   nahe,   der  einen  scharfen   Gegensatz  zu 
dem   argivischen   Ideale    bezeichnet.5     Den   weiblichen   Typus    des   argivischen 
Kreises  kennen  wir  durch  zahlreiche  peloponnesische  Bronzen.6    Er  hat  auf  die 
parischen  Künstler  stark  gewirkt.     Die  ganze  dorische  Tracht  des  Gewands  und 
zum  Teil  auch  der  Haare,  und  dazu  jener  charakteristische  symmetrische  Falten- 


1  Sitzungsber.  d.  bayr.  Akad.  1877  S.  14. 

2  Ebenda  S.  16;  die  Sterope,  die  erst  „Hestia",  dann  Hippodameia  genannt  ward. 

3  Vgl.  50.  Berliner  Winckelmannsprogr.  (1890)  S.  152. 

4  50.  Berliner  Winckelmannsprogr.  (1890)  S.  125 ff.  „Eine  argivische  Bronze". 
6  Vgl.  ebenda  S.  150  und  Athen.  Mitt.  V,  S.  39. 

•  Z.  B.  Athen.  Mitt.  III,  Tat.  1,  1;  Arch.  Ztg.  1881,  Tat.  2,  2;  Olympia  Bd.  IV,  Die 
Bronzen  Nr.  56;  Bull,  de  corr.  hell.  1891,  Taf.  9.  10;  die  vielen  korinthischen  Spiegelstützen 
des  Typus  Arch.  Ztg.  1879,  Taf.  12  u.  a. 


ZU   DEN  OLYMPISCHEN   SKULPTUREN. 


fall,  in  dem  Brunn  den  Zauber  strenger  Gesetzmäßigkeit  und  das  Walten  eines 
mathematischen  Prinzips  empfand,1  und  den  wir  durch  die  panschen  Künstler 
bis  eu  den  pliönikischen  Särgen  verbreitet  fanden,  er  stammt  von  dem  argivischen 
Typus.  Hier  war  er  für  bronzene  Einzelstatuen  geschaffen;  jene  Parier  haben 
ihn  durch  ihre  dekorativen  Marmorarbeiten  gleichsam  popularisiert.  In  Olympia 
ist  seine  Wirkung  bei  allen  ruhig  aufrechtstehenden  Frauen,  am  reinsten  an  der 
Hesperide  zu  bemerken.  Der  malerische  ionische  Faltenstil  der  bewegten  Gestalten 
dieser  selben  Skulpturen  steht  in  unversöhntem  scharfem  Gegensatze  dazu.  Diese 
Künstler  vermochten  nicht  das  angelernte  Fremde  mit  dem  Eigenen  ganz  zu  ver- 
schmelzen. Schon  hierin  zeigt  sich,  daß  sie  keine  führenden  Geister  ersten  Ranges  waren. 

Aber  auch  von  dem  Geiste  der  Strenge  und  des  Ernstes  und  von  der  reinen 
Formenklarheit  jener  argivischen  Schöpfungen  ist  etwas  in  die  Köpfe  der  olym- 
pischen Figuren  übergegangen;  auch  dies  ist  im  Kopfe  des  Atlas  besonders  deut- 
lich, den  Brunn  mit  Recht  als  eine  Vorstufe  Polyklets  bezeichnet  hat;2  der  Kopf 
des  „Greises"  vom  Ostgiebel  steht  in  seinem  weichlich  ionischen  Realismus  aber 
wieder  im  vollstem  Gegensatze  dazu. 

Die  argivische  Beeinflussung  ihres  Stiles,  welche  die  Parier  schon  nach  Olympia 
mitbrachten,  mochte  hier  durch  die  Eindrücke  der  Umgebung  wohl  noch  etwas 
gesteigert  werden.  Einen  direkten  Einfluß  der  Auftraggeber  erkennen  wir  dagegen 
in  dem  äußerlichen  Typus  des  Herakles,  der,  entgegen  der  sonst  in  jener  Zeit  herr- 
schenden Bildungsweise,  ganz  absichtlich  der  altpeloponnesischen  Tradition  folgt.3 

Auch  in  Athen  hat  die  benachbarte  Schule  von  Argos  seit  der  Zeit  um  500 
einen  mächtigen  Einfluß  ausgeübt,4  der  sich  in  kleinen  wie  großen  Kunstwerken 
zeigt.  Da  andererseits  hier  auch  die  ionische  Einwirkung  eine  starke  war,  so 
müssen  wir  notwendig  den  parischen  Werken  von  Olympia  sehr  verwandten 
:heinungen  begegnen.  Attische  Bronzen  und  Terrakotten,  welche  den  argivi- 
schen Einfluß  ähnlich  wie  die  olympischen  Skulpturen  verarbeiten,  sind  denn 
auch  nicht  selten;6  er  ist  selbst  auf  den  Vasen  zu  beobachten;0  aber  auch  Marmor- 

-runn  a.a.O.  S.  14. 
Brunn  a.  a.  O.  S.  14. 

*  VgL  in  Roschcrs  Lexikon  der  Myth.  I,  S.  2154,  Z.  28  ff. 

*  VgL  auch  B.  Graf,  Athen.  Mitt.  XV  S.  32;  50.  Berl.  Winckelmannsprogr.  (1890)  S.  151 
Anm.  89. 

1  Bronzen:  z.  B.  Athenastatuette  des  Akropolis-Museums,  ohne  Kopf;  Peplos  nach 
argivischem  Schema  [A.  de  Riddcr  II,  Nr.  788].  Athena  von  der  Akropolis,  in  Berlin,  Arcli. 
Ztg.  1873,  Taf.  10.  —  Terrakotten:  einige  auf  der  Akropolis  gefundene  Statuetten  und 
Köpfchen;  von  publizierten  vgl.  Dumont-Chaplain,  Ceram.  gr.  II,  Taf.  4  (Originale  in  Berlin). 

*  In  der  Zeit  zwischen  den  älteren  und  jüngeren  mit  „Euphronios"  signierten  Werken 

-  durch  den  argivischen  Einfluß  —  eine  bedeutende  Umgestaltung  in  der  Profil- 
bildung statt,  die  sich  bei  allen  Malern  der  Zeit  mehr  oder  weniger  deutlich  zeigt.  Das 
Kinn  wird  bedeutend  kräftiger  härter  und  höher,  und  der  Mund  liegt  nicht  mehr  drin 
»ondern  springt  vor.  Vgl.  auch  B.  Qlif,  Athen.  Mitt.  XV,  S.  28  f.,  der  die  Erscheinung  zu 
eng  begrenzt. 


ZU  DEN  OLYMPISCHEN  SKULPTUREN.  329 


werke  bekunden  ihn.  Zwar  ein  schöner  Jünglingskopf  von  der  Akropolis  scheint  85 
direkt  aus  Hagelaidas  Schule  zu  stammen;1  aber  ein  Athenatorso  von  ebendort 
ist  ein  echt  attisches  Werk,  das  den  fremden  Einfluß  ungleich  selbständiger  als 
die  Parier  es  taten  verarbeitet. a  Andererseits  finden  wir  in  Attika  auch  zuweilen 
den  weichlichen  ionischen  Faltenstil  sehr  ähnlich  wie  in  Olympia  (besonders  an 
einem  Relief  von  Ikaria);3  ja  dieser  wurde  die  Basis  der  phidiasischen  Falten- 
behandlung am  Parthenon. 

Die  Verwandtschaft  der  olympischen  mit  gewissen  selinuntischen  Skulpturen  * 
ist  dagegen  nur  eine  sehr  entfernte.  Ja  die  Kopftypen,  die  Gewand-  und  Körper- 
bildung zeigen  tiefgehende  Verschiedenheiten.  Jene  selinuntischen  Werke  sind, 
wie  ihr  Stil  mir  zu  beweisen  scheint,  mit  der  attischen  Schule  des  Kritios  in 
engere  Verbindung  zu  bringen;  zum  parisch-olympischen  Stile  haben  sie  keine 
nähere  Beziehung.5 

Wir  haben  bisher  die  Zeit  der  olympischen  Skulpturen  als  feststehend  voraus- 
gesetzt; und  sie  ist  dies  auch  wirklich.  Doch  wird  es  nicht  unnütz  sein,  hier 
im  Anschlüsse  an  das,  was  ich  selbst  früher6  und  was  Dörpfeld7  jüngst  darüber 
zusammengefaßt  hat,  die  Festigkeit  dieser  Datierung  zu  betonen  und  genauer 
zu  präzisieren.  Der  terminus  ante  quem  ist  die  Schlacht  von  Tanagra  457  und 
die  gewiß  unmittelbar  auf  diese  folgende  Weihung  des  Schildes  auf  dem  Firste 
des  Tempels.8  Für  den  terminus  post  quem  gibt  es  kein  so  präzises  Datum; 
doch  wirken  verschiedene  Gründe  zusammen,  um  auch  ihn  ziemlich  genau  zu 
bestimmen.  Die  Tradition  über  die  Stiftung  weist  nach  L.  v.  Urlichs  Vermutung 
auf  01.77;  allein  da  derartige  Traditionen  über  den  Anlaß  der  Stiftung  von  Denk- 
mälern unsicher  zu  sein  pflegen,  so  wäre  dies  allein  nur  eine  sehr  ungenügende 
Basis.  Wichtiger  ist,  daß  die  als  Versatzmarken  am  Baue  selbst  sowohl,9  wie 
die  an  den  parischen  Dachziegeln 10  vorkommenden  Buchstaben  keine  Spur  mehr 
von   archaischem  Charakter  haben,   wodurch   bewiesen  wird,   daß  der  Bau,  der 


1  'Eqnjfi.  dgX.  1888,  Taf.  2.  Vgl.  50.  Berl.  Winckelmannsprogr.  (1890)  S.  141.  148. 
151.  144. 

2  'E<prni.  üqx.  1887,  Taf.  8.  Den  attischen  Charakter  und  die  Verschiedenheit  von  den 
olympischen  Statuen  werde  ich  an  anderem  Orte  nachweisen.    [Meisterwerke  S.  36  u.  40.] 

3  American  Journ.  of  archaeol.  V  (1889)  Taf.  13;  vgl.  hierzu  außer  Olympia  auch  die 
Penelope  und  die  Philis  von  Thasos. 

4  Arch.  Ztg.  1883  S.  240  ff.  (Kekule). 

5  Dagegen  ist  die  von  mir  im  50.  Berl.  Winckelmannsprogr.  S.  130  und  Anm.  22  er- 
wähnte hochinteressante  Terrakottastatue  eines  Mädchens  in  Catania  wirklich  dem  olym- 
pischen Stile  sehr  nahe  verwandt. 

6  Bronzefunde  von  Olympia  (Abh.  Berl.  Akad.  1879)  S.  5. 

7  Olympia,  Textband  II  (Baudenkmäler)  S.  20. 

8  Purgold  in  Arch.  Ztg.  1882,  S.  183.  [Olympia  V  Nr.  253.] 

9  Bronzefunde  a.  a.  O.  habe  ich  an  einem  Geisonblocke  ein  A  notiert;  Dörpfeld  a.  a.  O. 
fügt  noch  A  und  B  hinzu.    [Vgl.  Olympia  V  Nr.  669.] 

10  Vgl.  Berl.  philol.  Wochenschr.  1888,  S.  1515  [oben  S.  278]. 


330  ^u   DEN   OLYMPISCHEN   SKULPTUREN. 

mit  den  Skulpturen  aus  einem  Gusse  ist,  in  der  unmittelbar  vor  457  liegenden 
86  Zeit  errichtet  ward.  Die  Tatsache,  daß  das  Weihgeschenk  des  Praxiteles,  an  dem 
ein  Sohn  und  Schüler  des  Hagelaidas  arbeitete,1  und  ein  Werk  des  Onatas2  vor 
den  Beginn  des  Baues  fallen/'  stimmt  sehr  gut  hierzu.  Bestimmtere  Fixierung 
■.ittet  der  Stil  der  Skulpturen,  insofern  er  nicht  mit  der  jetzt  durch  die  Aus- 
grabungen der  Akropolis  um  480  datierten  Stufe  der  Vasenmalerei,  sondern  mit 
der  jüngeren  gegen  460  zu  setzenden  Reihe  des  sog.  älteren  schönen  Stiles  zu- 
sammengeht.4 Endlich  fällt  auch  das  ins  Gewicht,  daß  an  den  seit  447  ge- 
arbeiteten Metopen  des  Parthenon  sich  noch  viele  Anklänge  an  den  olympischen 
Stil  finden, '  der  also  nicht  lange  hinter  ihnen  liegt. 

Da  als  Zeit  der  Skulpturen  sonach  die  unmittelbar  vor  457  liegenden  Jahre 
wir  werden  wenigstens  etwa  fünf  annehmen  müssen  —  feststehen,  so  fragen 
wir  uns  schließlich,  ob  dieselben  nicht  auch  mit  den  politischen  Verhältnissen 
der  Zeit  in  Beziehung  stehen.  Die  Weihung  des  Schildes  nach  der  Schlacht  bei 
Tanagra  als  Akroterion  des  neuen  Tempels  über  dessen  Stirnseite  beweist,  daß 
die  elischen  Behörden  damals  vollständig  den  Spartanern,  ihrem  Einflüsse  und 
ihrer  Macht  ergeben  waren.  Dies  wird  auch  die  letzten  Jahre  vorher  nicht  anders 
gewesen  sein.  Um  462  61  kapitulierte  nach  hartnäckigem  Kampfe  das  von  den 
aufständischen  Messeniern  und  Heloten  besetzte  Ithome6  und  damit  war  die 
schwer  gefährdete  Macht  Spartas  über  den  Peloponnes  wieder  befestigt;  zwar 
Argos  hatte  sich  mit  Athen  verbündet,  aber  Elis  mit  Olympia  hielt  noch  fest  zu 
Sparta.  Dies  errichtete  nach  dem  Falle  von  Ithome  eine  mächtige  Kolossalfigur 
des  Zeus  gerade  vor  dem   im   vollen   Bau    begriffenen  Tempel   Olympias,7   an 

1  Löwy.  Inschr.  gr.  Bildh.  30;  Zusätze  S.  XVIII;  vgl.  Robert,  Arch.  Märchen  S.  97. 
(Olympia  V  Nr.  631.]  Daß  die  doppelte  Heimat  des  Praxiteles  durch  die  Verpflanzung 
der  Kamarinäer  nach  Syrakus  unter  Gelon  veranlaßt  ward,  bleibt  doch  immer  das  Wahr- 
scheinlichste. 

1  Das  stolze  Epigramm  desselben  (Paus.  V,  15,  10)  deutet  darauf,  daß  das  Werk  nicht 
zu  den  älteren  sondern  den  späteren  des  Künstlers  gehört,  der  noch  466  für  Hieron- 
Deinomenes  arbeitete. 

•  Vgl.  Arch.  Ztg.  1879,  S.  44. 151  (oben  S.  259.  274].  Daß  die  Smikythos-Basis,  die  über 
dem  Hauschutt  liegt,  zur  Datierung  des  Tempels  nicht  sicher  verwendbar  ist,  hat  Dörpfeld 
a.  a.  O.  S.  21  richtig  hemerkt. 

Vgl.  Athen.  MitL  V,  S.  41.  —  Natürlich  kommen  Analogien  zu  einzelnen  Motiven 
auch  schon  im  strengen  Vasenstile  vor  (vgl.  was  Six,  Journ.  of  Hell.  Stud.  X,  S.  114  ff. 
anführt);  die  entscheidenden  charakteristischen  Elemente  aber  erscheinen  nur  im  „älteren 
-nen";  so  die  Art  der  Wiedergabe  des  Alters.  Zu  Motiven  und  Gewandung  vgl. 
.  Monom,  d.  Inst  I,  10;  XI,  38/39  (der  Herakles);  Bull.  Napol.  n.  s.  VI,  5,  2  (Gewand- 
motiv um  das  rechte  Bein);  zum  Kentauren-Kampf  natürlich  Arch.  Ztg.  1883,  Tat.  17.  [Vgl. 
Forrwangler-Rdchhold-Hauser,  Grlech.  Vasenmalerei  S.  312.) 

dl«  Einzelheiten,  die  ich  Preuß.  Jahrb.  U  (1883)  S.  377  f.  [oben  S.  252  ff.]  an- 
geführt habe;  auch  B.  Graf,  Athen.  Mitt.  XV,  S.  34. 

D.itum  vgl.  Busolt,  Gricch.  Geschichte  II,  S.  475. 
75.  [Olympia  V  Nr.  252.] 


ZU   DEN   OLYMPISCHEN   SKULPTUREN.  331 


dessen  Skulpturen  damals  gearbeitet  worden  sein  muß.    Da  könnte  Sparta  wohl 
auch  seinen  Einfluß  auf  die  Wahl  der  Gegenstände  letzterer  gehabt  haben. 

Dieser  Gesichtspunkt  scheint  mir  auf  die  Erklärung  des  bisher  noch  völlig 
rätselhaften  Westgiebels  ein  überraschendes  Licht  zu  werfen.  Die  spartanische 
Legende  über  die  erste  Ursache  der  Messenierkriege  erzählte  bekanntlich,1  daß  87 
bei  einem  Opferfeste  in  dem  Messeniern  und  Spartanern  gemeinsamen  Heilig- 
tume  der  Artemis  Limnatis  die  rohen  Messenier  sich  an  den  anwesenden  lakoni- 
schen Jungfrauen  vergriffen  und  sie  geschändet  hätten;  die  zu  Hilfe  eilenden 
Spartaner  und  ihr  König  Teleklos  werden  getötet.  Diese  Missetat  ward  durch 
die  Messenierkriege  gerächt;  und  wir  dürfen  hinzusetzen,  daß  nach  der  sparta- 
nischen religiösen  Auffassung  ohne  Zweifel  Apollon  es  war,  der  die  an  seiner 
Schwester  und  an  den  seinem  Schutze  befohlenen  Lakedämoniern  verübte  Un- 
bill strafen  mußte.  Sollte  nicht  der  Kentaurenkampf  im  Westgiebel  desjenigen 
Tempels,  der  das  gemeinsame  Heiligtum  aller  unter  der  Vormacht  Spartas  ver- 
einten Peloponnesier  war,  auf  jene  Legende  und  auf  die  soeben  beendeten  neuen 
Messenierkämpfe  Bezug  nehmen?  Historische  Vorgänge  durch  analoge  mythische 
zu  symbolisieren,  war  bei  den  Griechen  ja  beliebt.  Und  was  stellt  der  West- 
giebel denn  dar?  v.  Wilamowitz  hat  zweifellos  Recht,  wenn  er  die  thessalische 
Kentauromachie  der  Lapithen  bei  der  Hochzeit  des  Peirithoos  für  ausgeschlossen 
und  in  Olympia  unmöglich,  also  die  überlieferte  Deutung  für  falsch  hält.'2  In 
der  Tat  ist  auch  von  einer  Hochzeit  und  ihrem  Hauptrequisit,  einer  Braut,  keine 
Spur  zu  erkennen;3  wir  sehen  vielmehr,  daß  vier  gleichartige  Weiber,  von  denen 
keine  den  Brautschleier  hat,  von  Kentauren  angefallen  werden.  Auch  von  den 
Helden,  welche  den  Frauen  zu  Hilfe  eilen,  ist  keiner  als  Hauptperson,  als  Bräutigam, 
hervorgehoben.  Nur  daß  die  Szene  bei  einem  Opferschmause  spielt,  wo  die  geilen 
Kentauren  plötzlich  den  Gottesfrieden  brechen,  ist  angedeutet  durch  das  Opfer- 
beil in  der  Hand  des  einen  Helden,  auch  durch  den  Opferdiener  oder  Mund- 
schenk, den  schönen  Knaben,  und  durch  die  Pfühle,4  auf  denen  die  alten  Weiber, 

1  Vgl.  Paus.  IV,  4,  2;  Strabo  VI  p.  257;  Müller,  Fragm.  hist.  II  S.  219  (Heraklides); 
daraus,  daß  Ephoros  bei  Strabo  VI  p.  279  nur  den  Tod  des  Teleklos  als  die  Hauptsache 
erwähnt,  ist  nicht  mit  Busolt,  Gr.  Gesch.  I,  S.  153  zu  schließen,  daß  er  die  Schändung  der 
Jungfrauen  noch  nicht  gekannt  habe. 

2  v.  Wilamowitz,  Euripides  Herakles  I  S.  305  Anm.  74. 

3  Wirkliche  Darstellungen  der  beim  Hochzeitsmahle  des  Peirithoos  entbrannten 
Kentaurenschlacht  der  Lapithen  hat  die  ionisch-attische  Malerei  der  ersten  Hälfte  des 
5.  Jahrhunderts  geschaffen;  die  attischen  Vasen  Arch.  Ztg.  1883,  Taf.  17,  18;  Heydemann,  Aus 
Ober-  und  Mittelitalien  Taf.  3,  1  sowie  die  Parthenonmetopen  (vgl.  Sauer  im  Jahrb.  d. 
Inst.  VI,  S.  91)  weisen  auf  größere  Gemälde  jener  Art  als  Vorbilder.  Diese  waren  natürlich 
auch  den  olympisch-parischen  Künstlern  bekannt  und  haben  sie  sicherlich  bei  Darstellung 
der  verwandten  Sage  beeinflußt. 

4  Diese  werden  dem  Einfluß  der  in  der  vorigen  Anmerkung  genannten  Hochzeits- 
festdarstellungen zuzuschreiben  sein  (vgl.  Arch.  Ztg.  1883  Taf.  18);  sie  paßten  ja  auch  zum 
Opferschmause. 


ZU  DEN  OLYMPISCHEN  SKULPTUREN. 


vermutlich  die  Aminen  der  jungen  Frauen  —  vergleiche  die  Amme  hinter  Elektra 
auf  dem  „indischen"  Relief  ,  liegen.  In  der  Mitte  erscheint  als  der  Hort  der 
Verletzten  der  Rächer  Apoll,1  ohne  Zweifel  Apollon  als  Thesmios,  d.  h.  als  Schützer 
des  üottesfriedens  des  olympischen  Festes,  als  welcher  er  hoher  Verehrung  in 
88  der  Altis  genoß. J  Genau  dieselbe  Sage  ist  nun  aber  in  dem  benachbarten  Phi- 
galia  dargestellt.3  Auch  hier  ist  es  eine  Reihe  von  Weibern,  auf  welche  die 
Kentauren  ihre  Angriffe  machen;  daß  die  Szene  bei  einem  religiösen  Feste  vor 
sich  geht,  ist  durch  das  Idol  einer  Göttin  angedeutet.  Auch  hier  eilt  Apollon, 
und  mit  ihm  Artemis,  als  Rächer  herbei.  Wir  haben  es  in  beiden  Fällen  offen- 
bar mit  einer  lokalen,  später  vergessenen  und  nicht  aufgezeichneten  Sage  aus 
der  Gegend  des  Alpheiostales  zu  tun.  Diese  aus  den  Denkmälern  rekonstruierte 
Sage  aber  entspricht  genau  jener  Legende  vom  Messenierkrieg;  ja  letztere  ist 
vielleicht  erst  nach  ersterer  gebildet  worden.  Man  begreift  nun,  wie  nahe  es 
lag,  diese  Kentaurensage  mit  Anspielung  auf  die  überwundenen  Messenier  im 
Giebel  des  olympischen  Tempels  zur  Darstellung  zu  bringen.  Dieser  sollte 
weithin  verkünden,  daß  mit  Apollon's  Schutze  niedergeworfen  wird,  wer  den 
Frieden  des  unter  Spartas  Führung  vereinten  Peloponnes  zu  brechen  wagt. 

Die  parischen  Künstler  haben  den  Auftrag  aufs  lebendigste  durchgeführt. 
Doch  in  der  eigentümlich  starren  Gestalt  des  Apollon  in  der  Mitte,  der,  den 
Kopf  scharf  wendend,  die  Rechte  wagerecht  ausstreckt,  die  Linke  gerade  gesenkt 
hält,  scheint  ihnen  ein  fremdes  Vorbild  vorgeschwebt  zu  haben:  es  ist  schwer- 
lich zufällig,  daß  diese  Figur  ganz  übereinstimmt  mit  der  des  schützenden  Sonnen- 
gottes Horus,  den  die  Griechen  mit  ihrem  Apollon  identifizierten,4  und  des 
Ammon  auf  ägyptischen  und  diese  nachahmenden  phönikischen  Monumenten, 
die  den  kämpfenden  König  darstellen.5  Wohl  mag  einer  der  in  Olympia  arbeiten- 
den Parier  schon  in  Syrien  drüben  gewesen  sein,  um  dort  einen  Sarkophag  aus- 
zuhauen wie  den,  von  dessen  Fragmente  unsere  Betrachtung  ausging;  von  dort 
mag  ihm  jenes  Bild  des  Horus-Apollon  als  Schirmers  und  Rächers  im  Sinne  ge- 
blieben sein. 

Um  aber  mit  einem  anmutigen,  freundlichen  Werke  zu  schließen,  sei  dieser 
Epilog  einem  kleinen  Kopfe  gewidmet,  den  ich  früher  einmal  in  eine  falsche  Be- 

1  Gegen  den  letzten  verunglückten  Versuch  von  Sauer,  die  Mittelfigur  als  Peirithoos 
zu  deuten  (Jahrb.  d.  Inst.  VI,  1891  S.  91  ff.)  vgl.  was  Treu  (ebenda  S.  108)  bemerkte. 
Ottfr.  Muller,  Dörfer  »I,  S.  254. 
1  Worauf  schon  v.  Wilamowitz  a.  a.  O.  hinweist. 
HerodL  II,  l ; 

IS,  Denkm.  III,  139a.  183.  184.  186.  195b.  c.  204c  u.  a.    Der  Gott  streckt 

dem  Konig  immer  das  Sichelschwert  hin.    Der  seit  dem  neuen  Reiche  sehr  beliebte  Typus 

ward  von  den  Phonikcrn  natürlich  nachgeahmt  (vgl.  die  Bronzeschale  Cesnola,  Salaminia 

i  |Walters,  Catalogue  of  Hronzcs  in  the  British  Mus.  Nr.  186;  aus  dieser  Beschreibung 

I    :dcrhaftigkcit  der  alteren  Zeichnung)). 


ZU   DEN   OLYMPISCHEN  SKULPTUREN.  333 


Ziehung  zu  den  olympischen  Skulpturen  gebracht  habe,1  und  der  deshalb  hier 
seine  Stelle  finden  möge.  Ich  urteilte  damals  nur  nach  der  Erinnerung  an  das 
Stück,  das  ich  einmal  flüchtig  gesehen  hatte;  dies  und  die  geringe  Übung,  die 
mein  Auge  damals  hatte,  mögen  meinem  Fehler  als  mildernde  Umstände  dienen. 

Das  Köpfchen  sah  ich  zuerst  1878  in  Gesellschaft  von  Lolling  und  Löschcke  89 
auf  der  Stelle  des  alten  Brauron,  wo  es  kurz  vorher  gefunden  worden  war.    Später 
kam   es  in  Privatbesitz  nach  Deutschland;   Abgüße  gibt  es  in  Berlin  und  nach 
einem  solchen  ist  unsere  Tafel  III  [hier  Taf.  12]  gemacht.2 

Das  Material  ist  pentelischer  Marmor.  Ergänzt  sind  der  größere  Teil  der 
Nase,  ein  Stück  der  Oberlippe  und  der  rechten  Augenbraue.  Der  Kopf  ist  von 
einer  Statuette  von  ein  Drittel  Lebensgröße  abgebrochen  (die  Gesichtslänge  beträgt 
63  mm,  die  Kopfhöhe  83  mm).  Er  ist  nach  seiner  Rechten  gewendet;  das  Haar 
an  der  rechten  Nebenseite  ist  in  der  Gegend  des  Ohrs  weniger  sorgfältig  ge- 
arbeitet, woraus  wohl  zu  schließen  ist,  daß  der  rechte  Arm  hoch  erhoben  war. 
Es  ist  ein  Knabe  dargestellt  mit  kurzem  Lockenhaar  und  einem  Zopfe  längs  des 
Scheitels.  Die  Ausführung  ist  nicht  allzu  sorgfältig,  aber  von  großer  Frische 
und  voll  feiner  Empfindung.  An  Hals  und  Wangen  sind  einige  Raspelspuren 
deutlich. 

Durch  Vergleiche  ist  es  möglich,  die  Zeit  der  Ausführung  dieses  Kopfes 
ziemlich  genau  zu  bestimmen.  Daß  er  ein  köstliches  Originalwerk  und  zwar 
noch  des  5.  Jahrhunderts  ist,  sagt  der  erste  Blick.  Völlig  beweisend  dafür  ist 
der  Schnitt  der  großen  Augen,  die  Bildung  der  Lider  und  der  Umgebung  der- 
selben, sowie  der  Stil  des  Haares.  Dieses  hatte  mich  damals  lebhaft  an  die 
Ringellocken  des  „Greises"  im  Ostgiebel  von  Olympia  erinnert,  und  in  der  Tat 
folgt  diese  Lockenbehandlung  auch  noch  derselben  dort  in  Olympia  sichtbaren 
Tradition,  nur  liegt  etwa  ein  Lebensalter  zwischen  beiden  Werken.  Denn  unser 
Köpfchen  muß  in  die  Zeit  um  420  gehören.  Seine  nächste  Parallele  ist  der  neu- 
gefundene eben  um  diese  Zeit  datierbare  schöne  Kopf  vom  Heraion  bei  Argos.3 
Dieser  stellt  ein  junges  Mädchen  dar,4  das  aber  wie  unser  Knabe  vorne  auf  dem 
Scheitel  einen  Zopf  hat;6  hinter  der  Binde  setzt  sich  dieser  indess  nicht  fort. 
Einen  ganz  gleichartigen  Scheitelzopf  hat  eine  der  Korai  des  Erechtheions,  die 
um  dieselbe  Zeit  zu  datieren  sind.  Auch  die  stark  wellige  Behandlung  der 
Haare  ist  an  den  verglichenen  Skulpturen  analog.    Mit  dem  Kopfe  vom  Heraion 


1  Athen.  Mitt.  V  S.  40  Anm.  1. 

2  [Das  Original  befindet  sich  jetzt  in  der  Glyptothek  Ny-Carlsberg  in  Kopenhagen. 
Arndt,  La  Glyptotheque  Ny-Carlsberg  Taf.  64.] 

3  Waldstein,   Excav.  at  the  Heraion   of  Argos  I,  Taf.  4,  5.    [The   Argive   Heraeum  I 
Taf.  36.    Furtwängler,  Berl.  phil.  Wochenschr.  1904  S.  817.]    In  Abgüssen  verbreitet. 

4  Natürlich  nicht  Hera,  wie  Waldstein  will;  vielleicht  Hebe. 

5  Waldstein  S.  12   erkennt   nicht  einmal   den  Zopf   und  macht  einen  unglaublichen 
Vergleich  mit  dem  charakteristischen  Stirnhaar  des  polykletischen  Doryphorostypus. 


ZU   DEN   Ol  VWI'ISCHEN  SKULPTUREN. 


der  lustige  noch  besonders  durch  den  Sclinitt  der  Augen,  die  Bildung  der 
Lider  und  der  Tränenkarunkel,  ferner  durch  den  überaus  lieblichen  Mund  und 
das  flache  Kinngrübchen  verbunden.  Geringere  derbere  Werke,  die  aber  den- 
selben Stilcharakter  tragen  und  in  dieselbe  Epoche  gehören,  sind  der  eine  wohl- 
erhaltene Kopf  der  Nikebalustrade  und  die  Amazonenköpfe  des  Frieses  von 
PhigaHa.  Unser  Köpfchen  von  Brauron  ist  neben  dem  vom  Heraion  bei  weitem 
das  feinste  erhaltene  Produkt  dieser  Stilrichtung. 

Wir  dürfen  diese  zweifellos  als  eine  attische  bezeichnen.  Auch  das  im 
kraion  gefundene  Stück  ist  attisch,  wie  es  die  meisten  der  mir  bis  jetzt  be- 
kannten Marmorskulpturen  von  jener  Stelle  sicherlich  sind.1  Die  zahlreichen 
Fragmente  kleinerer  Figuren,  die  schon  vor  den  neuen  amerikanischen  Aus- 
grabungen gefunden  sind  und  vom  Schmucke  des  Tempels  herrühren,  sind  von 
pentelischeni  Marmor  und  einer  den  Skulpturen  des  Niketempels  und  Erechtheions 
nächst  verwandten  Arbeit.  Auch  einige  Fragmente  von  parischem  Marmor  zeigen 
durchaus  denselben  Stil. J  Die  Sima  des  Tempels,  ebenfalls  von  pentelischem 
Marmor,  steht  in  der  Arbeit  der  des  Apollotempels  auf  Delos  (der  wahrscheinlich 
in  die  Zeit  gleich  nach  425  fällt),3  besonders  nahe.  Alle  diese  Skulpturen  haben 
mit  Polyklet  und  seiner  Schule  nicht  das  geringste  zu  tun.4  Sie  sind  vielmehr 
ein  interessanter  Beleg  dafür,  daß  man  im  Peloponnes,  wenn  es  sich  um  de- 
korative Marmorwerke  handelte,  selbst  um  420  noch,  ganz  wie  früher,  sich  nach 
auswärts  wandte;  und  zwar  ist  jetzt  Athen,  statt  Paros,  der  Zentralplatz  für  der- 
gleichen geworden.  Auch  drüben  in  Phönikien,  an  den  Sarkophagen  der  Großen 
von  Sidon,  erscheint  von  nun  an  nicht  mehr  lokal  parische,  sondern  attische 
Kunst,  in  welcher  die  parische  aufgegangen  ist. 

Doch  um  zu  unserem  Köpfchen  zurückzukehren:  wen  stellt  es  dar?  Der 
Zopf  bezeichnet  offenbar  nur  die  Jugend  des  Knaben;  er  findet  sich  selten  in 
so  früher  Zeit  an  Knaben;  doch  kann  ich  eine  Grabstele  des  4.  Jahrhunderts  aus 
os  nennen,  wo  ein  allein  dargestellter  stehender  Knabe  einen  ebensolchen 
Zopf  hat.6  Ich  möchte  in  dem  brauronischen  Kopfe  einen  Eros  vermuten.  Das 
schmalwangige  feine  Gesicht,  der  Ernst  sowohl  wie  die  feine  Anmut  desselben 
und  sein  Lockenhaar  scheinen  mir  dazu  am  besten  zu  passen.     Ein  Eros  wäre 


1  VgL  was   ich    früher   in   den   Athen.  Mitt.  111  (1878)  S.  296   über   diese    bemerkte; 
ic  in  einem  Museum  zu  Argos  aufgestellt  worden  waren,  habe  ich  sie  wieder- 
hen   und   genauer  untersucht.     Die   von   den  Amerikanern  gefundnen  Stücke  kenne 
ich  noch  nicht. 

So  die  I  ragmente  einer  prachtvollen  schwebenden  Nike.    [The  Argive  Hcraeum  I 
:igler,  Berl.  phil.  Wochenschr.  1904  S.813.] 
Aren.  Zig.  1882,  S.363. 
1  Was  Waldstcin  Bb«  das  Verhältnis  des  Kopfes  zu  Polyklet  vorbringt  ist  nichts  als 
leere  Phrase.   |The  Argive  Heraeum  1  S.  162  ff.] 

Im  .Museum  zu  Argos  Nr.  503,  mit  der  Inschrift  Kijtpioödcfot  (erwähnt  Arch.  Anzeiger 
G  . .  667   abgab.  Journ.  Hell.  Stud.  1890  S.  101.] 


ZU  DEN  OLYMPISCHEN  SKULPTUREN.  335 


gewiß  auch  ein  der  Brauronia,  der  Göttin  der  Mädchen  und  Frauen,  genehmes 
Weihgeschenk  gewesen.  Ein  bekannter  Typus  sogenannter  melischer  Reliefs  stellt 
eine  Göttin  mit  Rehkalb,  also  wohl  Artemis,  in  Begleitung  von  Eros  auf  einem 
von  Greifen  gezogenen  Wagen  dar.1  Eros  hatte  in  Phlya  einen  alten  Kult;  leicht 
mochte  eine  Frau  von  dort  der  benachbarten  Brauronia  eine  Erosstatuette  stiften. 
Ist  unsere  Vermutung  richtig,  so  würde  das  brauronische  Köpfchen  eine  inter- 
essante Vorstufe  der  bekannten  Erostypen  des  4.  Jahrhunderts  darstellen.  Der 
palatinische  Erostorso2  zeigt  den  Rest  ähnlicher  kurzer  Locken  wie  unser  Kopf;  91 
der  Eros  von  Centocelle  hat  den  Zopf  auf  dem  Scheitel  und  ebenso  der  lysip- 
pische  Bogenspanner;3  sie  folgen  dem  in  dem  brauronischen  Köpfchen  vor- 
gebildeten Typus.  Dieses  ragt  indess  über  alles  Spätere  hervor  durch  jenen  Reiz 
der  Strenge  und  durch  jene  stille  Vornehmheit,  welche  alle  Werke  kennzeichnet, 
die  noch  an  Phidias  Richtung  anknüpfen. 


1  Mon.  d.  Inst.  I,  18,  1.     Bull,  de  corr.  hell.  III  S.  13.    Vgl.  Samml.  Sabouroff,  Vasen 
Einl.  S.  15f. 

2  Roschers  Lexikon  d.  Myth.  I,  S.  1360. 

3  Ebenda  S.  1362  f. 


BRONZE  AUS  OLYMPIA 

[ARCHÄOLOGISCHE  ZEITUNG  37,  1879] 
(Tafel  15  [=  Tafel  10]) 

|ie  auf  Tafel  15  [Tafel  10]  von  mehreren  Seiten  wiedergegebene  Bronze 
des  Berliner  Museums '  wurde  nach  Aussage  des  früheren  Besitzers  in 
Olympia  gefunden,  bevor  die  deutschen  Ausgrabungen  dort  begonnen 
hatten.  Diese  Angabe  wird  jetzt  bestätigt  nicht  nur  durch  die  Art  der  Patinierung 
der  Bronze,  sondern  auch  durch  drei  andere  ganz  ähnliche  Figuren,  die  während 
des  vierten  Ausgrabungsjahres  in  Olympia  zu  Tage  gekommen  sind,  [Olympia  IV 
S.  115  ff.  Bronzefunde  aus  Olympia  S.  62],  Sie  dienten  alle  als  Ansätze  an  große 
Bronzeblechkessel,  in  der  Art,  daß  der  Rand  der  letztern  mit  dem  oberen  Rande 
der  Flügel  und  dem  unteren  des  Brustbildes  abschnitt,  das  nun  darüber  hinaus 
nach  dem  Innern  des  Kessels  blickte.  Im  Rücken  befindet  sich  eine  Öse,  offenbar 
um  das  Aufhängen  des  ganzen  Kessels  zu  ermöglichen.  Die  Seitenansicht  auf 
unserer  Tafel  links  zeigt  sowohl  die  Öse,  als  auch  die  Lage,  in  welcher  das 
Ganze  an  dem  bauchigen  Kessel  zu  denken  ist. 

Die  beschriebene  Bestimmung  wird  über  allen  Zweifel  erhoben  durch  zwei 
weitere  Exemplare  des  vorliegenden  Typus,  die  noch  angenagelt  an  zwei 
gegenüberliegenden  Stellen  eines  außerdem  mit  Greifenköpfen  geschmückten 
Kessels  in  jenem  großen  Grabe  von  Praeneste  sich  gefunden  haben,  dessen 
Inhalt  in  den  Mon.  dell'  Inst.  1876  und  1879  veröffentlicht  ist  ([X  Taf.  31— 33.  XI 
Taf.2]  der  Kessel  XI  Taf.  2,  10). 

Nicht  weniger  interessant  ist  eine  Tatsache,  die  zu  den  Fundorten  Olympia 
und  Praeneste  das  innere  Asien  gesellt:  zwei  fernere  Exemplare  sind  in  Armenien 
gefunden  worden,  und  zwar  das  eine  in  der  Stadt  Wan  am  gleichnamigen  See 
(jetzt  im  Museum  zu  Konstantinopel).2 

Als  den  sämtlichen  acht  aufgezählten  Stücken  gemeinsam  ist  insbesondere 
hervorzuheben,  daß  Flügel  und  Schwanz  nicht  von  dem  menschlichen  Körper, 
sondern   von    einem    halbkreisförmigen  Bande  ausgehen,   das   durch   den  leeren 

Seitenansicht  des  Kopfes  rechts  ist  Originalgröße  [jetzt  ungefähr  zwei  Drittel]; 
zwei  Drittel  [jetzt  ungefähr  die  Hälfte].    Bis  auf  das  Loch  in  dem  Kopfe  und 
die  abgerieben  spitze  ist  die  Bronze  unversehrt. 

'  Von   dem   andern  wird   der  Fundort   nicht   genauer  angegehen.     Beide  sind  nach 
-  iphien    abgebildet   im  Bull,  de  l'Academic  des  scicnccs  de  St.  Petersbourg  1871 
'.  und  besprochen  von  Brosset    Den  Hinweis  auf  diese  Publikation  verdanke  ich 
ru  Dr.  Treu.   [Olympia  IV  s.  117.  Fouilles  de  Delphes  V  S.  80.) 


Bronze  aus  Olympia.  337 


Zwischenraum  zu  beiden  Seiten  der  Öse  noch  deutlicher  hervortritt.  Die  Arme 
sind  immer  ausgestreckt  und  an  die  Flügel  angelegt,  gleichsam  um  dieselben 
fest  an  den  Kessel  zu  drücken;  zur  Befestigung  an  den  letzteren  dienen  konstant 
drei  Nägel  durch  die  Flügel  und  den  Schwanz.  Das  Brustbild  ist  immer  be- 
kleidet mit  faltenlos  anliegendem  Gewände,  das  in  feiner  Gravierung  mit  Zickzack 
oder  auch  Rosetten  verziert  zu  sein  pflegt.  Ebenso  ist  in  der  Regel  das  Ge- 
fieder mit  Sorgfalt  graviert,  wie  dies  in  besonderem  Maße  an  dem  vorliegenden 
Exemplare  geschehen  ist. 

Gemeinsam  ist  endlich  allen  Stücken,  bis  auf  ein  noch  später  zu  erwähnen- 
des, der  Typus  des  Gesichtes,  und  gemeinsam,  mit  Ausnahme  von  zweien,  auch  181 
die  Haartracht.1  Die  starke,  etwas  gekrümmte  Nase,  die  vollen  dicken  Lippen 
und  vor  allem  die  großen,  von  dicken  Wülsten  umgebenen  und  ins  Profil  ge- 
stellten Augen,  kurz  der  ganze  Gesichtstypus  stimmt  überein  mit  dem  der  assyri- 
schen Kunst  eigentümlichen.  Ebenso  ist  die  Haartracht  im  wesentlichen  assyrisch; 
es  fehlt  nur  die  Angabe  der  kleinen  Löckchen  am  untern  Ende  der  auf  die 
Schultern  fallenden  runden  Wülste.  Nur  ein  Exemplar  (Ausgrabungen  von  Olym- 
pia IV,  Taf.  23,  7,  [Olympia  IV,  783])  zeigt  einen  Bart;  auch  dieser  ist  assyrisch 
behandelt,  d.  h.  nicht  spitz  und  vorspringend  wie  der  altgriechische,  sondern 
unten  gerade  abgeschnitten  und  ganz  am  Körper  anliegend,  dazu  durch  Quer- 
streifen in  drei  Etagen  gegliedert.  Doch  nicht  nur  diese  Einzelheiten,  zu  denen 
auch  noch  das  faltenlose  verzierte  Gewand  zu  rechnen  ist,  sondern  das  Ganze, 
die  seltsame  Kombination  der  von  Mensch  und  Vogel  genommenen  Teile  ist 
assyrischen  Ursprungs.  Das  Original  ist  nämlich  jene  in  den  assyrischen  Reliefs 
gewöhnliche  Darstellungsweise  des  obersten  Gottes  „Asshur"  als  Brustbild  inner- 
halb eines  Kreises,  an  welchen  sich  Vogelschwanz  und  Flügel  anschließen  (Raw- 
linson,  Five  Great  Monarchies  2 II,  4).  Die  Perser  übernahmen  dies  Emblem  für 
ihre  oberste  Gottheit,  und  so  sehen  wir  es  unzählige  Male  auf  persischen  Reliefs 
und  babylonischen  und  persischen  Zylindern.2  Nur  eine  geringe  Umbildung 
war  nötig,  um  einen  dekorativen  Kesseiansatz  daraus  zu  machen:  das  Brustbild 
mußte  seine  Arme  ausbreiten,  um  die  Flügel  an  den  Kessel  zu  drücken,  und 
statt  des  ganzen  Kreises  ward  bloß  der  untere  Halbkreis  belassen. 

Die  Frage,  wer  diese  ebenso  einfache  als  geschickte  dekorative  Umbildung 
gemacht,  oder  wo  die  Kessel  mit  solcher  Verzierung  fabriziert  wurden,  kann 
vorerst  nur  sehr  unbestimmt  beantwortet  werden.  Obwohl  die  in  Armenien  ge- 
fundenen Exemplare   sowie   der  oben  hervorgehobene  speziell  assyrische  Typus 


1  [Vgl.  hierzu  Furtwängler,  Sitzungsber.  der  K.  Bayer.  Akademie  1906  S.  473.] 
J  S.  Lajard,  Rech,  sur  le  culte  de  Mithra  Taf.  1  ff.   Im  Gegensatze  zur  älteren  assyri- 
schen Darstellungsweise  tritt  hier  das  Brustbild  meist  oben  über  den  Kreis  heraus,   und 
zwischen   Flügel   und   Schwanz   werden  Vogelbeine    oder   Bänder   eingeschoben.   —   In 
Phönikien  kommt  es  mit  der  ägyptischen  Uräusschlange  verbunden  vor,  s.  Renan,  Mission 

de  Phenicie  Taf.  9. 

99 
A.  Furtwängler.    Kleine  Schriften  I.  ** 


Bronze  mjs  Olympia. 


darauf  führen  würden,  die  Assyrer  selbst  als  Fabrikanten  anzunehmen,1 
spricht  doch  manches  dagegen.  Schwerlich  werden  diese  selbst  eine  ihnen 
Götterbildung  rein  dekorativ  verwendet  haben.  Dasselbe  gilt  für  die 
Perser,  zu  welchen  indess  schon  die  Zeit  nicht  passen  würde;  denn  jener  Grab- 
fund von  Palestrina  läßt  sich  kaum  unter  die  erste  Hälfte  des  sechsten  Jahr- 
hunderts herabdatieren. 

Ks  muß  auch  daran  erinnert  werden,  daß  wenigstens  eines  unserer  Exemplare 
isgrabungen  von  Olympia  IV,  Tafel  23,  8,  [Olympia  IV,  784])  einen  Gesichts- 
typiis zeigt,  der  völlig  abweicht  von  dem  der  übrigen  und  dem  assyrischen, 
indem  die  Nase  weit  vorspringt  und  statt  gekrümmt  zu  sein  in  einen  Knollen 
endet;  an  demselben  Kopfe  ist  auch  die  Tracht  der  Haare  etwas  anders,  indem 
sie  unten  gerade  abgeschnitten  erscheinen.  Interessanter  ist  die  andere  abweichende 
1  [aartracht,  die  an  einem  der  in  Armenien  gefundenen  Exemplare  vorkommt. 
Die  Haare  fallen  nämlich  nach  hinten  in  Gestalt  von  sechs  kurzen,  aber  dicken 
und  sorgfältig  gedrehten  Locken  auf  die  Schultern.  Dieselbe  Haartracht2  be- 
gegnet uns  auf  assyrischen  Reliefs  nicht  selten,  aber  niemals  an  Assyrern  selbst, 
sondern  an  ihren  Feinden,  den  Gefangenen,  den  Gesandten  und  zwar  offenbar 
verschiedener  umliegender  Landschaften.3  Endlich  muß  erwähnt  werden,  daß  die 
Gewandung  an  einem  der  Exemplare  (dem  bärtigen  aus  Olympia),  obwohl  falten- 
182  los  anliegend,  doch  deutlich  in  einen  Chiton  und  über  die  Schultern  gelegten 
Mantel  geschieden  ist.    Auch  dies  weist  von  Assyrien  weg. 

Die  Phöniker  waren  es  ohne  Zweifel,  welche  die  in  Praeneste  gefundenen 
Stücke  dahin  brachten;  und  wahrscheinlich  ist  dasselbe  für  die  in  Olympia,  ja 
auch  für  die  in  Armenien  gefundenen.  Ob  aber  die  Phöniker  auch  als  die  Ver- 
fertiger  gelten  dürfen,  oder  ob  es  nicht  vielmehr  die  zunächst  unter  assyrischem 
Einflüsse  stehenden  griechischen  Ansiedler  am  östlichen  Rande  des  Mittelmeeres 
waren,  kann  vorerst  noch  nicht  entschieden  werden.4 


1  Vgl.  die   tpogjla . .  .'AaavQia,    welche   die  Phöniker   in   ältesten   Zeiten   nach   dem 
;cn  brachten    Herod.  I,  1). 

J  Irrig  ist  der  vom  Herausgeber  im  Bull.  a.  a.  O.  gezogene  Vergleich  mit  der  Haar- 
tracht auf  den  Münzen  der  Arsakidcn  und  ältesten  Sassaniden. 

1  So  in  den  Reliefs  von  Khorsabad,  welche  die  in  den  verschiedensten  Gegenden 
geführten  Kriege  des  Königs  Sargon  darstellen;  s.  Botta,  Monum.  de  Niniveh  Taf.  82; 
L 19  Ms;  36ff.;  104;  106;  123—129;  131ff.;  31  ff.  Aus  Koyunjik  s.  Place,  Niniv.  et 
lAssyr.  Taf.  48;  58,2.  4;  60,  3.4;  64—66;  fremde  Musiker  59,  3.  In  einigen  Fällen  scheinen 
/icll  Babylonier  gemeint  (Rawlinson,  Five  Gr.  Mon.  2II,  499),  wozu  ein  altägyptisches 
RdieJ  ml  fangen«]  zu  vergleichen  ist  (I.eemans,  Mon.  egypt.  ä  Lcyde  I  Taf.  33), 

•iner  jene  Haartracht,   die  Frauen  den  Babylon  eigentümlichen  stufenförmigen 
Chiton  tragen. 

*  [An-  imeu  III  S.  6S,  1   und  Sitzungsberichte  der  Bayer.  Akademie  d.  W.  1906 

ler  Sinope  als  Ursprungsort  angenommen.) 


DIE  BRONZEFUNDE  AUS  OLYMPIA  UND  DEREN 
KUNSTGESCHICHTLICHE  BEDEUTUNG 

(ABHANDLUNGEN  DER  KGL.  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN  ZU 
BERLIN,  1879,  PHILOS.-HISTOR.  KL.,  ABH.  IV)1 


ie  folgende  Arbeit  soll  einen  kurzen,  aber  ungefähr  vollständigen  Über-  3 
blick  über  dasjenige  geben,  was  bis  Mitte  Juni  1879  an  Bronzegegen- 
ständen durch  die  deutschen  Ausgrabungen  in  Olympia  zu  Tage  ge- 
kommen ist.  Der  Verfasser  möchte  damit  den  Fachgenossen  eine  vorläufige 
Vorstellung  vermitteln  von  der  Art  und  der  historischen  Bedeutung  einer  großen 
Menge  olympischer  Funde,  auf  welche  in  den  bisherigen  Berichten  und  Publi- 
kationen noch  kaum  Rücksicht  genommen  werden  konnte. 

Es  lagen  bis  zu  dem  erwähnten  Zeitpunkte  nicht  weniger  als  sieben  ein  halb 
Tausend  inventarisierte  Bronzegegenstände  vor,  deren  eine  Hälfte  allein  dem 
vierten  Ausgrabungsjahre  verdankt  wird.  Da  mit  dem  letztern  die  Ausgrabung 
der  Altis  selbst  im  wesentlichen  beendet  war  und  da  ferner  fast  alle  charak- 
teristischen Erscheinungen  unter  den  Bronzefunden  nicht  in  vereinzelten  Stücken 
sondern  bereits  in  einer  Fülle  von  Exemplaren  vorliegen,  so  darf  der  Versuch 
eines  Überblickes  wenigstens  nicht  als  verfrüht  erscheinen. 

Über  die  Art,  wie  und  in  welchen  Schichten  jene  Menge  von  Bronzen  ge- 
funden wurde,  sei  vorläufig  bemerkt,  daß  die  oberste  oder  byzantinische  und 
spätrömische  Fundschicht  nur  wenig  und  in  der  Regel  Unbedeutendes  enthält; 
der  Fund  der  großen  Bronzetafel  des  Damokrates  (Ausgrabungen  von  Olympia,2 
Bd.  I  Taf.  21  [V,  39])  in  dieser  Schicht  war  eine  zufällige  Ausnahme.  Von  dem 
ganzen  großen  Statuenvorrate  der  Altis,  der  eben  in  dieser  Schicht  liegen  müßte, 
hat  uns  jene  bronzegierige  Spätzeit  gar  nichts  übrig  gelassen.  Die  unteren  4 
Schichten  hingegen,  welche  aus  den  Ablagerungen  der  klassischen  Periode  selbst 
entstanden  sind,  enthalten  eine  Fülle  von  Bronzen  und  zwar  gewöhnlich  in  der 


1  [Die  auf  der  zugehörigen  Tafel  abgebildeten  Stücke  sind  im  vorliegenden  Abdruck 
im  Text  nach  dem  großen  Olympiawerk  wiedergegeben,  nur  4  a.  b.  c,  die  nur  schematische 
Bilder  des  Ornamentsystems  bieten,  müssen  nach  der  ursprünglichen  Tafel  wiederholt  werden.] 

2  [Zu  den  Zitaten  dieser  älteren  Publikation  ebenso  auch  tunlichst  zu  den  nur  mit 
Inventarnummer  angeführten  Stücken  sind  die  entsprechenden  Verweise  auf  das  endgültige 
Olympiawerk  durchgehend  in  eckigen  Klammern  hinzugefügt,  wobei  die  römische  Ziffer 
den  Band,  die  arabische  die  laufende  Nummer  angibt.] 

22* 


340    Dn  Br  NPI   aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 


untersten  Lage  das  meiste.  Offenbar  waren  diese  Gegenstände  bereits  in  alter 
Zeit  entweder  zufällig  in  den  Boden  getreten  oder  als  unbrauchbar  weggeworfen 
worden.  Hieraus  erklärt  sich  auch  der  im  allgemeinen  schlechte  Erhaltungs- 
zustand derselben.  Die  größeren  Objekte  treten  fast  nur  in  einzelnen  Fragmenten 
auf  und  ein  Bild  des  Ganzen  ist  nur  durch  Kombination  zu  gewinnen.  Ganz 
im  Gegensatze  zu  den  Funden  vollständiger,  sorgfältig  beigesetzter  Gegenstände 
in  antiken  Gräbern,  besteht  die  Masse  der  Bronzen  Olympias  eigentlich  nur  in 
den  Abfällen  der  antiken  Zeit,  in  kleinen,  damals  wertlosen  Dingen  oder  einzelnen 
Fragmenten  größerer  Gegenstände. 

Die  wichtigsten  Rubriken,  unter  welche  sich  die  gesamten  Funde  bringen 
lassen,  sind  folgende.  Zunächst  Geräte  aller  Art,  voran  Gefäße,  unter  welchen 
die  Dreifüße  mit  ihren  Füßen  und  Ringhenkeln,  sowie  die  umfänglichen  Blech- 
kessel mit  dem  zugehörigen  Schmucke  weit  überwiegen;  dann  Waffen,  Helme, 
Schilde,  Beinschienen,  Teile  von  Panzern,  Lanzen-  und  Pfeilspitzen;  ferner 
Schmuckgegenstände,  Armringe,  Fibeln,  Nadeln  usw.,  allerlei  kleineres  Ge- 
räte, auch  Gewichte  und  Masken.  Zahlreich  sind  ferner  die  Reste  von  Blech- 
verkleidungen, teils  durch  getriebenes  Relief,  teils  durch  Gravierung  ge- 
schmückt. Von  den  Statuetten  besteht  weitaus  das  meiste  in  ganz  primitiven 
rohen  Tier-  und  Menschenbildungen.  —  Um  historische  Gruppierung  in  diese 
Funde  zu  bringen,  benutzen  wir  als  erste  sichere  Basis  die  Art  der  Fundschicht 
selbst,  in  welcher  sie  zu  Tage  kamen.  Diese  bietet  in  der  Tat  für  eine  Reihe  von 
Gegenständen  wenigstens  einen  sicheren  terminus  ante  quem. 

Die  unterste,  an  Bronzen  sehr  reichhaltige  Fundschicht,  die  sich  rings  um 
den  Zeustempel  erstreckt,  befindet  sich  nämlich  unter  einer  beim  Bau  des 
Tempels  selbst  aufgeschütteten  Schicht,  dem  sog.  Bauschutte  desselben;  dieselbe 
gehört  also  der  Periode  vor  der  Erbauung  des  Tempels  an.  Die  Zeit  der 
letzteren  läßt  sich  aber  hinreichend  genau  bestimmen:  sie  muß  zwischen  Ol.  75 
und  80  fallen.  Inwiefern  sich  dies  Datum  ergibt  (mit  Ausschluß  ebenso  von 
5  historischen  wie  rein  architektonischen  Gründen),  habe  ich  in  der  Arch.  Zeitung 
1879  S.  44  und  151  [oben  S.  260  und  274]  angedeutet:  Die  Basis  des  Weih- 
geschenkes des  Praxiteles  liegt  ebenso  wie  die  des  Werkes  des  Onatas  noch 
unter  dem  Tempelbauschutte;  das  Bathron  der  Anatheme  des  Smikythos  (a.  O. 
S.  151  [oben  S.  274])  befindet  sich  bereits  über  demselben.  Die  Anhäufung  der 
Schicht  des  Bauschuttes  fällt  also  in  die  Zwischenzeit  zwischen  jene  beiden 
Gruppenwerke.  Nun  sind  aber  die  Weihgeschenke  des  Smikythos  sicher  später 
als  OL  78,  jedoch  kaum  viel  über  Ol.  80  zu  setzen,  und  die  Basis  des  Praxiteles 
vohl  wie  die  des  Onatas  verbieten  andererseits  Paläographie,  historische  Ver- 
hältnisse (Praxiteles)  und  Künstlerchronologie  (Onatas)  viel  vor  Ol.  75  anzusetzen. 
Schon  hierdurch  wird  die  Annahme  unmöglich,  daß  der  Tempelbau  etwa  schon 
in  viel  früheren  Zeiten  begonnen  und  erst  später  vollendet  worden  sei;  jetzt  er- 
kennen wir  außerdem  am  Baue  selbst,  daß  er  vollkommen  aus  einem  Gusse  ist, 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    341 


wie  denn  auch  die  Schicht  des  Bauschuttes  eine  durchaus  einheitliche  ist.  Be- 
stätigung erhält  unser  Schluß  auf  den  terminus  post  quem,  außerdem  zunächst 
durch  ein  Steinmetzzeichen  1  an  einem  Geisonblocke  des  Tempels,  das  die  jüngere 
Form  des  Alpha  zeigt: 2  A  [II,  S.20.  V,  669],  und  ferner  durch  die  bekannten  Tempel- 
skulpturen; denn  von  diesen  müssen  wenigstens  die  Metopen  bereits  als  fertige 
Tafeln  gleichzeitig  mit  der  Erbauung  des  Ganzen  eingelassen  worden  sein;  da 
die  Giebelstatuen  nicht  nur  in  der  gesamten  technischen  Ausführung,  sondern 
auch  in  wesentlichen  Stilmerkmalen  mit  den  Metopen  übereinstimmen  und  also 
zeitlich  nicht  viel  verschieden  sein  können,  so  werden  auch  sie  zugleich  mit  der 
Erbauung  des  Giebeldaches  gemacht  sein  [vgl.  oben  S.  319].  Nun  läßt  sich  aber 
der  Stil  dieser  Skulpturen  über  Ol.  80  nicht  wesentlich  zurückdatieren,  wohl  aber 
läßt  er  sich  als  gerade  diesem  Zeitpunkte  zukommend  erweisen,  was  auszuführen 
indeß  hier  nicht  der  Ort  ist. 

Vereinigen  sich  also  alle  Momente  zu  der  Datierung  des  Tempelbaues,  so 
gewinnen  wir  auch  für  alle  unter  dem  Bauschutte  gefundenen  Gegenstände  das  6 
sichere  Resultat,  daß  sie  älter  sind  als  Ol.  80.  Ja  wir  können  noch  etwas  weiter 
gehen,  indem  wir  dies  letztere  allgemeine  Resultat  auf  die,  übrigens  wenig  zahl- 
reichen, Objekte  beschränken,  die  zwischen  den  einzelnen  Schichten  des  Bau- 
schuttes gefunden  sind,  der  an  einigen  Stellen  die  Stärke  von  1  Meter  und 
darüber  erreicht  und  abwechselnd  aus  Sand  und  Porosbrocken  besteht.  Doch 
die  Bildung  der  darunter  befindlichen  meist  tiefschwarz  gefärbten  Schicht  von 
0,20— 0,60  Stärke  erforderte  wohl  Jahrhunderte,  da  sie  ohne  alle  Trümmeranhäufung, 
lediglich  durch  Verwesung  organischer  Substanzen,  entstanden  scheint.  So  ist 
es  denn  überwiegende  Wahrscheinlichkeit,  daß  die  in  ihr  bereits  enthaltenen 
Gegenstände  nicht  erst  zu  allerletzt  hereingetreten  wurden,  sondern  den  voran- 
gegangenen Jahrhunderten  ihrer  Bildung,  also  vom  6.  Jahrhundert  aufwärts  bis 
zu  den  Anfängen  Olympias  angehören.3 

Diese  unterste  schwarze  Schicht,  mit  den  zahlreichen  Bronzen,  ist  indess  in 
einem  großen  Teile  der  Altis  zu  verfolgen;  ihre  Gleichmäßigkeit  und  das  Fehlen 

1  Das  einzige  sichere  das  ich  am  Zeustempel  bemerkt.  Das  Marmordach  desselben, 
mit  sehr  zahlreichen  von  mir  gesammelten  Versetzungsmarken,  scheint,  wie  eben  aus 
diesen  hervorgeht,  erst  einige  Zeit  nach  der  Erbauung  des  Tempels  zugefügt  und  ist 
später,  in  römischer  Zeit,  umfassend  restauriert  worden.    [Vgl.  oben  S.  278.] 

2  Höhe  des  Buchstabens  0,16. 

3  Etwas  anders  liegen  die  Verhältnisse  in  einem  sonst  verwandten  Falle,  nämlich 
den  von  Roß  unter  und  in  dem  Bauschutte  des  Parthenon  an  dessen  SOEcke  ge- 
machten Funden  (s.  Arch.  Aufs.  I,  104;  138  ff.);  bei  diesen  ist  namentlich  den  bekannten 
rotfigurigen  Vasenfragmenten  (a.  O.  Taf.  9,  10)  gegenüber  aufs  schärfste  zu  betonen,  daß 
dieselben,  den  Fundumständen  nach,  keineswegs  wie  gewöhnlich  angenommen  wird 
(nach  dem  Vorgange  von  Roß  a.  O.  140),  vor  die  Einäscherung  der  Burg  durch  die 
Perser,  sondern  nur  vor  den  Beginn  des  Perikleischen  Neubaues  fallen  müssen,  wodurch 
sie  denn  alles  Befremdliche  verlieren.  Vgl.  indess  Pervanoglu,  Bull.  d.  Inst.  1867,  81,  der 
spätere  Aufschüttung  vermutet.  [Furtwängler  im  50.  Berliner  Winckelmannsprogramm  S.  162.] 


342    Die  Bs  nde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 


brocken  oder  sonstigen  Trümmern  bieten  hinlängliche  Gewähr,  daß 
die  Fundstücke  aus  ihr  in  der  Regel  sehr  alter  Zeit  angehören.  Es  gibt  daneben 
freilich  auch  Stellen,  die  sich  als  schon  im  Altertume  aufgewühlt  erweisen  und 
daher  Gegenstände  sehr  verschiedener  Epochen  enthalten.  —  Nur  ein  Fundort 
sei  hier  noch  besonders  erwähnt:  Zwischen  der  Westfront  des  Metroons  und  dem 
davor  befindlichen  Altare  lag  die  unterste  tiefschwarze  Schicht  mit  einer  Unzahl 
kleiner  Votivgegenstände,  nicht  weniger  als  1  Meter  tiefer  als  die  Unterkante 
der  Fundamente  des  Metroons;  sie  muß  beträchtlich  älter  sein  als  der  Bau  dieses 
Tempels;  denn  über  ihr,  doch  immer  noch  tiefer  als  die  Fundamente  des  letzteren, 
lag  zwischen  dem  gelben  Sande  noch  eine  zweite  Humusschicht  mit  Votivgegen- 
•.anden.  Der  Bau  des  Metroons  scheint  freilich  seinen  architektonischen  Formen 
nach  kaum  mehr  ins  5.  Jahrhundert  zu  gehören.1 

Außer  den  besprochenen  Fundumständen  benützen  wir  als  Basis  für  die 
historische  Betrachtung  unserer  Bronzen,  die  Vergleichung  der  ungefähr  datier- 
baren verwandten  Funde  anderer  Orte. 

Hier  tritt  uns  vor  allem  die  Tatsache  entgegen,  daß  Reste  derjenigen  Kultur, 
die  wir  sonst  in  Griechenland  als  die  älteste  kennen  und  die  ich  der  Kürze 
halber  nach  ihrem  Hauptfundorte  die  „mykenische"  nennen  will,  in  Olympia 
vollständig  fehlen.  Wir  finden  keine  steinernen  Geräte,  keinen  Obsidian,  keinen 
Bernstein,  vor  allem  aber  keine  der  verschiedenen  Gattungen  der  so  charak- 
teristischen „mykenischen"  Vasen fragmente,  die  an  den  alten  Kulturstätten  des 
östlichen  Griechenlands,  Böotiens  und  der  Inseln  fast  nirgends  zu  fehlen  scheinen 
und  dort  auch  außer  Gräbern  zahlreich  vorkommen.2  Noch  wichtiger  ist  indess, 
daß  überhaupt  die  in  den  „mykenischen"  Altertümern  herrschenden  Dekorations- 
systeme in  den  olympischen  Funden  nicht  vertreten  sind. 

Dagegen  lassen  sich  in  den  ältesten  Bronzen  Olympias  genau  diejenigen 
Dekorationssysteme  erkennen,  welche  als  die  unmittelbar  auf  die  „mykenischen" 
folgenden  nachgewiesen  werden  können.  Der  Nachweis  dieses  Satzes  wird 
uns  im  folgenden  beschäftigen. 

Die  hierher  gehörigen  Bronzen  zerfallen  sofort  in  zwei  scharf  geschiedene 
Gruppen,  von  denen  die  eine  ausschließlich  geometrisch  lineare,  die  andere  vor- 
wiegend pflanzliche  und  sogenannte  orientalische  Tiermotive  verwendet.  Wir 
betrachten  zunächst  die  erste  Gruppe. 

Bei  der  Untersuchung  über  die  „geometrische"  Dekorationsweise  in 
Olympia  gehen  wir  von  der  Überzeugung  aus,  daß  man  zu  sicheren  Resultaten 
nur  gelangen  wird,  wenn  man  bestimmte,   an  bestimmten  Orten  zu  verfolgende 

h  auch  unter  den  Fundamenten  des  viel  älteren  Heraions  zieht  sich  eine  erst 
ganz  neuerdings  (im  5.  Jahre)  entdeckte  Schicht  mit  Votivgcgenständcn  hin.  [Olympia  IV  S.  2. 
ber.  (1.  bayer.  Akad.  d.  W.  1906  S.  467.) 

langen  hierüber  wird  die  von  G.  Löschcke  und  mir  vorbereitete 
.;abe  .mykenisdicr  ToageOfic  enthalten.    [Mykenische  Vasen,  1886.] 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.  343 

Systeme   derselben   unterscheidet.    Nur  wo  ein   ausgesprochenes  System  nicht 
nur  in  den  ihm  speziell   eigentümlichen  Elementen,  sondern   auch  in  deren  be- 
sonderer Zusammensetzung  sich  an  mehreren  Orten  wiederfindet,  darf  eine  Über-  8 
tragung   angenommen  werden.     Das  genaue  Konstatieren  des  Vorkommens  und 
der  Verbreitung  jeglichen  Systems  ist  natürlich  Grundbedingung.1 

Das  älteste  auf  griechischem  Boden  vorhandene  geometrische  System  ist 
in  derjenigen  Gruppe  ältester  „mykenischer"  Tongefäße  enthalten,  welche  sich 
namentlich  in  den  Gräbern  der  mykenischen  Akropolis  fand  und  sich  matter 
Farben  bedient;2  eine  wichtige  Eigentümlichkeit  desselben  ist,  daß  es  zwar  die 
Spirale  liebt,  aber  die  konzentrischen  Kreise  nicht  verwendet. 

Die  so  zahreichen  cyprischen  Vasen  repräsentieren  hauptsächlich  zwei 
geometrische  Systeme,  von  denen  das  eine,  einfachere,  durch  die  gravierten  Ge- 
fäße, das  andere  durch  die  mit  matter  Farbe  bemalten  vertreten  ist.  Das  letztere 
liebt  namentlich  die  konzentrischen  Kreise,  verbindet  sie  jedoch  nicht  durch 
Tangenten.  Das  hohe  Alter  dieser  cyprischen  Gattung  geht  daraus  hervor,  daß 
ein  Exemplar  derselben  in  den  unter  Bimsstein  vergrabenen  uralten  Nieder- 
lassungen auf  Santorin  gefunden  wurde3  und  zwar  mit  anderen  Gefäßen,  von 
denen  wenigstens  ein  Teil4  aus  denselben  Fabriken  stammt  wie  die  ältesten 
mykenischen  Vasen,  d.  h.  die  der  Gräber  der  Burg.  Ein  indess  offenbar  späteres 
Exemplar  dieser  selben  cyprischen  Gattung  läßt  durch  die  eingebrannte  phöni- 
kische  Inschrift5  schließen,  daß  die  Fabrikation  derselben  in  den  Händen  der 
Phöniker  auf  Cypern  war. 

Ein  anderes  geometrisches  System   erscheint  auf  einer  (seltenen)   Gattung 
von  Gefäßen  aus  Böotien,6  welche  dort  unmittelbar  auf  die  „mykenische"  zu 
folgen   scheint;  wieder  ein  anderes   auf  einer  alten  Vasenklasse  aus  Apulien, 
die  namentlich  in  der  Technik  der  cyprischen   nahe  steht,   doch  in  Formen  und  9 
Dekoration  einen  durchaus  eigenen  Charakter  trägt.7  —  Bekannt  ist  endlich  das 


1  Diese  Forderungen  wurden  schon  von  Conze  in  seinen  grundlegenden  Aufsätzen 
Zur  Gesch.  d.  Anfänge  gr.  Kunst,  Wien  1870  und  1873,  gestellt.  [Furtwängler,  Sitzungsber.  der 
K.  Bayer.  Akademie  1906  S.  480.] 

2  Siehe MykenischeTongefäße,  herausgegeben  von  A.Furtwängl  er  und  G.Löschcke. 
1879.   S.  2  und  die  Nr.  1-7,  13,  16—18,  20,  24-27,  36,  47,  51-54. 

3  Abgebildet  bei  Fouque,  Santorin  et  ses  eruptions.  Paris  1879.  Taf.  42,  6.  Zu  ver- 
gleichen mit  Archaeologia  45,  I,  Taf.  10,  2  aus  Cypern. 

4  Die  hierher  gehörigen,  noch  nirgends  veröffentlichten  Stücke  befinden  sich  in  der 
Sammlung  der  Ecole  Francaise  zu  Athen.    [Vgl.  Myken.  Vasen  S.  18.] 

5  Cesnola-Stern,  Cypern  Taf.  V,  2. 

6  Exemplare  in  Athen  und  Karlsruhe;  unpubliziert.    [Arch.  Jahrbuch  1888  S.  325.] 

7  Die  Gattung  ist  nicht  häufig,  doch  sind  einzelne  (bisher  unbeachtete)  Exemplare  in 
den  meisten  Museen.  [Berlin  Nr.  248  ff.  Rom.  Mitt.  1897  S.  201.  1899  S.  13.  1904  S.  276. 
1908  S.  167.]  Aus  ihr  entwickelt  sich  mit  Beibehaltung  derselben  Technik  eine  spätere 
Gruppe,  die  zu  den  geometrischen  auch  Palmettenmotive  aufnimmt  und  nicht  älter  als  das 
ö.Jahrh.  sein  kann;   diese  Gruppe  ist  es  offenbar,   die  Fr.  Lenormant  in  einem  Reise- 


;    Da  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 

in  den    nordi tauschen  gravierten    und   gepreßten  Tongefäßen  (namentlich  aus 
den  alten  Nekropolen  bei  Chilis]  und  Bologna)  herrschende  System;  ebenso  wie 
ä  freilich  sehr  ärmliche  der  gravierten  Tongegenstände  aus  Troja. 

soll  hiermit  indess  keineswegs  behauptet  werden,  daß  diese  Systeme  alle 
völlig  spontan  entstanden  wären;  daß  dieselben  zum  Teil  von  einander  abhängen, 
ist  sehr  wahrscheinlich,  wenn  auch  schwer  zu  beweisen.  Es  soll  nur  das  Vor- 
handensein tatsächlich  ganz  verschieden  entwickelter  Systeme  geometrischer 
Dekoration  konstatiert  werden. 

Das  innerhalb  Griechenlands  weitaus  bedeutendste  dieser  Systeme  tritt  uns 
indess  in  jener  stattlichen  Vasengattung  entgegen,  welche  durch  die  Publikationen 
Conzes(Zur  Gesch.  der  Anfänge  griech.  Kunst.  1870 — 73)  und  Hirschfelds  (Mon. 
d.  Inst.  IX  Taf.  39.  40.  Ann.  d.  Inst.  1872  S.  131)  einigermaßen  zugänglich  gemacht  ist 
und  die  wir  nach  einem  Hauptfundorte  „Dipylon-Vasen"  nennen  wollen.  Eines  der 
am  meisten  charakteristischen  Elemente  dieses  Systems,  das  wir  in  keinem  der  anderen 
bisher  genannten  wiederfinden,  sind  nun  konzentrische,  mit  einem  Zentralpunkte 
versehene  Kreise,  welche  unter  sich  durch  Tangenten  zu  fortlaufenden  Reihen  ver- 
bunden sind,  die  wohl  zu  unterscheiden  sind  von  der  Spirale,  welche  hier  gar  keine 
Verwendung  findet.  Genau  dasselbe  Motiv,  verbunden  mit  den  dort  ebenfalls 
gewöhnlichen  Zickzackreihen,  ist  aber  das  Hauptelement  der  im  folgenden  zu  be- 
sprechenden olympischen  Bronzedekoration,  die  demnach  demselben  Systeme  wie 
jene  Vasen  angehört.  Der  Ursprung  jenes  Motivs  der  Kreise  lag  wahrscheinlich 
in  der  Gravierung  knöcherner  Gegenstände;  in  dieser  waren  an  allen  Orten  und 
durch  alle  Jahrhunderte  hindurch  konzentrische  Kreise  mit  Zentralpunkt  besonders 
10  beliebt;  so  sind  denn  auch  die  ältesten  Beispiele,  welche  dieselben  bereits  durch 
Tangenten  zu  einer  Reihe  verbunden  zeigen,  zwei  Elfenbeinbänder,  von  denen 
das  eine  im  Grabe  bei  Spata  (Bull,  de  corr.  hell.  1878  Taf.  13,  1),  das  andere  in 
der  derselben  jüngeren  „mykenischen"  Epoche  angehörigen  Tholos  bei  Menidi J 
gefunden  wurde.  Die  olympische  Bronzedekoration  setzt  indess  nicht  nur  diese 
bescheidenen  Anfänge,  sondern,  wie  die  mit  jenem  verbundenen  übrigen  Motive 
und  auch  die  zu  besprechenden  Tierbildungen  zeigen,  das  voll  entwickelte  System 
>raus,  wie  es  die  genannte  Vasengruppe  enthält. 

Diese  ist  jedoch,  wie  sich  aus  den  Tatsachen  der  Funde  mit  Sicherheit 
ergibt,  jünger  als  die  Blüte  der  „mykenischen"  Vasenmalerei,  der  sie  indess 
unmittelbar  gefolgt  zu  sein  scheint.-  Damit  erhalten  auch  die  jetzt  im  einzelnen 
zu  nennenden  olympischen  Bronzen  ihre  allgemeine  historische  Stellung. 

chtc  aus  Apulien  erwlhnt  als  in  Canosa  in  denselben  Gräbern  mit  schwarz-  und  rot- 
rigen  griechischen  Vasen  gefunden  (Academy,  Jan.  3,  1880  S.  14  [Gazette  arch.  1881 
7.   Pottler,  Catalogue  des  vases  antiques  II  S.  372  ff.];  eine  ähnliche  die 
ebend  •  alabrlen  erwähnte).   [Vgl.  Rom.  Mltt.  1910  S.  168.) 

1  [Kuppelgrab  bei  Menldl  Taf.  6, 15.] 

■   wird   die  erwähnte  vorbereitete  Publikation  von  G.  Löschcke  und  mir 
da1 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    345 


Am  deutlichsten  tritt  die  besprochene  Dekoration  in  einer  großen  Anzahl  von 
1 — 2  Millimeter  starken  und  4 — 10  Centimeter  breiten  Bronzestreifen  zu  Tage, 
welche   in   sorgfältiger   Gravierung    jene  Kreise   durch  Tangenten   verbunden 
zeigen.    Umsäumt  werden  diese  Reihen  gewöhnlich  durch  kleine  runde  Zäckchen 
oder  ein  ganz  einfaches  Flechtmotiv.    Die  gewöhnlichste  und  einfachste  Gattung 
dieser  Streifen  hat  sich  ganz  identisch  wie  in  Olympia  so  in  Dodona  gefunden 
(Carapanos,  Dodone  Taf.  49,  16.  17.  18.  21),  während  sie  mir  von  anderen  Orten 
nicht  bekannt  sind.     Die  reicheren,  von  denen  Fig.  1  [=  IV  Taf.  31  Nr.  589]  ein 
Beispiel  gibt,  zeigen  mehrere  Reihen  von  Kreisen  durch  Zickzackmotive  getrennt. 
Seltener  sind  Modifikationen,   wie  die,   daß  zwei  sich  kreuzende  Tangenten  die 
Kreise  verbinden  [IV,  585],  oder  kleinere  Kreise  mit  ihren  Tangenten  die  Haupt- 
reihe schräg   durchschneiden   (z.  B.  Inv.  Nr.  4634  [IV,  602]),   oder  der  Saum  als 
kleine    liegende    Dreiecke 
(Inv.   Nr.  2511    [IV,  619]), 
oder  einer  Blattreihe   ähn- 
lich   (Inv.   Nr.  6247) *    ge- 
bildet ist.    Ganz  vereinzelt 
steht    das    schöne,    unter 
Fig.2[=IVTaf.32Nr.621] 
abgebildete  Stück,  wo  die 
großen  Kreise  durch  Drei- 
ecke  verbunden   und   von 
strengen    Rosetten    gefüllt 
sind,    die   übrigens   schon 
in  den  ältesten  mykenischen 
Vasen  erscheinen  und  auch 

unserer  geometrischen  Dekoration  nicht  ganz  fremd  sind  (vgl.  Mon.  d.  Inst.  IX,  39;  11 
Conze,  Zur  Gesch.  der  Anfänge  griech.  Kunst,  1870,  Taf.  9,  2;   Schliemann, 
Mykenae  Taf.  21  Nr.  203,  von  „Dipylon-Vasen"). 

Die  Verwendung  dieser  gravierten  Streifen  wird  uns  leider  durch  kein  voll- 
ständig erhaltenes  Ensemble  klar.  Offenbar  dienten  sie  indess  im  allgemeinen 
als  Beschlag  und  Verkleidung  an  größeren  Geräten;  sie  erreichen  manchmal 
eine  Länge  bis  gegen  einen  Meter.  Die  breiteren  pflegen  entweder  am  Rande 
oder  mitten  im  Ornamente  (s.  Fig.  1)  in  regelmäßigen  Abständen  sorgfältig 
gebohrte  Nagellöcher  zu  haben;  andere  zeigen  an  der  einen  Seite  einen  über- 
greifenden Rand,  dienten  also  als  Randbeschlag  (z.B.  Inv.  Nr.  2511  [IV,  619]). 
Von  den  schmäleren  Streifen  haben  viele  an  der  einen  Seite  ganz  kleine,  regel- 
mäßig wiederkehrende  Ansätze,  die  wahrscheinlich  bestimmt  waren,  den  in  eine 
Holzplatte    eingelegten   Streifen    darin    festzuhalten.     Eine  Verwendung    dieser 

1  [Inv.  6247  ist  =  IV,  589  =  Fig.  1,  kann  also  mit  Recht  hier  nicht  genannt  sein.  Es 
ist  wohl  Inv.  6925  =  IV,  620  gemeint.] 


Fig.  1. 


us  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 


Streifen  etwa  zu  Gürteln  oder  dergl.  ist  wegen  ihrer  Dicke  unmöglich;   daß  ein 
:  derselben  wahrscheinlich  zu  Dreifüßen  gehörte,  werden  wir  weiter 
unten  sehen. 

Da  sich  diese  schönen  und  starken  Bronzestreifen  für  mancherlei  Verwendung 
wohl  eignen,  so  erklärt  es  sich,  daß  man  nicht  selten  Spuren  einer  doppelten 
Benutzung  findet.  In  der  Regel  charakterisiert  sich  die  spätere  Verwendung  da- 
durch, daß  die  Stücke  umgedreht  und  von  der  un verzierten  Rückseite  aus 
von  plumpen,  teilweise  viereckigen  Nägeln  durchschlagen  sind.  Das  Interessante 
dabei  ist,  daß  dies  keineswegs  bloß  in  späterer  Zeit;  sondern  nachweislich  schon 
in  sehr  alter  geschah;  denn  ich  selbst  konnte  dies  an  zweien  unter  dem  Bau- 
schutte des  Zeustempels  ausgegrabenen  Stücken  konstatieren  (Inv.  Nr.  4334  und 
4719),  gewiß  der  beste  Beweis  für  das  hohe  Alter  derselben.  — Auch  zerschnitt 


Fig.  2. 

man  jene  Streifen  in  Stücke;  so  kommen  kleine  achteckige  Ausschnitte  aus  den- 
selben vor,  die  von  großen  Nagellöchern  durchbohrt  sind  und  offenbar  nur  diesen 
Nigeln  als  eine  Art  Nagelkopf  dienten  (Inv.  Nr.  2124.  5084  [IV,  611]),  ja  einmal 
(Inv.  Nr.  6026  [IV,  680])  sind  zwei  kleine  geometrisch  dekorierte  Ausschnitte  mit 
einem  Nagel  zu  einem  Runde  vereinigt. 

Hauptsächlich  interessant  sind  indess  einige  dieser  Bronzestreifen,  die  auf  der 
einen  Seite  jene  geometrischen  Ornamente,  auf  der  anderen  aber  alte  In- 
chriften  zeigen.  Es  sind  bisher  drei  Stücke  bekannt,  von  denen  jedes  eine 
besondere  Beurteilung  verlangt.  In  dem  einen  (Arch.  Ztg.  1877  S.  48,  Inschr. 
aus  Olympia  Nr.  56  [V,  5])  ist  von  der  Ornamentseite  aus  eines  jener  plumpen, 
rohen,  viereckigen  Nagellöcher  eingeschlagen,  die  wir  als  Zeichen  späterer  Ver- 
wendung erkannt  haben;  ohne  Zweifel  ist  das  Loch  nicht  nur  später  als  die  In- 
schrift, sondern  auch  später  als  die  Ornamente.  Anders  ist  es  mit  Arch.  Ztg. 
141,  Nr.  185  [V,  8];  denn  hier  ist  das  Loch  klein,  rund,  sorgiältig  ge- 
bohrt und  völlig  übereinstimmend  mit  den  obwohl  ebenfalls  mitten  im  Zickzack- 
ornament   angebrachten,    doch    ohne   Zweifel    ursprünglichen    Nagellöchern    der 

1  abgebildeten  Platte;  dagegen  wird  die  Inschrift  offenbar  ein  wenig  verletzt. 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    347 

Noch  deutlicher  wird  uns  das  hieraus  zu  ziehende  Resultat  durch  Arch.  Ztg. 
1879  S.  47,  Nr.  223  [V,  3];  denn  hier  kann  bei  genauer  Untersuchung  kein 
Zweifel  sein,  daß  das  hier  ebenfalls  kleine,  runde,  sorgfältige  Loch  von  der 
Ornamentseite  eingebohrt  ist  und  daß  die  Inschrift  durch  dasselbe  etwas  ver- 
letzt wird.  Also  war  die  Inschrift  bereits  vorhanden,  als  die  Rückseite  mit  Orna- 
menten versehen  wurde,  mit  denen  das  Loch  gleichzeitig  ist.  Die  Inschriften 
sind  also  in  beiden  letzteren  Fällen  älter  als  die  Ornamente.1  Leider  läßt  sich 
die  Zeit  dieser  Inschriften  nicht  genauer  bestimmen,  obwohl  sie  wahrscheinlich 
ins  sechste  Jahrhundert  gehören;  ebensowenig  ist  uns  die  Zeit  bekannt,  nach 
welcher  derartige  Urkunden  in  Olympia  kassiert  werden  konnten.  Doch  wenn 
wir  auch  letztere  Frist  in  Anbetracht  des  im  allgemeinen  nicht  zu  bezweifelnden 
hohen  Alters  jener  geometrisch  verzierten  Streifen  uns  als  eine  möglichst  kurze 
denken  wollen,  so  ginge  aus  jener  Tatsache  doch  immer  hervor,  daß  diese 
Dekoration  in  Olympia  mindestens  noch  zu  Ende  des  sechsten  oder  Anfang  des 
fünften  Jahrhunderts  üblich  war,  was  auch  keinerlei  Bedenken  haben  würde;  ja 
wir  würden  ein  noch  längeres  lokales  Fortdauern  dieser  für  die  Technik  des 
Gravierens  auf  Bronze  so  ungemein  geeigneten  Dekorationsweise  für  sehr  möglich 
halten,  doch  erweisen  läßt  es  sich  nicht. 

Eine  der  hervorragendsten   Stellen   unter  den   Bronzefunden   von  Olympia 
nehmen  indess  die  außerordentlich  zahlreichen  Stücke  von  Dreifüßen  ein,  die 
ich  hier  anschließe,  weil  ihre  Dekoration  vollständig  auf  demselben  geometrischen  13 
System   beruht  wie   die  der  eben   besprochenen  gravierten  Streifen  und  Platten 
[IV  S.  72  ff.]. 

Es  ist  hier  natürlich  nur  von  der  Gattung  der  äva&rjfiartHol  rgmodeg  die 
Rede.  Bekanntlich  waren  solche  Dreifüße,  die  keinerlei  praktischem  Zwecke 
dienten,  ein  in  der  älteren  Zeit  ungemein  beliebtes  und  angesehenes  Weihgeschenk 
in  allen  Heiligtümern  des  Apollon,  vor  allem  aber  des  delphischen  und  ismeni- 
schen,  und  des  Dionysos;  ja  im  attischen  Kulte  des  letzteren  erhielt  es  sich  auch 
bis  in  spätrömische  Zeit.  Doch  Dreifüße,  und  zwar  in  großer  Anzahl,  in  der 
olympischen  Altis  zu  finden,  muß  in  der  Tat  zunächst  auffallend  erscheinen. 
Hat  doch  K.  O.  Müller  (Kunstarchäol.  Werke  I,  50)  sie  auf  Grund  der  Über- 
lieferung nur  dem  Apollon  und  Dionysos  als  heilig  zuerkannt;  freilich  verwirft 
er  dabei  mit  Unrecht  das  einzige  Zeugnis,  wo  Dreifüße  dem  Zeus  geweiht  vor- 
kommen, nämlich  den  bei  Pausan.  IV,  12,  7  erhaltenen  pythischen  Orakelspruch, 
der  dem  Zeus  Ithomatas  100  Dreifüße2  zu  weihen  befiehlt  (im  zweiten  messeni- 
schen Kriege).    Auf  dem  Ithome  selbst  fand  ich  eine  große  Dreifußbasis  ein- 


1  Hiernach  sind  meine  Bemerkungen  in  der  Arch.  Ztg.  1879,  S.  47  zu  Nr.  223  zu  be- 
richtigen.   [Vgl.  dagegen  Olympia  IV,  591.] 

2  Es  ist  gar  kein  Grund  vorhanden,  mit  Müller  mensas  tripedes  statt  der  gewöhn- 
lichen Weihedreifüße  zu  verstehen;  Dreifüße  aus  Ton  sind  schon  unter  den  mykenischen 
Gefäßen  sehr  häufig. 


-     Mi  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 

mauert  Auch  die  tönenden  Dreifüße  im  dodonäischen  Heiligtum  darf  man 
heiziehen  (Carapanos,  Dodone  S.  166  Anm.  6).1  Die  olympischen  Dreifüße  er- 
halten Indess  ihre  Erklärung  ohne  Zweifel  durch  das  in  Olympia  offenbar  nicht 
unbedeutende  Orakel  aus  den  Opferticren;  nach  Strabo  (VIII,  353)  verdankte 
mpia  seine  Bedeutung  zuerst  nur  diesem  fjuxvxeiov]  mit  Unrecht  läßt  er  das- 
delbe  darauf  eingehen,  denn  noch  zur  Zeit  der  Perserkriege  zählte  es  mit  unter 
die  hervorragenderen  Orakelstätten  Griechenlands  (Herod.  VIII,  134 ff.);  daß  es 
noch  in  der  Kaiserzeit  bestand,  zeigen  die  in  den  inschriftlichen  Priesterverzeich- 
nissen immer  aufgeführten  pdvtetg  aus  den  alten  Geschlechtern  der  Iamiden  und 
Klytiaden.  Die  Dreifüße  standen  aber  immer  in  Beziehung  zu  Orakel  und  Weis- 
l-l  sagung;  so  ohne  Zweifel  auch  in  Olympia.  —  Dieselben  wurden  hier  indess  nur 
in  älterer  Zeit,  etwa  bis  zum  fünften  Jahrhundert  herab,  geweiht;  dies  ergibt 
sich  zunächst  daraus,  daß  trotz  der  Fülle  der  erhaltenen  Stücke  nur  ein  einziger 
Dreifußtypus  in  Olympia  vorhanden  ist,  der  seine  Dekoration  dem  oben  be- 
sprochenen geometrischen  Systeme  entlehnt.  Ferner  weisen  die  Fundumstände 
durchaus  auf  ein  hohes  Alter  hin.  Es  ist  uns  jener  eine  Dreifußtypus  in  Olympia 
nämlich  in  zwei  Arten  erhalten:  in  ganz  kleinen,  aber  vollständigen  Exemplaren 
aus  Blech;  diese  werden  nur  in  der  untersten  Schicht  gefunden;  sie  traten 
namentlich  auf  bei  den  Fundamenten  des  Altares  an  der  Südseite  des  Heraions 
und  dann  in  der  oben  erwähnten  tiefsten  Schicht  beim  Altare  vor  der  Westfront 
des  iMetroons;  endlich  auch  unter  dem  Bauschutte  des  Zeustempels.  Die  zweite 
häufigere  Art  sind  die  einzelnen  Stücke  der  großen  Dreifüße;  sie  kommen  überall 
zerstreut  in  der  Altis  vor;  doch  auch  bei  ihnen  konnte  ich  von  einer  Reihe  von 
Stücken  konstatieren,  daß  sie  in  den  untersten  Schichten,  einige  auch  unter  dem 
Bauschutte  des  Zeustempels  gefunden  wurden,  also  schon  in  sehr  alter  Zeit 
bereits  zerstört  sein  mußten. 

Zu  dem  höheren  Alter  stimmt  endlich  auch  die  Technik  insofern,  als  sämt- 
liche Teile  nur  durch  Nägel  verbunden  vorkommen.2 

Betrachten  wir  nun  die  einzelnen  Teile  der  großen  Dreifüße;  denn  voll- 
ständige Exemplare  der  letzteren  sind  leider  nicht  aufgefunden  worden.  Doch 
unterliegt  die  Zusammengehörigkeit  der  Teile  durch  die  ganz  übereinstimmenden, 
vollständig  erhaltenen  kleineren  Exemplare  keinen  Zweifeln. 

Wir  überblicken  zuerst  die  weitaus  zahlreichste  Gattung,  deren  Füße  und 
Henkel  gegossen  sind;  die  Füße,  die  zum  Teil  bis  zur  Höhe  von  einem  Meter 
sich  erhalten  haben,  sind  oben  mit  einem  breiten  Ansätze  versehen,  mit  Hülfe 
dessen  sie  an  dem   immer  aus  Blech   dünn   getriebenen  Kessel,  von  dem   sich 

Weniger  wichtig  ist  der  eherne  Dreifuß  im  Olymp ieion  zu  Athen,  der  auf  drei 
m  Marmor  ruhte  (Pausan.  1, 18,  8),  da  dieser  des  letzteren  Materials 
wegen  wahrscheinlich  erst  aus  hadrianischer  Zeit  stammte. 

*   Vgl.    die    Drcifii!  Ucphaistos,   II.  18,  378   oöara  ...  rrf  </    ffßtvt,  *■■"■■    di 

•   ■ 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    349 


Fig.  4  a. 


< 


indess  immer  nur  sehr  zerstörte  Reste  fanden,  angenagelt  wurden.  Die  Füße 
reichen  immer  bis  zum  oberen  Rande  des  halbkreisförmigen  Kessels,  wo  sie  sich 
verbreitern,  während  sie  nach  unten  sich  konstant  verjüngen  und  schmäler  werden. 
Nach  unten  laufen  die  Stäbe  einfach  aus;  sie  standen  auf  ohne  jegliche  Ver- 
mittelung,  ohne  Wulst,  Löwenfuß  oder  dergl.1  —  Nach  dem  Durchschnitte  und  15 
der  Dekoration  kann  man  zwei  Gruppen  von  Füßen  unterscheiden:  die  einfacheren 
sind  massive  Stäbe  von  dreieckigem  oder  polygonem  Durch- 
schnitte, wo  häufig  einige  Seiten  nach  innen  ausgeschweift  sind 
in  einer  Art  von  Kannelierung.  Reicher  ist  die  andere  Gattung, 
wo  der  Durchschnitt  den  in  unserer  modernen  Eisenkonstruktion 
angewendeten  Schienen  gleicht  (vgl.  Fig.  4a). 

Hier  pflegen  nun  sowohl  die  breite  Vorder-  als  die  Neben- 
seiten in  Relief  verziert  zu  sein.   Ein  Hauptmotiv  sind  wie  bei 
den  oben  besprochenen  gravierten  Platten  jene  konzentrischen 
durch  Tangenten  verbundenen  Kreise  (vgl.  Fig.  4b)  und  daneben 
die  rein  textilen Mustern  entnommenen  verschiedenen  Zickzack- 
motive (Fig.  4c).  —  In  ganz  ähnlicher  Weise  sind  die  großen 
gegossenen  Henkel  behandelt.    Sie  bestehen  aus  einem  un- 
beweglichen, aufrechtstehenden  Ringe,  der  unten  mittelst  eines 
breiten  Ansatzes  an  den  oberen  Kesselrand  genagelt  ist,   mit 
welch  letzterem  er  außerdem  durch  einen  von  seinem  unteren 
Rande  nach  dem  Kesselbauche  herabgebogenen  Henkel  ver- 
bunden ist  (vgl.  Fig.  3).    Sowohl  der  Ring  als  der  letztgenannte 
Henkel  im  engeren  Sinne  pflegen  verziert  zu  sein.    Entweder 
sind  es  auch   hier  die  Kreise   mit  den  Tangenten   in  Relief 
oder  der  Ring  ist  in  durchbrochener  Arbeit  mit  Kreisen  und 
Zickzack  in  zwei  bis   drei   Reihen    übereinander   geschmückt 
(so  das  eine  der  von  mir  in  den  Annali  d.  Inst.  [1880  Taf.  F] 
veröffentlichten  Exemplare  in  Athen),  oder  endlich  es  sind  Relief 
und  Durchbrochenes  verbunden  (so  z.  B.  Inventar  Nr.  6019  [IV 
S.  93]).   Die  einfacheren  massiven  Ringe  sind  entweder  nur  in 
von  innen   nach   außen   abnehmende  Streifen  gestuft,   oder  mit  als  geflochtene 
Stricke  gebildeten  Bändern  verziert,  oder  ganz  als  solche  Stricke  gebildet.    Nicht 
selten  wird  der  Ring  ganz  zu  oberst  von  einem  primitiv  gebildeten  kleinen  Tiere 
bekrönt:  entweder  von  einem  Pferde  (Inv.  Nr.  5050.  6100  [IV  S.  91  zu  Nr.  624]; 
ferner  Fig.  3  [=  Olympia  IV  Taf .  30  Nr.  574]  und  die  beiden  in  den  Annali  [1880 
Taf.  F])  oder  einem  kleinen  Vogel  (Inv.  Nr.  5629.  6838)  oder  einem  Ochsen  köpfe 
(Inv.  Nr.  5449  [IV,  572]).   Von  den  auf  späteren  Darstellungen  von  Dreifüßen  (auf 
Münzen  und  Vasen)  so  häufigen  Stäben,  welche  die  Ringhenkel  unter  sich  ver- 

1  Ich  schließe  dies   aus  einer  Reihe  von  Exemplaren,  wo  das  untere  Ende  sicher 
erhalten  ist. 


Fig.  4  b. 


m 


V/Ax 


Fig.  4  c. 


i    \rs  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 


16  binden,  von  ihren  oberen  Aufsätzen  oder  den  kreuzweisen  Stäben  innerhalb  der 
Rir  .'.  Wieseler,  Delph.  Dreifuß,  Tafel)  ist  in  Olympia  nie  eine  Spur  ge- 

funden worden. 

Viel   spärlicher   sind   die  Reste  der  anderen   Gattung,   wo   auch  Füße   und 
Henkel    gehämmert,    nicht   gegossen   waren;    doch    ist   ein    treffliches,   wohl- 
erhlltenes  Beispiel  eines  Ringhenkels  dieser  Art  der  vor  der  deutschen  Ausgrabung 
indene   und   im  Kultusministerium  zu  Athen  aufbewahrte  (abgebildet  Annali 
JO  Taf.  F).     Auf  beiden  Seiten  sind  die  üblichen  geometrischen  Muster  ein- 
graviert, das  Ganze  ist  von  einem  Pferdchen  bekrönt. 
Das  Fragment  eines  gleichen  Henkels  wurde  in  Do- 
dona  gefunden  (Carapanos  Taf.  49,  21).  —  Diese 
Gattung  stimmt  in  Technik  und  Ornamentik  auf's 
Genaueste  mit  den   oben   besprochenen   gravierten 
Bronzestreifen  überein;  ich  vermute  daher,  daß  ein 
großer  Teil  derselben  nichts  anderes  als  Füße  dieser 
Dreifußgattung  sind;  in  der  Tat  zeigt  auch  ein  Exemplar 
(Inv.  Nr.  1742  [IV,  584])  diese  Verbreiterung  nach  oben 
wie  die  ganz  erhaltenen  gegossenen  Füße;1  offenbar 
waren   die  Bronzestreifen,   um   als  Dreifußbeine  zu 
dienen,  auf  hölzerne  Stäbe  genagelt.-  Vermutlich  war 
der  Typus  dieser  gehämmerten  Dreifüße  mit  teilweise 
hölzernem  Kerne  der  ältere. 

Die  zahlreichen,  ganz  kleinen,  aber  vollständigen 
Dreifüße  geben  uns  Aufschluß  über  das  Ensemble 
der  großen.   Von  jenen  sind  einige  gegossen,  ja  auch 
geometrisch  verziert  (so  zeigt  Inv.  Nr.  6838  [IV  S.  73  zu  Nr.  539]  auf  den  Beinen 
Zickzack  und  oben  auf  den  Ringhenkeln  je  einen  kleinen  Vogel),  doch  die  meisten 
sind  bloß  aus  Blech  geschnitten  und  zusammengenietet,  ja  bei  den  kleinsten  be- 
stehen Kessel,  Füße  und  Henkel  nur  aus  einem  einzigen  ausgeschnittenen  Stücke 
Blech,  das  dann  zurechtgebogen  wurde.   Diese  sind  natürlich  ohne  alle  Verzierung. 
Zunächst   geben   diese  kleinen  Exemplare  in  ihren   immer  wiederkehrenden 
Proportionen  wohl  ein  richtiges  Bild  von  denen  der  großen.     An  jenen  fand 
ich  nämlich  fast  immer  den  Durchmesser  des  Kessels  gleich  der  Länge  der  Füße, 
gedrückte  und  schwere  Verhältnis  ist  ohne  Zweifel  auch  ein  Zeichen  des 


Fig.  3. 


i  ist  zu  erwähnen,  dafl  einer  jener  Bronzestreifen  (0,50  lang)  bei  einem  grollen 

Bronzefunde   In  Prytaneion  zusammen   mit  zerdrückten  BIcchkessseln   und  gegossenen 

■inen  gefunden  wurde. 

1  Wahrscheinlich    bezeichnete    man    diese  Technik    mit   inlx<tXxo{  ;    ein    alt«  rgütovi 

Ich    im  Zeustempcl,   doch   war   es   ein  Dreifuflttsch    einst   praktischen 

Dafl    man   aus  Geldmangel  auch   ganz  hölzerne  Dreifüße 

IV,  12,  H. 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    351 


hohen  Alters  dieser  Dreifüße;  die  uns  sonst  aus  Abbildungen  bekannten  Dreifüße 
älterer  Zeit  sind  bereits  schlanker  und  werden  später  immer  noch  schlanker. 

Ein  anderer  Unterschied  von  den  gewöhnlich  bekannten  Dreifußtypen  jedoch 
besteht  darin,  daß  die  olympischen  Exemplare  nicht  drei,  sondern  immer  nur 
zwei  Henkel  haben.  Dieselben  sind  an  zwei  sich  genau  gegenüberliegenden 
Stellen  des  Kesselrandes,  also  in  ungleichen  Abständen  von  den  ebenfalls  bis 
zum  oberen  Kesselrande  reichenden  Füßen  angebracht.  Diese  Anordnung  ist 
konstant  in  der  ganzen  Serie  jener  kleinen  Dreifüße  und  wird  außerdem  für  die 
großen  Exemplare  besonders  bestätigt  durch  einen  zu  Ende  des  vierten  Aus- 
grabungsjahres im  Prytaneion  in  der  tieferen,  unter  der  römischen  belegenen 
Schicht  gemachten  Fund  mehrerer  auf  einen  Haufen  geworfener  Bronzekessel 
u.  dergl.  Darunter  war  ein  großer  Kessel  mit  dem  bei  der  Auffindung  noch 
daran  befindlichen  Ringhenkel;  genau  gegenüber  war  noch  der  Ansatz 
des  zweiten  (verlorenen)  Henkels  erhalten,  woraus  hervorgeht,  daß  nie  mehr  als 
zwei  an  dem  Kessel  waren.  Bisher  nahm  man  als  allgemeine  Regel  drei  Henkel 
(wra)  beim  Dreifuße  an  (s.  Wieseler,  Delph.  Dreifuß  S.  291  ff.),  wie  denn  diese 
Zahl  nicht  nur  durchweg  auf  späteren,  sondern  auf  recht  alten  Darstellungen,  wie 
namentlich  den  zahlreichen,  sicher  noch  ins  sechste  Jahrhundert  gehörigen  Silber- 
münzen von  Kroton,  deutlich  ist,  wo  über  jedem  Fuße  immer  ein  Henkel 
steht.1  Der  zweihenklige  Typus  erscheint  indeß  nicht  nur  auf  einer  demselben 
geometrischen  Systeme  wie  unsere  Dreifüße  angehörigen  Dipylon-Vase  (Mon. 
d.  Inst.  IX,  39,  2),  sondern  ist  auch  auf  den  altattischen  Gefäßen  noch  bis  zur 
Zeit  des  freien  Stils  gewöhnlich.2  Stehen  also  hierin  die  olympischen  Dreifüße  18 
nicht  vereinzelt,  so  ist  dies  anders  mit  einer  zweiten  Eigentümlichkeit  derselben: 
ihre  Füße  enden,  wie  schon  erwähnt,  immer  einfach  ohne  Löwenklauen;  so  auch 
jene  ältesten  Darstellungen  auf  der  geometrischen  Vase  Mon.  IX,  39,  2,  dagegen 
die  übrigen  Vasen,3  auch  die  mit  dem  zweihenkeligen  Typus  und  die  Münzen 
fast  nie  unterlassen,  Löwenklauen  anzugeben.  Die  Löwenklauen  gehören  ein- 
fach nicht  in  das  System  der  geometrischen  Dekoration. 

Ein  den  olympischen  indess  vollkommen  gleicher  und  fast  vollständig  er- 
haltener Bronzedreifuß  wurde  in  Mykene,  außerhalb  der  Gräber,  auf  der  Akropolis 
gefunden  und  ist  also  jedenfalls  älter  als  die  Zerstörung  der  Stadt  oder  die  Mitte  des 
5.  Jahrhunderts.    Leider  gehört  er  dem  einfachsten  Typus,  der  keine  Ornamente 

1  Dasselbe  scheint  auch  der  Fall  auf  einer  altkorinthischen  Vase  (Mon.  d.  Inst.  X,  4,  5). 

2  Vgl.  als  besonders  deutliche  Beispiele  die  Francois-Vase,  die  panathenäische  aus 
Camirus  bei  Salzmann  Tai  57  [A.  de  Ridder,  Vases  peints  de  la  Bibl.  nat.  I  Nr.  243],  ferner 
Duc  deLuynes,  Descr.  de  vases  Taf.  4  [ebenda  Nr.  251]  und  als  streng  rotfigurig  Ger- 
hard, Auserl.  Vasenb.  Taf.  126  [Reinach,  Rep.  des  vases  II  S.  68].  Die  Henkel  stehen  immer 
zwischen  den  Füßen,  während  sie  beim  Dreihenkeltypus  gewöhnlich  je  über  jedem 
Fuße  angebracht  sind. 

3  Seltene  Ausnahmen,  wie  z.B.  die  schon  genannte  Vase  strengen  Stiles,  Gerhard, 
Auserl.  Vasen  126,  fallen  dabei  nicht  ins  Gewicht 


m  s  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 


verwendet,  an.  Der  Durchmesser  des  Kessels  beträgt  0,42.  Die  Füße  sind 
sechsseitig  und  von  der  einfachsten  Gattung;  der  eine  erhaltene  und  vom  Kessel 
löste  Ringhenkel  zeigt  die  strickfönnige  Verzierung.  [Vgl.  Olympia  IV  S.  78.] 
here  Heispiele  des  olympischen  Typus  von  noch  anderen  Orten  sind 
nicht  bekannt;1  doch  genügt  das  in  Mykene  und  Dodona  Konstatierte,  um  zu  er- 
kennen, daß  der  Typus  nicht  auf  Olympia  beschränkt  war. 

Ein  interessantes  kleines  Monument  von  Idalion  auf  Cypern  scheint  zu  be- 
sen,  daß  der  geometrisch  verzierte,  olympische  Typus  auch  in  Cypern 
wenigstens  nicht  unbekannt  war,  was  bei  den  so  äußerst  spärlichen  cyprischen 
Bronzefunden  um  so  schätzbarer  ist.  Ich  meine  einen  kleinen,  vollständig  er- 
haltenen Dreifuß  (ohne  Henkel)  aus  graugrünem  Steine,  im  Museum  zu  Berlin 
befindlich.2  Auf  der  breiten  Vorderseite  der  kurzen,  nach  unten  sich  verengernden 
Füße  sind  Verzierungen  graviert,  die  demselben  geometrischen  Systeme  an- 
zugehören scheinen  wie  die  olympischen  Stücke,  nur  durch  die  Kleinheit  etwas 
modifiziert:  es  sind  Zickzackmotive  und  konzentrische  Kreise  mit  Zentralpunkt. 
19  Die  Frage   nach  der  Herkunft  jenes  „geometrischen"  Dreifußtypus  ist  ab- 

hängig von  der  nach  der  Herkunft  der  „Dipylon-Vasen".  Beide  Fragen  lassen 
sich  vorerst  nicht  lösen.  Negativ  sei  nur  erwähnt,  daß  z.  B.  Cypern  nicht  der 
Ort  sein  kann;  denn  das  dort  einheimische  geometrische  System  ist  ein  ganz 
verschiedenes  und  die  Vasen  des  „Dipylon"-Typus  kommen  dort  nur  sehr  ver- 
einzelt vor;  deren  Hauptfundorte  sind  dagegen  die  Inseln  des  ägäischen  Meeres 
(besonders  Thera)  und  die  Ostküste  Griechenlands,  wahrscheinlich  auch  die 
Kleinasiens  und  Nordafrikas.3  Sehr  wichtig  ist  jedoch,  daß  das  hier  besprochene 
geometrische  System  weder  auf  Vasen,  noch  auf  Bronzegegenständen  jemals  den 
Weg  nach  Italien  gemacht  hat.  Nur  Vasen,  die  sich  als  späte  Ausläufer  jener 
Gattung  betrachten  lassen,  haben  sich  in  Cumae  und  der  Etruria  marittima  gefunden, 
und  die  so  zahlreichen  altetruskischen  Bronzen  zeigen  nirgends  jenes  System.4 

Eine  nicht  unwichtige  Rolle  in  dem  hier  besprochenen  Dekorationssysteme 
spielen  gewisse  Tierfiguren,  vor  allem  das  Pferd,  das  Rind  und  der  Vogel. 
Wir  fanden  diese  Tiere  bereits  auf  den  Dreifußhenkeln  als  krönende  Verzierung 
aufsitzen.  Es  gibt  indess  noch  eine  ganze  Serie  kleiner,  selbständiger  Bronze- 
tiere in  Olympia,  die  in  direkter  Verbindung  mit  jenem  speziellen  Systeme  stehen 
und  sich  scharf  absondern  aus  der  großen  Menge  der  gewöhnlichen  kleinen 
Tierfiguren  Olympias  [IV  S.  34  ff.]. 

1  Unter  den  Bronzeresten  der  athenischen  Akropolis  finden  sich  meines  Wissens 
überhaupt  keine  Stücke  von  Dreifüßen,  wie  denn  auch  die  inschriftlich  erhaltenen  Inventare 
des  Parthenon  keine  solchen  anführen.  Über  ein  angeblich  aus  Chalkis  stammendes  Stück  vgl. 
meinen  Aufsatz  in  Annali  d.  Inst.  1880  S.  119.  [Jüngere  Funde:  Pauly-Wissowa  R.E.  V  S.  1670.] 

•  Nr.  205  der  cyprischen  Sammlung. 

1  Daher  sollen  die  Gefälle  in  Leiden  stammen. 

4  Die  hieraus  zu  ziehenden  Schlüsse  sprechen  jedenfalls  nicht  zu  Gunsten  einer 
H  ,  welche  die  Phoniker  als  Träger  jenes  speziellen  Systems  setzen  würde. 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    353 


Dieselben  stehen  nämlich  auf  einer  gegossenen  Basis,  die  ganz  ebenso 
behandelt  ist  wie  die  Dreifußbeine  oder  Henkel,  d.  h.  sie  zeigt  dieselben  ver- 
schiedenen Zickzackmotive,  die  wie  dort  entweder  in  Relief  und  zwar  auf  der 
Unterseite,  oder  in  durchbrochener  Arbeit,  oder  in  einer  beides  ver- 
einigenden Weise  angebracht  sind. 

Die  auf  diesen  Basen  stehenden  Tiere  sind  zum  weitaus  größten  Teile 
Pferde;  sie  zeigen  immer  eine  besondere  Körperbildung,  die  ihr  Analogon  nur 
findet  in  der  auf  den  Vasen  des  geometrischen  Systems  denselben  Tieren  ge- 
gebenen. Es  ist  ein  ganz  bestimmter  Stil;  einige  wesentliche  Körpereigen- 
schaften sind  übermäßig  prononciert  und  alles  in  möglichst  schematische  Flächen  20 
gebracht.  Der  Bauch  ist  langgezogen  und  ganz  dünn,  der  Hals  dagegen  eine  an 
den  Seiten  überbreite  Fläche,  die  Hinterschenkel  sind  groß  und  meist  von  unten 
unterhöhlt,  der  Kopf  langgestreckt  und  die  Ohren  vertikal  spitz  aufgerichtet. 

Außer  einfachen  Pferden  kommen  auf  jenen  „geometrischen"  Basen  auch 
vereinzelt  Stuten  mit  Füllen  vor  (so  Ausgrab.  Bd.  II,  Taf.  31  1.  unten  [IV,  220]), 
ferner  sehr  primitiv  und  schematisch  gebildete  Vögel,  die  sich  wieder  nur  ver- 
gleichen lassen  mit  den  auf  den  „geometrischen"  Vasen  dargestellten.  —  Seltsam 
ist  ein,  auf  jener  Basisgattung  vorkommender,  sechsbeiniger  Käfer,  in  wenigen 
Exemplaren  zwischen  Philippeion  und  Prytaneion  gefunden;  in  einfach  schema- 
tischer  Bildung  ist  ein  nicht  liegender,  sondern  gehender  Scarabäus  dargestellt. 
Eine  Beziehung  auf  einen  etwaigen  lokalen  Kult  in  Olympia,  einen  dem  IJagvömog 
verwandten  Apollon  oder  gar  etwa  Zevg  'Anöjuvtog  ist  sicher  nicht  zu  suchen; 
doch  hiervon  später.  —  Endlich  ist  ein  interessantes  Stück  dieser  Gattung  ein 
kleiner  menschenbeiniger  Kentaur  (Ausgrab.  Bd.  IV,  Taf.  21,2  [IV,  215])  auf 
mit  Halbkreisen  in  Relief  verzierter  Basis.  Sein  vogelartiger  Kopf  ist  wieder 
ganz  so  gebildet  wie  die  menschlichen  Köpfe  jener  „Dipylon"-Vasen.  Daß  der 
menschenbeinige  Kentaur  zu  den  in  dem  vorliegenden  geometrischen  Systeme1 
nicht  ungewöhnlichen  Motiven  gehört,  zeigt  ein  interessantes,  graviertes  Bronze- 
blechfragment aus  Dodona,  das  einen  solchen  in  ebenfalls  höchst  primitiver 
Zeichnung  umgeben  von  der  gewöhnlichen  geometrischen  Dekoration  der  gra- 
vierten Platten  darstellt  (Carapanos,  Dod.  Taf.  19,  5);  derselbe  erscheint  ferner 
auf  einem,  den  geometrischen  Vasen  sehr  nahe  stehenden  Fragmente  von  Camirus 
(Salzmann,  Necr.  de  Cam.  Taf.  39). 

Soviel  über  diese  Tierfiguren  insofern  sie  mit  jenem  selben  Dekorations- 
systeme im  Zusammenhange   stehen,   dem  wir  die  bisher  besprochenen  Gegen- 


1  Doch  auch  in  dem  sog.  orientalischen  Stile  kommt  er  früh  vor,  so  auf  einem 
alten  rhodischen  Goldbleche  (Salz mann,  Camirus  Taf.  I),  daneben  die  sog.  persische 
Artemis;  auf  der  silbernen  Dolchscheide  des  großen  Pränestiner  Grabes  Mon.  d.  Inst. 
X,31,  5  und  einem  Bronzegefäß  ebenfalls  aus  Präneste  (Archaeologia  41,  Taf.  6),  beidemale 
in  Tierfries.  Auf  solchen  Vorbildern  beruhen  dann  Buccherovasen,  wie  Inghirami,  Mus. 
Chiusino  I,  52,  2. 

A.  Furtwängler.    Kleine  Schriften  I.  2o 


\m   aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 


de,  Dreifüße  usf.,  verdanken.  Ich  füge  nur  noch  hinzu,  daß  dieselben  sich 
bis  jetzt  an  keinem  anderen  Orte,  auch  nicht  in  Dodona  nachweisen  lassen.1 
Ob«  die  sachliche  Bedeutung  der  olympischen  Tierfiguren  als  Weihgeschenke 
soll  spater  die  Rede  sein;  vorerst  betrachten  wir  dieselben  nur  insofern  sie  einem 
stimmten  Dekorationsstile  angehören.  Wir  werden  noch  des  genaueren  sehen, 
daß  in  Olympia  außer  dem  bisher  besprochenen  speziellen  geometrischen 
steine  noch  ein  anderes  solches  existiert,  das  in  wesentlich  gleicher  Weise 
über  Italien  verbreitet  ist  und  von  da  dem  Norden  überliefert  wurde.  Diesem 
weiteren  Systeme,  dessen  eigentlichstes  Gebiet  die  Bronzeindustrie  ist,  gehört 
die  Verwendung  primitiver  Tierfiguren  in  großem  Umfange  an. 

Bevor  wir  die  Spuren  der  letzteren  verfolgen,  betrachten  wir  die  Menge  der 
olympischen  Bronzetiere  nach  ihrem  Stile.  Nahezu  ein  Drittel  derselben  zeigt 
noch  mehr  oder  minder  verflacht  die  Formgebung  der  oben  beschriebenen  Pferde 
und  Vögel  mit  geometrischer  Basis;  an  den  hierher  gehörigen  Rindern  pflegt 
die  Wamme  am  Halse  sehr  prononciert  zu  sein  und  eine  breite  Fläche  zu  bilden. 
Mitunter  sind  Pferde  oder  Rinder  mit  feiner  Gravierung  versehen,  die  jedoch  nie- 
mals die  Natur  nachahmen  will,  sondern  nur  geometrisch  dekorativ  ist.  So  ist 
ein  Pferd  (luv.  Nr.  6647  [IV,  176],  beim  Metroon)  ganz  mit  Zickzack,  ein  anderes 
ganz  mit  konzentrischen  Kreisen  bedeckt  (Inv.  Nr.  6770  [IV,  200a]).  —  Ein  Bei- 
spiel s.  Ausgrab.  Bd.  II,  Taf.  31  r.  unten  [IV,  953].  Derselbe  Stil  erscheint  an 
Pferdchen  aus  einer  der  ältesten  Nekropolen  bei  Bologna  (Gozzadini,  Sepolcr. 
etrusco  scop.  pr.  a  Bologna  Taf.  V,  9, 11)  und  an  dem  Reiter  des  Bronzewagens 
von  Judenburg  (Mitt.  hist.  Ver.  f.  Steiermark  III  Taf.  1). 

Bei  der  übrigen  Menge  der  kleinen  Tiere  läßt  sich  von  Stil  nicht  mehr 
sprechen;  sie  sind  ganz  plump  und  roh  und  willkürlich  in  den  Formen.  Die 
dargestellten  Tiere  sind  fast  ausschließlich  Pferde3  und  Rinder,  wie  sich 
aus  kritischer  Sichtung  der  großen  Menge  ergibt;  nur  die  oberflächlichere  Be- 
trachtung von  einzelnen  Zufälligkeiten  läßt  auch  Esel,  Hunde,  Schweine  u.  dgl. 
22  erkennen.  An  Zahl  sind  Pferde  und  Rinder  ziemlich  gleich  vertreten;  nur  einige 
wenige  Schafe  sind  sicher. 

Dieselben  Tiere  sind  die  der  geometrischen  Dekoration  in  Italien  und  dem 
Norden.  Leider  ist  in  Olympia  von  dekorativen  Ensembles  nur  sehr  wenig  er- 
halten. Doch  ist  folgendes  zu  erwähnen:  auf  den  zwei  angenieteten  Henkeln 
eines  altertümlichen  Napfes3  befindet  sich  als  Krönung  je  ein  primitives  Pferdchen 

1  Ein  kleines  Pferd,  mit  der  geometrischen  Basis,  im  Museum  von  Dimitsana  ist 
.unbekannter  Herkunft",  doch  sehr  wahrscheinlich  aus  Olympia. 

'  Vielleicht  sind  manche  .Pferde"  der  sehr  langen  Ohren  wegen  als  Maulesel 
zu  fassen. 

Form  stimmt  fast  völlig  überein  mit  der  einer  Tonvase  aus  einem  Grabe  der 
n  liiirg  (s.  Myken.  Tongeflße,  Berl.  1879,  Taf.  X,  Nr.  49);  dieselbe  Form  kommt 
auch  ohne  jenen  Schmuck  in  Olympia  vor. 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    355 

[IV,  671].  Auf  einem  großen  Gefäßrande  (?)  sind  schwimmende  primitive  Wasser- 
vögel aufgenagelt  (Ausgrab.  Bd.  II,  Taf.  31 ,4,  3  [IV,  685]).  An  der  Henkelattache 
einer  umfangreichen  Schüssel  ist  ein  primitives  Rind  so  angebracht,  daß  es  in 
das  Gefäß  hineinsieht  (Inv.  Nr.  2884  [IV,  642]).  Fast  genau  dasselbe  Motiv  finden 
wir  an  einem  Bronzekessel  der  Nekropolis  von  Hallstatt  (v.  Sacken,  Grabf. 
v.  Hallst.,  Taf.  23,  6);  ebenda  kommen  auch  die  aufgenagelten  Wasservögel  nicht 
nur  in  derselben  Verwendung,  sondern  auch  derselben  Stilisierung  vor  (s.  a.  O. 
Taf.  22,  3),  ja  dieselben  sind  überhaupt  den  „geometrischen"  Bronzen  Italiens 
und  des  Nordens  eigentümlich;  um  nur  einiges  zu  nennen,  vergleiche  man  das 
seltsame  Hängegerät  aus  Campanien  (Archaeologia  36,  Taf.  27,  1),  den  Kessel- 
wagen aus  Vei  (ebenda  41,  Taf.  4,  2),  die  Fibel  aus  der  alten  Nekropole  bei  Bo- 
logna (Gozzadini,  Sepolcr.  etr.  Taf.  8,  15).  Einzelne  Vögel  dieser  Art,  losgerissen 
von  dem  Gegenstande,  den  sie  schmückten,  haben  sich  mehrfach  gefunden  in 
Olympia. 

Ein  längerer,  spitzer  Stab,  vermutlich  eine  ungeheure  Haarnadel,  bekrönt 
von  einem  primitiven  Widder,  findet  ihre  Analogie  bereits  in  einer  ebenfalls 
widderbekrönten,  goldenen  Nadel  eines  der  mykenischen  Gräber  (Schliemann, 
Mykenae,  S.  288).  Eines  der  primitiven  Rinder  Olympias  (Inv.  Nr.  5518  [IV,  475]) 
zeigt  unten  in  der  Basis  die  Einlassung  für  den  viereckigen  Stab  einer  größeren 
Nadel;  vollständig  erhalten  ist  eine  solche  mit  einem  Rinde  gezierte,  in  der 
Länge  von  nicht  weniger  als  0,52,  aus  Unteritalien  stammend,  im  Museum  der 
piccoli  bronzi  Neapels.  Sehr  verwandte  Exemplare  wurden  in  Sardinien  gefunden 
(Bull.  arch.  Sardo  III,  Taf.  E,  7),  ähnliches  auch  im  Norden.1 

Die  Bekrönung  einer  großen  Nadel  war  wahrscheinlich  auch  ein  kleiner  23 
Doppelwidder  in  Olympia  (Inv.  Nr.  5120  [IV,  477]),  d.  h.  die  Vorderkörper  zweier 
mit  dem  Rücken  verbundener  Widder,  in  der  Mitte  ein  Loch  zum  Durchstecken 
der  Nadel.  Sehr  ähnliche  kleine  Doppelhirsche  auf  Nadeln  fanden  sich  in  Sar- 
dinien (s.  Fiorelli,  Notizie  degli  scavi  1878,  Taf.  7,  1 — 3).  Völlig  die  gleiche 
Bildung  und  Stilisierung  wie  die  olympischen  Tiere  zeigen  ferner  einige  Doppel- 
tiere aus  italischen  Fundorten,  welche  in  der  Mitte  mit  einem  Ringe  versehen  sind, 
also  ohne  Zweifel,  an  Kettchen  befestigt,  einen  Teil  der  bei  den  „geometrisch"- 
italischen  Bronzen  so  beliebten  Schmuckgehänge  bildeten;  ich  meine  ein  aus 
Schaf  und  Rind  zusammengesetztes  Doppeltier  aus  Cerveteri  (Archaeologia  42, 
Taf.  2)  und  Doppelstiere  vom  Lago  di  Fucino  (Archaeologia  43,  p.559),  mehrere 
aus  Italien  im  Berliner  Museum,  ebenso  im  British  Museum  (Archaeologia  36, 
S.  361,  Nr.  6,  Taf.  26, 15)  und  in  dem  zu  Perugia,  wo  ein  Exemplar  in  offenbar 
nicht  ursprünglicher  Verwendung  an  einer  Hängewage  befestigt  ist. 

Auch   einfache  primitive   Rinder  und  Pferde   aus  italischen  Fundorten,   die 
sonst   den    olympischen   völlig   gleichen,    zeigen    häufig  einen   Ring   oben    am 

1  Z.  B.  eine  von  primitivem  Bronzetiere  bekrönte  Eisennadel  aus  Kleinwinternheim 

in  Mainz. 

23* 


356    r>IK  Bronzbfundb  AUS  Olympia  und  deren  kunstgeschichtlichf.  Bedeutung. 

Rücken,1  w.is  ich  in  Olympia  nie  beobachtet.  Die  ursprüngliche  Verwendung 
derselben  wird  vollkommen  deutlich  aus  einer  großen  Fibel  von  Praeneste, 
.in  der  die  Pferdchen  im  Vereine  mit  runden  Klapperblechen  u.dgl.  an  Kettchen 
herabhängen  (Archaeologia  42,  Taf.27),  vollkommen  im  italischen  Geschmacke,  der 
sich  Indess  auch  nach  dem  Norden  verbreitete.- 

Einem  nicht  ganz  klaren,  doch  ohne  Zweifel  dekorativen,  Zwecke  dienten 
in  Olympia  eine  Reihe  von  Pferden  und  Rindern,  mit  einem  stabförmigen 
Ansätze  auf  dem  Rücken  (z.B.Inv.  Nr. 4849,  6165,  6186,6725,7163  [IV  S.  37]). 
Ein  in  Mykene  (Schliemann  S.  296)  gefundener  Hirsch,  aus  Blei  und  Silber, 
zeigt  denselben  Ansatz;  denselben  hat  ferner  ein,  den  olympischen  völlig  gleichendes 
24  Pferdchen  der  alten,  nur  Dinge  des  dortigen  „geometrischen"  Stils  enthaltenden, 
Nekropolis  bei  Bologna  (Gozzadini,  Sepolcr.  etr.,  Taf.  V,  9). 

Die  dekorative  Verwendung  des  bloßen  Halses  und  Kopfes  von  Pferd  oder 
Stier  ist  eine  uralte  und  ist  an  ägyptischen,  wie  assyrischen  Geräten  und  mykeni- 
schen  Gefäßen  zu  beobachten.  Die  betreffenden  olympischen  Bronzen  indess 
geben  ihren  Zusammenhang  mit  der  „geometrischen"  Dekorationsweise  deutlich 
kund;  ein  Pferdekopf  zum  Aufnageln3  ist  ein  Muster  jener  schematischen  Körper- 
auffassung, außerdem  mit  gravierten  Kreisen  verziert.  —  Mehrere  prächtige  Ge- 
fäßhenkelattachen  zeigen  Stierköpfe,  welche  in  das  Innere  der  Schüssel  (?)  blicken 
(Inv.  Nr.  5101,  4789  [IV,  789]).  Sehr  ähnlich  sind  Henkel  aus  Cypern  (Cesnola- 
Stern,  Cypern,  Tafel  71)  und  Praeneste  (Mon.  d.  Inst.  X,  32,  4);  rohe  Pferde- 
köpfe mit  langen  Hälsen  sind  nicht  selten  an  den  altetruskischen,  genieteten 
Blechgefäßen.* 

Aus  dieser  Reihe  tritt  heraus  ein  großer  Kalbskopf  von  getriebenem  Bronze- 
blech (Ausgrab.  Bd.  II,  Taf.  31  unten  in  der  Mitte  [IV,  801]);  derselbe  ist  im  Stile 
auffallend  verwandt  den  Kalbsköpfen  desselben  Materials  an  den  oberen  Enden 
eines,  dem  neunten  Jahrhundert  zugeschriebenen,  großen  Thronsessels  von  Niniveh 
(NW  Palast  Nimrud;  s.  Photographs  of  the  British  Mus.  Nr.  583;  Layard,  Dis- 
coveries  1853,  S.  199);  die  Verwendung  des  olympischen  Exemplars  dürfen  wir 
uns  ähnlich  denken.'' 

Indem  wir  von  der  dekorativen  Verwendung  der  primitiven  Tierfiguren 
sprechen,   müssen   wir  notwendig  auch   einiger  menschlicher   Bildungen   ge- 

So  die  bei  Caylus,  Rec.  d'ant.  II,  92,  5.  Ein  solcher  Widder  im  Museo  Santangclo 
in  NeapeL  Aus  Obcritalicn  soll  stammen  das  im  Anzeiger  f.  Schweiz.  Altertumsk.  1869, 
2,  Taf.  V,  8a  abgebildete  Pferdchen. 

/  B.  in  Karlsruhe  Pferdchen  aus  Pforzheim.  [Schumacher,  Beschr.  der  Sammlung 
antiker  Bronzen  Nr.  843.] 

1  Inv.  Nr.  977  [IV,  686].     Zwei    andere  Pferdeköpfe   (Inv.  Nr.  5579,  896a   [IV,  878]) 
wurden  beide  unter  dem  Bauschuttc  des  Zeustcmpels,   bei  der  Philesiosbasis,  gefunden. 
0  aus  Chiusi  in  Berlin.    Vgl.  auch  Archaeologia  36,  Taf.  27,  10. 
*  K  fe   an   dieser  Stelle  von  Tronsesseln   sind    in  Niniveh  nicht   selten;   vgl. 

Rawlinson,  live  gr.  monarch.  *  I,  S.  394. 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    357 


denken,  welche  dieselbe  Art  der  Auffassung,  denselben  Grad  von  Rohheit  und 
Primitivität  zur  Schau  tragen,  wie  die  große  Menge  jener,  Vor  allem  zu  nennen 
ist  ein  Ring,  auf  welchem  sieben  nackte,  doch  geschlechtslose  Figuren  im  Kreise 
stehen,  mit  verschlungenen  Armen  [IV,  263];  vier  gleiche  Figuren  stehen  auf 
einem  anderen  solchen  Ringe  und  hier  ist  durch  einen  oben  angebrachten  Knopf  25 
die  dekorative  Verwendung  des  Ganzen  außer  Zweifel  gestellt;  das  Fragment 
eines  dritten  Exemplares  (Inv.  Nr.  4823  [IV  S.  42])  zeigt  eine  deutlich  männliche 
Figur  auf  dem  Ringe  und  beweist  somit  wie  falsch  es  wäre,  die  ersteren  etwa 
als  „Nymphenchor"  auf  die  Verehrung  der  Nymphen  in  Olympia  zu  beziehen. 
Dagegen  waltet  eine  entschiedene  Verwandtschaft  dieser  Dinge  ob  mit  einigen 
seltsamen  Gegenständen  italischen  Fundortes,  die  ebenfalls  aus  einem,  indess  viel 
breiteren  Reifen  bestehen,  auf  welchem  nicht  nur  primitive  nackte  Menschen, 
sondern  auch  Tiere  jener  Art,  Ochsen,  Pferde  und  Vögel  angeordnet  sind.1  Da 
in  Olympia  alle  Bestandteile  dieser  ursprünglich  zum  Aufhängen  bestimmten 
Gegenstände  gefunden  sind,  so  dürfen  wir  uns  vielleicht  einen  Teil  unserer  ver- 
einzelten primitiven  Menschen-  und  Tierfiguren  zu  ähnlichen  Ensembles  zu- 
sammendenken. 

Obwohl  wir  nun  für  einen  guten  Teil  der  olympischen  Tiere  eine  ursprüng- 
lich dekorative  Verwendung  nachgewiesen  haben,  so  läßt  sich  damit  doch  nicht 
die  ganze  große  Masse  derselben  erklären,  die  in  der  untersten  schwarzen  Aschen- 
schicht um  die  großen  Altäre  gefunden  wurde.  Diese  müssen  selbständige  kleine 
Weihgeschenke  sein;  sie  mochten  in  Menge  auf  den  Stufen  der  Altäre  liegen, 
oder  an  Schnüren  gereiht  an  den  Ästen  der  umgebenden  Bäume  hängen,  wie  ja 
Bäume  mit  daran  hängenden  Votiven  nicht  selten  auf  Monumenten  vorkommen;2 
auf  die  Bestimmung  des  Aufhängens  weist  namentlich  die  oben  an  der  streng 
„geometrischen"  Gattung  beobachtete  Eigentümlichkeit  der  an  der  Unterseite 
in  Relief  verzierten  Basis  hin.  Zum  Aufhängen  war  wohl  namentlich  auch  die  26 
primitivste  Gattung  unserer  Tiere,  die,  wie  die  oben  genannten  kleinen  Dreifüße, 
bloß  aus  dünnem  Bleche  ausgeschnitten  ist.3 

1  Aus  einem  Grabe  in  Campanien:  Archaeologia  36,  Taf.  27,  1 ;  aus  Lucera: 
Archaeologia  41,  Taf.  14  ist  auf  drei  Doppelräder  gestellt,  war  aber  wegen  der  nach  oben 
gehenden  Stäbe  wohl  auch  zum  Aufhängen  bestimmt;  aus  Sammlung  Borgia:  Gerhard, 
Etr.  Spieg.,  Taf.  18  =-  Archaeol.  36,  Taf.  27,  7.  —  Auch  der  bekannte  Bronzewagen  von 
Judenburg  (Mitt.  hist.  Ver.  f.  Steierm.  III,  Taf.  1)  ist  zu  vergleichen.  Primitive  menschliche 
Bronzefiguren  dieser  Art  bemerkt  Co nze,  Zu  den  Anfängen  1873,  S. 30  (248),  nament- 
lich in  den  Museen  Tirols. 

2  Vgl.  was  über  diese  sehr  allgemeine  Sitte  zusammengestellt  ist  bei  Hermann- 
Stark,  Gottesdienstl.  Altert.  §20,  9;  Bötticher,  Baumkultus  S.  56 ff.  Taf.  I  ff . 

5  Sie  stellen  entweder  bloß  die  eine  Hälfte  der  Figur  dar  (ein  solches  Pferd  unter 
dem  Bauschutt  des  Zeustempels,  Inv.  Nr.  4899  [IV,  732]),  oder  die  aus  den  beiden  Hälften 
zusammengebogene  ganze;  von  der  letzteren  Art  besitzt  Berlin  einen  sorgfältigen  größeren 
Stier  unbekannten  Fundortes  (s.  Friederichs,  Berlins  ant.  Bildw.  II,  Nr.  1822),  auch  von 
der  ersteren  Art  einige  Exemplare  (aus  Italien?  s.  a.a.O.  Nr.  2388a— c). 


g    Die  Bron  iüs  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 

Man  sollte  nun  erwarten,  daß  diese  Votivtiere  in  einer  bestimmten  Beziehung 
nden  zu  der  Gottheit,  der  sie  dargebracht  wurden,  wie  dies  z.  B.  bei  den 
[nschriftlich  einem  üotte  geweihten  Bronzetieren  anderer  Fundorte  sicher  der 
Fall  ist  (ein  Bock  an  Apollo  Maleatas  im  Varvakion  zu  Athen,1  ein  Hase  C.  I.  G. 
BUS  Samos  geweiht  np  'AndkXcovi  t<}>  TlQitjXfji).  Jener  Erwartung  ent- 
sprechen die  Tatsachen  nicht  ganz.  Zunächst  muß  es  Befremden  erregen,  daß 
unterschiedslos  dieselben  Tiergattungen  sind,  d.  h.  dieselben  Rinder  und 
Pferde,  welche  die  Masse  der  Funde  bei  sicher  ganz  verschiedenen  Gottheiten 
geweihten  Altären  ausmachen.  Die  Massenfunde  dieser  Tiere  fanden  nämlich 
vor  allem  an  fünf  Altarplätzen  statt:  1.  östlich  vom  Pelopion  im  ganzen  Um- 
kreise der  Reste  des  großen  Zeusaltares,  2.  bei  dem  großen  Altarfundament 
östlich  vom  Heraion,  das  wohl  ohne  Zweifel  dem  Aschenaltare  der  Hera  Olympia 
(Paus.  V,  14,  8)  angehörte,  3.  bei  dem  Altare  vor  der  Westseite  des  Metroons, 
wie  früher  erwähnt,  in  besonders  tiefer  Schicht;  es  ist  der  Altar  Mijzgög  deco%> 
(Paus.  V,  14,  9),  ferner  4.  bei  dem  Altarfundamente  an  der  Südseite  des  Heraions 
(und  neuerdings  auch  in  der  Schicht  unter  den  Fundamenten  des  letzteren), 
endlich  5.  bei  dem  unter  dem  Bauschutte  des  Zeustempels  befindlichen  Altar- 
fundamente vor  der  vierten  Säule  der  Südfront  desselben  (von  O.).  An  all  diesen 
Stätten  ganz  verschiedener  Kulte  waren  die  Funde  im  wesentlichen  doch  völlig 
gleich,3  namentlich  überall  eine  Menge  von  ziemlich  ebensoviel  Rindern  als 
Pferden.  Weshalb  fanden  sich  nicht  die  dem  Zeus  heiligen  Adler?  wie  doch  in 
Dodona  die  Taube  (Carapanos,  Dodone  21,  4.  5),  in  Athen  die  Eule  (unter 
dem  Bauschutte  des  Parthenon;  Roß,  Arch.  Aufs.  I,  107)  sich  fanden.  Weshalb 
beim  Altar  der  Rhea  nicht  die  ihr  heiligen  Löwen?  Wir  haben  allerdings  einige 
sehr  primitive  kleine  Löwen  gefunden,  aber  gerade  weit  weg  vom  Metroon  (Inv. 
Nr.  .-J972  [IV,  947]  südöstlich  vom  Zeustempel,  Nr.  4213  [IV,  947]  auf  dem  süd- 
lichen Stadionwall);  und  merkwürdigerweise  gehören  dieselben  einem  ganz  be- 
sonderen Stile  an,  der  einer  kleinen  Gruppe  von  Tierfiguren  eigen  ist;  äußer- 
lich scheiden  sich  dieselben  schon  dadurch,  daß  ihre  Beine  vorn  und  hinten 
durch  eine  kleine  Querbasis  verbunden  sind;  die  Körper  sind  immer  langgestreckt, 
aber  die  Formen  weich  und  rund,  im  vollen  Gegensatze  zu  den  Tieren  des 
.geometrischen"  Stils;  die  Hinterbeine  pflegen  weit  nach  hinten  gestellt  zu  sein, 
der  Kopf  blickt  manchmal  um.*    In  dieser  Gattung  nun  kommen  sowohl  Löwen 

'  [A.  de  kidder,  Bronzcs  de  la  Societe  arch.  d'Athenes  Nr.  1018.] 

1  (II.  B.  Watten,  Bronzcs  in  tlie  British  Museum  Nr.  237.] 

'  I.inc  Unterscheidung   der  Tiere  nach  dem  Geschlechte,   wie  sie  Weil  (Mitt.  d. 

Athen.  Inst.  III,  225)  versucht  hat,   ist  sowohl  an   und  für  sich  abzuweisen,   da  die  Tiere 

einfach  geschlechtslos   und  die  sorgfaltigeren  männlich  gebildet  sind,   als  namentlich 

für  Bestimmung  der  Altäre  gar  nicht  zu  brauchen.  —  Die  ebenda  von  Weil    erwähnten 

:nd  vielmehr  die  oben  genannten  einzelnen  primitiven  Menschen. 

4  Der  Hindi  atu  I->odona(CarapanosTai.20,!J)  kann  hierher  gerechnet  werden,  obwohl 
«  ' :  I  weniger  primitiven  Charakter  zeigt  als  die  entsprechenden  olympischen  Tiere. 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    359 


vor  als  Ziegen  und  Hirsche  (letztere  mit  feiner,  doch  nicht  „geometrischer" 
Gravierung),  auch  Rinder,  doch  keine  Pferde.  Sie  waren  vermutlich  alle  dekorativ 
verwendet.  —  Der  soeben  bemerkte  Zusammenhang  der  Stilarten  mit  der  Aus- 
wahl der  Tiere  muß  uns  überhaupt  bedenklich  machen  gegen  die  Annahme  einer 
näheren  Beziehung  der  Votivtiere  zu  dem  speziellen  Kultus;  die  dem  „Dipylon- 
stil"  entsprechende  Gruppe  mit  den  verzierten  Basen  kennt  nur  die  in  jener 
Dekoration  üblichen  Pferde  und  Vögel  und  keine  Rinder;  ebenso  sind  die  ge- 
wöhnlichen Pferde,  Rinder  und  Vögel  die  dem  weiteren  „geometrischen"  Stile 
eigentümlichen  Tiere  und  als  solche  ebenso  in  Italien1  verbreitet;  ja  selbst  in 
Hallstätter  Gräbern  fanden  sich  den  olympischen  entsprechende  Rinder  ohne 
Spuren  der  Verwendung  (Sacken,  Grabfeld  von  Hallstatt  Taf.  18,  31,  33;  S.  86). 

Hierzu  tritt  nun  aber  auch  die  zeitliche  Beschränkung,  welcher  die  be- 
trachteten olympischen  Tierfiguren  unterworfen  sind.  Es  spricht  nämlich  alles 
dafür,  daß  nicht  nur  die  dekorativ  verwendeten,  sondern  auch  alle  übrigen  nur 
derjenigen  älteren  Zeit  angehören,  während  welcher  überhaupt  auch  die  be-  28 
sprochenen  „geometrischen"  Systeme  unter  den  Bronzen  üblich  waren.  Wenn 
auch  Exemplare  überall  und  auch  in  den  oberen  Schichten  der  Altis  vorkommen, 
so  gehören  die  massenhaften  Funde  doch  ausschließlich  den  tiefsten  und  ältesten 
Lagen  in  der  Umgebung  der  Altäre  an.  Was  hier  von  den  Bronzetieren  gesagt 
ist,  gilt  aber  ebenso  für  die  aus  Terrakotta,  die  in  Olympia  an  Zahl  jenen 
weit  nachstehen  und  fast  noch  ausschließlicher  nur  den  tiefsten  Fundschichten 
angehören;2  sie  stellen  nur  Pferde  und  Rinder  dar;  fast  alle  zeigen  Spuren  eines 
braunroten  oder  braunschwarzen  Firnisses,  der  meines  Wissens  nur  Terrakotten 
alter  Zeit  eigen  ist;  es  wird  kaum  nötig  sein  anzuführen,  daß  auch  sonst  die 
Ausgrabungen  in  Griechenland  überall  lehren,  daß  die  primitiven  Idole  und  Tier- 
figuren aus  Ton  nur  älterer  Zeit,  etwa  bis  ins  fünfte  Jahrhundert  herab  angehören. 
Die  meisten  jener  Terrakotta-Tiere  sind  ganz  roh;  nur  wenige  zeigen  einen  dem 
„geometrischen"  entsprechenden  Stil  und  sind  teilweise  mit  aufgemaltem  Zickzack 
verziert. 

Eine  zeitliche  Verschiedenheit  der  besprochenen  verschiedenen  Gruppen  von 
Bronzetieren  ist  nicht  zu  erweisen,  denn  Exemplare  aller  jener  Gattungen  wurden 
in  tiefster  Schicht,  z.  B.  auch  unter  dem  Bauschutte  des  Zeustempels  gefunden. 
Auch  lassen  sich  dieselben  keineswegs  untereinander  zu  einer  Entwicklung  ver- 
knüpfen, sondern  ihre  Unterschiede  sind  derart,   daß  sie  sich  nur  durch  die  An- 


1  Der  gemeinen  olympischen  Gattung  gleiche  Tiere  von  mir  notiert  in  den  Museen 
von  Neapel,  Perugia,  Florenz  und  Bologna. 

2  Sie  waren  besonders  in  der  Gegend  südöstlich  vom  Heraion  häufig.  —  Nach 
Angabe  von  G.  Treu  wurde  im  dritten  Ausgrabungsjahre  0,30  unter  dem  Fußboden  des 
Heraions  das  Fragment  eines  Terrakottapferdes  gefunden;  demselben  verdanke  ich  die 
Mitteilung,  daß  ganz  neuerdings  unter  den  Fundamenten  des  Heraions  außerordent- 
lich zahlreiche  Terrakotta-Tiere  sich  fanden  [IV  S.  43]. 


0    Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichti.iche  Bedeutung. 

nähme  verschiedener  Fabrikorte  erklären.  Die  große  Masse  mag  am  Orte  ent- 
nden  sein,  aber  jene  Gattung  mit  den  verzierten  „geometrischen"  Basen  ist 
\  iß  importiert  und  zwar  von  ebenda,  woher  die  Dreifüße  stammen.  Und  eine 
mdere  Entstehung  wird  die  Gruppe  haben,  in  welcher  die  Löwen  vor- 
kommen. Die  lokale  Fabrikation  scheint  vorwiegend  angeregt  von  importierter, 
mit  geometrischem  System  in  Beziehung  stehender  Ware.  Wer  etwa  die  Im- 
portation  so  geringer  Dinge  überhaupt  bezweifeln  wollte,  dem  ist  entgegen- 
29  zuhalten,  daß  die  sämtlichen  Idole  und  Tierfiguren  aus  bemalter  Terrakotta  in 
Mykene  zusammen  mit  den  Tongefäßen  dahin  importierte  Ware  sind. 

Schließlich  sei  nur  noch  einer  kleinen  Gruppe  von  Tierfiguren  gedacht, 
nämlich  einiger  Stiere,  deren  treffliche,  naturtreue  Bildung  sie  bedeutend  von 
jenen  primitiven  Dingen  unterscheidet  [IV  S.  151].  Sie  stehen  immer  auf  einer 
einfachen  Basis.  Ein  Exemplar  derselben  stammt  aus  Dodona  (Carapanos 
Taf.  20,4),  die  Bildung  stimmt  aber  auch  wesentlich  überein  mit  derjenigen  der 
Stiere  auf  der  großen  Steinvase  von  Amathus  (Musee  Napoleon  III  Taf.  33, 1.  2) 
auf  cyprischen  Münzen  (ebenda  3)  und  solchen  von  Lykien  (s.  Fellows,  Lyc. 
coins  Taf.  11,4)  wahrscheinlich  des  sechsten  Jahrhunderts. 

Nach  den  bisherigen  Resultaten  dürfen  wir  also  nicht  nach  mythologischen 
Beziehungen  zwischen  unsern  Rindern  und  Pferden  einer-  und  den  in  der  Altis 
verehrten  Göttern  andrerseits  suchen.  Der  jenen  der  älteren  Zeit  eigentümlichen, 
massenhaften  Votiven  innewohnende  Gedanke  kann  vielmehr  nur  der  sein,  daß 
man  die  für  das  eigene  Leben  unentbehrlichsten  und  weitaus  wichtigsten  Tiere 
den  waltenden  Gottheiten  im  Abbilde  darbrachte. 

Es  ist  dies  dieselbe  Anschauungssphäre,  aus  welcher  die  Votive  hervor- 
gegangen sind,  die  wir  hier  anschließen,  nämlich  die  kleinen  primitiven  Wagen - 
lenker-,  Reiter-  und  Kriegerfiguren,  welche,  vermengt  mit  jenen  massen- 
haften Tieren,  in  denselben  tiefsten  Schichten  um  die  Altäre  sich  fanden 
[IV  S.  3!)  ff.].  -  Man  dürfte  nach  der  Analogie  anderer  alter  Kultstätten  erwarten, 
in  diesen  Schichten  zahlreiche  Idole  der  am  Orte  verehrten  Gottheit  zu  finden, 
so  wie  z.  B.  in  Mykene,  der  athenischen  Akropolis,  Tegea  und  Megara.  In 
Olympia  ist  kein  einziges  altes  Götteridol  gefunden,  selbst  nicht  des  Zeus  oder 
der  Hera.  Die  nackten,  rohen,  männlichen  Figuren  sind  (soweit  sie  nicht  schon 
oben  als  dekorativ  Erwähnung  fanden)  nur  wirkliche  Menschen,  und  zwar  erst- 
lich: Wagen  lenker.  Von  diesen  sind  zwei  wohlerhaltene  Exemplare  Ausgrab. 
Bd.  IV,  Taf.  21,  \.  5  [IV,  257  u.  249]  abgebildet;1  die  Pferde  des  Gespanns  fehlen, 

1  Min  bloßer  Wagen  ohne  den  Lenker  ist  abgebildet  Ausgrab.  Bd.  II,  Taf.  31  rechts 
unten  (IV  S.  10].    Die  nur  aus  Stabwerk  gebildeten  Wagen  ohne  alle  Seitenwandung  ent- 
nau  den   altägyptischen  (Rossellini,   Mon.  d'Egitto  11,92,2;   Wilkinson, 
Manners  and  customs  I  ,).  während  die  assyrischen  volle  Wandungen  haben.     Der 

Vttnk    in  Griechenland    allgemein    rezipiert,    wie   altkorinthische   und  alt- 
attische  Vasenbild  n. 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    361 

doch  sind  unter  den  in  derselben  Schicht  gefundenen  Pferden  mehrere,  an  welchen  30 
die  durch  den  Kopf  gesteckten  Zügel  aus  Draht  oder  der  sie  mit  dem  Joch  ver- 
bindende Halsgurt  angedeutet  ist.  Die  seltsamen  Kopfbedeckungen  und  die 
Armhaltung  weisen  auch  einzelne  Statuetten,  wie  Ausgrab.  Bd.  III,  Taf.  24ß,  1 
[IV,  251],  dieser  Reihe  zu.1  Zahlreicher  sind  die  Wagenlenker  in  Terrakotta; 
auch  sie  haben  meist  eine  spitze  Mütze  als  Kopfbedeckung;  durch  letztere  oder 
durch  den  vorn  anstoßenden  Wagenrand  lassen  sich  viele  fragmentierte  er- 
kennen. —  In  Bronze  ist  ferner  ein  noch  auf  dem  Pferde  sitzender  Reiter  er- 
halten, einem  anderen  (abgebildet  Ausgrab.  Bd.  IV,  Taf.  21,  4  [IV,  257])  fehlt  nur 
das  Pferd.  —  Sehr  nahe  liegt  die  Vermutung,  daß  diese  Figuren  zu  den  Kampf- 
spielen in  Beziehung  stehen,  wonach  denn  die  Wagenlenker  nicht  älter  als  Ol.  25, 
die  Reiter  nicht  älter  als  Ol.  33  sein  würden  [vgl.  Hermes  39  S.  229] ;  gleichwohl  ist 
diese  Vermutung  abzuweisen,  denn,  da  es  sich  nachweisen  läßt,  daß  es  auch  sonst 
vorkommende  Sitte  alter  Zeit  war,  sich  in  kleinem  Abbilde  zu  Wagen  oder  zu  Pferde 
dem  Gotte  zu  weihen,  fällt  auch  für  Olympia  die  notwendige  Beziehung  zu  den 
Festspielen  weg.  Bestätigt  wird  dies  jetzt  überdies  durch  die  Funde  von  Wagen- 
lenkern unter  den  Fundamenten  des  Heraions,  dessen  erste  Anlage  sicher  älter 
ist  als  Ol.  25.  Vor  allem  ist  uns  als  Analogie  wichtig,  daß  sich  an  der  durch 
eine  dicke  Aschenschicht  bezeichneten  Altarstelle  in  dem  bei  Golgoi  auf  Cypern 
entdeckten  Heiligtume  primitive  Reiter  aus  Terrakotta  fanden  (s.  Cesnola- 
Stern,  Cypern  S.  125);  dasselbe  wird  von  dem  bei  Idalion  von  Lang  ent- 
deckten Tempel  berichtet  (s.  Transact.  of  the  Roy.  Soc.  of  Literature  XI  ser.  2  S.  60); 
ferner  fanden  sich  sowohl  die  primitiven  Reiter  als  die  Wagen  mit  Lenkern  in 
cyprischen  Gräbern  (bei  Alambra,  s.  Cesnola-Stern,  Cypern  S.  82  ff.)  und 
zwar  so,  daß  kein  Zweifel  daran  sein  kann,  daß  wirkliche  Menschen  gemeint 
sind.2  Dieselbe  Erscheinung  finden  wir  innerhalb  Griechenlands  bekanntlich  in  31 
den  Gräbern  Böotiens,  wo  namentlich  die  primitiven  Reiter  sehr  zahlreich  sind; 
dieselben  verbreiteten  sich  an  die  attische  Grenze;  in  den  älteren  Gräbern 
Dekeleias  kommen  die  Reiter  neben  böotischen  Tonvasen  vor  und  bei  Menidi 
(Acharnae)  fanden  sich  Pferdegespanne  [Jahrbuch  des  arch.  Inst.  1899  S.  122] ;  in 
den  eigentlich  attischen  Gräbern  sind  diese  Dinge  unbekannt. 

Der  Auffassung  jener  Figuren  als  beziehungsloser  Darstellungen  der  Per- 
sonen  selbst  schließen  sich  sehr  gut  die  primitiven  Krieger  Statuetten  an,  die 

1  Dagegen  hat  Inv.  Nr.  7042  [IV,  240]  zwar  die  hohe  spitze  Mütze,  erhebt  jedoch  die 
Arme  wie  zum  Beten  und  war  eine  selbständige  Figur. 

2  Wie  namentlich  der  Wagen-  und  Reiterzug  beweist,  der  a.  a.  O.  S.  84  beschrieben 
wird.  —  Die  Reiter  sollen  auch  in  rhodischen  Gräbern  vorkommen.  —  Nach  Mitteilung 
von  G.  Treu  fand  sich  ganz  neuerdings  in  der  Schicht  unter  den  Fundamenten  des 
Heraions  auch  ein  „nacktes  Weib  mit  Kopfbinde  und  rima"  [IV,  262],  also  eine  Figur  der 
Art,  wie  sie  in  jenen  selben  cyprischen  Gräbern,  welche  die  Reiter  und  Wagen  enthalten, 
auch  vorkommen  (Archaeologia  45  Taf.  10,  4).  Die  Analogie  der  anderen  Figuren  verbietet 
auch  hier  eine  Göttin  zu  sehen. 


2    Die  I  m's  Olympia  und  deren  kunstgesuiioiiuche  Bedeutung. 

nichts  mit  dem  Hoplitodromos  zu  tun  haben,  der  auch  erst  Ol.  65  in 
Olympia  eingeführt  wurde.  Auch  diesen  entsprechende  Figuren  finden  wir  in 
Cypern  neben  den  oben  gedachten  (in  Gräbern,  Cesnola-Stern  S.  82  ff.; 
haeologia  45  Taf.  10,  3).  Die  olympischen  Krieger  sind  nackt  oder  höch- 
stens mit  Leibgurt  versehen  wie  jene  Wagenlenker  und  Reiter;  wie  für  letztere 
der  Hut  oder  die  spitze  Mütze,  so  ist  für  diese  der  Helm  mit  hoher  Crista 
charakteristisch;  der  rechte  Arm  pflegt  mit  der  Lanze  erhoben  zu  sein,  am  linken 
wird  der  Schild  gesessen  haben  (s.  Ausgrab.  Bd.  III,  Taf.  24ß,  3  und  6;  Bd.  IV. 
Taf.  21,  1  [IV,  247.  243.245]);  ein  sehr  rohes  Exemplar  streckt  die  Arme  einfach 
seitwärts  aus  (Inv.  Nr.  5630  [zu  IV,  241]). * 

Wir  dürfen  in  diesen  Figuren  ohne  Zweifel  lokale  Erzeugnisse  erkennen; 
32  trotz  aller  Rohheit  tragen  dieselben  auch  einen  gemeinsamen  Typus,  indem  das 
Untergesicht  mit  den  mächtigen,  vom  Halse  scharf  abgegrenzten  Kinnbacken 
bedeutend  hervortritt,  während  die  Augen  teilweise  überhaupt  gar  nicht  oder  nur 
ganz  flach  angedeutet  sind.  Hierin  wesentlich  übereinstimmende  Figuren  anderer 
Fundorte  sind  mir  nicht  bekannt;  rein  lokal  ist  gewiß  auch  die  Tracht  der  Reiter 
und  Wagenlenker. 

Dies  ist  also  der  hauptsächlichste  Inhalt  der  ältesten  Schichten  um  die  Altäre: 
nicht  die  dem  Gotte  heiligen  und  charakteristischen  Tiere,  nicht  Idole,  die  ein 
Bild  der  Gottheit  sein  sollen,  sondern  die  eigene  Person  und  die  ihr  unentbehr- 
lichen Tiere  weihte  man  hier  den  Gottheiten,  den  verschiedenen  ohne  Unter- 
schied. Es  war  ein  bildloser  Kultus,  der  Jahrhunderte  gedauert  haben  mag. 
Hier  ist  offenbar  die  Wurzel  der  in  Olympia  so  früh  auftretenden  Sitte,  daß  der 
einzelne  nach  errungenem  Siege  sein  eigenes  Bildnis,  nicht  das  des  Gottes 
weihte;  diese  Sitte  erscheint  jetzt  nur  als  eine  spätere  Beschränkung  eines  früher 
viel  allgemeineren  Gebrauches.  In  seiner  ganzen  Allgemeinheit  erhielt  sich  der 
letztere  aber  in  Cypern:  die  beiden  dort  aufgefundenen  Heiligtümer  bei  Golgoi 
(durch  Cesnola)  und  Idalion  (durch  Lang)  ergaben  so  gut  wie  gar  keine 
Götterfiguren,  dagegen  viele  Hunderte  von  Statuen,  die  meist  nicht  Priester 
sondern  einfach  solche  Private  darzustellen  scheinen,   welche  hier  geopfert  und 

1  Line  derartige  menschliche  Votivstatue  als  Krieger  mag  der  bei  Paus.  V,  17,  1  er- 
wähnte unbekannte  bärtige  Mann    mit  Helm  gewesen   sein;   bei   einem  Gotte  hätte  sich 
schwerlich  jede  Tradition  so  verlieren  können.    Er  stand  neben  dem  Hauptbilde  der  Hera, 
wahrscheinlich  nur  zufällig,  wie  die  alten  Werke  im  Heraion  überhaupt  fast  planlos  durch- 
einander  standen   zu  Pausanias'  Zeit.     Lr  war  vermutlich   aus  Mergelkalk  wie  die  Hera 
und  wird  mit  ihr  den  folgenden  (joldelfenbeinwcrken  von  Pausanias  als   inXä  igya  ent- 
t.     Was  die  unbestreitbare  Lücke   nach    dem  vorangehenden  dtöe  angeht,  so 
Mute    ich    jetzt,    datt    hier    ausgefallen    ist     I"--    [SyaXfia   /<_"<■'■<  v   09  vQTfXatw  dvdfrrjfM 
denn  diese   hochberühmte  Statue,   die  nach  AgaklytOI  (Müller, 
h  im  HeraiOIl    befand,   und    die    Pausanias   (V,  2,  3)   kennt,   konnte 
hen.    Danach  nehme  ich  an,  dafi  das  grofie  Bathron  im  Heraion 
nur  das  Kultbild  d         ra  tru^,  d<   len  Kopf  wir  besitzen  (vgl.  Arch.  Ztg.  1879,  S.  40). 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    363 

nun  dem  Gotte  ihr  Abbild  weihen,  ein  Gebrauch,  der  von  Kennern  als  aus  echt  semi- 
tischer Anschauung  hervorgegangen  betrachtet  wird.1  Die  vereinzelten  Beispiele,  die 
wir  aus  älterer  Zeit  sonst  in  Griechenland  kennen,  weisen  auf  fremde  Einflüsse  hin :  ein 
Kreter  ist  Cheirisophos  mit  seinem  eigenen  Bild  und  Magneten  sind  die  Arbeiter  des 
Bathykles;  ebenso  kleinasiatisch  sind  die  Porträtstatuen  am  heiligen  Wege  bei  Milet. 

Mit  den  besprochenen  Eigentümlichkeiten  mag  es  in  Olympia  auch  zu- 
sammenhängen, daß  Votivreliefs  absolut  fehlen;  denn  seit  wir  die  archaischen 
Skulpturen  aus  dem  trefflichen  Kalkmergel  besitzen,  kann  dafür  der  Mangel  an 
passendem  Material  nicht  mehr  angeführt  werden.  —  Jedenfalls  sehen  wir,  daß 
die  in  Olympia  wirkenden  Elemente  nicht  diejenigen  waren,  aus  denen  die 
griechischen  Götterideale  entstanden;  denn  diese  setzen  die  Versuche  der  Götter-  33 
bildung  wenigstens  in  primitiven  Idolen  voraus,  wenn  dieselben  auch  anfänglich 
so  allgemeiner  Natur  sind,  daß  dasselbe  kleine,  durch  den  Handel  bezogene  weib- 
liche Tonbild  den  Verehrern  der  Hera(?)  in  Mykene  und  denen  der  Pallas  (?) 
auf  der  Burg  in  Athen  genügt.2 

Das  einzige,  das  die  Aschenschichten  olympischer  Altäre  für  bestimmte  Kulte 
Charakteristisches  geliefert  haben,  sei  indess  hier  erwähnt:  nahe  dem  Altare  an 
der  Westseite  des  Metroons  wurden  in  der  tiefsten  Schicht  mehrere  wohl  er- 
haltene Kymbala  gefunden,  die  ohne  Zweifel  dem  Kulte  der  /<>/t?/o  dscöv  zu- 
zuschreiben sind,  für  welchen  ihr  Gebrauch  schon  durch  ein  Zeugnis  Pindars 
(Fragm.  48  Böckh)  feststeht  [IV  S.  70];  sie  sind  aus  dünnem  Blech  gehämmert 
und  stimmen  hierin  wie  in  den  Dimensionen  (Durchm.  0,13)  mit  einem  in  Dodona 
gefundenen  (Carapanos  Taf.  54,  4)  überein.3  An  einem  der  olympischen  ist  in 
der  Mitte  der  gewölbten  Außenseite  noch  ein  schön  profilierter,  großer,  ge- 
gossener Griff  erhalten;  gleiche  Griffe  fanden  sich  mehrfach  in  der  Altis  zerstreut. 
Die  besondere  Wichtigkeit  dieser  Kymbala  besteht  darin,  daß  sie  das  hohe  Alter 
des  Kultes  der  Rhea  in  der  Altis  bestätigen  und  die  Richtigkeit  derjenigen  zahl- 
reichen Fingerzeige  bekräftigen,  durch  welche  die  Tradition  uns  für  die  Herkunft 
der  ganzen  Gruppe  der  Hauptkulte  Olympias  auf  Kreta  weist. 

Nicht  minder  interessant  ist  uns  eine  Reihe  kleiner  Votivdoppelbeile  aus 
Blech,  die  in  tiefster  Schicht  sowohl  beim  Altar  an  der  Westseite  des  Metroons 
als  bei  dem  an  der  Südseite  des  Heraions  und  endlich  im  Nordwesten  des  Zeus- 
tempels sich  fanden  [IV  S.  71];  einige  sind  mit  gravierten  konzentrischen  Kreisen 

1  Es  ist  dies  die  von  Renan  (Revue  archeol.  1879,  S.  321  ff.)  und  Chanot  (Gaz. 
archeol.  1879,  S.  187  ff.)  vertretene  Auffassung. 

2  Idole  aus  derselben  Fabrik  wie  die  Mehrzahl  der  mykenischen  Vasen  wurden  in 
Mykene  wie  auf  der  Akropolis  in  Athen  gefunden. 

3  Zu  vergleichen  sind  ferner  die  zwei  alten  gegossenen  Bronzekymbala,  die 
M.  Fränkel  (Arch.  Ztg.  1876.  Taf.  5)  als  solche  erkannt  und  einem  Kulte  der  Köre  in 
Thessalien  und  dem  der  Artemis  Limnatis  am  Taygetos  zugewiesen  hat.  Dieselben  zeigen 
ebenfalls  Löcher  für  einen  Griff.  Die  Form  der  altägyptischen  und  assyrischen  Cymbeln 
war  übrigens  dieselbe. 


|    Die  i  ws  Olympia  und  deren  kunstgeschichti.iche  Bedeutung. 

oder   Flechtornamenl   verziert.     Sie   können   nur  als  geweihtes  Symbol   gefaßt 

34  werden  und  weisen  als  solches   auf  den  Orient.     Bekannt  ist  die  Rolle,   welche 

Doppelaxt  als  heiliges  Symbol  in  Kleinasien  spielt,  hauptsächlich  in  Karien 
in  Verbindung  mit  dem  Zeus  Labrandeus,  in  Lydien  als  königliches  Attribut,  in 
Ciliden  in  Händen  des  Sandon  von  Tarsos  (R.  Rochette,  Mein,  d'arch.  comp. 
Tat.  IV.  (\  7),  auf  Tenedos  als  Münzwappen.  Einflüssen  von  dort  ist  wahrschein- 
lich ihr  Erscheinen  anderwärts  zuzuschreiben,  so  namentlich  in  Mykene,  wo  sie 
aus  Goldblech  bereits  in  den  Gräbern  der  Akropolis  einzeln  und  mit  einem  Stier- 
kopfe zusammen,  sowie  in  geschnittenen  Steinen  erscheint.  In  der  Sammlung 
Cesnola  hat  Doli  (Nr.  7685 — 7697)  dreizehn  kleine  Doppelbeile  aus  Bronze, 
wahrscheinlich  aus  den  Gräbern  von  Alambra  stammend,  notiert  (woher  auch 
die  oben  erwähnten  Reiter).1  Daß  dieselben  als  Symbol  auch  der  Fabrik  der 
geometrischen  Vasen  des  Dipylonstils  bekannt  waren,  zeigt  die  Vase  aus  Curium 
(Cesnola-Stern,  Cypern  Taf.  68).  In  Griechenland  ward  die  Doppelaxt  in  der 
klassischen  Zeit  mit  dem  Kulte  des  Dionysos  verknüpft  (vgl.  Daremberg  et 
Saglio,  Dict.  des  ant.  IS.  711  ff.). 

Doch  kehren  wir  zurück  zu  der  geometrischen  Dekoration  und  zwar  zu  dem 
-weiteren"  Systeme,  welchem  die  dem  erstbesprochenen  charakteristischen  Kreise 
mit  Tangenten  fast  gar  nicht  bekannt  sind. 

Eine  Hauptklasse  wird  hier  gebildet  von  einer  Serie  dünner  Blechbänder 
mit  getriebenen  Ornamenten  [IV  S.  45 ff.].  Die  einfachsten  enthalten  nur  Reihen 
von  gestanzten  Buckeln,  die  zuweilen  auch  die  Gestalt  konzentrischer 
Kreise  annehmen.  Eine  bestimmte  Art  dieser  Buckelreihen,  die  völlig  Nagel- 
köpfen gleichen,  scheint  der  altkorinthischen  Metallware  besonders  eigentüm- 
lich gewesen  zu  sein.-'  --  Den  olympischen  sehr  ähnliche  Blechstreifen  haben  die 

35  ältesten  Gräber  Italiens  geliefert.8  —  Komplizierter  ist  es  schon,  wenn  die  ein- 
zelnen oder  konzentrischen  Kreise  aus  kleinen  gestanzten  Punkten  zusammen- 
gesetzt werden,  die  nicht  selten  von  der  größten  Feinheit  sind.  Dieselbe 
Technik   kommt  in   Italien   und   dem   Norden  vor.4     Ganz  vereinzelt  zeigt   ein 

'  Hinfache  Äxte  in  Miniaturform  als  Votivgaben  kamen  indess  auch  in  Dodona 
vor  (Carapanos  Taf.  54,  6.  7.  9.  10  und  Texte  S.  100).  Verwandt  sind  auch  die  Miniatur- 
äxte in  Gräbern  von  Hallstatt  (Sacken  Taf.  8,  1—4  und  S.  42). 

Her  Toreut  Apelles  bei  Asklepiades  (Athen.  XI  p.  488c)  bemerkt  derartige  Buckeln 
de  an  korinthischen  Werken  und  will  damit  die  „Nägel"  an  Nestors  Becher  erklären. 
Wie  zur  Krläuterung  dessen  hat  sich  in  einem  alten  Grabe  zu  Korinth  ein  in  Gold- 
blech getriebener  seltsamer  Gegenstand  gefunden,  der  mit  Buckelreihcn  geschmückt  ist, 
die  völlig  die  Gestalt  von  Nagelköpfen,  wie  wir  sie  z.  B.  in  Olympia  zahlreich  finden, 
haben  (im  Um  Vre;  abgebildet  I.indcnschmit,  Altert,  heidn.  Vorz.  I,  10  Taf.  4,  2).  [Stammt 
nehr  aus  Avanton.) 

■imcntlich  bei  Bologna  in  den  Gräbern  des  Typus  der  von  Gozzadini,  Sepolcr. 
pr.  a  BoL  veröffentlichten. 

I.  I'    d  is  Blechrund   n  mark    bei  Conestabile,   Sovra  due  dischi  in 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    365 


Blech  dieser  Art  in  Olympia  (Inv.  Nr.  7145  [zu  IV,  313])  die  durch  Tangenten  ver- 
bundenen Kreise. 

Am  reichsten  ist  diejenige  Gattung,  welche  die  Buckeln  mit  diesen  getriebenen 
Punkten  verbindet.  Der  Art  ist  das  in  unserer  Fig.  6  [=  Olympia  IV  Taf.  20  Nr.  327] 
gegebene  Stück.   Auf  den  kleineren  und  feineren  Exemplaren  pflegen  die  Punkte 


indess  nicht  gestanzt,  sondern  nur  mit  dem  Grabstichel  graviert  zu  sein.  Genau 
dieselbe  Technik  und  teilweise  dieselben  Motive  finden  wir  auf  den  Gürtelblechen 
von  Hallstatt  (s.  namentlich  v.  Sacken  Taf.  9,  1.6.  7),  nur  daß  die  olympischen 
durchschnittlich  einfacher  sind.  Nur  sehr  wenig  differiert  in  der  Technik  das  schöne, 
alte,  geometrische  Bronzeblech  ausEuboea  bei  Bröndsted,  Bronzen  von  Siris, 
Taf.  VII;  die  Buckeln  sind  durch  Liniengravierung  mit 
Tangenten  verbunden  und  von  Zäckchenreihen  umgeben. 
Von  der  Gattung  endlich,  welche  die  Buckeln  auf 
das  geringste  Maß  reduziert  und  Kreise  und  Zickzack 
nur  durch   gravierte  Punktierung  gibt,   bietet  Fig.  5     £"' 


[=  Olympia  IV  Taf.  19  Nr.  324]  ein  Beispiel. 

Nicht  selten  werden  die  Zickzackstreifen  durch 
den  sogen.  Tremolierstich  gegeben.  Auch  dies  ist 
eine  in  dem  weiteren  geometrischen  Bronzestil  durchweg 
verbreitete  Technik.  Wir  finden  sie  immer  an  Stücken 
von  hohem  Alter,  auch  in  Dodona,1  in  Etrurien2 
und  dem  Norden.3     Gefunden  wurden  die  erwähnten 

Blechstreifen  Olympias  hauptsächlich  in  der  Umgebung  des  großen  Zeusaltars 
und  zwar  durchweg  in  tiefster  Schicht.  Was  die  Verwendung  derselben  be- 
trifft, so  vermute  ich,  daß  ein  großer  Teil  zur  Verkleidung  kleiner  Holz- 
kästchen  diente,  welche  zur  Aufnahme  der  in  derselben  Altargegend  zahlreich 


Fig.  5. 


1  Siehe  das  Kymbalon  (Carapanos  Taf.  54,  4)  und  die  Axt  (dort  10). 

2  Blechrund  aus  Perugia  bei  Conestabile,  Sovra  due  dischi  Taf.  1,1. 

3  Namentlich  in   Hallstatt   (Sacken  Taf.  8,  2;  12,  1),  in  der  Schweiz  (Mitt.  antiqu. 
Ges.   Zürich  I,  Taf.  2,  6  S.  33  in  einem  Grabe  mit  sicher  etruskischen  Dingen  zusammen). 


6    Da  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 


Fig.  7a. 


gefundenen,  gleich  zu  besprechenden,  kleinen  Toilettengegenstände  bestimmt  waren. 
Kästchen  mit  ähnlichen  Geräten  werden  bekanntlich  in  den  Inventaren  des  Heka- 
tompedos  zu  Athen  als  Weihgeschenke  von  Frauen  genannt.1  —  Bei  den  längeren 

jener  Blechstreifen  kann  man  indess  auch  an  den  Be- 
schlag lederner  Gürtel  und  Schwertriemen  denken 
(t&Uz/xcöv),  deren  Bekleidung  mit  Metallblech  uralter 
Gebrauch  war.  Dies  ist  auch  die  Verwendung  der 
in  Hallstatt  gefundenen,  so  sehr  verwandten  Streifen 
(Sacken  a.a.O.  S.  47  ff.). 

Von  den  genannten,  ohne  Zweifel  von  Frauen  ge- 
weihten Schmuckgegenständen,  die  meist  in  der 
Altargegend  in  tiefster  Lage  sich  fanden,  betrachten 
wir  zuerst  die  Fibeln  [IV  S.  51  ff.]. 

Die  interessanteste  Fibel  Olympias  ist  die  in  unserer 
Fig.  7a  und  b  [=  Olympia  IV  Taf.  22  Nr.  365  u.  365a] 
abgebildete.-  Das  viereckige  Blech,  das  den  Hauptteil 
derselben  ausmacht,  ist  aufs  feinste  graviert  und  zwar 
auf  beiden  Seiten.  Der  große  Bügel  ist  gegenwärtig 
verbogen;  seine  richtige  Lage  zeigt  die  einzige  Fibel 
genau  desselben  Typus,  die  bis  jetzt  bekannt  zu  sein 
scheint,  nämlich  die  in  einem  Grabe  zu  Theben  in 
Böotien  gefundene,  leider  fragmentierte,  welche  in  den 
Annali  d.  Inst.  1880  Taf.  G  veröffentlicht  und  dort  von 
mir  besprochen  ist.  Die  Dekorationsweise  steht  offenbar 
in  nahem  Verhältnis  zu  dem  durch  die  „Dipylonvasen" 
repräsentierten  System.  Namentlich  ist  dies  an  dem  auf 
dem  thebanischen  Exemplare  dargestellten  Pferde  deut- 
lich; weniger  ist  dies  bei  dem  olympischen  der  Fall; 
die  vier  auf  der  einen  Seite  dargestellten  Fische3  und 
der  Vogel  mit  umgewendetem  Halse  auf  der  anderen  Seite  sind  durch  linear- 
schematische  Zeichnung  bis  zur  Unkenntlichkeit  entstellt;  der  Vogel  findet  die 
meiste  Analogie  in  gewissen  cyprischen  Vasen;4  das  Motiv  des  langen  um- 
37  gewendeten  Halses  ist  ein  auf  mykenischen  Gefäßen  der  späteren  Gruppe  be- 
liebtes. —  Der  Rand  ist  mit  feiner  Punktierung  und  Tremolierstich  graviert.  — 

1  Kleine  Blechkästchcn  in  genauer  Nachahmung  von  hölzernen  haben  sich  als  Votive 
in  Dodona  gefunden  (Carapanos  Taf.  54,  8). 

Ocfundcn  vor  der  Westfront  des  Zeustcmpels.  —  Von  einer  anderen  dieser  Art 
hat  sich  nur  der  Bflge]  (im  Prytaneion;  Inv.  Nr.  7392  [zu  IV,  366])  gefunden,  der  genau 
übereinstimmt  mit  dem  Bügel  des  oben  zu  nennenden  thebanischen  Exemplars. 

onders   der  Raumfüllung  dienend,   sind  nicht  selten  in  den  „Dipylon- 
vasen*,  doch  sind  sie  niemals  ähnlich  reihenweise  schematisch  aufgestellt. 
■  Wie  7..  B.  Archacologia  45  Taf.  12,5. 


Fig.  7  b. 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    367 

Daß  indess  ein  direkt  verwandter  Typus  ganz  vereinzelt  auch  in  Italien,  ja  in 
Pannonien  vorkommt,  darüber  vergleiche  das  in  den  Annali  a.  a.  O.  Gesagte. 

Gehört  diese  Fibel  einer  besonderen,  wie  es  scheint,  kaum  nach  Westen, 
über  Griechenland  hinaus  exportierten  Gruppe  geometrischer  Bronzen  an,  so 
stimmen  dagegen  die  übrigen  Fibeln  Olympias  vollkommen  mit  denen  des 
Westens  und  Nordens  überein.  Da  finden  wir  zunächst  in  einem  vorzüglich 
erhaltenen  und  mehreren  fragmentierten  Exemplaren  den  großen  aus  vier  Draht- 
spiralen zusammengesetzten  Typus.  Derselbe  wurde  in  Italien  in  etwa  dem 
sechsten  Jahrhundert  angehörigen  Gräbern  gefunden1  und  kommt  ebenso  im 
Norden-  vor.  Ob  man  in  Olympia  auch  den  sonst  gewöhnlicheren3  Typus  mit 
zwei  Spiralen  kannte,  wird  durch  kein  vollständiges  Exemplar  sichergestellt. 

Was  die  bügeiförmigen  Fibeln  betrifft,  so  kommt  in  Olympia  die  Gattung 
mit  dem  breiten,  segelartig  ausgebauchten  Bügel  mehrfach  vor  und  zwar  verziert 
mit  gravierten  Zickzackmotiven.  Die  Form,  der  offenbar  zum  Vorbilde  eine  Muschel- 
art gedient  hat,  ist  von  hohem  Alter,  obgleich  wohl  später  als  die  mykenischen  Alter- 
tümer, denen  sie  noch  fremd  ist.  Ohne  Verzierung  kommt  sie  inTroja  vor  (S ch He- 
rn an n,  Atlas  trojan.  Altert.  Taf.26Nr. 713  [Hubert  Schmidt,  Schliemanns  Sammlung 
Nr.  6432]);  in  Dodona  mit  der  gewöhnlichen  linearen  Gravierung;  besonders  große 
Exemplare  in  Megara,  wie  es  scheint  in  einem  Grabe  etwa  des  siebenten  Jahrhunderts.* 
In  Italien  findet  sie  sich  bereits  in  der  Nekropole  von  Alba  Longa  (Visconti,  Lett. 
sopra  alc.  vasi  sep.  =  Inghirami,  Mon.  etr.  VI,  C.  4;  vgl.  Heibig,  Italiker  in  der 
Po-Ebene  S.  89  ff.),  dann  in  der  Gräberreihe,  wo  der  geometrische  Stil  herrscht,  in 
Menge;  ebenso  im  Norden.  Die  geometrische  Verzierung  dieser  ohne  Zweifel  vom 
Osten  überkommenen  Form  scheint  in  Etrurien  eine  besondere  Ausbildung  erfahren  38 
zu  haben,  der  gegenüber  die  griechischen  Exemplare  einfach  erscheinen.5 

Auch  die  Gattung  mit  einfachem  rundem  Bügel6  mit  Zickzackgravierung 
kommt  in  Olympia  und  zwar  in  einem  Exempla*  von  nicht  weniger  als  0,12 
Länge  vor  (Inv.  Nr.  5705  [IV,  342]).  Daß  besonders  große  Fibeln  noch  zu  Herodots 
Zeit  wenigstens  in  Aegina  und  Argos  üblich  waren,  lernen  wir  aus  Herod.  V, 
87—89;  ebendaher  entnehmen  wir  das  Zeugnis,  daß  die  Frauen  Fibeln  zu  weihen 
pflegten,   sowie  daß  die  Frauentracht  mit  Fibeln   als  die  dorische  galt  und  daß 


1  So  in  Suessula  (s.  Fiorelli,  Notizie  degli  scavi  1878,  Taf.  VI,  2,  4,  5 ;  v.  Duhn 
im  Bull.  d.  Inst.  1878,  S.  154). 

2  So  in  Hallstatt  (Sacken  Taf.  13, 10;  sonst  Lindenschmit,  Altert.  I,  9  Taf.  2,  8.  III, 
Beilage  zu  Heft  1  S.  12.  —  Sadowsky,  Handelstr.  der  Griechen  und  Römer,  Tafel 
Nr.  35—40. 

3  In  Hallstatt  allein  durch  über  400  Exemplare  vertreten  (Sacken  S.  60). 

4  Siehe  Gazette  archeol.  1879  S.  50,  Fr.  Lenormant.  [Zu  dem  hier  gefundenen 
Schmuckstück  mit  Kopf  s.  Furtwängler,  Sitzungsber.  der  K,  B.  Akad.  1906  S.  470.] 

5  Den  olympischen  ähnlich  ist  z.  B.  Gozzadini,  Sepolcr.  etr.  Taf.  VIII,  11. 

8  Der  Art  wie  Lindenschmit  a.a.O.  1,9  Taf.  2,  5;   Sacken,  Grabfeld  von  Hallstatt 

Taf.  13,11. 


368    I1  us  Olympia  und  deri  n  kunstgbschichtliche  Bedeutung. 

Athen  die  letztere,  wie  es  scheint,  im  sechsten  Jahrhundert  mit  der  jonischen, 
oder  nach  Herodot  ursprünglich  karischen,  vertauschte,  die  ohne  Fibeln  getragen 
wurde.  Sicher  scheint  demnach,  daß  die  Fibeln  im  dorischen  Peloponnes  länger 
im  Gebrauch  waren,  als  im  Bereiche  attischer  Kultur.  —  Endlich  wurden  in 
Olympia  auch  einfache  Drahtfibeln  gefunden,  genau  des  auch  im  Norden  vor- 
kommenden Typus  bei  Lindenschmit,  Altert.  II,  11  Taf.  2,  3  [IV  S.  52]. 

Es  haben  sich  indess  in  den  oberen  Schichten  auch  einzelne  Fibeln  ge- 
funden, die  mit  den  allenthalben  verbreiteten,  sicher  römischen  Typen  überein- 
stimmen [IV  &  1S3].1 

Der  älteste  und  häufigste  Typus  der  Armringe  in  Olympia  stimmt  eben- 
falls im  wesentlichen  überein  mit  dem  in  den  älteren  Gräbern  Italiens  und  nament- 
lich des  Nordens  gewöhnlichen  [IV  S.  56  ff.].  Es  ist  der  Typus  des  getriebenen 
offenen  Hohlringes,  an  beiden  Enden  mit  einem  Knopfe  versehen  und  mit  ein- 
fachen, gravierten  Motiven  verziert;2  nur  pflegt  in  Olympia  die  Außenseite  nicht 
39  rund  gewölbt,  sondern  dachartig  abgeschrägt  zu  sein;  Exemplare  wurden  in  den 
tiefsten  Schichten  gefunden.  —  Dasselbe  ist  der  Fall  bei  einigen  der  aus  einem 
einfachen  Bande  bestehenden  Ringe,  die  entweder  mit  Schuppen  und  an  den 
Enden  mit  angedeuteten  Schlangenköpfen  oder  mit  geometrischer  Gravierung 
geschmückt  sind.  -  Nicht  immer  leicht  zu  scheiden  hiervon  sind  die  Armringe 
spätrömischer,  ja  byzantinischer  Zeit,  da  hier  ebenfalls  feine  gravierte  Punktierung, 
Striche  und  Kreise  für  kleine  Schmuckgegenstände  sehr  in  Mode  war;  der  Typus 
im  allgemeinen  ist  der  bei  Lindenschmit,  Altert.  I,  12  Taf.  6,  5. 11,  aus  fränkisch- 
alamannischen  Gräbern  publizierte. 

Auch  Ohrringe  haben  sich  gefunden,  in  der  Form  von  nach  unten  ge- 
richteten Pyramiden  aus  kleinen  Kugeln,  gleich  denen,  welche  mitunter  den  Hera- 
kopf elischer  oder  den  Pallaskopf  korinthischer  Silbermünzen  des  fünften  Jahr- 
hunderts schmücken  [IV  S.  185].  Von  den  besonders  durch  die  südrussischen  Aus- 
grabungen bekannten  Typen  attischen  Schmuckes  des  vierten  Jahrhunderts  hat 
sich  nie  etwas  in  Olympia  gefunden. 

Mehrfach  kommen  auch  kleine,  gewöhnlich  dreifach  gewundene  Ringe  aus 
Draht  vor,  die  offenbar  wie  die  ähnlichen  der  altetruskischen  Gräber  als  Schmuck 
der  Haarlocken  zu  betrachten  sind.  Doch  auch  ganz  einfache,  schmucklose, 
massive  Ringe  fanden  sich  ziemlich  zahlreich,  besonders  in  der  großen  Altargegend 
in  tiefster  Schicht,  gewöhnlich  von  2—5  cm  Durchmesser  [IV  S.  63].    Ihre  Bestim- 


Namentlich  der  Typus  bei  Sadowsky,  Handelstr.  der  Griechen  und  Römer,  Tafel 
X)  (derselbe  Typus  mit  lateinischer  Inschrift  Caylus,  Rec.  d'ant.  I,  94,  8)  und  der 
bei  Carapanos,  I)odonc  Tat  51,  3. 

■  l.ine    Zusammenstellung    desselben    aus    den    ältesten    Funden    der    sogenannten 

in  Revue  archeol.  1867,  Taf.  6,  7.  Vgl.  auch  Lindenschmit, 
Altert.  1.6  Taf.  4;  Mttt  antiqu.  Ges.  Zürich  XIV,  6,  Taf.  16,3.4.8.24;  Caylus,  Rec.  d'iint. 
VII,  61,1. 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    369 


mung  kann  nur  die  des  Schmuckes  gewesen  sein ;  die  Gräber  von  Hallstatt  geben  auch 
hier  Aufschluß  durch  die  zahlreichen  Funde  analoger  massiver  Bronzeringe  besonders 
unter  dem  Kopfe,  also  für  die  Haare  bestimmt,  auch  auf  der  Brust  oder  am  Halse,  wo 
sie  wohl  an  einer  Schnur  gereiht  getragen  wurden ; J  ganz  gleiche  Ringe  wurden  auch 
in  altetruskischen  Gräbern  mit  Gegenständen  geometrischen  Stils  gefunden.2 

Plump  und  schwer  wie  diese  Schmuckringe  sind  auch  die  Reste  der  Hals- 
ketten aus  Bronze  [IV  S.  62].  Es  finden  sich  in  Olympia  zunächst  die  meisten 
derjenigen  Formen  in  größerem  Formate  und  aus  Bronze  wieder,  die  wir  in  Glas 
bereits  aus  den  Grabkammern  von  Spata  und  Menidi  kennen.  Auch  die  Formen 
der  aus  Niniveh  stammenden  Halsbandteile  von  Achat  bei  Place  (Ninive  et  40 
l'Assyrie  Taf.  75)  fanden  sich  zum  Teil  ganz  gleich  in  Olympia.  Besonders  be- 
liebt ist  hier  die  Form,  die  im  wesentlichen  übereinstimmt  mit  jenen  zahllosen, 
kleinen,  in  Troja  und  auch  in  den  ältesten  italischen  Niederlassungen  gefundenen 
Terrakottagegenständen,3  die  ohne  Zweifel  auch  nur  als  Teile  von  Schmuck- 
ketten aufzufassen  sind.  Noch  genauer  stimmen  mit  den  olympischen  einige  in 
Hallstatt  gefundene  Stücke  aus  Bronze  überein  (wie  Sacken  Taf.  17,  23 — 25), 
auch  die  goldenen  aus  Vulci  im  Mus.  Greg.  I,  79,  3.  Der  Durchmesser  der 
Öffnung  für  die  durchzuziehende  Schnur  variiert  in  Olympia  von  5 — 14  mm;  die 
Größe  ist  dem  entsprechend.  Nur  selten  sind  diese  Halskettenglieder  verziert, 
z.  B.  mit  konzentrischen  Kreisen  (Inv.  Nr.  7080  [IV,  451].  7153  [IV,  442]). 

Zu  den  hauptsächlich  der  großen  Altargegend  eigenen  Funden  gehören  auch 
die  Schmucknadeln,  gewöhnlich  12 — 14  cm  lang  und  von  reich  profilierten, 
gleichsam  gedrechselten  Knöpfen  bekrönt  [IV  S.  66 ff].  Auch  hier  finden  wir 
fast  genau  dieselben  Formen  in  dem  oft  genannten  Hallstatt  (Sacken  Taf.  15,  9 ff. 
und  S.  67).  —  Diesen  alten  Typen  gegenüber  gehören  die  mit  würfelförmigen 
oder  polygonen  Knöpfen,  die  auch  in  Hörn  vorkommen,  indess  nur  den  oberen 
Schichten  und  später  Zeit  an.4 

In  diesem  Zusammenhange  müssen  auch  die  in  der  Altis  nicht  seltenen  ein- 
zelnen Bronzeräder  besprochen  werden  [IV  S.  65].  Ein  Teil  derselben  hat 
ohne  Zweifel  zu  den  oben  erwähnten  primitiven  Wagen  und  Gespannen  gehört; 
vielleicht  gehörte  ein  Teil  auch  zu  jener  Gattung  alter,  auf  Räder  gesetzter  Blech- 
gefäße, die  in  Italien  wie  im  Norden  gerade  zusammen  mit  anderen,  den  olym- 
pischen völlig  entsprechenden  Bronzen  gefunden  werden;  die  einzelnen  Stücke, 
um  solche  Kesselwagen  zusammenzusetzen,  würden  in  Olympia  nicht  fehlen. 
Daß  der  Typus,   der  schon  Homer  bekannt  ist,5  vom  Osten   und  zuerst  wohl 


1  Sacken,  Grabfeld  von  Hallstatt  S.  74. 

2  So  in  der  tomba  del  guerriero  in  Corneto  (Mon.  d.  Inst.  X,  10*,  26—29). 

3  Die  beiden  Haupttypen  von  Troja  s.  bei  Schliemann,  Atlas  trojan.  Altert.  Taf.  16 
u.  13.    Sonst  Heibig,  Italiker  in  der  Po-Ebene  Taf.  I,  11.  12;  II,  10. 

4  Ein  Exemplar  in  einem  christlichen  Grabe;  vgl.  unten. 

5  II.  18,  372  ff.  Dreifüße  auf  Rädern.     Od.  4,  131  Ttüagog  vnmevxXog. 

A.  Furtwäneler.    Kleine  Schriften  t.  ^4 


370   r>'E  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 

durch  Phöniker1    nach   dem  Westen  sich  verbreitete,   ist  anerkannt.  —  Uralt  ist 
ferner  die  Verwendung   des  Rades   und   zwar  des   einfachen   mit  vier  Speichen 

41  als  Schmuckgerlt;  schon  in  den  ältesten  Gräbern  Mykenes  haben  sich  ge- 
triebene Goldbleche  gefunden,  welche  diese  Verwendung  des  Rades  zeigen 
(Schliemann,  Mykenae  S.  234,  Nr.  316).  In  Olympia  ist  sie  nicht  minder  sicher. 
Teils   haben  die  Räder   eine   einseitige  Achsenbüchse   in  der  Mitte   zum  Durch- 

cken  eines  Stabes  oder  einer  Nadel;  dergleichen  kamen  auch  in  Mykene  vor 
Schliemann  S.  83  Nr.  120  die  kleinen  unten);  der  Typus  stimmt  in  allem 
Wesentlichen  überein  mit  den  als  Krönungen  von  Haarnadeln  gefaßten  Rädern 
der  italischen  Pfahldörfer.-  Ein  solches  Rad  mit  in  Relief  aufgesetztem  Zickzack, 
also  der  Gruppe  der  „geometrischen"  Dreifüße  usw.  entsprechend,  fand  sich  unter 
dem  Bauschutte  des  Zeustempels  in  Olympia  (Inv.  Nr.  4799  [IV,  508]).  —  Die 
noch  zahlreicheren  Räder  ohne  jede  Achsenbüchse  waren  ohne  Zweifel  zum  An- 
hängen bestimmt;  ein  Prachtexemplar  der  Art  von  0,12  Durchmesser  wurde  in 
der  großen  Altargegend  in  tiefster  Schicht  gefunden;  es  ist  ganz  mit  Zickzack 
im  feinsten  Tremolierstich  bedeckt.  Dieser  Typus,  jedoch  mit  mannigfachen 
Variationen,  welche  die  einfachen  olympischen  Räder  nie  zeigen,  ist  ebenfalls 
ein  in  den  ältesten  Niederlassungen  in  Italien  und  dem  Norden  gewöhnlicher,3 
wo  der  Zweck  des  Anhängens  nicht  selten  durch  eine  Öse  unzweifelhaft  wird.4 
Hin  kleines  Rad  aus  Blei  mit  eigener  Öse  zum  Anhängen  in  Olympia  [IV,  470]  ist 
völlig  gleich  mit  in  Mykene  gefundenen  aus  Bronze  (Schliemann  S. 83  Nr.  120, 
vgl.  S.  125).6 

Am   Schlüsse   der  Betrachtung   der  Schmuckgegenstände,   deren  Analogien 

42  wir  jedesmal  in  den  ältesten  Funden  des  Westens  und  Nordens  fanden,  bemerken 
wir  indess,  daß  eine  der  Hauptrubriken  unter  den  letzteren  sich  in  Olympia  gar 
nicht  findet:  das  dort  so  beliebte  Kettengehänge  mit  kleinen  Klapperblechen 
u.  dgl.a  scheint  in  der  Altis  unbekannt  gewesen  zu  sein.  Es  gehört  mit  zu  den 
mannigfaltigen   näheren  Analogien  der  alttrojanischen  —  von  der  des  südlichen 


1  Die  Becken  auf  Rädern  vor  dem  Tempel  Salomos.     [Sitzungsber.  d.  bayer.  Akad. 
d.W.  1899  S.  411  ff.] 

*  II eibig,  Italiker  in  der  Po-Ebene,  S.  89  und  Taf.  1,  6.  II,  6.    Mitt.  ant.  Ges.  Zürich 
XIV,  6,  Taf.  2,  12.  13. 

*  Siehe   die   reiche  Zusammenstellung   von  H.  de  Longperier   in   Revue   archcol. 
r,  II,  S.  313  ff.,  397  ff.,  Taf.  24.  25.  —  Corneto,  Tomba  del  guerriero,  Mon.  d.  Inst.  X, 

10b,  24.  25.  —  Vgl.  auch  Lindenschmit,  Altert.  111,4  Taf.  1. 

1  Vgl.  außer  Revue  arch.  a.  O.  Sophus  Müller,  Bronzezeit  S.  120;  Troyon,  Habit, 
lacustr.  Taf.  XI,  8. 

hin   einfaches  Rad   aus  Dodona    mit  Weihinschrift   an  Aphrodite  aus   etwa   dem 
4.  Jahrhundert  (Carapanos,  Dodone  Taf.  26,  1)  ist  wahrscheinlich  nicht  als  Schmuckgcr.it, 
lern  als  Symbol  zu  fassen;  ganz  sicher  gehörte  es  nicht  zu  einem  der  alten  Wagcn- 
gefäL  Heuzey  a.  O.  S.  230  vermutet. 

*  Vgl.  z.  B.  v.  Sacken,  Hallst.itt  Taf.  13 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    371 


ägäischen  Meeres  ganz  verschiedenen  —  Kultur  mit  der  altitalischen,   daß  auch 
dort  jene  Gehänge  erscheinen.1 

Wenn  ferner  auch  eine  Reihe  kleiner  Verschiedenheiten  einzelner  Details'2 
beweist,  daß  die  gemeinsamen  Typen  an  den  verschiedenen  Orten  eine  teilweise 
verschiedene  Ausgestaltung  erhielten,  so  bleibt  doch  eine  Fülle  des  Übereinstim- 
menden übrig,  welche  den  ursprünglich  gleichen  Ausgangspunkt  der  genannten 
Bronzegegenstände  in  Griechenland,  Italien  und  dem  Norden  erweist. 

Es  ist  charakteristisch,  daß  dieses  Gemeinsame  der  Formen  und  der  De- 
koration hauptsächlich  im  Gebiete  der  kleinen  Schmuckgegenstände  oder  der  ge- 
triebenen Gürtel  und  Kästchenbeschläge  herrscht,  also  in  Dingen,  die  sich  gerade 
zu  weitverzweigtem  Handel  eignen. 

Indem  wir  bis  jetzt  nur  die  mit  der  geometrischen  Dekoration  zusammen- 
hängenden Funde  Olympias  überblickten,  haben  wir  dennoch  einige  Rubriken 
wie  die  der  alten  Schmuckgegenstände  und  die  der  Dreifüße  bereits  ganz  er- 
ledigt. Eine  Reihe  anderer  Gefäßgattungen  und  manche  getriebene  und  gestanzte 
Blechverkleidungen  bleiben  uns  indess  noch,  an  denen  jenes  ganz  verschiedene 
Dekorationssystem  zur  Anwendung  gekommen  ist,  das  man  als  „orientalisch" 
dem  „geometrischen"  entgegenzusetzen  gewöhnt  ist.  Pflanzliches  Ornament  und 
die  Einführung  von  wilden  und  fabelhaften  Tieren  unterscheiden  diesen  Stil  in  der 
Tat  scharf  von  dem  vorigen,  der  sich,  was  die  Tiere  betrifft,  fast  nur  auf  Pferd, 
Rind  und  Vogel  beschränkt,  welche  ihn  in  derselben  Formgebung  und  Ver- 
wendung auf  seiner  Wanderung  begleiten;  denn  daß  jene  Tiergattungen  den  43 
wirklich  in  Italien  und  dem  Norden  vorhandenen  am  besten  entsprachen,  muß 
nur  als  Zufall  betrachtet  werden,  der  jene  Verbreitung  begünstigt,  nicht  aber 
hervorgerufen  haben  kann;  vielmehr  sahen  wir,  daß  jene  Tiere  durchaus  nur  zu 
dem  bestimmten  Formenvorrate  gehören,  der  eben  von  Osten  her  übertragen 
wurde.  —  Eine  wesentlich  geringere  Ausbreitung  hat  der  „orientalische"  Stil, 
zu  dem  wir  uns  jetzt  wenden,  gefunden,  indem  er  sowohl  nördlich  jenseits  des 
Apennin,  als  noch  mehr  jenseits  der  Alpen,  also  da  wo  das  „geometrische" 
System  früh  Fuß  gefaßt  und  eigene  Wurzeln  geschlagen  hatte,  fast  gar  nicht 
erscheint,  wohingegen  Etrurien  südlich  des  Apennins  uns  die  schätzbarsten, 
direktesten  Analogien  für  die  olympischen  Funde  jenes  Stiles  geliefert  hat. 

Unsere  erste  Aufgabe  muß  sein,  die  in  Olympia  vorhandene  älteste  Gruppe 
der  Werke  des  neu  zu  betrachtenden  Stils  zu  suchen,  und  deren  historische 
Stellung  im  Verhältnis  zu  dem  anderwärts  Erhaltenen  zu  fixieren  [IV  S.  98  ff.]. 

Wenn  man  bisher  wohl  allgemein  eine  natürliche  Aufeinanderfolge  des  geo- 
metrischen Stiles  als  ersten  und  des  „orientalischen"  als  zweiten  in  Griechen- 


1  Schliemann,  Atlas  Trojan.  Altert.  Taf.  206. 209  [Hubert  Schmidt,  Schliemanns  Samm- 
lung Nr.  5876].  Die  ursprüngliche  Idolform  der  kleinen  Bleche  ist  noch  deutlicher  in  Hall- 
stadt (v.  Sacken,  Taf.  13,8). 

2  Deren  Nachweis   nur  im  Verein   mit  umfänglicher  Publikation   geschehen  könnte. 

24* 


nde  mjs  Olympia  und  deren  kunsi  geschichtliche  Bedeutung. 


Luid  annahm,  so  wurde  diese  Auffassuno-  neuerdings  durch  die  Ausgrabung  der 
ältesten  Graber  von  Mykene  völlig  widerlegt,  indem  dieselben  zeigten,  daß  der 
dort  namentlich  in  den  üoldfunden  herrschende  Stil  nur  eine  beträchtlich  ältere 
Stute  desjenigen  ist,  der  bis  dahin  als  der  „orientalische"  bezeichnet  wurde;  und 
dazu  kommt,  daß,  wie  wir  bereits  oben  (S.  8[S.343])  bemerkten,  schon  jene  ältesten 
Griber  eine  besondere  Gruppe  geometrischer  Tonvasen  enthält  gegenüber  der 
freilich  viel  bedeutenderen  Klasse  mit  rein  vegetabilischen  Ornamenten.  Wir 
haben  also  von  der  ältesten  bis  jetzt  in  Griechenland  bekannten  Epoche  an,  die 
zwei  Dekorationsweisen  als  zwei  nebeneinanderlaufende  Serien  zu  verfolgen.  Die 
eine  derselben,  die  „geometrische",  haben  wir  bereits  in  Olympia  betrachtet,  wo 
wir  namentlich  speziellen  Anschluß  fanden  an  ein  System  (das  der  „Dipylonvasen"), 

das,  wie  aus  den  Gräberfunden  her- 
vorgeht, sicher  später  ist  als  die 
„mykenische"  Kulturepoche.  [Vgl. 
Furtwängler,  Deutsche  Rundschau  34 
(1908)  S.  245  ff.] 

Wenden  wir  uns  nun  zu  der  andern, 
der  vegetabilisch  -  „orientalischen" 
Serie  in  Olympia,  so  werden  wir  hier 
vergeblich  suchen  nach  der  Fülle  der 
aus  einigen  Grundmotiven  sich  in 
immer  neuenVarianten  entwickelnden 
44  vegetabilischen  Ornamentik,  die  uns  in  den  zahllosen,  auf  Jahrhunderte  zu  verteilenden 
„mykenischen"  Tongefäßen  (der  Gattung  mit  glänzendem  Firnis)  erhalten  ist. 

Gleichwohl  läßt  sich  in  Olympia  wenigstens  ein  Anschluß  an  dieselbe  nach- 
weisen, der  völlig  demjenigen  entspricht,  den  wir  in  einer  gewissen  Vasengattung 
begegnen,  die  wir  auch  sonst  durchaus  als  Fortsatz  „mykenischer"  Tradition  zu 
betrachten  haben. 

Fig.  8  [=  Olympia  IV  Taf.  42  Nr.  738]  gibt  den  Teil  eines  getriebenen  Bronze- 
blechbandes wieder,  das  ehemals  auf  einen  leicht  gerundeten  Gegenstand  mit  kleinen 
ein  befestigt  war;1  dasselbe  Ornament  erscheint  wenig  modifiziert  auch  auf 
anderen  Exemplaren. a  Dasselbe  zeigt  uns  aber  in  fast  identischer  Weise  die 
Gattung  der  melischen  Tongefäße  Conzes  (s.  Conze  Taf.  1,4).  Das  Ornament 
ist  indess  direkt  entnommen  dem  der  „mykenischen"  Dekoration  eigenen  Formen- 
vorrate; es  erscheint,  Ffeublättern  ähnlich,  in  Reihen  auf  firnisbemalten  Tongefäßen 
nicht  selten  und  zwar  schon  in  dem  Tholosgrabe  beim  Heraion  ;8  und  es  kehrt 


Fig.  8. 


'  Inv.  Nr.  3222,  vor  dem  6.  Thesaur  gefunden. 

0  namentlich  Inv.  Nr.  4495;   7146  und  7228  [zu  IV,  738]    beide   aus   der  tiefsten 
Schicht  im  östlichen  Teil  des  Pelopion. 

Siehe  Myk.  Tongettfle,  herausgegeben  von  A.  Purtwingier  und  G.  I.öschckc,  1879, 
Taf  -  .<ment  von  außerhalb  der  Grübet  s.  S c h  1  i  c  m  a  n  n ,  Mykenac  Taf.  1 2,  Nr. 58. 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    373 


ferner  einzeln  in  Glasverzierungen  derselben  Epoche  wieder,  die  in  Attika  sowohl 
in  dem  Grabe  bei  Spata,1  als  in  dem  bei  Menidi  gefunden  wurden.  Die  einzige 
Abweichung  von  diesem  Typus,  nämlich  die  Füllung  des  Innern  mit  kleinen  Blätt- 
chen ist  den  melischen  Vasen  und  den  olympischen  Bronzebändern  gemeinsam. 
Diese  Gemeinsamkeit  ist  auch  noch  an  einigen  anderen  Ornamenten  zu  be- 
obachten: so  kommt  das,  Conze,  Mel.  Tongefäße  Taf.  1,7  unten  erscheinende, 
dem  eben  besprochenen  sehr  verwandte  Ornament  in  Olympia  in  gereihter  Wieder- 
holung (eins  über  dem  andern)  mehrfach  vor.2  Hierher  gehört  endlich  auch  das  in 
unserer  Fig.  9  [=  Olympia  IV  Taf.  42  Nr.  740]  dargestellte  getriebene  Bronzeband, 
das  offenbar  zusammenhängt  mit  einem  ebenfalls  auf  melischen  Vasen  (Conze,  45 
Taf.  1,7)  vorkommenden  Ornamente.3  —  Endlich  kommt  auch  das  aus  einzelnen 
Spiralen  zusammengesetzte  Band  der 


■*■  r  r  f>  y  ^f»p-f~f~  V./«  1* 


melischen  Vase  bei  Conze,  Taf.  I,  2, 
ebenso  in  Olympia  vor.4 

Andererseits  lassen  sich  noch 
eine  Reihe  von  Motiven  nachweisen, 
welche  jene  melischen  Vasen  der  spä- 
teren „mykenischen"  Malerei  entlehnt 
haben  (so  die  Vertikalbänder  mit  den 
seitlichen  Ansätzen  Taf.  III  und  die 
meisten  der  kleinen  Füllmotive),  eine 
bedeutsameTatsache,dasie  zeigt,  daß 
die  „mykenische"  Ornamenttradition  zur  Zeit  der  melischen  Vasen  noch  nicht  ganz 
erstorben  war.  Zum  Teil  dieselben  kleinen  Füllmotive  „mykenischen"  Ursprungs 
finden  wir  aber  auch  in  der  der  melischen  nahe  verwandten,  doch  wohl  etwas 
späteren  Vasengruppe,  die  vorwiegend  in  Camirus  auf  Rhodus  gefunden  wurde. 
Unter  diese  gehört  nun  aber  auch  die  bekannte  Schale  mit  den  Beischriften  des 
Hektor,  Menelaos  und  Euphorbos  (Salzmann,  Camirus  Taf.  53)  und  mit  demselben 
Ornamentapparat.  Hierher  gehört  aber  auch  die  in  Caere  gefundene  Vase  des  Aristo- 
nophos  [Wiener  Vorlegeblätter  1888  Taf.  1,8],  deren  Eigenart  sich  unmittelbar  an 
die  „mykenische"  Tradition  anschließt,  vor  allem  in  Technik,  Form,5  Zeichnung  der 

1  Abgebildet  'A&jvcuov  1877,  Taf.  3,  34.     Bull,  de  corr.  hell.  1878,  Taf.  15,  3. 

2  So  Inv.  Nr.  3737  [IV,  744],  2970,  781  [zu  IV,  743]. 

3  Ein  der  olympischen  Form  völlig  entsprechendes  Beispiel  kann  ich  bis  jetzt  nicht 
nachweisen;  die  auf  der  melischen  Vase  erscheinende  Form  (mit  Füllung  von  Blättchen 
und  Fehlen  der  Lotosblüten)  ist  indess  eine  auf  Produkten  sicher  phönikischer  Herkunft 
sehr  gewöhnliche  (vgl.  nur  z.  B.  Musee  Napol.  III,  Taf.  18,  3.  4). 

4  Inv.  Nr.  3182  [IV,  750]. 

5  Der  helle  Ton,  die  geglättete  gelbe  Oberfläche,  der  braunrote  Firnis,  mit  breitem 
Pinsel  aufgetragen,  die  für  einiges  Detail  aufgesetzte  weiße  Farbe,  die  Vasenform  (mit 
Ausnahme  des  höheren  Fußes),  Behandlung  des  Randes  usw.  ist  alles  dem  „Mykenischen" 
auf  das  Allernächste  verwandt.  Die  einzige  Vase  ungefähr  derselben  Art,  die  ich  kenne, 
ist  die  aus  Griechenland  stammende  in  München,  Nr.  171  [771]. 


Fig.  9. 


;    Dn  :  <vs  Olympia  und  deren  kunstgeschichtuche  Bedeutung. 

menschlichen  Figur  und  (bis  auf  d;is  Pentagramm)  selbst  der  Füllornamente.  Der 
offenbar  In  ionischem  Alphabete  geschriebene  Künstlername  zeigt  bereits  das  stehende 
ma  mit  vier  Strichen,  das  über  das  sechste  Jahrhundert  hinaus  noch  nicht  nach- 
lesen ist;  doch  da  dieser  Umstand  zufällig  sein  kann,  so  dürfte  die  Vase  des 
sonstigen  alten  Charakters  wegen  noch  ins  siebente  Jahrhundert  gehören.  Die  Schale 
von  CamilUS  darf  dagegen  mit  Sicherheit  vor  01.47  gesetzt  werden.1  Einen  be- 
16  stimmteren  terminus  post  quem  vermissen  wir  allerdings,  doch  dürften  auch  die 
Dielischen  :  Gefäße  schwerlich  weit  über  das  siebente  Jahrhundert  hinausreichen.  - 
Die  erwähnten  Vasen,  die  gerade  auch  in  der  Darstellungsweise  menschlicher 
Figuren  ebensosehr  von  den  „geometrischen"  abweichen,  als  sich  an  die  „my- 
kenischen"  anschließen,  bieten  uns  die  ältesten  Darstellungen  griechischer  Sage, 
die  wir  besitzen;  auf  sie  folgen  dann  gleich  die  altkorinthischen  Produkte.  Dieser 
Strom  also,  der  von  der  mykenischen  Fabrikation  ausgehend  zu  der  sogen, 
.orientalischen"  Dekoration  führt,  dieser  selbe  Strom  führt  auch  zu  der  rein  helleni- 
schen Kunstentwickelung  selbst.  Fremd  steht  ihm  das  geometrische  System  der 
..Dipylonvasen"  gegenüber,  in  denen  zwar  kein  spezifisch  hellenischer  Zug  zu 
erkennen  ist,  obgleich  sie  im  Allgemeinen  den  obgedachten  Vasen  gleichzeitig 
sind  und  mannigfaltigen  Einfluss  auf  sie  geübt  haben.  So  enthalten  namentlich 
die  melischen  Gefäße  Motive,  die  sie  sicher  von  jenen  Dipylonvasen  entlehnt 
haben;  die  Annahme,  daß  die  ersteren  später  als  die  letzteren  und  der  regel- 
mäßige Übergang  vom  geometrischen  zum  orientalischen  Stile  seien,  widerlegt 
sich  jetzt  schon  dadurch,  daß  jene  ja  auch  an  die  „mykenische"  Gruppe  an- 
knüpft, die  den  „Dipylonvasen"  sicher  vorangeht.  Daß  die  letzteren  gerade  im 
siebenten  Jahrhundert  sicher  verbreitet  waren,  habe  ich  von  einem  einzelnen 
Punkte  ausgehend,  in  den  Annali  dell'  Inst.  1880  zu  zeigen  gesucht;  wahrscheinlich 
waren  ihre  Ausläufer  in  Attika  noch  im  sechsten  Jahrhundert  geläufig.8  Ihre 
Einwirkungen  sind  also  die  einer  gleichzeitigen  Erscheinung;  sie  lassen  sich 
außer  in  den  melischen  auch  in  anderen  Vasengruppen  nachweisen,  die  eigen- 
tümliche Zwischenstellungen  zwischen  den  beiden  dekorativen  Systemen  ein- 
nehmen und  offenbar  dem  siebenten  und  sechsten  Jahrhundert  angehören;  das 
geometrische  System  wiegt  vor  bei  einer  besonders  im  Phaleron  gefundenen 
Klasse,*  wogegen  eine  andere  direkte  Beziehungen  zur  korinthischen  hat  und  als 

1  Siehe  Kirchhoff,  Studien  !,  S.  42. 
Dei  für  diese  von  anderen  angenommene  terminus  post  quem  in  der  siebensaitigen 
Lyra  (Conze,  Taf.  IV),  die  Terpander  erfunden  haben  soll,  ist  wohl  hinfällig,  da  gleiche 
Lyren  mit  sieben  Saiten  und  mit  Plektron  gespielt,  schon  auf  altägyptischen  Monumenten 
17.  und  18.  Dynastie  erscheinen  (s.  Possei  lini,  Mon.  d'F.g.  I,  28;  Prisse  d' Avenues, 
l'art  egypt.  II,  Abteil,  „dessin",  Taf.   „musiciens  et  danseuses";  auch  Wilklnson, 
■  ms  II,  S.  2'Jl). 
'  Vgl.  0.  Löachcke,  Annali  d.  Inst.  1878,  S.  30G  ff. 
Nur  kleine  Qefäfie;  es  sind  namentlich:  Collignon  [et  Couve],  Cat.  des  vases  peints 
Nr.  119  [407];  121  [408]  mit  Flügelpferd;  122-125  [411.  415.  410];  ferner  Vasen- 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    375 


deren  Vorstufe  erscheint,1  während  eine  dritte2  geradezu  Form  und  Dekoration  der 
Dipylonvasen  mit  Figurenzeichnung  der  korinthischen  verbindet.  Erst  zu  Ende 
des  sechsten  und  sicher  im  fünften  Jahrhundert  ward  die  griechische  Dekoration 
ausschließlich  auf  die  aus  Lotos  und  Palmette  entwickelten  Motive  beschränkt. 

Derselben  Entwicklungsstufe,  die  wir  an  den  oben  besprochenen  Bronze- 
bändern Olympias  erkannten,  begegnen  wir  nun  aber  auch  bei  den  übrigen 
Haupterscheinungen  der  „orientalischen"  Dekoration  in  Olympia,  d.  h.  der  Stufe 
und  dem  Kreise,  aus  welchem  im  achten  und  siebenten  Jahrhundert  jene  indi- 
schen und  rhodischen  Vasen  hervorgegangen  sind,  d.  h.  es  erscheinen  die 
„orientalischen"  Motive  in  ihrer  ersten   nachweisbar  hellenischen  Umbildung. 

Wir  können  diesen  Satz  erweisen,  indem  wir  die  Geschichte  eines  Haupt- 
motives  etwas  im  Detail  verfolgen;  es  ist  die  Geschichte  des  Greifes,  der,  wie 
wir  sehen  werden,  in  den  olympischen  Bronzen  eine  der  wichtigsten  Rollen  spielt. 
[Vgl.  Furtwängler  in  Roschers  Myth.  Lex.  Art.  Gryps  und  Gemmen  III  S.  43.] 

Trotz  des  zahlreichen  Vorkommens  erscheint  der  Greif  in  Olympia  im  wesent- 
lichen nur  in  einer  Bildung,  das  ist  mit  einem  Adlerkopfe,  doch  mit  zwei 
emporstehenden  Ohren  und  einem  hornartigen  Auswüchse  in  der  Mitte,  dazu 
mit  weit  aufgerissenem  Schnabel.  Genau  dieselbe  Bildung  erscheint  aber 
zuerst  auf  der  oben  charakterisierten  Gruppe  rhodischer  Vasen,3  während  in  der 
vorangehenden  Epoche  weder  in  Griechenland  (Mykene),  noch  im  Orient  trotz  48 
verschiedener  vorhandener  Bildungen  sich  doch  jene  durchaus  nicht  findet. 

Die  ägyptischen  Monumente  haben  uns  eine  Reihe  ältester  Darstellungen 
des  Greifs  aus  c.  1600—1200  v.  Chr.  (18.  bis  20.  Dynastie)  erhalten,  die  alle 
einen  Typus  zeigen  (Typus  Ä),  indem  der  Adlerkopf  oben  einen  Kamm  trägt, 
der  aus  drei  bis  vier  (selten  mehr)  oben  gekrümmten  Linien  besteht  und  offen- 
bar dem  Vorbilde  einer  anderen  Vogelgattung,  etwa,  wie  Sachverständige  mir 
mitteilen,  vom  Pfauenkranich  entlehnt  ist.  Schon  zu  Thuthmes  III.  Zeit  sehen 
wir  einen  solchen  Greifenkopf  als  Gefäßdeckel  verwendet;4  derselbe  zeigt  auch 
bereits   den   in    der  ganzen  nun    folgenden  Entwicklung  bis  zum  fünfzehnten 

inventar  des  Varvakions  (nicht  bei  Collignon),  Nr.  28  mit  vier  primitiven  Gespannen; 
Nr.  46  mit  Vogel.  Auch  die  Amphora  mit  den  Psychen  (?)  Collignon  Nr.  116  [469].  Auch 
das  Münchener  Gefäß  bei  Lau,  Griech.  Vasen,  Taf.  VII,  1  [1352]  mit  Sphinx  gehört  hierher. 
Die  Zeichnung  des  Figürlichen  weicht  durchaus  von  den  „geometrischen"  ab.  [Archäol. 
Jahrb.  1887  S.  44  ff.] 

1  Es  ist  dieselbe,  die  Heibig,  Die  Italiker  in  der  Po-Ebene,  S.  84 ff.,  bespricht.  [„Proto- 
korinthische"  Gattung,  vgl.  Furtwängler,  Arch.  Zeitung  1883  S.  153.] 

2  Nur  in  wenigen  Beispielen  erhalten;  hierher  ein  von  Aegina  stammendes  Fragment  im 
Berliner  Museum  mit  Inschrift  ('Agsnvla),  deren  Formen  sowohl  zu  Athen  als  zu  Aegina 
passen.    [Berlin  1682.    Furtwängler,  Arch.  Zeitung  1882  S.  197.] 

3  Longperier,  Mus.  Napol.  III,  Taf.  8  =  Salzmann,  Necr.  de  Cam.,  Taf.  32;  Mon.d. 
Inst.  VIII,  5,  1.  2  „von  den  Inseln". 

4  Prisse  d'Avennes,  Hist.  de  l'art  egypt.  d'apres  les  monuments.  II,  „art  industriel", 
„vases  du  pays  de  Kafa". 


j    Du   I  unde  aus  Olympia  und  deren  kunstüeschichtliche  Bedeutung. 

Jahrhundert  herab  meist  festgehaltenen,  später  häufig  verdoppelten,  lockenartigen 
Zierat,  der  an  den  Seiten  des  Halses  herabläuft,  doch  von  keinem  natürlichen 
Vorbilde  entnommen  scheint.  Es  folgt  aus  der  neunzehnten  Dynastie  die  Dar- 
stellung eines  Gefäßes,  mit  zwei  ebensolchen  Greifenköpfen  zu  den  Seiten  eines 
Patäkenkopfes  als  Deckel;1  ferner  aus  der  zwanzigsten  Dynastie  und  zwar  unter 
den  im  Grabe  Ramses  III.  dargestellten  Geräten  ein  goldenes  Kästchen  mit  der 
offenbar  in  flachem  Relief  zu  denkenden  Darstellung  eines  laufenden  Greifes  in 
ganzer  Figur,-  ferner  in  demselben  Grabe  ein  Schild  (?)  mit  zwei  dem  vorigen 
genau  entsprechenden  Greifen  gegenüber, :1  endlich  dieselbe  Bildung  an  anderen 
Gefäßen  und  Schmuckgeräten  derselben  Zeit.4 
49  Es  sprechen  verschiedene  Anzeichen  dafür,  daß  diese  greifengeschmückten, 

meist  goldenen  Geräte  nicht  von  ägyptischer,  sondern  phönikischer  Hand  ge- 
fertigt waren.  Gerade  das  älteste  der  genannten  Beispiele  ist  ein  aus  dem  Lande 
Kefa  gebrachtes  Beutestück,  das  allgemein  für  Phönikien  angesehen  wird;0  auch 
anderes  weist  auf  fremden  Ursprung  hin;6  vor  allem  aber  ist  ein  feines  Bronze- 
relief im  Louvre,7  das  nicht  nur  in  der  Bildung  des  (einen  Löwen  zerfleischenden) 
Greifes,  sondern  auch  in  der  überaus  charakteristischen  Füllung  des  Raumes  mit 
eigenen  Blütenstengeln  vollkommen  mit  dem  Goldkästchen  im  Grabe  Ramses  III. 
übereinstimmt  und  noch  viel  deutlicher  als  das  letztere  einen  vom  ägyptischen 
durchaus  verschiedenen  Stil  erkennen  läßt;  dazu  kommt  die  Gruppe  des  den 
Stier  zerfleischenden  Löwen,  die  ebenfalls  auf  Phönikien  weist;  wir  besitzen  hier 
also  ein  phönikisches  Originalrelief  aus  c.  1200  v.  Chr.  Wohl  etwas  späterer 
Zeit  gehört  ferner  ein  Steinrelief  aus  Phönikien  selbst,  aus  Arados,  an  (Longperier, 
Mus.  Nap.  III,  Taf.  18,  3),  das  uns  jenen  selben  Greifentypus  zeigt;  genau  die- 
selbe Gruppe  dieses  Reliefs,  nämlich  zwei  Greife  zu  den  Seiten  eines  sicher  von 


1  Ebenda:  „offrandes  de  Seti  I  et  de  Ramses  II". 
Ivbenda:  .vases  du  tombeau  de  Ramses  III" ;  schlechter  und  kleiner  bei  Wilkinson, 
Manners  and  customs  III,  S.  226  und  S.  23,  aus  welch  beiden  Abbildungen  die  bei  Ger- 
hard, Akad.  Abhandl.  Taf.  IX,  1,  zusammengesetzt  ist. 

*  Rossellini,  Mon.  d'Egitto,  II,  121,  27;  (ebenda  Taf.  90,  6  sind  sicher  keine  Greife). 
4  Prisse  d'Avennes,  a.  a.  O.  „coli,  de  vases  du  regne  de  Ramses  III" ;  ebenda  „choix 

de  bijoux  de  div.  epoches"  Nr.  14  und  „vases  en  or  emaille,  19.  20  dyn."  Nr.  4  =  Ros- 
sellini 11,58,1  --  Wilkinson  II,  S.  348.  —  Ich  füge  noch  hinzu,  daß  nach  Mit- 
teilung des  Hrn.  Dr.  Stern,  in  einer  Inschrift  der  19.  Dynastie,  der  Greif  als  hiero- 
glyphisches Zeichen  (für  .Schnelligkeit")  vorkommt. 

*  Vgl.  B  r  u  g  s c  h  -  B e y ,  Gesch.  Ägyptens,  S.  208.  [Dagegen  Keftiu  =  Kreter :  Furtwängler, 
men  Iil  S.  17.) 

So  in  dem   zweiten   der   obigen  Beispiele  die  Verbindung   mit  dem   ebenfalls  ur- 

nglich  wahrscheinlich  phönikischen  Patäkenkopf;    unter   diesen  selben  „offrandes  de 

S<tl  I  et  de  Ramses  II-  befindet  sich  auch  eine  ebenfalls  in  Ägypten  fremde  Flflgelsphinx. 

'  Lajard,  Culte  de  Mittire  Taf.  47,  1   ohne  Provenienzangabe;   dasselbe    abgebildet 

bei  Longperier,  Mus.  N.ipol.  III,  Taf.  21,  4  als    aus    der   (ägyptischen)    Sammlung   Salt 

$Ummt  :h  mit  richtigem  Takte  als  „phönikisch"  bezeichnet. 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    377 


der  phönikischen  Kunst,  doch  völlig  nach  ägyptischen  Motiven  entwickelten, 
ornamentalen  „Baumes",1  kehrt  in  einer  cyprischen  Silberschale2  wieder,  doch 
so,  daß  (falls  die  Abbildung  genau  ist)  nur  der  eine  Greif  den  Kamm  unseres 
Typus  A  zeigt,  der  andere  ohne  Kamm  dem  Typus  C  angehört.  Endlich  erwähne  50 
ich,  daß  eine  ohne  Zweifel  phönikische  Elfenbeinarbeit  aus  Niniveh3  ebenfalls 
Greife  des  Typus  A  zeigt. 

Aus  letzterem  entwickelt  ist  offenbar  der  den  assyrischen  Werken  selbst 
eigene  Typus  (B),  wo  der  Kamm  zu  einer  den  Nacken  herauflaufenden  Mähne 
aus  kurzen,  stehenden  Federn  geworden  ist,  die  keinem  Naturvorbilde  mehr  ent- 
spricht.* 

Andererseits  tritt  schon  früh  auch  im  Bereiche  phönikischer  Arbeiten  der 
Typus  C  auf,  der  jeglichen  Kopfaufsatzes  entbehrt  und  einen  einfachen  Adler- 
kopf zeigt.  Hier  sind  voranzustellen  die,  in  einem  der  Gräber  der  Akropolis 
Mykenes  gefundenen,  in  Gold  gepreßten  Greife  (Schliemann  S.  205  und  211) 
und  der  rohe  Greif  eines  der  Tongefäße  dieser  Gräber;  ferner  die  ohne  Zweifel 
phönikischen  Bronzeschalen  von  Niniveh,  die  nach  ihren  Fundumständen  ins 
neunte  Jahrhundert  gesetzt  werden  (Layard,  Mon.  of  Nineveh  II  Taf.  60;  mit 
ägyptischer  Krone  Taf.  63),  denen  sich  eine  der  etwas  späteren  cyprischen  Silber- 
schalen anschließt  (Mus.  Napol.  III,  Taf.  11);  die  gleiche  Bildung  zeigen  dann 
einige  geschnittene  Steine  phönikischer  Art  aus  Cypern 5  und  mehrere  Metall- 
arbeiten durchaus  phönikischen  Charakters,  aus  Gräbern  in  Italien,  die  dem  siebenten 
Jahrhundert  anzugehören  scheinen:  so  im  Grabe  Regulini  Galassi  von  Caere6  und 

1  Derselbe  ist  häufig  auf  den  cyprischen  Silberschalen  und  anderen  cyprisch-phöni- 
kischen  Monumenten;  da  er  gewöhnlich  (so  namentlich  von  Hei  big,  in  der  Besprechung 
jener  Schalen,  Ann.  d.  Inst.  1876)  einfach  mit  dem  „heiligen  Baume"  der  assyrischen 
Reliefs  identifiziert  wird,  so  betone  ich  hier,  daß  er  ornamental  mit  demselben  gar 
nichts  zu  tun  hat,  sondern  rein  ägyptischen  Motiven  entsprungen,  eine  phönikische 
Komposition  ist;  genauerer  Nachweis  würde  hier  zu  weit  führen. 

2  Cesnola-Stern,  Cypern  Taf.  66. 

3  Layard,  Mon.  of  Nin.  I,  Taf.  90,  23. 

4  So  schon  auf  den  ältesten  assyrischen  Reliefs  von  Nimrud  unter  den  Verzierungen 
der  Gewänder:  Layard,  Mon.  of  Nin.  I,  Taf.  8;  43,  7;  46,  2.  In  Bronze  an  der  Thron- 
verzierung von  Nimrud:  Layard,  Discov.  at  Nin.  1853,  S.  200.  Ferner  auf  assyrischen 
Zylindern,  z.  B.  Lajard,  Culte  de  Mithre  Taf.  545,  6;  56,6;  mit  aramäischer  Inschrift  bei 
Levy,  Siegel  und  Gemmen  Taf.  I,  12,  p.  15. 

5  Siehe  Cesnola-Stern,  Cypern,  Taf.  81,  29;  80,  15.  17.  18.  19  zum  Teil  mit  ägyp- 
tischen Kronen.  —  Eine  sonst  nicht  vorkommende  Art  von  Kamm  zeigt  der  Stein  des 
mehr  assyrischen  Stiles,  ebenda  Taf.  75,  9.  Der  sehr  an  die  oben  citierte  cyprische 
Silberschale  erinnernde  Scarabäus  bei  King,  Antique  gems  a.  rings  I,  S.  123,  2  (offenbar 
derselbe  viel  schlechter  bei  Micali,  Storia  Taf.  46,  8),  scheint  einen  Rest  des  Kammes  von 
Typus  A  zu  enthalten,  sicher  ist  es  nicht  Typus  D;  letzteres  gilt  auch  von  dem  Greifen- 
kopf aus  Elfenbein  von  Nimrud  bei  Layard,  Discov.  at  Nin.  1853,  S.  362,  dessen  Aus- 
wuchs hinter  den  Augen  nichts  mit  den  Ohren  von  D  zu  tun  hat. 

6  Mus.  Greg.  I,  62,  11  Silberverkleidung;  11,1  großer  Bronzeuntersatz. 


g    Du  :  ms  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 

in  zwei  pränestinischen; l  in  allen  drei  Gräbern  waren  zugleich  Exemplare  jener 
cyprisch-phOnildschen  Silberschalen. 

51  Den    letztgenannten    phönikischen    Produkten    gleichzeitig   tritt    nun    auf 
etfellos  griechischen  Monumenten   zuerst  jener  neue  Typus  (D)  auf,   der  zu 

dem  Adlerkopfe  die  ihm  bisher  ganz  fremde  Zutat  großer  Ohren  fügt  und  den 
Schnabel  nicht  wie  bisher  geschlossen  oder  halb  geöffnet,  sondern  weit  auf- 
gesperrt zeigt;  dazu  kommt  noch  der,  meist  von  streng  profiliertem  Knopfe  be- 
krönte, Aufsatz  in  der  Mitte;  beibehalten  werden,  die  am  Halse  herabgehenden 
Locken.  Fs  ist  dieser  ebenso  strenge  als  schöne,  ebenso  kühn  von  der  Natur 
abweichende  als  von  allem  Phantastischen  entfernte  Typus,  den  wir  so  glücklich 
sind  als  griechisch  nachweisen  zu  können,  geradezu  eine  künstlerische  Tat, 
eines  der  ältesten  und  deutlichsten  Zeugnisse  davon,  wie  die  griechische  ideali- 
sierende Gestaltungskraft  den  vom  Orient  überkommenen  Formen  gegenübertrat. 

Während  ihn  die  melischen  Vasen  2  noch  nicht  zu  kennen  scheinen,  tritt  der 
Typus,  wie  bemerkt,  zuerst  in  jener  rhodischen  Gruppe  auf;  dann  auch  in  der 
oben  erwähnten  Gruppe  kleiner  Gefäße,  über  die  Hei  big  (Die  Italiker  S.84)  einiges 
zusammengestellt  hat,3  endlich  in  den  ältesten  der  korinthische  Fabrikation.4 

Natürlich  ging  der  phönikische  Typus  C  eine  Zeit  lang  her  neben  dem 
griechischen;  einige  Grabfunde  Italiens  sind  uns  treffliche  Zeugnisse  für  die  Art, 
wie  sich  die  griechische  Kunstindustrie  im  siebenten  Jahrhundert  neben  der 
phönikischen  aufarbeitete.  In  einem  Pränestiner  Grabe  wurde  ein  Bronzekrater 
mit  einem  Greifenkopfe  D,  wie  scheint  ganz  der  olympischen  Art  gefunden,5 
daneben  aber  ein  oben  [S.  353, 1]  genanntes  Bronzegefäß  mit  einem  Greif  des  Typus  C 

52  und  eine  der  cyprisch-phönikischen  Silberschalen.6  Auch  das  neue  große  Prä- 
nestiner Grab  zeigt  einen  Krater  mit  Greifen  D  neben  jenen  Silberschalen  und 
Bronzereliefs  phönikischen  Charakters,7  die,  wenn  sie  den  Greif  enthielten,  sicher 

1  Aus  dem  einen  das  Bronzegefäß,  Archaeologia  41,  Taf.  6;  aus  dem  andern  die  Silber- 
cista,  .Mon.  d.  Inst.  VIII,  26;  zum  übrigen  Grabesinhalt  vgl.  Archaeologia  41  S.  203  ff. 

:  Der  Greifenkopf,  Conze,  Mel.  Tongefäße,  Taf.  4,  hat  sicher  noch  keine  Ohren,  sondern 
nur  einfachen  kammartigen  Aufsatz  von  einer  sonst  genau  so  nicht  wiederkehrenden  Form. 

1  Diese  innerhalb  Griechenlands  besonders  in  Korinth  und  Aegina  gefundenen  [„proto- 
konrithischen*]  Oefaßc   zeigen   gewöhnlich  nur  laufende  Hunde  und  Hasen,   in  seltenen 
len  auch  Sphinx  und  Greif.  —  Vgl.  oben  S.  46  [S.  374]. 

4  Z.  B.  kleine  Alabastren  im  Berliner  Museum.    (Vasenkatalog  1022.  1023.] 

4  Archaeologia  41,  S.  200;  aus  der  Bezeichnung  „griffin  or  homed  snake"  ist  auf 
den  Typus  mit  Ohren  zu  schließen,  was  bestätigt  wird  durch  den  abgebildeten  Löwen- 
kopf desselben  Kraters  von  völlig  griechischem  Typus. 

'■  Vgl.  Annali  1876,   203,   Nr.  10.  -      Der   Annahme   Hclbigs,   daß   diese   Schalen 

karthagische  Produkte   seien,   kann   ich    nicht  beistimmen;    die   völlige  Gleichheit  in 

allen  technischen  Details,  Stil  und  Kompositionsmotiven  der  in  Italien  und  der  in  Cypcrn 

nen  Fxemplarc  zeigt,   daß  sie  alle  einer  Fabrik    entstammen;   sicherlich  sind  sie 

aber  nicht  von  Karthago  nach  Cypern  importiert  worden. 

'on.  d.  Inst.  XI,  Taf.  2;  über  den  Krater  weiter  unten. 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    379 


Typus  C  verwendeten.  Aus  wie  verschiedenen  Fabrikationszentren  die  Gegen- 
stände dieser  Gräber  stammen,  zeigt  das  Faktum,  daß  auch  die  geometrische 
Dekoration  hier  vorkommt.1  In  dem  unmittelbar  folgenden  Gräbertypus  herrscht 
die  griechische  Fabrikation  schon  vor,  wie  ein  Grabfund  von  Chiusi  (Mon.  d. 
Inst.  X,  39a;  Ann.  1877,  Taf.  UV)  lehrt,  der  nicht  nur  bereits  griechische  Gefäße 
enthält,  sondern  auch  ein  reiches  Elfenbeinkästchen,  das,  wie  der  Greifentypus  D 
und  die  Darstellung  griechischer  Sage2  zeigt,  von  griechischer  Arbeit  etwa 
auf  der  Stufe  jener  rhodischen  Vasen  ist. 

Die  älteste  griechische  Münzprägung  zeigt  nur  den  Typus  D;  so  namentlich 
die  Goldmünzen  von  Teos,  die  zu  den  ältesten  nach  phokäischem  Fuße  ge- 
prägten gehören;3  auch  noch  von  den  (erst  nach  544  fallenden)  Silbermünzen 
Abderas  zeigt  die  ältere  Reihe  jenen  Typus,  ebenso  die  älteren  lykischen 
Münzen4  (Fellows,  Coins  of  Lycia  1,6;  X,  5.  6).  Was  Vasen  betrifft,  so  er-  53 
scheint  er  nur  noch  auf  altattischen  des  sechsten  Jahrhunderts  (namentlich  der 
Francoisvase)  und  einigen  altetruskischen.5 

Im  fünften  Jahrhundert  ist  unser  Typus  bereits  erloschen  und  es  entsteht  ein 
neuer  und  letzter,  welcher  die  Ohren  beibehält,  den  mittleren  Kopfaufsatz  und 
die  Seitenlocken  wegnimmt,  dafür  aber  die  den  Nacken  krönende  Strahlenmähne 
einführt.  Letztere  erscheint,  dem  sonst  noch  alten  Typus  beigegeben,  schon  auf 
der  älteren  Serie  der  Silbermünzen  von  Teos;  die  jüngere  zeigt  den  vollen 
späteren  Typus,6  den  ebenso  die  jüngeren  Reihen  der  abderitischen  Stücke  auf- 
weisen.7   Dieser  spätere  Typus,  der  namentlich  aus  Südrußland  durch  zahlreiche 


1  Vgl.  das  von  mir  in  Annali  1880  Bemerkte;  ferner  das  Pränestiner  Grab,  Annali 
1866,  Taf.  GH  und  Archaeologia  41,  S.  2C3;  ferner  aus  einem  Veienter  Grabe  dieser  Art 
ein  rein  geometrisch  dekorierter  Bronzewagen  (Archaeol.  41,  Taf.  4,  2)  des  Typus  wie  er 
sonst  nur  mit  „orientalischer"  Dekoration  vorkommt  (Mus.  Greg.  I,  15;  auch  das  aus  dem 
großen  Pränestiner  Grab  stammende  Fragment,  Mon.  d.  Inst.  XI,  2,  9  gehörte  wahrschein- 
lich zu  einem  solchen).  —  Der  unmittelbar  folgende  Grabtypus  Etruriens  zeigt  geometrisch 
dekorierte  Tongefäße  neben  altkorinthischen:  so  in  Vei,  s.  Canina,  Veio,  Taf.  32.  30;  in 
Corneto  nach  Bull.  d.  Inst.  1877,58.  —  Ebenso  sehen  wir  in  Cypern  die  lokalen  geo- 
metrischen Vasen  mit  jenen  phönikischen  Silberschalen  in  demselben  Grabe  (Cesnola- 
Stern,  Cypern,  S.  235;  ebenso  die  Bronzeschale  von  Idalion,  S.  74). 

2  Aus  der  Odyssee  schöpft,  wie  dieses  Monument  so  auch  die,  wohl  ungefähr  gleich- 
zeitige Aristonophos-Vase. 

3  Siehe  Brandis,  Münz-,  Maß-  und  Gewichtswesen,  S.  181  und  die  S.  397  auf- 
gezählten der  älteren  Reihe. 

4  Brandis  a.  O.  S.  517;  Friedländer  und  v.  Sallet,  Kgl.  Münzkab.2,  Nr.  283. 

5  L  u  y  n  e  s ,  Descr.  de  vases  peints  6. 7  [A.  de  Ridder,  Vases  peints  de  la  Bibl.  Nat.  Nr.  1 7 1 . 
Furtwängler,  Gemmen  III  S.85:  altionisch];  Canina,  Veio  Taf.  35  =  Campanari,  Vasi  di 
Veio  Taf.  l;2;Gerhard,  Auserl.  Vasenbilder  127.  [British  Mus.  B,  57.  Furtwängler  in  Roschers 
Lexikon  I  S.  2221.  Dümmler,  Kleine  Schriften  III  S.  254.] 

6  Brandis  a.  O.  S.  398 ff. 

7  Brandis  a.  O.  S.  517  ff.;  Friedländer  und  v.  Sallet  a.  O.  Nr.  293— 298. 


-  )   Pie  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichti.iche  Bedeutung. 

Monumente  dos  vierten  Jahrhunderts  erhalten  ist,  bleibt  nun  derselbe  durch  die 
ganze  Folgezeil  der  Kunst.1 

Mit  dem  Auftreten  jenes  altgriechischen  Typus  D  ist  übrigens  noch  eine 
Eigentümlichkeit  verbunden,  die  indess  alle  Flügelwesen  betrifft.  Die  melischen 
und  jene  rhodischen  Vasen  sind  wiederum  die  ersten  Produkte,  welche  jene 
schöne  streng  ornamentale  und  von  der  Natur  abweichende  Bildung  der  Flügel 
zeigen,  deren  Enden  nach  oben  umgebogen  sind.2  Nur  ein  schwacher  Anfang 
dazu  läßt  sich  auf  den  oben  genannten  Gruppen  phönikischer  Arbeiten  (nament- 
lich den  Metallschalen)  erkennen  und  niemals  kommen  Flügel  jener  Art  an  einem 
Greife  der  Typen  A — C  vor.  Auch  hier  haben  wir  eine  der  ersten  Taten  des 
idealisierenden  und  streng  stilisierenden  griechischen  Kunsthandwerks. 

Als  gegen  Ende  des  sechsten  Jahrhunderts  die  persische  Kunst  auftrat, 
lehnte  sie  sich  bekanntlich  hauptsächlich  an  die  assyrische  an,  übernahm  aber 
dazu  die  wesentlichsten  Errungenschaften,  welche  die  griechische  Kunst  in  Klein- 
asien damals  gemacht  hatte.  Dahin  gehörte  außer  dem  Prinzip  der  Faltengebung 
54  u.  a.  auch  jene  neue  Flügelbildung  und  der  Greifentypus  D,  von  dem  wenigstens 
die  Ohren  entlehnt  und  dem  assyrischen  zugefügt  wurden.3 

Bevor  wir  uns  nun  zu  der  genaueren  Betrachtung  der  olympischen  Greife 
und  der  mit  ihnen  zusammenhängenden  Erscheinungen  griechischer,  aus  den 
orientalischen  Motiven  hervorgegangener  Dekoration  wenden,  erinnern  wir  daran, 
daß  wir  neben  den  Anfängen  der  letzteren  in  italischen  Gräbern  noch  des 
siebenten  Jahrhunderts  ein  Überwiegen  rein  phönikischer  Metallindustrie  be- 
obachtet haben.  In  Olympia  scheint  es  nicht  wesentlich  anders  gewesen  zu  sein, 
nur  daß  letztere  wohl  weniger  mächtig  war  und  etwas  früher  verschwand.  Es  wurde 
hier  zwar  keins  jener  Silbergefäße  gefunden,  aber  doch  eine  mit  diesen  direkt  zu- 
sammenhängende Bronzeschale,  deren  phönikischer  Ursprung,  außer  durch  den 
Charakter  der  Darstellung,  durch  eine  Inschrift  außer  Zweifel  gesetzt  wird.  Es  ist  eine 
jetzt  [im  Nationalmuseum,  früher]  im  Varvakion  zu  Athen  befindliche  Schale,  die, 
freilich  sehr  ungenügend,  abgebildet  ist  bei  Euting,  Punische  Steine  (in  Mem.  de 
l'Acad.  de  St.  Petersb.  XVII)  Taf.  40  S.  33;*  daß  sie,  was  in  Athen  als  unsicher  be- 
zeichnet wurde  (Euting  a.  a.  O.),  wirklich  aus  Olympia  stammt,  kann  ich  auf  das 
Sicherste  bestätigen,  da  mir  der  Mann  persönlich  bekannt  ist,  der  dieselbe  einst  etwa 


!  Die  für  die  Verwendung  des  Greifs  in  späterer  Zeit  sehr  reichhaltigen  Zusammen- 
stellungen Stcphanis  (im  Compte  rendu  etc.  1864,  S.  51  ff.)    ergeben   für   die   hier  be- 
sprochenen Gesichtspunkte  und  den  ganzen  älteren  Typus  nichts. 
/..  B.  Conze,  Md.  TongefSfle,  Taf.  4  an  den  Flügelpferden. 
Lajard,  .Mitlira  Taf.  80;   auf  Cylindcrn    persischen  Ursprungs   ebenda  Taf.  56,  5; 
[Ing,  Ami.  gern«  and  rings  I,  S.  135;  R.  Rochettc,  Mem.  d'arch.  comp.  Taf.  VI,  16; 
atNinlv.  18  ti  mit  phönikischer  (?)  Inschrift  —  Zu  den  aufgebogenen 

1'..  auch  den  Propylaea-Stter,  Rawlinson,  Fivc  monarch. 8 III,  298. 

4  (Olympia  IV  Taf.  52  S.  141.   A.  de  Ridder,  Broiizcs  de  !a  Soc.  Arch.  66.] 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    381 


eine  Viertelstunde  unterhalb  Olympia l  aus  dem  Schlamme  des  Alpheios  gezogen  hat. 
Die  Inschrift  in  fein  gravierten  phönikischen  Charakteren  übersetzt  Euting  „dem  55 
Nagid,  Sohne  des  Mephac",  und  faßt  sie  als  Name  des  Besitzers  oder  Weihenden; 
sie  ist  ein  völliges  Gegenstück  zu  der  phönikischen  Inschrift  der  Silberschale 
von  Praeneste  (Mon.  d.  Inst.  X,  32),  die  ebenfalls  Name  mit  Angabe  des  Vaters 
enthält.  Die  olympische  Schale  schließt  sich  indess  weniger  an  jene  Silbergefäße 
an,  von  denen  sie  schon  durch  höheres  Relief  und  weniger  zierliche,  plumpere 
Formgebung  abweicht.  Dafür  steht  sie  in  direktester  Beziehung  zu  einer  Reihe 
längst  als  phönikisch  erkannter  Bronzeschalen  aus  den  Ruinen  Ninivehs,2  wo 
wir  denselben  Stil,  auch  dieselbe  Art  der  Einteilung  in  vier  Abteilungen3  und 
dasselbe  Ornament  des  Zentrums  wiederfinden,  d.  h.  den  Stern,  dessen  Strahlen 
sich  an  einen  Kreis  schließen,4  ein  in  den  semitisch-orientalischen  Monumenten 
äußerst  häufiges  Symbol.  Für  die  in  den  vier  Feldern  dargestellten  Gegen- 
stände, deren  genauere  Deutung  indess  Kundigeren  überlassen  sei,  bietet  sehr 
nahe  Analogien  die  diesem  selben  Kreise  angehörende  Bronzeschale  von  Idalion;5 
denn  hier  wie  dort  finden  wir  eine  sitzende  weibliche  Gottheit  und  einen  Altar 
davor,  ferner  eine  Priesterin  und  darauf  weiter  je  eine  Doppelflötenbläserin,  eine 
Harfenspielerin  und  eine  (auf  der  olympischen  Schale  tanzende)  Tympanon- 
schlägerin.  Dagegen  ist  der  Stil  beider  Schalen  sehr  verschieden;  denn  während 
die  unsrige,  wie  es  weitaus  die  meisten  dieser  phönikischen  Produkte  tun,  sich 
an  ägyptische  Stilisierung  anlehnt,  so  zeigt  die  von  Idalion  einen  durchaus 
eigenartigen,  freilich  roheren  Stil. 

Einer  wohl  verschiedenen  phönikischen  Fabrik  gehören  nun  jene  zahlreichen, 
meist  vergoldeten  Silbergefäße  an,  die  auf  Cypern  und  in  Italien  gefunden 
wurden;  davon  sind  die  letzteren  uns  namentlich  dadurch  wichtig,  daß  sie  meist 
zu   großen   Grabfunden    gehören,    die   sich    ungefähr   ins  siebente  Jahrhundert 


1  In  der  Nähe  des  Dorfes  Makrysia.  Die  zufälligen  Bronzefunde  im  Alpheios- 
schlamme  haben  bekanntlich  schon  die  Aufmerksamkeit  der  ersten  Reisenden  auf  sich 
gezogen.  Die  zum  Teil  sehr  bedeutenden  Stücke  sind  auch  meist  durch  eine  weit  bessere 
Erhaltung  ausgezeichnet,  als  sie  den  in  unserer  Ausgrabung  der  Altis  gefundenen  eigen 
ist.  Die  Annahme,  daß  diese  Bronzen  aus  am  Alpheios  angelegten  Gräbern  herrühren 
(F.Adler  in  Ausgrab.  Bd.  I,  S.  19),  ist  völlig  abzuweisen;  die  hier  befindlichen  Gräber 
gehören  der  byzantinischen  Spätzeit  an  und  einige  der  betreffenden  Bronzen  sind  inschrift- 
liche Votive  an  Zeus,  stammen  also  aus  der  Altis;  endlich  sind  es  meist  Waffen,  die  in 
griechischen  Gräbern  der  klassischen  Zeit  sehr  ungewöhnlich  sind.  Durch  die  Abzugs- 
kanäle mochte  vieles  nach  dem  Alpheios  geschwemmt  worden  sein,  der  überdies  ja  den 
ganzen  Hippodrom  weggerissen  hat.  Es  ist  sehr  zu  bedauern,  daß  es  der  deutschen 
Ausgrabung  nicht  vergönnt  sein  wird,  jene  Schätze  zu  heben. 

2  Ihre  Auffindung  beschrieben  bei  Layard,  Disc.  at  Nin.  1853,  S.  176  ff. 

3  Layard,  Mon.  of  Nineveh  II  Taf.  63. 

4  Ebendas.  Taf.  61/4. 

5  Revue  archeol.  1872,  Taf.  24  =  Cesnola-Stern,  Cypern  Taf.  9,  nach  S.  74  in 
einem  Grabe  mit  cyprisch  geometrischen  Vasen. 


2    Die  I  unde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 

datieren  lassen.  Zu  den  von  Heibig  (Annali  d.  Inst.  1876,  199 ff.)  aufgezählten 
cemplaren  sind  sowohl  neuerdings  noch  einige  aus  Cypern  gekommen,1  als 
auch  einige  aus  alteren  Funden  in  Italien  hinzuzufügen;  so  eine  aus  Praenestea 
und  vor  allem  zwei  sehr  interessante  Gefäße  aus  Chiusi,  von  wo  dieselben  bisher 
nicht  bekannt  waren.  Es  kann  nämlich  gar  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  das 
vergoldete,  hydrienähnliche  Silbergefäß  nebst  zugehöriger  Schale  der  üblichen 
Form  bei  Inghirami,  Mon.  etr.  III,  19.  20  völlig  zu  der  hier  besprochenen  Gruppe 
gehört,  wenn  auch  wohl  als  jüngstes  Glied  derselben.  Technik  und  Stil  sind 
offenbar  dieselben  und  ebenso  stimmen  die  Darstellungen  der  drei  Zonen 
der  Schale3  völlig  mit  denen  der  übrigen  Schalen  überein;  dagegen  weicht 
die  Komposition  des  oberen  Streifen  des  größeren  Gefäßes  insofern  etwas  ab, 
als  sie  in  zwei  Hälften  zerfällt,  die  wieder  aus  zwei  sich  streng  symmetrisch 
entsprechenden  Teilen  bestehen;  ferner  ist  der  Gegenstand,  der  sich  auf  ein 
Üpferfest  zu  beziehen  scheint,  und  sind  namentlich  die  Faustkämpfer  neu,  so 
daß  die  Annahme  griechischen  Einflusses  hier  sehr  nahe  liegt;  die  dargestellte 
.-rinnt'-/)]  oder  jigvXtg  scheint  in  Cypern  wie  Kreta  ursprünglich  heimisch  gewesen 
zu  sein.  Was  die  Tracht  betrifft,  so  sehen  wir  neben  einander  die  ägyptische 
Schürze  und  mit  griechischem  Helm  und  Rundschild  Bewaffnete;  die  letzteren 
treten  indess  ebenso  an  einer  der  cyprischen  Schalen  (bei  Heibig  a.a.O.  Nr. III) 
unter  den  Belagerern  einer  Festung  und  an  einem  der  praenestiner  Gefäße  (Mon. 
d.  Inst.  X,  33)  auf;4  nimmt  man,  was  durchaus  das  Wahrscheinlichste,  Cypern  als 
Entstehungsort  all  dieser  Silbergefäße  an,  so  erklärt  sich  der  steigende  griechische 
Einfluß  sehr  wohl.  Ein  weiteres  Interesse  gewährt  jenes  chiusiner  Gefäß  da- 
durch, daß  es  in  Etrurien  eine  etruskische  Inschrift  erhielt,  wie  denn  ja  auch 
bereits  im  Grabe  Regulini-Galassi  etruskische  Inschriften  auf  Gefäßen  vorkommen. 
Auch  eine  andere  Gruppe  phönikischer  Produkte,  die  in  Italien  in  den- 
selben Gräbern  mit  jenen  Silberschalen  erscheinen,  nämlich  die  in  edlen  Metallen 
mit  Stempeln  gepreßten  Reliefs  mit  Reihen  bestimmter,  sich  immer  wieder- 
holender, geflügelter  Tiere,  Löwen  u.  dgl.,  ist  in  Olympia  vertreten  durch  ein 
schönes  Silberrelief, ■  dessen  Darstellungen,   und  zwar  sowohl  die  Löwen8  und 

1  Abgebildet  bei  Cesnola-Stern,  Taf.  19.  56,4.  69,4. 

-'  Kine  tiefe  Silberschale  im  Innern  mit  ägyptisierender  Darstellung  (Isiskopf),  ab- 
gebildet Annali  d.  Inst.  1866,  Taf.  GH,  4  —  Archaeologia  41,  Taf.  12. 

*  Zu  den  Tierreilien  vgl.  besonders  die  Bronzeschalen  von  Nimrud  (L«iyard,  Mon. 
of  Nineveh  II  Taf.  60.  61).     Die  Reiter  und  Fußgänger  wie  auf  den  Silberschalen. 

1  Dafl  die  hier  dargestellten  Helme  Griechen  charakterisieren  sollen,  kann  nicht  be- 
zweifelt werden;  die  späteren  assyrischen  Helme  sind  zwar  verwandt,  doch  noch  be- 
trächtlich verschieden.  -  Sehr  interessant  ist  in  dieser  Hinsicht  ein  persischer  Zylinder 
(abgebildet  Ant.  du  Bo^phore  Taf.  16,  23),  der  einen  persischen  Großkönig  zeigt  im  Kampfe 
mit  einem  Griechen  in  eben  jener  Bewaffnung.    [Furtwängler,  Gemmen  III  S.  121.) 

1  Abgebildet  in  der  Abhandlung  von  F.  Curtius,  D.  arch.  Bronzerelief  S.  12.  [Olympia 
IV,  683.] 

|Of.  1,84  und  85,  2;  83. 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    383 


Sphingen,1  als  die  einzelnen  kleinen  Palmetten2  und  endlich  das  geflochtene  Band 
nebst  den  konzentrischen  Kreisen,  einem  der  gleichzeitigen  geometrischen  Dekoration 
entnommenen  Motive,3  sich  fast  ebenso  unter  den  gepreßten  Gold-  und  Silber- 
blechen des  Grabes  Regulini-Galassi  in  Caere  finden. 

In  diesen  Kreis  ist  auch  ein  Bronzerelief  mit  zwei  wappenartig  gegenüber- 
stehenden Sphingen  zu  setzen  [Olympia  IV,  692].  Das  die  beiden  trennende  Orna- 
ment zeigt  die  strenge  ägyptische  Form  des  Lotos  ebenso  wie  einige  der  phöni- 
kischen  Elfenbeinplättchen  des  großen  praenestiner  Grabes  (Mon.  d.  Inst.  XI,  2,6); 
stilistisch  steht  das  Relief  namentlich  durch  den  seltsam  barbarischen  Gesichts- 
typus4 der  oben  genannten  Bronzeschale  von  Idalion 5  am  nächsten;  die  mir 
sonsther  nicht  bekannte  Haartour  bezeichnet  auf  einem  Relief  von  Kujundschik 6 
gefangene,  wahrscheinlich  „syrische"  Weiber.  Endlich  füge  ich  hinzu,  daß  die 
Flügel  noch  nicht  den  oben  als  griechisch  erkannten  Typus  zeigen. 

Wir  können  uns  nicht  von  der  Betrachtung  dieser  phönikischen  Gruppe 
wenden,  ohne  der  „homerischen"  Kunst  mit  einigen  Worten  zu  gedenken.7 
Insofern  nämlich  die  Andeutungen  der  homerischen  Gedichte  überhaupt  genauere 
Vorstellungen  zulassen,8  so  scheint  die  denselben  vorschwebende  Kunststufe  die 
der  Herrschaft  einer  phönikischen  Industrie  zu  sein,  die  der  in  den  oben  er-  58 
wähnten  italischen  Gräbern  (Typus  Regulini-Galassi)  vertretenen  viel  näher  steht 
als  der  der  mykenischen  Gräber,  jedoch  noch  vor  den  Beginn  des  eigenen,  um- 
bildenden Schaffens  griechischer  Arbeit  fällt.  Gegen  letztere  Annahme  scheint 
freilich  manches  zu  sprechen;  was  indess  den  „Schild"  anbetrifft,  so  ist  schon 
von  anderen  hervorgehoben,  daß  dessen  Beschreibung  ohne  Zweifel  auf  der 
Anschauung  von  Werken  beruht,  die  in  Komposition  und  Darstellungen  den  be- 
sprochenen cyprischen  Silbergefäßen  und  Bronzeschalen  von  Nimrud  äußerst 
nahe  stehen  mußten.  Ich  füge  hinzu,  daß  eine  der  am  meisten  charakteristischen 
Erscheinungen  in  den  Darstellungen  dieser  Gefäße  sich  auch  auf  dem  Schilde 
wiederholt.  Daß  das  Bild  des  den  Stier  zerfleischenden  Löwen  zu  dem  Vorrate 
alter  semitischer  Symbole  gehört  und  als  solches  meist  einzeln  wappenartig 
erscheint,  ist  bekannt;9  der  Schild  zeigt  uns  dasselbe  (II.  18,  573  ff.),  aber  als 
Teil  einer  lebendigen  Szene  aus  dem  täglichen  Leben.    Ganz  dasselbe  tut  indess 


1  Ebendas.  I,  83. 

2  Ebendas.  I,  84  u.  85,  7  die  einzeln  angehängten  Palmetten;  ebenso  Taf .  64,  10. 

3  Ebendas.  I,  62,  5  =  Grifi,  Mon.  di  Cere  Taf.  4,  1. 

4  Vgl.  auch  die  Haarbehandlung  am  Oberkopte. 

5  Cesnola-Stern,  Cypern  Taf.  IX. 

6  Layard,  Mon.  of  Nineveh  II  Taf.  19. 

7  [Vgl.  Furtwängler,  Berl.  phil.  Wochenschr.  1902  S.  451.] 

8  Ein  großer  Teil  derselben  ist  indess  so  allgemein,  daß  sie  mit  gleichem  Recht  auf  so 
verschiedene  Epochen  wie  die  der  Gräber  Mykenes  und  der  Italiens  vom  Typus  Regulini- 
Galassi  bezogen  wurden. 

9  Vgl.  namentlich  Usener,  De  Iliadis  carmine  quodam  Phocaico.    Bonnae  1875. 


g  |    DIE  Bronzefunde  als  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 

der  Süberkratei  von  Praeneste  (Mon.  d.  Inst.  X,  33);  außerdem  sehen  wir  sowohl 
ebenda,  als  auf  einer  der  Schalen  von  Caere  (Mus.  Gregor.  I,  66)  die  ursprüng- 
lich ebenso  symbolische,  wappenhafte  Gruppe  des  den  aufrechtstehenden  Löwen 
enden  Mannes  in  die  alltägliche  Jagddarstellung1  gezogen;  ganz  dasselbe  ist 
der  Fall  mit  der  zu  eben  jenem  Vorrate  gehörenden  Gruppe  des  Löwen,  der 
eine  niedergeworfene  menschliche  Figur  unter  seinen  Klauen  hat,  denn  auch  sie 
erscheint  als  Teil  einer  gewöhnlichen  Jagddarstellung  (caeretaner  Schale,  Mus. 
Gregor.  I,  66\  von  Nimrud,  Layard  a.  a.  O.  Taf.  65).  Man  könnte  nun  versucht 
sein,  in  dieser  Umdeutung  der,  übrigens  auf  denselben  Gefäßen  an  anderen 
Stellen  in  ihrer  symbolisch  wappenhaften  Vereinzelung  vorkommenden  Gruppen, 
speziell  griechischen  Einfluß  zu  erkennen;  da  jedoch  dieselbe  Erscheinung  sich 
bereits  an  den  Kleiderverzierungen  der  ältesten  Reliefs  von  Niniveh 2  nachweisen 
59  läßt,  so  kann  sie  nicht  erst  griechischen  Ursprungs  sein.  —  Daß  indess  in  der 
Ausschmückung  des  Einzelnen  bei  der  Beschreibung  des  Schildes  der  dichterischen 
Phantasie  ein  großer  Anteil  zufällt,  ist  nicht  zu  bezweifeln;  es  muß  dies,  wenn 
man  anders  einen  starken  Anachronismus  beseitigen  will,  namentlich  angenommen 
werden  bei  der  Erwähnung  von  Pallas  Athene  nebst  Ares  (v.  516)  und  von  Eris 
Kydoimos  und  Ker  (v.  535  ff.);  für  den  Dichter  lag  es  zu  nahe,  die  ihm  ge- 
läufigen mythischen  Personen  in  die  Beschreibung  des  Kampfes  zu  fügen.  — 
An  anderen  Orten  scheiden  sich  leicht  späte  Zudichtungen  aus.  Noch  leichter 
lösen  sich  einige  andere  Punkte,  die  man  gegen  den  noch  rein  phönikischen 
Charakter  homerischer  Kunst  anführen  kann:  Interpolationen  haben  sowohl  bei 
der  Schilderung  des  reXa/MOV  des  Herakles,3  als  bei  der  des  Schildes  des  Aga- 
memnon stattgefunden,  wo  namentlich  das  Medusenhaupt  eine  spätere  Zutat  ist;4 
eine  andere  Stelle  (die  Schilderung  der  Aegis  der  Athena),  wo  jenes  erwähnt 
wird,  läßt  bei  richtiger  Auffassung  durchaus  nicht  den  Schluß  zu,  daß  dem  Dichter 
eine  Darstellung  des  Medusenhauptes  in  der  Kunst  bereits  vorgeschwebt  hätte.5 

1  Ein  besonders  schönes  Beispiel  fortlaufender  Jagdszenen,  in  denen  immer  dieselbe 
Figur  die  Hauptrolle  spielt,  gibt  die  praenestiner  Schale  (Mon.  d.  Inst.  X,  31)  nach  der 
von  Clermont-Ganneau  gegebenen,  in  dieser  Beziehung  sicher  richtigen  Deutung  im 
Journal  asiatique  1878,  I,  232  ff.,  444  ff. 

Layard,  Mon.  of.  Nin.  I,  49,  1  (Palast  Assurnazirpals):   der  den  stehenden  Löwen 
••  nde  Mann  als  Teil  einer  Jagdszene  wie  auf  jenen  Schalen. 

1  Der  Vers  Od.  XI,  612  bofdrcU  it  . . .  folgt  völlig  unpassend  auf  die  mit  der  Kunst 
ganz  übereinstimmende  Schilderung  des  Tierfrieses;  der  Vers  stammt  aus  Hes.  theog.  228, 
wo  er,  Geborten  der  L;ris  aufzählend,  völlig  an  seiner  Stelle  ist. 

4  In  die  einem  Vorbilde  der  Wirklichkeit  offenbar  genau  entsprechende,  stoffliche  und 
technische  Beschreibung  dieses  Schildes  (IL  XI,  32  ff.)  sind  als  völlig  heterogener  Bestandteil 
die  u.  37  eingeschoben,  welche  Gorgo,  Deimos  und  Phobos  anführen,  ohne  den  Stoff, 

den  Ort,  das  Wie  und  Wo  ihrer  Darstellung  mit  einem  Worte  anzudeuten,  während  letztere 
Punkte  im  übrigen  mit  peinlicher  Sorgfalt  angegeben  sind.   [Roseben  Myth.  Lex.  I,  S.  1702.) 
Schilderung  der  Aegis  (UV,  738  ff.)  ist  zusammenzustellen  mit  der  desKestoi 
;:  beiden  werden  eine  Reihe  von  Kräften  als  innewohnend  aufgezählt,  deren 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    385 


Es  würde  hier  zu  weit  abführen  und  soll  an  anderem  Orte  entwickelt  werden, 
daß  der  Kunsttypus  des  Gorgoneion  überhaupt  kaum  über  das  siebente  Jahr- 
hundert hinausgeht  und  daß  seine  Schöpfung  durchaus  in  gleicher  Weise  und 
ungefähr  zur  selben  Zeit  aus  einem  phönikischen  Typus  durch  griechische  Hand 
geschah,  wie  wir  dies  an  dem  griechischen  Greifentypus  oben  nachgewiesen  haben.  60 

Wir  wenden  uns  zur  genaueren  Betrachtung  der  Verwendung  des  letzteren 
unter  den  olympischen  Bronzen,  indem  wir  damit  das  Gebiet  der  rein  griechi- 
schen Industrie  betreten.1  —  Sehr  zahlreich  haben  sich  hier  die  Greifenköpfe 
(oder  eigentlich  Greifenprotomen)  gefunden,  deren  Mehrzahl  ohne  Zweifel  zum 
Schmucke  von  Gefäßen  diente  [IV  S.  119  ff.].  Schon  jene  auf  altägyptischen 
Denkmälern  dargestellten,  wahrscheinlich  phönikischen  Greifenköpfe  sind  meist 
Gefäßschmuck;  doch  sitzen  sie  als  Deckel  auf  und  sind  unten  gerade  abgeschnitten, 
wogegen  die  Ansätze  der  olympischen,  wo  immer  sie  erhalten  sind,  in  der  Art 
schräg  abschneiden,  daß  sie  offenbar  bestimmt  waren,  am  oberen  Rande  von 
Kesseln  zu  sitzen,  deren  Umriß  etwa  einen  Dreiviertelkreis  beschrieb.  Schon 
dadurch  wird  es  unmöglich,  sie  mit  dem  oben  behandelten  Dreifußtypus 
Olympias-  zu  verbinden,  wo  der  Kessel  nur  einen  Halbkreis  bildet;  abgesehen 
davon,  daß,  bei  der  Stellung  der  Henkel  an  jenen  Dreifüßen  zwischen  den  bis 
zum  Kesselrande  gehenden  Füßen,  es  unmöglich  wäre,  auch  noch  Greifenköpfe 
symmetrisch  anzubringen  und  abgesehen  davon,  daß  letztere  dem  geometrischen 
Systeme  jener  direkt  widersprechen  würden.  Sie  gehörten  vielmehr  offenbar  zu 
dem  Typus  der  y.Qarfjgeg  oder  XeßrjTtg,  bauchiger  Kessel  oben  erwähnter  Form, 
die  zum  Aufhängen  oder  für  einen  Untersatz  bestimmt  waren  und  die  in  alter  Zeit 
in  die  Heiligtümer  der  verschiedensten  Gottheiten  geweiht  zu  werden  pflegten.3 


künstlerische  Darstellung  dem  Dichter  natürlich  keineswegs  im  Sinne  lag;  dasselbe  ist 
demnach  von  der  in  dieser  Reihe  aufgeführten  rogyetq  xeipaXrj  zu  urteilen:  die  Existenz 
derselben  im  Volksglauben  und  ihre  Verbindung  mit  der  Aegis  fällt  natürlich  weit  früher 
als  die  künstlerische  Darstellung.  Noch  weniger  schwebt  eine  solche  dem  Dichter  vor 
an  der  schönen  alten  Stelle  der  Odyssee  XI,  634. 

1  Der  hesiodische  Schild  setzt  bereits  die  Anschauung  derjenigen  völlig  griechi- 
schen Stufe  voraus,  die  uns  durch  die  altkorinthischen  Gefäße  repräsentiert  wird. 

2  Der  oben  S.  17  [S.351]  erwähnte  große  Bronzefund  im  Prytaneion  zeigte  allerdings 
an  demselben  Kessel,  an  welchem  noch  einer  der  großen  Dreifußringhenkel  sich  in  situ 
befand,  den  von  oben  hereingedrückten  und  durch  eine  mächtige  Oxydmasse  mit  jenem 
verbundenen  oberen  Teil  eines  großen  Greifenkopfes  der  aus  Blech  getriebenen  Art.  Er 
wird  zu  einem  der  anderen  Kessel  gehört  haben,  von  denen  zahlreiche  Fragmente  umher 
gefunden  wurden. 

3  In  das  Heraion  zu  Samos  (Herod.  IV,  152);  nach  Delphi  waren  der  berühmte  von 
Alyattes,  von  Gyges  sechs,  von  Krösos  zwei  gestiftet  (Herod.  I,  25;  14;  51);  den  Göttern 
am  thrakischen  Bosporos  war  der  große  Krater  des  Pausanias  geweiht  (Athen.  XII,  536  a; 
Herod.  IV,  81);  ein  Epigramm  der  Anyte  (Anth.  Pal.  VI,  153)  geht  auf  einen  von  einem 
Tegeaten  der  Athena  geweihten  Xeßijg;  zwei  solche  auf  Säulen  aufgestellt,  als  Votive  an 
Athena  zeigt  die  alte  panathenäische  Vase  bei  Salzmann,  Camirus  Taf.  57. 

A.  Furtwängler.    Kleine  Schriften  I.  25 


386    Die  Bronchi  unde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 

öl  Die  olympischen  Funde  sind  die  deutlichsten  Illustrationen  des  bekannten,  von 
den  Samiern  geweihten  Kraters  (Herod.  IV,  152), l  der  überdies  ein  sicheres  Zeugnis 
für  die  Existenz  des  greifengeschmückten  Typus  griechischer  Fabrikation  in  der 
zweiten  Hälfte  des  siebenten  Jahrhunderts  ist. 

Wir  unterscheiden  zwei  Arten  unter  den  Greifenköpfen  Olympias;  die  eine 
seltnere,  aber  offenbar  altertümlichere  ist  ganz  aus  Blech  getrieben  über  einen 
verschwundenen,  wahrscheinlich  hölzernen  Kern.  Zu  ihr  gehört  auch  der  größte 
der  überhaupt  bisher  bekannten  Greifenköpfe  (von  0,65  Höhe):  Inv.  Nr.  3177 
[IV,  797];  die  übrigen  sind  Nr.  1323.  1324.  3822.  5074.  5322.  5485.  1221  [IV S.  119 
u.  120].  Die  sie  von  der  folgenden  Gattung  der  gegossenen  unterscheidenden 
Eigentümlichkeiten  deuten  fast  durchweg  auf  höhere  Altertümlichkeit,  wenn  auch 
einiges  auf  Rechnung  der  verschiedenen  Technik  kommen  mag.  Die  maßvolle 
Strenge  und  Hoheit  des  folgenden  Typus  ist  noch  nicht  erreicht:  die  Augen 
sind  weit  hervorquellend  und  das  Stirnbein  verschwindet  fast  ganz;  meist  fehlt 
auch  die  nach  abwärts  gebogene,  scharfe  Spitze  des  unteren  Schnabels;  die 
Biegung  des  Halses  entbehrt  des  Schwunges  der  folgenden  Gattung;  der  dort 
als  Knopf  profilierte  mittlere  Stirnaufsatz  pflegt  hier  nur  als  einfacher  kurzer 
Zylinder  gebildet  zu  sein,  ja  manchmal  sind  selbst  die  Ohren  nicht  lang  und 
spitz,  sondern  niedrig  und  stumpf.  Zu  dieser  letzteren  speziellen  Art  gehört 
auch  ein  im  Piraeus  in  den  Kunsthandel  gekommenes  Exemplar  ungewissen 
Fundortes;2  vor  allem  aber  gehören  zu  ihr  die  fünf  Exemplare  des  großen 
praenestiner  Grabes,3  von  denen  zwei  noch  an  ihrer  ursprünglichen  Stelle  an 
dem  Kessel  sitzen  und  so  definitiv  bestätigen,  was  oben  über  die  Greifenköpfe 
gesagt  wurde.  Sehr  auffallend  ist  nur  der  Umstand,  daß  die  praenestiner 
Exemplare,  während  sie  im  übrigen  vollkommen  mit  den  letztgeschilderten 
olympischen  übereinstimmen,  nach  dem  Innern  des  Kessels  zu  gerichtet  sind,* 

62  was  in  Olympia  niemals  der  Fall  gewesen  zu  sein  scheint.  Die  einzige  Ana- 
logie ist  ein  Krater  des  Grabes  Regulini-Galassi  (Mus.  Greg.  I,  16,  1)  wo  Löwen- 
köpfe ebenso  ins  Innere  blickend  angebracht  sind.  Daß  indess  diese  Anordnung 
an  dem  praenestiner  Krater  nicht  die  ursprünglich  in  der  (griechischen)  Fabrik 
beabsichtigte  und  vielleicht  durch  lokale  Zufälle  veranlaßt  war,  glaube  ich  daraus 
schließen  zu  dürfen,  daß  die  hinter  den  Ohren  ansetzenden  (auch  auf  der  Ab- 
bildung kenntlichen)   zwei   gewöhnlichen   gravierten  „Locken"  bei   der  jetzigen 

1  Auf  Greifen-,  vielleicht  auch  Schlangen-  oder  Löwenköpfe  bezieht  sich  offenbar 
auch  die  Beschreibung  des  von  den  Lakedämoniern  für  Krösos  gemachten  Kraters  bei 
Herod.  I,  70. 

7  Gegenwärtig  befindd  sich  dasselbe  im  großherzogl.  Museum  zu  Karlsruhe.  [Schu- 
macher, Bronzen  von  Karlsruhe  446.] 

'  Abgebildet  in  Mon.  d.  Inst.  XI,  Taf.  2,  10. 

'  M  licht,  daß  moderne  Restauration  diese  Anordnung  verschuldet  habe,  wurde 

mir  von  W.  Heibig,  der  so  gutig  war,  auf  meine  Bitte  den  Krater  von  neuem  genau  zu 
untersuchen,  auf  das  bestimmteste  verneint. 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    387 

Anordnung  und  den  viel  zu  kurzen  Hälsen  einfach  in  der  Mitte  abgeschnitten 
werden,  ohne  in  das  ihnen  eigentümliche  spiralförmige  Ende  auslaufen  zu  können. 
In  einem  anderen  völlig  gleichzeitigen  praenestiner  Grabe  wurde  denn  auch  ein 
großer  Kessel  mit  zwei  getriebenen  Löwen-  und  einem  Greifenkopfe  gefunden,1 
bei  denen  ausdrücklich  angegeben  wird,  daß  sie  nach  außen  blickten;  einen 
Krater  mit  sehr  ähnlichen  nach  außen  blickenden  Löwenköpfen  enthielt  auch  das 
Grab  Regulini-Galassi  (Mus.  Greg.  I,  15,  1);  in  Olympia  gefundene  Fragmente 
gleicher  aus  Blech  getriebener  Löwen  köpfe  mit  geöffnetem  Rachen  werden  zum 
Teil  auch  zu  jenen  Krateren  gehört  haben.  —  Daß  endlich  die  Richtung  dieser 
Köpfe  nach  außen  schon  in  ältester  Zeit  die  in  ähnlichen  Fällen  einzig  übliche 
war,  zeigen  die  zahlreichen,  besonders  unter  den  Tributen  syrischer  Völker  er- 
scheinenden, Gefäße  der  altägyptischen  Gemälde  der  18. — 20.  Dynastie,  die  in 
ganz  analoger  (doch  keineswegs  gleicher)  Weise  mit  mannigfachen  immer  nach 
außen  blickenden  Tierköpfen  geschmückt  sind. 

Das  bedeutendste  Interesse  des  oben  genannten  Kraters  des  großen  prae- 
nestiner Grabes  besteht  indess  darin,  daß  er  außer  den  Greifen  noch  zwei  ge- 
gossene Henkelfiguren  in  situ  angenagelt  zeigt,  zu  denen  völlig  übereinstim- 
mende Exemplare  in  Olympia  zu  Tage  gekommen  sind,  deren  Verwendung  erst 
durch  jenen  Grabfund  völlig  klar  wird.  Es  scheinen  jeweils  zweie  an  zwei 
gegenüberliegenden  Stellen  des  Kraters  angenagelt  gewesen  zu  sein,  und  zwar 
bestimmt  um  denselben  aufhängen  zu  können  an  Ketten  oder  Stricken,  welche 
durch  die  im  Rücken  der  Figuren  befindlichen  Ösen  zu  ziehen  waren.  Ich  habe 
ein  hervorragendes  Exemplar  aus  Olympia  in  der  Archäologischen  Zeitung  1879,  63 
S.  180 ff.  [oben  S.  336]  publiziert  und  besprochen;  es  ist  genau  derselbe  Typus  wie 
der  der  praenestiner  Exemplare  (Mon.  d.  Inst.  XI,  2, 10  a.  b),  drei  andere  olympische 
sind  photographiert  in  Ausgrab.  Bd.  IV,  Taf.  22.  23.  24  [IVTaf.44];  daß  endlich 
zwei  andere  im  wesentlichen  gleiche  Stücke  im  innern  Asien,  in  Armenien 
gefunden  wurden,2  habe  ich  a.  a.  O.  bemerkt  und  hervorgehoben,  daß  der  Typus 
nur  die  direkte  Verwendung  eines  assyrischen  Motives  in  dekorativem  Sinne 
ist.  —  Der  praenestiner  Fund,  sowie  die  im  Verhältnis  zu  den  Greifenköpfen 
sehr  geringe  Anzahl  dieser  Figuren  in  Olympia,  machen  es  wahrscheinlich,  daß 
dieselben  nur  der  älteren  Gattung  der  Kratere  mit  aus  Blech  getriebenen  Greifen 
angehören.  Sie  mögen  hier  ein  von  griechischer  Industrie  unverändert  über- 
nommener Rest  des  ganzen  ursprünglich  ohne  Zweifel  phönikischen  Kratertypus 
sein.  Daß  die  in  Armenien  gefundenen  Exemplare3  auch  phönikische  Arbeit 
sind,  wird  sich  kaum  bezweifeln  lassen.    Andererseits  ist  unter  den  olympischen 


1  Archaeologia  41  S.  200  Nr.  1,  der  Löwenkopf  von  trefflichem,  offenbar  griechischem 
Typus  ebendas.  abgebildet. 

2  Abgebildet  in  Bull,  de  l'acad.  d.  sc.  de  St.  Petersb.  1871,  S.  462  ff. 

3  Von  denen   eines  eine  wie   scheint  speziell  „syrische"  Haartracht  zeigt,  s.  Arcb. 
Ztg.  a.  a.  O.  [oben  S.  338]. 


25 


388    11"  Bronzi  i  i  mm  als  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliciie  Bedeutung. 

wenigstens  eines,  das  durch  ganz  veränderten  Gesichtstypus  und  Haartracht  griechische 
Umbildung  bekundet.'  Wir  erkennen  aus  diesen  Figuren  also,  wie  enge  sich  das 
beginnende  griechische  Kunsthandwerk,  auch  als  es  schon  jenen  Schritt  der  Neu- 
schöpfung des  Greifentypus  getan  hatte,  noch  an  die  orientalischen  Vorbilder  anschloß. 
Die  zweite  zahlreicher  vertretene  Gattung  der  Greifenköpfe  ist  gegossen 
und  das  Detail,  die  Schuppen  und  die  den  Hals  herabgehenden  „Locken"  fein 
viert;  einige  Male  sind  letztere  in  Relief  aufgesetzt.  Mit  Ausnahme  unwesent- 
licher Differenzen,  wie  z.  B.  im  Schwünge  des  Halses,  Angabe  oder  Weglassung 
einiger  Details  sind  die  Exemplare  alle  gleich  (Inv.  Nr.  1172;  2550;  2575;  3884; 
5042;  4159;  5099,  5598;  5843;  5986;  6300;  7200;  7400  [IV  S.  122  u.  123]; 
zwei  besonders  schöne  sind  photographiert  in  Ausgrab.  Bd.  III,  24  [IV,  806]  und 
Bd.  IV  20  [IV,  805]  auch  Bd.  II,  31  unten  r.  [IV,  807]).  Die  Augen  waren  meist 
eingesetzt;  bei  zweien  haben  sich  darin  noch  Reste  einer  weichen  weißen  Masse, 
das  eine  Mal  mit  Spuren  blauer  Farbe  erhalten  [IV  S.  123,  vgl.  dort  Nr.  804].  - 
Eine  interessante  Zutat  zeigt  ein  im  Pelopion  gefundenes  Exemplar  (Inv.  Nr.  7400 
[IV,  791]),  nämlich  einen  oben  am  Kopfe  angebrachten  Ring.  Während  bei  der 
vorigen  Gattung  jene  Henkelfiguren  dazu  dienten  den  Krater  aufzuhängen,  so  war 
hier  an  dem  Greifenkopfe  selbst  die  Vorrichtung  zu  diesem  Zwecke. 

Mit  dieser  Gattung  genau  übereinstimmende  Exemplare,  und  zwar  mit  dem- 
selben Ansätze  an  den  Kessel,  fanden  sich,  ohne  Zweifel  aus  griechischen  Fa- 
briken importiert,  in  Etrurien.  Leider  ist  nur  ein  Grabfund  bekannt,  der  aber 
lehrreich  genug  ist,  da  sie  mit  altkorinthischen  Tongefäßen  sich  zusammenfanden, a 
also  in  der  unmittelbar  der  des  obigen  praenestiner  Grabes  folgenden  Gräber- 
schicht. Von  den  übrigen  Exemplaren,  die  ich  mir  als  mit  den  olympischen 
völlig  übereinstimmend  notierte,  befinden  sich  zwei  im  Museum  von  Perugia, 
drei  in  dem  etruskischen  Museum  zu  Florenz  (Suppl.  Nr.  662;  598;  599),  zwei 


1  VgL  Arch.  Ztg.  a.a.O.  [oben  S. 337].  —  An  demselben  Exemplare  ist  auch  hervor- 
zuheben, daß  die  Rückseite  des  halbkreisförmigen  Ringes  eine  Reihe  fein  gravierter  durch 
Tangenten  verbundener  Kreise  zeigt,  also  eine  Berührung  mit  dem  oben  besprochenen 
geometrischen  Systeme,  dessen  Einwirkung  wir  gerade  auch  in  anderen  Produkten  be- 
ginnender griechischer  Industrie  (wie  den  melischen  Vasen  usw.)  bemerkten.  —  Eine  andere 
Eigentümlichkeit  eines  der  olympischen  Exemplare,  nämlich  die  rasierte  Oberlippe  bei 
vollem  Hackenbartc  gesellt  sich  zu  den  Abweichungen  vom  assyrischen  Typus,  wahrend 
sie  für  die  Frage  ob  phönikisch  oder  altgriechisch  nichts  ergibt,  weil  sie  diesen  beiden 
Kulturbereichen  gemeinsam  ist.   Vgl.  Heibig,  Im  neuen  Reich  1875,  S.  19  ff.,  Daremberg 

iglio,  Dict.  des  ant.  I  S.  667 ff.  Ich  füge  nur  als  besonders  lehrreiche  Beispiele  hinzu 
den  Elfenbeinkopf  von  Spata  (Bull,  de  corr.  hell.  II,  Taf.  18,  2)  und  einige  altspartanische 
Werke,  wie  den  Krieger  (Mitt.  d.  athen.  Inst.  III  Taf.  1),  das  Tonrelicf  (Lebas,  Mon.  fig. 
Taf.  106)  und  wohl  d;is  Rettet  von  Chrysapha  (Mitt.  d.  athen.  Inst.  II,  Taf.  20.  21),  das,  wenn 
hart  her  ohne  Schnurrbart  ist. 

3  Hill.  d.  Inst.  1874,  S.  238  aus  Corncto;  ich  habe  die  Exemplare  nicht  selbst  gesehen, 
doch  nach   der   Beschreibung   offenbar  hierher.     Vgl.   außerdem    Heibig, 

lll  d.  In 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    389 

im  Antiquarium   zu  München   (Br.  Nr.  531;  532)   und   eins   (aus  Corneto)  in 
Berlin  (Friederichs,  Berl.  ant.  Bildw.  II.  Nr.  1442a). 

Was  die  Fundumstände  in  Olympia  betrifft,  so  fanden  sich  die  Greifenköpfe 
besonders  in  nächster  Umgebung  des  Zeustempels,  dann  in  und  beim  Prytaneion,1 
Buleuterion,  Metroon  und  Pelopion,   zum  Teil  in  sehr  tiefer  Schicht;  von  zwei,  65 
den  beiden  verschiedenen  Gattungen  angehörigen  Exemplaren,   konnte  ich  kon- 
statieren, daß  sie  unter  dem  Bauschutte  des  Zeustempels  zu  Tage  kamen. 

In  gleicher  Weise  scheinen  an  den  Krateren  mitunter  auch  Schlangen- 
protomen  angebracht  gewesen  zu  sein  [IV  S.  121];  ein  phönikisches  Vorbild  ist 
uns  in  dem  Silberkrater  des  großen  praenestiner  Grabes  erhalten  (Mon.  d.  Inst. 
X,  33);  in  Olympia  fanden  sich,  doch  immer  fragmentiert  und  ohne  Kesselansatz, 
mehrere  ähnliche  Schlangenstücke  (vgl.  besonders  Inv.  Nr.  2071).  Über  Löwenköpfe 
vgl.  oben  S.  62  [S.  387]. 

Wurden  die  Kratere  nicht  wirklich  aufgehängt,  so  mußten  sie  auf  einen 
Untersatz2  gestellt  werden.  Es  dienten  wahrscheinlich  hierzu  die  niedern  ring- 
förmigen und  von  drei  Löwenklauen  getragenen  Untersätze,  die  sich  einige  Male 
in  der  Altis  (besonders  Inv.  Nr.  4336  [IV  S.  136])  und  in  übereinstimmenden 
Exemplaren  in  Dodona  gefunden  haben  (Carapanos,  Dod.  Taf.  41,  1.  2;  23,  2). 
Die  Form  und  Stilisierung  der  Löwenklauen  stimmt  überein  mit  den  in  Niniveh 
gefundenen  (Layard,  Mon.  of  Nin.  I,  Taf.  96,  2.  3). 

Ein  hoher,  nach  oben  sich  verengernder,  kunstvoller  Untersatz  war  der  be- 
rühmte des  Glaukos.  Derartige  werden  indess  auch  einfacher  aus  einem  nach 
alter  Weise  mit  Blech  überzogenen  Holzkerne  gemacht  worden  sein.  Ich  ver- 
mute, daß  wir  einen  der  letzteren  Art  besitzen  in  dem  0,90  hohen  Geräte  aus 
Bronzeblech  im  großen  praenestiner  Grabe:3  Mon.  d.  Inst.  XI,  2,  7.  Es  ist  ein  nach 
oben  sich  stark  verengender  Zylinder,  bekrönt  von  einer  Art  von  Blätterkapitell. 
Genau  dasselbe  Kapitell,  nur  mit  feinerer  und  schönerer  Ausführung  der  Blätter 
'in  derselben  Technik  und  derselben  Größe,  hat  sich  in  Olympia  gefunden,4  offenbar 
der  Teil  eines  gleichen  alten  Krateruntersatzes. 

Nicht  alle  Greifenköpfe,  um  zu  diesen  zurückzukehren,  befanden  sich  indess 
an    den    Krateren;    sie   dienten    auch    anderen   dekorativen   Zwecken.     Sicheres 
Zeugnis  dafür  ist  uns  ein  kleines  (H.  0,12)  gegossenes  Exemplar,   das  noch  an  66 
einem   hohlen  Zylinder  sitzt,   durch  den  offenbar  einst  ein  Stab  ging.5  —  Von 
einem  Kästchen  oder  dgl.  stammen  die  kleinen  Elfenbeingreife  des  praenestiner 

1  Phanodikos  des  bekannten  Monuments  von  Sigeion  (C.  I.  G.  8)  stiftet  einen  Krater 
ins  Prytaneion  von  Sigeion. 

1  v^oxg?ji)'jgiov  und  Imaxaxov  in  der  Inschrift  von  Sigeion  (C.  I.  G.  8),  0.-roy.o>]T?joidior 

bei  Herod.  I,  25. 

3  Von  Heibig  als  Kandelaber  erklärt,  mit  sehr  geringer  Wahrscheinlichkeit. 

4  Abgebildet  in  Ausgrab,  von  Olympia  Bd.  II,  Taf.  31  [IV,  810]. 

5  Abgebildet  Ausgrab.  Bd.  II,  Taf.  31  1.  unten  [IV,  815];  der  Zylinder  ist  auseinander- 
gesprengt. 


390   r»E  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 


Grabes  (Mon.  d.  Inst.  X,  32,  6).  -  Die  sich  entwickelnde  etruskische  Industrie 
verwendet  dann  den  alten  Greifenkopftypus  ebenfalls  mannigfach:  ein  Exemplar 
im  Museum  von  Neapel  (große  Bronzen  Nr.  7646),  eines  in  Florenz  (Etr.  Mus. 
Suppl.  Nr.  tHK)),  beide  von  c.  0,10  Höhe  und  geringer  Arbeit  zeigen  durch  die 
Form  des  unteren  Ansatzes,  daß  sie  auf  horizontaler  Fläche  aufsaßen,  etwa  wie 
die  Greife  auf  der  Schulter  der  Buccherovase  bei  Micali,  Mon.  inediti  Taf.  33.  An 
einem  großen  wohl  etruskischen  Bronzehenkel  in  zwei  fast  gleichen  Exemplaren 
in  Neapel  (picc.  br.  Nr.  4707)  erscheint  am  einen  Ende  ein  Stier-,  am  andern  ein 
Greifenkopf.  -  In  rohe  Verflachung  endlich  geht  derselbe  altgriechische  Greifen- 
typus über  in  einer  Reihe  von  etruskischen  Bucchero-  und  Bronzevasen.1 

Aber  nicht  nur  als  Protome,2  sondern  auch  als  ganze  Statuette  finden  wir 
den  Greif  in  Olympia  verwendet:  eine  Anzahl  an  verschiedenen  Stellen  der 
Altis  gefundener,  aber  unter  sich  fast  ganz  gleicher  Figuren  zeigt  den  Greif 
langsam  ausschreitend  mit  emporgeringeltem  Schwänze,  mit  den  oben  be- 
sprochenen, ornamental  aufgebogenen  Flügeln  und  mit  dem  meist  nach  der  einen 
Seite  umgewendeten,  genau  mit  den  obigen  Protomen  stimmenden  Kopfe.8  Auch 
diese  Figuren  wurden  in  Etrurien  nachgeahmt.4  —  Da  überhaupt,  wie  wir  sahen, 
der  Greifenschmuck  ein  in  der  alten  Zeit  allgemein  beliebter  war  und  von  phöni- 
67  kischen  Vorbildern  entnommen  scheint,  so  ist  es  durchaus  nicht  nötig  zur  Er- 
klärung des  häufigen  Vorkommens  desselben  in  der  Altis  die  besondere  Be- 
ziehung des  Greifs  zu  Zeus  heranzuziehen,  die  von  Aeschylus  deutlich  aus- 
gesprochen wird,5  sich  offenbar  aber  erst  entwickelte  als  die  künstlerische  Ver- 
wendung des  Greifs  längst  feststand. 

Die  genannten  Statuetten  haben  keine  Basis  und  können  auch  nicht  stehen 
auf  den  in  einer  Linie  gerade  vor  einander  gesetzten  Beinen.  Sie  waren  also 
offenbar  bestimmt  als  Zierrat  aufgelötet  auf  einem  dünnen  Streifen  aufzusitzen. 
Durchaus  dieselben  Eigentümlichkeiten  zeigt  eine  schöne  Sphinxstatuette  (ab- 
gebildet Ausgrab.  IV,  Taf.  22,  1  [IV,  819])  mit  denselben  Flügeln,  demselben» 
Schwänze,  derselben  Stellung,  nur  daß  ihr  Kopf  nicht  nur  nach  der  einen,  sondern 
ebenso  auch  nach  der  andern  Seite  umgewendet  ist,  d.  h.  daß  sie  zwei  nach  den 
entgegengesetzten  Seiten  blickende  Gesichter  hat,  was  offenbar  nur  der  dekora- 


1  Vgl.  namentlich   ein   großes   zusammengenietetes  Blechgefäß  (der  Form  wie  Mus. 
im  Kircherianum   zu  Rom  mit  je  zwei   rohen  Greifenköpfen  als  Henkel. 
Sehr  ähnlich  ist  die  sicher  etruskische  Bronzeschüssel  aus  Lüneburg  (Lindcnschmit. 
Altert.  II,  3  Taf.  5,  1). 

1  Vgl.  d  »//  der  Inventare  des  Parthenon  in  Athen:  C.  I.A.  I,  p.  73  sqq., 

15. 

1  Ein  Exemplar  ist  abgebildet  Ausgrab.  Bd.  II,  Taf.  31  unten  1.  [IV,  818). 
1  Offenbar  etruskische  Arbeit  ist  die  Statuette  aus  Cerveteri  in  Berlin  (Antiqu.  Bronz. 
Inv.  Nr.  73! 

1  At scii.  Prom.  803  nennt  die  Greife  Zrjvd*  dxgayei    xvras,  wie  der  Adler  Prom.  1021 
i.  Ag.  1 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    391 


tiven  Verwendung  zuzuschreiben  ist,  wie  denn  ein  kleiner  auf  einem  Gefäßrande 
aufsitzender  Löwe  ebenfalls  einen  doppelten  Kopf  hat.1 

Jene  Sphinxstatuette  ist  indess  noch  besonders  interessant  durch  den  sehr 
bestimmt  ausgesprochenen  Formcharakter  des  Gesichtes.  Der  hochaltertümliche 
Typus  desselben  entspricht  nämlich  mit  den  großen,  doch  ganz  flachen  Augen, 
der  kurzen  Nase,  dem  dünnen  breiten  Mund,  der  Magerkeit  des  Ganzen  auf- 
fallend dem  ebenfalls  im  IV.  Bande  der  Ausgrabungspublikation  veröffentlichten 
Oberteil  einer  weiblichen  Statuette,  die  aus  lakonischem  Marmor2  und  wohl  von 
lakonischem  Künstler  gefertigt  ist.    [Olympia  III  Taf.  5  Nr.  4  u.  5.] 

In  den  Kreis  dieser  Statuetten  von  unbestimmter,   indess  sicher  dekorativer 
Verwendung  gehören   auch    einige   liegende,   doch   mit  den  Vorderbeinen   auf- 
gerichtete3 Löwen,  von  denen  der  größte  Ausgrab.  Bd.  IV  Taf.  22,  3  [IV,  967]  ab-  68 
gebildet  ist.4    Die   schöne  strenge  Stilisierung  stellt  sie  der  Sphinx  und  jenen 
Greifen  gleich.     Auch  dieser  Typus  fand  in  Etrurien  Nachahmung.5 

Ein  dekoratives  Ensemble  mit  diesen  Löwenstatuetten  bietet  Olympia  leider 
nicht;  dafür  werden  wir  etwas  entschädigt  durch  ein  vorzügliches  altgriechisches 
Werk,  das  freilich  weitab  im  Lande  der  Barbaren  gefunden  wurde:  ich  meine  die 
bekannte  Bronzehydria  von  Grächwyl  in  der  Schweiz  mit  ihrem  reichverzierten 
Henkel,6  die  mit  Unrecht  gewöhnlich  für  etruskisch  gehalten  wird,  während  sie 
nicht  das  geringste  speziell  Etruskische  zeigt,  wohl  aber  in  allem  Detail  mit  alt- 
griechischen Bronzen  übereinstimmt;  die  vier  Löwen  im  besondern  sind  den 
olympischen  fast  völlig  gleich 7  und  geben  Aufschluß  über  die  Verwendung  der- 
selben und  wohl  auch  der  Greifen-  und  Sphinxstatuetten. 

Wahrscheinlichen  Aufschluß  hierüber  gibt  uns  auch  ein  anderes  reiches  und 
wohlerhaltenes  Ensemble,  nämlich  der  Dreifuß  vonMetapont  in  Berlin  (Friederichs, 

1  Abgebildet  in  Ausgrab.  Bd.  I,  Taf.  21,  Nr.  1  unten  1.  [IV,  820]. 

2  Vgl.  was  ich  über  dieselbe  Arch.  Ztg.  1879,  S.  40  bemerkte.  Die  Bestimmung  des 
Marmors  ward  mir  von  Prof.  Siegel  aus  Athen  bestätigt. 

3  Hierdurch  namentlich,  sowie  durch  den  immer  emporgeringelten  Schwanz  u.  A., 
unterscheiden  sie  sich  von  den  sonst  verwandten  Bronzelöwen  aus  Niniveh  (Layard, 
Mon.  of  Nin.  I,  Taf.  96,  1.17). 

4  Ein  anderer,  Inv.  Nr.  4415,  zeigt  deutliche  Spur  irgendwo  aufgesessen  zu  haben; 
er  ward  unter  dem  Bauschutte  des  Zeustempels  gefunden. 

1  Vgl.  den  Löwen  im  Antiqu.  v.  München,  Br.  Nr.  546. 

6  Mitt.  d.  ant.  Ges.  in  Zürich  VII,  5,  Taf.  2.  3,  S.  111;  der  Henkel  allein  bei  Linden - 
schmit,  Altert.  II,  5  Taf.  2,  2;  Abguß  desselben  in  Berlin  [Nr.  237]. 

7  Vgl.  namentlich  die  Stilisierung  von  Vorderbeinen,  Schwanz  und  Mähne.  —  Ein 
griechisches  Werk  des  sechsten  Jahrhunderts  in  der  Schweiz  darf  nicht  auffallen,  da  z.  B. 
in  Bayern  selbst  zwei  kleine  Tongefäße  derjenigen,  der  korinthischen  vorangehenden, 
altgriechischen  Gattung  gefunden  wurden,  welche  selbst  in  Italien  die  älteste  des  grie- 
chischen Importes  ist  (s.  Heibig,  Italiker  in  der  Po-Ebene,  S.  84);  es  sind  die  von 
Lindenschmit,  Altert.  III,  7  Taf.  1,  3  u.  4  publizierten,  die  ich  in  genauen  Nachbildungen 
in  Mainz  prüfen  konnte.  [Fundort  bei  Straubing  zweifelhaft,  s.  Lindenschmit  a.  a.  O.  Er- 
gänzungsheft zu  I— IV  S.  4.] 


is  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 

Bronzen  Nr.  768),  dessen  Arbeit  keineswegs  etruskischen  Charakter  verrät  und  wohl 
unteritalisch-griechisch  ist.  Er  zeigt  nicht  weniger  als  sechs  liegende  Löwen- 
statuetten  verwendet,  außerdem  wie  an  der  Hydria  von  Grächwyl  Schlangen, 
schreitende  Kühe  und  Pferdeprotomen,  endlich  Palmetten  und  unten  Löwen- 
klauen. Das  ganze  Gerüste  ist  bloß  aus  Stabwerk  hergestellt.  Daß  dieser  Dreifuß- 
typus,  der  allerdings  in  Etrurien  im  fünften  Jahrhundert  besondere  Ausbildung 

69  erhielt  und  dagegen  auf  griechischen  Monumenten  (Vasen  u.  dgl.)  nie  dargestellt 
zu  sein  scheint,  gleichwohl  ein  alter  vom  Orient  überkommener  ist  und  auch  in 
Griechenland  nicht  ganz  ungebräuchlich  war,  können  wir  verschiedenen  Tatsachen 
entnehmen;  wie  denn  die  Grundform  bereits  an  einem  altbabylonischen  Dreifuß 
erscheint  (Longperier,  Mus.  Nap.  III,  Taf.  1)  und  offenbar  importierte  Exemplare 
des  Typus  in  dem  großen  praenestiner  (Mon.  d.  Inst.  X,  31 a,  2)  und  dem  Grabe 
Regulini-Galassi  (Mus.  Greg.  I,  57)  erscheinen  und  endlich  Cypern  ein  Exemplar 
von  freilich  späterem  griechischem  Charakter  (Cesnola-Stern,  Cypern  Taf.  70) 
geliefert  hat.1  Da  wir  in  Olympia  fast  alle  die  einzelnen  Teile2  besitzen,  um 
einen  Dreifuß  etwa  wie  den  von  Metapont  zusammenzusetzen  [vgl.  IV  Taf.  49c], 
so  ist  alle  Wahrscheinlichkeit,  daß  der  Typus  auch  in  der  Altis  existierte. 

Noch  mehr  als  der  Greif  ist  bekanntlich  der  Löwe  das  Lieblingstier  der 
hier  besprochenen  „orientalischen"  Dekoration.3  Reste  von  sehr  altertümlichen 
aus  Blech  getriebenen  Köpfen  wurden  schon  oben  [S.  387]  erwähnt  und  vermutet, 
daß  sie  teilweise  als  Schmuck  der  Kratere  dienten;  erhaltener  Rand  und  darin 
befindliche  Nagellöcher  an  einem  Exemplare  zeigen  indess,  daß  auch  die  auf  eine 
Fläche  befestigten  getriebenen  Löwenmasken  in  der  Altis  bekannt  waren,  be- 
kanntlich ein  ebenso  altes  als  beliebtes  Motiv.*  —  Auch  in  getriebenen 
alten  Reliefs  erscheint  der  Löwe  mehrfach;  so  namentlich  in  dem  Ausgrab. 
Bd.  II,  Taf.  31  [IV,  695]  abgebildeten,  das  den  Vorderteil  eines  Löwen  nebst 
einem  vegetabilischen  Ornamente'1  zeigt;  fast  genau  dasselbe  Ornament  und 
dasselbe  Motiv  des  auf  den  Hinterbeinen  aufrecht  stehenden  Löwen  finden  wir 
auf  einem  getriebenen  Bronzerund  des  Grabes  Regulini-Galassi,  nur  daß  sich 
hier  zwei  Löwen  gegenüberstehen  (Mus.  Greg.  I,  15,  3.  4);  auch  andere  Bronze- 

70  bleche  desselben   und  gleichzeitiger  Gräber  zeigen  jenen  stehenden  Löwen.6 

'  (Vgl.  dagegen  Furtwflngler,  Sitzungsber.  der  K.  Bayer.  Akad.  1899  S.  422.] 
1  Auch  von  Rundstaben  und  Ähnlichen  Palmetten  sind  Reste  erhalten. 
'  Vgl  I-..  Curtius,  Über  Wappengcbr.  1874,  S.  99. 

'  Vgl  die  Löwenmaske  aus  Goldblech  von  Mykene(Schliemann  S.  244,  Nr. 326); 
ferner  die  Löwenmaske   in   der  Mitte   von  Metallschilden,   welche  im  Tempel   der  Stadt 
in  Armenien   als  Anathcme   aufgehängt    sind,    dargestellt   in   einem   assyrischen 
Relief   vom    Ende   des  achten    Jahrhunderts,   die   Einnahme   jener   Stadt   durch    König 
Sargon  enthaltend  (Botta,  Mon.  de  Ninivch,  Taf.  140.  141; ;   endlich   die  Löwenköpfe   in 
dekorativen  Rundschildcn  am  'irakischen  (inibern  (z.B.  Mus.  Greg.  I,  38,  3— 5). 
Wich  von  Q.  Hirschfeld  a.a.O.  S.  12,  Nr.  5  .Thymiaterion"  genannt. 
1,15,6  und  <  Ion.  d.  Inst.  XI,  2,9;  Mus.  üreg.  I,  17,  1 ;  38,  7. 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    393 


Die  Altis  lieferte  ferner  noch  einige  feine  Blechstreifen  mit  flachgetriebenem 
Relief,  das  Reihen  schreitender  Löwen  nach  rechts  in  sorgfältiger  Ausführung, 
doch  in  etwas  jüngerem  Stile  als  das  vorige  Stück,  zeigt  [IV,  697].  —  Als  Ge- 
fäßschmuck diente  ein  trefflicher  gegossener  Löwe  mit  platter,  etwas  konkaver 
Rückseite  (abgebild.  Ausgrab.  Bd.  IV,  Taf.  24,  2  [IV,  969]),  der  in  vollendet  alt- 
griechischem Stile  ein  ursprünglich  ebenfalls  orientalisch-phönikisches  Motiv  wieder- 
holt, nämlich  den  aufgerichtet  umblickenden  Löwen.1 

Das  vegetabilische  Hauptmotiv,  das  die  besprochene,  innerhalb  der  Vasen- 
malerei zuerst  durch  jene  melischen  und  rhodischen  Vasen  repräsentierte,  alt- 
griechische Kunst  vom  Orient  aufnahm,  ist  der  ägyptische  Lotos.  Olympia  hat 
namentlich  ein  prächtiges  Bronzeblechband  geliefert  mit  einer  Lotosblüten-  und 
Knospenreihe  (von  0,08  Höhe)  der  Art,  wie  sie  die  altkorinthischen  Vasen  zeigen 
[IV,  755].  Zu  erwähnen  sind  hier  auch  mehrere  gegossene  Henkel  (z.  B.  Inv. 
Nr.  490;  6884  [zu  IV,  911]),  die  von  einer  Lilien-  oder  Lotosblüte  bekrönt  sind; 
ein  ganz  gleicher  Henkel  stammt  aus  Curium  auf  Cypern  (Cesnola-Stern, 
Taf.  71;  wenig  verschieden  Taf.  66,  2)  und  cyprisch  ist  auch  eine  Steinschale 
mit  ebenso  verziertem  Henkel  in  Berlin  (Cypr.  Nr.  257) ;  ein  Henkel  des  großen 
praenestiner  Grabes  fügt  zu  der  Blüte  noch  zwei  Stierköpfe  (Mon.  d.  Inst.  X,  32, 4). 

Eine  gewöhnlich  weniger  beachtete  Tatsache  ist  es,  daß  zu  den  Haupt- 
motiven der  hier  betrachteten  Dekoration  auch  menschliche  Köpfe  und  nament- 
lich Masken  gehören.  Absehend  von  einigen  sehr  alten  Beispielen  wie  dem 
maskengezierten  babylonischen  Dreifuße  im  Louvre  (Longperier,  Mus.  Nap.  III, 
Taf.  1,3)  oder  der  Maske  an  einem  mykenischen  Tongefäße  (Schliemann,  Myk. 
S.  77  Nr.  81)  u.  a.,  will  ich  hier  nur  hervorheben,  was  mir  das  Interessanteste 
dünkt,  daß  eine  unbärtige  menschliche  Maske  nicht  nur  in  der  phönikischen, 
sondern  auch  der  sich  anschließenden  altgriechischen  Metallindustrie  bis  gegen  71 
das  sechste  Jahrhundert  durchaus  herrscht  und  die  Stelle  der  später  erst  auf- 
tretenden Medusenmaske  vertritt.2  Der  Grabtypus  Regulini-Galassi  kennt  die 
letztere  noch  nicht,  wohl  aber  die  menschliche  Maske  und  ganz  kleine  Köpfe.3 
Etwas  weiter  zurückgreifend  erwähne  ich  die  Masken  an  einer  der  phönikischen 
Bronzeschalen  von  Nimrud:4  der  an  diesen  erscheinende  spezielle  Typus  mit 
seiner  ägyptisierenden  Haartour  ward  nun  von  der  ältesten  griechischen  Metall- 
arbeit  übernommen   und   erscheint  mit  geringen  Modifikationen  an  dekorativen 

1  Die  Bronzeschale  von  Nimrud  (bei  Layard,  Mon.  of  Nineveh  II  Taf.  64)  zeigt  einen 
Mann  zwischen  zwei  solchen  Löwen;  die  griechische  Münze  bei  Mionnet,  Taf.  41,6.  7, 
zeigt  das  Motiv  als  einen  im  Fliehen  umblickenden  Löwen,  welche  Auffassung  auch  für 
die  olympische  Bronze  möglich  wäre. 

2  [Roschers  Lexikon  der  Myth.  I  S.  1702.] 

3  Maske  in  Goldschmuck,  Mus.  Greg.  I,  85,  6;  auch  die  der  praenestiner  Silbercista, 
Mon.  d.  Inst.  VIII,  26,  ist  noch  keineswegs  Gorgonenmaske;  ganze  Köpfe  in  Gold  Mus. 
Greg.  I,  76  und  Mon.  d.  Inst.  X,  31,  6.  7;  31a,  1. 

4  Layard,  Mon.  of  Nineveh  II  Taf.  61  B. 


1    Die  :  i  nüe  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 

trieben«  Gegenständen,   wie  scheint  vorwiegend  des  siebenten  Jahrhunderts, 

Rhodos, '  in  Megara,1  Lydien,'  ferner  dem  großen  praenestiner  Grabe*  und 
an  dem  völlig  in  diese  Reihe  gehörenden  Prachtstücke  von  Tegea  im  Berliner 
Museum  (Benndorf,  Gesichtshelme  und  Masken,  Taf.  17),  das  nichts  anderes 
als  ein  von  jener  typischen  Maske  gefüllter  dekorativer  Rundschild  ist,  endlich 
in  Dodona*  und  in  Olympia,  wo  zwei  derartige  aus  Bronzeblech  gehämmerte 
Masken  zu  Tage  kamen,  die  nur  in  der  Haartour  etwas  vom  ursprünglichen  Typus 
abweichen;'1  zu  einer  dritten  von  noch  selbständiger  archaisch-griechischem  Typus 
haben  wir  die  gegossene  Bronzeform  gefunden,  deren  Ausguß  Ausgrab.  Bd.  IV, 
I  [IV,  88],  abgebildet  ist.  Als  Gefäßschmuck  blieben  diese  weiblichen  Masken, 
besonders  in  Etrurien  an  Bronzehenkeln "  und  Buccherovasen,  lange  beliebt. 

Auch  kleine  vollständige  unbärtige  Köpfe  dekorativen  Zweckes,  unten  mit 
zapfenartigem  Einsätze  und  von  sehr  altertümlich  roher  Bildung  kommen  in 
Olympia  vor;8  auch  aus  Mergelkalk  wurde  ein  derartiges  weibliches  Köpfchen 
gefunden  (erwähnt  Archäol.  Ztg.  1879,  S.  41  [IV,  89]). 

Indem  wir  hier  die  Betrachtung  der  ältesten  sicher  griechischen  Metall- 
industrie in  ihrem  Anschlüsse  an  die  orientalische  verlassen,  fügen  wir  noch 
einiges  hinzu  über  Reste  von  Bronzegefäßen  in  Olympia,  die  der  Zeit  der 
selbständig  entwickelten  griechischen  Kunst  anzugehören  scheinen.  —  Trotz  der 
zahlreichen  gegossenen  Henkel  fehlt  doch  in  Olympia  fast  ganz  die  namentlich 
in  Etrurien  zahlreich  vertretene  Gattung  von  archaischen,  figürlich  reich  ver- 
zierten Henkeln,  die  zu  einhenkligen  Ausgußgefäßen  gehörten.  Dieselben 
scheinen  in  Etrurien  nach  den  Funden  erst  ins  fünfte  Jahrhundert  zu  gehören 
und  repräsentieren  mit  den  gleichzeitigen  archaischen  Kandelabern  die  selbständig 
entwickelte  etruskische  Bronzeindustrie.  Das  beliebteste  Motiv  jener  etruskischen 
Henkel,  die  vorspringenden  Köpfe  oder  ganze  Vorderteile  von  Löwen,  kommt 
indess  auch  an  einigen  olympischen  Henkeln  vor  (z.  B.  Inv.  Nr.  7226  [IV,  895]). 

Häufiger  ist  in  Olympia  eine  streng  stilisierte  Palmette  am  Ansatz  der 
Henkel.    Namentlich  gehört  hierher  eine  in  der  Altis  ungemein  häufig  gefundene 

1  (joldschmuck  aus  Camirus:  Revue  archeol.  1863,  Taf.  10;  Daremberg  et  Saglio, 
Dict.  des  ant.  I  S.  789. 

•Idcnes  .Medaillon  aus  einem  Grabe:  Daremberg  et  Saglio  a.a.O.  S.788,  Fig.934. 
1  Bull,  de  corr.  hell.  1879,  Taf.  4. 

\n  zwei  Bronzeschalen:  Annali  d.  Inst.  1879,  Taf.  C,  1.2. 
4  Carapanos,  Dod.  Taf.  11,  2  an  einem  durchgehenden  Stabe;  etwas  später  und  mit 
anderer  Haartour  Taf.  44,  1.  2. 

'  Die  eine  (Inv.  Nr.  3202  [IV,  690])  zeigt  noch  das  Stück  eines  über  dem  Kopfe  an- 

n  Blcchhcnkels,  die  andere  ist  abgebildet  in  Ausgrab.  Bd.  IV,  Taf.  24,  3  [IV,  691  j; 

der  federartige  Kopfschmuck  ist  zu  vergleichen  mit  dem  sehr  ähnlichen,  den  die  Frauen 

der  melischen  Vasen  (Conze.  Mel.  Thongcf.  Taf.  IV,  Vign.  S.  V)  tragen. 

altes  Beispiel  in  Berlin  (Friederichs,  Bronz.  Nr.  1408). 

Inv.  Nr.  5781   und  7378  |IV,  87);  der  Kopftypus  verwandt  der  Ausgrab. 

'.  21  rechts  oben  abgebildeten  li^ur  |1V,  949],  die  vielleicht  auch  hierher  zu  ziehen  ist. 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    395 


Gattung  von  Attachen,  die  unten  in  eine  Palmette  auslaufen  und  oben  mit  einer 
Öse  versehen  sind,  in  welcher  sich  ein  besonders  gearbeiteter  Griff  bewegt.  Ein 
der  olympischen  Gattung  vollkommen  gleiches,  nur  sehr  geringes,  fast  rohes 
Exemplar  ist  in  Dodo na  gefunden  und  abgebildet  bei  Carapanos,  Dod.  Taf.47,  6. 
Das  relative  Alter  dieser  Attachen  erhellt  daraus,  daß  sie  immer  angenagelt,  nicht 
angelötet  waren,  wie  einige  besser  erhaltene  Stücke  zeigen,  befanden  sie  sich  an 
großen,  aus  Blech  getriebenen  Kesseln  oder  Schüsseln.  Wir  bekommen  somit  neben 
den  Dreifüßen  und  Krateren  den  dritten  Typus  von  Bronzekesseln  in  Olympia. 

Auch  die  Henkelansätze  in  Gestalt  eines   einfachen  Efeublattes  mit  drei  73 
Nietlöchern  (z.  B.  Inv.  Nr.  4288)  scheinen  noch  alter  Zeit  anzugehören. 

Ebenso  einige  vollständige  Schlangen,  die  offenbar  als  Henkel  dienten 
und  ins  Gefäß  blickten  (Inv.  Nr.  5047  [IV,  907]  u.  5165  [IV,  906]);  auch  mehrere 
Fragmente  von  Schlangen,  namentlich  Köpfe  können  zu  Henkeln  gehört  haben. 
Das  Antiquarium  in  München  besitzt  einen  altetruskischen  Henkel,  an  dessen 
beiden  gegenüberliegenden  Enden  je  ein  Schlangenhals  herausspringt;  der  Henkel 
selbst  ist  spiralförmig  gedreht;  derartige  gewundene  Henkel  sind  an  altetruskischen 
gehämmerten  Blechgefäßen  auch  sonst  zu  beobachten;  auch  manche  im  Norden 
gefundenen  Gefäße  zeigen  dieselben  (z.  B.  Archaeologia  36.  II.  Taf.  26,  1  aus 
Mecklenburg;  v.  Sacken,  Grabf.  von  Hallstatt,  Taf.  23,  7).  In  Olympia  kommen 
zwar  ebenfalls  Stücke  vor,  die  sich  hierherziehen  lassen,  häufiger  ist  daselbst 
jedoch  eine  Art  ebenso  gewundener  doch  gerader  Stäbe  mit  nach  den  entgegen- 
gesetzten Seiten  ausgebogenen  und  mit  Nietlöchern  versehenen  Enden;  ein  mit 
den  olympischen  identisches  Stück  ist,  als  in  Dodona  gefunden,  bei  Carapanos, 
Dod.  Taf.  53,  13  abgebildet.  Über  die  ungefähre  Art  der  Verwendung  derselben 
und  ihr  relatives  Alter  ist  ein  primitiver  Sessel  aus  einem  alten  Grabe  bei  Chiusi 
(Annali  d.  Inst.  1878,  Taf.  Q)  und  der  Untersatz  eines  Gefäßes  aus  Hallstatt 
(v.  Sacken,  Grabf.  Taf.  24,  2)  belehrend. 

Unter  den  unverzierten  Henkeln,  deren  Ansätze  durch  Nieten  befestigt  sind, 
nenne  ich  noch  die  zahlreichen  beweglichen  Schüsselhenkel,  die  ebenso  bereits 
in  Niniveh  (Nimrud,  s.  Layard,  Discoveries  in  the  ruins  of  Nin.  and  Bab.,  Lond. 
1853,  S.  183)  ferner  in  Dodona  (Carapanos,  Taf.  46,  9)  und  sehr  ähnlich  in  alt- 
chiusinischen  Gräbern,  wahrscheinlich  vom  Ende  des  siebenten  Jahrhunderts  (Mon. 
d.  Inst.  X,  39a,  6;  Annali  1878  Taf.  Q,  2),  gefunden  wurden. 

Ferner  ist  aus  Olympia  zu  erwähnen  ein  vortrefflich  erhaltener  Eimer  mit 
schmucklosem,  aber  sehr  praktisch  zum  Anfassen,  Aufhängen  und  Umlegen  ein- 
gerichteten Bügelhenkel  [IV,  868];  zahlreiche  Fragmente  zeigen,  daß  diese  Eimer- 
gattung, die  sich  von  den  aus  andern  Funden  römischer  Zeit  bekannten  wesent- 
lich unterscheidet,  einst  häufig  war  in  der  Altis.  Ganz  gleiche  Henkel  (un-  74 
bekannten  Fundorts)  befinden  sich  übrigens  im  Museum  in  Neapel. 

Aus  getriebenem  Blech  und  mit  genieteten  Henkeln  hat  Olympia  endlich 
noch  einige  kleinere  Gefäße,  Lekythen  und  Näpfe,  geliefert. 


u  s  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 

ihlreich  sind  ferner  gewisse  Formen  von  zum  Anlöten  bestimmten 
Henkeln;  es  herrschen  darunter  einige  auch  in  Dodona  (Carapanos  Taf.  45,  5 
und  47,  8)  gefundene  Formen  vor.  —  Ziemlich  selten  ist  in  Olympia  eine 
hierher  gehörige  Henkelart,  die  indess  dadurch  interessant  ist,  daß  sie  in  ganz 
ungewöhnlicher  Menge  auf  der  Akropolis  in  Athen  gefunden  wurde;1  es  ist  ein 
.■heiliger  schmuckloser,  nieist  oben  mit  einem  Knopfe  versehener  Horizontal- 
henkel, der  auch  an  älteren  Tongefäßen  sich  findet  (so  an  der  korinthischen 
Schale,  Mon.  d.  Inst.  X,  52,  6  und  an  dem  altetruskischen  Gefäße,  Annali  1878, 
Taf.  R,  1  [IV,  926]). 

Endlich  ist  hervorzuheben,  daß  jene  primitive  Gattung  von  Bronzeblech- 
gefäßen,  deren  Bauch  selbst  aus  zwei  oder  mehreren  Teilen  zusammengenietet 
ist  (z.  B.  Mon.  d.  Inst.  X,  39a,  4a),  und  welche  in  Etrurien  wenigstens  in  den 
Gräbern  des  siebenten  und  sechsten  Jahrhunderts  durchaus  üblich  sind  und  von 
da  auch  nach  dem  nördlicheren  Europa  gelangten  (z.  B.  v.  Sacken,  Grabf.  von 
Hallst.,  Taf.  23,  1.  2),  daß  diese  weder  in  Olympia,  noch  sonst  in  Griechenland 
vorkommen.  Selbst  die  Bronzegefäße  der  ältesten  mykenischen  Gräber  bieten 
keine  Analogien  und  sind  schon  viel  weiter  in  der  Technik  (vgl.  besonders 
Schliemann,  Myk.  S.314,  Nr.  436).  Es  erhellt  hieraus,  wie  langsam  die  ein- 
heimische etruskische  Bronzeindustrie  sich  entwickelte,  eine  Bestätigung  dafür, 
daß  wir  die  vor  das  fünfte  Jahrhundert  fallenden  Bronzen  Etruriens,  sofern  sie 
sich  nicht  unzweifelhaft,  wie  jene  Gefäße,  als  etruskisch  kennzeichnen,  für  phöni- 
kischen  oder  griechischen  Import  ansehen  dürfen. 

In  der  Tat  scheint  Etrurien  erst  im  fünften  Jahrhundert  eine  selbständige 
Blüte  in  der  Bronzeindustrie  entwickelt  zu  haben.  Hierher  gehören  als  Haupt- 
erzeugnisse jene  prächtigen  Kandelaber  (vgl.  Friederichs,  Berlins  ant.  Bildw.  II, 
S.  169  ff.),  die  ohne  Zweifel  unter  den  Tyrrhenischen  Ivyrnu  zu  verstehen  sind, 
die  bereits  Pherekrates  erwähnt  (Athenaeus  15,  p.  700,  c)  und  die  also  nach 
Athen  exportiert  wurden  (wie  die  Trompeten  nach  Soph.  Ai.  17).  Daß  dieser 
Export  indess  nur  in  geringem  Maße  stattgefunden  haben  kann,  lehren  die  Funde, 
He  bis  jetzt  noch  keine  etruskische  Bronze  auf  griechischem  Boden  gebracht 
haben.  Eine  merkwürdige  Tatsache  ist  indess,  daß  in  Olympia  überhaupt  gar 
keine  Kandelaber  oder  Leuchter  zu  Tage  gekommen  sind;  dieselben  können 
also  nur  in  vereinzelten  Exemplaren  in  der  Altis  existiert  haben.  Aus  Dodona 
ist  nur  ein  kleiner  Leuchter  mit  Weihinschrift  aus  dem  vierten  oder  dritten  Jahr- 
hundert v.  Chr.  bekannt  (Carapanos  Taf.  25,3),  der  vom  etruskischen  Typus  völlig 
abweicht;  naher  steht  letzterem  ein  cyprischer  von  Curium  (Cesnola-Stern, 
Cypern,  Taf.  70,  3). 

Auf  jene  Frage  nach  dem  Verhältnisse  der  etruskischen  zur  griechischen 
nzeindustrie  werden  wir  zurückgeführt,    wenn  wir,    die  Betrachtung  der  Ge- 

1  I  «Wer,  Bronze«  trouvei  sur  l'Acropole  Nr.  203.] 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    397 


fäße  in  Olympia  fortsetzend,  uns  zu  gewissen  Figuren  wenden,  die  als  Griffe 
von  Pfannen  dienten.  Es  sind  nackte  Jünglinge  mit  erhobenen  Armen  und 
lang  in  den  Nacken  fallenden  Haaren;  zwei  derselben  sind  abgebildet  Ausgrab. 
Bd.  IV,  Taf.  22,  2.  3  [IV,  83 ff.];  an  dem  einen  ist  noch  der  ganze  Ansatz  an  die 
Pfanne  in  Palmettenform  erhalten.  Außerdem  ist  noch  der  Oberkörper  eines 
gleichen  (Inv.  Nr.  5195  [zu  IV,  86])  und  das  Fragment  eines  vierten  gefunden 
worden,  an  dem  der  Pfannenansatz  mit  zwei  Schafen  verziert  ist  (Inv.  Nr.  4868 
[IV,  85]).  —  Zunächst  bemerke  ich,  daß  diese  Figuren  ohne  Zweifel  aus  einer 
Fabrik  stammen,  obwohl  die  genauere  Betrachtung  kleine  stilistische  Verschieden- 
heiten unschwer  erkennen  läßt.  Sicher  derselben  Fabrik  entstammt  ferner  ein 
vollkommen  übereinstimmendes  Exemplar  aus  Dodona  (Carapanos  Taf.  12, 3).1 
Genau  dieselben  Figuren  finden  wir  aber  auch  in  Italien:  mehrere  Exemplare 
sind  in  Neapel,  darunter  eines  mit  den  Schafen  am  oberen  Ansätze  (abgebildet 
bei  Inghirami,  Mon.  etr.  VI,  Taf.  O),  ein  weiteres  ist  im  etruskischen  Museum 
zu  Florenz,  und  aus  Italien  stammen  ein  Exemplar  in  Karlsruhe  [Schumacher, 
Bronzen  489],  eins  im  Haag  (abgebildet  Berichte  der  sächs.  Gesellsch.  1860, 
Taf.  I)  und  eines  im  Berliner  Museum  (Friederichs,  Berl.  ant.  Bildw.  II,  Nr.  584 d), 
die  letzteren  drei  alle  mit  den  beiden  Schafen  oben;  an  einem  zweiten  Berliner 
Exemplare  stimmt  dagegen  die  Gravierung  der  Palmette  ganz  mit  dem  einen  76 
olympischen  überein;  doch  da,  wie  ich  mich  überzeugt  habe,  die  Patina  modern 
ist,'2  so  ist  es  nur  als  eine  genaue  Kopie  eines  antiken  Originals  zu  betrachten, 
dessen  Aufbewahrungsort  mir  unbekannt  ist. 

Diese  in  Italien  gefundenen  Exemplare  unterscheiden  sich  von  den  aus 
Griechenland  stammenden  nicht  mehr,  als  die  letzteren  unter  sich  verschieden 
sind.  Namentlich  ist  nirgends  die  Einmischung  von  etwas  speziell  Etruskischem 
zu  bemerken.3  Für  die  Datierung  dieser  Figuren  ist  wichtig,  daß  ein  Exemplar, 
das  ich  zwar  nicht  selbst  gesehen,  das  aber  der  Beschreibung  nach  offenbar 
hierher  gehört,  in  der  Schicht  des  Bauschuttes  des  Parthenon  gefunden  wurde 
(Roß,  Arch.  Aufs.  I,  111),  mithin  älter  ist  als  Ol.  80;  gleichwohl  werden  dieselben 
dem  Stile  nach  kaum  viel  vor  das  fünfte  Jahrhundert  fallen  und  wir  konstatieren 
damit  die  Tatsache  der  Importation  griechischen  Bronzegerätes  nach  Italien  in 
der  angedeuteten  Zeit. 

Wenn  Friederichs,  a.  a.  O.  S.  141,  jegliche  nicht  rein  dekorative  Bedeutung 
der  vorliegenden  Figuren   ablehnt,   so  kann  ich  ihm  nicht  beistimmen;   die  den 


1  Abweichend  durch  die  kurzen  Hosen  und  die  breiteren  Formen  ist  die  sonst  ebenfalls 
hierher  gehörige  Figur  a.a.O.  Taf.  12, 1.  —  Mit  ihr  ist  wegen  der  Hosen  zu  vergleichen 
die  Pfannenfigur  aus  Olympia,  Ausgrab.  Bd.  III,  Taf.  24,  7  [IV,  86]. 

2  Auch  Friederichs,  Berlins  ant.  Bildw.  II,  Nr.  1478,  bezeichnet  dieselbe  als  ver- 
dächtig. 

3  Dagegen  darf  eine  andere  Berliner  Figur  (Friederichs  a.  a.  O.,  Nr.  1479)  als  sicher 
etruskische  Umbildung  des  vorliegenden  Typus  angesehen  werden. 


398    DO  mh    us  Oiymiua  i\d  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 


meisten  Exemplaren  eigentümlichen  Schafe  lassen  sich  unmöglich  als  rein 
ornamental  fassen;  dazu  kommt,  daß  der  Jüngling  immer  unbärtig  und  mit  langen 
Haaren  und  einer  Binde  versehen  ist.  Der  Typus  ist  ohne  Zweifel  für  Apollo 
schaffen  und  zwar  als  Beschützer  der  Heerden,  als  Karneios  oder  Nomios,  und 
der  Fabrikationsort  wird  eine  der  Kultusstätten  dieses  Gottes  gewesen  sein. 

Unter  den  Griffen  von  pfannenförmigen  Gefäßen  in  Olympia,  erwähne  ich 
noch  einen  mit  feingravierten  Palmetten  (Inv.  Nr.  7094  [zu  IV,  925]),  da  er  in 
einem  fast  ganz  gleichen  Exemplare  in  Dodona  vorgekommen  ist  (Carapanos 
Taf.  46,  1);  endlich  hat  Olympia  auch  den  wohl  späterer  Zeit  angehörigen  kan- 
nelierten,  in  einen  Widderkopf  auslaufenden  Typus  (vgl.  Caylus,  Rec.  d'ant.  I, 

4)  geliefert  [IV,  1280],   der  ebenso   in  Italien,   ja  auch  im  Norden  gefunden 
wird  (z.  B.  Friederichs  a.  O.,  Nr.  1475  aus  Potsdam).1 

Wir  schließen  an  den  Überblick  der  Gefäße  den  der  Waffenfunde  in  der 
Altis  [IV,  S.  153  ff.]. 

Voran  ist  eine  größere  Anzahl  wohlerhaltener  Helme  zu  nennen  [IV S.  166 ff.], 
die  zu  einem  guten  Teile  indess  nicht  in  den  deutschen  Ausgrabungen,  sondern 
im  Alpheiosschlamme  von  den  Bauern  gefunden  wurden.'-  Dieselben  gehören 
alle  der  sog.  korinthischen  Art  mit  festen  Backenschirmen  an;  auffallend  ist, 
daß  bei  keinem  derselben  die  Spur  eines  Helmbügels  erhalten  ist,  wie  sich  denn 
auch  nie  Fragmente  gefunden  haben,  die  sich  Helmbügeln  zuschreiben  ließen. 
Im  übrigen  sind  auch  Fragmente  dieser  Helme  sehr  zahlreich;  sie  lassen  häufig 
eine  eigentümliche  Technik  erkennen,  indem  über  eine  mittlere  Schicht  außen 
und  innen  je  eine  feinere  geschmiedet  ist;  am  Prorrhinidion  pflegen  diese 
Schichten  ihre  größte  Dicke  zu  erreichen  (bis  9  mm). 

Daß  in  Olympia  indess  auch  die  andere  Helmgattung  mit  beweglichen  Backen- 
schirmen existierte,  beweisen  mehrere  Paragnathiden  der  Form,  wie  die  in  Dodona 
gefundenen,  bei  Carapanos  Taf.  55,  5.  6. 

Ganz  singulär  scheint  bisher  ein  im  Prytaneion  gefundener  Helm  zu  sein 
(Inv.  Nr.  6935  [IV,  1030]),  der  spitz  zulaufende  feste  Backenschirme,  doch  kein 
Prorrhinidion  zeigt;  oben  laufen  zwei  erhöhte  Streifen  hin,  wofür  ich  nur  einen 
Helm  aus  Hallstatt  (v.  Sacken,  Grabf.  Taf.  8,  5)  vergleichen  kann.3 

Ungemein  zahlreich  sind  ferner  die  ehernen  Lanzenspitzen  [IV  S.  173  ff.], 
und  zwar  herrscht  unter  ihnen  merkwürdigerweise  eine  sonst  ungewöhnliche  Form, 
nämlich  die  vierkantige  vor;  dieselbe  läßt  sich  indess  durch  einige  Inschriften  als 
im  fünften  Jahrhundert  in  Lakedämon  (Arch.  Ztg.  1875  S.  181,3  [V,  247]),  in  Sikyon 
(ebendas.  1 878  S.  1 40, 1 81  [  V,  245]),  wahrscheinlich  in  Korinth  (ebendas.  1879  S.  1 60, 

1  [VgJ.  Zahn  im  Arch.  Anzeiger  1909  S.  559.] 

1  Vgl.  Dodwell,  Class.  tour  11,330,  wo  zwei  Exemplare  abgebildet  sind;  ferner 
Aus  i  I,  Taf.  21  (V,  249.  2.501. 

Nach   v.  Sacken   a.  a.  O.  S.  43,  Anm.  1,  soll  ein  ähnlicher  Helm  im  Museo  Gre- 
rcn. 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    399 


310  [V,  699])  und  endlich  inThurioi(ebendas.  1879  S.  149, 299  [V,  254  ff.,  oben  S.272]) 
gebräuchlich,  nachweisen.  Vier  Blätter  pflegen  den  runden  Schaft  in  das  Viereck  der 
Spitze  überzuleiten  (Ausgrab.  Bd.  I,  Taf.  21  [IV,  1052]).  —  Doch  auch  die  gewöhn- 
liche zweikantige  blattförmige  Lanzenspitze  ist  nicht  selten;  sie  ist  die  von  den  78 
ältesten  Zeiten  her  gebräuchliche  (Ägypten,  mykenische  Gräber,  Assyrien  usw.)  und 
nur  sie  kann  bei  dem  homerischen  Epitheton  djucpiyvog  vorgeschwebt  haben.  Auch 
bei  den  Etruskern  scheint  nur  sie  gebräuchlich  gewesen  zu  sein,  und  dasselbe  gilt  vom 
ganzen  nördlichen  Europa  (vgl.  Sophus  Müller,  Die  nordische  Bronzezeit  S.21). 

Häufig  sind  auch  die  Saurotere,  meist  von  einer  bestimmten,  durch  einfache 
Schönheit  ausgezeichneten  Form  (s.  Ausgrab.  Bd.  II,  Taf.  31 ;  die  einfachere  Form 
auch  in  Etrurien:  tomba  del  guerriero  Mon.  d.  Inst.  X,  10,5  [IV,  S.  176 ff.]). 

Pfeilspitzen  aus  Bronze  sind  ebenfalls  sehr  zahlreich  und  zwar  sowohl 
dreikantige,  als  blattförmige,  die  letzteren  meist  mit  Widerhaken  versehen  (vgl. 
Friederichs  a.a.O.  S.  238  [IV,  S.  177  ff.]). 

Merkwürdig  ist  indess,  daß  Olympia  bis  jetzt  noch  fast  gar  kein  Schwert 
geliefert  hat,1  während  in  Dodona  solche  sowohl  aus  Bronze  als  aus  Eisen  ge- 
funden wurden  (Carapanos  Taf.  57,  1 — 3).  Auch  von  Messern  sind  nur  zweie 
bis  jetzt  gefunden.2 

Von  Panzern  wurden  mancherlei  kleinere  Stücke,  namentlich  aber  ein  gut- 
erhaltener Rückenteil  gefunden,  wo  indess  nur  der  Kontur  der  Schulterblätter  von 
erhöhten  Streifen  umgeben  ist,  ohne  sonstige  Angabe  von  Muskulatur  [IV,  979; 
vgl.  S.  153  ff.]. 

Streng  und  fein  pflegt  die  letztere  an  den  ziemlich  häufigen  Beinschienen 
ausgedrückt  zu  sein  [IV  S.  159  ff.],  unter  denen  die  mit  Inschrift  versehene  (Arch. 
Ztg.  1879,  S.  160  Nr.  309  [IV,  990.  V,  703]),  nach  Fundstelle  und  Paläographie  in 
die  erste  Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts  gehörige,  besonders  hervorragt;  die  mit 
feinem  Geschmacke  in  Relief  angebrachte  Verzierung  einer  Schlange  mit  auf- 
gesperrtem Rachen  wiederholt  sich  an  einem  andern  fragmentierten  Exemplare. 

Hier  ist  zu   erwähnen,    daß   aus  der  Sammlung  Komnos   sich  in  Berlin  ein  79 
angeblich  in  Olympia  gefundenes  Stück  befindet,  das  nicht  wohl  etwas  anderes 
als  eine  Armschiene3  gewesen  sein  kann;  dieselbe  ist  am  oberen  Ende  mit  einer 
getriebenen    archaischen   Medusenmaske,4   an   den    beiden    unteren    Enden    mit 
Pantherköpfen  geziert  [IV  zu  1001  ].  Zum  Vergleiche  läßt  sich  eine  ebenfalls  in  Berlin 

1  Durch  G.  Treu  erfahre  ich  von  einem  Eisenschwerte  aus  dem  dritten  Jahre, 
0,47  lang  [vgl.  IV  S.  72. 179]. 

2  Das  eine  ward  beim  Zeusaltare  in  großer  Tiefe  gefunden;  es  ist  0,32  lang,  doch 
nur  aus  dünnem  Bronzeblech  geschnitten,  also  nur  zum  Gebrauche  als  Votiv  bestimmt; 
es  ist  einfach  zweischneidig;  das  andere,  von  dem  ich  durch  G.  Treu  erfahre,  ist  eben- 
falls zweischneidig  mit  Rippe  in  der  Mitte:  der  Griff  endet  in  einen  als  vierseitige  Pyra- 
mide gestalteten  Knauf;  Länge  nur  0,135  [IV  S.  179]. 

3  Als  solche  von  G.  Treu  erkannt. 

4  Ein  ähnliches  Stück  aus  der  Krim:  Ant.  du  Bosph.  Cim.  Taf.  28,  7. 


S  Ol  YMPIA   UND   DEREN    KUNSTGESCH1CHTLICHE  BEDEUTUNG. 


(Friederichs  a.  a.  O.,  Nr.  2164)  befindliche  archaische  Bronzestatuette  heran- 
hen,  ein  Krieger,  der  am  rechten  Unterarme  eine  unzweifelhafte  Armschiene 
gt  Her  Stil  der  Figur  ist  keineswegs  direkt  etruskisch,  er  dürfte  eher  unter- 
italisch-griechisch  sein.  Ebenso  erinnert  der  Stil  jener  olympischen  Armschiene 
auffallend  an  die  aus  Unteritalien  stammende  Pferdebrustrüstung  mit  Gorgonen- 
maske  im  Museum  von  Neapel  (Armi  greche  Nr.  52.  53). * 

Eine  Anzahl  vortrefflicher  Schilde  aus  dem  fünften  Jahrhundert  v.  Chr. 
wurde  uns  durch  einen  merkwürdigen  Fund  im  Januar  1879  gebracht  [IV  S.  162ff.J. 
Als  wir  nämlich  den  antik  aufgeschütteten,  das  Stadion  im  Süden  begrenzenden 
und  einst  den  Zuschauern  dienenden  Wall  mittelst  eines  Grabens  durchschnitten, 
fanden  sich  unter  der  Spitze  des  Walles,  in  der  größten  Tiefe  nahe  beieinander, 
nicht  weniger  als  sieben  zum  Teil  vollständig  erhaltene  Schilde.2  Dieselben  be- 
standen jedoch  leider  aus  ganz  dünnem  Blech,  das  durch  Oxydation  völlig 
bröckelig  geworden  war;  in  Folge  dessen  und  bei  dem  Mangel  geeigneter  tech- 
nischer Maßnahmen  zerfielen  die  Schilde  sämtlich  beim  Herausnehmen  in  winzige 
Stückchen.  Sie  erschienen  kreisrund,  zeigten  sich  jedoch  bei  genauerer  Messung 
als  leicht  elliptisch  und  hatten  c.  0,80 — 1,00  Durchmesser.  Im  übrigen  entsprach 
die  Form  genau  den  Rundschilden  der  griechischen  Vasenbilder  und  dem  in 
einem  Volcenter  Grabe  gefundenen  im  Museo  Gregoriano  1,21;  die  Schild- 
wölbung war  einfach  glatt,  und  erhob  sich  1 — 2  cm  über  den  umgebenden 
Rand,  welcher  mit  feinem  gepreßtem  Flechtornamente  verziert  war,  genau  dem- 
selben das  wir  an  einigen  später  zu  besprechenden  feinen  Reliefs  (Ausgrab.  Bd.  IV, 
80  Taf.  25b  [IVTaf.  39])  bemerken;  nur  einmal  zeigte  der  Rand  statt  jenes  Flechtwerks 
feine  gepreßte  Punkte.  Das  Stück  eines  ganz  gleichen  Schildrandes  mit  Flecht- 
werk wurde  in  Dodona  gefunden  (Carapanos  Taf.  49,  20,  von  Heuzey  S.  234 
richtig  erkannt),  ein  anderes  im  Berliner  Museum  stammt  aus  Platää.  —  Die 
teilweise  erhaltenen  Handhaben  entsprechen  denen  des  oben  genannten  etrus- 
kischen  Schildes  (Mus.  Greg.  I,  21,  3). 

Der  eine  der,  offenbar  derselben  Zeit  angehörigen,  Schilde  trägt  nun  die  In- 
schrift TägyeToi  <\\vnhr  ...  in  dem  fünften  Jahrhundert  angehörigen  Schriftzügen 
(Arch.  Ztg.  1879  S.  149  Nr.  297  [oben  S.  271]).  Da  diese  Schilde  der  extremen 
Dünnheit  des  Bleches  und  der  Feinheit  der  Ornamentation  wegen  gewiß  keine 
wirkliche  Kriegsbeute  der  Argiver,  sondern  für  den  Votivzweck  gearbeitete  Stücke 
sind,  so  werden  sie  auch  in  Argos  gemacht  sein.  Argos  war  aber  bekanntlich  be- 
rühmt gerade  durch  die  Fabrikation  der  kreisrunden  Schilde,  und  zwar,  da  man 
den  Argivern  sogar  die  Erfindung  derselben  zuschrieb,  offenbar  von  Alters  her. 

Kleinere  Fragmente  solcher  argivischer  Schilde,  namentlich  von  dem  mit 
I  lechtwerk  verzierten  Rande,  sind  noch  zahlreich  in  der  Altis  zerstreut  zu  Tage 

dem  neuerdings  stattgehabten  Funde  zweier  Knüchelschienen  erfahre  ich 
durch  O.  Treu  [IV  S.  II 

1  Vgl  Arch.  Zt«   1879,  S.  41. 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    401 


gekommen.  Von  einigen  dieser  Stücke  konnte  ich  konstatieren,  daß  sie  unter 
dem  Bauschutte  des  Zeustempels  gefunden  wurden.  Die  Fabrikation  jener 
argivischen  Schilde  war  also  vor  der  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts  bereits  im 
Gange-  Sie  scheinen  nach  den  Funden  (Olympia,  Dodona,  Platää)  in  Griechen- 
land weitverbreitet  gewesen  zu  sein. 

Wie  diese  Schilde,  so  sind  ohne  Zweifel  auch  die  übrigen  in  Olympia  ge- 
fundenen Waffen  im  Ganzen  als  Weihgeschenke  aufzufassen.  Auch  sie  scheinen 
im  allgemeinen  nur  der  älteren  Zeit  anzugehören. 

Im  Anschlüsse  an  die  Waffen  erwähne  ich,  daß  jene  ebenso  bekannten  als 
unerklärten,  mit  Vorsprüngen  versehenen  Ringe  oder  hohlen  Zylinder,  die  überall 
in  Italien  und  dem  Norden  Europas  vorkommen  (bei  Friederichs,  Berl.  ant. 
Bildw.  II,  S.  247  als  „Streitkolben"  aufgeführt;  vgl.  Lindenschmit,  Altert.  I,  8 
Taf.  2),  auch  in  Olympia  nicht  selten  sind  (ebenso  in  Dodona  ein  Exemplar  dieser 
Art:  Carapanos  Taf. 50, 24  [IV,  1246 ff.]). 

Athletisches  Gerät  ist  nur  in  geringer  Zahl  in  Olympia  zu  Tage  gekommen; 
es  sind  einige  Strigeln  und  einige  Bronzedisken;  letztere  sind  nach  dem  allgemeinen 
Brauche  in  der  Mitte  am  dicksten  [IV  S  179].  Die  älteren  Disken  Olympias  81 
waren  wohl  in  der  Regel  aus  Stein,  wie  einige  noch  erhaltene  Exemplare  zeigen, 
die  aus  einem  rötlichen  oder  grünlichen  granitartigen  Materiale  bestehen,  das  in 
der  Gegend  Olympias  unbekannt  ist.  Aus  ähnlichem  Steine  sind  zwei  Haltere 
erhalten,  wovon  der  eine  die  alte  in  der  Arch.  Ztg.  1879,  S.  158  Nr.  305  publizierte 
Inschrift  trägt;  es  ist  der  Name  des  Weihenden  [IV  zu  HOL  V,  720]. 

Ganz  vereinzelt  ist  eine  durch  die  Inschrift  als  Eigentum  des  Zeus  be- 
zeichnete Feuerzange  aus  Bronze,  die  dem  allgemeinen  Schriftcharakter  nach 
noch  in  ältere  Zeit  gehört  (Inv.  Nr.  5895  [IV,  1196],  Inschrift  AlO  =  Jt6[g). 

Eine  aus  inschriftlichen  Tempelinventaren  wohlbekannte  Gattung  von  Weih- 
geschenken sind  die  Fingerringe  [IV  S.  186  ff.].  Auch  solche  fanden  sich  in  der 
Altis,  indess  nur  aus  Bronze.  Hervorragend  ist  darunter  ein  unter  dem  Bauschutte 
des  Zeustempels  zu  Tage  gekommener  Ring  mit  auf  beiden  Seiten  eingegrabener 
feiner  archaischer  Zeichnung,  einen  Eber  und  einen  Löwen  darstellend  [IV,  1191]. 
Außerdem  sind  noch  etwa  sechs  Ringe  mit  gravierten  Darstellungen,  wovon  einer 
mit  dem  thronenden  Zeus  [IV,  1185]    und  zahlreiche  ohne  Gravierung  erhalten. 

Eine  besondere  Untersuchung,  die  von  bedeutendem  metrologischem  Inter- 
esse sein  dürfte,  beanspruchen  die  zahlreichen  (etwa  60—70)  in  der  Altis  ge- 
fundenen Gewichtsstücke  aus  Bronze  oder  Kupfer,  da  sie  großenteils  älter  zu 
sein  scheinen,  als  die  bisher  aus  Griechenland  bekannten  [V  S.  801  ff.].  Dieselben 
sind  in  der  Regel  als  dem  Zeusheiligtume  gehörig  bezeichnet  mit  Aiög;  diese 
Inschrift  ist  meist  graviert,  in  späterer  Zeit  auch  in  Relief  gegossen;  die  ältesten 
zeigen  MOS,  die  große  Mehrzahl  AlO£,  mitunter  mit  Beifügung  einzelner  Buch- 
stabenzeichen, wie  A  oder  X  oder  O.  Seltsam  und  wie  es  scheint  weder  als 
Zahlzeichen   noch   sonst  leicht   zu    erklären  ist  der  auf  fünf  Exemplaren  vor- 

A.  Furtwängler.    Kleine  Schriften  I.  26 


402    Pu"  fündb  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 


kommende  Beisatz  KAA  und  der  auf  anderen  fünf  vorhandene  KAA.  (Zwei  Gewichte 
abgebildet  Ausgrab.  Bd.  I,  Taf.  21,  4.  7  [V  S.  815  ff.].)  —  Einige  wenige  Gewichte 
relativ  späterer  Zeit  zeigen  einen  Adler  mit  einer  Schlange  in  Relief;  hier  dringt 
auch  erst  der  Rhotacisuuis  ein  in  der  Beischrift  AIOP  OAYMnin  (Inv.  Nr.  3150 
[Y  S,  B22  Nr.  214]).  Diese  Gattung  entspricht  in  ihrem  Äußern  den  in  Mon.  d.  Inst. 
s2  IY.  Taf.  45  und  bei  Schillbach  (Zur  griech.  Gewichtskunde,  Winckelm.-Progr. 
1S77)  zusammengestellten,  mit  Beischrift  und  Wappen  in  Relief  versehenen,  haupt- 
chlich  athenischen  Bleigewichten. 

Hier  erwähne  ich  auch  die  zahlreichen  Marken  aus  Bronzeblech,  die  meist 
mit  einem  Loche  zum  Anhängen  versehen  sind;  die  Beischriften  sind  auf  wenigen 
eingraviert,  auf  den  meisten  in  Relief  angebracht  und  zwar  auf  der  einen  Seite 
fa,  d.  h.  FaXelwv  und  auf  der  andern  AI,  d.  h.  /kog,  neben  einem  kleinen  Blitze. 
Die  Marken  und  damit  ihre  Träger  sind  also  ebenso  mit  der  Stadt  Elis  wie  mit 
dem  Zeusheiligtume  verknüpft.  Es  kann  kein  Zweifel  sein,  daß  jene  Träger  die 
Mitglieder  der  'OXvfumxr)  ßovXrj  waren.  Bestätigt  wird  dies  vor  allem  dadurch, 
daß  weitaus  die  meisten  jener  Marken  in  der  Nähe  oder  in  jenem  großen  Ge- 
bäude gefunden  wurden,  das  sich  als  das  Buleuterion  herausgestellt  hat.  Zwei 
verschiedene  Mitgliederzahlen,  doch  aus  der  Zeit  nicht  vor  dem  zweiten  Jahr- 
hundert v.  Chr.,  lernen  wir  aus  zwei  besonders  sorgfältigen  Stücken  mit  in  Silber 
eingelegten  Buchstaben  kennen;  das  eine  ist  von  Weil  in  der  Arch.  Ztg.  1878,  S.  180 
Nr.  213  [Y,  713]  veröffentlicht,  mit  der  Zahl  175,  das  andere,  im  Buleuterion  selbst 

PP 
gefundene  (Inv.  Nr.  5686)  zeigt  auf  dem  Avers  FA,   auf  dem  Revers     1  ,  also 

die  Zahl  181.  Das  Schwanken  der  Buchstabenform  A  und  A  sowie  die  Form  P 
weisen  dies  Exemplar  wohl  noch  dem  zweiten  Jahrhundert  v.  Chr.  zu. 

Ich  füge  noch  bei,  daß  auch  die  Gewichte  in  besonderer  Anzahl  in  der 
Nähe  des  Buleuterions  zu  Tage  gekommen  sind. 

Der  Vollständigkeit  wegen  überblicken  wir  hier  auch  die  unbedeutenden 
kleinen  Geräte,  die  uns  noch  übrig  sind  und  die  zum  Teil  wenigstens  wohl  auch 
Weihgeschenke  waren.  Sie  stammen,  soweit  ich  es  beobachten  konnte,  fast 
nur  aus  den  oberen  Schichten  und  gehören  daher  wohl  größtenteils  der 
späteren  Zeit  an  [IV  S.  180  ff.]. 

Zum  Teil  noch  sehr  alt  können  die  Pincetten  sein,  die  in  ziemlich  un- 
veränderter Form  von  den  ältesten  Zeiten  bis  in  die  spätesten  gebräuchlich  waren 
(IY  181].  Schon  in  einem  Grabe  der  mykenischen  Burg  erscheint  eine  solche 

aus  Silber  (Schliemann,  Myk.  S.352);  in  Nordeuropa  erscheinen  sie  in  Pfahlbauten 
83  und  den  Funden  der  sogenannten  Bronzezeit.1  Einige  der  olympischen  sind  mit 
punktierten  geometrischen  Verzierungen  bedeckt.  Sie  fanden  sich  übrigens  auch  in 

I  cB.lfl  Pfahlbauten  von  Neufchätel  aus  der  sogen.  Eisenzeit:  Desor,  Lcs 

paF  -.;  in  einem  Grabe  von  Hallstatt  (v.  Sacken,  Taf.  19,  17)  im 

Trer  in  Schweden  sogar  aus  Qold:  Monteliut,  Mus.  von  Stockholm, 

0F  lOtt,  S.  .'55,  Nr.  43. 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    403 


Dodona  (Carapanos  Taf.51,  20.  21).  —  Ferner  erscheinen  in  Olympia  die  wohl 
medizinischen  Zwecken  dienenden  Spateln  [IV  S.  182]  wie  in  Dodona  (Cara- 
panos Taf.51, 18. 19;  vgl.  Friederichs  a.a.O.  S.260).  Ferner  Angelhaken  und 
Netznadeln  als  Doppelgabeln  gestaltet,  wie  sie  sich  ebenso  in  Italien  und 
Deutschland  finden.1  Mehrere  Sporen  ferner  [IV  S.  180],  von  der  Form  wie  sie 
nicht  nur  aus  Dodona  (Carapan  os  Taf.  52, 1—4),  sondern  auch  aus  Italien  und  dem 
Norden  in  Funden  „römischer"  Zeit  vorliegt  (vgl.  Friederichs  a.  a.  O.  Nr.  1276  bis 
1278;  Lindenschmit,  Altert,  uns.  heidn.  Vorz.  II,  1  Taf.  7,  4;  Caylus,  Rec.  d'ant. 
III,  69, 5).  Nur  in  den  obersten  spätesten  Schichten  kommen  ferner  Knöpfe  u.  dgl. 
mit  Email  vor  [IV  zu  1357];  ferner  ein  eigentümliches  Gerät,  das  in  Olympia  sehr 
häufig,  indess  nur  fragmentiert  vorkam,  zu  dem  jedoch  ein  in  Dodona  gefundenes 
besser  erhaltenes  Exemplar  auch  keine  Erklärung  gibt:  es  ist  das  bei  Carapanos 
Taf.  54, 1  abgebildete  Büchschen  aus  Bronzeblech  mit  gezahnten  Rändern.  Das  in 
dem  Exemplar  von  Dodona  erhaltene  Knochenstück  scheint  nicht  zugehörig.  Aus 
anderen  Fundorten  ist  mir  das  Gerät  völlig  unbekannt.2  —  Amulette  sind  selten;  es 
sind  zu  erwähnen  ein  Phallos  und  ein  Medaillon  mit  einem  Frosch  in  Relief,  beide 
zum  Anhängen  [IV,  1167.  1168].  —  Ferner  scheinen  der  Spätzeit  anzugehören 
die  zahlreichen  Ohrlöff eichen  der  gleichen  Form  wie  anderwärts  in  römischen 
Funden;3  eines  derselben  wurde  sogar  in  einem  der  gleich  zu  erwähnenden 
Plattengräber  gefunden.  Auch  Nadeln  und  Armringe,  die  der  Spätzeit  an- 
gehören, kommen  vor  in  den  oberen  Schichten,  und  sind  oft  von  den  früher  er- 
wähnten alten  nicht  leicht  zu  unterscheiden;  die  frühbyzantinische  Zeit  liebt  für 
derartige  Gegenstände  gerade  die  geometrische  Verzierung  durch  Punktierung  84 
und  die  konzentrischen  Kreise,*  wie  die  älteste  Zeit.  Genauere  Betrachtung  läßt 
freilich  auch  hier  die  Unterschiede  feststellen. 

Die  Bewohner  Olympias  während  seiner  letzten  Jahrhunderte  waren,  wie  die 
große  byzantinische  Kirche  zeigt,  Christen.  Die  wenigen  speziell  christlichen 
Bronzereste  [IV  S.  208  ff.]  bestehen  in  Fingerringen  und  kleinen  Plättchen  mit 
graviertem  Kreuze,  einer  großen  Bronzelampe  mit  dem  Kreuze  als  Griff  (mit  kon- 
zentrischen Kreisen  verziert),  in  einigen  Weihrauchgefäßen  mit  eisernen  Kettchen,6 

1  [IV  S.  190. 182.]  Auch  schon  in  Pfahlbauten  des  sogen.  Bronzezeitalters,  z.  B.  Troyon, 
Habitations  lacustres  Taf.  12, 11 ;  Mitt.  d.  ant.  Ges.  zu  Zürich  XII,  3,  Taf.  2,  25.  —  Aus  einem 
Grabe  von  Idalion  auf  Cypern,  s.  Cesnola-Stern,  Cypern,  Taf.  10. 

2  [Vgl.  IV  S.  14,  wo  die  richtige  Deutung  auf  die  Wimpern  eingesetzter  Statuen-Augen 
gegeben  wird  und  andere  Beispiele  nachgewiesen  sind.] 

3  [IV  S.  181.]  Ein  älterer  Typus  scheint  derjenige  zu  sein,  der  z.  B.  in  einem  Hallstätter 
Grabe  erscheint  (v.  Sacken,  Taf.  19, 16),  mit  gewundenem  Stabe. 

4  Dieselbe  Verzierungsweise  herrscht  in  den  sogen,  fränkischen  Gräbern  in  Deutschland. 

5  Interessant  ist  ein  Weihrauchgefäß  in  Becherform,  wie  solche  heutzutage  noch  in  den 
kleinen  Landkirchen  Griechenlands  üblich*  sind;  dasselbe  ist  nämlich  von  jenen  späten  Be- 
wohnern zusammengesetzt  worden  aus  zwei  alten  Stücken,  deren  sie  eine  große  Anzahl  in  der 
Altis  finden  konnten,  nämlich  aus  einem  Nagelkopfdeckel  wie  Carapanos,  Dodone  Taf.  43,  9 
als  Fuß  und  einem  der  kleinen  Blechdreifußkesselchen  als  eigentlichem  Gefäß  [IV,  1370). 

26* 


404    Dn  Bkonzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 


endlich  In  Amuletten  im  Kreuzesform,  zum  Teil  mit  kleinen  gravierten  Kreisen 
verziert;  das  Kreuz  hat  an  diesen  Amuletten  die  Gestalt  unserer  Ordenskreuze; 
Kreuze  derselben  Form  fanden  sich  in  Gräbern  Frankreichs  und  Englands  vom 
elften  und  zwölften  Jahrhundert  (s.  Archaeologia  36,  S.  266  u.  Taf.  21,2). 

Vor  allem  wichtig  sind  indess  die  ungemein  zahlreichen  Gräber  Olympias 
|IV  S.  208  ff.].  Ich  schicke  voraus,  daß  die  Ausgrabungen  antike  d.  h.  vorchristliche 
Gräber  selbstverständlich  nicht  in  der  Altis,  aber  auch  nicht  außerhalb  derselben 
geliefert  haben.  Die  anfangs  bei  manchen  aufgetauchte  Vermutung,  daß  ein  Teil 
der  in  Olympia  gefundenen  kleinen  Gegenstände  aus  Gräbern  stammen  könne,  ist 
vollkommen  abzuweisen.  Die  vorhandenen  Gräber  stammen  alle  aus  der  Zeit,  als 
ein  christliches  Dorf  die  Ruinenstätte  der  Altis  bedeckte.  Es  sind  zwei  Gruppen 
zu  unterscheiden,  indem  die  einen  aus  großen  Steinplatten,  die  andern  aus  ge- 
rundeten großen  Ziegeln  hergestellt  sind. 

In  Exemplaren  der  beiden  Gruppen  wurden  Kreuze  als  Amulette  gefunden; 
sie  gehören  also  im  allgemeinen  derselben  Epoche  an;  einmal  indess  habe  ich 
beobachtet,  daß  ein  Ziegelgrab  sich  über  einem  aus  Steinplatten  befand;  und 
85  wieder  über  jenes  weg  ging  der  Mauerzug  eines  der  späten  Häuser.  Die 
meisten  der  Gräber  enthalten  gar  nichts  als  die  Skelette;  die  kleinen  Funde,  die 
in  andern  gemacht  wurden,  umfassen  folgende  Rubriken:  Ohrringe  von  antiker 
Form.  Haarnadeln  zum  Teil  aus  versilberter  Bronze,  meist  mit  polygonen 
Knöpfen,  Arm-  und  Fingerringe,  Ohrlöffelchen,  Schnallen,  endlich  auch  eine 
Glocke  und  manche  kleine  rohe  Tonkrüge.  Der  Inhalt  schließt  sich  also  ganz 
an  den  Brauch  vorchristlicher  Gräber  an. 

Zum  Schlüsse  bemerke  ich  noch,  daß  wir  auch  durch  ihre  Form  interessante 
Bronzegefäße  besitzen,  die  durch  die  Fundumstände  diesen  christlichen  Bewohnern 
zufallen  [IV  S.  212]. 

Da  die  erwähnten  Gräber  sich  nach  Anlage  wie  Inhalt  durchaus  an  sonstige 
spätgriechische  Gräber  anschließen,  so  ist  kein  Grund  vorhanden,  sie  einem 
andern  Volke  als  den  zu  Christen  gewordenen  alten  Einwohnern  zuzuschreiben. 
Überdies  waren  die  Slaven  als  sie  zuerst  in  den  Peloponnes  einbrachen  noch 
nicht  zum  Christentume  bekehrt.  Freilich  muß  zugestanden  werden,  daß  die  jene 
Gräber  anlegende  Bevölkerung  in  Olympia  nicht  die  letzte  vor  der  großen  Ver- 
schüttung gewesen  sein  muß;  denn,  wie  ich  selbst  an  mehreren  Stellen  kon- 
statieren konnte,  fanden  sich  späte  Mauerzüge,  die  quer  über  Gräber  jener  Art 
wegzogen,  also  später  als  die  letzteren  waren.  Vielleicht  konnten  sie  einer 
andern  Bevölkerung  angehören;  ebensogut  aber  derselben,  indem  nur  einige  Zeit 
zwischen  der  Anlage  jener  Gräber  und  der  Hausmauern  verstrichen  zu  sein 
brauch;  lenfalls   muß   betont  werden,   daß   die  Funde   bis  jetzt   keinerlei 

alt  bieten  für  die  Annahme,  daß  eine  fremde,  etwa  slavische  Bevölkerung 
•  mpia  in  der  letzten  Zeit  vor  seiner  gänzlichen  Überschwemmung  bewohnt  habe. 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    405 


Nach  dem  Überblicke  über  die  lediglich  unter  den  weiteren  Begriff  der 
Geräte  fallenden  Gegenstände,  wenden  wir  uns  zu  dem  was  die  darstellende 
Kunst  uns  in  den  Bronzefunden  von  Olympia  hinterlassen  hat. 

Am  zahlreichsten  sind  uns  Statuetten  erhalten,  von  denen  die  Gruppe  der  86 
ganz  rohen  und  primitiven  bereits  oben  [S.  357  u.  360  ff.]  besprochen  wurde. 

Wir  gehen  deshalb  gleich  zu  den  Statuetten  des  geschulten  Archaismus 
über.  Obwohl  uns  hier  relativ  nur  sehr  weniges  erhalten  ist,  so  begegnen  wir 
darunter  doch  mehreren  so  verschiedenen  Stilrichtungen,  daß  wir,  was  auch  an 
und  für  sich  das  Wahrscheinlichste  ist,  die  Produkte  sehr  verschiedener  Orte  vor 
uns  zu  haben  glauben  dürfen. 

Die  griechische  Kunst  noch  in  Anlehnung  an  die  phönikisch-orientalische 
darf  man  wohl  in  der  Aphroditestatuette,  Ausgrab.  Bd.  III  Taf.  24B,  5  [IV,  74], 
erkennen.  Das  Motiv,  die  Hände  an  die  Brust  und  vor  den  Schoß  zu  legen, 
scheint  direkt  von  der  phönikischen  Göttin  entnommen  (vgl.  E.  Curtius,  Arch. 
Ztg.  1869,  S.  62);  das  Zusammenfassen  des  Gewandes  vor  dem  Schöße  findet 
sich  ebenso  an  zwei  weiblichen  hocharchaischen  Marmortorsen  der  Akropolis  in 
Athen  (unpubliziert).  Einen  dem  seltsamen  übergroßen  Kopfe  direkt  ent- 
sprechenden Typus  wüßte  ich  sonst  nicht  nachzuweisen.  Da  ein  eiserner  Stab 
durch  die  ganze  Figur  geht,  so  dient  der  Wulst  auf  dem  Kopfe  wohl  nur  tektoni- 
schem  Zwecke,  als  vermittelndes  Glied. 

Die  hier  vorliegende  älteste  Stufe  der  statuarischen  Kunst,  wo  die  Beine 
enggeschlossen  nebeneinander  gebildet  werden,  ist  in  Olympia  noch  in  mehreren 
fragmentierten  Statuetten  erhalten  (so  namentlich  der  untere  Teil  einer  weib- 
lichen Figur  in  enganliegendem  Gewände,  Inv.  Nr.  5600  [IV,  75]).  Die  nächste 
Stufe,  wo  die  Beine  etwas  getrennt  erscheinen,  ist  besonders  durch  einige  bart- 
lose nackte  Jünglingsstatuetten  vertreten,  von  denen  wenigstens  zwei  durch  die 
langen  Haare  und  den  Kopfschmuck  sich  als  Apollo  kundgeben  (Ausgrab. Bd. IV, 
Taf.  25 A,  2  u.  3  [IV,  48  u.  49]). 

Wenn  auch  der  allgemeine  Typus  der  beiden  Statuetten  übereinstimmt  und 
sie  zeitlich  nicht  weit  getrennt  sein  mögen,  so  gehören  sie  doch  offenbar  ganz 
verschiedenen  Kunstrichtungen  an;  die  schiefgestellten  Augen,  das  stark  vor- 
springende Mittelgesicht  und  der  volle  Mund  der  größeren  Figur  finden  in  dem 
breiten  Gesichtstypus  der  kleineren,  der  an  altspartanische  Reliefs  erinnert  (Mitt. 
d.  athen.  Inst.  II,  Taf.  21)  ihren  Gegensatz.  Wiederum  einen  ganz  verschiedenen 
Typus  zeigt  die  im  übrigen  sehr  verwandte  Apollostatuette  aus  Naxos  (Arch. 
Ztg.  1879,  Taf.  7);  die  ungleich  entwickelteren  Formen  machen  indess  wahrschein- 
lich, daß  dieselbe  später  ist  als  die  olympischen  Figuren;  noch  später  scheinen  87 
dann  die  übrigen  Statuetten  dieses  Typus  zu  fallen,  soweit  sie  bekannt  sind. 

Die  beiden,  Ausgrab.  Bd.  IV,  Taf.  23,  5  u.  6  [IV,  51  u.  52],  abgebildeten  Jüng- 
lingsstatuetten mit  kurzen  Haaren  sind  offenbar  keine  Götter,  sondern  sollen 
menschliche  Personen  darstellen;   merkwürdig  ist  die  Basis  von  Nr.  5,   die  eine 


406    DlE  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 


mzudeuten  scheint,  nach  der  alten  Sitte,  Anatheme  auf  hohen  oder  niederen 
;len  aufzustellen,  welche,  wie  namentlich  einige  sehr  alte  Beispiele  auf  der 
Akropolis  in  Athen  lehren,  von  den  kanonischen  Formen  der  Architektur  meist 
beträchtlich  abwichen.  —  Nr.  6  scheint  schon  dem  späteren  Archaismus  an- 
zugehören; die  Figur  weicht  auch  dadurch,  daß  sie  das  rechte  Bein  vorsetzt,  von 
dem  bekannten  in  den  älteren  archaischen  Werken  fast  durchweg  befolgten  Ge- 
setze ab,  wonach  der  linke  Fuß  vor  den  rechten  gesetzt  wird,  ein  Kanon  der 
übrigens  mit  dem  der  ägyptischen  Statuen  gewiß  nicht  nur  zufällig  überein- 
stimmt. Zahlreiche  Basen  archaischer  Bronzestatuetten,  die  Olympia  geliefert, 
zeigen  immer  den  linken  Fuß  vorgesetzt. 

Einen  ebenso  bestimmt  ausgeprägten  als  von  den  bisherigen  verschiedenen 
künstlerischen  Typus  zeigt  die  feine  Statuette  eines  Kriegers  auf  Taf.  25a,  1  und 
23,  2  des  IV.  Bandes  [IV,  42].  Gegenständlich  bietet  sich  als  nächster  Vergleich  die 
vollgerüstete  Figur  aus  Lakonien  (Mitt.  d.  athen.  Inst.  III,  Taf.  1,  2),  die  der  Inschrift 
zufolge  dem  Apollo  Maleatas  geweiht  war;  ferner  die  von  zwei  Personen  dem 
ismenischen  Apollo  geweihte  Statuette  eines  lanzenschwingenden  Mannes  aus 
Chalkis  (Mitt.  d.  athen.  Inst.  I,  Taf.  5  [I.  G.  VII,  2455]).  Die  einzig  wahrscheinliche 
Annahme  scheint  mir  die,  daß  auch  diese  Statuetten  eigentlich  die  Persönlichkeit  des 
Weihenden  selbst  darstellen  sollen;  in  dem  letzteren  Falle  mußte  die  eine  Figur 
zwei  Persönlichkeiten  bei  dem  Gotte  vertreten,  was  ich  bei  der  Allgemeinheit 
der  Auffassung  dieser  von  eigentlichem  Porträt  noch  weit  entfernten  Figuren 
wohl  für  möglich  halte.  —  Stilistisch  zeigt  die  olympische  Statuette  einen  nicht 
nur  sehr  viel  ausgeprägteren  und  sorgfältigeren,  sondern  auch  von  den  beiden  eben 
verglichenen  wesentlich  verschiedenen  Charakter.  Am  nächsten  kommt  ihr,  so 
viel  ich  sehe,  der  gleich  zu  erwähnende  große  Bronzekopf  Olympias  (Ausgrab. 
Bd.  III,  Taf.  22  [IV,  1  ]) ;  namentlich  finden  wir  hier  wie  dort  die  auffallend  kurze  Nase 
und  den  sehr  breiten  Mund  mit  den  mageren  Lippen;  die  letztere  Eigenschaft 
88  ist  auf  der  Statuette  noch  viel  ausgeprägter,  wie  sie  denn  auch  noch  magerere 
Wangen,  noch  weiter  vorspringenden  Bart  und  in  der  Vorderansicht  eine  noch 
viel  mehr  quadratische  Gesamtanlage  zeigt.  Höchst  interessant  ist,  daß  eine  auch 
stilistisch  genaue  Replik  dieser  Figur  existiert  (in  Kassel;  Abguß  in  Berlin 
Nr.  1 009  D  [  Friederichs- Wolters  235]),  welche  indess  durch  Hinzufügung  von  Löwen- 
fell über  dem  Panzer,  Köcher  auf  dem  Rücken  und  Keule  in  der  Rechten  Herakles 
charakterisiert  [Roschers  Lexikon  der  Myth.  I  S.  2149]. 

Wiederum  einen  verschiedenen  Charakter  zeigt  die  mit  aller  Wahrscheinlich- 
keit als  Artemis  zu  bezeichnende  Statuette  im  III.  Bd.,  Taf.  24 b,  4  [IV,  55];  eigen- 
tümlich ist  ihr  namentlich  die  ganz  faltenlose  Gewandung,  die  doch  alle  Körper- 
-men  völlig  deutlich  durchscheinen  läßt. 

:it  mehr  das  ruhige  Vorsetzen  des  einen  Beines,  sondern  das  Schema  des 
heftigen  Ausschreitens  zeigt  uns  die  Figur  des  blitzschwingenden  Zeus  (Bd.  IV, 
Ttf.24.2pV,  45]).    Eine  Votivstatuette  des  Zeus  in  Olympia  würde   man  gewiß 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    407 


gerne  als  ein  lokales  Erzeugnis  ansehen,  namentlich  wenn,  wie  hier,  der  Typus 
ein  auf  den  elischen  Münzen  bis  in  die  Kaiserzeit  ungemein  gewöhnlicher  ist. 
Gleichwohl  ist  auch  in  diesem  Falle  eine  Importation  wahrscheinlicher;  denn  ein 
offenbar  derselben  Fabrik  entstammendes  Exemplar  desselben  Typus  ist  in 
Dodona  gefunden  worden  (Carapanos  Taf.  12,  4);  die  beiden  Figuren  sind  zwar 
nicht  aus  einer  Form  gegossen,  stimmen  aber  in  Motiv  und  Stil,  ja  auch  in  der 
Größe  (0,10)  und  der  Befestigungsart  durch  Zapfen  unter  den  Füßen  genau 
überein.  Wie  die  von  O.  Jahn  (Nuove  memorie  d.  Inst,  zu  Taf.  I)  und  Over- 
beck  (Kunstmythologie,  Zeus,  S.  24)  zusammengestellten  Münzen  zeigen,  war  der 
Typus  dieses  blitzschwingenden  Zeus  mit  dem  (indess  mehrfach  weggelassenen) 
Adler  auf  der  vorgestreckten  Linken  ein  in  den  verschiedensten  Gegenden  ge- 
bräuchlicher. Dem  Stile  nach  scheinen  unsere  Figuren  den  oben  besprochenen 
Pfannengriffen  in  Apollogestalt  gleichzeitig  zu  sein  und  vielleicht  auch  in  den- 
selben Fabrikationskreis  zu  gehören. 

Es  bleibt  uns  von  bedeutenderen  Statuetten  nur  noch  die  laufende  Gorgone 
(Bd.  IV,  Taf.  23,  3  [IV,  78])  zu  erwähnen  übrig;  dieselbe  gehört  indess,  da  sie 
wahrscheinlich  als  Stütze  eines  Gerätes  diente,  zur  Rubrik  der  dekorativen 
Arbeiten.  Das  Bruckstück  eines  zweiten  sehr  ähnlichen  Exemplares,  ebenda  Nr.  4 
[IV,  79],  zeigt  das  eilige  Laufen  bereits  in  das  Schema  des  Kniens  gezwängt.  Eine  89 
sehr  ähnliche  Gorgone  befindet  sich  im  Varvakion  in  Athen;  es  fehlen  nur  die 
Füße  und  die  Basis,  welch  letztere  indess  wahrscheinlich  nach  unserer  Nr.  4  zu 
ergänzen  ist.1  Dieser  Basisstreif,  mit  Voluten  an  den  Seiten,  scheint  übrigens 
einer  ganzen  Gruppe  verwandter  Figuren  eingentümlich  zu  sein:  identisch  zeigen 
ihn  ein  in  Dodona  gefundener  Hase  (Carapanos  Taf.  20,  3)  und  zwei  in  Italien 
gefundene  unter  sich  völlig  gleiche  Exemplare  einer  vorzüglichen  archaischen 
Sphinxstatuette,  von  denen  das  eine  in  Neapel  (Bronzi  Nr.  7424),  das  andere 
in  München  (Antiquarium  Nr.  529)  sich  befindet;  dieselben  sind  von  unzweifel- 
haft griechischer  Arbeit;  die  Sphinx  sitzt  nach  rechts  mit  dem  Beschauer  zu- 
gewendetem Kopfe  nach  dem  bekannten  alten  Typus  (vgl.  Mitt.  d.  athen.  Inst.  IV, 
Taf.  5).  Ein  weiteres  völlig  gleichartiges  Werk  derselben  Fabrik  ist  ein  vier- 
flügliger  Jüngling  im  Laufmotive  der  Gorgonen  (in  Berlin,  s.  Friederichs 
Nr.  2172,  Panofka,  Mus.  Pourtales  Taf.  40).  Auf  dem  Kopfe  zeigen  dieser  Jüng- 
ling, die  Sphinxe  und  die  Gorgone  in  Athen  dieselbe  Palmette  und  zwar  deren 
ursprüngliche  assyrische  Form  mit  einer  Ranke  darunter.2  —  Wir  haben  also 
wieder  eine  Gruppe  dekorativer,  etwa  dem  Anfang  des  fünften  Jahrhunderts  an- 
gehöriger,  Statuetten,  die,  über  Italien  und  Griechenland  verbreitet,  doch  auf 
eine  Fabrik  weisen. 


1  [A.  de  Ridder,  Bronzes  de  la  soc.  Arch.  d'Athenes  Nr.  909.] 

2  Ebenfalls  auf  dem  Kopfe  von  Männern  findet  sich  dasselbe  Ornament  an  zwei  be- 
malten Schalen,  welche  der  Fabrik  der  Arkesilasvase  angehören  (es  sind  die  von  Löschcke 
im  Dorpater  Programm  1879,  S.  13  als  Nr.  6  und  9  angeführten  [Arch.  Zeitung  1881  S.  217]). 


408   Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 


Eine  Statuette  des  freien  Stiles  haben  die  deutschen  Ausgrabungen  bis  jetzt 
nicht  gebracht.1 

Die  Koste  großer  Bronzestatuen  beschränken  sich  im  wesentlichen  auf 
einige  zum  Teil  sehr  schöne  Arme  und  Füße,  unter  welch  letzteren  besonders 
90  einige  archaische  mit  jenen  unnatürlich  langen,  sorgfältig  ausgeführten  Zehen 
hervorzuheben  sind;  ferner  zahlreiche  Stücke  archaischer  Haarlocken  und  endlich 
allerlei  Gewandfaltenstücke,  auch  Quasten  und  franzenbesetzte  Panzerstreifen 
u.dgl.  ganz  wie  auch  in  Dodona  (Carapanos  Taf.  59  u.  60  [IV  S.  9  ff.]). 

Von  Bedeutung,  und  zwar  von  der  allergrößten,  ist  indess  der  im  dritten 
Jahre  gefundene  bärtige  Kopf  (Ausgrab.  Bd.  III,  Taf.  22  [IV,  1]),  den  wir  ohne  Be- 
denken Zeus  nennen  dürfen.  Derselbe  erhielt  einen  noch  erhöhten  Wert  durch 
den  Fund  eines  zweiten  Zeuskopfes  im  vierten  Jahre,  der  zwar  nicht  in  Bronze, 
sondern  in  Terrakotta  gearbeitet  ist,  jedoch  in  einer  Technik,  welche  die  Bronze 
offenbar  nachahmen  soll,  indem  das  Ganze  mit  schwarzem,  glänzendem  Firnisse 
überzogen  war  [III,  Taf.  7  Nr.  4].  Wir  besitzen  in  diesen  Köpfen  die  Repräsentanten 
zweier  vor  Phidias  fallender  Stadien  der  Bildung  des  Zeus,  die  kurz  aufeinander 
folgten.  Während  der  Bronzekopf  noch  der  älteren  Tradition  mit  den  langen  Haaren 
und  den  auf  die  Schultern  fallenden  Locken  folgt,  so  zeigt  der  tönerne  bereits  die 
hinten  kurz  heraufgenommenen  Haare,  während  er  den  Schmuck  der  Löckchen 
über  der  Stirne  noch  beibehält;  höchst  lehrreich  ist  auch  der  Vergleich  des  Ein- 
zelnen, wo  sich  namentlich  zeigt,  wie  die  Profillinie  in  der  Terrakotta  gemildert, 
Auge  und  Mund  in  ganz  neuem  Sinne  behandelt  sind. 

Indem  wir  zu  den  Darstellungen  in  Relief  übergehen,  und  dabei  absehen 
von  solchen,  welche  nur  einfache  Tierreihen,  sei  es  die  der  „orientalischen" 
Dekoration  angehörigen  Löwen,  oder  wie  Inv.  Nr.  2061  [IV,  295],  Pferd,  Rind  und 
den  raumfüllenden  Fisch  in  völlig  dem  „geometrischen"  Stile  eigener  Weise 
zeigen,  werden  wir  als  das  Primitivste  und  vielleicht  Älteste  das  (von  E.  Curtius, 
Bronzerelief  S.  11  abgebildete)  Relief  mit  dem  Stieropfer  anerkennen  müssen 
[IV,  694].  Die  Umrisse  sind  einfach  eingeschlagen  und  keinerlei  Detail  ist  graviert. 
Die  rohe  Bildung  des  menschlichen  Kopfes  erinnert  an  die  der  primitiven  lokalen 
Terrakottafiguren.  Der  sitzende  Mann  ist  offenbar  im  Begriffe  den  Stier,  der  vor 
ihm  auf  die  Knie  gesunken  ist  und  den  er  mit  der  Linken  am  Home  packt,  mit 
dem  in  der  Rechten  erhobenen  Opfermesser  zu  töten;  daß  die  Handlung  in  einem 
Haine  vor  sich  gehe  zeigt  der  Baum  hinter  dem  Manne  an.  Da  der  letztere 
durch  nichts  näher  charakterisiert  ist,  so  dürfen  wir  wohl  ohne  zu  große  Kühn- 

Zetl  gehört  eine  kleine  Hermesfigur  an  (Inv.  Nr.  2606  [IV  S.  22]).  —  Im 

■  Museum  befindet  sich  eine  nach  Rhusopulos  aus  Olympia  stammende  Athena- 

,  verwandt  der  in  Dodona  (Carapanos  Taf.  11,  4)  gefundenen  [IV 

:  erwähne  ich,    daß    die   mit  Palmetten  geschmückte  Basis  einer  Statuette, 

nutlich  freien  Stiles,   in  Dodona  bei  Carapanos  Taf. 47, 10  in  einem  ganz  gleichen 

npia  wiederkehrt  [IV,  910). 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    409 


heit  in  dem  Relief  die  Darstellung  eines  beliebigen,   in  der  Altis  dem  Zeus  ge-  91 
brachten   Stieropfers   sehen   und   so   dasselbe   jenen    primitiven   Figuren,   jenen 
Wagenlenkern,  Reitern  und  Kriegern,   an  die  Seite  stellen  als  ein  ebenso  sicher 
dem  Lokale  entsprungenes  Produkt. 

Höchst  wahrscheinlich  importiert  ist  indess  die  prächtige  große  Bronze- 
platte (Ausgrab.  Bd.  III,  Taf.  23  [IV,  696]),  die  wir  hier  nur  kurz  zu  erwähnen 
brauchen,  da  sie  bereits  von  anderer  Seite  eine  eingehende  Behandlung  erfahren 
hat.  Ich  hebe  nur  hervor,  daß  die  beiden  Greife  dem  oben  ausführlich  be- 
sprochenen altgriechischen  Typus  angehören.  Wie  diese  Greife,  so  gehören 
auch  die  darüber  dargestellten  Adler1  noch  in  den  Kreis  dekorativer  Figuren, 
offenbar  ohne  spezielle  Beziehung  zu  Zeus. 

An  Altertümlichkeit  zunächst  stelle  ich  ein  im  Süden  des  Zeustempels 
(17.  Januar  1879)  gefundenes  Relieffragment,  das  zwei  offenbar  im  Faust- 
kampfe begriffene  bärtige  nackte  Männer  darstellt,  von  denen  wenigstens  der 
eine  sicher  hinten  lang  herabfallendes  Haar  trägt  [IV,  703].  Über  der  Darstellung 
ist  der  Rest  eines  aus  Voluten  und  Palmettenmotiven  zusammengesetzten  Orna- 
mentes der  Art  wie  die  oben  S.  44  [S.  372]  besprochenen. 

Die  interessanteste  Klasse  der  Reliefs  ist  jedoch  diejenige,  deren  Haupt- 
beispiele im  vierten  Bande  der  Ausgrabungen,  Tafel  25 B,  1 — 4  [IV  Taf.  39]  und 
von  E.  Curtius,  Das  arch.  Bronzerelief  S.  12 — 14,  abgebildet  sind.  Dieselben  ent- 
stammen nämlich  ohne  Zweifel  einer  und  derselben  Fabrik;  nicht  nur  sind  die 
gesamte  Technik  und  der  Stil  völlig  identisch,  sondern  auch  die  Umrahmung 
der  einzelnen  Felder  und  die  Dimensionen  derselben;  was  die  letzteren  betrifft, 
so  läßt  nämlich  die  genau  meßbare 2  Höhe  von  Nr.  2  und  die  Breite  von  Nr.  3, 
die  beide  gleich  sind,  mit  aller  Wahrscheinlichkeit  schließen,  daß  die  Felder 
quadratisch  und  alle  von  denselben  Dimensionen  waren.  Bestätigt  wird  dies 
durch  einige  in  Dodona  gefundene  Relieffragmente  (Carapanos  Taf.  16,  2.  3), 
die  ohne  Zweifel  dieser  selben  Fabrik  entstammen  und  sowohl  genau  dieselbe 
Umrahmung  als  dieselben  Dimensionen  der  quadratischen  Felder  zeigen  (0,048  92 
bis  0,050).  Daß  die  Publikation  bei  Carapanos  stilistisch  völlig  falsch  ist 
und  der  Stil  der  Reliefs  vielmehr  dem  der  unsrigen  entspricht,  glaube  ich  diesen 
Tatsachen  gegenüber  ohne  Bedenken  annehmen  zu  dürfen,  da  das  Detail  dieser 
Reliefs  ungemein  schwer  kenntlich  zu  sein  pflegt  und  dem  Zeichner  große 
Schwierigkeiten  bereitet. 

Wir  sind  so  glücklich  den  Fabrikationsort  dieser  nach  Dodona  wie  Olympia 
verbreiteten  Reliefs  aufs  genaueste  bestimmen  zu  können:  die  auf  Nr.  4  [IV,  699] 


1  Adler  kommen  auch  unter  den  Tierreihen  altkorinthischer  Vasen  vor  und  zwar  nicht 
nur  fliegend,  sondern  auch  stehend  wie  hier;  ein  Adler  als  Krönung  auf  dem  Kopfe  der 
sogen,  persischen  Artemis  in  der  oben  [S.  391]  erwähnten  altgriechischen  Bronze  von  Grächwyl. 

2  Die  übrigen  Dimensionen  sind  teils  überhaupt  unvollständig,  teils  durch  Zu- 
sammensetzung aus  mehreren  Fragmenten  nicht  mehr  genau  die  ursprünglichen. 


410    Dn  Bkonzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 

erhaltene  Inschrift  zeigt,  daß  es  Argos  ist.   Zur  Bequemlichkeit  der  Leser  wieder- 
hole ich  hier  meine  Abschrift  derselben  [V,  693]: 


O 
< 


d.  h.  u/.t(i)<K  yiqoiv.  Die  Inschrift  gehört  dem  ältesten  der  nachweisbaren  Stadien 
des  argivischen  Alphabets  (s.  Kirchhoff,  Studien  "'S.  85)  an,  wo  außer  dem  älteren 
Charakter  der  übrigen  Buchstaben  namentlich  das  O  ohne  Punkt  und  das  alte 
liegende  Sigma  hervorzuheben  sind.  Diese  Stufe  ist  sicher  beträchtlich  vor  Ol.  80, 
wahrscheinlich  noch  ins  sechste  Jahrhundert  zu  setzen.  Auf  die  letzte  Hälfte  des 
letzteren  weist  uns  wohl  auch  der  Stil  der  Darstellungen.  [Aegina,  Das  Heiligtum 
der  Aphaia  S.  394.] 

Auf  einigen  im  dritten  Ausgrabungsjahre  gefundenen  Fragmenten  eines  Relief- 
bandes,1 das  durch  genaue  Übereinstimmung  der  Technik,  der  Felderteilung  und 
Umrahmung  sich  als  zu  derselben  hier  behandelten  Gruppe  gehörig  erweist, 
habe  ich  zwei  kleine  Inschriftreste  gefunden,  die  derselben  Stufe  des  obigen 
Alphabets  angehören.    Es  sind  [V  S.  714]: 

a)  M  Arilin 
93  wie  die  obige  Inschrift  von  oben  herab  zwischen  dem  seitlichen  Rande  und  dem 
Reste  eines   männlichen   Beines  geschrieben;   zu  Anfang  unvollständig;   zu   er- 
gänzen etwa  Ät\Fag. 

b)  ///  P  I  M 
von  unten  nach  oben  neben  dem  linken  seitlichen  Rande  geschrieben;  rechts 
davon  unklarer  Reliefrest,  wie  es  scheint,  das  bekleidete  Unterbein  einer  nach 
rechts  schreitenden  Figur.  Da  nach  dem  Charakter  dieser  Reliefs  nur  eine 
mythische  Person  erwartet  werden  darf,  so  liegt  es  am  nächsten,  den  Namen 
als  Iris  oder  Eris  zu  ergänzen. 

Leider  sind  die  Reste  dieses  Reliefbandes  sehr  gering  und  bieten  keine  ver- 
ständliche, der  Beschreibung  lohnende  Darstellung.  Nur  das  sei  erwähnt,  daß  ein 
Feld  genau  mit  dem  oberen  von  Nr.  4  auf  Taf.  25b  des  vierten  Bandes  [IV,  699], 
das  eine  nach  rechts  laufende  Gorgone  darstellt,  übereinstimmt;  erhalten  ist  das 
linke  Bein  mit  dem  unteren  Ende  des  linken  Flügels  der  genau  wie  dort  gebildeten 
( iorgone. 

Ich  erinnere  jetzt  daran,  daß  wir  auch  die  oben  [S.  400]  behandelten  Schilde 
als  argivischen  Ursprungs  erkannt  haben.  Wir  können  jener  Annahme  jetzt  eine 
neue  Stütze  hinzufügen.  Das  Flechtornament  das  unsere  Reliefs  an  den  Seiten 
einrahmt,   ist   nämlich   genau   dasselbe  wie   das  an  den  Rändern   jener  Schilde, 

1  Inv  Nr.  2138  (IV,  700].  El  lind  mehrere  kleine  leider  sehr  schlecht  erhaltene  Frag- 
mente, die  keine  Zusammensetzung  erlauben. 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    41 1 


nur  daß  es  dort  in  mehreren  Reihen  erscheint.  —  Dieses  selbe  der  argivischen 
Fabrikation  eigentümliche  gestanzte  Flechtband,  das  sich  von  andern  ähnlichen 
leicht  unterscheidet,  findet  sich  noch  auf  zahlreichen  Fragmenten  von  Bronzeblech 
in  der  Altis,  die  nicht  zu  Schildrändern  gehörten  und  nur  einfacher  Verkleidung 
gedient  zu  haben  scheinen  [IV  S.  109];  einige  derselben  sind  versilbert,  ja  ver- 
goldet und  mehrere  haben  sich  unter  dem  Bauschutte  des  Zeustempels  gefunden. 
Daß  jene  argivischen  Reliefs  vereinzelt  auch  nach  Italien  exportiert  wurden,  ver- 
mute ich,  weil  ein  altetruskisches  Bronzeblechband  im  Museum  von  Karlsruhe 
(Inv.  F  583  [Schumacher,  Bronzen  268])  sich  unverkennbar  an  derartige  Vorbilder 
anlehnt;  es  ist  wie  jene  in  quadratische,  übereinander  befindliche  Felder  geteilt, 
zu  Oberst  die  laufende  Gorgone;  darunter  ein  Reiter,  ein  Greif  wie  die  olympischen 
und  ein  Löwe(?).  Völlig  gleicher  Art  ist  ein  Fragment  in  Berlin  aus  Smlg.  Bartholdy 
(Chimaera,  vom  Flechtbande  umgeben).  Im  Stile  gröber,  scheinen  dies  doch  gute 
Nachbildungen  argivischer  Vorlagen. 

Die  Gegenstände,  die  in  den  Feldern  unserer  argivischen  Reliefstreifen  dar-  94 
gestellt  erscheinen,  sind,  soweit  sich  erkennen  läßt,  fast  ausschließlich  mythisch;1 
nur  von  dem  Reiter  auf  Taf.  25ß,  1  [IV,  707]  (=  Curtius,  Das  arch.  Bronzerelief, 
S.  12  Nr.  4)  wird  dies  nicht  gelten. 

In  dem  Fragmente  ebend.  Nr.  2  =  Curtius  S.  13  Nr.  5  (vgl.  Ausgrab.  Bd.  IV, 
S.  18  [IV,  701a])  wird  ein  völlig  ruhig  und  friedlich  stehender  Jüngling,  der  mit 
der  Linken  den  Speer  aufstützt,  von  einer  langgewandeten  Figur,  die  ebensogut 
männlich  als  weiblich  sein  kann,  angefleht  und  zwar  offenbar  wegen  des  getötet 
am  Boden  liegenden  Mannes.  Da  der  letztere,  der  Haltung  jenes  Jünglings  nach, 
durchaus  nicht  etwa  soeben  erst  im  Kampfe  gefallen  ist  und  überhaupt  keine 
Kampfesszene  vorliegen  kann,  so  wird  man  am  wahrscheinlichsten  Priamos  er- 
kennen, welcher  den  Achilleus  um  den  toten  Hektor  anfleht.2  Die  Abweichung 
von  dem  uns  durch  ältere  Vasenbilder  überlieferten  Typus  dieser  Szene  dürfte 
sich  genügend  schon  aus  den  engen  Raumverhältnissen  unseres  quadratischen 
Feldes  erklären.  Überdies  scheint  diese  Kompositionsart,  welche  mit  möglichster 
Raumersparnis  sich  die  handelnden  Figuren  wenig  bewegt  gerade  gegenüber- 
stellt,  eine  der  alten   besonders   peloponnesischen  Metallincrustation  eigene  ge- 


wesen zu  sein.3 


Von   den  vier  Feldern   der  beiden  zusammengehörigen   Stücke  Nr.  3  u.  4 
[IV,  699]  (=  Curtius  S.  13  Nr.  6  u.  14  Nr.  7)   stellen    zweie    sicher  Taten    des 


1  Man  vergleiche  jeweils  die  von  mir  im  vierten  Bande  der  Ausgrab,  gegebenen  Be- 
schreibungen der  betr.  Nummern  [IV,  699  ff.]. 

2  [Vgl.  Furtwängler  in  der  Festschrift  für  E.  Curtius  (1884)  S.  181  ff.] 

3  Wir  finden  sie  z.  B.  auf  der  bekannten  spartanischen  Stele,  die  ja  deutlich  nur  in 
Stein  übersetzte  Blechinkrustation  ist;  ferner  namentlich  auf  den  etruskischen  gepreßten 
Buccherovasen,  deren  Relieffriese  ja  keineswegs  friesartig  komponiert,  sondern  aus  ein- 
zelnen wie  unter  jenem  Raumzwange  entstandenen  Stücken  zusammengesetzt  sind. 


412   Dd  efi  nde  \i  s  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 


Herakles  dar.  Der  Held  ist  in  beiden  Fällen  zwar  ganz  nackt,  doch  durch  den 
auf  dem  Rücken  befindlichen  Köcher  unzweideutig  charakterisiert;  außerdem  hat 
Nr.  A  den  Rest  seiner  Namensbeischrift  erhalten.  Auf  Nr.  3  geht  der  Held  mit 
Köcher  und  Keule  auf  eine  eiligst  entweichende  menschliche  Figur  los,  deren 
Kopf  durch  eine  höchst  ausgeprägte  Hakennase  und  borstig  gesträubte  Haare 
ausgezeichnet  ist;  im  übrigen  trägt  dieselbe  einen  kurzen  enganliegenden,  mit 
Schuppen  verzierten  Chiton;  sie  erscheint  unbärtig  und  dürfte  demnach  eher 
weiblich  als  männlich  sein.  In  jedem  Falle  läßt  sich  sagen,  daß  sie  keiner  der 
Riesen  sein  kann,  die  Herakles  bekämpft,  und  an  einen  Giganten  ist  ebensowenig 
zu  denken;1  überhaupt  aber  gibt  es,  soviel  ich  sehe,  kein  Monument,  das  eine 
der  unserigen  gleiche  Darstellung  zeigt,  und  auch  von  der  literarischen  Über- 
lieferung scheint  nichts  unmittelbar  auf  sie  zu  passen.2  Nur  für  den  künstlerischen 
Typus  der  entfliehenden  Figur  vermag  ich  eine  Analogie,  von  einer  strengen 
rotfigurigen  Vase  anzuführen:  es  ist  die  Adikia,  auf  welche  Dike,  wie  hier 
Herakles,  mit  geschwungener  Waffe  losgeht  (Nuove  Memorie  d.  Inst.  Taf.  4,  4); 
sowohl  die  Gesichtsbildung3  als  die  Kleidung  und  das  Schema  des  Entweichens 
sind  jener  Adikia  und  unserer  Figur  gemeinsam.  Dieser  Zusammenhang  ist 
gewiß  nicht  ganz  zufällig;  nicht  nur  dürfte  unsere  Figur  den  Typus  von  jener 
Adikia  entlehnt  haben  —  denn  deren  Typus  ist,  da  er  offenbar  schon  auf  dem 
Kypseloskasten  feststand,  älter  als  unser  Relief  —  sondern  es  wird  auch  eine 
gewisse  Wesensverwandtschaft  der  beiden  Figuren  zu  Grunde  liegen. 

Von  dem  Fragmente  der  darüber  befindlichen  Darstellung  läßt  sich  nur  sagen, 
daß  die  hockende  nackte  Figur  ihren  Verhältnissen  nach  (man  vergleiche  nament- 
lich die  Beine  mit  denen  des  Getöteten  auf  Nr.  2)  ein  Riese  sein  muß.  Wollen 
wir  im  Bereiche  der  Heraklestaten  verbleiben,  so  dürfte  demnach  am  ehesten  an 
den  Riesen  Alkyoneus  zu  denken  sein,  der  im  Schlafe  liegend  von  Herakles 
überfallen  wird;  daß  jener  weniger  ausgestreckt  erscheint  als  auf  den  Vasen 
lahn,  Sachs.  Berichte  1853,  Taf.  5  u.  7),  dürften  die  engen  Raumverhältnisse 
verschuldet  haben. 

Die  laufende  Gorgone  von  Nr.  4  ward  schon  erwähnt;  das  Feld  unter  der- 
selben ist  weitaus  das  interessanteste  dieser  Reihe.  Die  erhaltenen  Inschriften 
en  uns  die  Namen  der  beiden  dargestellten  Figuren.  Es  ist  Herakles,  wie 
oben  nackt,  nur  mit  dem  Köcher  auf  dem  Rücken,  der  auf  den  Halios  Geron 

•ht,  einen  Greis  mit  langem  geschupptem  Fischleibe  statt  menschlichen  Unter- 

1  Einzelkampf   des   Herakles   mit   einem    sonst   unbekannten    Giganten  Thurios   am 
amykläiM  Ihm  Throne:  Paus.  III,  18,  11. 

1  IRoschers  Lexikon  der  Myth.  I  S.  2215.] 

s  Line  IhnHche  Gesichtsbildung  ist  in  altetruskischer  Kunst  nicht  so  selten;  vgl. 

dgen  Dflmon  des  Elfenbeinreliefs,  Mon.  d.  Inst.  VI,  46,  4  [Rom.  Mitt.  1906, 

i  von  Herakles  angegriffenen  Riesen  der  Vase  Mus.  Greg.  II,  16,  2  (Alkyoneus 

nach  Jahn,  S.idis.  i  l,143[Ro  Lexikon  IS.  2209]);  in  späterer  Zeit  dann  Charon. 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    413 


körpers.  —  Unser  Relief  ist  keineswegs  die  erste  oder  einzige  Darstellung  dieser 
Szene.  Wir  finden  dieselbe  und  zwar  mit  genau  denselben  Motiven  wie  auf 
unserem  Relief,  dem  weitausschreitenden  nur  mit  Köcher  versehenen  Heros  und 
dem  umblickenden  Meergreise,  bereits  auf  einem  geschnittenen  Steine  jener 
ältest  griechischen  Gattung,  jener  auf  den  Inseln  des  Archipels  gefundenen 
Kiesel.1  Da  diese  Gattung  sonst  durchaus  noch  keine  mythischen  Darstellungen 
zu  enthalten  pflegt  und  unter  deutlichem  orientalisch-phönikischem  Einflüsse 
steht,  so  ist  das  erste  Vorkommen  unserer  Szene  gerade  hier  um  so  bedeutungs- 
voller. Wir  finden  dieselbe  ferner  auf  dem  alten  Tempelfriese  von  Assos  (Mon. 
d.  Inst.  III,  34)  und  darauf  endlich  in  zahlreichen  schwarzfigurigen  Vasen  der  ge- 
wöhnlichen attischen  Art,2  von  denen  einige  den  Meerdämon  inschriftlich  als 
Triton  bezeichnen.  Von  Nereus  wird  derselbe  auf  diesen  Vasen  scharf  ge- 
schieden, indem  jener  meist  beim  Kampfe  als  Zuschauer  erscheint  und  zwar  in 
völlig  menschlicher  Gestalt3  und  indem  der  Kampf  des  Nereus  mit  Herakles  auf 
denselben  Vasen  dargestellt  wird,  doch  völlig  anders  als  der  mit  Triton.  — 
Wie  ist  es  nun  zu  erklären,  daß  derselbe  Meerdämon  derselben  Darstellung  auf 
unserm  Relief  Halios  Geron,  auf  den  attischen  Vasen  Triton  heißt? 

Wir  werden  bald  sehen,  daß  der  Name  „Halios  Geron"  für  jenen  fisch- 
schwänzigen  Dämon  mit  älterer,  ursprünglicherer  Tradition  zusammenhängt  als 
der  „Triton".  Halios  Geron  als  solcher,  und  keinesweges  etwa  Nereus,  Proteus, 
Glaukos  oder  dgl.,  hatte  einen  eigenen  Kult  in  Byzanz,4  vielleicht  deshalb  auch 
in  der  Mutterstadt  Megara;  er  genoß,  einfach  als  Geron,  ferner  Verehrung  in 
Gythion  (Paus.  III,  21,  9)  und  wie  scheint  auch  bei  den  Iberern.5  Dieser  Geron,  97 
und  nicht  Proteus,  scheint  in  der  ursprünglichen  Gestalt  der  die  Irrfahrten  des 
Menelaos  erzählenden  Episode  der  Odyssee  es  gewesen  zu  sein,  der  dem 
Menelaos  verkündet,6  wie  er  seine  Rückfahrt  zu  machen  habe,  derselbe  zeigte 
Jason  und  den  Argonauten  den  Weg  nach  der  Sage  der  Byzantier,  und  der- 
selbe die  Wahrheit  verkündende  Geron  ist  es  ohne  Zweifel,  der  im  homerischen 
Hymnus  auf  Hermes  (187  ff.)  im  Haine  des  Poseidon  von  Onchestos  weilt  und 
dem   die  Rinder  suchenden   Apollon   den   Sachverhalt  enthüllt.7  —  Daß   dieser 

1  Revue  archeol.  1874,  II,  Taf.  12,  1,  S.  1  ff.  Fr.  Lenormant.  [Gemmen  Taf.  5,  30.] 

2  ZusammengestelltvonGerhard.Auserl.Vasenbilder.Bd.II,  S.95,  Anm.12.  [Roschers 
Lexikon  der  Myth.  I  S.  2193.] 

3  Siehe  Benndorf,  Griech.  u.  sie.  Vasenbilder,  S.  63.  —  Die  Vase  bei  Gerhard 
a.  a.  O.  Nr.  n,  zeigt  Triton  und  Nereus  inschriftlich.  Dasselbe  ist  der  Fall  auf  einer 
streng-schönen  rotfigurigen  Schale  von  Kamiros  wo  NHPEY£  thront  und  TPITftN 
fischschwänzig,  doch  als  Greis  und  mit  bekleidetem  Oberkörper  und  Szepter  gebildet  ist 
(s.  Gardner  im  Journal  of  Philology  VII,  S.  215  ff.  [Brit.  Mus.  Cat.  E  73]). 

4  Dionysios  von  Byzanz,  De  Bospori  navig.  ed.  Wescher  p.  20,  2;  vgl.  F.  v.Duhn, 
De  Menelai  itinere  S.  18  ff. 

5  F.  v.  Duhn  1.  c.  S.  19. 

6  Wie  F.  v.  Duhn  a.  O.  sehr  wahrscheinlich  gemacht  hat. 

7  Den  Hinweis  auf  diese  Stelle  und  ihre  Bedeutung  verdanke  ich  H.  Usener. 


414    Dn  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 

greise  Dämon  wenigstens  in  Byzanz  unter  dem  Bilde  eines  unterwärts  in  einen 
Fischschwanz  ausgehenden  Mannes  verehrt  ward,  glaube  ich  aus  folgendem 
schließen  zu  können:  nach  Polemo  (bei  Athen.  XI,  p.  480«)  befand  sich  im 
E  Bvtartkor,  d.  h.  im  Schatzhause  der  Byzantier  zu  Olympia,  die  Statue 
eines  T^xcav  xxmagloaivog  t/cor  xomdriov  ägyvQOVv,  offenbar  ein  sehr  altes 
Holzbild;  was  ist  wahrscheinlicher  als  daß  es  den  von  den  Byzantiern  verehrten 
Halios  Geron  darstellte,  dem  Polemo  oder  die  Exegetentradition  Olympias  wegen 
der  fischschwänzigen  Bildung  den  geläufigen  Namen  Triton  gab?  —  Die  Vor- 
stellung des  fischschwänzigen,  Wahrheit  verkündenden  Greises  ist  indess 
vielleicht  nicht  ursprünglich  griechisch,  sondern  semitisch-orientalisch.  Eine 
offenbare  Parallelfigur  unseres  Geron,  die  indess  in  den  Volksglauben  nicht  tiefer 
eingedrungen  scheint,  ist  Ophion,  dessen  phönikischer  Ursprung  unzweifelhaft 
ist;  auch  er  ist  ein  y&Qaw,1  wie  es  scheint  in  der  Tiefe  des  Meeres2  und  sein  wahr- 
sagendes Wesen  zeigt  sich  in  einer  Tradition  rein  phönikischer  Herkunft;3  zwischen 
Schlangen-  (worauf  der  Name  weist)  und  Fischschwanz  scheint  nicht  wesentlich 
98  unterschieden  worden  zu  sein;  jedenfalls  ist  seine  Gattin  Eurynome,  die  nach 
der  Ilias  (18,  398)  in  der  Tiefe  des  Meeres  wohnt,  und  die  nach  den  Kosmogonen 
mit  Ophion  vor  Kronos  und  Rhea  geherrscht  haben  soll  (schol.  Lyc.  1192),  in 
einem  von  den  Hüften  ab  fischleibigen  Bilde  bei  Phigalia  verehrt  worden  (Paus. 
VIII,  41,  4  ff.),  also  in  der  der  phönikischen  Göttin  Derketo  eigenen  Bildung 
(Luc.  de  Syr.  dea  p.  460),  wie  Ophion  dem  mit  jener  verehrten  fischschwänzigen 
Dagon  zu  entsprechen  scheint.  Die  Monumente  gereichen  uns  zu  einer  wesentlichen 
Stütze,  indem  wir  den  fischschwänzigen  Dämon,  genau  in  der  Bildung  unseres  Halios 
Geron,  ja  häufig  auf  alten  babylonischen  und  assyrischen  Siegeln*  und  selbst 
auf  einem  assyrischen  Relief  vom  Ende  des  achten  Jahrhunderts  sehen;6  auch 
auf  Münzen  persischer  Könige  mit  phönikischen  Inschriften  erscheint  er.6  —  Ist 
nun  jedenfalls  der  künstlerische  Typus,  vielleicht  auch  das  ganze  Wesen  des 
Halios  Geron  semitisch-orientalischen  Ursprungs,  so  dürfte  für  den  Kampf  des 
Herakles  mit  ihm  wohl  dasselbe  gelten  und  es  würde  sich  sehr  gut  erklären,  daß 


Nonn.  Dionys.  41,  352  ytowv  .  .  .  'Oq>lan>\  Luc.  Tragodop.  101  6  yiQcav  .  .  .  '0<p(cov. 

Lucian  a.  a.  O.  wird  er  parallel  mit  Nereus  und  Tethys  genannt. 
N'onnus  a.  a.  O.  wo  er  auf  sieben  den  Planeten  entsprechenden  nbaxts  die  Welt- 
geschichte der  Zukunft  aufschreibt  (vgl.  Movers,  Phöniz.  I,  S.  108);   vgl.  Müller,   Frg. 
IllStOr.  III,  572  .muh   Qoivücmp  ii   xal  $agexvdt]e  hißojv  zag  ur/oofiüg  eüeolöytjOF.  xfi/i  rov  ... 
.    Zu  vgl.  ist  auch   der   babylonische  Oannes,   der  alle  Weisheit  ge- 
bracht haben  soll    und   nach  Berossos,   fr.  1,3,  mit  dem  aus  assyrischen  Monumenten 
lbekannten  Gotte  mit  dem  übergestülpten  Fische  zu  identifizieren  ist. 
4  Lajard,  Rech,  sur  le   eulte  de  Mithra  Taf.  62,  1.2;  17,2;  31,5;  Layard,  Disc. 
S.  343,  zwei  Steine  wovon  der  eine  =  King,  Ant.  gems  a.  rings  II,  Taf.  3,  6. 
'jtta,  Monum.  de  Niniv.  Taf.  32  u.  34,  aus  Sargons  Palast. 

n  n  et ,  Suppl.  VIII,  S.  427,  Nr.  35.  [Gemmen  III  S.  1 12.  Goldfund  von  Vettcrsfelde 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    415 


dieser  gerade  auf  einem  jener  Inselsteine  zuerst  erscheint;  dieser  Kampf  würde 
dann  eine  völlige  Parallele  bilden  zu  dem  Löwenkampfe  des  Herakles,  dessen 
Grundtypus  ja  als  orientalisch  anerkannt  ist.1  In  dem  auf  dem  Relief  bei- 
geschriebenen Namen  Halios  Geron  hat  uns  die  argivische  Kunst  also  einen 
Rest  derselben  alten,  an  den  Orient  anknüpfenden  Tradition  bewahrt,  von  deren 
Existenz  im  Kultus  wir  an  einigen  andern  Orten  wissen.  Die  attischen  Vasen- 
maler identifizierten  den  überkommenen  fischschwänzigen  Dämon  mit  dem,  wie 
es  scheint,  gerade  in  Böotien  und  Attika  populären  Triton.2  Den  Halios  Geron 
hingegen,  den  bereits  wenigstens  die  spätere  Gestalt  der  homerischen  Gesänge  99 
mit  Nereus  (II.  I,  556;  18,  141),  Proteus  (Od.  4,  365;  384)  und  Phorkys  (Od. 
13,96;  345)  identifiziert,  stellt  der  attische  Vasenmaler  Cholchos  als  völlig  mensch- 
liche Figur  dar,  indem  er  ihn  offenbar  als  Nereus  faßt  und  als  solchen  dem  Poseidon 
zugesellt  (Gerhard,  Auserlesene  Vasenbilder  122  [Berlin  1732]).  —  Indem  die 
Darstellung  des  Kampfes  mit  dem  fischschwänzigen  Dämon  in  erster  Linie,  wie 
wir  vermuteten,  nicht  an  eine  griechische  Sage,  sondern  an  einen  vom  Orient 
überkommenen  Kunsttypus  sich  anschloß,  woher  es  auch  kommen  wird,  daß  wir 
nirgends  von  demselben  durch  die  Literatur  erfahren,3  so  ist  das  Gegenteil  hiervon 
der  Fall  beim  Kampfe  mit  Nereus,  wo  die  allerdings  erst  mit  den  altattischen  Vasen 
(Gerhard,  Auserlesene  Vasenbilder  112  [A.  de  Ridder,  Vases  peints  de  la  Bibl.  Nat. 
255]  beginnenden  Darstellungen  ohne  Zweifel  frei  aus  der  vorhandenen,  auch  lite- 
rarisch bezeugten  Sage  geschaffen  sind.  Als  charakteristisch  ist  dabei  noch  hervor- 
zuheben, daß  der  Kampf  mit  dem  Fischdämon,  soviel  mir  bekannt,  mit  der  schwarz- 
figurigen  Vasenmalerei  verschwindet,  der  mit  Nereus  dagegen  noch  im  frei  rot- 
figurigen  Stile  erscheint. 


1  In  der  griechischen  bereits  völlig  analoger  Weise  erscheint  er  auf  einer  der 
cyprisch-phönikischen  Silberschalen  (Mus.  Napol.  III,  Tat.  11). 

2  Vgl.  die  Lokalsagen  von  Tanagra  (Paus.  IX,  20),  die  hesiodische  Poesie  (theog. 
930  ff.  FVQvßirjg  .  .  .  dsivo?  -dsög)  und  Eurip.  Cycl.  263  /m  zov  /.isyav  Tgucova.  —  Zwei 
fischschwänzige  Dämonen,  in  der  Weise  assyrischer  Steine  gegenüber,  sind  auf  einem 
alten  Terrakottaidol  von  Tanagra  aufgemalt  (Fröhner,  Coli,  de  M.  Alb.  B(arre),  Paris  1878, 
S.  61  [Aren.  Jahrbuch  1887  S.  116]).  Da  die  angeführten  älteren  Stellen  nur  einen  mächtigen 
Triton  kennen,  so  werden  wir  hier  sowohl  als  in  den  von  Pausanias  am  amykläischen 
Throne  erwähnten  Tgucovss  lieber  andere  Dämonen  erkennen:  letztere  waren  die  Gegen- 
stücke zu  den  offenbar  fisch-  oder  schlangenschwänzigen  Gestalten  der  Echidna  und  des 
Typhon,  einem  der  hesiodischen  Theogonie  (306)  entnommenen  Paare:  waren  jene  ToUwveg 
ein  entsprechendes  fischschwänziges  hesiodisches  Paar,  nämlich  Keto  und  Phorkys,  die 
Eltern  der  Echidna  (theog.  270  ff.)? 

3  Die  allgemeinen  Anführungen  von  Taten  des  Herakles  im  Meere  bei  Pindar  (Nem. 
I,  62;  III,  23;  Isthm.  IV,  74),  Sophokles  (Trach.  1011)  und  Euripides  (Herc.  für.  225;  400  ff.) 
können  sich  nicht  auf  den  fischschwänzigen  Dämon  beziehen,  da  immer  ausdrücklich 
die  Bezwingung  wilder,  dem  Menschen  und  seiner  Schiffahrt  feindlicher  Elemente  hervor- 
gehoben wird;  dergleichen  wäre  z.  B.  die  Besiegung  der  Skylla  (Lykophr.  AI.  44  und 
Tzetzes  dazu;  schol.  Od.  12,  85). 


416    Die  Bronzbfundh  ms  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 


Von  den  feinen  argivischen  Reliefs  wenden  wir  uns  zu  einer  anderen,  sel- 
teneren Technik  der  Bronzeblechverkleidung,  die  uns  durch  das  große  Relief  mit 
dem  Bogenschützen  (Ausgrab.  Bd.  IV,  Taf.  20a  [IV,  717])  hervorragend  reprä- 
sentiert ist.  Her  Grund  ist  ringsum  ausgeschnitten  und  nur  die  Figur  stehen 
100  gelassen:  eine  Technik,  von  der  Olympia  auch  einige  andere  Reste  erhalten 
hat;1  auch  sie  scheinen  die  Griechen  zunächst  im  Anschluß  an  phönikische 
Metallarbeit1  geübt  zu  haben.  Der  Bogenschütze  unseres  Reliefs,  das  wahr- 
scheinlich zu  einem  größeren  Ganzen  gehörte  (vgl.  meinen  Text  in  Ausgrab. 
Bd.  IV  a.  O.  [IV,  717])  und  das  wir  dem  Stile  nach  etwa  zu  Ende  des  sechsten 
Jahrhunderts  ansetzen  dürfen,  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  Herakles,  der 
hier  wie  auf  unseren  anderen  Bronzereliefs  (Ausgrab.  Bd.  III,  Taf. 23;  IV,  Taf.  25  ß 
[IV  Taf.  38  u.  39]),  wie  auf  dem  Friese  von  Assos  und  den  altkorinthischen  Vasen- 
bildern3 noch  ohne  Löwenhaut  erscheint,  obwohl  ihm  dieselbe  bereits  um  die 
Mitte  des  siebenten  Jahrhunderts  in  der  Poesie  des  Rhodiers  Peisandros  ver- 
liehen war,  und  obwohl  er  in  Monumenten  der  kyprischen  Kunst,  die  ziemlich 
sicher  ins  siebente  Jahrhundert  gehören,4  ebenfalls  schon  mit  dem  Löwenfelle 
bekleidet  ist.  Dies  mit  dem  orientalischen  Herakles  zusammenhängende  Attribut 
scheint  also  in  der  Kunst  des  griechischen  Festlandes  bis  tief  ins  sechste  Jahrhundert 
hinein  Widerstand  gefunden  zu  haben.   [Roschers  Lexikon  der  Myth.  I  S.  2139.] 

Einen  sehr  vernachlässigten  und  flauen  Stil  ohne  altertümliche  Elemente 
zeigt  das  Bronzeblech  Ausgrab.  IV,  25B,  5  [IV,  713a],  das  einfach  durch  ein- 
geschlagene Umrisse  den  stehenden  Zeus  darstellt  mit  dem  Blitze  in  der  Rechten 
und  den  Adler  mit  gehobenen  Schwingen  auf  der  Linken.  Es  ist  offenbar  die 
Wiederholung  eines  statuarischen  Typus,  der  in  der  Altis  nicht  selten  gewesen 
sein  wird  (vgl.  den  Zeus  der  Metapontiner,  Paus.  V,  22,  5  und  den  der  drei 
Leontiner  22,  7). 

Auch  ein  gegossenes  Bronzehochrelief  fehlt  uns  nicht;  es  ist  zugleich  das 
einzige  Relief  nicht  archaischen  Stiles  in  Olympia;  ursprünglich  vermutlich  zum 
Schmucke  einer  Panzerstatue  gehörig,  stellt  es  den  Kampf  des  Theseus  und 
Minotauros  dar  (Ausgrab.  Bd.  IV,  Taf.  24,  4  [IV,  36]).    Die  Szene  ist  hier  völlig 


Namentlich  ein  im  Knie  gebogenes  großes  nacktes  Bein  (Inv.  Nr.  2178  [IV,  718]); 
amer  Hahnenkopf  mit  Lochern  zum  Aufnageln  [IV,  725 ff.];  auch  Palmetten  und 
Lotosblumen  kommen  so  vor. 

1  Vgl.  die  a  jour  gearbeiteten  Bronzeverzicrungen  eines  „Thrones"  aus  Nimrud 
..in),  Discov.  at  Niniv.  1853  S.  198;  200);  ferner  die  schon  mehrmals  genannte 
likische  Silbercista  von  Pracneste  (Mon.  d.  Inst.  VIII,  26). 

•  Vgl.  Arcli.  Ztg.  1859,  Taf.  125  (das  unzweifelhaft  echte  Original  dieser  vielfach 
vcifi-lten  Vase  habe  ich  in  der  Sammlung  der  Ecole  francaise  zu  Athen  wieder- 
;ndcn);  Mon.  d.  Inst.  III,  46,2. 

*  Relief  von  (iolgoi  mit  zugehöriger  Statue  bei  Ccsnola-Stern,  Cypcrn,  Taf.  23. 24; 
geschnittener  Stein  von  Curium  mit  ägyptisch-assyrischen  Elementen,  ebenda  Taf.  79,  3; 
Silbcrschale  von  Larnaca  (Mus.NapoI.III.Taf.il). 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    417 


anders  aufgefaßt  als  in  den  zahlreichen  übrigen  uns  erhaltenen  Darstellungen 
derselben;  doch  sind  die  Motive  keineswegs  neu  erfunden,  sie  sind  vielmehr 
nur  von  einem  andern  Kampfe  des  Theseus  auf  diesen  mit  dem  Minotaur  über- 
tragen: es  ist  der  Kampf  mit  Skiron,  und  zwar  so  wie  er  auf  einer  Metope 
des  Theseions  in  Athen  (Mon.  d.  Inst.  X,  44,  3)  erscheint,  der  jeden  einzelnen 
wesentlichen  Zug  zu  der  Darstellung  unseres  Reliefs  hergegeben  hat.  Wir 
müssen  annehmen,  daß  der  Künstler  unseres  Reliefs  —  vermutlich  im  vierten 
Jahrhundert  v.  Chr.  —  unter  dem  vermittelten  oder  unvermittelten  Einflüsse  jener 
athenischen  Metope  stand,  die  eine  eigene  Schöpfung,  nicht  die  Wiederholungeines 
älteren  Typus  sein  dürfte. 

Wir  beschließen  hier  diesen  vorläufigen  Überblick  der  Bronzefunde  Olympias, 
der  wohl  alles  Bedeutende  hervorgehoben  hat,  während  freilich  eine  Fülle  von 
Detail  erst  bei  einer  umfassenden  Publikation  wird  zur  Sprache  gebracht  werden 
können.  Ist  ja  doch  der  Bronzereichtum  der  Altis  ein  ganz  außerordentlicher: 
wie  anderwärts,  z.  B.  auf  der  Akropolis  von  Mykene  und  der  von  Athen,  die 
Fundschichten,  namentlich  die  unteren,  dicht  von  Scherben  bemalter  Tongegen- 
stände durchzogen  sind,  so  sind  sie  es  hier  mit  zahllosen  Bronzeresten.  Fast 
alles,  bis  zum  geringsten  Votivgegenstande  herab,  war  in  der  Altis  aus  Bronze 
gefertigt;  nur  die  allerälteste  Schicht  beim  und  unter  dem  Heraion  zeigt  die 
kleinen  Terrakottavotive  in  größerer  Menge,  bald  herrscht  auch  unter  diesen  die 
Bronze.  Sehr  charakteristisch  ist  auch,  daß  sich  eine  große  Anzahl  von  Bronze- 
nägeln in  der  Altis  gefunden  hat  (der  Art  wie  der  aus  Dodona  bei  Carapanos 
Taf.  52,  13);  doch  gibt  es  natürlich  auch  Eisennägel,  deren  Kopf  indess  meist 
durch  einen  schön  profilierten  deckelartigen  Bronzeknopf  verdeckt  wurde;  der- 
artige Nägel  scheinen  die  regelmäßige  Verzierung  von  Holztüren  gewesen  zu  102 
sein  und  fanden  sich,  in  der  Form  genau  übereinstimmend  mit  in  Dodona  ge- 
fundenen (Carapanos  Taf.  43,  8.  9)  in  großer  Anzahl  in  der  Altis  zerstreut. 

Überhaupt  ist  Eisen,  so  sehr  die  Bronze  das  herrschende  Metall  in  der 
Altis  ist,  keineswegs  selten  und  erscheint  namentlich  bereits  in  den  allertiefsten 
Schichten,  auch  unter  den  Fundamenten  des  Heraions,  was  hier  besonders  hervor- 
gehoben sei,  weil  ein  großer  Teil  der  Bronzen,  wie  wir  oben  zeigten,  mit  den- 
jenigen Funden  im  mittleren  und  nördlichen  Europa  übereinstimmen,  aus  welchen 
das  sog.  Bronzezeitalter  konstruiert  zu  werden  pflegt.  Aus  Eisen  wurden  in  der 
tiefsten  Schicht  beobachtet  sowohl  Lanzenspitzen,  Haken,  Stäbe  unbekannter 
Verwendung,  Ringe,  wahrscheinlich  große  Ringhenkel  von  Dreifüßen  und  wie 
es  scheint  auch  Dreifußbeine;  ferner  das  Eisen  bloß  akzessorisch  als  Nagel  oder 
Draht,  oder  Kern  eines  Bronzegerätes; l  in  letzterer  Weise  fanden  sich  namentlich 

1  Obige  Angaben  sind  Mitteilungen  von  G.  Treu  entnommen,  der  die  Güte  hatte, 
auf  meine  Bitte  bei  den  neuesten  Grabungen  besondere  Aufmerksamkeit  auf  das  Vor- 
kommen des  Eisens  zu  richten. 

A.  Furtwängler.    Kleine  Schriften  I.  27 


4 1 8    Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 

einige  als  Löwentatzen  gebildete  Gerätfüße  aus  Bronzeguß  um  einen  Eisenkern 
[IV,  Sil  ff.];  dieselbe  Technik  an  derselben  Art  von  Gegenständen  kommt  vor  in 
dem  Bronzefund  von  Nimrud.1 

Daß  die  kostbareren  Metalle  fast  ganz  fehlen  in  der  Altis,  ist  bei  dem  vor- 
gefundenen Zustande  derselben  natürlich.  Gleichwohl  fanden  sich  wenigstens  z.  B. 
einige  schlagende  Illustrationen  zu  dem  homerischen  Beiworte  äQyvQÖvjkos  in 
Gesteh  einiger  einfacher,  vielleicht  von  Ooövoi  herrührender  Bronzebeschläge,  die 
mit  einer  oder  zwei  dichten  Reihen  silberner  Nägel  besetzt  sind,-  welche  nicht  nur 
an  dem  sichtbaren  runden  Knopfe,  sondern  an  dem  ganzen  unsichtbaren  Stifte  von 
gediegenem  Silber  sind.  Statuen  von  vergoldeter  Bronze  müssen  in  der  Altis,  nach 
den  vorgefundenen  zahlreichen  kleinen  Resten,  sehr  häufig  gewesen  sein,  und  zwar, 
da  solche  teilweise  auch  in  tieferen  Schichten  vorkamen,  nicht  bloß  in  späterer  Zeit. 
103  Daß  nur  eine  verschwindende  Minderheit  all  unserer  Bronzefunde  später  als 

das  fünfte  Jahrhundert  fällt,  ersahen  wir  schon  in  der  Einleitung  aus  den  all- 
gemeinen Fundumständen,  und  fanden  es  im  Laufe  der  Untersuchung  durchweg 
bestätigt.  Der  größere  Teil  derselben  reicht  ohne  Zweifel  in  die  Zeit  hinauf,  da 
die  Altis  noch  gar  keine  oder  nur  sehr  wenige  Statuen  schmückten.  Das  Bild, 
das  wir  so  von  der  Altis  gewinnen,  stimmt  vollständig  mit  der  Schilderung,  die 
Theopomp  von  dem  Aussehen  des  Apolloheiligtumes  von  Delphi  in  der  älteren 
Zeit  entwirft:  >/>•  ydg  t6  naAaidv  tö  legöv  xexoofirjfA&vov  %a/Lxoig  ävcrdrjfiaoiv, 
nix  ärdgtaotf  u/./.ü  lißrjat  xcu  toittooi  yaXy.ov  7Z€7ioir)/jih>oiG  (Athenaeus  VI, 
p.  231  f.).  Große  Bronzedreifüße  und  Kratere,  letztere  auf  kunstreichen  mit  Blech 
inkrustierten  Untersätzen,  standen  einst  auch  in  Olympia  zahlreich,  bevor  sich  die 
Gebäude  und  Statuen  erhoben,  überall  im  Haine  zerstreut,3  und  um  die  Altäre 
herum  waren  ganze  Massen  kleiner  bronzener  Votive  gehäuft.4  Aber  dies  alles 
gehört  alter  Zeit  an  und  von  den  archaischen  Bronzen  springen  unsere  Funde 
fast  unvermittelt  zu  spätrömischen  Resten;  aus  der  Zeit  der  höchsten  Blüte 
attischer  Kunst  findet  sich  so  gut  wie  gar   nichts  in  Olympia.     Eine  verwandte 

1  Semper,  Der  Stil  'I.S.235;  Layard,  Discov.  1853,  S.  178 ff.;  auch  eiserne  Ringe, 
nach  Layard  Teile  von  Kesseluntersätzen,  waren  unter  diesem  Bronzefund. 
1  Inv.  Nr.  4089;  4690  und  4691  [IV,  1226]. 

*  Außer  an  den  Altarstellen  erschienen  große  Kessel-  und  Dreifußteile  namentlich  auch 
im  übrigen  Altisbcrciche,  so  in  der  großen  ehemals  ohne  Zweifel  dicht  von  Bäumen  be- 
standenen Strecke  zwischen  der  östl.  Terrassenmauer  des  Zeustempels  und  den  großen 
Hallen  im  Osten,  wo  die  unterste  Schicht  keineswegs  tiefschwarz  war,  wie  in  den  Altar- 
gegenden, und  die  Bronzen  nur  vereinzelt  und  zerstreut  sich  fanden. 

4  her   großen    Uniformität   in   den    Funden   der  Altarschichten   ward   schon    früher 

icht.  —  Als  ein  Fundort   bestimmteren  Charakters  sei  hier  noch  hervorgehoben   das 

taneion,  in  dessen  Innerem,   und  zwar  tief  unter  den  Fundamenten  des  römischen 

•in  Bronzen  sehr  reiche  Fundschicht  sich  befand;  besonders  zahlreich  waren 

darunter  (jefäßhenkel,    Pfannengriffe  u.  dgl.,    dem    hier   ehemals  vorhandenen   ioriazögiov 

prechend   (auch  Tonschüsseln    und  Teller   fanden  sich  sehr  viele);    ferner  aber   auch 

HC  auffallende  Anzahl  von  Waffenstücken,  besonders  Lanzenspitzen. 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    419 


Erscheinung  bemerken  wir  anderwärts  im  Peloponnese,  nämlich  in  Sparta,  selbst 
unter  den  Resten  der  Skulptur  (vgl.  Mitt.  athen.  Inst.  III,  S.  297).  Jener  Bronzereich- 
tum alter  Zeit  scheint  indess  allmählich  weggeräumt  worden  zu  sein,  ja  in  späterer 
römischer  Zeit  dürfte  er  bereits  fast  ganz  vom  Altisboden  verschwunden  gewesen 
sein.  Außer  den  Fundumständen  (unter  dem  römischen  Boden)  spricht  hierfür 
die  Erzählung  des  Pausanias  (V,  20,  8),  der  mit  nicht  geringem  Erstaunen  bei 
Fundamentierung  einer  Statuenbasis  nahe  dem  Hause  des  Önomaos  önXwv  xal  104 
yaXivwv  xal  yaUcov  &oavo[*ara  aus  dem  Boden  kommen  sieht;  es  waren  natür- 
lich nichts  anderes  als  die  von  uns  allenthalben  in  der  tieferen  Schicht  ge- 
fundenen Bronzereste;  Pausanias  würde  dieselben  gewiß  nicht  bemerkenswert 
gefunden  haben,  noch,  wie  er  es  dem  Zusammenhange  nach  deutlich  tut,  das 
Pferdegeschirr1  mit  den  Rossen  des  Önomaos  sich  in  Verbindung  gedacht  haben, 
wenn  unsere  Bronzen  noch  zu  seiner  Zeit  die  Altis  gefüllt  hätten. 

Was  nun  die  Altersgrenze  nach  oben  betrifft,  so  ergab  sich  uns,  daß  keines 
der  einigermaßen  bestimmbaren  Stücke  unserer  Bronzen  mit  Wahrscheinlichkeit 
über  das  achte  Jahrhundert  hinausgerückt  werden  kann.  Älter  wird  nur  die- 
jenige tiefste  Schicht,  namentlich  unter  dem  Heraion,  sein,  die  nur  die  Votiv- 
tiere,  besonders  die  aus  Terrakotta,  die  primitiven  Menschen  uud  dergleichen 
Zeugnisse  des  ältesten  Kultus  enthält.2  Obwohl  die  letzteren  ohne  Zweifel  zu- 
nächst lokaler  Entstehung  und  Arbeit  sind,  fanden  wir  doch  merkwürdige  Be- 
ziehungen derselben  zu  Erscheinungen,  welche  uns  die  neueren  cyprischen 
Ausgrabungen  geboten  haben,  Beziehungen,  unter  denen  am  wichtigsten  ist  der 
Mangel  von  Götteridolen  und  deren  Ersatz  durch  die  Darstellungen  der  Weihenden 
selbst,  wodurch  Olympia  andererseits  wieder  in  Gegensatz  tritt  zu  anderen  alten 
Kultstätten  des  griechischen  Festlandes.  Vielleicht  dient  es  zur  Erklärung  dieses 
Umstandes  wenn  wir  uns  des  durch  die  Tradition  bestimmt  angedeuteten  kreti- 
schen Einflusses  auf  die  ältesten  Kulte  Olympias  erinnern.3 


1  Da  wir  meines  Wissens  überhaupt  kein  Pf  erdegeschirr  in  der  Altis  gefunden  haben,  so  wird 
Pausanias  beliebige  Bronzereste  falsch  interpretiert  haben,  im  Gedanken  an  Önomaos  Rosse. 

-  [Vgl.  Sitzungsber.  der  Bayer.  Akad.  d.  W.  1906,  III  S.  467  ff.] 

8  Schon  das  Zusammensein  der  Kulte  des  Kronos,  Zeus  und  Rhea  in  Olympia  weist 
deutlich  auf  Kreta;  noch  bestimmter  tun  dies  die  Kulte  der  idäischen  Daktylen  und  des 
idäischen  Herakles,  und  vor  allem  die  Tradition  von  Klymenos,  einem  Abkömmlinge 
des  letzteren;  derselbe  sollte  gekommen  sein  von  Kydonia  und  dem  Jardanos  auf  Kreta 
und  in  Olympia  sowohl  die  Altäre  der  Kureten  und  des  Herakles  als  den  der  Hera, 
ferner  in  der  alten  Nachbarstadt  Phrixa  das  Heiligtum  der  Athena  Kydonia  gegründet 
haben  (vgl.  Paus.  V,  8,  1  ff. ;  14,8;  VI,  21,  6).  Unzweifelhaft  wird  das  hohe  Alter  und 
die  Richtigkeit  dieser  Tradition  aber  durch  Folgendes:  der  Jardanos  bei  Kydonia,  den 
auch  die  Odyssee  (3,  291)  kennt  und  von  dem  Klymenos  gekommen  sein  soll,  findet 
sich  gleichfalls  mit  demselben  Namen  bei  dem  Hafenorte  der  olympischen  Ebene,  bei 
Pheia,  und  ist  als  solcher  bereits  der  Ilias  bekannt  (7,  135;  vgl.  Strab.  VIII,  p.  342),  die 
kretische  Einwanderung,  welche  jenen  Namen  brachte,  ist  also  noch  älter.  Jardanos  ist 
aber  ein  rein  semitischer  Flußname  und  auch  Pheia  soll  semitisch  sein. 

27* 


MM-  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung. 


Sobald  sich  dekorative  Verwendung  oder  ein  gewisser  Stil  in  unseren  Bronzen 
scheiden  sich  verschiedene  Gruppen;  die  eine  derselben,  welche  haupt- 

ilich  die  manchfaltigen  Schimickgegenstände  in  sich  begreift,  nannten  wir  die 
des  weiteren  geometrischen  Stiles;  wir  fanden  dieselbe  in  gleicher  Weise  ver- 
breitet über  Italien  und  Teile  des  nördlichen  Europa;  dieselben  großen  Fibeln 
und  plumpen  Halsketten  u.  dgl.  trugen  die  Frauen  von  Elis  und  die  von  Ober- 

rreicli.  Eine  bestimmtere  zeitliche  wie  örtliche  Begrenzung  ließ  uns  das 
andere  geometrische  System  in  Olympia  zu,  welches  wir  als  mit  den  sog.  Dipylon- 
vasen  zusammenhängend  erkannten;  seine  Wurzeln  erkannten  wir  deutlich  im 
Osten  des  mittelländischen  Meeres,  während  es  westlich  nicht  über  Griechenland 
hinaus  verbreitet  und  hauptsächlich  im  siebenten  Jahrhundert  geblüht  zu  haben 
scheint;  in  Olympia  gehören  ihm  vor  allem  die  Dreifüße  und  eine  Reihe  gra- 
vierter Inkrustationsplatten,  endlich  eine  bestimmte  Klasse  primitiver  Tiere  an. 
Die  Importation  wenn  nicht  aller  Exemplare  so  doch  der  Typen,  kann  auch  bei 
dieser  Gruppe  nicht  bezweifelt  werden.  Doch  die  Herkunft  dieser  beiden  Gruppen 
des  geometrischen  Stiles  ließ  sich  noch  nicht  genauer  definieren  und  nur  negativ 
dahin  bestimmen,  daß  nichts  an  ihnen  speziell  griechischen  Ursprung  andeutet, 
doch  verschiedene  Spuren  auch  hier  auf  den  Ostrand  des  Mittelmeeres  weisen. 
Anders  ist  es  mit  dem  sog.  orientalischen  Dekorationstile,  welchen  wir  in  Olympia 
gleichzeitig  mit  dem  geometrischen  wirksam  sehen,  der  uns  jedoch  sofort  auf 
derjenigen  Stufe  entgegentritt,  wie  sie  von  der  beginnenden  griechischen  In- 
dustrie in  Anlehnung  an  die  gleichzeitige  phönikische,  von  der  auch  einige 
wenige  Proben  in  Olympia  erhalten  sind,  geschaffen  wurde,  das  charakteristische 
dieser  Stufe  und  die  Art  der  Umbildung  der  überlieferten  Typen  konnten  wir 
deutlich  an  einigen  Beispielen  erkennen.  Um  den  Gegensatz  dieser  Dekoration 
und  der  geometrischen  zu  erklären,  wird  man  mit  einem  ethnographischen  Schlag- 
worte nicht  auskommen;  es  scheinen  vielmehr  beide  nur  auf  zwei  geographisch 
106  und  ethnographisch  kaum  viel  verschiedene  gleichzeitige  doch  nach  getrennten 
Prinzipien  und  Traditionen  arbeitende  Fabrikationszentren  als  Ursprung  zu  weisen. 
Die  älteste  griechische  Arbeit  schloß  sich  weitaus  vorwiegend  an  das  sog.  orien- 
talische System  an;  in  Olympia  gehören  demselben  namentlich  die  geschmückten 
Kratere  und  einige  Blechverkleidungen  an.     Die  anfangs  ohne  Zweifel  von  den 

ichen  Küsten  und  Inseln  ausgehende  Fabrikation,  die  bis  nach  Italien  im- 
portierte, mag  sich  bald  auch  nach  dem  Festlande  gezogen  haben.  Leider  ver- 
mochten wir  erst  im  sechsten  und  fünften  Jahrhundert  eine  für  Olympia  wichtige 
Bronzeindustrie  in  Argos  zu  konstatieren,  der  wir  einen  Typus  von  Rundschilden 
und  von    feinen  Reliefs   mit   mythischen   Darstellungen   zuweisen    konnten.     Er- 

•üsse  sicher  lokal   verschiedener  Produktion   konnten   wir  auch   unter  den 

i  darstellender  Kunst  in  Olympia  konstatieren,   von  denen  einiges 

ch    bis   nach  Italien   verbreitet    erwies.     Unter  wesentlich    denselben  Einflüssen 

wie  Olympia  scheint  Dodona  gestanden  zu  haben,  dessen  Ausgrabung  uns  an 


Die  Bronzefunde  aus  Olympia  und  deren  kunstgeschichtliche  Bedeutung.    421 

einer  großen  Zahl  von  Gegenständen  niederer  und  höherer  Industrie  dieselbe 
Fabrikation  wie  an  olympischen  erkennen  ließ,  was  bei  der  Lage  beider  Orte 
nahe  der  Westküste  nicht  auffallen  darf.  Daß  wir  einer  speziell  eleischen  In- 
dustrie von  künstlerisch  bedeutenderen  Dingen  so  gut  wie  gar  nichts  mit  Wahr- 
scheinlichkeit zuschreiben  konnten,  wird  uns  ebenfalls  nicht  wundern,  wenn  wir 
uns  erinnern,  daß  Elis  überhaupt  niemals  etwas  Selbständiges  in  der  Kunst  ge- 
leistet zu  haben  scheint.  Die  zentrale  Bedeutung  Olympias  veranlaßte  gleich- 
wohl, daß  wir  auch  aus  den  bescheidenen  Bronzeresten  ein  ungefähres  Bild  aller 
Hauptströmungen  von  Kunst  und  Industrie  etwa  vom  achten  bis  fünften  Jahr- 
hundert v.  Chr.  gewinnen  können. 


HEKTORS  LÖSUNG 

EIN  RELIEF  AUS  OLYMPIA  DURCH  EINEN  GRIECHISCHEN  SPIEGEL 

ERGÄNZT. 

(HISTORISCHE  UND  PHILOLOGISCHE  AUFSÄTZE, 
ERNST  CURTIUS  AM  2.  SEPTEMBER  1884  GEWIDMET) 

SWie  segensreichen  Ausgrabungen  von  Olympia  haben  unter  einer  fast 
unabsehbaren  Fülle  von  altertümlichen  Bronzegegenständen  auch  einige 
wenige  unscheinbare  dünne  Blechstreifen  zu  Tage  gefördert,  die  nicht 
wie  die  gewöhnliche  Menge  nur  ornamental  geziert  sind,  sondern  bedeutungsvolle 
Darstellungen  aus  der  Sage  enthalten. 

Diese  Reste,  so  spärlich  und  zerstückt  sie  auch  sich  fanden  —  denn  nur 
eine  größere  Platte  gelang  es  vollständig  aufzudecken  —  waren  uns  doch  hoch 
willkommen;  denn  sie  boten  uns  erst  eine  Anschauung  von  Originalen  der  Art, 
f  wie  wir  sie  uns  immer  ersehnt  hatten,  von  den  altpeloponnesischen  Flachreliefs, 
die  der  Zierde  von  Geräten  dienten  und  deren  hohe  Bedeutung  uns  längst  aus  den 
erhaltenen  Beschreibungen  des  Kypseloskastens  und  des  amykläischen  Thrones 
ie  aus  den  schwarzfigurigen  Vasendarstellungen  klar  geworden  war,  die  uns 
auf  jene  Gattung  als  ihre  Vorbilder  hinwiesen. 

Unter  diesen  fragmentierten  olympischen  Reliefs  befand   sich   eines,   dessen 

inders  zu  Vermutungen   reizte.    Es  ist  das  in  der  Vignette  am 

chlusse   nach   einer  Zeichnung   wiederholte  Stück,   die  nach  Photographie   und 


Hektors  Lösung.  423 


Abguß  und  mit  Hülfe  meiner  Notizen  von  dem  sehr  schwer  kenntlichen  Originale 
hergestellt  worden  war.1 

In  meiner  vorläufigen  Behandlung  der  olympischen  Bronzen 2  schloß  ich  aus 
den  erhaltenen  Motiven,  daß  „am  wahrscheinlichsten  Priamos  zu  erkennen  sei, 
welcher  den  Achilleus  um  den  toten  Hektor  anflehe".  Anders  glaubte  später 
Milchhöfer  den  Vorgang  deuten  zu  müssen;3  er  erkannte  Theseus,  welcher  den 
Minotauros  hingestreckt  hat  und  dem  Ariadne  einen  Kranz  zu  reichen  im  Begriffe 
ist.  Durch  einen  Irrtum  meiner  Beschreibung  hatte  ich  indess  selbst  Anlaß  zu 
dieser  Deutung  gegeben;  ich  hatte  in  der  Linken  der  rechts  zur  Hälfte  erhaltenen 
Figur  den  „Rest  eines  Reifens  oder  Kranzes"  zu  erkennen  geglaubt4  und  die 
Zeichnung  dahin  beeinflußt;  dies  war  ein  Sehfehler,  denn  es  ist  nur  eine  runde 
geschlossene  Faust  vorhanden,  die  einen  Stock  aufstützt. 

Ich  bin  jetzt  in  der  glücklichen  Lage,  nicht  nur  diesen  Fehler  verbessern, 
sondern  meine  frühere  Deutung  zur  Gewißheit  erheben  und  vor  allem  das  Fehlende 
des  olympischen  Reliefs  vollständig  ergänzen  zu  können. 

Bei  der  Versteigerung  der  gewählten  Sammlungen  Alessandro  Castellanis,  die  zu 
Rom  im  Frühjahre  dieses  Jahres  Statt  hatte,  kam  unvermutet  aus  einer  vergessenen 
Lade  ein  Stück  zum  Vorschein,  das  der  Besitzer  augenscheinlich  einst  besonders 
verschlossen  hatte,  über  dessen  Herkunft  aber  die  Erben  leider  nichts  mehr  an- 
zugeben wußten.  Es  erregte  durch  seinen  ungewöhnlichen  Charakter  sofort  die 
Aufmerksamkeit  der  Kenner.  Es  wird  nun  hier  in  der  Abbildung  [S.  424]  auf  ein 
Drittel  verkleinert6  vergegenwärtigt,  während  sein  wichtigster  Bestandteil,  das  183 
Relief,  in  einer  Radierung,  die  L.  Otto  den  Beiträgen  dieses  festlichen  Bandes 
angereiht  hat,  die  Tafel  IV  schmückt.  [Darnach  hier  als  Vignette  S.  422;  auch 
Griech.  Vasenmalerei  II  S.  120.   Das  Original  jetzt  in  Berlin.] 

Es  ist  ein  Spiegel,  und  zwar  ein  griechischer.  Letzteres  ist  unschwer 
zu  beweisen.  Unter  der  Fülle  von  Metallspiegeln,  welche  Italien,  namentlich 
Etrurien  und  Latium  (Praeneste)  geliefert  haben,  hat  sich  meines  Wissens  niemals 
einer  gefunden,  welcher  der  durch  den  unsern  vertretenen  Gattung  angehörte. 
Auch  G.  Körte,  der  das  einschlägige  Material  gegenwärtig  am  besten  übersieht, 
wußte  mir  keinen  nachzuweisen.  Dagegen  kann  ich  zwei  Spiegel  nennen,  die 
in  allen  Eigentümlichkeiten  der  Form  und  Technik  mit  dem  vorliegenden  über- 
einstimmen, nur  jedes  Schmuckes  entbehren;  und  beide  stammen  aus  Griechen- 
land, der  eine  aus  Naupaktos,   der  andere  aus  Korinth;   sie  gehören  beide  dem 


1  Ausgrabungen  von  Olympia  Bd.  IV  Tafel  XXV  links  unten;  S.  18,2.  E.  Curtius, 
Das  arch.  Bronzerelief  aus  Olympia  (Abh.  d.  kgl.  Akademie  1879)  S.  13,5.  Milchhöfer, 
Anfänge  der  Kunst  S.  187,  c.    [Olympia  IV  Nr.  701  Tafel  39.] 

2  Bronzefunde  von  Olympia  (Abh.  d.  kgl.  Akademie  1879)  S.  94  [oben  S.  411]. 

3  Anfänge  der  Kunst  S.  188. 

4  Siehe  Ausgrabungen  von  Olympia  Bd.  IV  S.  18. 

5  Gesamtlänge  0,36;  Durchmesser  der  Scheibe  0,18;  Grifflänge  ebensoviel. 


424 


Hektors  Lösung. 


kj^l.  Antiquarium    zu  Berlin,1    und   vielleicht   besitzen   auch   andere  Sammlungen 
.bischer  Bronzen  ähnliche  noch  nicht  beachtete  Stücke. 
Das  Charakteristische  derselben  ist,  daß  Griff  und  Scheibe  aus  einem  Stücke 

bestehen  und  beide  sehr  dünn  und  leicht 
gearbeitet  sind ;  die  italischen  Spiegel  sind 
immer  bedeutend  dicker  und  schwerer. 
Deshalb  haben  letztere  auch  regelmäßig 
einen  gekerbten  oder  sonst  verzierten 
äußeren  Scheibenrand;  im  Gegensatze 
dazu  sind  unsere  griechischen  Spiegel 
gerade  am  Rande  am  dünnsten.  Ferner 
pflegen  die  italischen  Spiegel  mehr  oder 
weniger  konvex  und  auf  der  konkaven 
Rückseite  mit  gravierter  Darstellung  ge- 
ziert zu  sein;  unsere  griechischen  zeigen 
nur  eine  kaum  bemerkbare  Konvexität  der 
Hauptseite  und  keinerlei  Gravierungen. 
Am  eigentümlichsten  ist  indess  ihr  Griff. 
Der  Übergang  vom  Scheibenrand  zur 
Griffzunge  wird  erst  durch  eine  viereckige 
breitere  Fläche  vermittelt;  die  Griffzunge 
selbst  ist  relativ  breit  und  flach  und  dünn 
wie  das  Ganze;  unten  erweitert  sie  sich 
noch  einmal  zu  einem  Rund,  das  dann  in 
eine  kurze  Spitze  ausläuft.'2  Die  Länge  des 
Griffes  ist  dem  Durchmesser  der  Scheibe 
gleich. 

In  all  diesen  Punkten  stimmt  unser 
Spiegel  mit  jenen  von  gesicherter  griechi- 
scher Provenienz  durchaus  überein;  doch 
eines  hat  er  vor  jenen,  die  völlig  unverziert 
sind,   voraus,   den   merkwürdigen   Reliefschmuck.     Auf  seiner  Hauptseite  —  die 
durch  eine  ganz  schwache  Konvexität  der  Scheibe  und  die  Vergoldung3  bezeichnet 
ist  der  Griff  nebst  der  viereckigen  Fläche   mit  einer  dünnen  Schicht  Blei 

1  a)  Inv.  Nr.  7445  aus  Naupaktos.   Gesamtlänge  0,35;  Durchmesser  der  Scheibe  0,175; 
Llnge  des  Griffs  ebensoviel.  —  b)  Inv.  Nr.  2818  =  Friederichs,  Kl.  Kunst  und  Industrie 
I  Nr.  8.    Linge  0,265.    Aus  Korinth,  durch  Roß.    [Andere  Exemplare,  davon  zwei  aus 
Korinth:  Athen.  Mttt  1886  S.  76,  2.    70,,/u.  &qX.  I898  S.  122.) 

•  Die  an  unserem  Exemplare  abgebrochen,  aber  an  dem  von  Naupaktos  erhalten,  doch 
• 

1  Von  der  Vergoldung  sind  Reste  unter  dem  Oxyd  dieser  Seite  zu  bemerken.     Die 
Rückseite  zeigt  die  dunklere  Metallfarbe  unter  grüner  sowie  blauer  Oxydation. 


Hektors  Lösung.  425 


belegt;  dieselbe  diente  offenbar  dazu,  eine  Bekleidung  von  dünnem  Bronzeblech 
zu  befestigen.  Die  letztere  ist  von  dem  Griffe  indess  leider  abgefallen ;  auf  jenem 
Viereck  jedoch  sitzt  noch  in  seiner  ursprünglichen  Lage  auf  dem  Blei  ein  Relief 
aus  sehr  dünnem  Bronzeblech  fest.  Daß  es  nicht  etwa  erst  in  neueren  Zeiten  hier 
aufgelegt  worden  sei,  lehrt  der  Augenschein,  wie  dies  denn  auch  die  in  Rom 
anwesenden  Kenner  sofort  erkannten.  Und  auch  darüber,  daß  dieser  Schmuck 
gleich  bei  Anfertigung  des  Spiegels  beabsichtigt  war,  werden  wir  vergewissert, 
indem  der  Griff  auf  dieser  Seite  zwei  etwas  emporstehende  Ränder  zeigt,  um  die 
Bleischicht  einzufassen. 

Das  Relief  ist  vorzüglich  erhalten,  von  Oxydation  ziemlich  frei  und  in  allen 
seinen  Einzelheiten  völlig  deutlich.  Man  sieht  sofort,  daß  es  eine  Wiederholung 
des  olympischen  ist,  aber  keine  mechanische,  denn  mancherlei  Details  sind  ver- 
schieden. Zunächst  ist  das  Feld  des  olympischen  etwas  höher:  es  ist  0,049,  das 
unsrige  nur  0,045  hoch;  dagegen  ist  die  Relieferhebung  des  olympischen  Exemplars 
beträchtlich  geringer,  es  ist  flacher  als  das  vorliegende;  deshalb  ist  dort  das 
einzelne,  auch  abgesehen  von  der  viel  stärkeren  Oxydierung,  so  schwer  zu  er- 
kennen. Das  olympische  war  ferner  Teil  eines  größeren  Komplexes  gleicher 
Bildfelder,  die  durch  Ornamentrahmen  getrennt  waren,  wie  dies  an  anderen  gleich- 
artigen olympischen  Stücken  deutlich  ist;  das  unsrige  ist  an  den  Seiten  nur  durch 
ein  feines  Rändchen  eingefaßt,  doch  oben  erscheint  dasselbe  Ornament  wie  an 
den  olympischen,  nur  etwas  enger  geordnet. 

Die  Komposition,  die  Bewegungen  der  Arme  und  Beine  sind  auf  beiden 
Stücken  ganz  gleich,  doch  ist  auf  dem  olympischen  alles  mehr  nach  links  zu- 
sammengeschoben; die  Kniee  des  an  der  Erde  Liegenden  erscheinen  hier  zwischen 
den  Beinen  des  Stehenden,  dort  rechts  davon;  auch  die  beiden  stehenden  Figuren 
sind  sich  näher  gerückt.  Unser  Relief  ist  indess  auch  etwas  breiter  als  hoch,  während 
das  olympische,  wie  sich  mit  Beihülfe  der  anderen  zugehörigen  Stücke  erkennen 
läßt,  quadratisch  war.1 

Über  die  Deutung  kann  jetzt,  nachdem  die  vollständige  Komposition  vorliegt, 
kein  Zweifel  bestehen.  Ein  Greis,  der  einen  jugendlichen  Helden  anfleht  um  den 
Toten,  der  auf  der  Erde  liegt,  kann  nur  Priamos  sein,  der  unglückliche  Vater,  der  185 
zu  dem  grimmen  Achilleus  fleht,  ihm  die  Leiche  seines  Hektor  herauszugeben; 
doch  nicht  allein  konnte  er  das  Zelt  des  Mörders  so  vieler  seiner  Söhne  aufsuchen; 
der  geleitende  Gott  Hermes  führte  ihn  sicher  dahin;  ihn  erkennen  wir  in  der  bärtigen 
Gestalt  rechts  mit  dem  Heroldstabe  in  der  Linken.  Zwar  könnte  man  in  derselben 
auch  den  Herold  Idaios  sehen  wollen,  den  Priamos  in  der  Ilias  als  einzigen  Be- 
gleiter aus  Troja  mitnimmt.  Doch  dagegen  spricht  zunächst  die  Erscheinung  der 
Figur,  die  durchaus  kein  Greis  ist  wie  Idaios  (yegtor  II.  24,  368),  und  ihre  Nacktheit 

1  Siehe  Bronzefunde  von  Olympia  S.  91  [oben  S.  409.  Ein  drittes  Exemplar  von  der 
Akropolis  in  Athen  siehe  Athen.  Mitt.  1895  S.  478.  A.  de  Ridder,  De  ectypis  quibusdam  aeneis 
S.  10]. 


Hektors  Lösung. 


paßt  gewiß  besser  zu  dem  Gotte  als  dem  Herold  der  Wirklichkeit.  Eine  genaue 
Übereinstimmung  mit  Homer  wird  übrigens  weder  durch  die  Annahme  des  Hermes 
noch  durch  die  des  Idaios  erzielt;  denn  jener  verläßt  in  der  Ilias  den  Priamos, 
nachdem  er  ihn  sicher  in  den  Hof  des  Achilleus  geleitet  hat  (v.  468);  Idaios  aber 
wird  von  Priamos  im  Hofe  bei  den  Wagen  zurückgelassen,  während  er  das  Zelt 
betritt,  und  erst  später  nach  erfolgter  Gewährung  wird  er  in  das  Zelt  geführt  (v.  577). 
Es  leuchtet  indess  ein,  wie  ungleich  wichtiger  dem  Künstler,  der  auf  möglichst 
kleinem  Räume  den  ganzen  Inhalt  der  Handlung  darzustellen  hatte,  die  Figur  des 
Hermes  sein  mußte  gegenüber  der  unwesentlichen  Gestalt  des  Idaios;  denn  jener 
repräsentiert  die  ganze  göttliche  Leitung  des  Vorganges,  den  Willen  des  Zeus,  der 
bereits  Thetis  zu  Achill  geschickt  hat,  um  ihn  zu  erweichen,  der  Priamos  auffordern 
ließ  und  ihm  Hermes  als  Geleiter  und  Beschützer  sandte. 

Und  unserm  Künstler  ist  es  in  der  Tat  gelungen,  den  wesentlichen  Inhalt  jener 
einzig  schönen  Schilderung  von  Hektors  Lösung  im  letzten  Gesänge  der  Ilias, 
deren  Kenntnis  wir  bei  ihm  hier  voraussetzen  wollen,  aufs  engste  zusammengezogen 
wiederzugeben.  Freilich  mußte  er  sich  hierzu  von  dem  Detail  der  dichterischen 
Schilderung  emanzipieren  und  seine  Darstellung  deckt  sich  denn  auch  mit  keinem 
bestimmten  Momente  in  jener.  Zunächst  sah  er  von  jeder  Andeutung  des  Lokales 
als  unwesentlich  ab;  den  Achill  läßt  er  nicht  zu  Hause  in  seinem  Zelte  nach 
vollendetem  Mahle  sitzen,  wie  der  Dichter,  sondern  er  stellt  ihn  einfach  als  jugend- 
lichen Helden  nackt  und  mit  dem  Speere  bewaffnet  hin;  die  Lanze  gehört  zu  seiner 
kriegerischen  Natur,  nicht  zur  momentanen  Situation.  Der  tote  Hektor  liegt  zu 
seinen  Füßen,  während  er  im  Epos  natürlich  abseits  gedacht  wird,  wo  Achill  ihn 

y.nyi  (v.  17)  hat  liegen  lassen.  Für  Priamos  hat  der  Künstler  nicht  ein  stürmisches 

Herankommen,  Umfassen   der  Kniee,   Küssen  der  Hände  oder  Wälzen   vor  den 

Füßen  des  Achilleus,   sondern   das  aus  der  einfachsten  und  dem  Griechen  doch 

186  deutlichsten  Bewegung  des  Anflehens  bestehende  Motiv,  das  Berühren  des  Kinns 

gewählt    Übrigens  wird  auch  dieses  im  Epos  erwähnt,  da  Priamos  von  sich  sagt 

-  d' IXeeivöxegds  neg  lti\r\v  ')'  6V  ovtico  zie  im%&6vios  [~1<j<>to^  äXXog,  /  ävdgds 
7uudo<p6vou)  Tim)  nrö/Ki  -/ho  ög&yt nlhu.  Der  alte  König  ist  als  Greis  deutlich 
charakterisiert  durch  die  Glatze  und  die  gebeugte  Haltung;  er  steht  vorgebückt 
und  stützt  die  Linke  fest  auf  einen  Stock,  wie  ihn  auch  der  Gesang  des  Epos 
(v.  247)  mit  einem  oxtjndviov  ausgestattet  denkt.    Erträgt  den  langen  Chiton  wie 

dem  alten  Manne  und  Könige  geziemt;  ein  schalartiger  schmaler  Mantelstreif 

fällt  ihm  über  rechte  Schulter  und  linken  Unterarm  herab.  Ob  auf  dem  olympischen 

Relief  auch  dieses  Detail  der  Gewandung,  abgesehen  von  der  durch  das  flachere 

Relief  mitgebrachten  Verschiedenheit,  übereinstimmte,  ist  bei  dem  Zustande  des- 

kaum  mehr  zu  konstatieren. 

Die  Bewegung  der  nach  unten  ausgestreckten  rechten  Hand  des  Achilleus  ist 

wohl  als  Andeutung  der  Gewährung  zu  fassen,  die  er  dem  Flehen  des  Greises 

läßt,  als  Ausdruck  des  Freigebens  des  vor  ihm  liegenden  Leichnams. 


Hektors  Lösung.  427 


Der  Künstler,  der  die  ganze  Sage  aufs  kürzeste  zusammengefaßt  darstellen  wollte, 
durfte  diesen  wichtigsten  Moment,  den  Höhepunkt  und  Kern  der  Handlung  nicht 
unangedeutet  lassen.  Zwar  daß  der  Held  gerührt  wurde  durch  den  Anblick  des 
gebeugten  Greises  —  oiyrslgcov  nohöv  ts  xagr)  tioXiöv  ts  yevetov,  wie  der  Dichter 
von  Achill  sagt  (v.  515)  —  dies  konnte  der  Beschauer  allein  aus  der  Gegenüber- 
stellung der  beiden  Figuren  erraten;  doch  welchen  Erfolg  dies  haben  werde,  mußte 
zu  sehen  sein.  An  dem  räumlichen  Nebeneinander  zeitlich  verschiedener  Momente 
stieß  sich  die  archaische  Kunst  bekanntlich  gar  nicht.1 

Die  erhobene  Rechte  des  von  rechts  herankommenden  Hermes  werden  wir 
wohl  als  mahnende,  auffordernde  Bewegung  fassen  müssen;  er  ist  der  Bote  des 
Zeus,  er  erinnert,  daß  Achilleus  nicht  J/ös  äXhrjzat  e^perjudg.  Natürlich  ist  auch 
dieses  Eintreten  des  Hermes  nur  zu  erklären  aus  jenem  Streben  des  Künstlers, 
alles  zu  geben. 

Unsere  Darstellung  der  "Ey.xoooQ  Xvxga  ist  ohne  Zweifel  die  älteste,  die  wir 
besitzen.  Auf  den  attischen  Vasen2  finden  wir  eine  von  derselben  durchaus  ver-  187 
schiedene;  sie  erscheint  jedoch  erst  in  der  letzten  Phase  der  schwarzfigurigen 
Technik,  die  nicht  älter  ist  als  der  streng  rotfigurige  Stil,  dem  die  bedeutendsten 
Exemplare  dieses  Typus  angehören.  Von  einem  Zusammendrängen  auf  möglichst 
engen  Raum  wird  hier  abgesehen;  vielmehr  wird  die  Andeutung  des  Epos,  daß 
Achill  eben  die  Mahlzeit  vollendet  hatte,  als  Priamos  eintrat,  in  malerischer  Breite 
zur  Darstellung  eines  in  seinem  Zelte  schmausenden  Achill  benutzt,  unter  dessen 
Kline  der  Leichnam  des  Hektor  liegt;  es  ist  die  befriedigte  Rache  des  wilden 
Helden,  die  hier  zum  Ausdrucke  kommt.  Priamos  konnte  nun  erst  heranschreitend 
dargestellt  werden;  das  Flehen,  Erweichen  und  Gewähren  kommt  hier  nicht  zur 
Vergegenwärtigung.  Die  Komposition  geht  von  anderen  Gesichtspunkten  aus  als 
die  unsrige;  sie  verzichtet  auf  Wiedergabe  des  Ganzen,  malt  aber  einen  bestimmten, 
und  zwar  einen  vorbereitenden  Moment  breiter  aus;  sie  setzt  die  Kenntnis  des 
weiteren  Verlaufes  der  Handlung  bei  dem  Beschauer  voraus  und  verweilt  um  so 
ausführlicher  bei  der  einleitenden  Szene.  Deshalb  fügt  sie  auch  allerlei  Neben- 
personen  hinzu,   die  Begleitung  des  Priamos  und  die  Umgebung  Achills.    Als 

1  Vgl.  Robert,  Bild  und  Lied  S.  14  ff. 

2  Siehe  das  Verzeichnis  von  Benndorf  (Annali  d.  Inst.  1866,  S.  246  ff.  [mit  Nachträgen 
von  Pollak,  Athen.  Mitt.  1898  S.  170]);  nur  ein  spät  schwarzfiguriges  Bild  ist  durch  Abbildung 
bekannt  (Arch.  Ztg.  1854,  Tafel  72,  3);  zwei  andere  sind  sehr  ungenügend  beschrieben  und 
gehören  vielleicht  gar  nicht  hierher.  Streng  rotfigurig  im  Stile  des  epiktetschen  Kreises  ist 
die  Schale  bei  Overbeck,  Gall.  her.  Bildw.,  Tafel  20,3  [Griech.  Vasenmalerei  II  Taf.  83]. 
Ein  Prachtstück  ist  der  Skyphos  in  Wien  (Monum.  d.  Inst.  VIII,  27  [Griech.  Vasenmalerei  II 
Taf.  84]),  der,  wenn  mich  nicht  alles  trügt,  ein  Werk  des  Brygos  ist.  Zwei  etruskische  Vasen 
(eine  etwas  ältere  Overbeck,  Gall.  Tafel  20,  2 ;  eine  späte  Connestabile,  Pitt.  mur.  di 
Orvieto  Taf.  16)  befolgen  eine  abweichende  Tradition,  indem  sie  Achill  sitzen  lassen.  — 
Der  Einfluß  der  Tragödie  (Äschylos)  ist  erst  in  der  Darstellungsweise  der  apulischen  Vasen 
nachweisbar.  Vgl.  Robert,  Bild  und  Lied  S.  18.  96. 142.  Luckenbach  im  11.  Supplement- 
bande d.  Jahrb.  f.  Philol.  S.  507  ff. 


Hektors  Lösung. 


Vorlage  für  diesen  Typus  möchte  man  ein  breiteres  Gemälde  vermuten,  dessen 
Bedingungen  ja  so  andere  waren  als  die  der  knappen,  von  engem  Rahmen  um- 
nnten  dekorativen  Flachreliefs;  seine  Erfindung  wird  der  Zeit  angehören,  da 
die  größere  Wandmalerei  sich  ausbildete,  während  unsere  Reliefkomposition  in  der 
alteren  Periode  der  noch  ausschließlich  dekorativen  Kleinkunst  entstanden  ist. 

Oberblicken  wir  das  Bildwerk  nun  als  Ganzes,  so  wird  unser  Auge  von  einer 
überraschenden  Klarheit  und  Strenge  der  Linienführung  berührt;  es  ist  nicht  nötig, 
in  Worten  diese  zu  entwickeln,  da  sie  sich  unmittelbar  aufdrängen.  Man  beachte 
nur  zum  Beispiel,  daß  die  Spitze  des  Scheitels  der  Mittelfigur  gerade  in  der  vertikalen 
Mittellinie  des  Feldes  liegt;  ferner,  wie  genau  sich  die  beiden  seitlichen  Figuren 
Achill  und  Hermes  entsprechen,  ohne  doch  eintönige  Wiederholungen  zu  sein;  sie 
setzen  beide  den  einen  Fuß  vor  und  erheben  den  einen  Arm;  sie  sind  beide  gleich 
hoch,  und  die  straffen  eckigen  Linien  ihrer  aufrechten  Figuren  dienen  als  strenger 
Rahmen  zu  der  niedrigen  Gestalt  und  den  weicheren  Umrissen  des  gebeugten 
Priamos  in  der  Mitte.  In  die  Lücken  des  unteren  Teiles  des  Bildes  schiebt  sich 
die  Gestalt  des  Hektor  trefflich  ein;  seine  emporgezogenen  Kniee  füllen  den  Raum 
zwischen  Achill  und  Priamos  und  seine  Hand  tritt  wieder  in  den  Zwischenraum 
seiner  Beine.  Es  wäre  freilich  natürlicher  gewesen,  die  Leiche  mit  gestreckten 
Beinen  zu  bilden,  doch  ist  es  einleuchtend,  wie  künstlerisch  ungünstig  dies  gewirkt 
hätte.  Charakteristisch  ist  aber  wieder,  wie  einfach  klar  und  straff  der  Körper 
gelegt  ist,  in  rechtem  Gegensatze  zu  den  auf  archaischen  Vasen  bei  den  Toten  so 
beliebten  Verschränkungen. 

Die  Herkunft  des  olympischen  Reliefs  —  bei  welchem  der  Fundort  schon 
peloponnesischen  Ursprung  als  das  wahrscheinlichste  bezeichnete  —  ist  durch 
eine  Inschrift,  die  ich  auf  einem  anderen,  doch  völlig  gleichartigen  Stücke  entdeckte, 
als  argivisch  ziemlich  sicher  gestellt.1  Dann  ist  es  aber  das  wahrscheinlichste, 
daß  auch  unser  Spiegel  mit  seinem  Relief  in  Argos  gefertigt  wurde.  Indess  müssen 
wir  zugeben,  daß  die  Vorlagen,  nach  denen  unsere  Metallkünstler  arbeiteten,  weiter 
verbreitet  sein  konnten  und  namentlich  dürfen  wir  für  die  alten  Zentren  von  Kunst- 
industrie der  Peloponnes,  für  das  benachbarte  Korinth  und  Sikyon,  den  Besitz 
solcher  Vorbilder  annehmen.  Nach  Korinth  deutet,  wie  es  scheint,  die  eigentümliche 

1  Siehe  Bronzefunde  von  Olympia  S.  92  [oben  S.  410];  Ausgrabungen  von  Olympia  IV, 
S.  19  (Olympia  IV,  699];  die  Form  des  Lambda,  auf  dem  die  Zuteilung  beruht,  ist  bis  jetzt 
bekanntlich  nur  in  Argos  und  dem  von  dort  kolonisierten  Rhodos  nachgewiesen.  (Letzteres 
jetzt  aufgeben,  vgl.  Dümmler,  Kleine  Schriften  III  S.  212.)  —  Milchhöfers  Angabe  (Anfange 
der  KunM  S.  184  Anm.  2),  die  Gattung  dieser  Reliefs  fände  sich  in  Etrurien  wieder,  beruht 
auf  der  Notiz  in  meinen  Bronzefunden  von  Olympia  S.  93  (oben  S.411],  wo  ein  verwandtes, 
i  etruskisches  Relicfband  angeführt  wird,  das  mir  auf  Vorbilder  wie  die  argivischen 
Reliefs  zu  deuten  schien,  die  demnach  auch  nach  Italien  exportiert  worden  wären.  (Vgl. 
dazu  Olympia  IV  S.  101  ]  Ob  die  Reliefs  von  Dodona,  die  ich  a.a.O.  S. 91  f.  [oben  S. 409) 
als  .rmutete,  dies  wirklich  sind,  weiß  ich  nicht  anzugeben,  da  ich  sie 

noch  i  lelegi  nhelf  hatte. 


Hektors  Lösung.  429 


Form  unseres  Spiegels,  die  ich,  wie  erwähnt,  bis  jetzt  nur  in  Korinth  undNaupaktos 
nachweisen  kann;  an  letzteren  Ort  wird  die  Form  indess  gewiß  von  Korinth  ge- 
kommen sein,  dessen  Handel  und  Industrie  ja  jene  Küsten  beherrschte.  In  Athen 
finden  wir  im  fünften  Jahrhundert,  wie  uns  die  Vasenbilder  lehren,  eine  durchaus 
verschiedene  Spiegelform  gebräuchlich. 

Es  lassen  sich  indess  noch  Erwägungen  allgemeinerer  Art  anstellen,  welche 
geeignet  sind,  den  Ursprung  unseres  Reliefs  aus  der  Peloponnes,  sei  es  aus  Argos, 
Korinth  oder  Sikyon,  zu  bestätigen. 

Die  oben  geschilderte  eigentümliche  Kompositionsart,  das  Zusammendrängen 
der  Handlung  auf  engsten  Raum  und  die  Konzentration  auf  das  Wesentlichste,  der  189 
streng  symmetrische  Aufbau  der  Gruppe,  die  möglichst  einfachen  abgemessenen 
und  eckigen  Bewegungen  der  Figuren  —  alles  dies  scheinen,  soweit  unsere  be- 
schränkte Kenntnis  ein  Urteil  zuläßt,  Eigenschaften,  welche  jene  alte  dekorative 
Reliefkunst  der  Peloponnes,  die  im  Kypseloskasten  ein  uns  durch  Beschreibung 
bekanntes  Prachtstück  schuf,  in  besonderem  Maße  ausgezeichnet  haben.  Während 
die  älteste  dekorative  Kunst  nur  lose,  breite  friesartige  Kompositionen  kennt,1  so 
sind  diese  am  Kypseloskasten  bereits  in  der  Minderzahl  und  auf  gewisse  Stellen  be- 
schränkt, wo  sie  den  dekorativen  Zweck  fortlaufender  Bänder  erfüllen,  während  sich 
anderwärts  jener  Reichtum  von  einzelnen  Bildern  entfaltet,  welche  in  prägnantester 
Fassung  den  Kern  einer  mythologischen  Handlung  darstellen;  sie  waren  wahr- 
scheinlich von  ornamentalen  Rahmen  umspannt  wie  die  argivischen  Bronzereliefs.2 
Daß  ein  guter  Teil  der  Typen  der  altattischen  Vasen  auf  Vorbilder  dieses  pelo- 
ponnesischen  Kunstkreises  zurückgeht,  hat  man  gewiß  mit  Recht  erkannt;  wir  finden 
in  ihnen  die  geschilderte  Kompositionsart  häufig  wieder;  ich  erinnere  nur  an  jene 
beliebten  Typen  der  verschiedenen  Heraklestaten,  Peleus  und  Thetis,  Menelaos 
und  Helena,  Aias  und  Kassandra,  Neoptolemos  und  Priamos,  die  Zweikampfsbilder, 
den  Rüstungs-  und  Abschiedstypus  der  Helden  zwischen  Vater  und  Mutter  usw. 
Es  sind  immer  zwei  oder  drei  Figuren,  zwischen  denen  die  Handlung  sich  abspielt; 
eine  vierte  und  fünfte  werden  zuweilen  als  nah  beteiligte  Zuschauer  zugefügt. 
Auch  handlungslose  Typen,  wie  Apoll  zwischen  Leto  und  Artemis,  Dionysos 
zwischen  zwei  Silenen  oder  Nymphen  werden  nach  diesem  Vorbilde  gestaltet. 

Im  Gegensatze  hierzu  zeigen  die  chalkidisch-ionischen  Vasen  eine  entschiedene 
Vorliebe  für  die  ältere  breitere  friesartige  Behandlung  der  Stoffe,  und  auch  wo  ihre 
Typen  sich  mit  den  oben  geschilderten  berühren,  unterscheiden  sie  sich  durch  eine 
lebendigere  Auffassung,  die  sich  nicht  in  so  eng  gemessene  Grenzen  einschnüren 
läßt,  die  da  zum  Überquellen  neigt,  wo  dort  straffes  Zusammenfassen  herrscht. 
Daneben  aber  sind  als  Gegensatz  hier  die  wappenhaften  Typen  noch  besonders 

1  Vgl.  den  homerischen  und  hesiodischen  Schild;  die  figürlichen  Darstellungen  der 
„mykenischen",  der  „Dipylon"  und  anderer  ältesten  Vasengattungen;  die  von  Löschcke, 
Arch.  Ztg.  1881,  S.  49  besprochenen  Typen,  die  alle  „parataktisch"  komponiert  sind. 

2  Vgl.  was  ich  Arch.  Ztg.  1882,  S.  200  bemerkte.   [Meisterwerke  S.  728.] 


430  Hektors  Lösung. 


beliebt,  das  heißt  streng  symmetrische  Gegenüberstellungen,  aber  ohne  Bedeutung 
und  Handlung;  man  kann  diesen  Wappenstil,  der  im  Orient  seine  vollste  Entwicklung 
190  gefunden  hatte  und  in  der  ionischen  Kunst  so  fest  saß,  als  eine  Vorstufe  zu  der 
oben  geschilderten  ansehen,  die  wir  die  metopenartige  nennen  möchten  und  die 
Bedeutung  mit  der  Strenge  des  Aufbaus  vereinigt. 

Besonders  wichtig  sind  uns  in  diesem  Zusammenhange  einige  in  Korinth  ge- 
fundene Goldplättchen  des  Berliner  Antiquariums; l  die  auf  denselben  erscheinende 
Komposition  von  Theseus'  Kampf  mit  dem  Minotauros  im  Beisein  der  Ariadne 
hat  die  größte  Verwandtschaft  mit  der  unseres  Reliefs  und  zeigt  dieselben  wesent- 
lichen Eigenschaften.  Im  Gegensatze  zu  dem  von  einer  chalkidischen  und  alt- 
attischen Vasen  bekannten  lebhaft  bewegten  Schema  des  Minotaur  steht  derselbe 
hier  gerade  aufrecht,  dem  Theseus  parallel;  dieselbe  gemessene  Strenge  der  Be- 
wegungen, dasselbe  Konzentrieren  der  Handlung  in  dem  quadratischen  Felde  wie 
auf  unseren  Bronzereliefs.  Dagegen  ist  der  Stil  jener  Goldplättchen  entschieden 
älter  als  der  der  letzteren.  Auf  jenen  finden  sich  nun-  sowohl  in  der  Tracht,  als 
besonders  dem  Gesichtstypus  der  Figuren,  wie  es  scheint,  Hinweise  auf  Kreta, 
wenn  nicht  als  Entstehungsort,  so  doch  als  den  Platz,  von  dem  die  Vorbilder  sich 
nach  Korinth  verbreiteten.  Diese  Spuren  würden  aber  vortrefflich  mit  der  Tradition 
stimmen,  wonach  die  dädalische  Kunst  sich  von  Kreta  nach  der  Peloponnes  ver- 
breitete und  gerade  bei  Korinth  in  Sikyon  eine  Hauptstätte  fand;  nur  von  den 
Künstlern,  welche  die  alte  Kunst  des  Holzschneidens  und  des  getriebenen  Metalles 
auf  Rundwerke  übertrugen,  sind  uns  einige  namentlich  überliefert;  die  Verbreitung 
der  dekorativen  Reliefkunst  knüpft  sich  an  keine  Namen,  und  doch  hat  auch  sie 
gewiß  ihre  bestimmte  schulmäßige  Entwickelung  gehabt.  Wir  dürfen  ihre  Blüte 
in  den  besprochenen  Bronzereliefs  erkennen,  deren  schönstes  bis  jetzt  bekannte 
Exemplar  das  von  uns  hier  veröffentlichte  ist 

Daß  in  den  uns  erhaltenen  archaischen  sog.  Apollostatuen  lokal  differenzierte 
Übertragungen  in  Marmor  nach  einem  von  Kreta  gekommenen  Typus  der  sog. 
Dädalidenschule  zu  erkennen  sein  möchten,  ist  früher  von  mir  vermutet  worden.3 

Wie  auffallend  ähnlich  ist  aber  der  Stil  gerade  der  zwischen  Korinth  und 
Argos,  bei  Tenea  gefundenen  bekannten  Statue  jener  Art  und  dem  unseres 
Bronzereliefs!4  Der  Achill  und  Hermes  stehen  so  da,  wie  jener  „Apoll",  mit 
vorgesetztem  linken  Beine;  ihre  Proportionen  stimmen  ebenfalls  mit  dem  letzteren 
iberein;  die  Haare  im  Nacken  sind  hier  und  dort  dieselben/'  das  Profil  sehr  ähnlich; 
vor  allem  gleichartig  ist  aber  die  Behandlung  der  Beine  mit  der  übertriebenen,  aber 

'  Aren.  Zt«.  1884,  Tafel  8. 

Ic  ich  in  meiner  Besprechung  derselben  (Arcli.  Ztg.  1884  S.  106)  erwähnt  habe. 
h.  Ztg.  \HH2,  S.55.  [Meisterwerke  S.712.] 
'  [Beschreibung  der  Glyptothek  Nr.  47.] 

benden  I  laarspitzen  des  Achill  sieht  man  oft  in  gleicher  Weise  aul 
:  und  Plnakea  auch  auf  altattischen  zuweilen,  wie  auf  der  Francols- Vase. 


Hektors  Lösung.  432 


richtigen  Hervorhebung  der  Muskeln,  den  sorgfältigen  dünnen  Knieen  und  Knöcheln ; 
daneben  das  relative  Ungeschick  in  Wiedergabe  desMittelkörpers,  das  namentlich  in  den 
Wülsten  auf  dem  Leibe  des  Hektor  hervortritt.  Dagegen  ist  die  Charakteristik  des  Greises 
an  Priamos,  sowie  der  lebendige  Ausdruck  seines  Kopfes  mit  dem  etwas  geöffneten 
Munde  eine  Leistung,  die  wirinnerhalb  der  Grenzen  dieser  Kunst  kaum  erwarten  durften. 
Das  Interesse  unseres  Reliefs  ist  mit  diesen  Andeutungen  natürlich  nicht 
erschöpft.  Nur  einen  Punkt  wollen  wir  noch  berühren,  das  Verhältnis  des  Kunst- 
werks zu  seiner  Quelle,  der  Sage.  Wir  haben  bei  unserer  Beschreibung  oben 
ohne  weiteres  angenommen,  daß  der  Darstellung  die  Ilias  zu  Grunde  liege,  so  wie 
wir  dieselbe  besitzen.  Es  fragt  sich  indess,  ob  der  Künstler  die  Schilderung  der 
Ilias  selbst  kannte  oder  ihm  nur  der  Hauptinhalt  der  Sage,  die  Lösung  Hektors, 
bekannt  war.  Es  wäre  dies  zu  wissen  interessant  für  die  Entscheidung  der  Frage, 
ob  dem  Kunstkreise,  dem  wir  unser  Relief  zugeschrieben  haben,  das  homerische 
Epos  geläufig  gewesen  sei.1  Wir  sahen  oben,  daß  man  eine  genaue  Kenntnis  der 
Ilias  bei  dem  Künstler  voraussetzen  kann  und  alle  Abweichungen  von  der  Dichtung 
sich  leicht  erklären  aus  künstlerischen  Gründen,  aus  dem  Haften  der  archaischen 
Kunst  an  den  ihr  eigenen  Typen,  an  ihrer  eigenen  Ausdrucksweise.  Indess  die 
Notwendigkeit  der  direkten  Abhängigkeit  vom  Epos  können  wir  schwerlich  be- 
weisen, und  es  konnte  auch  die  von  der  uns  vorliegenden  dichterischen  Form 
unabhängige  Volkssage  die  vermittelnde  sein.  Allerdings  erscheint  mir  letzteres 
weniger  wahrscheinlich;  denn  die  Geschichte  von  der  Lösung  des  Leichnams  des 
Hektor  hat  schon  nichts  von  jenen  drastischen  Zügen,  wie  sie  die  Volkssage  liebt 
und  überall  verbreitet;  sie  scheint  vielmehr  ein  individuell  dichterisches  Erzeugnis, 
das  auch  nur  in  dem  vom  Dichter  gegebenen  Gewände  fortlebt.  Auch  gehört  ja 
der  Gesang  der  "Exxoqoq  Xvroa  zu  den  späteren  Partien  der  Ilias.  Dann  weist 
doch  auch  die  Figur  des  Hermes  unseres  Reliefs  auf  Kenntnis  des  Epos;  denn 
die  Kunstsitte  Hermes  allenthalben  in  die  Darstellungen  der  Sage  einzuführen, 
nur  um  zu  zeigen,  daß  Zeus'  Wille  geschehe,  gehört  erst  der  späteren  Zeit  an.  — 
Es  sind  uns  meines  Wissens  noch  zwei  Bildwerke  altkorinthischer  Kunst  bekannt,  192 
die  ihren  Stoff  der  Ilias  entnehmen;  das  eine  ist  die  Szene  des  Kypseloskastens,  wo 
Agamemnon  gegen  Koon  über  Iphidamas  kämpft  nach  der  'Ayaiiejuvovog  äoiozela, 
das  andere  ein  leider  fragmentierter  korinthischer  Pinax,'2  wo  Diomedes,  wie  in  der 
JioLi)]dovg  äoioTEia,  unter  Athenas  Schutz  kämpft  über  dem  gefallenen  Pandaros, 
wahrscheinlich  gegen  Aineias.3  Die  beiden  Fälle  schildern  je  eine  Haupttat  der 
Helden  von  Argos  und  es  konnte  hier  allerdings  wohl  die  einheimische  Sage, 
nicht  die  Ilias  die  Quelle  gewesen  sein. 

1  Vgl.  Löschekeim  Dorpater  Universitäts-Programm  1880,  S.  6. 

2  Siehe  meinen  Berliner  Vasenkatalog  Nr.  764. 

3  Daß  am  amykläischen  Throne  eine  Szene  vorkam,  deren  Stoff  aus  demselben  letzten 
Gesänge  der  Ilias  genommen  scheint,  aus  dem  unser  Relief  stammt,  nämlich  die  Tgäsg 
em(pioovx£<;  xoag  "Ey.iooi,  lassen  wir  hier  unberücksichtigt,  da  der  Künstler  jenes  berühmten 
Werkes  aus  dem  ionischen  Kleinasien  stammte. 


Ml  K TORS    LÖSUNG. 


Was  uns  die  Entscheidung  in  diesen  Fragen  so  schwer  macht,  ist  die  typische 
Behandlungsweise  der  archaischen  Kunst,  die  das  Individuelle  möglichst  ausschließt. 
In  unserm  Fall  speziell  haben  wir  gesehen,  wie  der  Künstler  einen  ihm  geläufigen  alten 
Typus  zu  den  Gestalten  des  Achill  und  Hektor  verwendet;  dagegen  läßt  uns  die  spätere 
Darstellungsweise,  wo  Achill  beim  Mahle  liegt,  keinen  Zweifel  an  der  genauen  Ilias- 
kenntnis  ihres  Schöpfers.  Selbst  das  Hauptmotiv  unserer  Reliefs,  das  Anflehen  einer 
stehenden  Figur  durch  Berühren  des  Kinns,  war  vielleicht  ein  schon  fertiger  Typus, 
Acn  der  Künstler  benutzte;  der  Henkel  eines  Buccherogefäßes  ist  mit  dem  Ausschnitt 
einer  alten  Reliefkomposition  geschmückt,  die  jenen  Typus  darstellte; !  ein  bärtiger 
Mann,  der  nach  rechts  steht,  wird  von  einer  anderen  Gestalt  durch  Anfassen  des  Kinns 
angefleht;  da  es  der  Raum  des  Henkels  nicht  erlaubt,  wurde  diese  zweite  Figur  leider 
\\  eggelassen.  Wie  eine  andere  auf  Buccherogefäßen  öfter  wiederholte  Gruppe  eines 
Mannes  mit  einer  Frau  den  älteren  allgemeinen  Typus  für  mehrere  späterhin  indivi- 
dualisierte mythologische  Szenen  zu  enthalten  scheint,'-'  so  könnte  auch  jener  Typus 
des  Anflehens  existiert  haben,  bevor  er  auf  Priamos  und  Achill  übertragen  wurde. 

Doch  wie  dem  auch  sei,  die  Betrachtung  des  griechischen  Spiegels,  den  wir 
hier  veröffentlicht,  war  nicht  ohne  erfreuliche  Ergebnisse;  seine  Gestalt  und  die 
Art  seines  Schmuckes  war  uns  neu  und  lehrte  uns  eine,  wie  es  scheint  namentlich 
193  von  Korinth  aus  verbreitete,  altertümliche  Spiegelgattung  kennen;  sein  Relief  bot 
die  willkommene  Ergänzung  eines  interessanten  Denkmales  aus  Olympia;  es  war 
uns  dies  ferner  durch  Komposition  und  Stil  ein  hervorragend  schönes  Muster  für  die 
Eigenart  der  archaischen  Reliefkunst,  wie  sie  sich  in  der  nordöstlichen  Peloponnes 
ausgebildet  hatte  und  welche  die  verschiedensten  mythologischen  Stoffe  in  ihren 
Kreis  zog,  alle  in  verwandter  Weise  behandelnd,  womöglich  mit  Benutzung  alter 
schon  fertiger  Typen.  Wir  lernten  in  dieser  Kunstgattung  neben  aller  naiven 
Deutlichkeit  und  Lebendigkeit  der  Auffassung  doch  ernste  Zucht  und  Strenge  als 
die  Haupteigenschaft  ihres  Stiles  kennen,  wie  diese  es  auch  waren,  die  späterhin 
die  Werke  der  peloponnesischen  Kunstschule  vor  allen  auszeichneten. 

1  Abgebildet  bei  Heibig,  Das  homerische  Epos,  1884,  S.  166  [1887  S.242];  beschrieben 
in  meinem  Berliner  Vasenkatalog  Nr.  1615.  Es  ist  ein  Stück  von  gewöhnlicher  Buccherotechnik, 
durchaus  ohne  jenen  .grünlichen  Firnis",  den  ihm  Heibig  a.  a.  O.  zuschreibt. 
Siehe  Milchhöfcr,  Anfänge  der  griechischen  Kunst  S.  187. 189. 


BRONZI  ARCAICI  PROVENIENTI  DALLA  QRECIA 

(ANNALI  DELL'INSTITUTO  52,  1880  TAV.  D'AGG.  F— I  [=  Taf.  13.  14  und 

Fig.  1.  2].) 


disegni  riprodotti  nelle  tavole  d'aggiunta  F  [hier  Fig.  1  u.  2]  e  G  118 
[Taf.  13]  sono  giä  stati  presentati  ad  un'  adunanza  del  nostro  Istituto 
neu'  anno  1875  dal  eh.  sig.  Heibig,  al  quäle  furono  gentilmente  re- 
galati  dal  sig.  Faccioli,  architetto  bolognese.1  A  pubblicarli  ed  illustrarli  adesso 
m'induce  la  luce  nuova  che  credo  di  potervi  spargere  applicando  i  resultati  degli 
seavi  recentissimi  d'Olimpia. 

Parliamo  in  primo  luogo  dei  due  grandi  cerchi  della  tav.  F  [Fig.  1.  u.  2]. 
Essi  non  hanno  a  fare  in  verun  modo  con  ornamenti  da  cavallo,  come  si  era 
supposto  prima,2  perche  gli  seavi  d'Olimpia  del  quarto  anno  (1878—79)  hanno 
reso  indubitabile  il  fatto  che  codesti  cerchi  servivano  da  manubri  a  tripodi 
votivi.  Sono  dunque  quei  grandi  anelli  che  nelle  rappresentanze  antiche  si 
vedono  alzati  sopra  l'orlo  del  vaso  stesso,  al  quäle  erano  attaccati  con  un  altro 
manico,  che  alla  parte  inferiore  dei  nostri  cerchi  v'era  fissato  con  chiodi.3 
Parecchi  esemplari  d'Olimpia  mostrano  conservato  benissimo  anche  quel  secondo 
manico,  e  ne  ho  fatto  ineidere  uno  nella  mia  dissertazione  sopra  i  bronzi  d'Olimpia 
inserita  negli  Atti  della  reale  accademia  delle  scienze  a  Berlino  dell'anno  1879.4 
Siccome  in  quel  luogo  (p.  13 — 18  [oben  S.  347  ff.])  ho  parlato  piü  distesamente 
sopra  il  tipo  di  quei  tripodi  olimpici,  cosi  mi  limito  qui  al  piü  necessario.  119 

II  manubrio  figurato  a  destra  della  nostra  tavola  (n.  2)  [Fig.  2]  ora  si  conserva 
al  ministero  del  eulto  in  Atene  ed  e  stato  trovato,  prima  chefossero  cominciati  i  nostri 
seavi,  ad  Olimpia.5  [Unter  Fig.  2  wiederholt  nach  Olympia  IV  Taf.  33  Nr.  607a, 
A.  de  Ridder,  Bronzes  de  la  Societe  archeologique  d'Athenes  Nr.  5.  Brunn,  Griech. 
Kunstgesch.  S.  124.]    E  di  bronzo  battuto  (di  due  millimetri  di  grossezza  incirca), 

1  V.  Bull.  1875  p.  135  sg. 

2  Bull.  1875  p.  136.  Meno  fondata  ancora  era  la  supposizione  degli  archeologi  d'Atene, 
i  quali  chiamavano  specchi  quegli  oggetti. 

3  E  rotta  la  parte  dell'attaccatura  in  uno  dei  nostri  esemplari,  e  sull'altro  le  tracce 
del  secondo  manico  si  vedono  benissimo  neH'originale,  ma  non  sono  riconoscibili  nel 
nostro  disegno. 

4  Fig.  3  della  tavola  annessavi  [oben  S.  350]. 

5  Ecco  le  principali  misure:  diametro  esterno  0,35;  interno  0,213;  altezza  del  ca- 
vallo 0,95. 

A.  Furtwängler.    Kleine  Schriften  l.  28 


434 


BRONZl   ARCA1CI   PROVENIENTI   DALLA  GRECIA. 


e  da  imbedue  le  parti  vi  sono  graffiti  degli  ornamenti  geometrici,  fra  i  quali 
piimeggiano  due  zone  di  cerchi  Concentrin  riuniti  fra  di  loro  con  tangenti  oblique. 
Nel  bd  mezzo  perö  si  trova  una  zona  composta  di  quattro  linee  a  zigzag,  la 
quäle  vien  divisa  dalle  altre  per  mezzo  di  due  strisce  minute  con  un  ornamento 
d'intrecdatura  semplicissimo,  identico  a  quello   che  in   proporzioni   un   po'   piü 

grandi  chiude  di 
sopra  e  di  sotto  la 
composizione  in- 
tern. AI  disopra  del 
cerchio  e  inchioda- 
to  un  cavallo  d'arte 
primitiva,  lecui  for- 
me sono  disegnate 
quasi  geometrica- 
mente, l  del  quäl 
tipo  del  resto  abbi- 
amo  trovato  mol- 
tissimiesemplariad 
Olimpia. 

Da  un  cavallo  si- 
mile  e  sormontato 
anche  l'altro  nostro 
manubrio2  (n.  1 
[Fig.  1]),  del  quäle 
perö  la  teenica  e 
molto  diversa  da 
quella  del  primo, 
essendo  egli  di 
bronzo  fuso  e  gli 
ornamenti  lavorati 
a  traforo.  Anche 
qui  vediamo  i  me- 
desimi  cerchi  con- 
centrici,  ma  le  tan- 
genti formano  fra  di  loro  una  linea  a  zigzag,  il  quäle  ultimo  ornamento  e  anche 
quello  della  striscia  superiore.  La  provenienza  di  questo  pezzo,  disegno  in 
gnndezzi  metä  del  vero  [hier  ca.  l/«]i  pur  troppo  non  si  puö  costatare;  esso  si 
trova  nel  Museo  della  societä  archeologica  in  Atene  ove  fu  comprato  presso  im 
inte  d'antichitä  [A.  de  Ridder  Nr.  6).    La  supposta  provenienza  da  Chalkis, 

1  II  quäl  carattcre  t  piü  evidente  nell'originalc  che  non  nel  disegno  da  noi  riprodotto. 
;>lari  d*Olimpia  sono  sormontati  o  da  uccelli  primitivi  o  da  un  capo  dl  bove. 


I 


Fig.  1. 


BRONZI  ARCA1CI  PROVENIENTI  DALLA  GRECIA. 


435 


datagli  (con  punto  interrogative»  perö)  nel  Bull.  1.  c,   pare  che  non  abbia  aleun 
fondamento.1 

Un  altro  pezzo  di  quello  stesso  museo,-  mentovato  nel  Bull.  1.  c.  p.  136,  n.  2 
come  incrostazione  con  ornati  a  zigzag,  la  quäle  avrebbe  originalmente 
coperto  un  pilastrino,  in  veritä  non  e  altro  che  il  piede  di  un  tripode  dello 
stesso  tipo  al  quäle  ap- 
partiene  il  manubrio  ulti- 
mamente  descritto.  E  di 
bronzo  fuso 3  e  corris- 
ponde  in  tutte  le  parti- 
colaritä  a  tanti  esemplari 
trovati  ad  Olimpia.  Nella 
sezione  trasversale  so- 
miglia  ad  una  T  cui  tutte 
etrelefacciesonoadorne 
di  ornamenti  a  zigzag 
sovrapposti  in  rilievo, 
identici  a  quelli  rappre- 
sentati  nella  tavola  della 
sopramentovata  mia  dis- 
sertazione  sotto  il  n.  4c 
[oben  S.  349],  presi  da 
un  piede  simile. 

II  concetto  princi- 
pale  della  decorazione 
delle  dette  parti  di  tri- 
podi,  vale  a  dire  i  cer- 
chi  colle  tangenti,  e 
sommamente  caratteri- 
stico  anche  per  una 
nota  classe  di  vasi 
geometrici  della  Grecia,  trovata  nelle  isole  del  mare  Egeo  sulle  coste  adiacenti.* 
Trovandosi   quel  concetto,   almeno   come  elemento  principale,  in   nessun   altro 

1  Sono  queste  le  informazioni  che  il  direttore  di  quel  museo,  il  eh.  sig.  Kumanudis, 
ha  date  al  sig.  Lolling. 

2  Inventario  dei  bronzi  del  Varvakion  n.  559  [A.  de  Ridder  Nr.  4];  la  provenienza  qui 
pure  e  ignota. 

3  Secondo  le  notizie  esattissime  favoritemi  dal  sig.  Lolling  e  lungo  0,44  ma  rotto 
almeno  nella  parte  di  sotto,  largo  0,06,  profondo  0,04.  Anche  queste  misure  sono  le 
medesime  che  si  trovano  negli  esemplari  d'Olimpia. 

4  Esemplari  pubblicati  v.  presso  il  Conze,  Zu  den  Anfängen  d.  gr.  Kunst.  Wien  1870, 
e  Annali  d.  Inst.  1872  tav.  d'agg.  K. 

28* 


Fig.  2. 


436  BRONZI   ARCAICl   PROVENIENT1   DALLA  GRECIA. 


tema  di  decorazione  geometrica,  vi  doveva  essere  una  relazione  fra  la  fab- 
bricaztone  di  quei  vasi,  propagati  come  pare  da  un  centro  solo,  e  quella  dei 
nostri  tripodi.  Disgraziatamente  di  quest'ultimi  fino  ad  ora  non  possiamo  sta- 
bilire  con  certezza  altri  luoghi  di  ritrovamento  se  non  il  sacro  recinto  d'Olimpia 
e  quello  di  Dodona;  giacche  i!  pezzo  figurato  nell'opera  del  eh.  Carapanos  sopra 
i  propri  suoi  seavi  a  Dodona,  tav.  49,  21,  pare  sia  un  frammento  di  un  manubrio 
di  bronzo  battuto  come  il  primo  nostro,  e  credo  i  pezzi  1.  c.  16 — 18,  identici  a 
tanti  altri  d'Olimpia,  provenienti  dall'incrostazione  dei  piedi  appartenenti  alla 
specie  di  tripodi  con  manubri  non  fusi  ma  battuti  e  graffiti.1 

Ma  come  l'anzidetto  gruppo  di  vasi  dipinti  non  sitrovamaiin  Italia,  cosi  anche 
i  bronzi  appartenenti  al  medesimo  sistema  di  decorazione  sono  ignoti  all'  Italia,2 
mentre  di  un'altra  gran  classe  di  bronzi,  decorati  con  altro  sistema  geometrico, 
r.ppunto  gli  seavi  d'Olimpia  hanno  mostrato  che  e  stata  comune  all'Italia  e  alla  Grecia.3 

Quanto  poi  al  tempo  al  quäle  debbonsi  ascrivere  i  nostri  tripodi,  non  puossi 
dir  altro  se  non  che  i  vasi  corrispondenti  fanno  seguito  immediatamente  al  fiore 
della  pittura  vascolare  propriamente  detta  di  Micene,  e  che  gli  Ultimi  stadii  della 
loro  fabbrieazione  paiono  giungere  fino  al  secolo  sesto  a.  C. 

Fra   le  due  specie   di   tripodi   crederei   che   quella   coi   manubri  e  piedi  di 
bronzo  battuto   e  lavorato   a  punzone  sia  piü   antica  dell'altra  di    bronzo  fuso: 
di  certo  e  la  piü  rara  fra  i  ritrovamenti  d'Olimpia. 
122  L'altra  tavola  (G)  [Taf.  13]  rappresenta  nella  parte  inferiore  in  grandezza  naturale 

una  fibula,  disgraziatamente  frammentata  a  destra,  ma  del  piü  grandeinteresse.  Fu 
dessa  trovata  nella  Beozia  a  Tebe  ed  ora  si  conserva  nel  Museo  della  societäarcheo- 
logica  d'Atene  [A.  de  Ridder  Nr.  228].  Quattro  parti  costituiscono  questa  strana 
fibula;*  l'arco  gonfiato  di  sopra,  il  pezzo  a  sinistra  che  va  restringendosi  ingiü/' 
ove  finisce  nella  spilla  stessa,  la  quäle  vien  ricevuta  dalla  parte  infima  rineurvata 
di  una  grande  lamina  sottile,  che  originalmente  doveva  essere  quadrangolare. 
La  decorazione  e  tutta  eseguita  a  punzone  con  grandissima  finezza.  Sulla  parte 
rimanente  di  questa  lamina  si  vede  ancora  la  parte  anteriore  di  un  cavallo 
disegnato  in  maniera  molto  affine  a  quella  degli  anzidetti  vasi  geometrici 
della  Grecia;  anche  il  cordone  disegnato  a  zigzag,  che  gli  pende  dalla  bocca, 
s'incontra   su   taluno    fra    i    cavalli   di   quei   vasi.'1      Tutto    il    corpo    e    coperto 

1  V.  la  sopracitata   mia   dissertazione   negli  Atti  dell'accademia   di  Bcrlino  pag.  16 
[oben  S.  350]. 

2  I.a  congettura  esternata  ncl  Bull.  1875  p.  136,  che  quei  cerchio  di  bronzo  di  Amelia 
mentovata  nel  Bull.  1864  p.  57  appartenesse  qui,  non  ha  la  menoma  probabilit;). 

1  V.  la  citata  mia  dibs.  p.  31  sg.  [oben  S.  364  ff.]. 
•  Li  majore  larghezza  trasversale  e  di  44  millimctri. 
>je  tali  pezzi  identici,   appartenenti  senza  dubbio  a  fibule  di  questo  tipo,  furono 
'Mimpia. 
l'Helbig    nel  Bull.  I.  c.    ha   confrontato   il    vaso  presso  il  Conze,  Zu  den  An- 


Bronzi  arcaici  provenienti  dalla  grecia.  437 


di  linee  orizzontali  a  zigzag,  la  quäle  particolaritä  si  osserva  pure  in  parecchi 
piccoli  cavalli  di  bronzo  dello  stesso  stile  geometrico  ritrovati  ad  Olimp  a. 
La  benda  perö,  che  gli  passa  attraverso  il  petto,  trova  la  sua  analogia  in  quella 
simile  che  si  osserva  spesse  volte  sui  cavalli  dei  noti  vasi  d'argento  con  bas- 
sirilievi  di  fabbrica  fenicia,  ritrovati  in  Cipro1  e  nelle  tombe  di  Cerea  e  Pale- 
strina.3  Gli  unici  esemplari  dello  stesso  tipo  di  fibula  che,  per  quanto  io  sappia, 
finora  si  siano  trovati,  sono  tre  di  Olimpia,  il  piü  interessante  dei  quali  fu  123 
pubblicato  da  me  sulla  tavola  dell'anzidetta  mia  dissertazione  n.  7  [oben  S.  366. 
Olympia  IV  Nr.  365];  vi  e  conservata  quasi  intera  la  lamina  quadrangolare  coi 
graffiti  finissimi,  i  quali  ne  coprono  ambedue  le  parti.  Benche  strana  assai  — 
giacche  messa  in  uso  non  si  poteva  veder  piü  di  una  faccia  di  quella  lamina  — 
la  medesima  particolaritä  distingue  la  nostra  fibula  di  Tebe.  Nella  quäle  il  signor 
Lolling,  pregato  da  me  ad  esaminarla  di  nuovo,  scorse  delle  tracce,  coperte  si 
dall'ossido  ma  ben  sicure,  di  rappresentanza  graffita  dall'altra  parte;  il  Lolling  credette 
di  potervi  ravvisare  la  poppa  di  una  nave  ed  un  oggetto  poco  chiaro  al  disotto. 

Anche  negli  altri  punti  essenziali  la  tecnica  di  queH'esemplare  d'Olimpia  e 
identica  a  quella  dei  tebano;  stranamente  perö  vi  manca  la  parte  ricurva  disotto 
per  ricevere  la  spilla;  i  quattro  lati  poi  della  lamina  non  sono  uguali,  quello  a 
sinistra  (veduto  dalla  parte  esterna)  essendo  un  poco  ricurvo.  Finalmente  l'orlo 
circondante  le  rappresentazioni  e  molto  piü  ricco  che  non  nella  fibula  tebana, 
ma  i  triangoli  che  spuntano  verso  il  mezzo  ricorrono  in  ambedue  gli  esemplari. 
Lo  stile  delle  rappresentazioni  pertanto  in  queH'esemplare  d'Olimpia  si  scosta 
di  piü  da  quello  dei  vasi  geometrici  mentovati,  mentre  almeno  la  figura  dell' 
uccello  mostra  piü  analogia  con  certi  vasi  di  Cipro.4 

Degli  altri  due  esemplari  ritrovati  ad  Olimpia,6  l'uno  non  mostra  veruna  decora- 
zione,  l'altro  e  graffito  con  meandri  della  specie  di  quelli  dei  detti  vasi  geometrici  ed 
inoltre  mostra  in  un  campo  quadrangolare  un  cervo  ferito  con  tre  lancie  nel  collo. 

II  tipo  di  fibula  in  discorso  finora  dunque  non  lo  conosciamo  che  da  Tebe  124 
e  da  Olimpia;6  ma  forse  anch'esso  come  gli  altri  tipi  di  fibule,  trovati  quasi 
identici  in  Grecia  (specialmente  ad  Olimpia),  in  Italia  e  nell'Europa  settentrionale, 
era  una  volta  sparso  piü  lontano;  e  posso  addurre  come  sostegno  di  questa 
congettura  una  fibula  trovata  nell'antica  Pannonia  e  conservata  nel  museo  di 
Agram,  la  quäle  mostra  le  stesse  quattro  parti  della  nostra  tebana,  cioe  l'arco 
bipartito,   decorato  anche  qui  con  linee  a  zigzag,  la  spilla  ricevuta  dalla  lamina 

1  Cosi  sui  cavalli  della  patera  di  Larnaca:  Longperier,  Mus.  Nap.  111  tav.  10. 

2  Tomba  di  Regulini-Galassi:  Mus.  Gregor.  I  63.  64.  66. 

3  Mon.  d.  Inst.  X  31.  33;  qui  perö  soltanto  su  pochi  dei  cavalli. 

4  Cf.  la  sopracitata  mia  dissertazione  sui  bronzi  olimpici  p.  36  [oben  S.  366]. 

5  I  quali  ritrovati  dopo  la  mia  partenza  da  Olimpia,  non  conosco  che  dalle  notizie 
favoritemi  dal  sig.  Purgold. 

6  Anche  il  eh.  Heibig  mi  ha  assicurato  di  non  aver  mai  osservato  codesto  tipo  fra 
i  ritrovamenti  d'Italia. 


438  BRONZI   ARCAICl   PROVENIENTI   DALLA  GRECIA. 

ricurva  al  disotto.  La  sola  differenza  e  che  questa  lamina  non  e  quadrangolare 
ma  triangolare,  ne  mostra  dei  graffiti  ma  un  bordo  soltanto  di  puntini  lavorati 
a  rilievo.  Senz'alcun  dubbio  perö  qui  non  abbiamo  che  una  variazione  leg- 
m  del  tipo  originale  trovato  nella  Grecia.  II  eh.  sig.  Wylie,  che  ha  reso  pub- 
blica  codesta  fibula  nei  Proceedings  of  the  society  of  antiquaries  of  London 
2  ser.  VI.  1S75,  p.  450,  non  seppe  addurre  altro  esempio  analogo  se  non  uno 
del  Museo  britannico  che  fa  parte  dell'antica  collezione  Temple  e  proviene  dal- 
l'Italia  meridionale;  esso  avrebbela  medesima  forma  e  grandezza  straordinaria.1 
Forse  queste  fibule  appartengono  ad  uno  sviluppo  piü  recente  del  medesimo 
tipo  osservato  in  Grecia,  ma  in  ogni  caso  e  sicuro,  che  con  quest'ultimo  stanno 
in  relazione  strettissima  fibule  d'Italia  e  di  Pannonia. 

I  cinque  frammenti  pubblicati  in  grandezza  naturale  nella  medesima  tavola 
125  d'agg.  G  [Taf.  13]  n.  1 — 5  possono  benissimo  essere  messi  assieme,  e  allora 
avendo  tutti  un'incurvatura  continua,  formano  una  specie  di  diadema,  frammentato 
soltanto  dalla  parte  sinistra  e  destinato  senza  dubbio  a  girare  intorno  a  qualche 
oggetto  circolare,  forse  la  testa  umana.  Fu  anch'esso  trovato  in  una  tomba  antica  di 
Tebe  e  poi  acquistato  dal  Museo  della  societä  archeologica  d'Atene  [A.  de  Ridder 
Nr.  308].  II  bronzo  sottile  mostra  a  certe  distanze  delle  bozze  circolari,  ma  il  resto 
e  graffito  colla  medesima  finezza  che  abbiamo  ammirata  nella  fibula  anzidescritta; 
tutto  il  fare  teenico  pare  lo  stesso;  e  quanto  allo  Stile  corrisponde  pure  il  cavallo 
del  diadema  a  quello  della  fibula,  corrisponde  poi  quella  particolaritä  caratteristica 
di  riempire  il  corpo  interno  di  quasi  tutti  gli  oggetti  con  linee  a  zigzag,  e  la 
maniera  di  disegnare  i  contorni  di  linee  doppie  si  trova  anche  nei  graffiti,  se 
non  della  fibula  tebana,  in  quella  d'Olimpia.  I  concetti  della  decorazione  perö 
non  appartengono  semplicemente  ad  un  sistema  geometrico,  ma  sono  composti 
da  elementi  diversi. 

La  croce,  che  pare  d'aver  distinto  il  bei  mezzo  della  composizione,  non 
tanto  per  la  forma  generale,  trovata  anche  altrove,  quanto  per  la  particolaritä 
di  essere  riempita  da  linee  oblique,  si  mostra  come  desunta  proprio  dal  sistema 
>metrico  di  quei  vasi  greci  detti  del  Dipylon. 
Da  ambedue  le  parti  di  questa  croce  si  stendono  fregi  di  animali  e  di  uomini, 
in  modo  perö  che  la  parte  sinistra  confrontata  con  quella  a  destra  sta  capo- 
volta,  la  quäle  stranezza  forse  si  spiegava  dall'uso  dell'oggetto;  perö,  se  era 
realmente  un  diadema,  non  ne  trovo  spiegazione  aleuna. 

la  composizione   poi  dei  due  fregi  invano  si  cercherebbe  la  legge  della 

simmetria;  anzi  alla  rinfusa  vi  sono  posti  gli  animali,  gli  uomini  ed  il  bastimento, 

/a  relazione  visibile  fra  gli  elementi  diversi;  cosl  p.e.  l'uomo  a  sinistra  della 

e,   che   vibra   una   lancia   od   un   bastone,   e   isolato   senza  avere  oggetto  o 

persona  avversaria;  lo  stesso  vale   per   l'altra  figura   umana,   ed  anche  il  leone 

1  La  lunghezza  m  dicc  che  sia  di  un  piede  Ingtett.    [Athen.  Mitt.  1887  S.  18,2.] 


Bronzi  arcaici  provenienti  dalla  grecia.  439 


non  attacca  per  niente  l'uccello  che  gli  sta  avanti,  ma  come  i  pesci  di  dietro,  cosl 
l'uccello  davanti  vi  sono  posti  senza  relazione,  per  mero  caso,  Con  questa  e  con- 
giunta  l'altra  particolaritä,  che  cioe  dovunque  il  permetteva  lo  spazio,  sono  posti 
due  o  tre  animali,  l'uno  sopra  l'altro,  senza  un  suolo  comune,  ove  starebbero  tutti. 

Fra  gli  animali  non  soltanto  i  cavalli,  ma  anche  i  pesci  appartengono  al 
ciclo  di  animali  prediletti  negli  anzidetti  vasi  geometrici,  ove  perö  non  apparis- 
cono  che  per  riempir  lo  spazio  specialmente  sotto  i  cavalli,1  non  in  fregi  liberi, 
come  qui.  Vi  appartengono  anche  gli  uccelli  a  colli  lunghi,  i  quali  perö  non 
in  fila,  come  generalmente  sopra  quei  vasi,  ma  sparsi  qua  e  lä  compariscono 
per  riempire  gli  spazi  liberi;  lo  stesso  tipo  e  posto  in  alto  o  in  basso  senz' 
essere  modificato,  sieche  molti  paiono  volare  senza  avere  perö  le  ali  aperte. 

Anche  il  bastimento  e  un  concetto  favorito  fra  quei  vasi,  benche  non  vi 
si  trovi  in  senso  meramente  decorativo,  come  sul  nostro  diadema,  e  come  pare 
anche  sul  rovescio  della  nostra  fibula  tebana.  Quanto  alla  forma  giä  l'Helbig2 
aveva  osservato  che  essa  corrisponde  in  generale  a  quella  delle  navi  sopra  i 
detti  vasi  (Mon.  d.  Inst.  IX,  tav.  40), 3  ma  vi  sono  delle  differenze,  le  quali  sgra-  127 
ziatamente  sembrano  sconosciute  anche  altrove.  Giacche,  mentre  e  indicato 
anche  qui  un  mezzo  ponte  attaccato  alla  prora,  il  prolungamento  di  quest'ultima 
non  ha  ne  la  forma  ricurva  di  quei  vasi,  ne  quella  di  un  palo  retto,  come  sui 
vasi  attici  a  figure  nere,  ma  una  forma  nuova  angolare.  Inoltre  la  poppa  non 
ha  quella  semplice  forma  semicircolare  ovvia  su  tutti  gli  altri  monumenti,  ma 
mostra  un  angolo  acuto.  Accordandosi  perö  tutte  le  particolaritä  essenziali  colle 
navi  dei  vasi  geometrici,  crederei  che  quelle  forme  angolose  sul  nostro  diadema 
sono  piuttosto  cagionate  dalla  maniera  stilistica  del  disegno  che  da  diversitä  reali 
nella  forma  del  bastimento. 

Domandiamo  ora,  quäl  sia  il  porto  storico  di  questo  tipo  di  navi.  II  monu- 
mento  piü  antico  che  ci  rappresenti  il  tipo  generale  della  nostra  nave,  cioe  una 
nave  la  cui  prora  finisce  in  un  rostro  in  forma  di  una  punta  semplice,  e 
un  basso  rilievo  assiro  del  palazzo  di  Sennacherib  a  Kujundsshik  (Layard,  Mon. 
of  Nin.  I,  71),  cioe  della  fine  dell'  VIII  o  del  prineipio  del  VII  sec;  con  quei  tipo 
sono  rappresentate  senza  dubbio  navi  fenicie,  e  sono  mischiate  con  esse  altre 
navi  del  solito  tipo  assiro,  cioe  senza  rostro  colla  prora  piegata  insu,  il  quäl  tipo 
ancora  negli  Ultimi  tempi  distingueva  le  navi  propriamente  assire  (cf.  la  nave 
d'Assurbanipal  presso  Rawlinson,  Five  gr.  monarchies2  I,  p.  361). *  Quei  medesimo 
tipo  fenicio  rappresentano  poi  certe  monete  persiane  con  iscrizioni  fenicie,  pro- 


1  Cf.  p.  e.  Annali  1872  tav.  d'agg.  1,1,  ed  il  gran  vaso  trovato  ad  Argos,  mentovato 
Athen.  Mitt.  IV  p.  159. 

2  Bull.  d.  Inst.  1875  p.  136. 

3  Cf.  le  osservazioni  del  sig.  Graser  sopra  queste  navi  negli  Annali  1872  p.  178  sg. 

4  Cf.  inoltre  per  il  tempo  di  Sargon  le  barche  nei  rilievi  di  Khorsabad:  Botta-Flandin, 
Mon.  de  Nin.  tav.  32  sg. 


440  BRONZI   ARCAIC1   PROVENIENTI   DALLA  GRECIA. 

babilmente  del  VIsec1  II  medesimo  finalmente  apparisce  in  uno  dei  due  basti- 
:nenti  nemici  rappresentati  sul  vaso  d'Aristonofo  (Mon.  IX,  4)  forse  ancora  del 
\'1I  secolo.' 

Ma  questo  tipo,  secondo  ogni  probabilitä  prettamente  fenicio,  di  certo  era 
l'originale  pel  nostro,  il  quäle  ne  differisce  soltanto  per  quel  prolungamento  al 
disopra  della  prora.  Sappiamo  peraltro,  che  un'altra  forma  di  quello  stesso  pro- 
lungamento, in  guisa  cioe  di  un  palo  retto,  probabilmente  si  era  sviluppata  nel 
settimo  secolo  e  certo,  nel  sesto,  si  era  sviluppata  a  Corinto,  nella  cittä  che  si 
diceva  essere  stata  la  prima  a  costruir  navi  grandi  da  guerra  (Thuc.  I  13);  giacche 
quella  forma  si  trova  sopra  certe  tavolette  votive  di  Corinto  molto  arcaiche;3 
ivi  stesso  apparisce  anche  una  forma  piü  vicina  all'antica  fenicia:  al  disopra  del 
rostro  la  prora  stessa  spunta  assai  infuori.  Ma  al  principio  del  secolo  quinto, 
cioe  sui  vasi  attici  a  figure  nere,  regna  assolutamente  quella  forma  col  palo  retto, 
la  quäle  si  vede  anche  sopra  le  piü  antiche  monete  di  Samo  e  Cnido.4 

Pel  tipo  perö  probabilmente  piü  antico  dei  nostri  vasi  geometrici  e  del  dia- 
dema  tebano  c'importa  il  fatto,  che  desso  non  e  identico  all'antico  fenicio,  ma 
ne  e  derivato  immediatamente,  che  dunque  gli  oggetti  ove  e  rappresentato,  non 
provengono  dalla  Fenicia  stessa,  ma  da  una  contrada  che  stava  sotto  la  sua 
influenza  diretta.  Quanto  alla  sua  antichitä  finalmente,  ci  e  dato  un  limite  un 
129  po'vasto  nel  fatto,  che  verso  il  1200  non  esisteva  ancora  nemmeno  il  semplice 
tipo  fenicio,5  sieche  quella  variazione  di  esso  dev'essere  assai  piü  tarda. 

Gli  elementi  della  nostra  composizione  osservati  finora  tutti  si  mostravano 
presi  dal  sistema  geometrico  dei  vasi  confrontati,  benche  l'uso  che  se  ne  faceva 
nel  nostro  diadema  ne  differisca  non  poco.  Ora  perö  veniamo  ad  elementi  del 
tutto  differenti,  quali  sono  in  primo  luogo  quel  leone  camminante  a  sinistra,  ed 
i  due  cani  ossia  sciacali  che  vanno  dietro  ad  un  capriuolo. 


1  V.  specialmente  Friedländcr-Sallet,  Das  kgl.  Münzkabinet  n.  809/10  =  Graser,  Alt. 
Schiffsdarst.  auf  Münzen,  tav.  A  n.  584  b. 

2  Cf.   le   mie   osservazioni    sopra   questo   vaso   nella   dissertazione   sopra   i   bronzi 
d'Olimpia  p.  45  (oben  S.  373]. 

1  Ora  esistenti  nel  museo  di  Berlino,   ed  appartenenti   ad  una  grandissima  serie  di 
tali  tavolette  recentemente  acquistata  dal  detto  museo.    [Berliner  Vasenkatalog  Nr.  347  ff.) 
4  Cf.  Graser,  Alt.  Schiffsdarst.  auf  Münzen  ed.  Annali  1872,  p.  178.    La  stessa  forma 
pare  rappresentata  nella  nave  di  un  arnese  d'avorio  di  Chiusi  (Mon.  d.  Inst.  X  39a),  del 
quäle   1)  ;iuto   altrove   l'origine   greca   (v.  Bronzefunde   aus   Olympia   p.  52  [oben 

S.  37 

■  I  popoli  venuti  dal  settentrione,  dalle  isole  e  coste  del  Mediterraneo,  verso  l'Egitto, 

senz'altr  vebbero   serviti    anche   di   quel  lipo  di  navi,  eccellente  per  la  guerra,   se 

fosse  allora  esistito  in  quel  mare.   Le  forme  dei  bastimenti  usati  da  quei  popoli  veggonsi 

ramente  espressi  stille  sculture  di  Ramses  III  a  Medinet  Habu:  Rossellini,  Mon.  reali 

I  131;  Chabas  It.  sur  l'antiquite  bist.  tav.  I  e  p.  319;    le  prore  hanno  forme  diverse,   ma 

non  si  trova  m;ii.    (Per  i  bastimenti  di  mare  degli  stessi  Lgiziani  cf.  Dümichen, 

.  ptian  queen  Lcipz.  1868). 


Bronzi  arcaici  provenienti  dalla  grecia.  441 


Fra  i  molti  confronti  che  si  presentano  scegliamo  soltanto  i  piü  vicini  e  i 
piü  palpabili.  Quel  medesimo  tipo  dunque  del  leone  che  cammina,  volto  per 
lo  piü  a  sinistra,  e  mettendo  le  gambe  una  avanti  l'altra,  colla  coda  piegata  insu 
e  la  bocca  aperta,  dalla  quäle  per  lo  piü  pende  lunga  la  lingua,  questo  stesso 
tipo  e  caratteristico  per  un  certo  e  ben  distinto  gruppo  di  lavori  in  metallo. 

Cito  in  primo  luogo  una  lamina  di  sottil  bronzo  trovata  ad  Olimpia  (A),1 
che  mostra  in  disegno  graffito  molto  primitivo  quel  medesimo  leone  cammi- 
nante  a  sinistra,  ove  pare  che  gli  preceda  un  altro  simile;  disotto  non  e  indicato 
il  suolo,  ma  come  nel  nostro  diadema  cammina  nel  campo  libero;  in  fine  linee  130 
a  zig-zag  ornano  almeno  il  collo.  Irucontriamo  quel  tipo,  parimenti  graffito,  sopra 
un  grande  ornamento  d'oro  trovato  a  Vulci  (B),2  ove  i  due  leoni  che  vi  cam- 
minano  senza  suolo  nel  campo  libero,  hanno  col  nostro  un'analogia  sorprendente, 
la  quäle  viene  aumentata  dagli  uccelli,  che  vi  volano  attorno.  In  un  altro  orna- 
mento d'oro  di  Vulci  (C),3  fra  altre  figure  da  citarsi  subito  vediamo  due  di  quelle 
bestie  con  la  lingua  pendente  e  la  coda  rialzata;  il  lavoro  e  a  globetti  finissimi 
sovrapposti.  Due  altre  poi,  camminanti  pure  senza  suolo,  troviamo  in  una  lastra  d'oro 
a  rilievo  stampato  con  sovrapposti  globetti,  proveniente  dalla  gran  tomba  Bernardini 
a  Preneste  (D).4  In  lavoro  semplice  stampato  troviamo  il  nostro  tipo  sopra  una  lastra 
d'oro  (E)  importantissima  per  le  nostre  ricerche,  giacche  essa  fu  trovata  in  una  tomba 
d'Atene  presso  il  Dipylon  insieme  con  vasi  geometrici  di  quel  sistema 
spesso  mentovato,  e  reso  conosciuto  da  Conze  ed  Hirschfeld;5  lo  troviamo  in- 
oltre  sopra  un  rilievo  stampato  d'argento,  proveniente  dalla  citata  tomba  pre- 
nestina  (F),6  sopra  un  vaso  di  bronzo  (G)  da  un'altra  tomba  prenestina  del 
medesimo  tempo  e  genere  (Archaeologia  41,  tav.  6),  poi  in  file  sopra  lo  scudo 
di  bronzo,  del  resto  decorato  geometricamente,  della  tomba  Regulini-Galassi  131 
(H;  Mus.  greg.  I,  20,  2),  e  fra  altre  bestie  sul  gran  vaso  da  sostegno  della 
medesima  tomba  (I,  Mus.  greg.  I,  11)  finalmente  (ma  senza  la  lingua  pendente) 
suirornamento  d'oro  della  stessa  tomba  (K,  Mus.  greg.  I,  84)  e  sopra  un  pendaglio 
d'oro  in  forma  di  Pateco  (L).7 


1  Nello  strato  piü  profondo  vicino  al  Metroon;  l'ho  descritta  sotto  il  numero  7001 
neH'inventario  ufficiale  dei  bronzi  [Olympia  IV  Nr.  688]. 

2  Micali,  Mon.  per  serv.  alla  stör,  degli  ant.  pop.  ital.  2.  ed.  tav.  45, 3  [München,  Anti- 
quarium]. 

3  Micali,  Op.  cit.  tav.  46, 14  [München,  Antiquarium]. 

4  Mon.  d.  Inst.  X  31,  2. 

5  La  detta  lastra  e  pubblicata  nel  Daremberg  et  Saglio,  Dictionn.  des  antiqu.  p.  788 
fig.  933.  Due  altre  simili  provenienti  dalle  medesime  tombe  vedi  presso  Curtius,  Das  arch. 
Bronzerelief  aus  Olympia  tav.  III  4  e  5,  ove  invece  del  leone  pare  rappresentata  una  pantera 
colla  coda  pendente  in  giü.  Per  il  ritrovamento  di  queste  lastre  cf.  Hirschfeld,  Annali  1872, 
p.  136;  154.    [Furtwängler,  Arch.  Ztg.  1884,  S.  103,  4.  Böhlau,  Arch.  Jahrb.  1887  S.  35,  4.] 

6  Mon.  d.  Inst.  X  31,  5. 

7  Micali,  Mon.  per  serv.  etc.  tav.  46,  1  [München,  Antiquarium]. 


4  .  Bronzi  arcaici  provenienti  dalla  grecia. 

Con  piccoli  differenza,  cioe  colla  testa  rivolta  indietro,  scorgiamo  il  mede- 
simo nostro  tipo  di  leoncini  in  lavoro  stampato  nella  lastra  di  bronzo  che  si 
vede  pubblicata  in  mezzo  alla  nostra  tavola  d'agg.  H  [Taf.  14, 2].  Proviene  con 
indrca  40  altri  frammenti  siniili  da  una  tomba  arcaica  della  Beozia  ed  oggi  si 
trova  nel  Museo  della  societä  archeologica  d'Atene.1 

Anche  per  il  gruppo  dei  cani  col  capriuolo  sul  diadema  tebano  abbiamo  i 
confronti  negli  stessi  monumenti  ora  enumerati.  Quello  d'Atene  E  ci  mostra  un 
capriuolo  che  volge  la  testa  verso  un  animale  poco  deciso;  lo  seguono  oltre 
a  quel  leone,  cervi  pascolanti;  questi  Ultimi  appariscono  pure  in  F  e  di  piü  vi 
e  anche  il  capriuolo  colla  testa  rivolta  ed  il  cane  colla  bocca  aperta;  questi  stessi 
elementi.  cioe  capriuolo,  cane  e  cervi,  si  riconoscono  anche  in  C,  e  questi 
ultimi  in  G. 

Le  due  nostre  figure  umane  infine  non  trovano  altri  riscontri  piü  adatti  che 
fra  questi  medesimi  lavori:  il  C  ce  li  mostra  frapposti  fra  gli  animali  cogli  stessi 
movimenti  e  gli  stessi  bastoni  del  nostro  diadema;  i  medesimi  appariscono,  con 
132  bastoni  pure,  sopra  un'armilla  d'oro-  di  Corneto  (M)  che  appartiene  decisamente 
a  questo  gruppo  di  lavori.  In  qualche  altro  sono  piü  decisi  i  tipi  umani,  es- 
sendo  nel  B  rappresentati  guerrieri  primitivi  con  scudi,  spade  ed  elmi  a  lunga 
cresta;  quanto  a  quest'ultima  basti  qui  l'osservazione  che  essa  si  riscontra  anche 
nelle  rinomate  patere  fenicie  d'argento3  contemporanee  ai  lavori  in  discorso. 
L' F  poi  aggiunge  a  quelle  bestie  un  arciere  ed  un  Centauro  a  piedi  umani; 
quest'ultimo  infine,  ed  inoltre  un  uomo  a  cavallo,  ci  mostra  il  G.4 

E  da  aggiungersi  finalmente,  che  parecchi  dei  nostri  monumenti  oltre  i 
sudetti  elementi  introducono  anche  delle  bestie  favolose  ed  alate  (cosi  D  G  I  L  M). 

E  incontestabile  che  tutti  gli  oggetti  anzimentovati  e  confrontati  fra  di  loro, 
siccome  mostrano  i  medesimi  concetti  eseguiti  nel  medesimo  stile,  debbono  ap- 
partenere  incirca  alla  medesima  epoca  ed  al  medesimo  centro  di  fabbricazione. 
L'epoca  poi  vien  determinata  approssimativamente  dalla  circostanza  che  gli  esem- 
plari  trovati  in  Italia  (Etruria  marittima  e  Preneste)  vengono  o  dalla  tomba 
Regulini-Galassi  o  da  quella  scavata  dai  Bernardini  a  Preneste,  o  da  tombe  di 
contenuto  simile.  Le  quali  tombe,  che  precedono  immediatamente  l'importazione 
di  vasi  corinzii  nell'Italia,  debbono  appartenere  incirca  alla  seconda  metä  del 
settimo  secolo.  Ne  possono  essere  molto  piü  antiche  le  tombe  di  Atene  e  di  Tebe 
che  contenevano  V  E  ed  il  nostro  diadema.    Ora  quella  d'Atene  conteneva  anche 

1  Ove  porta  il  n.  30.  L'altezza  c  di  0,037.   Secondo  le  notizie  del  Lolling  qualche  volta 
ate  sopra  piccole  rosette,  o  sul  campo  libero  o  sui  leoncini  stessi.   [A.  de  Ridder 
-  314.] 

*  Mon.  ed.  Annali  d.  Inst.  1854  tav.  33,  1.2;  p.  122;  il  lavoro  e  quello  da  globetti 
sovrapp 

ie  archcol.  1876  tav.  I,    da  Amathus  di  Cipro;    cf.  Furtwängler,   Bronzefunde 
aus  Olympia  p.  56  [oben  S.  382). 

rrtwingl«  I.  c.  p.  20  |oben  S.353). 


Bronzi  arcaici  provenienti  dalla  grecia.  443 


vasi  dipinti  del  noto  Stile  prettamente  geometrico,  ed  il  diadema  diTebe  per  diversi  133 
suoi  concetti  vien  dimostrato  contemporaneo  all'incirca  a  que'medesimi  vasi. 

Risulta  dunque  che  i  vasi  geometrici  trovati  al  Dipylon  d'Atene  vi  erano 
in  uso  ancora  nel  VII  secolo,1  nel  medesimo  tempo  in  cui  in  alcune  parti  del- 
l'Italia  si  ornavano  le  tombe  di  oggetti  di  uno  stile  molto  differente,  detto  Orientale 
o  fenicio,  mentre  non  s'importavano  ancora  vasi  greci.  Nello  stesso  tempo  poi 
che  in  Grecia  regnava  da  una  parte  il  puro  stile  geometrico  dei  vasi  detti  del 
Dipylon  e  dall'altra  parte  quello  detto  Orientale,  v'erano  anche  i  prodotti  di  una 
fabbrica  che  mischiava  gli  elementi  di  ambedue  i  sistemi  decorativi.  Ed  a  questi 
Ultimi  appartiene  il  nostro  diadema  tebano.  Ed  e  molto  chiara  la  mescolanza 
degli  elementi  diversi  anche  in  parecchi  dei  contemporanei  monumenti  d'Italia. 
Cosi  l'M  da  una  parte  mostra  linee  geometriche  a  zig-zag  ed  a  meandro,  insieme 
a  quelle  primitive  figure  umane,  ma  dall'altra  parte  offre  concetti  molto  differenti, 
i  quali  si  possono  dimostrare  essere  d'origine  fenicia.  Lo  scudo  H,  ed  ancora 
piü  i  suoi  compagni  sono  di  decorazione  quasi  puramente  geometrica.  L'orna- 
mento  di  testa  B  e  tutto  decorato  di  triangoli  e  zig-zag,  ma  il  compagno  K, 
senz'altro  contemporaneo,  mostra  un  ornato  dell'altro  sistema. 

M'astengo  dal  proseguir  questo  tema  piü  inoltre,  avendo  piü  estesamente 
esposto  la  mia  opinione  intorno  la  relazione  dello  stile  detto  geometrico  e  quello 
Orientale  in  altro  luogo.2 

Quanto  poi  all'origine  del  gruppo  di  lavori  da  noi  considerato,   credo  utile  134 
il  ricordare  che  appunto  nel  secolo  settimo,  al  quäle  con  preferenza  ascriviamo 
quei  prodotti,  vi  debbono   essere   state  sulle  coste  del   mare  Egeo   molte  fab- 
briche   in   cui   la  manifattura  fenicia   aveva  subito  delle   modificazioni  e  mano 
mano  si  sviluppava  quella  propriamente  greca.3 

Un  monumento  di  queH'antichissima  arte  greca,  ma  che  risente  giä  un  poco 
piü  del  vero  greco  che  non  i  monumenti  sopra  esaminati,  lo  riconosco  sulla 
lastra  di  bronzo  lavorata  a  rilievo,  della  quäle  pubblichiamo  tre  frammenti  sulle 
tavole  d'agg.  H  (di  sotto)  ed  I  [Taf.  14,  3 — 5].  Sono  i  meglio  conservati  fra  circa 
66  altri  trovati  tutti  in  una  tomba  della  Beozia  ed  ora  conservati  nel  Museo 
della  societä  archeologica   ad  Atene  (N.  534  dell'inventario).*    Essa  lastra  con- 


1  Disgraziatamente  dalla  prima  iscrizione  che  si  e  trovata  sopra  un  vaso  di  questo 
genere  (v  'A&rjvaiov  1880  fascicolo  del  Maggio  e  Giugno,  in  fine)  non  risulta  altro,  se  non 
che  il  vaso  e  relativamente  molto  antico,  mostrando  lettere  come  pare  piü  arcaiche  di  tutte 
le  altre  iscrizioni  attiche.  Essendo  poi  graffita  l'iscrizione  dopo  la  fabbricazione  del  vaso, 
non  prova  nulla  intorno  al  luogo  di  quest'ultima.  [Athen.  Mitt.  1881  S.  106  und  1893  S.  225.] 

2  Furtwängler,  Bronzefunde  aus  Olympia  p.  43  segg.  [oben  S.  372]. 

3  Quanto  ai  monumenti  qui  pubblicati,  una  particolaritä  del  bastimento  sul  diadema 
tebano  ci  additava  un'origine  non  prettamente  fenicia,  ed  un'altra  specialitä  del  cavallo 
sulla  fibula  ci  richiamava  prodotti  di  Cipro,   come   pure  l'uccello  sulla  fibula  d'Olimpia. 

*  [A.  de  Ridder,  Bronzes  de  la  Soc.  Arch.  d'Athenes  Nr.  799.  Unsere  Fig.  3  zeigt 
das  Blech,  wie  es  jetzt  von  Wolters  zusammengesetzt  ist.] 


444 


BRONZ1  ARCAICI  PROVENIENT1   DALLA  GRECIA. 


CO 

M 

— 


Bronzi  arcaici  provenienti  dalla  grecia.  445 


teneva  almeno  tre  strisce  di  figure,  l'una  sopra  l'altra;  i  diversi  pezzi  erano 
congiunti  fra  di  loro  con  chiodi.  Nella  striscia  superiore  vi  sono  corse  di  bighe 
ed  un  frammento  di  un'altra  scena,  un  uomo  nudo  cioe  colle  braccia  stese.  II 
cocchiere  ha  il  gladio  al  canto  sinistro  e  sul  dorso  lo  scudo,  come  pare  della 
forma  detta  beotica,  la  quäle  viene  usata  giä  dagli  uomini  dei  vasi  geometrici 
del  Dipylon.  Le  altre  due  strisce  mostrano  animali,  bovi  cioe  e  pecore.  E  evi- 
dente l'analogia  di  tale  disposizione  con  quella  ovvia  sui  vasi  corinzii  e  sui  piü 
antichi  attici,  i  cui  tipi  forse  sono  derivati  da  tipi  impiegati  in  tali  incrostazioni 
di  metallo.  Alla  striscia  infima  probabilmente  appartiene  il  frammento  coll'arciere 
posto  ginocchioni  dietro  di  un  cinghiale  (tav.  H  [Taf.  14, 3]).  Troviamo  un'ana- 
logia  manifestain  uno  dei  monumenti  disopra  annoverati,  che  proviene  dall'Italia;  135 
giacche  IT  mostra  un  arciere  posto  ginocchioni  fra  una  serie  di  animali  del  tutto 
simile  alla  rappresentazione  nostra;  un  altro  testimonio  dunquedell'intima  relazione 
fra  questo  gruppo  di  lavori  trovati  in  ltalia  e  quello  corrispondente  della  Grecia. 

Un  altro  rilievo,  pure  di  bronzo,  che  pubblichiamo  nella  tavola  d'agg.  H 
(di  sopra)  [Taf.  14, 1],  pare  un  po'piü  sviluppato  di  quello  orora  descritto.  Vi 
vediamo  due  leoni  circondati  di  doppio  margine  e  raggruppati  in  modo  per- 
fettamente  eraldico.  II  rilievo  e  interessante  anche  per  il  luogo  ove  fu  rinvenuto, 
che  e  l'Acropoli  stessa  d'Atene.1  Senza  entrare  nella  storia  speziale  di  simili 
gruppi  di  leoni,  rilevo  soltanto  che  tale  concetto  era  preferito  dai  pittori  di 
certi  vasi  arcaici  di  fabbrica  calcidese,2  mentre  quei  di  Corinto  preferivano  le 
file  di  bestie  ovvie  sull'altro  nostro  rilievo. 

II  contenuto  delle  tavole  qui  spiegate  si  consideri  come  un  piccolo  saggio 
piuttosto  fortuito  dei  grandi  tesori  di  bronzi  arcaici  della  Grecia,  i  quali,  e  spe- 
cialmente  quelli  d'Olimpia  e  di  Atene,  una  volta  pubblicati,  spanderanno  inaspettata 
luce  sopra  lo  sviluppo  dell'arte  antichissima. 


1  Ora   si  trova   nel  Museo  della  soc.  arch.  d'Atene,  inv.  n.  390;  e  alto  0,064,   largo 
0,110.    [A.  de  Ridder,  Bronzes  de  la  Soc.  Arch.  d'Athenes  Nr.  801.] 

2  P.  e.  sull'idria  di  Monaco  n.  125  [440.  uriech.  Vasenmalerei  Taf.  31];  sopra  un'anfora 
nel  Museo  d'industria  di  Vienna  etc. 


DAS  ALTER  DES  HERAION  UND  DAS  ALTER 
DES  HEILIGTUMS  VON  OLYMPIA 

(SITZUNGSBERICHTE  DER  PHILOS.-PHILOL.  KLASSE  DER  KGL.  BAYER. 
AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN  1906) 

m  Frühjahr  1906  hat  Dörpfeld  (der  darüber  in  den  Mitteilungen  des 
arch.  Instituts  in  Athen  1906,  S.  210  ff.  berichtet)  eine  kleine  nachträg- 
liche Grabung  im  Heraion  von  Olympia  vornehmen  lassen,  um  die 
unter  dem  Bauschutte  des  Tempels  gelegenen  Schichten,  deren  Funde  älter  sein 
müssen  als  der  Bau  des  Tempels,  von  neuem  zu  untersuchen.  Hier  war  schon 
früher  gegraben  worden,  und  die  hier  in  der  Tiefe  gemachten  Funde  boten  mir 
ein  Material,  auf  das  ich  in  meiner  Bearbeitung  der  Bronzen  und  anderen 
kleineren  Funde  (Olympia  Bd.  IV  S.  2  und  passim)  großes  Gewicht  legte.  Ich 
nahm  an,  daß  diesen  Funden,  die  älter  sind  als  der  älteste  große  Tempel  in 
Olympia,  ein  besonders  hohes  Alter  zukommen  müsse.  Einige  Fundnotizen,  die 
dieser  Annahme  widersprachen,  indem  sie  Objekte,  die  gar  nicht  besonders  alt  waren, 
jener  Schicht  unter  dem  Heraion  zuwiesen,  glaubte  ich  damals  bezweifeln  zu  sollen. 

Die  Bearbeitung  der  in  der  Altis  massenhaft  gefundenen  Votivfiguren,  der 
Tiere  und  Menschen  ebenso  wie  die  der  Dreifüße,  führte  mich  zu  dem  Resultate, 
daß  jener  eigentümliche,  reich  und  fest  ausgebildete,  von  mir  der  Bequemlichkeit 
halber  als  „geometrisch"  bezeichnete  Stil,  der  an  den  Votivfiguren  wie  den 
Dreifüßen  erscheint,  nicht  als  der  älteste  in  Olympia  gelten  konnte;  denn  von 
diesem  Stile  führte,  wie  sich  deutlich  erkennen  ließ,  eine  Brücke  unmittelbar  zu 
dem  uns  bekannten  in  das  7.  bis  6.  Jahrhundert  datierten  archaischen  Stile;  jener 
ausgebildet  „geometrische"  Stil  mußte  also  unmittelbar  vor  diesem  liegen,  und 
die  Menge  der  Votive,  welche  die  Stufe  des  „geometrischen"  Stiles  noch  nicht 
erreicht  hatte,  mußte  älter  sein. 

I  nter  den  unter  dem  Bauschutt  des  Heraion  gemachten  Fundstücken  fand 
ich  nur  ein  „geometrisch"  stilisiertes  Tier.  Bei  der  relativen  Seltenheit  der  gut 
stilisierten  Tiere  in  Olympia  war  dies  nicht  auffallend.  Allein,  in  der  Meinung 
befanden,  die  Funde  unter  dem  Heraion  müßten  besonders  alt  sein  und  dürften 
•ialb  noch  keine  Fi^ur  jenes  ausgebildeten  Stiles  erwarten  lassen,  erlaubte 
ich  mir  die  Fundnotiz  anzuzweifeln  (Olympia  IV,  S.  28  Anm.).  Dasselbe  erlaubte 
ich  mir  mit  den  Fundnoti/.en  über  zwei  Nasenschirme  korinthischer  Helme  (Olympia 


Das  Alter  des  Heraion  und  das  Alter  des  Heiligtums  von  Olympia.    447 


IV.  S.  167);  denn  da  der  voll  ausgebildete  korinthische  Helm  mit  dem  Nasen- 
schirme jedenfalls  nicht  über  das  7.  Jahrhundert  hinaus  zu  verfolgen  ist,  so  schien 
mir  der  durch  jene  Funde  indizierte  Termin  für  den  Heraionbau  als  für  das  ver- 
meintliche hohe  Alter  desselben  zu  spät. 

Hierin  habe  ich  geirrt,  und  ich  hätte  jene  Fundangaben  nie  bezweifeln  sollen. 
Die  neue  kleine  Grabung  Dörpfelds  hat  einen  Fund  gebracht,  der  die  Meinung 
von  dem  besonders  hohen  Alter  des  Heraion  endgültig  zerstört  und  den  an- 
geführten früheren  Funden  alles  vermeintlich  Auffällige  nimmt. 

Es  ist  dies  die  Bronzestatuette  eines  Kriegers,  die  im  Opisthodom  des  He- 
raion 1,50  m  unter  dem  Plattenboden  und  0,65  unter  der  alten  Humusschicht 
gefunden  wurde  und  danach  sicher  der  Zeit  vor  Erbauung  des  Tempels  an- 
gehört, ja  wahrscheinlich,  nach  der  Tiefe  des  Fundplatzes,  nicht  erst  kurz  vor 
dem  Baue  in  den  Boden  gekommen  ist. 

Nun  gehört  diese  Bronze  einer  kleinen  Gruppe  von  Bildwerken  an,  die  einen 
sehr  bestimmt  und  genau  umgrenzten  Platz  in  der  Entwicklung  der  frühgriechischen 
Kunst  einnimmt.     Und   dieser  Platz  befindet  sich  nicht  vor  dem  ausgebildeten 
geometrischen  Stil  —  welche  Stelle  ich  früher  den  Funden  unter  dem  Heraion  469 
anweisen  zu  müssen  glaubte,  —  sondern  hinter  demselben. 

Es  wird  nötig  sein,  diese  These  etwas  näher  auszuführen.1  Innerhalb  der 
Funde  von  Olympia  tritt  die  neue  Bronze  an  die  Stelle  unmittelbar  nach  den 
Figuren  wie  Olympia  IV,  244,  616,  617,  welche  dem  ausgebildeten  „geometrischen" 
Stil  angehören  und  zum  Teil  von  den  großen  im  geometrischen  System  de- 
korierten Dreifüßen  stammen.  Ich  habe  die  Entwicklung,  die  zu  dieser  Stilstufe 
führt,  eingehend  dargelegt  Olympia  IV,  S.  42.  An  die  Fortschritte,  welche  die 
letztgenannten  Figuren  aufweisen,  knüpft  nun  die  neue  Bronze  an;  sie  teilt  mit 
ihnen  die  Stellung  und  Bildung  der  überschlanken  knappen  Beine;  der  Leibgurt  er- 
scheint hier  ebenso  wie  dort  (244).  Allein  etwas  durchaus  Neues  ist  die  Bildung 
des  Kopfes  und  Haares.  Eben  dieses  Haar,  das  nach  unten  gerade  abgeschnitten 
und  durch  horizontale  Wellen  gegliedert  wird,  ist  aber  ein  sehr  charakteristisches 
Element,  das  uns  gestattet,  den  Kreis  unserer  Figur  noch  enger  zu  begrenzen. 
Diese  Haartracht  ist  nur  einer  relativ  kleinen  Anzahl  von  Werken  eigen,  die  alle 
dem  früharchaischen  Stile  angehören  und  die  zwischen  dem  geometrischen  Stile 
und  dem  archaischen  der  Zeit  nach  ca.  600  v.  Chr.,   also  im  7.  Jahrhundert  ihre 


1  Die  Bronze  ist  in  den  Athen.  Mitt.  XXXI  (1906),  S.  219  ff.  nur  von  einem  Anfänger, 
P.  Steiner  behandelt  worden.  Dieser  hat  manches  richtig  bemerkt,  aber  das  Richtige  mit 
vielem  Falschen  vermischt.  Sein  Schlußresultat  lautet  (S.  227),  man  könne  nur  sagen, 
daß  die  Bronze  älter  sei  als  der  Anfang  des  6.  Jahrhunderts;  damit  soll  der  phantastischen 
Willkür  Dörpfelds,  der  sie  in  „achäische"  Urzeit  setzen  möchte,  offenbar  ein  Türchen 
offen  gelassen  werden.  Ein  starkes  Versehen  ist  S.  222:  die  Haltung  der  Bronze  sei  die 
des  „Zeus  Ithomatas  des  Onatas"!  Da  ist  Onatas  und  Ageladas  verwechselt,  und  den 
Ithomatas,  wie  ihn  die  messenischen  Münzen  zeigen,  hat  der  Verfasser  dieses  merk- 
würdigen Ausspruchs  wohl  niemals  angesehen. 


\lter  des  Heraion  und  das  Alter  des  Heiligtums  von  OLYiMPiA. 


feste  Stolle   haben.     Die  Tracht  ist  bisher   noch   nirgend  gründlicher  behandelt 
worden,1  daher  wir  etwas  bei  ihr  verweilen. 

470  Besonders  wichtig  ist  das  kleine  protokorinthische  Gefäß  MeManges  Perrot 
Taf.  4,  das  von  einem  plastischen  Kopfe  dieses  Typus  gekrönt  wird.  Es  ist  ein 
feines  jünger  protokorinthisches  Väschen,  das  zweifellos  dem  7.  Jahrhundert  an- 
gehört, der  Zeit,  wo  der  geometrische  Stil  sein  Ende  findet  (vgl.  Ägina,  Heilig- 
tum der  Aphaia  S.  475  f.).  Nächstdem  ist  von  Bedeutung  eine  Gruppe  von  in 
Blaßgold  (Elektron),  seltener  in  gelbem  Golde  ausgeführten  Schmucksachen,  an 
welchen  die  menschlichen  Köpfe,  die  männlichen  und  die  weiblichen,  durchweg 
diesen  Typus  mit  dem  gerade  abgeschnittenen,  horizontal  gewellten  Haar  zeigen. 
Solche  Goldarbeiten  sind  namentlich  in  dem  alten,  dem  7.  Jahrhunderte  angehörigen 
Teile  der  Nekropole  von  Kamiros  (Salzmann,  Necr.  de  Cam.  Taf.  I:  Revue  arch.  1863, 
YIII,  Taf.  10;  Arch.  Anzeiger  1904,  S.  41),  ferner  auf  Delos  (Archäol.  Zeitung  1884, 
Taf.  9, 1 1 , 1 2 ;  S.  1 1 1 ),  in  Megara  (Daremberg  et  Saglio,  Dict.  I,  S.  788,  f ig.  934),  bei 
Aidin  in  Lydien  (Bull.  corr.  hell.  1879,  Taf.  4;  Vente  Hoffmann,  Paris  1886,  Taf.  20, 
jetzt  im  Louvre;  über  Zeit  und  Stil  s.  meine  Ausführungen  in  Roschers  Lexikon  I, 
Sp.  1767, 44  und  Olympia  IV,  die  Bronzen  S.  71  zu  Nr.  527).  Schöne  hierhergehörige 
Stücke  sind  neuerdings  in  einem  Grabe  zuThera  gefunden  worden  (Ath.  Mitt.  1903, 
Taf.  5, 1—3);  das  große  Grab  enthielt  noch  viele  geometrische  Vasen,  daneben  aber 
auch  protokorinthische  Becher;  die  geometrischen  Vasen  haben  sich  auf  Thera  be- 
sonders lange,  noch  das  ganze  7.  Jahrhundert  hindurch  gehalten  (über  die  Zeit 
vgl.  Pfuhl  a.a.O.  S.  286;  auch  Ägina,  Heiligtum  der  Aphaia  S.  476).  Der  Fund 
zeigt,  daß  jener  Kopftypus  in  Gegenden,  wo  die  geometrischen  Vasen  besonders 
lange  üblich  waren,  mit  diesen  noch  zusammen  auftritt. 

Der  Kopftypus,   den   wir  hier  in  Gold  getrieben   konstatierten,   findet  sich 

471  ebenso  in  Bronzeblech:  so  in  der  tomba  Bernardini  zu  Praeneste  (Annali  d.  Inst. 
1879,  Taf.  C  1.  2),  die  auch  protokorinthische  Scherben  enthielt  und  dem  7.  Jahr- 
hundert angehört  (vgl.  G.  Karo  im  Bull,  di  paletn.  ital.  S.  144  ff.);  ein  schönes  Stück 
ist  die  Bronzemaske  aus  Tegea,  Benndorf,  Gesichtshelme  Taf.  17  (vgl.  meine 
Bronzefunde  1879,  S.  71  [oben  S.  394]).  Es  gehören  hierher  auch  die  in  Elfen- 
bein gravierte  Sphinx,  Argive  Heraeum  II,  S.  351,  und  vor  allem  die  in  Terra- 
kotta gepreßten  Reliefs  der  ihre  Büste  fassenden  Göttin  aus  Ägina  ^E<pr}fi.  aoy. 

5,  Taf.  12  und  Ägina,  Heiligtum  der  Aphaia  Taf.  111,  2.  3). 
Aus  dem    Gebiete   der   größeren    Kunst   bieten  die  Skulpturfragmente   des 
dorischen  Tempels  ein  gutes  Beispiel,  der  über  dem  Schutte  des  Königspalastes 


1  H.  Hofmann,  Darstellung  des  Haares  (2G.  Suppl.-Band  d.  Jahrb.  d.  klass.  Philologie) 

rwälint  sie   kurz  und    meint   sie   auf   den   ägyptischen    „Klaff    zurückführen   zu 

müssen.     Diese  Rückführung   halt  einer  genaueren  Prüfung  durchaus  nicht  Stich.    Jene 

rtracht    hat    mit    dem    ägyptischen    königlichen    Kopftuch    gar   nichts  zu    tun    und  ist 

nach  Wesen  und  Form  von  Ihm  ganz  verschieden;   eine  ägyptische  Haartracht  aber,  die 

^ar  nicht 


Das  Alter  des  Heraion  und  das  Alter  des  Heiligtums  von  Olympia.    449 


in  Mykenae  lange  Jahrhunderte  nach  diesem  errichtet  wurde  (Jahrb.  d.  arch.  Inst. 
1901,  S.  20);  *  sie  gehören  zwar  nicht  erst  in  „die  Mitte  des  6.  Jahrhunderts" 
(a.  a.  O.  S.  19),  wohl  aber  sind  sie  zweifellos  nicht  älter  als  das  7.  Jahrhundert. 
Ferner  gibt  es  einige  Bronzestatuetten,  die  mit  der  olympischen  Figur  durch 
den  gleichen  Kopftypus  und  den  Leibgurt  verbunden  sind;  eine  stammt  aus  der 
idäischen  Zeusgrotte  auf  Kreta  (Mus.  ital.  di  ant.  class.  II,  Taf.  13,  1),  aus  Delphi 
eine  andere  sehr  schöne  (Bull.  corr.  hell.  1897,  Taf.  10. 11 ;  Fouilles  de  Delphes  V,  3) 
und  eine  geringe  (Fouilles  V,  13,  3.  4).  Die  Unterschiede  der  Ausführung  dieser 
Figuren  sind  nur  graduell;  sie  gehören  wegen  der  vielen  gemeinsamen  Züge 
offenbar  wesentlich  derselben  Epoche  an.  Nun  leitet  aber  die  schön  ausgeführte 
delphische  Figur  schon  unmittelbar  hinüber  zu  den  bekannten  gewöhnlichen 
archaischen  Typen  des  6.  Jahrhunderts.  Der  Koloß  der  Naxier  auf  Delos  hatte 
zwar  noch  den  Leibgurt  (Arch.  Zeitung  1882,  S.  329),  aber  nicht  mehr  jene 
Haartracht  (Bull.  corr.  hell.  XVII,  Taf.  5).  Umgekehrt  haben  andere  Figuren  nicht 
mehr  den  Leibschurz,  aber  noch  jene  Haartracht;  so  eine  Bronze  aus  dem  Ptoion 
(Bull.  corr.  hell.  X,  Taf.  8),  die  interessant  ist  durch  ihre  Weihinschrift,  die  sie  allein 
schon  davor  schützt  in  „achäische"  Urzeiten  hinaufverrückt  zu  werden.  In  der  472 
bekannten  Dermys-  und  Kitylos-Gruppe  (Ath.  Mitt.  1878,  Taf.  14)  wirkt  noch  das 
Schema  jener  Haartracht  nach;  das  Haar  ist  noch  gerade  abgeschnitten  und  hat 
noch  horizontale  Wellen,  ist  aber  schon  auf  die  Brust  herabfallend  gebildet. 

Auch  unter  den  Bronzestatuetten  von  der  Akropolis  zu  Athen  gehören  einige 
wenige  hierher:  de  Ridder  Nr.  696  und  697.  696  hat  außer  dem  Gurt  auch  einen 
Schurz;  697  ist  ein  besonders  grobes,  relativ  frühes  Stück  der  Reihe.  Die  Haartracht 
erscheint  indess  nicht  nur  bei  männlichen,  sondern  ebenso  bei  weiblichen  Statuetten ; 
ein  gutes  Beispiel  aus  Böotien  bietet  die  Bronze  der  Kollektion  Tyszkiewicz,  Catal.  de 
vente  1898,  Taf.  13,  Nr.  134;  das  Gewand  ist  ganz  faltenlos  im  Schema  der  Nikandre. 

Auch  in  Italien  sind  die  Spuren  jenes  Typus  nachzuweisen.  Es  sind  die 
ältesten  Bronzestatuetten  griechischen  Charakters  aus  Etrurien,  welche  jenen  Kopf- 
typus zeigen  und  damit  einen  Schurz  um  die  Hüften  verbinden;  Beispiele  sind 
im  Museo  etrusco  zu  Florenz  (vgl.  Micali,  Storia  Taf.  37,  8 — 11).  Auch  ein 
Kentaur  mit  Schurz,  jetzt  im  Kestner-Museum  zu  Hannover,  gehört  hierher  (er 
ist  sehr  schlecht  abgebildet  Mon.  d.  Inst.  II,  29). 

Alle  diese  Statuetten  gehören  zweifellos  vor  die  uns  erhaltene  große  Menge 
der  archaischen  männlichen  nackten  Figuren,  welche  andere,  in  den  Nacken  oder 
auf  die  Schultern  fallende,  rund  abschließende  oder  in  Locken  endende  Haar- 
trachten haben.  Allein  sie  gehören  unmittelbar  vor  die  Ausbreitung  jener  herr- 
schenden Typen,  zu  denen  alle  die  bekannten  archaischen  sog.  Apollostatuen 
gehören,2  über  deren  Ausgangspunkt  und  Entwicklung  ich  Meisterwerke  S.  712  ff. 

1  Vgl.  auch  meine  Antike  Gemmen  III,  S.  57  Anm. 

2  Auch  die  von  Melos  natürlich,  die  Steiner,  Ath.  Mitt.  1906,  S.  223  mit  Unrecht  in 
nahen  Zusammenhang  mit  der  olympischen  Figur  bringen  will. 

A.  Furtwängler.    Kleine  Schriften  I.  •<-" 


\i.ter  des  Heraion  und  das  Alter  des  Heiligtums  von  Olympia. 


andelt  habe.    Bei  einigen  dieser,  insbesondere  beim  „Apoll"  von  Tenea  und 
bei  den  mit  diesem  stilistisch  nächstverwandten  argivischen  Bronzereliefs l  zeigt 

473  sich  deutlich  die  Nachwirkung  jenes  älteren  Typus,  indem  das  Haar  zwar  nicht 
mehr  gerade  abgeschnitten  und  abstehend  gebildet  ist,  wohl  aber  noch  jene 
horizontale  Furchung  zeigt,  die  dort  charakteristisch  ist. 

Während  diese  ausgebildet  archaischen  Werke  die  Grenze  nach  unten  bezeichnen, 
wird  die  Grenze  nach  oben  für  die  von  uns  betrachtete  Denkmälergruppe,  wie  wir 
schon  bemerkten  (S.  469  [S.  447]),  durch  die  Werke  des  geometrischen  Stiles  gegeben. 

Für  die  Anknüpfung  nach  oben  und  für  die  Bestimmung  des  ersten  Auf- 
tretens unseres  Typus  ist  indess  noch  eine  Tatsache  bezeichnend,  die  wir  noch 
nicht  erwähnten:  an  den  Bronzekesseln  mit  den  getriebenen  Greifenköpfen  und 
den  assyrisierenden  Ansatzfiguren,  die  ich  Olympia  IV,  S.  115  ff.  behandelt  und 
Taf.  49,  6  rekonstruiert  habe,  erscheint  neben  einem  rein  an  die  assyrischen  Vor- 
bilder sich  anschließenden  Kopftypus  wie  Olympia  IV,  Nr.  783  auch  ein  völlig 
verschiedener,  von  originaler  griechischer  Art,  ebenda  Nr.  784; 2  und  dieser  letztere 
ist  kein  anderer  als  der  uns  hier  beschäftigende  Typus  mit  dem  abstehenden 
gerade  abgeschnittenen  horizontal  gefurchten  Haare;  auch  die  weit  vorspringende 
dicke  Nase,  so  verschieden  von  der  semitischen  jener  assyrisierenden  Köpfe, 
entspricht  ganz  unserem  Typus.  Ich  habe  schon  Bronzefunde  1879,  S.  63  [oben 
S.  388]  und  Archäol.  Zeitung  1879,  S.  181  [oben  S.  338]  auf  jene  Verschiedenheit 
aufmerksam  gemacht.  Es  ist  klar,  daß  wir  hier  auf  einem  Kunstgebiete,  das  zu- 
nächst vollständig  unter  dominierendem  assyrischen  Einflüsse  steht,  die  erste 
selbständige  Äußerung  griechisch-archaischer  Kunstweise  in  dem  Auftreten  eben 
jenes  Kopftypus  beobachten,  der  uns  hier  beschäftigt.  Als  Heimat  der  Fabrikation 
jener  Bronzekessel  mit  den  getriebenen  Greifenköpfen  und  den  assyrisierenden 
Ansätzen  vermute  ich  schon  lange,  wie  hier  gelegentlich  bemerkt  sei,  Sinope; 
jene  Produkte  werden  die  Frucht  der  regen  Verbindung  sein,  welche  diese  mile- 

474  sische  Kolonie  mit  Assyrien  im  8.-7.  Jahrhundert  pflegte.  Durch  diese  Annahme 
würde  die  Verbreitung  jener  assyrisierenden  Kesselfiguren  nach  dem  Vansee  in  Ar- 
menien einerseits  wie  nach  Latium  andererseits  (via  Milet-Sybaris)  am  ehesten  erklärt. 

her  Pränestiner  Fund  aber,  der  einen  Kessel  dieser  Art  enthielt,  gehört,  wie 
schon  oben  (S.  471  [S.  448])  bemerkt  ward,  dem  7.  Jahrhundert  an.  Das  Grab  gehört 
zu  denen,  die  unmittelbar  folgen  auf  die  Periode  der  Herrschaft  des  geometrischen 
Stiles,  wie  sie  die  Tomba  del  guerriero  von  Corneto  noch  vergegenwärtigt. 

Also  immer  dasselbe  Resultat:  die  scharf  umgrenzte  kleine  Gruppe  von  Bild- 
werken, zu  welcher  die  neue  Bronze  von  Heraion  in  Olympia  gehört,  ist  in  das 
7.  Jahrhundert  v.  Chr.  datiert.   Sie  folgt  auf  die  Blütezeit  des  sog.  geometrischen 

Vgl    über   die  stilistische  Verwandtschaft   dieser   und  des  Apoll  von  Tenca,    was 
lll  der  Festschrift  für  Ernst  Curtitis  (1884)  S.  190  bemerkt  [oben  S.  430]. 
1  Diesem  Stücke   ähnlich    sind  drei  von  der  Akropolis,   die  ich  Olympia  IV,  S.  117 
erwähnt  habe;  nur  eines  davon  verzeichnet  der  Katalog  von  de  Ridder  als  Nr.  764. 


Das  Alter  des  Heraion  und  das  Alter  des  Heiligtums  von  Olympia.    451 


Stiles,  geht  her  neben   dem  Ende  desselben   und  geht  voran  den  Werken  des 
ausgebildeten  archaischen  Stiles,  die  wir  von  etwa  600  v.  Chr.  an  datieren. 

Da  die  Heraionbronze  zu  den  relativ  früheren  Stücken  der  Gruppe  gehört,  so 
dürfen  wir  sie  wohl  noch  in  die  erste  Hälfte  des  7.  Jahrhunderts  datieren.  Nach  ihrem 
Fundplatze  ist  sie  zweifellos  älter  als  der  Beginn  des  Baues  des  Heraion  und  wahr- 
scheinlich sogar  erheblich  älter  (vgl.  oben  S.468  [S.447]).  Somit  kann  der  Heraion - 
bau  nicht  vor  die  zweite  Hälfte  des  7.  Jahrhunderts  gesetzt  werden. 

Hiezu  stimmen  nun  aber  auch  alle  anderen  uns  bekannten  Tatsachen.  Zu- 
nächst jene  Funde  unter  dem  Heraion,  die  ich  früher  fälschlich  glaubte  bezweifeln 
zu  sollen  (oben  S.  468  [S.  446]),  dann  vor  allem  das  Terrakottadach  des  Tempels, 
das  wir  genau  kennen.1  Die  Bemalung  des  großen  Giebelakroters  stimmt  in  Technik  475 
und  in  Ornamentformen  auf  das  genaueste  überein  mit  einer  gewissen  Gruppe 
protokorinthischer  und  korinthischer  Gefäße,  die  dem  7.  Jahrhundert  angehören 
und  sich  bis  ins  6.  zu  erstrecken  scheinen.  Ferner  paßt  nun  auch  der  Stil  des 
Kolossalkopfes,  der,  wie  ich  bei  seiner  Auffindung  vermutete  (Archäol.  Zeitung 
1879,  S.  40)  und  seitdem  allgemein  angenommen  wird,  wahrscheinlich  von  dem 
Kultbild  der  Hera  in  dem  Tempel  herrührt.  Dieses  ist  zwar  nicht  notwendig,2 
aber  wahrscheinlich  dem  Tempelbau  gleichzeitig  anzusetzen.  In  die  Epoche  um 
600  v.  Chr.  kann  der  Kopf  aber  sehr  wohl  datiert  werden.3 

Endlich  wäre  das  Heraion,  wie  insbesondere  die  Untersuchungen  Puchsteins 
gelehrt  haben,4  architektonisch  ganz  unverständlich  vor  der  Epoche,  über  welche 
es  hinauszuversetzen  durch  den  neuen  Fund  der  Bronzestatuette  definitiv  aus- 
geschlossen worden  ist. 

All  diesen  Tatsachen  gegenüber  ist  die  von  Pausanias  referierte  Sage  der 
Eleier,  wonach  das  Heraion  acht  Jahre  nach  Oxylos  Einfall,  also,  nach  der  alten 
Chronologie,  um  1096  v.  Chr.  erbaut  wäre,  selbstverständlich  ganz  bedeutungslos. 
Sie  ist  denn  auch  nur  von  Dörpfeld  ernst  genommen  worden,  der  sie  sogar  stützen 
zu  können  vermeinte  (Olympia  II,  S.  35  f.).  Im  Opisthodom  des  Heraion  sah  noch 
Pausanias  eine  Säule  von  Holz;  die  erhaltenen  Steinsäulen  des  Heraion  zeigen, 


1  Dörpfeld,  zu  dessen  Theorien  das  Terrakottadach  nicht  paßt,  meinte,  der  Tempel 
habe  vielleicht  erst  ein  horizontales  Lehmdach  gehabt  und  das  Terrakotta-Giebeldach 
sei  später  aufgesetzt  worden  (Olympia  II,  S.  36).  Die  Vermutung  ist  gänzlich  haltlos. 
Sicher  ist,  daß  das  ganze  Gebälk  des  Heraion  aus  Holz  war  und  das  ganze  Altertum 
hindurch  bestanden  hat.    Für  Annahme  einer  Veränderung  ist  nicht  der  geringste  Anhalt. 

2  Nach  Dörpfeld,  Olympia  II,  S.  36  „muß"  er  sogar  „dem  Tempel  gleichzeitig"  sein. 
Dörpfeld  datiert  den  Kopf  hier  auch  ruhig,  um  archäologisches  Wissen  unbekümmert,  in 
die  Zeit  der  dorischen  Wanderung! 

3  Es  sei  hier  gelegentlich  bemerkt,  daß  auch  ein  Gewandzipfel  der  Statue  erhalten 
ist:  das  angeblich  rätselhafte  Fragment,  das  Dörpfeld  und  Treu  für  einen  Rest  des  Hera- 
thrones ansahen,  Olympia  III,  S.  4,  Nr.  4,  ist  verkehrt  herum  abgebildet:  es  ist  umzudrehen 
und  ist  ein  offenbares  Gewandende  strenger  Stilisierung. 

4  Vgl.  meine  Bemerkungen  in  Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung  1900,  Nr.  275,  S.  5. 

29* 


52     Das  Alter  des  Heraion  und  das  Alter  des  Heiligtums  von  Olympia 

daß  sie  zu  ganz   verschiedenen  Zeiten    entstanden  sind,    die   ältesten   noch  im 

476  6.  Jahrhundert,  die  spätesten  erst  in  römischer  Zeit.  Es  war  eine  sehr  wahr- 
scheinliche Vermutung  von  Dörpfeld,  daß  diese  Steinsäulen  zum  Ersätze  ur- 
sprünglicher Holzsäulen  gedient  haben.  Allein  ganz  unbeweisbar  und  unwahr- 
scheinlich war  seine  Voraussetzung,  daß  dieser  allmähliche  Ersatz  nur  durch 
technisches  Bedürfnis,  durch  „Baufälligkeit''  der  ursprünglichen  Holzsäulen  her- 
vorgerufen worden  wäre.  Er  berechnet  (Olympia  II,  S.  36)  auf  Grund  dieser 
falschen  Voraussetzung,  daß  der  Tempel  schon  etwa  drei  bis  vier  Jahrhunderte 
gestanden  haben  müsse,  ehe  die  ersten  Säulen  baufällig  wurden,  wodurch  er 
dann  auf  jenes  Jahr  1096  v.  Chr.  kommt.  Allein  schon  die  Tatsache,  daß  selbst 
zu  Pausanias'  Zeit  noch  eine  Holzsäule  stand  und  daß  das  Gebälk  von  Holz 
das  ganze  Altertum  hindurch  erhalten  blieb,  macht  es  unwahrscheinlich,  daß 
jener  Ersatz  der  Säulen  durch  ihre  Baufälligkeit  veranlaßt  ward.  Wenn  das  He- 
raion Ende  des  7.  Jahrhunderts  als  Holzbau  errichtet  ward,  so  folgte  ihm  un- 
mittelbar die  Zeit,  wo  allenthalben  in  Griechenland  und  den  Kolonien  monu- 
mentale Steintempel  errichtet  wurden.  Nun  mußte  man  sich  in  Olympia  schämen 
mit  den  einfachen  Holzsäulen,  und  man  begann  sie  allmählich  durch  steinerne  zu 
ersetzen.  Die  einzelnen  Steinsäulen  waren  offenbar  Schenkungen,  fromme  Stif- 
tungen einzelner,  die  etwas  zur  „Verschönerung"  des  Gotteshauses  leisten  wollten. 
Gewiß  wird  man  zuerst  die  Säulen  zum  Ersätze  ausgewählt  haben,  die  irgend 
etwas  Schadhaftes  boten;  aber  nicht  eine  technische  Notwendigkeit,  sondern  ein 
frommes  ästhetisches  Bedürfnis  führte  zu  dem  allmählichen  Ersätze,  der  natürlich  leicht 
schon  vierzig  oder  fünfzig  Jahre  nach  Errichtung  des  Baues  begonnen  haben  kann. 

Außer  der  schönen  Bronzestatuette,  die  uns  die  definitive  Bestimmung  des 
Heraionbaues  verschafft  hat,  hat  die  neue  kleine  Grabung  dem  Berichte  zufolge 
nur  die  in  den  unteren  Schichten  der  Altis  gewöhnlichen  Dinge  zu  Tage  gefördert. 
Unter  den  Scherben  fand  man  auch  solche  von  handgemachten  unbemalten  oder 
mit  geritzten  Verzierungen  versehenen  Gefäßen  (Ath.  Mitt.  1906,  S.  213  ff.).  Diese 
bieten   durchaus  nichts  Neues  für  Olympia;   denn   die  früheren  Ausgrabungen 

477  hatten  sogar  zwei  vollständige  Gefäße  dieser  Art  gebracht,  die  ich  Olympia  IV, 
Nr.  1283  und  1284  behandelt  habe.  Da  sie  keine  neue  Tatsache  bringen,  können 
diese  neuen  Scherben  natürlich  auch  nichts  ändern  an  der  durch  die  ganze  olym- 
pische Ausgrabung  längst  feststehenden,  von  mir  schon  in  meiner  ersten  Ab- 
handlung über  die  olympischen  Bronzefunde,  1879,  S.  7  [oben  S.  342]  hervor- 
gehobenen'  Tatsache,  daß  das  olympische  Heiligtum  erst  der  nachmykenischen 
Zeit  angehört.  Denn  handgemachte  unbemalte  Gefäße  sind  in  Griechenland  in 
nachmykenischer  Zeit  noch  vielfach  im  Gebrauche  gewesen,  zumeist  natürlich  in 

senden,   die  von   dem  Strome   der  Kultur  etwas  abseits  lagen.     In  Olympia 

•  dort  konstatiert,   daß  Reste  derjenigen  Kultur,   die   ich   damals  zum  ersten 
Male  .der  Kürze  halber  nach  ihrem  —  damaligen  —  Hauptfundorte"  die  „  mykenische* 
ein  Name,  der  ihr  bis  heute  geblichen  ist  —  in  Olympia  absolut  fehlen. 


Das  Alter  des  Heraion  und  das  Alter  des  Heiligtums  von  Olympia.    453 


war  man  in  Bezug  auf  Keramik  allezeit  sehr  anspruchslos.  Aber  auch  auf  Ägina 
fanden  sich  in  dem  ländlichen  Heiligtum  der  Aphaia  große  Mengen  grober  hand- 
gemachter Gefäße,  die  der  nachmykenischen  Zeit  angehören  und  in  den  Formen 
sich  an  die  nachmykenisch-geometrischen  anschließen  (vgl.  Ägina,  Heiligtum  der 
Aphaia,  S.  441  ff.).  In  Troia  tritt  in  der  nachmykenischen  Zeit  in  der  sog.  7.  Schicht 
die  primitive  handgemachte  „Buckelkeramik"  auf  (Troia  und  Ilion,  S.  300  ff.). 
In  Eleusis  fanden  sich  in  einem  Grabe  mit  gewöhnlichen  nachmykenischen  geo- 
metrischen Vasen  der  Dipylon-Art  auch  grobe  handgemachte  mit  eingeschnittenen 
Ornamenten  primitiver  Art  ('E(pr)/u.  äqy.  1898,  Taf.  2,  14.  15;  S.  104  f.;  vgl.  meine 
Antike  Gemmen  III,  S.  441  und  Ägina-Aphaia  S.  476  Anm.  7).  In  Italien,  in  Südetrurien 
und  Latium  reichen  die  handgemachten  lokalen  Vasen  mit  den  plastischen  oder  einge- 
schnittenen Ornamenten  auch  bis  ins  7.  Jahrhundert,  wo  sie  neben  importierten  Vasen 
griechischer,  erst  geometrischer  und  dann  protokorinthischer  Art  stehen.  In  Griechen- 
land selbst  blühte  im  7.  Jahrhundert  eine  Fabrik,  die  für  den  Export  feine  handgemachte 
Gefäße  aus  blassem  Ton  arbeitete,  die  nach  primitiver  Weise  mit  eingeritzten  Ver-  478 
zierungen  geschmücktsind(Dragendorif,TheraII,S.  196  ff.  Ägina-Aphaia  S.446f.  477). 

Die  handgemachten  Scherben  in  der  tiefen  Schicht  der  Altis  können  also 
nicht  das  geringste  beweisen  gegen  das  nach  allen  übrigen  Tatsachen  feststehende 
nachmykenische  Alter  des  Heiligtums. 

Von  diesen  Tatsachen  sei  hier  nur  an  eine  besonders  wichtige  erinnert:  die 
Ausgrabung  der  tiefsten  Schicht  in  Olympia  hat  allenthalben  gezeigt,  daß  in  der 
ältesten  Zeit  des  Heiligtums  bereits  das  Eisen  in  vollster  Verwendung  war.  Es 
sind  gerade  in  der  tiefsten  Schicht  —  auch  unter  dem  Heraion  —  besonders 
viele  Eisengegenstände  gefunden  worden,  und  zwar  sowohl  Waffen,  insbesondere 
Lanzenspitzen,  als  auch  Teile  von  großen  Dreifüßen  (vgl.  Olympia  IV,  S.  3.  74.  75. 
76.  123.  173  u.  a.).  Nun  bezeichnet  aber  bekanntlich  in  den  alten  Gräberfunden 
von  Griechenland  und  Italien  —  um  von  anderen  Gegenden  zu  schweigen  — 
das  reichliche  Auftreten  von  Eisen,  insbesondere  seine  Verwendung  für  Waffen  eine 
scharfe  Scheidung  zweier  Kulturperioden.  In  Griechenland  liegt  die  Grenze  am 
Ende  der  mykenischen  Epoche.  Alle  die  mykenischen  Funde  gehören  noch  der 
Bronzezeit  an;  das  Eisen  kommt  hier  nur  ganz  vereinzelt  in  spätmykenischen 
Funden  vor,  doch  als  kostbares  Metall  nur  in  kleiner  Quantität  und  niemals  zu 
Waffen  oder  größeren  Geräten  verwendet;  höchstens  daß  einmal  ein  eisernes 
Messerchen  mit  Elfenbeingriff  erscheint,  wie  in  den  spätmykenischen  Gräbern  von 
Enkomi  auf  Cypern  (Brit.  Mus.,  Excavations  in  Cyprus,  1900,  S.  25;  vgl.  Arth. 
Evans  im  Journal  of  the  anthropolog.  institut.  1900,  S.  212).  Total  anders  ist  dies  in 
den  Gräbern  der  nachmykenischen  Zeit  mit  ihren  geometrischen  Vasen,  wo  das  Eisen 
reichlich  und  vor  allem  für  die  Waffen  verwendet  vorkommt,  ebenso  wie  in  der 
ältesten  Schicht  der  Altis.  Genau  entsprechend  sind  die  Fundverhältnisse  in  Italien. 
Dazu  kommt,  daß  alle  die  zahlreichen  charakteristischen  Bronzegegenstände, 
welche   in   den   tiefsten  Schichten   der  Altis  zusammen   mit  jenen   Eisensachen 


454     1)A*  Alte»  des  Heraion  und  das  Alter  des  Heiligtums  von  Olympia. 

unden  wurden,  aufs  engste  zusammenhängen  mit  den  Grabfunden  der  ersten 
nachmykenischen,  der  frühesten  Eisenzeit  in  Griechenland,  Italien  und  Mittel- 
europa. Meine  Behandluug  der  olympischen  Bronzen  in  Olympia  Bd.  IV  gibt 
eine  Fülle  von  Belegen  dafür.  Hierher  gehören  z.  B.  die  Fibeln,  die  in  der  spät- 
mykenischen  Zeit  erst  in  ihrer  einfachsten  Gestalt  erscheinen,  deren  ganze  reiche 
weitere  Ausbildung  der  nachmykenischen  Epoche  zufällt. 

Den  positiven  Tatsachen  schließt  sich  die  negative  an,  daß  in  Olympia  nicht 
etwa  nur  die  mykenischen  Vasen,  sondern  alle  jene  Gegenstände  absolut  fehlen, 
welche  die  mykenische  und  die  vormykenischen  Epochen  charakterisieren,  also 
vor  allem  die  Kupfer-  oder  Bronzewerkzeuge;  an  ihre  Stelle  war  in  Olympia 
schon  in  der  ältesten  Zeit  das  Eisen  getreten.  Ebenso  fehlen  völlig  die  Stein- 
werkzeuge und  Steingeräte,  die  jenen  Epochen  niemals  fehlen,  ebenso  die  Stein- 
amulette, die  Steinwirtel  u.  dgl.,  die  Obsidianmesser,  die  mykenischen  Gemmen  usw., 
kurz  alle  jene  Fülle  von  Gegenständen,  die  gestatten,  eine  Fundschicht  vor  die 
nachmykenische  Zeit,  in  das  2.  Jahrtausend  hinaufzurücken. 

Die  Frage  nach  dem  Alter  des  Heiligtums  von  Olympia  ist  also  längst 
sicher  beantwortet,  und  die  neue  kleine  Ausgrabung  dieses  Jahres  hat  nichts 
Neues  hierfür  beigebracht.  Es  ist  so  wie  ich  schon  in  meiner  ersten  Abhandlung 
über  die  Bronzefunde  1879  angegeben  hatte.  In  meiner  vollständigen  Bearbeitung 
der  kleineren  Funde,  Olympia  Bd.  IV,  ist  alles  tatsächliche  Material  geordnet 
vorgelegt  und  die  Schlüsse  sind  leicht  daraus  zu  ziehen.  Leider  wurde  ich 
damals  verhindert,  die  zusammenfassende  Behandlung  zu  publizieren,  die  ich 
vorbereitet  hatte  und  die  den  olympischen  Funden  ihre  Stellung  innerhalb  der 
vor-  und  frühgeschichtlichen  Kultur  Europas  anweisen  sollte;  dieses  Vorhabens 
halber  hatte  ich  in  jenem  Bande  Olympia  IV  alle  Schlüsse  aus  dem  Materiale  zu 
ziehen  vermieden.  Als  Ernst  Curtius  zuletzt  die  Geschichte  Olympias  zu  schreiben 
unternahm,  da  hat  er  (Olympia  I,  S.  26  f.)  nur  einen  ganz  ungenügenden  Gebrauch 
von  dem  Materiale  machen  können,  das  ich  in  jenem  Bande  IV  verarbeitet  hatte. 
480  Denn  diese  Dinge  lagen  ihm,  wie  den  Gelehrten  seiner  Generation  überhaupt, 
ja  ganz  fern.  Daß  für  die  Geschichte  der  Frühzeit  Griechenlands  die  Funde  des 
Bodens,  auch  die  kleinsten  und  unscheinbarsten,  von  unendlich  größerer  Bedeu- 
t  ing  sein  können  als  die  dunkeln  literarischen  Traditionen,  die  wir  besitzen,  ist 
ein  Gedanke,  der  ja  erst  in  den  letzten  Dezennien  zum  Durchbruch  gekommen 
ist.  Als  ich  1878  meine  Arbeiten  in  Olympia  begann,  war  den  kleinen  Funden 
noch  wenig  Beachtung  geschenkt  worden  (vgl.  Bronzefunde,  1879,  S.  3  [oben 
139)),  indem  die  Aufmerksamkeit  auf  ganz  anderes  gerichtet  gewesen  war; 
ihre  historische  Bedeutung  darzulegen,  versuchte  ich  damals  zuerst  in  der  Ab- 
handlung von  lH7't.  Den  Ausgangspunkt  nahm  ich  von  der  oben  besprochenen 
iche,  daß  die  olympischen  Funde  erst  einsetzen  mit  der  nachmykenischen 
•che  und  daß  das  System  geometrischen  Stiles,  das  sie  zeigen,  genau  dem- 
gcn    entspricht,    das   wir   durch    andere    Funde   als    nachmykenisch    erweisen 


Das  Alter  des  Heraion  und  das  Alter  des  Heiligtums  von  Olympia.    455 


können,  daß  unter  Arbeiten  „geometrischen"  Stiles  überhaupt  scharf  geschieden 
werden  müsse,  indem  (Bronzefunde,  1879,  S.7f.  [oben  S.  343  ff.])  frühmykenische,1 
cyprische,  böotische,  apulische  u.  a.  geometrische  Dekorationssysteme  nach  Zeit 
und  Art  scharf  zu  scheiden  seien,  daß  aber  das  in  Olympia  erscheinende  System 
speziell  nachmykenisch  sei.  All  dies  von  mir  schon  1879  Aufgestellte  hat  sich 
dann  durch  zahlreiche  spätere  Funde  und  die  nachfolgenden  Untersuchungen 
anderer  Gelehrten  bestätigt  und  immer  klarer  und  deutlicher  gezeigt. 

Insbesondere  ist  die  scharfe  Scheidung  der  nachmykenischen  geometrischen 
Epoche,  welcher  die  olympischen  Funde  angehören,  von  der  vorangegangenen 
mykenischen  immer  deutlicher  hervorgetreten  und  durch  mehrere  große  Fund-  481 
komplexe  klargestellt  worden.  Ich  erinnere  z.  B.  an  die  Fundmassen,  die  Cypern 
bietet,  wo  zuerst  durch  Ohnefalsch-Richters  Beobachtungen  und  Forschungen 
jene  Scheidung  überaus  klar  hervorgetreten  ist.  Eben  hier  auf  Cypern  ist  auch 
ein  sehr  entwickelter  lokaler,  der  mykenischen  und  der  vormykenischen,  d.  h.  der 
späteren  und  der  älteren  Bronzezeit  angehöriger  geometrischer  Stil  beobachtet 
worden.  Ich  erinnere  ferner  an  die  Nekropolen  von  Rhodos;  daß  hier  das 
Mykenische  und  das  Nachmykenisch-Geometrische  absolut  geschieden  sind,  hatte 
ich  schon  1886  (im  Jahrb.  d.  Arch.  Inst.  I,  S.  134)  zu  konstatieren  Gelegenheit. 
Ferner  sei  an  Thera  erinnert,  dessen  Nekropolen  neuerdings  so  gründlich  unter- 
sucht wurden.  Auch  hier  die  schärfste  Scheidung  der  Olympia  parallel  laufenden 
nachmykenisch-geometrischen  Erscheinungen  von  den  älteren.  Die  Funde  von 
Thera  sind  auch  dadurch  besonders  interessant,  daß  sie  den  allmählichen  Über- 
gang aus  dem  nachmykenisch-geometrischen  in  den  archaischen  Stil  des  7.  Jahr- 
hunderts, ebenso  wie  die  von  Olympia,  vortrefflich  beobachten  lassen.  Ich  er- 
innere endlich  an  die  großen  Fundmassen  von  Kreta,  die  in  einer  Fülle  klarster 
Tatsachen  die  scharfe  Scheidung  der  Olympia  parallelen  nachmykenisch-geome- 
trischen Eisenzeitfunde  von  denen  der  vorangegangenen  Epochen  zeigen  und 
wieder  den  Übergang  jener  in  das  Archaische  des  7. — 6.  Jahrhunderts  verdeutlichen. 
Ich  kann  schließlich  auch  auf  meine  neuen  Ausgrabungen  am  Aphroditetempel 
bei  der  Stadt  Ägina  hinweisen,  wo  jene  Epochen  des  vor-  und  frühmykenisch- 
geometrischen,  des  jünger  mykenischen  und  des  nachmykenisch-geometrischen, 
Olympia  parallelen  Stiles  in  Schichten  übereinander  klar  geschieden  zu  Tage  kamen. 

Daß  ich  diese  Dinge,   die   allen   denen,   die   auf  diesem  Forschungsgebiete 
gearbeitet  haben,  wohl  bekannt  sind,   hier  rekapituliere,   hat  einen  besonderen 


1  Ich  wies  damals  auf  die  frühmykenischen  Vasen  mit  Mattmalerei  hin,  deren  geo- 
metrisches System  von  dem  nachmykenischen  ganz  verschieden  ist.  Über  vormykenische 
geometrische  Dekoration  im  allgemeinen  s.  Antike  Gemmen  III,  S.  58  f.  Dörpfeld,  Ath. 
Mitt.  1906  S.  207  meint,  es  sei  eine  neue  Entdeckung,  daß  geometrische  Dekoration  uralt 
sei,  und  er  müsse  aus  dieser  „neuen  Erkenntnis"  erst  die  historischen  Folgerungen  ziehen. 
Er  wirft  aber  sämtliche  geometrische  Stile  in  einen  Topf  und  zeigt,  daß  ihm  auch  die 
Anfangsgründe  des  Wissens  auf  diesem  Gebiete  fehlen. 


456    Das  Alter  des  Heraion  und  das  Alter  des  Heiligtums  von  Olympia. 

lud,  den  die  Leser  der  Athenischen  Mitteilungen  längst  erraten  haben:  es  ist 
die  seltsame  Behandlung,  welche  Dörpfeld  den  Resultaten  seiner  neuen  kleinen 
Grabung  im  Heraion  von  Olympia  a.a.O.  Ath.  Mitt.  1906,  S.  205  ff.  in  dem 
Aufsatze  „Das  Alter  des  Heiligtums  von  Olympia"  hat  angedeihen  lassen.  Nach 
Dörpfeld  wäre  alle  unsere  Forschungsarbeit  der  letzten  dreißig  Jahre  umsonst 
und  irrig  gewesen.  Der  nachmykenische,  von  mir  in  dem  Olympiawerk  „euro- 
päisch-geometrisch" genannte  Stil  ist  nach  Dörpfeld  nunmehr  in  die  mykenische 
und  die  vormykenische  Epoche,  die  Dipylonvasen  und  was  mit  ihnen  zusammen- 
hängt sind  um  ein  Jahrtausend  oder  mehr  zurückzuversetzen;  jener  ist  der  Stil 
der  alten  „Achäer";  der  mykenische  Stil  sei  dagegen  —  hier  wärmt  Dörpfeld 
eine  längst  widerlegte  Meinung  auf  —  phönikisch;  jene  olympischen  Bronzen 
aber,  die  ich  als  Gruppe  des  „orientalisch-griechischen  Stiles"  zusammenfaßte, 
die  über  das  8.  Jahrhundert  nicht  hinausgehen  und  von  allem  Mykenischen 
durch  eine  ungeheure  Kluft  getrennt  sind,  zeigen  nach  Dörpfeld  den  Einfluß  des 
angeblich  gleichzeitigen  mykenischen  Stiles  auf  den  „achäischen"  usw.  Die 
Achtung,  die  ich  vor  den  bekannten  großen  Leistungen  Dörpfelds  habe,  macht 
es  mir  schwer,  diese  seine  neuesten  Auslassungen  so  zu  charakterisieren,  wie 
es  sich  gebührt.  Wie  ich  darüber  denken  muß,  geht  aus  dem  Vorangegangenen 
zur  Genüge  hervor.  Dörpfeld  ist  sich  offenbar  leider  nicht  bewußt,  wie  seltsam 
es  wirkt,  wenn  er,  mit  der  Naivität  völliger  Unkenntnis,  vermeint,  durch  ein 
einfaches  „meines  Erachtens"  die  Resultate  dreißigjähriger,  auf  einer  ungeheuren 
Fülle  von  Tatsachen  beruhender  Forschung  umstürzen  zu  können.  Ich  möchte 
ihn  dabei  an  den  Mann  gemahnen,  den  er  sich  sonst  vielfach  als  Vorbild  ge- 
nommen zu  haben  scheint,  an  Schliemann:  dieser  vereinigte  mit  all  seinem 
Dilettantismus  doch  einen  tiefen  Respekt  vor  der  Wissenschaft! 

Wie  Dörpfeld  zu  seinen  Seltsamkeiten  gekommen  ist,  liegt  in  seinem  Auf- 
satze deutlich  zu  Tage.  Er  verficht  bekanntlich  die  unglückliche  Idee,  es  lasse 
sich  nachweisen,  daß  die  homerische  Dichtung  mit  „Ithaka"  die  Insel  Leukas 
gemeint  habe.  Indem  er  ferner  homerische  und  „mykenische"  Kultur  ohne 
weiteres  gleichsetzt,  sucht  er  an  der  Stelle  auf  Leukas,  wo  er  die  Stadt  des 
Odysseus  vermutet,  in  der  Ebene  von  Nidri,  „mykenische"  Überreste.  Er  hat 
483  solche  bis  jetzt,  scheint  es,  nicht  gefunden,  sondern  nur  „monochrome"  Topf- 
ware, die  eine  genauere  Bestimmung  nicht  zuzulassen  scheint  (ich  habe  noch 
nichts  davon  zu  sehen  Gelegenheit  gehabt).  Da  Dörpfeld  nun  an  einem  anderen 
Platze  auf  Leukas,  bei  Chortata,  dieselbe  Topfware  mit  „geometrischen"  Bronzen 
zusammen  gefunden  hat,  welche  durch  Stil  und  Form  äußerst  bestimmt  charakte- 
risiert sind,  so  ist  klar,  daß  jene  Topfware  nach  diesen  Bronzen  bestimmt  werden 
muß.  Dies  wird  noch  weiter  dadurch  bestätigt,  daß  auch  in  Olympia,  und  zwar 
in  den  untersten  Schichten  der  Altis,  genau  dieselben  Bronzetypen  mit  derselben 
iware  vorkommen,  was  Dörpfelds  neue  kleine  Grabung  unter  dem  Heraion 
neuem  zu  beobachten  gestattet  hat.   Jene  Bronzen  von  Chortata  kenne  ich 


Das  Alter  des  Heraion  und  das  Alter  des  Heiligtums  von  Olympia.    457 


durch  Photographien,  die  mir  Dörpfeld  zu  senden  die  Freundlichkeit  hatte.  Es 
sind  Stücke,  die  den  olympischen  aufs  genaueste  gleichen.  Es  ist  ein  Pferdchen 
geometrischen  Stiles  mit  durchbrochener  Basis  wie  Olympia  IV,  Nr.  197  ff.,  ferner 
Schmuckkettenglieder  wie  ebenda  Nr.  440,  444,  Bommeln  wie  ebenda  Nr.  410  ff., 
eine  Nadel  ähnlich  ebenda  Nr.  482,  endlich  Doppelbeile  wie  ebenda  Nr.  523  f. 
Gleichartige  Bronzen  sind  in  Griechenland  nur  in  Gräbern  mit  den  nachmykenisch 
geometrischen  Vasen  gefunden  worden,  sie  sind  den  älteren  Epochen  absolut 
fremd;  sie  kommen  auch  weiter  nördlich  in  den  Funden  der  Hallstatt-Epoche, 
so  besonders  ähnlich  in  der  Nekropole  von  Glasinac  in  Bosnien  vor.  Diese 
Bronzen  von  Chortata  auf  Leukas  sind  also  das  genau  bestimmbare  Element; 
nach  ihnen  sind  dann  jene  Scherben  von  Nidri  zu  bestimmen.  Dörpfeld  freilich 
bringt  es  fertig,  ganz  anders  zu  schließen;  er  ist  so  ganz  in  seinen  homerisch- 
mykenischen  Ideen  befangen,  daß  er  die  Scherben  von  Nidri,  der  angeblichen 
Stadt  des  Odysseus,  ohne  weiteres  in  das  2.  Jahrtausend,  in  mykenische  oder 
vormykenische  Zeit  setzt  und  dann,  darauf  fußend,  die  anderwärts  mit  ana- 
logen Scherben  gefundenen  Bronzen,  also  die  von  Chortata  und  den  ganzen 
großen  Fundkomplex  der  untersten  Schichten  in  Olympia  in  jene  selbe  frühe  Epoche 
verlegt!  und  dies  alles  nur,  weil  eben  Leukas  das  homerische  Ithaka  sein  und 
dieses  in  mykenischer  Epoche  seine  Blüte  gehabt  haben  soll. 

Genug  von  diesen  Verirrungen,  bei  denen  ich  nur  deshalb  länger  verweilen  484 
mußte  als  sie  verdienen,  weil  die  Autorität  Dörpfelds  die  Gefahr  in  sich  schließt, 
daß  durch  seine  Behauptungen  Verwirrung  in  unsere  Wissenschaft  getragen  werde. 
Denn  es  ist  etwas  anderes,  wenn  ein  Ch.  Waldstein  alles  durcheinander  wirft,  was 
wir  über  die  frühzeitlichen  Funde  in  Griechenland  allmählich  Gesichertes  festgestellt 
haben  (vgl.  darüber  Berl.  Phil.  Wochenschrift  1904,  S.  816;  1906,  S.  790  f.),  als  wenn 
ein  Mann  von  den  ungeheuren  Verdiensten  W.  Dörpfelds  dergleichen  unternimmt.1 

Um  zu  rekapitulieren,  was  wir  über  das  Alter  des  Heiligtums  von  Olympia 
glauben  wissen  zu  dürfen:  Die  ältesten  Funde  gehören  der  ersten  nachmykenischen 
Epoche,  um  die  Wende  des  2.  zum  1.  Jahrtausend,  ca.  1 100— 800  v.  Chr.  an.  In  dieser 
Zeit  bildet  sich  der  „nachmykenisch-geometrische"  Stil  im  Ornament,  Tier-  und 
Menschenfigur  allmählich  aus;  seine  höchste  reichste  Entwicklung  und  Blüte  wird 
aber  erst  in  das  8.  Jahrhundert  fallen.  Im  7.  Jahrhundert  sehen  wir  dann  den  geometri- 
schen Stil  allmählich  auslaufen  und  übergehen  in  den  eigentlich  archaisch-griechischen 
Stil.  Seit  wenigstens  dem  8.  Jahrhundert  war  neben  dem  „geometrischen"  oder 
„europäisch-griechischen"  immer  mächtiger  der  „orientalisch-griechische"  Stil  auf- 
getreten. Aus  der  Kombination  beider  ist  dann  der  archaisch-griechische  Stil  er- 
wachsen. Gegen  Ende  des  7.  Jahrhunderts,  wo  dieser  archaische  Stil  auf  allen  Gebieten 
nach  monumentalem  Ausdruck  strebt,  ist  das  Heraion  in  Olympia  erbaut  worden. 

1  [Vgl.  Dörpfeld,  Athen.  Mitt.  1908  S.  185  ff.] 


ARCHAISCHER  GOLDSCHMUCK 

(ARCHÄOLOGISCHE  ZEITUNG  42,  1884) 
(Tafel  8.  9. 10  [=  Tafel  15. 16. 17]) 

ie  drei  vorliegenden  Tafeln  enthalten  eine  Reihe  von  Goldsachen,  die  ich 
wegen  ihrer  hohen  Altertümlichkeit  und  der  großen  Seltenheit  verwandter 
Gegenstände  habe  zusammenstellen  lassen;  sie  stammen  alle  bis  auf  den 
großen  Brustschmuck  Tafel  10,2  [17,2]  aus  Griechenland  und  befinden  sich  mit 
Ausnahme  von  Tafel  9,5  [16,5]  und  der  dem  königlichen  Museum  zu  Kopen- 
hagen gehörigen  Stücke  Tafel  9, 1.2  [16, 1.2]  im  königlichen  Antiquarium  zu  Berlin. 

Die  auf  Tafel  8  [15]  vereinigten  Stücke  wurden  zusammen  erworben  als  aus 
einem  Funde  in  einem  Grabe  bei  Korint  h  stammend.  Sie  bestehen  aus  gelbem  Golde. 

Nr.  1  ist  ein  ganz  dünnes  Goldblech  mit  eingestempelten  Figuren.  Die  Abbildung 
ist  wie  die  der  sämtlichen  Stücke  dieser  Tafel  in  Originalgröße  ausgeführt.  Zu 
oberst  läuft  ein  etwas  unregelmäßiges  Zickzackband.  Dann  folgt  ein  Fries  mit  der 
Richtung  nach  links.  Zunächst  links  drei  Kentauren  mit  Menschenbeinen;  das 
Original  ist  hier  sehr  zerknittert;  die  Abbildung  gibt  nur  das  völlig  Sichere.  Sie 
halten  Baumäste  in  den  Händen.  Es  folgen  zwei  Reiter;  der  Hinterkopf  des  ersten 
ist  mit  einem  Busch  ausgestattet,  den  wir  bei  den  folgenden  Figuren  noch  mehrfach 
finden  werden,  und  der  doch  wohl  einen  Helmbusch  bedeuten  soll.  Dann  kommen 
wieder  zwei  Kentauren  mit  Baumästen;  dieselben  haben  indess  pferdeförmige  Vorder- 
beine, bei  der  Kleinheit  und  primitiven  Ausführung  freilich  mit  minimalem  Unter- 
schied von  den  menschlich  gestalteten.  Es  folgt  nun  ein  langer  Zug  von  Menschen, 
die,  das  eine  Bein  etwas  hebend,  alle  nach  links  schreiten  und  sich  die  Hände  auf 
die  Schultern  zu  legen  scheinen,  oder  wohl  eher,  obwohl  dann  die  Arme  sehr  kurz 
geraten  wären,  sich  die  Hände  reichen,  wie  zu  einem  Chorreigen  verbunden;  sie 
haben,  soweit  kenntlich,  alle  jenen  Busch  am  Hinterkopf.  Der  vorderste  links  trägt 
eine  Lanze,  der  fünfte  einen  Gegenstand,  der  ein  Bogen  sein  dürfte.  Unterbrochen 
100  wird  der  Zug  an  einer  Stelle  von  einer  Gestalt,  die  ein  gehörntes  Tier  mit  langem 
Schwänze  herbeiführt  und  in  der  anderen  Hand  etwas  hält,  das  ein  gekrümmtes 
sein  könnte.  Eine  Gestalt  rechts  davon  ist  nach  rechts  gewandt  wie  ein 
Anführer  der  folgenden  Zugabteilung.  Es  scheint  ein  Opferfest  gemeint  zu  sein. 
Zur  Füllung  dient   über  dem  Tiere   ein   kurzer  Stab   mit  zwei  Ästen.     Dasselbe 

iv  dient  auch  auf  dem  folgenden  unteren  Friesstreifen  zur  Füllung.    Er  wird 

inet  zur  Linken  durch  zwei  Reiter  nach  rechts;  dann  folgt  ein  Mann,  der  sein 


Archaischer  Goldschmuck.  459 


Roß  nach  rechts  am  Zügel  führt;  ein  Busch  am  Hinterkopf  ist  gezackt.  Ihm  entgegen 
kommen  zwei  Reiter;  dann  ein  Mann  mit  einer  Lanze,  der  wieder  ein  gehörntes 
Tier  führt,  hinter  dem  ein  Mann  mit  Busch  schreitet,  wenn  er  nicht,  wie  es  eher 
scheint,  darauf  reitet.  Die  Füllung  des  Raumes  ist  außer  durch  das  obengenannte 
Motiv  auch  durch  ein  Hakenkreuz  und  einen  fliegenden  Vogel  (?)  hergestellt.  Nun 
folgt  wieder  ein  langer  Zug  von  Gestalten,  der  in  zwei  Teile  zerfällt:  voran  acht 
Figuren,  die  sich  wieder  wie  die  oberen  gegenseitig  an  den  Händen  fassen  und 
den  Busch  tragen,  der  vorderste  hat  eine  Lanze;  dann  sechzehn  Gestalten,  welche 
den  einen  Arm  an  die  Hüfte  des  Vordermanns  legen  und  den  anderen  hoch  erheben. 
Sie  tragen  keinen  Busch;  vielleicht  sind  hier  Frauen  gemeint  im  Gegensatze  zu 
den  bewaffneten  Männern.  Sämtliche  Figuren  heben  den  einen  Fuß  etwas  und 
sind  im  Schreiten  oder  besser  wohl  im  Tanze  begriffen. 

Über  die  Bedeutung  des  Ganzen,  das  sich  etwa  als  Leichenfeier  und  -opfer 
ansehen  ließe,  wird  sich  schwerlich  etwas  Sicheres  sagen  lassen.  Besonders 
interessant  ist  gewiß  das  Vorkommen  der  Kentauren,  die  mit  den  Reitern l  gemischt 
erscheinen.  Sie  tragen  den  Ast,  der  in  ältester  Kunst  ihr  gewöhnliches  Attribut  ist. 
Daß  die  Kentauren  in  der  Typik  der  aus  abgeprägten  Formen  hergestellten  ältesten 
Reliefkunst  besonders  zu  Hause  sind,  hat  Milchhöfer  nachgewiesen.2  Das  vor-  101 
liegende  Stück  tritt  als  Bestätigung  hinzu;  es  wirft  ebenso  ein  Licht  auf  die  Her- 
kunft der  in  den  sogenannten  Buccherogefäßen  erscheinenden  Typik;  denn  die 
Verwandtschaft  unseres  Reliefs  mit  den  ältesten  gepreßten  Flachreliefs  der  Bucchero- 
technik  ist  unverkennbar;  mehr  freilich  noch  die  mit  den  gepreßten  Tonreliefs  von 
Rhodos.3  Indess  hat  der  Stil  unseres  Reliefbandes  noch  bestimmtere  nähere  Ana- 
logien auf  griechischem  Boden.  Das  sind  die  geometrischen  sogenannten  Dipylon- 
vasen;  die  eigentümlich  schematische  Auffassung  des  menschlichen  und  des  Pferde- 
körpers ist  hier  wie  dort  dieselbe,  und  wir  dürfen  das  Relief  jenem  größeren  Kreise 
von  Metallarbeiten  griechischer  Provenienz  zuzählen,  die  jenem  so  ausgeprägten 
Stile  folgen. 

Wir  schließen  hier  gleich  die  Besprechung  von  Tafel  9, 1  [16, 1],  dem  einen 
der  in  Kopenhagen  befindlichen  Stücke,  an,  da  dasselbe  in  genau  demselben  Stile 
gehalten  ist.  Es  stammt  aus  Athen  und  soll  in  einem  jener  ältesten  Gräber  am 
Dipylon  gefunden  sein.  Es  ist  ein  dünner  Streif  von  Blaßgold.  Zwei  Darstellungen 
sind  auf  dem  erhaltenen,  indess  teilweise  lückenhaften  Stücke  je  zweimal  ab- 
gestempelt, miteinander  abwechselnd;  jede  ist  von  der  anderen  durch  ein  breites 
lineares  Ornamentband  getrennt.  Die  eine  Darstellung  zeigt  links  zwei  mit  den 
Köpfen  einander  zu-,  mit  den  Beinen,  wie  es  scheint,  abgewandte  Männer,  die  sich 
in  derselben  Weise  wie  in  dem  vorigen  Relief  die  eine  Hand  zu  reichen  scheinen 
und  in  der  anderen  einen  an  der  einen  Seite  gezackten  Stab,  wohl  einen  Ast, 

1  Reiter  auch  auf  der  Vase  des  späteren  „Dipylonstiles",  Berliner  Vasenkatalog  56. 

2  Anfänge  der  Kunst  S.  75  f. 

3  Salzmann,  Necrop.  de  Camirus  Taf.  27;  Milchhöfer,  Anfänge  S.  73  f. 


450  Archaischer  Goldschmuck. 


halten.  Dann  folgt  ein  springendes  Roß  mit  lose  herabhängendem  Zügel;  über 
seinem  Rücken  erscheint  der  Oberkörper  eines  Mannes  mit  Helmbusch  nach  rechts, 
der  eine  Waffe  erhebt;  ein  stehender  Mann  sticht  von  rechts  mit  der  Lanze  nach 
seiner  Hüfte.  Offenbar  ist  gemeint,  daß  ein  Reiter  von  hinten  verwundet  wird,  die 
Zügel  verliert  und  sich  nach  dem  Gegner  umwendet:  ein  auffallend  kompliziertes 
Kampfmotiv,  das  hier  freilich  in  primitivster  Weise  ausgedrückt  ist.  Bei  der  Wieder- 
holung dieser  Gruppe  rechts  am  Ende  folgt  nicht  das  Ornament,  sondern  ein  den 
Speer  werfender  Reiter;  doch  ist  das  Vorderteil  des  Rosses  nicht  mitabgepreßt,  ein 
Beweis  von  Nachlässigkeit,  wie  er  in  dieser  mechanischen  Kunsttätigkeit  nicht 
auffallen  darf.  —  Die  andere  Darstellung  zeigt  einen  Kentauren  mit  menschlichen 
Vorderfüßen  und  mit  dem  Aste  in  der  einen,  einem  kürzeren  Zweige  in  der  anderen 
Hand.  Dann  eine  beide  Male  fragmentierte  Männergruppe.  Als  Füllung  tritt  hier 
wie  im  vorigen  Relief  der  kleine  Stamm  mit  zwei  Seitenästen  auf.  Daß  die  beiden 
Stücke  aus  einer  Fabrik  stammen,  ist  nicht  zu  bezweifeln. 

Tafel  9,  4  [16,  4]  zeigt  in  Originalgröße  ein  aus  Athen  stammendes  kleines 
Diadem  von  gelbem  Golde;  die  Ornamentation  besteht  nur  aus  drei  Reihen  eines 
unregelmäßigen  Zickzackbandes.  Die  völlige  Übereinstimmung  mit  Tafel  8,1  [15,1] 
in  Zeichnung  und  Ausführung  weist  das  Stück  demselben  Kreise  zu. 

Eine  etwas  verschiedene  Gattung  von  gepreßten  Bändern  finden  wir  durch 
Tafel  9,2  [16,2]  repräsentiert.  Es  ist  ein  Diadem,  im  Museum  von  Kopenhagen 
befindlich,  das  ebenfalls  aus  Athen  stammt  und  aus  etwas  blassem,  doch  gelberem 
Golde  besteht  als  Tafel  9, 1  [16,  1].  Die  Enden  sind  in  der  Abbildung  weggelassen, 
da  sie  nur  die  Fortsetzung  des  eigentümlichen  Mäanderbandes  enthalten,  das  die 
ganze  Breite  des  Streifens  füllt;  dasselbe  besteht  aus  drei  übereinander  gesetzten 
einfach  gebrochenen  Mäanderlinien;  die  drei  Reihen  sind  aber  durch  kurze  Quer- 
stäbchen untereinander  verbunden,  was  dem  Ganzen  den  Anschein  des  Komplizierten 
gibt.  Unter  Nr.  5  derselben  Tafel  [16,5]  habe  ich  noch  ein  anderes  Diademband  aus 
blassem  Golde  abbilden  lassen,  das  ebenfalls  aus  Athen  stammt  und  im  Privatbesitz 
befindlich  ist;  es  gehört  wohl  derselben  Fabrik  an.  Es  zeigt  in  zwei  Reihen  das 
einfache  Motiv  ~  _;  durch  Querstäbchen  sind  die  Reihen  verbunden.  Das  Diadem 
ist  vollständig  (die  Abbildung  gibt  nur  das  rechte  Ende  wieder)  und  hat  die  Länge 
von  0,37;  an  beiden  Enden  je  ein  Loch. 

Doch  zurück  zu  dem  Kopenhagener  Stück,  das  in  der  Mitte  eine  bildliche 
Darstellung  aufweist.  Dieselbe  wiederholt  sich  zweimal  mit  geringen  Varianten. 
Ein  Löwe  hat  mit  seinem  Rachen  den  Kopf  eines  waffenlosen  Mannes  erfaßt,  der 
sich  vergebens  wehrt,  indem  er  das  eine  Vorderbein  des  Löwen  und  die  Schnauze 
desselben  erfaßt;  ein  zweiter  Löwe  kommt  von  rechts  und  setzt  ihm  die  Tatze  auf 
den  Rücken.  Die  Szene  ist  durch  ihre  Neuheit  und  Originalität  in  ihrem  Kreise 
sehr  überraschend.  Sie  schließt  sich  an  keinerlei  geläufigen  Typus  an;  sie  will 
einen  wirklichen  Vorgang  wiedergeben,  den  Überfall  eines  wehrlosen  Mannes,  etwa 
eines  Hirten,  durch  zwei  Löwen;  aber  die  Darstellung  ist  ungeschickt  und  hat  wenig 


Archaischer  Goldschmuck.  451 


Wahrscheinlichkeit;  denn  es  sieht  fast  aus,  als  ob  der  Mann  den  Kopf  absichtlich 
in  den  Rachen  des  Tieres  stecke.  Indess  ist  die  Gruppe  doch  nicht  völlige  Neu- 
schöpfung, sondern  schließt  sich  offenbar  an  den  Typus  an,  der  statt  des  Menschen 
einen  Stier  zeigte,  der  sich  mit  den  Hörnern  gegen  den  einen  Löwen  wehrt,  während 
ein  zweiter  ihn  von  hinten  anfällt.  Im  Jahrgang  1883  dieser  Zeitschrift  Tafel  10,2 
habe  ich  eine  archaische  griechische  Lekythos  mit  diesem  Typus  veröffentlicht  und 
zugleich  (S.  159  ff.)  einiges  über  die  Darstellung  von  Kämpfen  zwischen  Löwen  und 
Menschen  in  ältester  griechischer  Kunst  gesammelt,  worauf  ich  hier  verweisen  kann. 

Die  anderen  mir  bekannten,  dem  vorliegenden  gleichartigen  Goldbänder,  die 
man  am  leichtesten  an  der  konstanten  Einfassung  aus  kleinen  Stäbchen  erkennt, 
und  die  alle  denselben  etwas  weichlichen  breiten  Stil  zeigen,  bringen  keine  mensch- 
lichen Figuren,  sondern  nur  Friese  von  Tieren,  namentlich  Löwen  und  Hirschen. 
Von  einigen  derselben  ist  es  sicher  konstatiert,  daß  sie  in  den  ältesten  Gräbern 
mit  den  geometrischen  Vasen  am  Dipylon  bei  Athen  gefunden  wurden.1 

Einen  durchaus  in  diese  Gattung  gehörigen  Goldstreifen,  eine  neue  Erwerbung  104 
des  Berliner  Antiquariums  aus  Athen,2  publizieren  wir  auf  Tafel  10, 1  [17, 1].  Es 
ist  ein  vollständiges  Diadem,  an  beiden  Enden  mit  einem  kleinen  Loche  zum 
Umbinden  versehen.  Das  Merkwürdigste  an  dem  Stück  ist  die  fabrikmäßige  Roheit 
der  Herstellung,  in  die  es  einen  Einblick  gewährt.  Es  ist  nämlich  geschnitten  aus 
einem  größeren,  mit  abgedrückten  Stempeln  bedeckten  Goldbleche,  fast  ohne 
Rücksicht  auf  die  bildlichen  Darstellungen,  die  mehrfach  durchschnitten  werden. 
Zunächst  sehen  wir  einen  schmalen  Fries,  in  dem  Löwe  und  Hirsch  nach  rechts 
abwechseln;  darüber  und  darunter  erscheinen  aber  Reste  des  nächsten  Streifens 
mit  Kreisornamenten.  Dann  folgt  ein  kleines,  in  der  typischen  Weise  umrahmtes 
Feld  mit  einer  rohen  Figur,  die  wohl  ein  Greif  sein  soll.  Gegenüber  im  nächsten 
Felde  sitzt  eine  ebenso  rohe  Sphinx  nach  links;  beide  haben  die  vom  Kopfe  aus- 
gehende ornamentale  Locke,  die  auf  den  ältesten  Sphinxdarstellungen  in  Griechen- 
land3 selten  fehlt.   Der  Greif  hat  offenen  Schnabel;  Ohren  sind  nicht  angedeutet. 


1  Gemeint  ist  das  aus  zwei  Stücken  bestehende  Band  aus  Blaßgold  in  Berlin,  bei 
Curtius,  Das  arch.  Bronzerelief  (Abh.  der  Akademie  1879)  Taf.111,4.  5  abgebildet  (Hirsche 
und  löwen-  oder  pantherartige  Tiere  nach  rechts);  ferner  das  im  Louvre,  siehe  Daremberg 
et  Saglio,  Dict.  des  ant.  I  S.  788  Fig.  933  und  vgl.  Annali  d.  Inst.  1880  S.  130  (Furtwängler 
[oben  S.  441]);  zur  Auffindung  Annali  1872  S.  136. 154  (Hirschfeld).  —  Ein  hierher  gehöriges 

78 
Band  besitzt  auch  das  British  Museum  (mit  der  Bezeichnung  3  j  4);  es  zeigt  vier  löwenartige 

Tiere,  je  zwei  einander  gegenüber  mit  gehobenen  Schwänzen;  dazu  ein  Feld  mit  Spiral- 
ornamenten, zwei  unter  sich  verbundene  Reihen,  in  der  Art  wie  auf  den  mykenischen  Grab- 
steinen (Schliemann,  Mykenae  Fig.  140),  nur  loser  auseinandergezogen:  ein  interessantes 
Faktum,  da  sonst  nur  die  eckig  gebrochenen  Ornamentmotive  in  dieser  Gattung  erscheinen. 
[Catalogue  of  Jewellery  Nr.  1219.] 

2  Invent.  Nr.  7901.   Länge  0,25;  Höhe  0,03. 

3  Vgl.  z.  B.  das  Glasplättchen  aus  Menidi:  Kuppelgrab  bei  Menidi  Taf.  V,44u.  a. 
Später  mit  Lotosblüte  am  Ende. 


452  Archaischer  Goldschmuck. 


Beide,  Greif  und  Sphinx,  sind  flügellos,  worauf  bei  der  Roheit  der  Darstellung 
indess  kein  Gewicht  zu  legen  ist.  Unter  diesen  Feldern  sind  wieder  Stücke  der 
darunter  folgenden  zu  sehen;  links  unter  dem  Greif  erkennt  man  den  Oberteil 
einer  Antilope.  Es  folgen  dann  ganz  nachlässig  und  schief  geprägte  Stücke  eines 
längeren  Frieses  nach  links,  anscheinend  wieder  Löwe  und  Hirsch. 

In  den  Kreis  der  „geometrischen"  Dekoration  gehören  noch  einige  andere 
Stücke  unserer  Tafeln.  Vor  allem  die  zwei  kreisrunden  Scheiben  aus  Kameiros 
Tafel  9,  6.  8  [16,  6.  8],  die  mit  einem  von  einem  Loche  durchbohrten  Ansatzstück 
zum  Anhängen  versehen  sind.    Sie  bestehen  ebenfalls  aus  ganz  dünnem  Blech, 

105  und  zwar  von  blassem  Golde.  Die  Abbildung  zeigt  sie  stark  verkleinert,1  doch 
ist  ihre  Ornamentation  deutlich;  einfach  ist  Nr.  6;  reicher  Nr.  8,  wo  die  Mitte  von 
einem  radförmigen  Motiv  eingenommen  wird;  der  Streif  von  kleinen  Stäbchen, 
der  dies  umgibt,  ebenso  wie  die  Kerbungen  auf  dem  einen  Streifen  des  das  Ganze 
umschließenden  Flechtbandes,  sind  ganz  gleich  dem  typischen  Rahmenmotiv  der 
soeben  besprochenen  Diademe.  Es  folgt  nun  ein  Streif  von  primitiven  Wasser- 
vögeln nach  rechts;  der  Raum  über  ihrem  Rücken  ist  je  durch  eine  Kugel  aus- 
gefüllt; dann  Zickzack  und  das  Flechtband.  Verwandt  ist  die  Dekoration  der 
Schilde  aus  den  Gräbern  Italiens  vom  Typus  Regulini-Galassi  (Mus.  Gregor.  1 18,  2; 
19,2);  doch  unserer  Nr.  6  ganz  besonders  ähnlich  ist  eine  Silberscheibe  aus  einem 
Grabe  dieses  Typus  in  Präneste;  dieselbe  zeigt  auch  das  gleiche  Ansatzstück,  und 
war  mit  anderen  ähnlichen  Scheiben  zu  einem  Halsbande  vereinigt  (Archaeologia  41, 
Tafel  8,  4;  vgl.  12,  2).  —  Zusammen  mit  diesen  Nr.  6  und  8  ward  Nr.  7  in  Kameiros 
gefunden,  das  in  Originalgröße  abgebildet  ist,  ein  kleines  Anhängsel  in  der  als 
Amulett  bekannten  Form  des  Halbmondes.  Zweifellos  gehörten  die  drei  Stücke 
zu  dem  Halsbande  einer  Leiche  von  Kameiros. 

Die  darunter  wiedergegebene  Fibel  Nr.  3  gehört  ebenfalls  noch  in  diesen  Kreis. 
Sie  ist  aus  schönem  gelbem  Golde  gehämmert  und  vorzüglich  erhalten.  Sie  kam 
mit  anderen  archaischen  Goldsachen  aus  Athen,  ohne  genauere  Provenienzangabe.2 
Die  Abbildung  ist  in  Originalgröße.  Die  Oberfläche  ist  auf  beiden  Seiten  in  ganz 
gleicher  Weise  mit  feiner  Gravierung  verziert.  Zwei  Fibeln  desselben  Typus,  doch 
aus  Bronze,  sind  von  mir  früher  publiziert  worden;  die  eine  aus  Olympia  mit  reicher 
gravierter  Verzierung  in  schematisch  linearem  Stil  (Bronzefunde  von  Olympia,  Abh. 
der  Akad.  1879,  Tafel  Nr.  7;  S.  36  [oben  S.  366]);  die  andere  aus  Theben  (Annali  d. 
Inst.  1880,  Tafel  G;  S.  122  ff.  [oben  S.436,  Tafel  13,5]);  letztere  ist  sehr  groß  und  auf 
der  einen  Seite  mit  einem  Pferde  in  „geometrischem"  Stile  geschmückt;  die  Dreiecke 

106  in  der  Ecke  nach  dem  Bügel  zu  stimmen  mit  denen  auf  unserem  Exemplare  genau 
überein.  Außer  diesen  sind  noch  einige  Beispiele  aus  Olympia  bekannt  (a.  a.  O. 
erwähnt);  doch  außerdem  meines  Wissens  keine,  und  obwohl  ich  inzwischen  viele 


1  Im  Berliner  Antiquarium,  Inv.  Nr. 6486  und  6487.    Höhe  0,08;  Durchmesser  0,06. 
\ntiquarium,  Inv.  Nr.  7902. 


Archaischer  Goldschmuck.  453 


Museen  besucht  habe,  kann  ich  kein  anderes  Exemplar  zu  den  damals  von  mir 
genannten  hinzufügen.    Die  Herkunft  des  Typus  bleibt  noch  zu  erforschen. 

Wir  wenden  uns  jetzt  einem  anderen  entwickelteren  Kreise  von  Goldarbeiten 
zu,  in  dem  bereits  Darstellungen  griechischer  Sage  erscheinen.  Wir  kehren  wieder 
zu  dem  Goldfunde  aus  Korinth  auf  Tafel  8  [15]  zurück.  Wir  sehen  hier  eine  Reihe 
von  viereckigen,  überaus  dünnen  Goldplättchen,  die  wohl  auf  die  Gewänder  des 
Toten  gelegt  waren;  Löcher  zum  Aufnähen  sind  indess  nicht  zu  bemerken.  Von 
jeder  Darstellung  sind  mehrere  Exemplare  erhalten.  Das  interessanteste  Stück  ist 
Nr.  3  mit  Theseus,  der  den  Minotauros  ersticht;  es  sind  vier  ganze  und  ein 
halbes  Exemplar  erhalten.  Theseus  faßt  mit  der  Linken  den  Gegner  an  dem  einen 
Hörne  (ein  zweites  ist  nicht  dargestellt)  und  sticht  ihm  mit  der  Rechten  das  Schwert 
in  die  Brust.  Der  Minotaur  faßt  in  das  Schwert  und  fällt  dem  Helden  in  den  linken 
Arm,  doch  vergeblich.  Dieses  Schema  ist  von  demjenigen,  das  wir  bisher  für  das 
älteste  für  jenen  Kampf  feststehende  ansehen  durften,1  von  dem  der  chalkidischen 
und  altattischen  Vasen,  wesentlich  verschieden.  Zwar  der  nach  rechts  schreitende 
und  mit  dem  Schwerte  stechende  Theseus  ist  in  der  Hauptsache  gleich,  doch  der 
Minotaur  steht  dort  nicht  aufrecht,  sondern  ist  in  mehr  oder  weniger  heftiger 
Bewegung  in  das  eine  Knie  gesunken  und  dem  Helden  entweder  zu-  oder  ab- 
gewandt gebildet.  Auch  die  Bekleidung  des  Theseus  ist  hier  noch  nicht  Chiton 
und  Fell  wie  dort,  sondern  das  eigentümliche  Schurzgewand,  das  wir  besonders 
deutlich  an  einer  altkretischen  Bronze  kennen  (Annali  d.  Inst.  1880,  Tafel  S)  und 
das  in  der  ältesten  griechischen  Zeit  weiter  verbreitet  war;2  der  Minotaur  hat  nur  107 
jenen  breiten  Gurt  um,  der  eine  Verkürzung  der  Schurztracht  zu  sein  scheint.  Ob 
Theseus  auf  unserm  Relief  bärtig  gedacht  ist  (wie  er  es  auf  den  altattischen  Vasen 
immer  ist,  die  aber  hier  nichts  beweisen),  kann  bezweifelt  werden ;  denn  das  weit 
vorspringende  Kinn  zeigen  auch  die  Frauenprofile  von  Nr.  2,  und  eine  andere 
Andeutung  fehlt,  wogegen  die  langen,  lose  herabfallenden  Haare  deutlich  sind. 
Hinter  Theseus  steht  nach  dem  auch  späterhin  lange  festgehaltenen  Typus  seine 
Beschützerin  Ariadne  in  langem  gestreiftem  Gewände.  Sie  erhebt  die  Linke, 
schwerlich  um  Theseus  zu  bekränzen,3  sondern  wohl  nur,  um  ihn  zu  ermuntern. 
In  der  Rechten  aber  hält  sie  deutlich  den  runden  Knäuel,  der  den  Weg  durch  das 
Labyrinth  weist. 

Unser  Relief  ist  indess  nicht  das  einzige,  das  diesen  altertümlichen  eigenartigen 
Typus  des  Kampfes  mit  dem  Minotauros  zeigt;  ich  kenne  wenigstens  noch  eines, 
das  als  abgestempeltes  Relief  auch  technisch  in  diese  Reihe  gehört,  freilich  nicht 

1  Vgl.  über  denselben  zuletzt  Conze,  Theseus  und  Minotaur,  38.  Berliner  Winckelmanns- 
programm  1878,  S.  8.  Die  chalkidische  Vase  ist  Mon.  d.  Inst.  VI,  15  abgebildet.  [Wolters, 
Sitzungsber.  d.  bayer.  Akad.  d.  Wiss.  1907  S.  113.] 

2  Vgl.  was  ich  hierüber  in  der  Archäologischen  Zeitung  1882,  S.  329  f.  gesammelt. 

3  So  faßte  es  Milchhöfer  auf,  der  diese  Darstellung  Anfänge  der  Kunst  S.  188  Anm. 
erwähnt. 


464 


Archaischer  Goldschmuck. 


aus  Gold,  sondern  aus  grobem  Tone.  Das  Museum  von  Corneto  nämlich  besitzt 
ein  großes  Tonbecken  mit  drei  Lövvenfüßen  und  zwei  Henkeln.  Auf  dem  oberen 
Teil  der  Füße  befindet  sich  je  ein  quadratisches  Feld  mit  Relief;1  auf  zweien  ist 
ein  Kentaur  abgestempelt  mit  menschlichen  Vorderbeinen,  der  einen  Ast  schultert, 
an  welchem  ein  Reh  hängt.  Das  dritte  Feld  aber  ist  das  mit  Theseus  und  dem 
108  Minotaur,  wie  es  beistehende  flüchtige  Skizze  veranschaulicht,  die  nur  die  Haupt- 
konturen andeuten  und  nur  die  Stelle  einer  Beschreibung,  nicht  einer  Publikation 
vertreten  soll.  Der  Minotaur  scheint  ungehörnt.  Theseus  ist  auch  hier  anscheinend 
bartlos;  er  hebt  im  Angriffe  das  linke  Bein;  so  wird  unten  Platz  gewonnen  für  das 
merkwürdigste  Detail  dieser  Darstellung,  den  großen  Garnknäuel,  dessen  Faden 
Ariadne  in  der  Rechten  hält,  eine  recht  naive  Deutlichkeit. 

Gleiche  Größe  und  gleiche  Umrahmung  hat 
Nr.  4  unserer  Tafel,  in  fünf  Exemplaren  erhalten. 
Die  Darstellung  ist  einfach  und  nicht  mytho- 
logisch; ein  Zweigespann  von  Rossen  schreitet 
nach  links;  der  Lenker  im  langen  gegürteten  Ge- 
wände beugt  sich  etwas  vor  und  hält  die  Zügel 
und  den  Stock.  Der  Held  steht  hinter  ihm  mit 
dem  Rundschilde  und  dem  Helme;  letzterer  ist 
freilich  nur  durch  den  herabfallenden  Busch  und 
einen  vorn  emporstehenden  federartigen  Schmuck 
angedeutet.  Die  tiefe  Einsenkung  des  Wagen- 
randes oben  in  der  Mitte  ist  als  Besonderheit  zu 
beachten;  auf  den  altkorinthischen  Tontäfelchen  der  Berliner  Sammlung  ist  dieser 
Rand,  wie  sonst  gewöhnlich,  horizontal. 

Ferner  sind  noch  drei  etwas  kleinere  Kompositionen  ebenfalls  auf  quadratischem 
Felde  erhalten:  Nr.  2  zeigt  einen  Chor  von  Frauen,  die  sich  bei  den  Händen 
fassen;  zwei  blicken  nach  links  und  zwei  nach  rechts;  ihre  langen  gegürteten 
Gewänder  sind  reich  verziert  und  haben  unten  einen  breiten  Saum.  Es  sind  zwei 
Exemplare  erhalten. 

Nr.  6,  in  zwei,  jedoch  sehr  zerstörten  Exemplaren  vorhanden,  stellt  einen  Zug 
von  drei  gerüsteten  Kriegern  nach  rechts  dar;  man  erkennt  nur  Spuren  der  Köpfe 
mit  langem  Haare;  die  Beine  sind  nackt. 

Einen  nicht  unbekannten  Typus  finden  wir  auf  Nr.  5,  wovon  ebenfalls  zwei 
Exemplare  da  sind.  Es  ist  der  Mann,  der  die  zwei  Löwen  bändigt,  die  in 
wappenhaft  strenger  Symmetrie  sich  zu  beiden  Seiten  aufbäumen.  Der  Typus 
stammt  bekanntlich  aus  der  orientalischen  Kunst,  wo  er  sehr  häufig  ist,  namentlich 
auf  den  geschnittenen  Steinen;  immer  sind  die  Tiere  hoch  aufgerichtet,  doch  nicht 


ind  mit  wciß-gelbcr  Farbe  bedeckt,  darauf  sind  einige  rote  Details  gesetzt 
(Punktrosetten  u.  dgl.). 


Archaischer  Goldschmuck.  455 


immer  sind  es  Löwen,  auch  Hirsche,  Sphingen  und  andere  dämonische  Ungeheuer.  109 
Ein  anderer  und  wie  es  scheint  älterer  Typus  ist  der,  daß  der  Mann  nur  einem 
aufgerichteten  Löwen  gegenüber  ist,  den  er  mit  dem  Schwerte  ersticht;  dieser  ist 
von  der  griechischen  Kunst  nicht  aufgenommen  worden,  wohl  aber  jener  andere, 
der  ein  dekorativ  so  treffliches  Schema  bot.  Der  Mann  ist  auf  unserem  Relief 
ohne  alles  Charakteristische,  bartlos,  in  kurzem  Gewände.  Eine  Wiederholung 
dieser  Darstellung  mit  geringen  Varianten  finden  wir  auf  Nr.  7,  wo  die  Köpfe  der 
Löwen  nicht  ab-,  sondern  zugewandt  und  die  Schwänze  statt  gehoben  gesenkt 
sind.  Die  Figur  dieses  auf  den  Hinterbeinen  stehenden  Löwen  ward  von  der 
archaischen  Metallindustrie  auch  einzeln  wiedergegeben;  so  erscheint  sie  auf  einem 
Bronzerelief  Olympias1  und  mehreren  anderen  aus  den  italischen  Gräbern  des 
Typus  Regulini-Galassi.2  Nr.  7  ist  das  Stück  eines  längeren  Frieses  und  zu  beiden 
Seiten  sind  noch  Reste  der  folgenden  quadratischen  Felder  erhalten,  jedes  mit 
einem  Zuge  beschildeter  Krieger.  Als  fortlaufende  Einfassung  oben  und  unten  ist 
ein  Spiralband  benutzt.3 

Im  Privatbesitze  in  Athen  sah  ich  1882  mehrere  Goldstreifen,  die  aus  demselben 
Funde  bei  Korinth  herrühren  sollen  wie  die  unsrigen;  darunter  war  namentlich  ein 
längeres  Stück,  das  in  der  Mitte  eine  Rosette  zeigt,  rechts  und  links  davon  in 
eingerahmtem  Felde  je  eine  Frau  ohne  Attribute,  in  langem  verziertem  Gewände, 
das  jedoch  das  eine  Bein  nackt  heraustreten  läßt;  dann  folgen  wieder,  durch  einen 
Rahmen  getrennt,  auf  jeder  Seite  drei  Krieger  mit  Schilden,  auf  denen  je  eine 
Rosette  ist;  sie  tragen  spitze,  pilosartige  Helme  ohne  Busch.  Der  Stil  schien  mir 
noch  altertümlicher  als  der  unserer  Reliefs. 

Der  Stil  der  letzteren  ist  jedenfalls  ein  sehr  eigentümlicher;  besonders  auffallend 
sind  die  Profile  der  Gesichter.  Zu  dem  Stile  der  altkorinthischen  Vasen  und  Ton- 
täfelchen findet  keinerlei  nähere  Beziehung  statt;  ja  ich  weiß  für  jene  Profile  keine  110 
andere  Analogie  zu  nennen  als  das  kretische  Bronzerelief,  das  in  den  Annali  d. 
Inst.  1880,  Tafel  T  abgebildet  ist,  wo  der  Steinbockträger  dem  Typus  unserer  Reliefs 
überraschend  ähnlich  ist;  ein  bedeutsamer  Wink  für  die  Herkunft  der  Sachen  oder 
wenigstens  ihres  Stiles. 

Schließlich  erwähne  ich  noch  die  mitgefundenen  Kleinigkeiten:  Nr.  8  ist  ein 
vollständiges  kleines  Band  mit  Zickzack,  an  Tafel  9, 4  [16,4]  erinnernd,  doch  viel 
regelmäßiger;  an  beiden  Enden  ist  je  ein  kleines  Loch  zum  Aufnähen.  Nr.  9  und  11 
sind  verbogene  Golddrähte  mit  Scheiben  an  den  Enden,  auf  denen  ein  eingeritztes 
Kreuz  zu  bemerken.    Nr.  12  sind  die  gebrochenen  Hälften  eines  gleichen,  doch 


1  Ausgrabungen  von  Olympia  II,  Tat.  31  [Olympia  IV,  695]. 

2  Siehe  Furtwängler,  Bronzefunde  von  Olympia  S.  69  unten  [oben  S.  392]. 

3  [Jetzt  durch  ein  weiteres  rechts  anpassendes  neuerdings  vom  Berliner  Museum  aus 
Sammlung  Naue  erworbenes  Stück  (Revue  arch.  1897,  II  S.  333)  vervollständigt,  das  zwei 
weitere  Krieger  und  in  einem  andern  Quadrat  eine  Sphinx  zeigt.  Vgl.  Antike  Gemmen  III 
S.  18,6.] 

A.  Furtwängler.    Kleine  Schriften  I.  31) 


4k;  Archaischer  üoldschmuck. 

Ungeren  Exemplares.    Vermutlich  war  es  Schmuck  für  die  Haare.    Nr.  10  ist  eine 
Rosette  aus  Goldblech  mit  aufgelötetem  gekerbtem  Draht. 

Auf  den  Höhepunkt  archaischer  Goldtechnik  führen  uns  die  beiden  prächtigen 
Gehinge,  die  auf  Tafel  9, 9. 10  [16,  9. 10]  in  Originalgröße  wiedergegeben  sind.  Sie 
stammen  von  Melos1  und  sind  beide  in  blassem  Golde  gearbeitet.  Nr.  10  ist 
vollständiger,  indem  auch  an  9  oben  eine  Scheibe  zu  ergänzen  ist,  auf  deren 
Rückseite  sich  wie  an  10  der  Haken  zum  Anhängen  befand;  es  sind  trotz  der 
Größe  offenbar  Ohrgehänge.  Der  Typus  ist  bereits  von  Rhodos  bekannt;  Salz- 
mann hat  in  seinem  Werke  Necropole  de  Camirus  Taf.  I  zwei  Exemplare  abgebildet, 
die  aber  viel  einfacher  sind  als  die  unsrigen.  Ein  ebenfalls  recht  einfaches  Exemplar 
unbekannten  Fundortes  befand  sich  in  der  Sammlung  Alessandro  Castellani  und 
ward  1884  in  Rom  versteigert;2  auf  den  horizontalen  Scheiben  war  eine  Rosette 
und  in  der  Mitte  ein  Apfel  aufgesetzt. 

Die  besondere  Eigentümlichkeit  der  Technik  dieser  Stücke  besteht  darin,  daß 
alles  Detail  aus  aufgelöteten  feinen  Goldpünktchen  besteht,  die  freilich  die  Feinheit 
der  etruskischen  Arbeiten  noch  nicht  erreichen.  Die  Greifenköpfe  von  Nr.  9  sind 
111  getrieben  und  hohl;  die  Zunge  und  die  Ohren  sind  besonders  angesetzt;  ebenso 
natürlich  der  Knopf  oben,  der  sehr  fein  granuliert  ist.  Der  Typus  des  Greifs  ist 
der  bekannte  archaisch-griechische.3  Zwei  ähnliche  Greifenköpfe  aus  Blaßgold 
besitzt  das  British  Museum  aus  der  Sammlung  Blacas  [Catal.  of  Jewellery  Nr.  1234]. 
Auf  der  einen  der  Scheiben  ist  ein  Zickzackornament,  auf  der  anderen  nebeneinander- 
gestellte Rauten  aus  feinen  Pünktchen  gebildet. 

An  Nr.  10  ist  der  Stamm  viel  reicher,  spiralförmig  gedreht4  und  doppelt 
gebogen.  Die  horizontalen  Scheiben  sind  mit  einer  Rosette  geziert,  über  der  sich 
eine  zweite  kleinere  Rosette  erhebt,  aus  deren  Mitte  ein  Granatapfel  steigt;  an 
kleinen  Kettchen  hängen  an  mehreren  Stellen  kleine  Granatäpfel  herab. 

Derselben  Zeit  und  demselben  Stile  gehören  die  beiden  Stücke  aus  Delos  an, 
Nr.  11  und  12; ■  sie  sind  aus  gelbem  Goldblech  gearbeitet,  die  Köpfe  aus  Formen 
gepreßt  mit  aufgesetztem  Detail  von  feinen  Pünktchen;  die  Rosetten  sowie  die 
Ränder  sind  aus  geflochtenem  Draht  aufgesetzt.  Nr.  11  gehörte  zu  einem  großen 
Gehänge;  oben  befindet  sich  eine  Öse  und  unten  sind  Reste  von  Kettchen  erhalten, 
auch  eine  verbogene  Bommel.  Man  vergleiche  das  aus  dem  ältesten  Teil  der 
Nekropole  von  Kameiros  stammende  Gehänge  in  der  Revue  archttol.  1863,  n.  s.  8, 
Tafel  X,  wo  eine  sehr  ähnliche  rechteckige  Scheibe,  die  mit  zwei  Köpfen  geziert  ist, 
den  oberen  Teil  des  Gehänges  bildet,  an  dem  wiederum  wie  an  unserer  Nr.  10 
Granatäpfel  mehrfach  verwendet  sind;  ein  zweites  Gehänge,  das  ebendort  abgebildet 

Tölken,  Leitfaden  für  die  Sammlung  antiker  Metallarbeiten,  1850,  Nr.  61  und  63. 

Im  Atiktionskatalog  Nr.  820;  bläßliches  Gold. 
•  Vgl  Fttrtwingler,  Bronzeftinde  S.  51  [oben  S.  378). 
4  In  der  Abbildung  sind  die  Windungen  zu  rundlich  geraten, 
rliner  Antiquarium  Nr.  3473.  3474. 


Archaischer  Goldschmuck. 


467 


ist,  zeigt  außer  den  menschlichen  auch  Greifenköpfe  wie  unsere  Nr.  9  und  wieder 
Granatäpfel.  Die  Technik  dieser  Stücke  ist  durchaus  dieselbe  wie  die  der  unsrigen.  Der 
menschliche  Kopftypus  ist  jener  ägyptisierende,  über  dessen  Herkunft  und  Verbreitung 
ich  in  ,Die  Bronzefunde  von  Olympia'  S.  71  [oben  S.  393]  einiges  bemerkt  habe.  Das 
Museo  civico  von  Bologna  besitzt l  noch  eine  hier  erwähnenswerte  große  Broche, 
die  durchaus  derselben  Fabrik  angehört  wie  das  soeben  Besprochene;  das  Ganze  hat  112 
die  Form  einer  von  oben  gesehenen  rosenartigen  Blüte;  auf  dem  äußeren  Kreis  von 
kreisrunden  Flächen  wechseln  je  eine  Rosette  und  jener  menschliche  Kopf  ab. 

Es  bleibt  uns  noch  ein  Stück  zu  betrachten  übrig,  das  einem  ganz  verschiedenen 
Kreise,  dem  der  altitalischen  Kunst,  angehört.  Es  ist  der  große  goldene,  mit  reicher 
gestanzter  Dekoration  versehene  Brustschmuck  etruskischer  Herkunft  Tafel  10, 2 
[17,  2].  Derselbe  gehört  dem  alten  Bestände  des  Berliner  Antiquariums  an;  er  war 
in  mehrere  Stücke  zerbrochen,  und  diese  Stücke  waren  einzeln  getrennt  aufgestellt; 
Tölken2  beschrieb  dieselben  als  Fragmente  eines  Harnisches,  „Bedeckung  der  linken 
Achsel  mit  Schnalle"  usw.  Der  Versuch,  die  Stücke  zusammenzustellen,  ergab  mir, 
daß  es  ein  vollständiges  Ganzes  sei  und  nichts  fehle.  Die  Abbildung  zeigt  dasselbe 
etwas  verkleinert;  Höhe  und  Breite  betragen  0,25.  Über  die  Herkunft  ist  Näheres 
nicht  bekannt.  Auf  der  Unterseite  des  dünnen  gelben  Goldes  sind  mehrfach  die 
deutlichsten  Reste  einer  ehemaligen  dünnen  Bronzeunterlage  erhalten,  die  dem 
feinen  Goldblech  als  Fütterung  gedient  hatte.  Rings  sind  an  allen  Ecken  kleine 
Löcher  zu  bemerken,  die  zur  Befestigung  des  Ganzen  gedient  haben. 

Seine  nächste  Analogie  findet  das  Stück  in  dem  aus  der  sogenannten  tomba  del 
guerriero  zu  Corneto  stammenden,  jetzt  in  Berlin  befindlichen,  das  Mon.  d.  Inst.  X, 
Tafel  Xb,  2  abgebildet  ist.  Es  ist  dies  eine  freilich  nur  einfach  rechteckige  dünne  Gold- 
platte, welche  die  Mitte  der  Brust  des  Bestatteten  zierte  und  noch  auf  der  größeren 
Bronzeplatte  liegend  gefunden  wurde,  welche  die  Brust  bedeckte.  Auch  dieses  Gold- 
blech hat  eine  Fütterung  von  dünnem  Bronzeblech ;  auf  der  Bronzeplatte  lag  es  lose  auf. 

Die  beiden  Stücke  sind  sich  indess  nicht  nur  verwandt,  sie  sind  gleichzeitig 
und  stammen  wahrscheinlich  aus  derselben  Fabrik,  da  zum  Teil  dieselben  Stempel  113 
benutzt  sind.  Dies  ist  der  Fall  bei  den  schwimmenden  Enten,  die,  teils  nach  rechts, 
teils  nach  links  gewandt,  in  Reihen  auf  beiden  wiederkehren,  und  bei  dem  kreuz- 
förmigen Ornament,  das  hier  den  äußeren  Saum  ziert.  Das  Motiv  des  zwischen 
diesem  und  dem  Entenfries  liegenden  Streifens  ist  dagegen  auf  unserem  Stück 
etwas  größer  und  gleicht  einer  vornüber  gestürzten  menschlichen  oder  einer  sehr 
plumpen  vierbeinigen  tierischen  Figur,  während  es  auf  der  Cornetaner  Platte  kleiner 
ist  und  nur  eine  Schlangenlinie  darstellt.  Auch  die  Kreise  sind  beiden  Stücken 
gemeinsam;  dagegen  zeichnet  sich  jedes  auch  durch  Ornamente  aus,  die  auf  dem 
anderen  nicht  vorkommen;  so  hier  die  großen  mit  einer  einfachen  Rosette  gezierten 

1  Aus  der  Sammlung  Palagi,  Nr.  301. 

2  Leitfaden  für  die  Sammlung  antiker  Metallarbeiten  S.  1,  Nr.  1. 

30* 


468 


Archaischer  GoLDSCHiMiiCK. 


Kreise,  ferner  das  Hakenkreuz  und  vor  allem  die  menschlichen  Masken,  die  in  der 
Mittellinie  jeweils  in  die  Ecke  gesetzt  sind. 

Die  letzteren  geben  übrigens  zugleich  mit  der  Richtung  derEnten  die  beabsichtigte 

lung  des  Ganzen  an;  die  auf  unserer  Tafel  rechts  unten  befindliche  Ecke  sollte 

unten  die  Mitte  bilden.  Der  merkwürdige  Ausschnitt  der  gegenüberliegenden  oberen 

Ecke  soll  offenbar  der  Form  des  Halses  entsprechen,  an  den  dieselbe  anstieß.    Die 

zinnenartige  Auszackung  entspricht  durchaus  dem  Gesamtcharakter  der  Ornamentik. 

Im  Museo  Gregoriano  zu  Rom  notierte  ich  mir  eine  Reihe  von  kleinen  goldenen 

Plättchen,  die,  soviel  ich  weiß,  unpubliziert  sind;*  ich  gebe  ihre  Form  beistehend. 

Sie  sind  rings  mit  Löchern  zum  Befestigen  auf  dem  Gewände  versehen.   Ihre  Form 

114  mit  den  Ausschnitten  ist  der  unserer  Brustplatte  überaus  verwandt.   Bedeckt  sind 

diese  Plättchen  mit  unregelmäßig  verteilten,  gestempelten  kleinen  Kreisen  und  einem 

I  förmigen  Ornament,  das  dem  des  äußeren  Randes  unseres  Stückes  sehr  ähnlich  ist. 

Dazu  gehört  eine  Reihe  ganz  kleiner  Plättchen  von 
der  Form         _,  die  nur  mit  kleinen  Kreisen  verziert 
sind.   Alles  dies  stammt  wohl  aus  einem  Grabe  des 
Typus  der  tomba  del  guerriero.  In  der  Auktion  Castel- 
lani  zu  Rom  sah  ich  ein  Kreuz  (mit  gleich  langen  Ar- 
men) aus  Goldblech  (Katalog  Nr.  836)  mit  Vögeln  und 
anderen  Ornamenten  derselben  Art  bestempelt  wie 
die  soeben  besprochenen  Stücke.  Ein  kleineres  Kreuz 
dieser  Art,  auch  mit  kleinen  Löchern  am  Rande,  indess 
sehr  einfach  verziert,  ward  in  Corneto  gefunden.1 
Eine  Brustplatte  wie  die  unsrige  ist  mir  sonst  nicht  bekannt;  überhaupt  besitzen 
wir  ja  nur  ganz  wenige  Proben  so  großen  Brustschmuckes:  in  Griechenland  nur 
aus  ältester  Zeit,  aus  den  mykenischen  Gräbern,  und  in  Italien,  abgesehen  von  der 
erwähnten  Cornetaner  Platte,  meines  Wissens  nur  das  Prachtstück  aus  dem  Grabe 
Regulini-Galassi  (Mus.  Gregor.  I  82)  mit  einfach  rundem  Halsausschnitt  und  einem 
von  dem  unseren  völlig  verschiedenen  Dekorationssystem,   sowie  ein  Stück  aus 
einem  Pränestiner  Grabe  ungefähr  derselben  Periode;  dasselbe  ist  jedoch  viereckig, 
breiter  als  hoch,  und  mit  einem  sehr  breiten  Halsausschnitte  in  rechtem  Winkel  ver- 
sehen ;  die  Dekoration  besteht  aus  großen  Kreisen  und  einfachen  linearen  Füllungen.2 
Ich  breche  hier  ab,  da  es  nur  meine  Absicht  war,  den  hier  publizierten  Gegen- 
ständen ihre  richtige  Stellung  in  unserem  Denkmälervorrate  anzuweisen,  nicht  aber 
die  Schlüsse  zu  ziehen,  die  sich  zwar  hier  und  dort  aufdrängen,  aber  besser  noch 
zu  weiterem  Reifen  zurückbehalten  werden. 


*  (Ausgabe  A  des  Mus.  Greg.  I  Taf.  25.] 

bildet  bei  Fiorelli,  Notizic  de^li  seavi  1882,  Taf.  13  bis,  25;  S.  190,  ungewiß,  ob  aus 
den  Gräbern  al  pozzo,  wahrscheinlicher  aus  den  S.  191  beschriebenen  etwas  späteren  Gräbern. 

*  Archaeolo^ia  41,  Taf.  13,  1. 


DER  GOLDFUND  VON  VETTERSFELDE 

(DREIUNDVIERZIGSTES  PROGRAMM  ZUM  WINCKELMANNSFESTE 
DER  ARCHÄOLOGISCHEN  GESELLSCHAFT  ZU  BERLIN,   1883) 

[Taf.  18.  19.  20] 


in  verirrter  Lichtstrahl  aus  sonnigem  Lande,  dessen  zitterndes  Ende  in  3 
den  weiten  öden  Raum  einer  dunkeln  Höhle  fällt  —  ein  feuriger  Komet, 
der  aus  einer  fernen  andern  Sphäre  am  finstern  Himmel  mit  glänzen- 
dem Schweife  erscheint  — ,  so  hebt  sich  der  Goldfund  aus  Vettersfelde  von  dem 
düstern  Nebel  seiner  weiten  prähistorischen  Umgebung  ab. 

Ein  altgriechischer  Fund  auf  dem  Boden  des  nördlichen  Deutschlands!  Das 
hat  Winckelmann  schwerlich  geahnt,  daß  nicht  weit  von  seiner  märkischen 
Heimat  unter  dünner  Erdschicht  Dinge  ruhten,  die  aus  griechischen  Werkstätten 
jener  älteren  Zeit  hervorgegangen  waren,  deren  Originale  er  kaum  in  Italien  fand. 

Daß  das  römische  Weltreich,  dessen  mächtiger  Arm  weit  über  Deutschland 
hinreichte,  auf  unserm  Boden  auch  von  seinen  Schätzen  etwas  zurückgelassen 
hat,  und  zwar  selbst  solche  wie  der  Süberfund  von  Hildesheim,  durfte  uns  kaum 
überraschen.  Daß  aber  aus  den  fernen  Sitzen  der  politisch  zersplitterten  Griechen 
ein  Goldschatz  wie  der  Vettersfelder  in  eine  Gegend  gebracht  wurde,  deren 
Existenz  die  Griechen  kaum  ahnten,  da  sie  weit  über  den  Horizont  ihres  geo- 
graphischen Wissens  hinaus  lag,  dies  darf  allerdings  wunderbar  erscheinen;  wenn 
es  sich  auch  eigen  traf,  daß  gerade  um  die  Zeit,  als  der  Fund  geschah,  E.  Curtius 
in  einer  Abhandlung  zusammenzufassen  suchte,  was  wir  von  den  „Griechen  in 
der  Diaspora"  wissen,  d.  h.  von  jenen  im  fremden  Lande  zerstreuten  einzelnen 
Griechen,  die,  ohne  Städte  zu  gründen  und  ohne  zu  herrschen,  doch  den  weit- 
tragendsten Einfluß  in  ferner  Fremde  übten.1 

Doch  wir  wollen  zunächst  an  die  ernste  Betrachtung  unseres  Goldfundes 
gehen  und  dann  vor  allem  den  Beweis  der  Behauptung  zu  führen  suchen,  die 
wir  hier  voran  gestellt  haben  und  die  bei  manchen  zuerst  ungläubiges  Kopf- 
schütteln erregen  mag. 

I. 
DER  FUND 

Vettersfelde  liegt  in  der  jetzt  zur  Provinz  Brandenburg  gehörigen  Landschaft  4 
der  Nieder-Lausitz,  und  zwar  in  der  Nähe  der  vom  Riesengebirge  nordwärts  in 

1  Sitzungsber.  d.  kgl.  pr.  Akademie  1882,  Nr.  XLIII,  S.  943  ff. 


470  Der  Goldfund  von  Vettersfelde. 

die  Oder  fließenden  Neiße.  Das  Dorf  liegt  circa  l1'*  Meile  östlich  von  diesem 
Flusse  und  ebensoviel  südsiidöstlich  von  der  Kreisstadt  Guben;  die  nächste 
Station  der  Eisenbahn  ist  das  noch  weiter  südöstlich  belegene  Dorf  Jesnitz. 

Von  Vettersfelde  circa  '  s  Meile  nordwestlich  liegt  das  flache  Ackerstück  des 
A.  Lauschke,  des  Finders  des  Goldschatzes.1  Dasselbe  war  früher  von  Lehm  be- 
deckt gewesen,  der  jedoch  abgebaut  worden  war,  um  Ziegel  zu  verfertigen,  wie 
denn  in  unmittelbarer  Nähe  der  Fundstelle  noch  bis  vor  dreizehn  Jahren  ein 
Ziegelofen  gestanden  hatte.  Nur  an  einer  Stelle  war  der  Lehm  stehen  geblieben ; 
sie  war  es,  die  den  Goldschatz  barg. 

Am  5.  Oktober  1882  zog  der  Eigentümer  auf  dem  Acker  drei  tiefe  parallele 
Furchen  zum  Abfluß  des  Regenwassers.  Die  mittlere  durchschnitt  jene  Lehm- 
stelle; der  hier  tiefer  greifende  Pflug  hob  die  goldenen  Gegenstände,  die  nur 
circa  30  cm  unter  dem  Terrainniveau  gelegen  hatten,  empor;  doch  erst  am 
7.  Oktober  wurden  dieselben  von  dem  Finder  bemerkt.  Nach  seiner  Aussage 
sollen  große  Scherben  bei  den  Fundstücken  gelegen  haben,  welche  nach  ihrer 
Rundung  als  Reste  eines  sehr  großen  Gefäßes  angesehen  wurden;  doch  ließ 
sich  später  ihr  Verbleib  nicht  mehr  ermitteln.  Man  darf  vermuten,  daß  die  Gold- 
sachen einst  in  dem  Topfe  geborgen  waren. 

Eine  genaue  Untersuchung  der  Fundstätte,  die  allerdings  erst  im  Laufe  dieses 
Sommers  stattfand,  verdanken  wir  Herrn  Krause  von  der  ethnographischen  Ab- 
teilung des  Berliner  Museums  sowie  dem  Juwelier  Herrn  Teige.  Dieselben  ver- 
anstalteten eine  kleine  Nachgrabung  an  der  Fundstelle  selbst,  die  allerdings  durch 
Regen  und  Nässe  sehr  behindert  wurde.  Es  fanden  sich  dabei  geringe  Spuren  von 
Branderde  und  wenige  Gefäßscherben,  darunter  ein  Stück  des  Bodens  eines  großen 
und  dickwandigen  Gefäßes,  von  dem  man  vermutet,  daß  es  zu  dem  oben  erwähnten 
großen  Topfe  gehörte.  Die  Scherben  werden  als  von  ziemlich  roher  Arbeit  be- 
zeichnet, mit  schlecht  geglätteten  Außenflächen,  schwach  gebrannt,  außen  rötlich, 
der  Kern  schwärzlich  und  von  Granitbröckchen  durchsetzt.  Ferner  fanden  sich 
einige  schwachgebrannte  dicke  Lehmstücke  mit  Abdrücken  von  Rohrhalmen  auf 
dereinen  und  oberflächlicher  Glättung  auf  der  andern  Seite.  An  einer  circa  hundert 
Schritte  weiter  östlich  belegenen  Stelle  wurde  30  cm  unter  der  Oberfläche  ein 
fast  kreisrundes  Pflaster  von  80  cm  Durchmesser  gefunden;  ein  großer  Stein  be- 
fand sich  in  der  Mitte  desselben;  über  dem  Pflaster  breitete  sich  bis  m  1,10  Durch- 
5  messer  eine  Schicht  schwarze  Branderde  von  0,15  Dicke  aus.  Unter  den  Steinen 
befand  sich  eine  0,35  tiefe  Masse  ganz  schwarzer  Branderde.  Außer  zwei  kleinen 
Scherben  der  oben  bezeichneten  Art  wurden  keine  Funde  hiebei  gemacht. 

Manches  würde  hienach  passen  zu  der  Annahme  einer  Begräbnisstelle.  Der 
gewöhnliche  Bestattungsmodus  der  prähistorischen  Zeit  in  der  Lausitz  war  der, 
daß  die  Gebeine  in   einer  Urne   beigesetzt  wurden,   die  in  geringer  Tiefe  unter 

1  Die  folgenden  Angaben  entnehme  ich  einem  schriftlichen  Berichte  des  Herrn  Krause. 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde. 


471 


der  Oberfläche  auf  ebenem  Felde  vergraben  wurde;  zuweilen  ist  der  Boden  unter 
der  Urne  mit  Steinen  gepflastert  oder  sie  steht  frei  im  Sande.  Auch  gepflasterte 
Stellen  der  Leichenverbrennung  mit  großen  Aschenmengen  hat  man  gefunden.1 

Das  Fehlen  von  Knochenresten  jedoch,  sowie  das  Fehlen  größerer  Mengen  von 
Topfscherben  spricht  gegen  die  Annahme  einer  Begräbnisstätte.  Herrn  Krause 
schien  es  wahrscheinlicher,  Reste  einer  Niederlassung  zu  erkennen.  Doch  scheint 
auch  diese  Annahme  vorerst  nicht  hinlänglich  gesichert  und  neue  umfänglichere 
Untersuchungen  der  ganzen  Umgebung  der  Fundstelle  wären  sehr  erwünscht. 

Der  Finder  brachte  die  Stücke  zunächst  zu  dem  Prinzen  Heinrich  zu  Schönaich- 
Carolath  auf  Amtitz  und  Sr.  Durchlaucht  Bemühungen  im  Interesse  der  kgl.  Museen 
ist  es  zu  danken,  daß  der  Fund  bald  hier  seine  sichere  Stätte  erhielt. 

Ich  gebe  zunächst  eine  kurze  Beschreibung  der  gegenwärtig  im  Antiquarium 
der  kgl.  Museen  aufbewahrten  Fundstücke.  Auf  den  beigegebenen  Tafeln  mußten 
dieselben  mehr  oder  weniger  verkleinert  werden. 


1.  Taf.  I,  1  [18,  1].  Goldener  Fisch:  608,  5  gr  schwer ;  Länge  0,41,  Höhe 
jetzt  0,15  (die  ursprüngliche  Höhe  war  bedeutender);  auf  unserer  Tafel  um  etwas 
mehr  als  die  Hälfte  verkleinert.  Aus  starkem  Goldbleche  getrieben;  das  ganze 
von  flachgewölbter  Gestalt;  die  Figuren  sind  bis  zu  einer  Reliefhöhe  von  circa 
5  mm  herausgehämmert.  Alle  Innenzeichnung  ist  mit  feinen  scharfen  Punzen 
eingeschlagen;  die  ganze  Arbeit  von  großer  Sorgfalt.  Eine  Ansicht  der  Rück- 
seite ist  beistehend  gegeben. 

Dieselbe  zeigt  die  vertieften  Figuren,  sowie  vier  kleine  doch  starke  goldene  6 
Ringe.  Ursprünglich  waren  es  deren  sieben;  einer  ist  erhalten  vorn  über  dem 
Maule,  ein  zweiter  auf  der  Flosse  unterhalb  des  Triton ;  ihm  entsprach  ein  anderer 
oben  über  dem  Hirsche,  der  jetzt  fehlt,  da  die  ganze  Stelle  durch  Feuer  stark 
gelitten  hat.  Ein  zweites  Paar  Ringe  befand  sich  auf  den  beiden  andern  Flossen; 
der  untere  fehlt;  er  ist  weggeschmolzen  und  hat  ein  Stück  der  Flosse  mit  sich 
gerissen.  Das  dritte  Paar  war  an  den  Widderköpfen  des  Schwanzes  angebracht; 
der  obere  ist  abgefallen,  doch  sieht  man  die  Stelle,  wo  er  aufgelötet  war.  Man 

1  Vgl.  Undset,  Anfänge  des  Eisens  S.  182. 


Der  üoldfund  von  Vettersfelde. 


sieht  ferner  auf  der  Rückseite  einige  braunrote  Reste,  anscheinend  Eisenoxyd. 
Ohne  Zweifel  war  das  Ganze  einst  bestimmt  auf  eine  ebene  Unterlage  und  zwar 
mittelst  jener  Ringe  befestigt  zu  werden;  auch  darf  man  nach  dieser  Art  der 
Befestigung  wohl  schließen,  daß  jene  Unterlage  nicht  von  Metall,  sondern  etwa 
Holz  oder  Leder  war.  An  Stelle  der  Augen  ist  ein  besonderes  konkaves  kreis- 
rundes dünnes  Blech  eingelötet,  in  dessen  Mitte  sich  eine  kleine  Öse  befindet, 
deren  Enden  auf  der  Rückseite  zu  sehen  sind;  wahrscheinlich  ist  das  Erhaltene 
der  untere  Teil  einer  flachen  Kugel  aus  dünnem  Blech  (vgl.  Taf.  II,  1  [19,  1]), 
die  das  Auge  darstellte. 

Wie  schon  angedeutet,  hat  das  Ganze  durch  Feuer  mehrfach  gelitten; 
namentlich  ist  die  ganze  erste  obere  Rückenflosse,  sowie  ein  großes  Stück  einer 
Tierfigur  unterhalb  derselben  verloren  gegangen. 

Eine  genaue  zoologische  Bestimmung  des  Fisches  ist 
nach  Äußerung  einer  Autorität  hierüber,  des  leider  ver- 
storbenen Professor  Peters,  nicht  möglich;  daß  es  ein 
Karpfen  sei,  wie  mehrfach  behauptet  worden  war,  ver- 
neinte derselbe  bestimmt.  Nach  freundlicher  Mitteilung 
des  Professor  v.  Martens  ferner  stimmt  manches  zum  Thun- 
fisch; namentlich  gibt  es  eine  Art  (thynnus  alalonga),  die 
\\  durch  ihre  ungewöhnlich  langen  Brustflossen   unserem 

Künstler  vorgeschwebt  haben  könnte;  freilich  ist  der  Kopf 
zu  dick  und  die  Schuppen  zu  groß  für  den  Thunfisch, 
während  für  chrysophrys  aurata  z.  B.  zwar  Kopf  und 
Schuppen,  aber  die  Flossen  durchaus  nicht  passen  würden. 
Jedenfalls  offenbart  sich  in  dem  Stücke  deutlich  das  Streben,  unter  Bei- 
behaltung aller  wesentlichen  Formen  der  Natur,  den  Fisch  zu  einem  ornamentalen 
Schaustück  umzubilden.  Das  Auge  ist  von  einem  Kreise  rosettenartiger  gra- 
vierter Blättchen  umgeben.  Nach  hinten  setzen  daran  zwei  Spiralen  an.  Die 
Brustflosse  ist  sehr  lang  gestreckt.  Sie  war  für  den  Künstler  wichtig  und  er 
benutzte  sie  als  natürliche  Trennung  des  ganzen  Leibes  in  zwei  Hälften,  die  er 
nun  mit  Figurenschmuck  füllte.  In  der  oberen  Reihe  bildete  er,  von  links  be- 
ginnend, einen  gefleckten  Panther,  der  einem  Eber  in  den  Rücken  gefallen  ist, 
und  dann  einen  Löwen,  der  einen  fliehenden  Hirsch  in  den  Rücken  beißt.  Den 
durch  die  ansteigende  (jetzt  stark  verletzte)  Höhe  des  Fischleibes  über  dem 
Löwen  entstehenden  leeren  Raum  füllte  er  mit  der  Figur  eines  Hasen  nach 
rechts,  der  zwar  sehr  beschädigt  ist,  sich  aber  doch  völlig  sicher  erkennen  läßt 
7  (vgl.  den  Hasen  auf  Taf.  II,  1  [19,  1]).  In  der  unteren  Reihe  bildete  er  Gestalten 
des  Wassers;  voran  Triton,  dessen  Leib  gleich  unterhalb  der  Brust  in  den  Fisch- 
per  übergeht;  derselbe  streckt  den  linken  Arm  leer  vorwärts,  während  er  in 
der  hochgeschwungenen  Rechten  einen  Delphin  (der  freilich  gegen  die  Natur  mit 
Schuppen  bedeckt  ist)   über   dem  Schwänze  gefaßt  hält.     Um   von  der  Bildung 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde.  473 


des  Kopfes  mit  seinem  langen  Haare  und  Barte  eine  genauere  Vorstellung  zu 
geben,  die  für  die  stilistische  Beurteilung  und  Datierung  von  besonderer  Wichtig- 
keit ist,  so  ließ  ich  den  Oberteil  der  Gestalt  hier  in  Originalgröße  abbilden. 

Der  Raum  hinter  dem  Triton  ist  durch  schwimmende  Fische  gefüllt,  die 
gleichsam  ihrem  Herrn  als  Gefolge  dienen.  Zuoberst  noch  ein  Delphin;  die 
übrigen  vier  sind  Fische  der  Art  wie  der  ganze  Fisch  selbst,  dessen  Schmuck 
sie  dienen,  nur  mit  kürzerer  Brustflosse. 

Über  den  durch  die  große  Brustflosse  geteilten  Raum  griff  der  Künstler  mit 
seinen  Figurenfriesen  nicht  hinaus.  Die  Stelle  vom  Ende  des  oberen  Frieses  und 
dem  Ansätze  der  Flosse  bis  zum  Auge  füllte  er,  wie  oben  bemerkt,  durch  zwei 
rein  dekorative  Spiralen  aus.  Darunter  gab  der  Kiemendeckel  die  natürliche  Grenze 
für  den  unteren  Fries. 

Der  Raum  am  Ende  des  Fischkörpers,  da  wo  er  sich  zusammenzieht,  ist 
von  dem  Künstler  durch  das  Bild  eines  fliegenden  Adlers  gefüllt  worden,  dessen 
ausgebreitete  Flügel  hiezu  besonders  geeignet  waren,  und  in  denen  die  beiden 
Tierfriese  gewissermaßen  ihre  Ausläufer  finden,  während  der  Vogelschwanz  in 
seiner  Form  die  Ausweitung  des  Fischschwanzes  wiederholt. 

An  einem  so  reich  verzierten  Zierstücke  die  Enden  des  Fischschwanzes  der 
Natur  getreu  zu  geben,  widersprach  dem  Sinne  und  der  Absicht  unseres  Künstlers. 
Vor  allem  konnten  die  weit  herausspringenden  Endzipfel  des  natürlichen  Fisch- 
schwanzes keinen  befriedigenden  Abschluß  des  Ganzen  gewähren.  Auch  verlangte 
der  dekorative  Zweck,  den  dasselbe  erfüllen  sollte,  ein  gewisses  Gleichgewicht  8 
zwischen  den  beiden  Enden  des  Fisches,  und  die  Einziehung  des  Fischleibes 
gegen  den  Schwanz  hin  durfte  dem  dicken  Kopfe  gegenüber  nicht  allzusehr 
hervortreten.  Der  Künstler  erreichte  seine  Absicht,  indem  er  die  Schwanzenden 
sich  zurückbiegen  und  in  Widderköpfe  auslaufen  ließ. 

2.  Taf.  II,  1  [19,  1]).  Große  Zierplatte,  282,5  gr  schwer.  Breite  und  Höhe 
0,17.  Goldblech,  aus  welchem  die  Figuren  in  ziemlich  hohem  Relief  getrieben 
sind;  die  Technik  ist  ganz  dieselbe  wie  an  dem  vorigen  Stück. 

Vier  Kreise  umgeben  einen  kleineren  in  der  Mitte.  Das  Zentrum  aller  fünf 
Kreise  war  durch  ungefähr  halbkugelförmige  Buckeln  aus  dünnem  Goldbleche 
geziert,  die  an  eine  Öse  befestigt  waren;  nur  zweie  derselben  sind  erhalten;  an 
Stelle  der  anderen  drei  sieht  man  nur  das  Loch  für  die  durchgesteckte  Öse;  die 
letzteren  entsprechen  genau  der  Öse  im  Auge  des  Fisches  und  bestehen  wie 
jene  aus  je  einem  schmalen  Streifchen  Goldblech. 

Rings  um  das  Zentrum  der  vier  größeren  Kreise  hat  der  Künstler  laufende 
oder  liegende  Tierfiguren  und  zwar  in  Gruppen  zu  je  zweien  angebracht. 

a)  Unten  links.  Ein  Löwe  stürzt  sich  auf  einen  Hirsch;  ein  Hund  verfolgt 
einen  Hasen.     Beides  nach  links. 

b)  Darüber.  Ein  laufender  Stier  und  ein  Löwe  im  Ansprunge  sich  gegen- 
über; ferner  ein  Panther  im  Ansprung  und  ein  laufender  Eber. 


4~  Der  Goldfuno  von  Vettersfelde. 

c)  Rechts  oben.  Zwei  Widder  liegen  einander  gegenüber;  ebenso  ein  Stein- 
bock und  ein  Schakal  (nach  Bestimmung  von  Professor  v.  Martens). 

d)  Darunter.  Die  Gruppe  zweier  sich  gegenüber  im  Ansprung  liegender 
Panther  ist  zweimal  wiederholt. 

Auch  dieses  Stück  hat  vielfach  durch  Feuer  gelitten. 

3.  Taf.  III,  1  [20,  1].  Beschlag  von  Scheide  oder  Futteral  eines  Gegen- 
standes; 137.5  gr  schwer;  Höhe  0,13;  Länge  0,19.  Getriebenes  Goldblech  mit 
Figurenschmuck  in  derselben  Technik  wie  die  beiden  vorigen  Stücke.  Von  der 
einstigen  Befestigung  auf  der  Unterlage  rühren  die  dreizehn  kleinen  Löcher  her, 
die  sich  rings  um  das  breitere  obere  Ende  herum  befinden;  außerdem  ist  oben 
links  noch  ein  größeres  Loch  zu  sehen.  Der  obere  und  untere  Rand  des  ge- 
streckten schmaleren  Teiles  des  Gerätes  sind  stark  umgebogen;  nahe  dem  unteren 
Ende  dieses  umgebogenen  Randes  ist  in  demselben  auf  beiden  Seiten  ein  0,018 
langer  rechteckiger  Ausschnitt  gemacht,1  der  zur  Befestigung  der  unteren  Hälfte 
des  Gerätes,  und  zwar  offenbar  zum  Durchziehen  eines  Riemens  diente. 

Dieser  gestreckte  Teil  der  Platte  ist  durch  eine  erhöhte  Mittelrippe  in  zwei 

Streifen  zerlegt,   die  wiederum  mit  Tierfiguren  geschmückt  sind.     In  der  oberen 

9  Reihe  läuft  ein  Panther  hinter  einem  Eber,  in  der  unteren  ein  Löwe  hinter  einem 

Hirsche  einher.   Beide  Reihen  sind  abgeschlossen  durch  je  einen  schwimmenden 

Fisch  der  Art  wie  die  von  Taf.  I,  1  [18,  1]. 

Der  obere  Teil  des  Gerätes  ist  in  eigentümlicher  Weise  mit  zwei  Augen  ge- 
ziert.   An  den  Augenhöhlen  ist  das  Goldblech  ausgeschnitten. 

Die  seitliche  Ausbauchung  der  Platte  ist  mit  einer  sternförmigen  Blüte  und 
einem  der  Rundung  folgenden  laufenden  Löwen  geschmückt,  der  dem  Künstler 
etwas  mißraten  ist,  indem  er  es  versuchte,  statt  den  ihm  geläufigen  Typus  zu 
wiederholen,  den  Löwen  einmal  anders  zu  bilden. 

Dieses  Stück  ist,  abgesehen  von  einer  kleinen  Verbiegung  links  unten,  un- 
versehrt und  namentlich  ohne  Spuren  von  Feuer.  Auf  der  Oberfläche  sitzt  hier 
und  da  etwas  Eisenoxyd. 

4.  Taf.  I,  2  [18,  2].  Goldener  Hängezierrat;  23,7  gr  schwer;  Länge  0,069. 
Die  Verzierungen  aufgelötet. 

Tat.  I,  5  [18,5].  Goldenes  Ohrgehänge;  17,5  gr  schwer;  Länge  0,077. 
Aus  verschiedenen  Teilen  sehr  zierlich  gearbeitet.  Die  Mitte  besteht  aus  drei 
jetzt  leeren  Kapseln;  es  ist  wohl  anzunehmen,  daß  dieselben  einst  mit  einer 
farbigen  Masse  gefüllt  waren,  obwohl  jetzt  keinerlei  Reste  einer  solchen  zu  sehen 
sind.  Ober-  und  unterhalb  dieser  Kapseln  folgen  ungefähr  halbkugelförmige 
Buckeln,  mit  aufgelöteten  Blättchen  geziert;  den  unteren  Abschluß  bildet  eine 
ganz  frei  gearbeitete,  zierliche  vierblättrige  Blüte. 

Taf.  I,  4  [18,4].  Goldener  Armring;  48,9  gr  schwer;  Durchmesser  0,07. 
eint-  Ende  ist  durch  Feuer  zerstört  und  zerschmolzen,  der  andere  zeigt  einen 

'  Unten  iM  derselbe  zerstört,  doch  noch  zu  erkennen;  oben  ist  er  gut  erhalten. 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde.  475 


Schlangenkopf  mit  sorgfältiger  Gravierung;   die  Oberansicht  ist  der  Abbildung 
beigegeben. 

7.  Tai  II,  3  [19,  3].  Goldene  Kette;  212  gr  schwer;  Länge  0,71;  die  Tafel 
gibt  also  nur  einen  kleinen  Teil  der  ganzen  Kette.  Das  untere  Ende  bricht  so 
ab,  wie  es  die  Abbildung  zeigt;  an  dem  anderen  Ende  sitzt,  allerdings  in  ver- 
schobener Stellung,  ein  kleiner  Zylinder  und  daran  ein  kleiner  Ring  fest. 

8.  Taf.  III,  2  [20,  2].  Goldene  Dolchscheide;  178  gr  schwer;  Länge  0,199. 
Das  obere  Ende  reich  mit  aufgelötetem  Zierrat  versehen.  Auf  der  Rückseite, 
die  daneben  skizziert  ist,  befinden  sich  zwei  Löcher.  Darunter  zeigt  die  Tafel 
eine  Ansicht  der  Scheide  von  ihrem  oberen  Ende  aus  gesehen;  dieselbe  zeigt 
auch  die  Kreuzesform  des  sich  verjüngenden  Inneren. 

9.  Der  wahrscheinlich  zugehörige,  doch  durch  Verrostung  stark  entstellte 
Dolch  ist  ebenfalls  erhalten.  Er  ist  ganz  von  Eisen.  Seine  Abbildung  bei- 
stehend.    Die  Länge  ist  0,29. 

10.  Taf.  IN,  3  [20,  3].     Großer  massiver  goldener  Ring;   608,5  gr  schwer.  10 
Durchmesser  0,21,  also  stark  verkleinert  in  der  Abbildung.  An  den  beiden  Enden 


geht  der  Ring  aus  der  runden  in  flache  Gestalt  über;  diese  Enden  sind  jedoch 
zusammengelötet,  so  daß  der  Ring  nicht  geöffnet  oder  geschlossen  werden 
konnte.  Auf  die  Stelle  der  Zusammenfügung  ist,  um  dieselbe  zu  verdecken, 
ein  schmaler  goldener  Streif  (gekerbt  in  der  Mitte)  aufgelötet. 

11.  Taf.  III,  5  [20,  5].  Eisernes  Schwert;  von  der  Klinge  ist  nur  ein  Rest 
erhalten;  der  Griff  ist  ganz  mit  Goldblech  belegt,  das  stellenweise  aufgebrochen 
oder  (auf  der  Rückseite)  auch  abgefallen  ist.  Auf  dem  Griffe  sind  jederseits 
kleine  brillen-  oder  haftenförmige  Zierraten  befestigt,1  jetzt  nur  drei,  doch  waren 
es  ehemals  je  vier. 

12.  Taf.  I,  3  [18,3].  Ein  dunkler  serpentinartiger  Steinkeil,  unten  ge- 
schärft; Höhe  0,04;  oben  mit  Goldblech  umkleidet  und  durch  eine  zylindrische 
Öse  zum  Anhängen  eingerichtet.  Der  aufgelötete  kreuzförmige  Zierrat  befindet 
sich  nur  auf  der  einen  Seite. 

13.  Taf.  II,  2  [19,  2].  Gewöhnlicher  Schleifstein,  0,16  lang;  oben  in  Gold 
gefaßt  und  durchbohrt  zum  Anhängen. 

14.  Ein  zusammengedrückter  kleiner  Zylinder  aus  dünnem  Goldblech; 
0,018  lang,  0,013  bereit. 

15.  Formloses  Fragment  dünnen  Goldbleches;  0,02  breit  und  hoch. 

16.  Taf.  III,  4  [20,4].  Bronzeblech.  Ende  des  Futterals  eines  Gegen- 
standes; 0,025  lang;  am  schmalen  untern  Ende  ein  Loch.    Innen  Eisenrost. 


Sie  waren  fast  ganz  lose  und  wurden  im  Museum  zur  Sicherung  fest  aufgelötet. 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde. 


11 


Durch  die  Nachforschungen  des  1  lerrn  Dr.  Jentscli  hat  sich  herausgestellt 
itsch.  f.  Ethnol.  1883,  Verh.S.286),  daß  1.  ein  „zwingenartiger  goldener  Ring" 
ohne  Verzierung,  0.015  Durchmesser  und  0,035  Höhe,  und  2.  ein  goldenes  Stück, 
das  wie  unsere  obige  Nr.  4  beschrieben  wird,  nur  daß  an  beiden  Enden  sich  eine 
B  befunden  haben  soll,  eingeschmolzen  wurden.  Einige  kleine  Stücke  ferner 
ließ  der  Finder  zu  einer  Uhrkette  zusammenstellen,  die  jetzt  im  Privatbesitze  in 
Guben  sich  befindet  (nach  Mitteilung  von  Herrn  Teige).  Sie  besteht  aus  zwei 
goldenen  Kettchen  von  je  zirka  0,08  Länge,  von  denen  das  eine 
oben  einen  Kopf  hatte;  ferner  aus  einem  losen  Knopfe  der- 
selben Art,  zwei  Ringen  und  einem  Schieber.  Die  beistehende 
Abbildung  veranschaulicht  diese  Stücke  in  Originalgröße. 

Endlich  erwähnt  Herr  Jentsch  a.  a.  O.  eine  Kette  von  zirka 
0,18  Länge  und  0,005  Durchmesser  ohne  Angabe  des  Auf- 
enthaltsorts. 

Schließlich  bemerke  ich  zur  Technik  des  Ganzen,  daß, 
nach  Angabe  des  Herrn  Teige,  kein  gezogener  Draht  an  dem 
Goldfunde  vorkömmt.  Ferner  daß  sämtliche  goldenen  Gegen- 
stände, bis  auf  einen,  aus  einem  mit  Silber  legierten  18karätigen  Golde  bestehen; 
das  Gold  hat  deshalb  eine  blasse  Farbe.  Nur  das  Gehänge  Taf.  I,  2  [18,  2]  ist  aus 
23karätigem  unlegiertem  Feingold  gearbeitet  und  von  schöner  gelber  Farbe. 

II. 
HERKUNFT  UND  ZEIT 

Woher  stammen  nun  alle  diese  seltsamen  Dinge?  wo  und  wann  sind  sie 
entstanden?  welchem  Volke  gehört  ihre  Verfertigung  an  und  für  wen  waren  sie 
einst  bestimmt? 

Dies  waren  die  Fragen,  die  sofort,  nachdem  der  Fund  im  kgl.  Museum  de- 
poniert worden  war,  im  Kreise  der  Gelehrten  und  Kenner,  die  ihn  zu  prüfen 
Gelegenheit  hatten,  aufs  lebhafteste  diskutiert  und  in  der  verschiedensten  Weise 
beantwortet  wurden.  Die  Ansichten,  die  hiebei  laut  wurden,  erschöpften  nahezu 
alle  denkbaren  Fälle.  Nur  darüber  war  man  einig,  daß  an  ein  einheimisches 
Lausitzer  Fabrikat  nicht  gedacht  werden  könne.  Im  übrigen  aber  wurde  vor- 
geschlagen, ihn  als  etruskisch  anzusehen,  oder  als  spätrömisch,  oder  als  provinziell- 
römisch und  halb  nordisch-barbarisch,  oder  als  griechisch-barbarisch,  etwa  aus  den 
Donauländern,  oder  als  spät-orientalisch,  als  byzantinisch  oder  endlich  als  sassanidisch. 

Für  andere  wie  für  mich  stand  es  indess  von  Anfang  an  fest,  daß  wir  es 
mit  nichts  anderem  als  altgriechischen  Arbeiten  zu  tun  haben.  Nur  der  ge- 
nauere Entstehungsort  schien  noch  zweifelhaft;  da  ich  jedoch  zufällig  kurz  vorher 
die  reichen  Schätze  der  Eremitage  in  St.  Petersburg  genauer  kennen  gelernt  hatte, 
so  konnte  ich  bald  auf  so  frappante  Analogien  mit  griechischen  Arbeiten  aus 
Südrußland  hinweisen,  daß  nun  auch  diese  Frage  im  wesentlichen  gelöst  schien. 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde. 


477 


Diese  Ansicht  fand  rasch  Billigung  in  kompetenten  Kreisen,  und  ich  hoffe 
sie  jetzt  durch  die  folgenden  Ausführungen  vollständig  zu  beweisen.  Der 
griechische  Ursprung  ist  mir  dabei,  wie  schon  bemerkt,  nicht  eine  Hypothese, 
sondern  eine  einfache  Tatsache,  die  ich  Fachgenossen  nicht  zu  beweisen  brauche, 
da  sie  bei  sorgfältiger  Prüfung  keinem  derselben  zweifelhaft  sein  wird. 

Der  Eindruck  des  Fremdartigen,  den  unser  nordischer  Fund  indess  beim 
ersten  Anblicke  unstreitig  hervorruft  und  den  ich  noch  vor  kurzem  auch  an 
einem  großen  Kenner  des  Auslandes  beobachten  konnte,  der  erst  ebenfalls  auf  12 
spätorientalische  Kunst  riet,  jener  Eindruck  pflegt,  wie  ich  mehrfach  erfahren 
habe,  bei  näherem  Studium  zu  verschwinden  und  der  Anerkennung  altgriechischen 
Ursprunges  Platz  zu  machen. 

Bevor  ich  jedoch  zu  den  einzelnen  Nachweisen  übergehe,  glaube  ich,  nicht 
der  engeren  klassischen,  sondern  der  weiteren  Fachgenossen  wegen,  auf  jene 
anderen  Hypothesen  über  den  Ursprung  des  Fundes  kurz  eingehen  zu  müssen. 

Am  wenigsten  entfernt  sich  von  dem  nach  unserer  Ansicht  Richtigen  die 
Annahme  altetruskischen  Ursprungs,  insofern  sie  den  altertümlichen  Charakter 
anerkennt  und  insofern  die  altetruskische  Kunst  allerdings  gerade  derjenigen 
Gruppe  der  altgriechischen,  der  unser  Fund  angehört,  besonders  nahe  steht. 
Dennoch  erweist  gleich  die  tiefgreifende  Verschiedenheit  im  Stile  der  Tierfiguren 
die  Unmöglichkeit  jener  Annahme;  man  versuche  nur  altetruskische  Parallelen  z.B. 
aus  den  Publikationen  Micali's  oder  dem  Museo  Gregoriano  neben  unseren  Fund 
zu  legen,  um  sich  zu  überzeugen.  Es  kommt  dazu,  daß  für  keine  der  Formen  der 
Gegenstände  je  Parallelen  in  Etrurien  gefunden  werden,  ja  daß  auch  eine  so 
massenhafte  Verwendung  des  Goldes  dort  überhaupt  ohne  Beispiel  wäre,  wo  dies 
Material  nur  in  feinerer  Verarbeitung  und  relativ  geringeren  Quantitäten  erscheint. 

Die  Hypothese  nordischer  Entstehung  unter  früh-  oder  spätrömischem  Ein- 
flüsse mag  für  diejenigen  Forscher  der  nordischen  prähistorischen  Altertümer, 
die  der  Kenntnis  der  klassischen  Kunst  fern  stehen,  etwas  Wahrscheinliches  haben. 
Sie  ist  indess  schon  deshalb  unmöglich,  weil  überall,  nicht  nur  in  Auswahl  Typik 
und  Stil  der  Figuren,  sondern  überhaupt  nur  altgriechische,  von  den  römischen 
völlig  verschiedene  Elemente  vorhanden  sind;  wie  denn,  um  von  hundert  Dingen 
eines  zu  nennen,  der  Triton  gleich  von  der  Brust  in  den  Fischleib  übergeht,  was 
nur  die  archaische,  niemals  die  spätere  oder  gar  die  römische  Kunst  tat,  die  viel- 
mehr immer  den  ganzen  Oberkörper  menschlich  bildet.  Noch  weniger  kann 
aber  natürlich  von  einem  nordischen  Barbarisieren  jener  fingierten  römischen 
Motive  die  Rede  sein.  Wir  besitzen  übrigens  genug  solcher  im  keltischen  und 
germanischen  Gebiete  gemachten  barbarisch-römischen  Werke,  um  Vergleiche  an- 
stellen zu  können.  Herr  Dr.  Jentsch  verweist  in  einer  kurzen  Notiz  in  der  Zeitschr. 
für  Ethnologie  1882,  S.  530  als  Analoga  für  unsern  Fisch  auf  die  bei  Undset, 
Auftreten  des  Eisens  S.  271,  1  (Funde  aus  Mecklenburg),  426  (Kessel  aus  Fünen), 
461.  467   (die   großen    dänischen  Moorfunde)  genannten  Funde.    Der  Vergleich 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde. 


mit  denselben  läßt  Indess  die  größte  Verschiedenheit  erkennen;  die  Ähnlichkeit 
dieser  barbarischen  Dinge  besteht  hauptsächlich  darin,  daß  zufällig  auch  Wild- 
schweine darauf  vorkommen;  aber  wie  anders  sind  gerade  diese. 

Hei  dem  so  ausgeprägten  Stile  der  bildlichen  Darstellungen  unseres  Fundes 
ist  es  natürlich  leicht,  alle  ungehörigen  Vergleiche,  die  sich  auf  diese,  die  figür- 
liche Seite  beziehen,  zurückzuweisen.  Geben  wir  jedoch  einen  Augenblick  zu, 
13  daß  man  sich  bei  den  Vergleichen  auf  die  ornamentale  und  technische  Seite  be- 
schränken dürfe,  so  können  allerdings  einige  entfernte  Analogien  auch  mit  nor- 
dischen Funden  aufgestellt  werden.  So  hat  denn  Bastian,  im  Eingange  eines 
Aufsatzes  mit  weiten  ethnographischen  Ausblicken,1  aus  dem  Berliner  Museum 
prähistorischer  Altertümer  einige  Goldsachen  zusammengestellt,  die  einige  all- 
gemeine technische  Eigenschaften  mit  unserem  Funde  gemeinsam  haben.  Auch 
sollen  sie  nach  Bastian's  Absicht  nur  als  ganz  ungefähre  Parallelen  dienen.  Die 
am  meisten  als  solche  zu  betrachtenden  Dinge  sind  teils  römische  oder  spät- 
griechische Importgegenstände  (wie  das  Gehänge  aus  Arnswalde  II,  327  mit  Email) 
oder  sind  solchen  nachgebildet  (wie  IV,  S.  3  mit  aufgesetzten  Spiralen;  II,  5742 
mit  aufgelötetem  Draht  und  Email,  beide  aus  Ungarn).  Ferner  ist  unter  den 
von  Bastian  genannten  Gegenständen  einer  (II,  3817  aus  Buskow  bei  Ruppin), 
der  zu  einer  eigenen  nordischen  Gruppe  von  Goldgegenständen  gehört,  die  sich 
an  die  klassische  anschließt,  doch  besondere  Typen  entwickelt  hat.  Die  von 
dieser  Gruppe  bevorzugten  technischen  Motive  sind  einigen  an  unserem  Funde 
zu  bemerkenden  in  der  Tat  aufs  nächste  verwandt.  Die  Kette  jenes  Objekts 
der  Berliner  Sammlung  ist  unserer  Kette  sehr  ähnlich;  freilich  weist  gleich  ihr 
Schlußglied  auf  völlig  verschiedenen  Geschmack.  An  ihr  befindet  sich  ferner 
eine  Bommel,  die  genau  denen  entspricht,  die  in  Dänemark,  auch  Norwegen  oft 
gefunden  werden  und  die  Sophus  Müller  als  in  das  ältere  Eisenalter  des  Nordens, 
also  etwa  in  das  erste  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung  gehörig  erwiesen  hat.2 
Die  Form  selbst  ist  aus  einer  spätem  griechisch-römischen  hervorgegangen  und 
widerspricht  dem  Stile  unseres  Fundes;  wohl  aber  ähnelt  dem  letzteren  die 
Technik  und  Art  der  Verzierung  mit  aufgelöteten  kleinen  Punkten,  die  gern  zu 
einem  Dreieck  geordnet  werden,  mit  kleinen  Drahtspiralen  sowie  gekerbten  und 
geflochtenen  Drahtstreifen.  Doch  ist  dies  eben  eine  von  der  klassischen  Kunst 
herübergenommene  Technik,  die  in  den  Jahrhunderten  n.  Chr.  im  Norden  vielfach 
auftritt.  So  findet  man  z.  B.  noch  an  den  Ösen  der  nordischen  Goldbrakteaten 
zuweilen  jene  kleinen  aufgelöteten  Spiralen.3   Eine  sehr  große  Rolle  spielen  aber 

1  I)ie  er  an  die  Möglichkeit  der  Herkunft  des  Fundes  vom  Schwarzen  Meer  schließt 
hr.  f.  EflmoL,  Vcrh.  1883,  S.  130). 

Siehe  .Müller  in  den  Aarbögcr  for  nordiske  Oldkyndighcd  1874,  S.  366  ff.  Fig.  15. 
VgL  Mi-mor  .mtiquaircs  du  Nord,    nouv.  ser.,   Bornholm  Taf.  8,  7.     Undsct,  Auf- 

I  10  und  191   Fig.  194. 
/.  B.  A.irhoger  for  nord.  Oldk.  1870  Taf.  21,1.    Berlin,  Kgl.  Mus.,  vaterl.  Abt.  II  6404. 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde.  479 


bekanntlich  jene  aufgesetzten,  meist  zu  einem  Dreieck  verbundenen  Pünktchen, 
kleinen  Spiralen  und  zopfförmigen  Drähte  in  jenen  späten  sog.  Hacksilberfunden 
unseres  Nordens,  sowie  in  gewissen,  weniger  bekannten  Silbersachen  aus  dem 
östlichen  Rußland  (Perm),1  wohin  jene  Technik  aus  dem  Süden  kam,  wo  sie 
längst  heimisch  war. 

Mehr  als  auf  solche  weit  verbreiteten  technischen  Motive  könnten  nordische 
Forscher  vielleicht  auf  einige  andere  ungefähre  Analogien  geben,  die  sich  aus  14 
den  großen  dänischen  Moorfunden  der  älteren  Eisenzeit  nachweisen  lassen.  Am 
Bronzebeschlag  der  Holzscheide  eines  Schwertes  des  Thorsberger  Fundes2  be- 
findet sich  das  schleifenartige,  dem  Umriß  eines  Kornes  oder  Blättchens  ähnliche 
Ornament  wie  an  unserer  Dolchscheide  (Taf.  III,  2  [20,  2];  freilich  ist  gleich  die 
nächste  Umgebung  desselben  durchaus  verschieden  und  eine  mächtige  Kluft 
öffnet  sich  gar,  wenn  man  die  Tierfiguren  dieses  Fundes  betrachtet.  Und  doch 
bietet  gerade  ein  Gerät  mit  solchen  barbarischen  Tierfiguren  desselben  Fundes3 
durch  seine  gesamte  Form  wieder  eine  gewisse  Analogie  mit  unserer  Taf.  II,  1 
[19,  1].  Es  ist  eine  kreisrunde  Brustplatte,  verziert  mit  einem  großen  Kreise  in 
der  Mitte,  der  von  vier  kleineren  umgeben  wird.  Ähnlich  ist  ein  Stück  des 
Vimoser  Fundes.4  Freilich  ist  hier  der  mittlere  Kreis  immer  viel  größer,  während 
er  bei  unserer  Platte  der  kleinste  ist,  und  die  Dekoration  ist  vollends  eine  total 
verschiedene;  dennoch  möchte  ich  selbst  nicht  jede  Möglichkeit  einer  Beziehung 
der  berührten  Erscheinungen  abstreiten;  vielleicht  werden  sich  noch  einmal  die 
Bindeglieder  finden,  die  von  Südosten  nach  Norden  gehen.5  Jedenfalls  aber  ist 
klar,  daß  solche  versprengten  Analogien  bei  übrigens  absoluter  Verschiedenheit 
uns  zur  Bestimmung  unseres  Fundes  nichts  helfen  können. 

Zu  den  nordischen  Tierornamenten  aber,  die  wir  durch  Sophus  Müller's  be- 
kanntes treffliches  Buch  erst  recht  haben  verstehen  lernen,  lassen  sich  unsere 
Dinge  nicht  in  die  loseste  Beziehung  bringen. 

Die  Hypothese  barbarischen  Ursprungs  in  den  Donauländern  unter  griechischem 
Einflüsse  ferner  beruht  zunächst  ebenfalls  auf  der  Annahme,  daß  der  Kunst- 
charakter unseres  Fundes  überhaupt  etwas  Barbarisches  habe;  der  Eindruck  des 
Fremdartigen  und  Ungriechischen,  den  die  Formen  der  Geräte  und  Zierstücke 
machen,   wird  hierbei,   in   leicht  erklärlicher  Weise,   auf  den  künstlerischen  Cha- 


1  Aspelin,  Antiqu.  du  Nord  finno-ougr.  S.  159  ff. 

2  Engelhard t,  Thorsbjerg  Moosefund,  1863,  Taf.  10,  31.  Der  Fund  wird  von  Undset, 
Auftreten  des  Eisens  S.  458  in  das  3.  Jahrh.  n.  Chr.  ungefähr  gesetzt. 

3  Ebenda  Taf.  7,  1. 

4  Engelhardt,  Vimose  Fundet,  Taf.  4,  3.  Ein  großer  Kreis  von  sechs  kleineren 
umgeben,  als  Fibelschmuck,  s.  Mem.  des  ant.  du  Nord.,  n.  s.,  Bornholm,  Taf.  14,  1.  Auch 
der  Nadelschmuck  aus  Livland  bei  Kruse,  Necrolivon.  Taf.  12,  5  u.  a.  ist  verwandt. 

5  Verwandt  mit  jenen  nordischen  Kreisdekorationen  sind  z.  B.  die  Stücke  aus  Kertsch, 
Antiquites  du  Bosphore  Taf.  29,  indess  wahrscheinlich  erst  aus  dem  3.  Jahrh.  n.  Chr.  Vgl. 
ebenda  Taf.  32,  16. 


|gQ  Der  Goi.dfund  von  Vettersfelde. 


rakter  der  Ausschmückung  selbst  übertragen.  Daß  wir  aber  hier  rein  griechischen 
Kunstcharakter  und  dort,  am  deutlichsten  in  den  gewissen  griechischen  nach- 
geahmten .Münzen  Pannoniens,  eine  entschiedene  Barbarei  vor  uns  haben,  wird 
beim  Vergleiche  schwer  zu  leugnen  sein.  Auch  einen  Goldfund  mit  Tierdarstel- 
lungen aus  Ungarn  etwa  vom  Anfang  unserer  Zeitrechnung1  mag  man  vergleichen, 
um  den  Gegensatz  dieses  lokalen  Stiles  zu  erkennen. 
15  Endlich  der  Gedanke   an  „spätorientalische"  Herkunft  im  allgemeinen  ver- 

dankt seinen  Ursprung  wohl  nur  den  in  der  Tat  orientalischen  Elementen,  die 
hier  wie  anderwärts  in  altgriechischer  Kunst  Verwendung  und  Verbreitung  ge- 
funden haben.  Im  speziellen  könnte  man,  von  Byzantinischem  nicht  zu  reden, 
am  ehesten  an  sassanidische  Kunst  erinnern,  die  sich  vielfach  an  die  spätklassische 
anschließt,  und  von  der  uns  gerade  Reliefarbeiten  in  kostbaren  Metallen  erhalten 
sind,  die  besonders  im  östlichen  Rußland  gefunder:  werden;2  man  braucht  die- 
selben jedoch  nur  näher  zu  vergleichen,  um  sich  der  völligen  Verschiedenheit 
bewußt  zu  werden. 

Schließlich  muß  ich  noch  eine  wichtige  Tatsache  betonen.  Man  könnte  nämlich 
den  Fund  und  damit  die  Frage  nach  der  Herkunft  teilen  und  das  eine  Objekt  von 
da,  das  andere  von  dort  herleiten  wollen.  Dies  verbietet  sich  jedoch  durch  die 
Identität  des  Materials,3  des  technischen  Verfahrens  und  des  Stiles  aller  Gegenstände. 

Und  diese  Gegenstände  sprechen  alle  eine  laute  und  vernehmliche  Sprache; 
sie  sagen  uns  genau,  woher  sie  stammen.  Fern  an  den  Gestaden  des  schwarzen 
Meeres  wurden  sie  von  griechischer  Hand  gefertigt,  und  bestimmt  waren  sie 
einst  für  einen  skythischen  Großen. 

Ich  werde  Stück  für  Stück  durchgehen;  indem  uns  die  Analogien  aus  den 
südrussischen  Ausgrabungen  in  wahrer  Fülle  zuströmen  werden,  haben  wir  zu- 
gleich Gelegenheit,  die  Fragen  nach  der  Bedeutung  der  einzelnen  Gegenstände 
und  nach  ihrem  relativen  Alter  zu  erörtern. 

Gleich  zu  dem  Hauptstück  unseres  Fundes,  dem  Fische,  zu  dessen  seltsamer 
Originalität  man  an  und  für  sich  am  wenigsten  hoffen  durfte,  Analogien  zu  finden, 
zu  ihm  können  wir  ein  Seitenstück  nachweisen,  das  allein  bereits  mit  unwiderleglicher 
Bestimmtheit  die  Herkunft  unseres  Fundes  fixiert.  Es  ist  ein  Stück  aus  jenem 
großen  Kul  Oba  genannten  Tumulus  bei  Kertsch,  der  im  Jahre  1830  seine  bekannten 
wunderbaren  Schätze  spendete.    Es  folgt  hier  in  verkleinerter  Abbildung.4 

:  Hrdy  Janos,  Regisegtani  Közlemcnyek,  Büdän  1858,  Taf.  5. 

1  Vgl.  Stephan!,  Schlangenfütterung  S.  4 ff.  Compte  rendu  1867  Taf.  3;  1875  Taf.  4, 6; 
1H78  79  Taf. 7.  Mon.  d.  Inst.  III,  Tlf.51.  Der  Goldfund  aus  dem  Banat  in  Wien  (Arncth  Taf.  6ff.). 

1  Das  eine  oben  genannte  Objekt  (Taf.  I,  2  [18,2]),  das  von  anderm  Golde  ist,  wird 
doch  durch  die  Gleichheit  der  Technik  und  Ornamcntation  als  zweifellos  zugehörig  erwiesen. 
Nach  dem  Gipsabgussc  neu  gezeichet.  Vgl.  Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  26,  1.  Friede- 
ric: r.  701  iricderichs-Woltcrs  1336).  In  Übereinstimmung  mit  mir  nimmt 
auch  Milchhofe r  (Arch.  Ztg.  1883,  S.  264)  die  beiden  Stücke  als  gleichartig  an. 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde. 


481 


Das  Original  ist  etwas  kleiner  als  unser  Fisch.  Es  besteht  aus  demselben  16 
blassen  silberhaltigen  Golde  wie  unser  Fund.  Es  ist  ebenfalls  eine  getriebene 
starke  Platte  und  stellt  einen  liegenden  Hirsch  dar.  Das  auch  hier  deutliche 
Streben,  ein  dekorativ  abgerundetes  Ganzes  aus  dem  Tiere  zu  machen,  führte 
zu  der  ornamentalen  Bildung  des  Geweihes,  das  sich  eng  auf  den  Rücken  auf- 
legt. Die  letzte  umgebogene  Sprosse  aber  läuft  in  einen  Widderkopf  aus,  ganz 
ebenso  wie  es  die  Schwanzenden  unseres  Fisches  tun.  Ferner  fügte  der  Künstler, 
um  die  leere  Ecke  zwischen  Vorderbeinen  und  Hals  zu  füllen  und  das  Ganze 
abzurunden,  einen  liegenden  Hund  dort  ein.  Die  leeren  Flächen  des  Körpers 
aber  verzierte  er  mit  Tierfiguren,  einem  Greif  auf  dem  Hinterschenkel,  einem 
laufenden  Hasen  und  einem  Löwen  auf  dem  Bauche. 


Daß  in  beiden  Stücken  dieselbe  und  zwar  höchst  eigentümliche  Kunsttradition 
zu  Grunde  liegt,  ist  offenbar.  Beide  verwenden  eine  Tierfigur  als  solche  zu  orna- 
mentalem Zwecke,  bedecken  ihre  Flächen  mit  andern  Tierfiguren  in  Relief  und 
lassen  sich  darbietende  spitze  Enden  in  Widderköpfe  auslaufen.  Beiden  ferner 
ist  im  wesentlichen  derselbe  Stil  gemeinsam,  für  den  es  namentlich  charakte- 
ristisch ist,  daß  die  Tiere  immer  nur  mit  zwei  statt  mit  vier  Beinen  dargestellt 
sind;  in  den  Tierfiguren  unseres  Fundes  macht  nur  der  Stier  Taf.  II,  1  [19,  1], 
auf  dem  Hirsche  nur  der  Greif  eine  Ausnahme  von  dieser  Regel,  die  wiederum 
auf  eine  eigene  gemeinsame  Tradition  von  altertümlichem  Charakter  hinweist. 
Namentlich  in  gravierter  und  getriebener  Arbeit  von  kleinem  Umfange  scheint 
diese  Vereinfachung  früh  sich  für  laufende  und  liegende  Tierfiguren  eingebürgert 
zu  haben.  Wir  finden  sie  schon  in  der  späteren  stilisierten  Gruppe  der  Gattung 
der  sog.  Inselsteine;  hier  kommt  auch  schon  derselbe  liegende  Löwe  mit  dem 
umgewandten  Kopfe  in  demselben  Schema  vor,  wie  wir  es  auf  dem  Hirsche 
sehen;  eine  nähere  Parallele  für  letzteren  bietet  jedoch  eine  größere  archaische  17 
Silbermünze  von  einer  der  milesischen  Kolonien  des  Schwarzen  Meeres,  wo  wir 

A.  Furtwängler.    Kleine  Schriften  I.  31 


4^  Der  Goldfund  von  Vettersfelde. 

.•  denselben  Löwen  wiederfinden.1  Auch  sonst  treffen  wir  jene  Kunstsitte  der 
zwei-  statt  vierbeinigen  Tiere,  namentlich  in  dem  zur  altionischen  Kunst  in  Be- 
ziehung zu  setzenden  Kreise, ■  immer  aber  natürlich  nur  in  altertümlicher  Kunst. 

Prüfen  wir  nun  die  beiden  Stücke  näher,  so  werden  wir  unserem  Fisch 
bei  weitem  den  Vorzug  geben.  Er  ist  nicht  nur  größer  und  viel  reicher  verziert, 
sondern  diese  Verzierung  ist  auch  ungleich  feiner  und  geschmackvoller.  Die 
Tiere,  die  sich  hier  in  lebendigen  Gruppen  und  klarer  Anordnung  entwickeln, 
sind  dort  ohne  Zusammenhang  und  willkürlich  aufgesetzt,  wo  eben  Raum  war. 
Auch  sind  die  Figuren  dort  nur  in  den  Hauptumrissen  herausgetrieben  und  ent- 
behren ganz  der  feinen  Ziselierung  unseres  Fisches. 

Was  die  chronologische  Bestimmung  betrifft,  so  müssen  wir  den  Hirsch  ohne 
Zweifel  in  das  fünfte  Jahrhundert  setzen;  dies  beweist  das  auf  demselben  er- 
haltene Monogramm  mit  schrägem  Querstrich  in  dem  Alpha,  sowie  der  archaische 
Typus  des  Löwen.  Daß  wir  aber  nicht  zu  weit  heraufgehen,  verbietet  der  Greif,  der 
zwar  noch  die  aufgebogenen  Flügel  der  alten  Zeit,  doch  bereits  den  Strahlenkamm 
im  Nacken  zeigt,  der  sich  erst  im  fünften  Jahrhundert  verbreitet.8  Wir  werden  den 
Hirsch  etwa  um  die  Mitte  dieses  Jahrhunderts  oder  nur  wenig  später  ansetzen  müssen. 

Man  wird  mir  entgegnen,  der  Kul  Oba  stamme  ja  anerkanntermaßen  aus 
dem  vierten  Jahrhundert;  doch  hier  eben  ist  etwas  zu  berichtigen.  Niemanden, 
der  seinen  Inhalt  genau  studiert,  kann  es  zweifelhaft  sein,  daß  er  zum  mindesten 
auf  fünfzig  Jahre  zu  verteilen  ist,  was  bei  der  Anhäufung  so  riesiger  Schätze  ja 
keineswegs  auffallen  kann.  Das  Armband  des  „Königs"  mit  Eos  und  Thetis,* 
sowie  sein  sog.  Schild  5  können  nicht  viel  nach  der  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts 
datiert  werden,  da  sie  durchaus  strengen  Stil  zeigen;  auch  die  Bronzehydria  mit 
der  sog.  Sirene8  und  eine  Anzahl  der  Goldplättchen 7  kann  nur  dem  fünften  Jahr- 
hundert angehören.  Eine  große  Zahl  der  gefundenen  Dinge  ist  ferner  etwa  um 
18  400  anzusetzen;  dahin  weisen  namentlich  die  Ohrgehänge  mit  der  Nachbildung 
des  Kopfes  der  Parthenos  von  Phidias,  sowie  die  wunderbar  schönen  Holz- 
zeichnungen in  phidiasischem  Stile.  Manches  andere  weist  jedoch  erst  in  das 
vierte  Jahrhundert  als  Zeit  der  Errichtung  des  Grabes.8 

1  Berlin;  aus  der  Sammlung  von  Prokesch,  Kolchis  zugeteilt.  Der  Löwe  hat  weib- 
liche Zitzen,  doch  ist  die  Mähne  unverändert.  Sehr  ähnlich,  nur  mit  einem  gehobenen 
Vorderbein,  ist  der  Löwe  von  archaischen  Silbermünzen  der  thrakischen  Chersones. 

1  Vgl.  z.B.  die  rottonigen  Reliefgefäße  aus  Italien  (Arch.  Ztg.  1881,  S.  41  ff.);  die 
protokorintliischen  Väschen  (Arch.  Ztg.  1883,  S.  153  ff.  162);  die  liegenden  Tiere  auf  den 
archaischen  Reliefs  von  Thasos  (Conze,  Reise  auf  d.  thrak.  Inseln  Taf.  4,  10.  11  S.  8 ff.). 

*  Siehe  Furtwängl er,  Bronzefunde  v. Olympia  (Abh.d.Berl.Ak.)  1879.S. 53  [ob. S. 379]. 

*  Schlecht  abg.   in  den  Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  13,3.     (Vgl.  Arch.  Ztg.  1882,  S.350.) 
Ebcadl  Taf. 

benda  Taf.  41,  7.    Vgl.  Compte  r.  1877,  Taf.  3,  4  (Grab  vom  Ende  des  5.  Jahrli.). 
'  So  Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  20,  1.  2.  3.  12.  13.  15. 
Die  Antiqu.  du  Bosph.  I,  S.  XIX  erwähnten  Thasischcn  Amphoren  würden  vielleicht 
h  eine  genauere  Datierung  ermöglichen. 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde.  433 


Der  Hirsch  stammt  nicht  aus  dem  Hauptgrabe  des  Kul  Oba,  sondern  aus  einem 
unter  dem  Pflaster  desselben  verborgen  gewesenen  Einzelgrabe,  in  dem  man  das  des 
Vaters  oder  Ahns  des  Fürsten  der  Hauptkammer  vermutet  hat.  Da  die  Gegenstände 
desselben  zum  Teil  jedoch  ebenfalls  ganz  freien  Stil  tragen  und  das  Grab  noch  älter 
ist  als  die  übrigen,  so  ist  jener  Umstand  zur  Datierung  nicht  zu  verwerten. 

Leider  ist  jenes  verborgene  Einzelgrab  bekanntlich  in  der  Nacht  vom  24.  Sep- 
tember 1830  von  einer  goldgierigen  Bande  ausgeplündert  worden.  Der  Hirsch 
befand  sich  unter  den  geraubten  Stücken,  was  besonders  zu  beklagen  ist,  da 
dadurch  die  Anhaltspunkte,  die  für  seine  ursprüngliche  Bestimmung  und  damit 
indirekt  natürlich  auch  für  die  unseres  Fisches  in  den  Umständen  der  Auffindung 
sicher  vorhanden  waren,  unwiederbringlich  verloren  sind.  Dennoch  können  wir 
aus  dem  uns  erhaltenen  Berichte  über  das  Grab1  einige  wichtige  Schlüsse  tun. 
Er  genügt,  die  auch  an  und  für  sich  schon  unwahrscheinliche  Vermutung  Ste- 
phanis,2  der  Hirsch  möge  von  einem  Sattel3  herrühren,  zu  widerlegen;  denn 
jenes  Grab  war  ein  enges  Einzelgrab  mit  nur  einer  männlichen  Leiche,  ohne  Roß 
und  Sattel.  Der  Bestattete  war  ein  Krieger,  wie  die  vielen  Pfeilspitzen  und 
eisernen  Lanzenspitzen,  die  erwähnt  werden,  beweisen.  Der  Hirsch  war  also 
ziemlich  sicher  der  Schmuck  einer  kostbaren  Waffe.  Nach  den  Analogien  der  süd- 
russischen Funde  sind  aber  dann  nur  zwei  Möglichkeiten  denkbar.  Entweder 
war  er  Zierde  des  Goryts  (des  Bogenbehälters)  oder  des  Prachtschildes.  Freilich 
spricht  der  Bericht  bereits  von  Fragmenten  eines  Köcherbeschlags,  doch  versteht 
er  darunter  solche  von  einem  Schwertscheidenbeschlag,  wie  aus  dem  Zusammen- 
hang hervorgeht.*  Doch  aus  andern  Gründen  ist  mir  jene  erstere  Annahme  un- 
wahrscheinlich. Die  Größe  würde  zwar  ungefähr  passen,  zur  Not  auch  bei  dem 
Fische,  wenn  man  ihn  der  Länge  nach  auf  den  Goryt  legte,5  nicht  aber  die 
Form,  welche  sich  in  keiner  Weise  an  die  eines  Goryts  oder  Köchers  anschmiegen 
würde:  um  als  bloßes  Zierstück  zu  dienen,  wären  der  Fisch  wie  der  Hirsch  auf 
einem  Goryt  offenbar  viel  zu  groß;  um  aber  als  deckende  Inkrustation  eines  19 
solchen  zu  fungieren,  wären  sie  vollends  ungeeignet;  abgesehen  von  der  Form 
sind  sie  dazu  auch  viel  zu  dick  und  zu  stark  gewölbt.  Wir  werden  durch  diese 
Eigenschaften  vielmehr  zu  der  Annahme  gedrängt,  daß  unsere  Stücke  die  mittlere 
vorspringende  Zierrate  einer  größeren  glatten  Fläche  waren  und  zwar,  wegen 
ihrer  Form,  einer  länglichen  Fläche;  das  heißt  die  oben  aufgestellte  zweite  Mög- 
lichkeit, Schmuck  eines  Schildes,   ist  offenbar  die  allein  richtige,   auf  die  wir 

1  Der  Originalbericht  ist  abgedruckt  in  den  Antiqu.  du  Bosph.  1,  S.  XXXIII  ff. 

2  Im  Texte  zu  Antiqu.  Taf.  26, 1. 

3  Wirkliche  Sattelbeschläge  aus  südrussischen  Gräbern  s.  Recueil  d'ant.  de  la  Scythie 
Taf.  12,8  (Alexandropol);  39,11  (Tschertomlyk-Nikopol). 

4  Er  hält  nämlich  den  Schwertbeschlag  Antiqu.  Taf.  26,  2  fälschlich  für  den  des 
Goryts  (vgl.  unten  S.  32  f.  [S.  497]). 

5  Vgl.  den  einzigen  sicher  erhaltenen  vollständigen  Gorytbeschlag  Compte  rendu 
1864,  Taf.  4.  ^ 


Der  Cum  dum)  von  Vettersfelde. 

:  allen  Seiten  her  geführt  werden.  Die  Schilde  der  Skythen  waren  von  läng- 
licher Form  mit  abgerundeten  Ecken  und  relativ  klein;1  vielleicht  ist  uns  in  der 
prachtvollen  kreisrunden  Platte,  die  neben  dem  „König"  in  der  Hauptkammer 
des  Kul  Oba  lag,-  der  mittlere  Buckel  eines  solchen  erhalten.  Ungleich  besser 
würde  aber  zu  einem  solchen  Schilde  ein  länglicher  Schmuck  wie  unser  Hirsch 
oder  Fisch  passen.  Die  sorgfältige  und  zierliche  Ausarbeitung  eines  solchen 
Zierstfickes  dürfte  aber  bei  einem  Prachtschilde  von,  wie  schon  bemerkt,  relativ 
kleinen  Dimensionen  keineswegs  auffallen.  Die  obengenannte  kreisrunde  Platte 
zeigt  übrigens  eine  Befestigungsart,  die  der  unseres  Fisches  entspricht,  nämlich 
durch  am  Rande  angebrachte  kleine  feste  Ringe.  Über  die  Rückseite  des  Hirsches 
liegen  mir  leider  keine  Angaben  vor.  Die  Unterlage  wird  man  sich  von  Holz 
mit  Leder8  bezogen  denken,  das  reich  bestickt  sein  mochte. 

Ein  Fisch  als  Schildzeichen,  namentlich  ein  Delphin,  war  bekanntlich  etwas 
in  alter  Zeit  in  Griechenland  überaus  Gewöhnliches;  zahlreiche  altertümliche  Vasen 
zeigen  uns  solche  Schilde,4  und  von  dem  Seehelden  Odysseus  hatte  Stesichoros 
gesungen,  daß  er  einen  Delphin  als  iniorjfiov  des  Schildes  gehabt  (Frg.  69.  70). 
Daß  ein  Künstler  aber  an  den  Gestaden  des  Schwarzen  Meeres  statt  des  Delphins 
einmal  einen  thunfischartigen  Fisch  wählte,  ist  gewiß  nur  natürlich  (vgl.  unten 
S.  27  [S.  492]). 

Der  Künstler,  der  den  Hirsch  bildete,  war  in  seiner  Wahl  durch  eine  in  Süd- 
rußland herrschende  starke  Vorliebe  für  dieses  Tier  und  einen  wahrscheinlich  sehr 
alten  und  wohl  einheimischen,  ursprünglich  nicht  griechischen  Typus  desselben 
bedingt.  Wir  können  noch  an  zahlreichen  Resten  die  charakteristischen  Züge 
20  dieses  Typus  und  seine  weite  einstige  Verbreitung  studieren.  Nach  demselben 
wird  das  Tier  liegend  dargestellt;  es  hat  ein  sehr  langes  Geweih  und  fast  immer 
nach  vorn  herausragende  sog.  Augensprossen;  häufig,  und  dies  besonders  in 
den  altertümlichen  Stücken,  erscheint  der  Kopf  umgewandt,  wodurch  der  Umriß 
der  Figur  fast  rund  wird.  Der  Typus  erscheint  bald  gepreßt  auf  kleinen  Gold- 
plättchen,  bald,  und  dies  besonders  häufig,  in  ausgeschnittenem  Relief  aus  Gold 
oder  endlich   als   schmückende   Endigung   irgendeines    Gerätes,  namentlich  des 

1  I)ie  einzige  sichere  Darstellung  des  Schildes  eines  Skythen  jener  Zeit  befindet 
l  auf  dem  prachtvollen  Gefaßrelief  vom  Kul  Oba,  Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  33.  Die  auf 
den  spaten  Grabrelitfs  von  Kcrtsch  öfter  vorkommenden  Schilde  (z.B.  Macpherson, 
Antiqu.  ol  Kcrtsch  S.  48;  Aschik,  Bosphore  II,  S.  XVIII;  Compte  r.  1872,  Taf.  9.  10  sind 
von  ovaler  gestreckterer  Form  und  wesentlich  größer,  meist  mit  kreisrundem  Mittelbuckel. 
Stassoff  (Compte  r.  1872,  S.  296  ff.),  daß  die  Träger  derselben  keine  Skythen 
im  engeren  Sinne  sind. 

••  Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  25,  Text  I,  S.  172.     Vgl.  jedoch  Compte  r.  1877,  S.  223. 

Schilde  der  Skythen  mit  dem  Fell  des  Hlennhirschcs  bezogen:  Ael.  de  nat.  anim.2, 16. 
1  Vgl.  /..  B.  die  von  O.Jahn    im    Index    des   Münchener  Vasenkatalogs    S.  380   zu- 
sammengestellten.    Ein  Fisch  als  Schildzeichen  auf  einer  steif  scliwarzfigurigen  Amphora 
in  nieydemann  Nr.  2705). 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde.  435 


bronzenen  Pferdegeschirrs.  Er  kommt  sowohl  in  den  griechischen  Gräbern  von 
Pantikapaeon  und  Phanagoria,  und  zwar  schon  den  ältesten,  als  in  den  Skythen- 
gräbern am  Dnjepr  vor;  er  erscheint  weiter  im  Nordosten  im  Gouvernement 
Perm,  und  ist  ohne  jede  wesentliche  Veränderung  weit  nach  Sibirien  hinein  an 
die  Ufer  des  Jenisei  verbreitet.  Er  tritt  sowohl  in  altertümlichem  als  freiem 
griechischen  Stile  auf;  aber  seine  rechte  Heimat  ist  jener  eigene  sythische  Stil, 
der  so  reichlich  in  den  Königsgräbern  am  Dnjepr,  nicht  selten  aber  auch  in  den 
Gräbern  von  Kertsch  und  besonders  an  geringeren  Dingen,  wie  dem  Pferde- 
geschirr, zu  Tage  tritt.1 

Doch  kehren  wir  zu  unserem  Ausgangspunkte  zurück.  Wir  verglichen  die 
beiden  von  uns  nachgewiesenen  skythischen  Schildzierden,  den  Hirsch  und  den 
Fisch.  Wenn  wir  nun  ersteren  um  die  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts  ansetzen, 
so  muß  der  letztere  wenigstens  in  die  erste  Hälfte  dieses  Jahrhunderts  fallen,  da 
er  ohne  Zweifel  älter  ist  als  jener.  Der  Stil  der  Figuren  des  Fisches  ist  ungleich 
strenger  und  straffer  als  dort;  er  zeigt  noch  echte  altertümliche  Härte,  wo  dort 
schon  Flauheit  herrscht. 

Doch  um  uns  weiter  über  die  chronologische  Stellung  des  Fisches  zu  ver- 
gewissern, gehen  wir  zum  genaueren  Studium  seines  Bildschmuckes  über. 

Tierkämpfe  füllen  die  obere  Reihe.  Diese  aber  sind  nicht  willkürlich  er- 
sonnen; sie  beruhen  auf  alter  Typik.  Ja  der  Löwe,  der  dem  Hirsch  in  den 
Nacken  fällt,  gehört  zu  den  ältesten  Typen,  denen  wir  in  Griechenland  überhaupt 
begegnen.2  Seine  Heimat  ist  in  Vorderasien,  wo  ihm  ursprünglich  eine  religiöse 
Bedeutung  innewohnte,  indem  der  Löwe  die  Mächte  des  Todes  symbolisierte, 
eine  Bedeutung,  die  in  semitischem  Kreise  im  Bewußtsein  blieb,  während  die 
griechischen  Künstler  sich  der  Gruppe  nur  als  eines  lebendigen  künstlerischen 
Motives  bedienten.  Doch  hatte  die  Verbreitung  des  Typus  gewisse  Grenzen, 
die  sich  wenigstens  in  vorrömischer  und  besonders  der  altgriechischen  Zeit  21 
deutlich  verfolgen  lassen.  Er  tritt  uns  zunächst  entgegen  in  der  mit  den  Gräbern 
Mykenäs  gleichzeitigen  Gattung  der  sog.  Inselsteine  und  auch  die  Ilias  kennt 
ihn  bereits  (11,  475  ff.).  Dann  aber  finden  wir  ihn  vor  allem  an  den  Orten,  wo 
orientalischer  Einfluß  zumeist  wirksam  war;   also  in  Cypern,   Cilicien,3  Lykien4 


1  Von  publizierten  Exemplaren  nenne  ich:  aus  griech.  Gräbern  des  5.  Jahrhunderts 
Compte  rendu  1876,  Tat.  3,  18;  1877,  Taf.  3,  24  und  S.  240.  1880,  Tat.  4,  12.  Antiqu.  du 
Bosph.  Taf.  22,  17.  Aus  dem  Tumulus  von  Alexandropol:  Rec.  d'ant.  de  la  Scyth.  Taf.  8,  23; 
1,  4.  Von  Pferdegeschirr  Compte  r.  1876,  S.  125.  135.  136;  1877,  S.  13,  4.  5.  In  einem 
sibirischen  Goldfund  kommt  der  Typus  genau  so  vor  wie  im  Kul  Oba  (Eremitage,  skyth. 
Saal,  Kasten  L).  Aus  Perm  Aspelin,  Antiqu.  finno-ougr.  Nr.  313.  314.  315;  von  Minus- 
sinsk  in  Sibirien,  ebenda  Nr.  307. 

2  Vgl.  hierüber  und  für  das  folgende  vor  allem  H.  Usener,  De  Iliadis  carmine 
quodam  Phocaico.     Bonnae  1875. 

s  Nachweise  aus  Münzen  s.  bei  Usener  a.  a.  O.  S.  21  ff. 

4  Fries  von  der  Akropolis  in  Xanthos,  archaisch,  im  British  Museum  (Löwe  und  Reh). 


>Nß  Der  Goldkund  von  Vettersfelde. 

und  die  ganze  kleinasiatische  Küste ]  herauf.  Besonders  bemächtigte  sich  die  alt- 
ionische Kunst  des  Typus;  aber  man  blieb  nicht  bei  dem  überlieferten,  der  Gruppe 

Löwen  mit  dem  Hirsche  oder  dem  Stiere  —  denn  letzterer  tauscht  oft  mit  dem 
ersteren  ,  man  erfand  auch  einige  Variationen  dazu;  statt  des  Hirsches  tritt  ein 
Reh  ein:  statt  des  Löwen  ein  Panther;  oder  beide  arbeiten  gemeinsam;  ferner  wird 
auch  der  Eber  in  den  Kreis  eingeführt  und  entweder  vom  Panther  oder  Löwen  zer- 
fleischt; und  statt  der  letzteren  oder  gemeinsam  mit  ihnen  tritt  auch  der  Greif  ein. 

Den  geradezu  unzähligen  Darstellungen  wilder  Tiere  auf  den  korinthischen 
on  sind  die  eben  geschilderten  Kampftypen  gleichwohl  so  gut  wie  unbekannt. 
In  friedlicher  Eintönigkeit  sehen  wir  die  Bestien  hier  in  Reihen  sich  folgen  oder 
gruppenweise  einander  gegenüberstehen.  Auch  die  altattischen  Vasen  mit  ihren 
ebenfalls  noch  zahlreichen  Tierfriesen  zeigen  nur  ausnahmsweise  jene  Typen.-' 
Dagegen  begegnen  wir  ihnen  häufiger  auf  den  jonisch-chalkidischen  Vasen,3  ob- 
wohl hier  die  wappenhaft  gegenübergestellten  Tiere  am  beliebtesten  sind.  Ferner 
sind  sie  häufig  auf  den  Werken  aus  Italien,  die  mit  den  ionischen  Kolonien  dort 
in  Beziehung  gesetzt  werden  dürfen.4  Velia,  die  Kolonie  von  Phokaea,  setzt  die 
Gruppe  des  Löwen  mit  dem  Hirsche  sogar  auf  die  Münzen.  Dann  aber  ist  Etrurien 
eine  Hauptstätte  für  die  besprochenen  Typen.5  Die  engen  Beziehungen  aber, 
welche  die  etruskische  Kunst  mit  der  kleinasiatischen  sowohl  als  der  altionischen 
speziell  verbinden,  sind  uns  schon  von  anderen  Seiten  hinlänglich  bekannt. 

Kaum  irgendwo  jedoch  erscheinen  jene  Tierkampfgruppen,  im  Verhältnis  zu 
der  geringen  Menge  des  Erhaltenen,  in  dichterer  Reihe,  als  in  der  Kunst  an  den 
Ufern  des  schwarzen  Meeres  mit  seinen  milesischen  Kolonien,  obwohl  uns  hier 
fast  nur  Werke  aus  dem  Ende  des  fünften  und  dem  vierten  Jahrhundert  erhalten 
sind.  Man  erinnere  sich  nur  der  prachtvollen  Stücke  aus  dem  Kul  Oba,  wo  der 
22  Hirsch  vom  Löwen  oder  vom  Panther  und  Löwen,  der  Eber  vom  Löwen,  der  Hirsch 
vom  Greifen  zerfleischt  wird,"  oder  an  die  noch  schöneren  aus  dem  Tumulus  bei 
Nikopol,  wo  der  Edelhirsch  dem  Greifen  oder  dem  Löwen  und  Panther  erliegt.7 

1  Vgl.  namentlich  den  Fries  von  Assos  (Löwe  mit  Hirsch,  Reh,  Stier). 
/.  B.  die  Francoisvase;  der  Dreifuß  Arch.  Ztg.  1881,  Taf.  3;  die  Kanne  des  Cholchos 
rhard,  Auserles.  Vas.  Taf.  122  [Berlin  1732]);  als  Schildzeichen  bei  Athena  (Mon.  d.  Inst. 
1,21;  X.48n>  und  sonst  (ebenda  VIII,  41). 

*  Z.  B.  Kopenhagen  Nr.  115.    Amphora  in  Paris  (Reh  von  drei  Panthern  zerfleischt 
|Pottier,  Vases  du  Louvre  II,  E  799])  u.  a. 

4  Dahin  gehören  die  rottonigen  Relicfgefäße  (Arch.  Ztg.  1881,  S.  41;  Furtwängler, 
Berliner  Vascnk.  Nr.  1638):   ferner  z.  B.  die  Vase  Micali,  Storia  Taf.  95;  98,  1  (=  Berl. 
Vasenkatalog  Nr.  1885).    Die  „affektierte"  Amphora  Mus.  gregor.  II,  31,  2.    Die  Lampe  von 
rtona  (Mon.  d.  Inst.  III,  42).     Archaische,  sizilische  Tonreliefs  (Palermo). 

*  Besonders  häufig  und  schön  auf  den  Scarabäen  (z.B.  Micali,  Storia  117,6.7.8). 

*  Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  34,  1.  2.  3.  4;  13,  2;  26,  2. 

ompte  rendu  1864,  Tat  3, 3;  4;  5,1.3.   Rec.  d'ant.  de  la  Scythie  Taf.  30,  11:   Vgl. 

-:r  den  schonen  Ring  Comptc  r.  1876,  Taf.  3,  34  (S.  128);   das   barbarisierende  Relief 

1877  6.   Aus  dem  Tumulus  von  Alexandropol :  Recueil  d'ant.  de  la  Scythie  Taf.  15. 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde.  437 


An  den  Anfang  dieser  Reihe  stellt  sich  nun  unser  Denkmal;  in  archaischer 
Einfachheit,  nicht  ohne  etwas  Steifheit  zeigt  es  zunächst  die  bekannte  Gruppe 
von  Hirsch  und  Löwe.  An  ersterem  bemerken  wir  die  nach  vorn  gebogene 
Augensprosse,  wie  an  dem  oben  besprochenen  skythischen  Hirschtypus.  Der 
gefleckte  Panther,  der  den  Eber  anfällt,  ist  nach  der  bekannten  Sitte  der  ge- 
samten archaisch-griechischen  Kunst  mit  dem  Gesichte  von  vorne  dargestellt. 
Der  furchtsame  Hase  in  der  Mitte  oben  ist  eine  wirksame  Folie  für  die  grim- 
migen Kampfgruppen  darunter.  Die  Einfügung  eines  scheuen  Hasen  in  andere 
figürliche  Darstellungen  finden  wir  auch  anderwärts  gelegentlich  in  archaischer 
Kunst;1  die  korinthischen  Vasenmaler  lassen  in  ähnlichem  Sinne  gerne  eine  neu- 
gierige Eidechse  quer  über  das  Bild  laufen.  Der  Hase  gehört  übrigens  zu  den 
in  der  Kunst  am  Pontos  beliebten  Tieren.  Ich  erinnere  an  den  Hirsch  vom  Kul 
Oba  (S.  16  [S.  481]),  an  Goldplättchen  älteren  Stiles  mit  dem  laufenden  und  sitzen- 
den Hasen  u.  a.2  Auf  unserer  Tai  II,  1  [19,  1]  ferner  sehen  wir  den  vom  Hunde 
gejagten  Hasen,  bekanntlich  einen  Lieblingstypus  der  ältesten  griechischen  Kunst.3 

Die  beiden  Gruppen  von  Löwe  und  Hirsch,  Panther  und  Eber  wiederholen 
sich  auf  den  beiden  andern  Hauptstücken  unseres  Fundes,  nur  mit  dem  Unter- 
schiede, daß  diese  Tiere  einen  Moment  vorher,  vor  ihrem  blutigen  Zusammen- 
treffen geschildert  sind.  Auf  Taf.  III,  1  [20,  1]  läuft  der  Löwe  hinter  dem  Hirsch, 
der  Panther  hinter  dem  Eber  her.  Lebendiger  ist  Taf.  II,  1  [19,  1],  indem  der 
Löwe  mit  wildem  Sprunge  von  hinten  den  Hirsch  zu  überfallen  droht;  doch  der 
Eber  als  kampflustiges  Tier  rennt  hier  von  vorne  gegen  den  anspringenden 
Panther  an.  Ebenso  weicht  der  mutige  Stier  nicht  vor  dem  Löwen  zurück;  er 
stürmt  mit  gesenktem  Hörne  gegen  den  im  Ansprunge  liegenden  Feind.  Ganz 
so  ist  das  typische  Verhältnis  dieser  Tiere  auch  in  den  alten  äsopischen  Fabeln, 
wo  der  arme  Hirsch  immer  flieht  und  bewältigt  wird,  während  Stier  und  Eber 
ebenbürtige  Gegner  des  Löwen  sind.4 

Wir  schließen  hier  gleich  die  Betrachtung  der  andern  Tiergestalten  auf  der  23 
Brustplatte  Taf.  II,  1  [19, 1]  an.  Die  gefleckten  Panther  sehen  wir  hier  noch 
einmal  und  zwar  in  zwei  kampflustigen  Paaren  einander  gegenüber.  Zu  den  im 
Kreise  der  archaischen  Tierfriese  ganz  regelmäßigen  Wesen  gehören  auch  die 
auf  altkorinthischen  Vasen  zum  Beispiel  unzählige  Male  in  Gesellschaft  von 
Panthern   und   Löwen    auftretenden    Widder,    die   wir   hier   als   Paar   einander 

1  Z.  B.  in  der  Europedarstellung  der  archaischen  Vase  einer  in  Caere  gefundenen 
Gattung,  deren  Herkunft  noch  unbekannt  ist,  doch  wahrscheinlich  in  einer  der  ionischen 
Kolonien  in  Italien  zu  suchen  ist  (Mon.  d.  Inst.  VI.  VII,  77).  In  der  korinthischen  Amphi- 
araosdarstellung  Mon.  d.  Inst.  X,  4.  5.    [Berlin  1655.] 

■  Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  20,  15.  Compte  r.  1864,  Taf.  5,  9;  1869,  Taf.  1, 13  (noch  aus 
dem  5.  Jahrh.).  Hase  von  Hund  verfolgt  Antiqu.  Taf.  80,  10;  von  Skythen  zu  Pferd  ge- 
jagt Rec.  d'ant.  Taf.  13,  10.    Antiqu.  Taf.  20,  9. 

3  Vgl.  Arch.  Ztg.  1881,  S.  33  ff.;  1883,  S.  155. 

4  Vgl.  Usener,  De  Iliadis  carm.  quod.  Phoc.  S.  6. 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde. 

jgenObef  gelagert  finden.  Eine  seltenere  Gruppe  ist  aber  die  letzte  noch  übrige; 
II  der  Steinbock  wird  von  der  archaisch-griechischen  Kunst  sehr  gerne  dar- 
beut, obwohl  auch  seine  Verbreitung  gewisse  Grenzen  hat;  er  ist  überaus 
beliebt  in  der  ältesten  sog.  mykenischen  Periode  und  den  „  Inselsteinen ",  dann 
speziell  auf  Kreta,  ferner  auf  Rhodos,  sowie  in  Korinth  auf  den  Vasen,  wo  er 
gewöhnlich  dem  Panther  gegenübersteht;  er  erscheint  auf  den  kleinasiatischen 
Elektronmünzen  1  und  endlich  wieder  am  Pontos,  wo  wir  ihn  gerade  unter  den 
ältesten  Sachen  mehrfach  treffen.2  Ein  ganz  seltenes  Tier  aber  ist  der  Schakal, 
dem  Steinbock  gegenüber;  er  ist  mir  aus  Kunstwerken  gegenwärtig  überhaupt 
nicht  erinnerlich;  doch  ist  es  bekanntlich  ein  in  Runaelien  und  Südrußland  nicht 
seltenes  Tier,  so  daß  es  den  Künstlern  am  Pontos  sich  leicht  als  Gegenstand 
darbieten  konnte.    Auch  die  homerischen  Gedichte  scheinen  ihn  zu  kennen. 

Auf  zwei  Details  in  der  Bildung  dieser  Tiere  lohnt  es  kurz  hinzuweisen. 
An  dem  Stiere  nämlich  beobachten  wir  die  Eigentümlichkeit,  daß  nur  eines  und 
zwar  ein  kurzes  Hörn  dargestellt  ist;  es  ist  dies  eine  konventionelle  Vereinfachung, 
die  wir  in  der  archaischen  Kunst  überall  in  den  Flächendarstellungen  des  Stieres 
wiederfinden  und  die  übrigens  auch  in  der  assyrischen  Kunst  herrschte.  Be- 
sonders nahe  verwandt  ist  unser  Stier  in  seiner  Bildung  mit  dem  auf  klein- 
asiatischen archaischen  Elektronmünzen  und  den  kleinen  pontischen  Silbermünzen, 
die  Kolchis  zugeteilt  werden.3  Die  andere  Eigentümlichkeit  läßt  sich  enger  be- 
grenzen; es  ist  der  kleine  sorgfältige  Ausschnitt,  den  die  Borstenmähne  des 
Ebers  (Taf.  II,  1  [19,  1]  und  III,  1  [20,  1])  in  der  Mitte  zeigt,  der  zwar  einem 
Dünnerwerden  der  Borsten  an  dieser  Stelle  in  der  Natur  entspricht,  doch  hier 
zu  einem  bestimmten  stilistisch-konventionellen  Ausdrucke  erhoben  ist,  den  wir 
auch  keineswegs  überall  wiederfinden.  Weder  die  korinthische  noch  altattische 
noch  etruskische4  Kunst  scheint  ihn  anzuwenden,  wohl  aber  sehen  wir  ihn  auf 
24  archaischen  Silbermünzen  Lykiens,  auf  kleinasiatischen  Elektronstateren,  in  Cypern6 
und  endlich  in  Südrußland  auf  einem  schönen  Ringe  strengeren  Stiles;8  auch 
auf  archaischen  Gemmen  unbekannter  Provenienz.7 


1  Numism.  chronicle  n.  s.  XVII,  Taf.  6.  11. 

mders  schön  der  geflügelte  Steinbock  am  Ende  des  Trinkhorns  Compte  r. 
1877,  Taf.  1,  5.  Ferner  1876,  Taf.  3,  19.  Als  Krönung  auf  einem  Bronzebecken  lokal 
skythischer  Form:  Rec.  d'ant.  de  la  Sc.  S.  112  (Tschertomlyk-Nikopol).  Vgl.  dazu  die 
ähnlichen  aus  Perm  und  Sibirien  bei  Aspelin,  Antiqu.  finno-ougr.  Nr.  305.  306.  308.  227. 

1  Siehe  Compte  r.  1876,  S.  138  f. 

4  Wenigstens   die   schönen  altetruskischen  Silbermünzen    mit  dem  Eber  zeigen  ihn 
nicht  (vgl.  Mionnet,  Suppl.  I.  S.  200.     Micali,  Storia  115,  21). 

'  Cesnola-Stcrn,  Cypern  Taf.  18.  Sarkophag. 

4  Compte  r.  1876,  Taf.  3,  33  (S.  128)   aus  einem  Grabe  in  der  Gegend  des  Kuban, 
das  ans  Fnde  des  5.  Jahrhunderts  zu  setzen  ist. 

'  Cades,  (k.  Abdrucksamml.  49,  213—216;   50,  364.  365.    Vgl.  auch  die  Caeretaner 
n    da   oben  genannten  Gattung  Mon.  d.  Inst.  VIII,  17,  wo  der  Ausschnitt  indess 
nicht  ganz  heruntergeht. 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde.  439 


Wir  fahren  fort  in  der  Betrachtung  der  Tiere  auf  unserem  Fische.  Der 
fliegende  Raubvogel,  der  links  am  Ende  gebildet  ist,  soll  offenbar  ein  Adler 
sein,  obwohl  er  nicht  ganz  der  Natur  entspricht.  Sicher  jedoch  ist,  daß  wir  in 
ihm  wieder  einen  ganz  bestimmten  archaisch-griechischen  Typus  vor  uns  haben. 
Echt  altertümlich  naiv  ist  nämlich  die  Art,  wie  das  Fliegen  mit  Umgehung  der 
perspektivischen  Schwierigkeiten  dargestellt  ist  und  die  Gestalt  benutzt  wird,  den 
Raum  zu  füllen.  Der  Körper  des  Vogels  ist  genau  ins  Profil  gestellt  und  wie 
an  den  übrigen  Tieren  so  auch  hier  nur  ein  Bein  zu  sehen;  die  Flügel  sind  nun 
aber  so  gestellt,  als  ob  der  Vogel  von  oben  gesehen  würde,  und  dasselbe  ist 
mit  dem  Schwänze  der  Fall.  Auf  archaischen  Werken  finden  wir  diesen  Typus 
oft.  Als  besonders  genau  übereinstimmend  nenne  ich  den  Adler  auf  altchalki- 
dischen  Vasen,1  die  eine  besondere  Vorliebe  gerade  für  diesen  Typus  haben,  ferner 
den  Adler  des  Prometheus  auf  einer  Schale  jener  alten  [früher]  Kyrene  oder  Kreta 
zugeschriebenen  sog.  Arkesilasgattung;'2  auch  ein  Tonrelief  wahrscheinlich  alt- 
ionischer Kunst3  und  die  Malerei  eines  alten  Sarkophages  von  Klazomenae*  ist 
hervorzuheben.  Auf  archaischen  Münzen  ist  der  Typus  nicht  selten;  namentlich 
zeigen  ihn  die  Kyzikener  so;  ferner  archaische  Silbermünzen  von  Chalkis  (mit 
Schlange),  von  Lyttos  auf  Kreta,  die  ältesten  von  Elis;  solche  von  Kroton  u.  a. 
Auch  kann  man  an  diesen  Münzreihen  beobachten,  wie  der  Typus  im  freieren 
Stile  sich  umbildet  und  einer  natürlicheren  Stellung  der  Flügel  weicht.  Aus  dem 
Gebiete  des  Pontos  erinnert  man  sich  zunächst  der  Münzen  von  Olbia,  wo  der 
Seeadler  Tunfische  fangend  dargestellt  zu  werden  pflegt;  dieselben  gehören  zwar 
nicht  mehr  archaischer  Zeit  an,  zeigen  jedoch  noch  unseren  alten  Typus,  nur 
etwas  gemildert  und  freier.  Auch  Istros  und  Sinope  prägten  den  ähdezog,  der 
den  Tunfisch  fängt,  auf  ihre  Münzen  (freien  Stiles).  Gewiß  dürfen  wir  auch  auf 
unserem  Bildwerke  den  Vogel  als  Seeadler  auffassen,  der  über  dem  Wasser  hin- 
schwebt, um  auf  die  Fische  Jagd  zu  machen,  die  friedlich  im  unteren  Friese 
ihrem  Triton  nachschwimmen;  so  gewinnen  wir  Leben  und  Zusammenhang 
auch  an  dieser  Stelle.  Doch  auch  als  Einzelfigur  ist  der  fliegende  Adler  25 
in  der  Kunst  am  Bosporus  heimisch;  in  etwas  rohen,  gepreßten  Goldplättchen 
finden  wir  den  obigen  Typus  als  Gewandschmuck  in  Gräbern  des  fünften 
Jahrhunderts;5  öfter  im  vierten  Jahrhundert,   doch  etwas  variiert,   nämlich  von 


1  Mon.  d.  Inst.  I,  51  (Schildzeichen).  Gerhard,  Auserles.  Vas.  Taf.  105/106.  190/191. 
322.  323. 

2  Arch.  Zeitung.  1881,  Taf.  12,3.  Relativ  selten  und  weniger  charakteristisch  auf 
attischen  Vasen;  ein  schönes  und  altes  Beispiel  jedoch  ist  in  Berlin  (Furtwängler, 
Vasenkat.  1683). 

3  Gazette  arch.  1883,  Taf.  49;  die  beiden  Flügel  wie  von  oben  gesehen,  der  Körper 
Profil,  der  Schwanz  palmettenartig;  sehr  altertümlich.  Vgl.  auch  Tonreliefs  aus  Sizilien  in 
Palermo  (Viergespanne.) 

4  Journ.  of  hellen,  stud.  1883,  Taf.  31. 

5  Compte  r.  1877,  Taf.  3, 14;  30  (ebenso,  doch  mit  Kranz  in  den  Krallen). 


490  Der  Goldfund  von  Vettersfelde. 


oben   oder   unten   gesehen,    wodurch   die  ausgebreiteten   Flügel  ihr  Auffälliges 

verlieren.1 

Lenken  wir  jetzt  unsere  Aufmerksamkeit  auf  die  Szene  im  kühlen  Meeres- 
nde,  die  unser  Künstler,  gewiß  passend,  zum  Schmucke  des  unteren  Teiles 
des  Fisches  benützt  hat.  Wie  der  Hirt  vor  seiner  Herde  so  zieht  hier  der  fisch- 
schwlnzige  Dämon  vor  den  lustig  schwimmenden  Fischen  einher.  In  ähn- 
lichem Sinne  schilderten  die  Dichter  seit  der  Odyssee,  wie  Proteus,  der  die  Tiere 
des  Meeres  weidet,  aus  der  Tiefe  taucht  und  um  Mittag  im  Kreise  seiner  Robben 
sich  zum  Schlafe  legt.  Daß  die  Gestalt  unseres  Fischdämons  eine  rein  archaische 
ist,  die  in  der  entwickelten  Kunst  völlig  verschwindet,  haben  wir  schon  oben 
12  [S.  477])  gelegentlich  bemerkt.  Unmittelbar  unter  der  Brust,  die  bis  auf 
die  große  Brustwarze  durch  feine  Strichelchen  als  behaart  bezeichnet  ist,  beginnt 
der  geschuppte  Fischleib;  die  Bewegung  der  Arme  ist  noch  sehr  ungeschickt, 
der  Kopf  im  Verhältnisse  viel  zu  groß;  Haare  und  Bart  überaus  lang;  die  Nase 
weit  vorspringend,  das  Auge  oval  und  natürlich  wie  immer  in  archaischer  Kunst 
von  vorne  dargestellt;  das  Ohr  in  der  üblichen  schematischen  Form,  die  wir  nament- 
lich von  den  altertümlichen  Vasen  als  typisch  kennen. 

Die  Figur  dieses  Dämons  ist  indess  nicht  sehr  häufig  in  der  archaischen 
Kunst  und  ihr  Vorkommen  läßt  wohl  eine  bestimmtere  Begrenzung  zu.  Der  fisch- 
leibige  Typus  selbst  ist  orientalischer  Herkunft  und  durch  Kleinasien  wie  durch 
die  Phöniker  scheint  er  den  Griechen  überliefert  worden  zu  sein.'-  Doch  an 
eigenen  mythologischen  Vorstellungen  von  im  Meeresgrunde  hausenden  Dämonen 
fehlte  es  den  Griechen  nicht;  sie  hatten,  an  verschiedenen  Orten  entstanden  und 
lokalisiert,  ihren  Nereus  und  Proteus  und  Glaukos  und  Phorkys  und  Triton  und 
den  Halios  Geron,  den  Seegreis,  mit  welchem  allgemeinen  Namen  sich  einige 
begnügten;  derselbe  drückt  die  gemeinsame  Eigenschaft  dieser  Dämonen  aus; 
es  sind  Greise  der  See,  voll  Weisheit,  Vergangenheit  und  Zukunft  durchschauend, 
in  den  Tiefen  des  Meeres  weilend,  mächtig,  aber  schwer  zugänglich  selbst  den 
Helden.  Der  fischleibige  Typus  bot  sich  für  all  diese  Dämonen  passend  dar. 
Schon  die  älteste  Kunst  läßt  Herakles  mit  einem  derselben  ringen;8  ein  altes 
irgivisches  Relief  gibt  dem  Dämon  den  Namen  Halios  Geron;*  die  Attiker  später- 
hin nannten  ihn  Triton.  Ohne  ihm  einen  bestimmten  Namen  geben  zu  können, 
finden  wir  dann  den  Fischdämon,  und  zwar  ganz  in  der  Gestalt  wie  auf  unserem 

1  Compte  r.  1872,  Tat.  3,  7.  8  (S.  163).  Rec.  d'ant.  de  la  Sc.  Taf.  8,  22.  14  (S.  12; 
Tum  von  Alcxandropol).     Schöne  Silbcrplattc  Compte  r.  1876,  Taf.  4,  1  (S.  120). 

1  Vgl  Purtwlngler,  Bronzefunde  von  Olympia  S.  98  [oben  S.  414]. 

'  Sog.  Inselstein:  Kevue  arch.  1874,  II  Taf.  12,  1.  Vgl.  Milchhöfer,  Anfänge  d. 
griech.  Kunst,  S.  81.  I Tics  von  Assos  (die  neuerdings  versuchte  Datierung  des  Tempels 
in  das  ').  Jahrhundert  halte  ich  für  unmöglich). 

1  Siehe  Furt  wangler  a.  a.  O.  S.  92.  96  ff.  [oben  S.  410.  413  ff.].  Ausgrab.  v.  Olymp. 
IV,  Taf.  25B  nebst  Text  [Olympia  IV,  699]. 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde.  491 


Bildwerke,  vereinzelt  auf  altkorinthischen  Vasen,1  ungleich  häufiger  auf  solchen, 
die  auf  ionischen  Ursprung  weisen,2  recht  oft  auch  in  archaisch-etruskischer 
Kunst,3  wogegen  er  in  der  altattischen  außer  in  jenem  Kampftypus  mit  Herakles 
nicht  vorkommt;  er  erscheint  ferner  in  der  ionisch-kleinasiatischen  Kunst4  und 
namentlich  wichtig  ist  uns,  daß  er  auch  auf  den  archaischen  Elektronmünzen  von 
Kyzikos  nicht  fehlt.5  Auf  dieser  Denkmälergruppe  hat  er  die  nächste  Verwandt- 
schaft mit  dem  unseres  Fundes.  Auf  allen  angeführten  Monumenten  erhebt  er 
fast  immer  die  eine  Hand  hoch  und  hält  darin  entweder  einen  Fisch  oder 
einen  Kranz  oder  kreisförmige  Binde  gefaßt;  auch  die  einmalige  Windung  des 
Fischkörpers  ist  typisch.  In  den  bosporanischen  Kunstwerken  ist  er  bis  jetzt 
noch  nicht  zu  Tage  gekommen;  dafür  wissen  wir,  daß  am  Eingange  des  Pontos, 
in  Byzanz,  der  Halios  Geron  in  jener  fischleibigen  Gestalt  eines  eigenen  Kultes 
sich  erfreute,0  der  aus  der  Mutterstadt  Megara  stammte  und  den  die  megarischen 
Kolonisten  als  Schutzgott  mit  sich  verbreitet  zu  haben  scheinen.  Neben  der 
übermächtigen  milesischen  Kolonisation  war  aber  die  megarische  bekanntlich  die 
wichtigste  an  den  Küsten  von  Propontis  und  Pontos.  Von  Megara  ging  Hera- 
clea  Pontica  an  der  Südküste   aus  und  von  da  Chersonesos  auf  der  taurischen 


1  Alabastron  in  Berlin  (Furtwängler,  Katalog  Nr.  1079),  mit  Delphin  in  der  Hand. 

2  Amphora  in  Berlin  (Furtwängler  Nr.  1676  =  Gerhard,  Auserles.  Vas.  Taf.  9), 
wahrscheinlich  aus  einer  chalkidischen  Kolonie  in  Italien.  Amphora  bei  Gerhard, 
Auserles.  Vas.  Taf.  317,318,  jetzt  beim  Marquis  of  Northampton  (wegen  ihres  ionischen 
Ursprungs  vgl.  nur  die  Silene  mit  dem  eines  Klazomenischen  Sarkophags  (Journal  of 
hell.  Stud.  1883,  S.  21  Fig.  15).  Ferner  gepreßte  rottonige  Reliefgefäße  (Berlin,  Furt- 
wängler Nr.  1639.  Micali,  Mon.  ined.  34,  3).  Großer  wohl  chalkidischer  Bronzehenkel 
im  British  Museum  (Guide,  bronzer.  S.  6  [Cat.  of  Bronzes  576]);  prächtiger,  ebenfalls 
wohl  chalkidischer  Bronzehenkel  in  der  Eremitage  zu  Petersburg  (Bronzes  Nr.  174;  Replik 
davon  180),  beide  mit  je  zwei  „Tritonen",  archaisch;  auf  einem  andern  derartigen  arch. 
Henkel  (im  Louvre)  haben  die  zwei  Tritone  je  eine  Frau  geraubt.  Als  verderblich  er- 
weist sich  der  Dämon,  wenn  er  an  einer  Bronzeattache  desselben  wohl  chalkidischen 
Stils  einen  kleinen  Krieger  gefaßt  hält  (Mus.  in  Dresden).  Im  gewöhnlichen  Typus,  einen 
Fisch  in  jeder  Hand,  auf  dem  gravierten  Fries  einer  der  chalkidischen  Bronzeurnen  von 
Capua  (im  Kunsthandel). 

3  Z.  B.  Micali,  Storia  31,  4.  57,  10.  46,  19. 

4  An  einem  Throne  auf  dem  „Harpyiendenkmale"  von  Xanthos.  Am  amykläischen 
Throne  des  Bathykles  von  Magnesia.  Auf  altpersischen  Silbermünzen,  den  in  der  folg.  Anm. 
genannten  Kyzikenern  sehr  ähnlich  und  fast  ganz  altgriechischen  Stils  (Fisch  in  der  Hand). 

3  Mionnet  VI,  616,  20;  zwei  sehr  archaische  Exemplare  in  Berlin  (Kranz  in  der 
Hand) ;  der  Typus  ist  natürlich  nicht  zu  verwechseln  mit  dem  von  den  Hüften  ab  schlangen- 
förmigen  „Giganten"  derselben  Kyzikener  (Num.  chron.  n.  s.  XVI,  Taf.  8,  14.  15).  Der 
Fischdämon  auch  auf  den  Münzen  von  Itanos  auf  Kreta,  schon  archaisch,  doch  mit  Drei- 
zack nach  Fischen  stechend;  ähnlich  in  Hierapolis  in  Syrien  (Num.  chron.  n.  s.  XVIII, 
Taf.  6,  5) ;  hier  mag  phönikischer  Einfluß  die  Wahl  des  Typus  bestimmt  haben  (Itanos  gilt 
für  phönik.  Gründung). 

6  Dionys.  Byz.,  De  Bosp.  navig.  S.  20  (ed.  Wesch.).  Furtwängler,  Bronzef.  S.  97 
[oben  S.  414]. 


49  Der  Ooldfund  von  Vettersfelde. 

I  lalbinsel,  letzteres  freilich  kaum  vor  dem  fünften  Jahrhundert.  Aus  Megara  selbst 
besitzt  Jas  Berliner  Antiqiiarium  ein  reizendes  kleines  silbernes  Diadem  J  mit  im 
Stile  der  zweiten  Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts  gravierter  Darstellung  unseres 
chdflmons,  der  mit  ausgestreckten  Armen  unter  Delphinen  weilt,  einem  See- 
pferJe  gegenüber.  Indess  genügt  uns  für  unsern  Zweck  der  obige  Nachweis, 
daß  gerade  die  alte  ionische  Kunst  unseren  Seedämon  kennt  und  gerne  darstellt 
und  am  Pontos,  wo  der  Fischfang  eine  solche  Rolle  spielt,  werden  ihn  die  Ionier 
hwerlich  vergessen  haben. 

Die  Fische  selbst,  auch  Seeungeheuer,  sind  jedenfalls  ein  sehr  beliebter 
Gegenstand  der  Kunst  in  jenen  nördlichen  Kolonien  der  Ionier.  Besonders 
wichtige  Zeugnisse  sind  uns  hier  wieder  die  bekannten  Elektronmünzen  von 
Kyzikos  an  der  Propontis,  welche  die  Fische,  und  zwar  nicht  die  auch  ander- 
wärts häufigen  Delphine,  sondern  wirkliche  thunfischartige  Fische,  die  denen  unseres 
Fundes  gleichen,  zu  ihrem  immer  wiederkehrenden  Merkzeichen  erkoren  haben. 
Sehr  archaische  Stücke  zeigen  nur  zwei  Fische  übereinander;  andere  einen  ge- 
flügelten Dämon  zwischen  zwei  Fischen.  Aber  auch  im  freien  Stile  begleitet 
der  Fisch  Gestalten  aller  Art;  den  Köpfen  legt  er  sich  als  Abschluß  unten  an 
den  Hals,  wozu  Goldplättchen  älteren  Stiles  vom  kimmerischen  Bosporus  nächste 
Analogien  bieten,  indem  sie  ebenso  unten  an  einen  mit  dem  Löwenkopf  ver- 
bundenen Athenakopf  den  Fisch  setzen  oder  ihn  unter  ein  greifenartiges  Un- 
geheuer legen.-'  Auch  eine  Gattung  kleiner  altertümlicher  kleinasiatischer  Elektron- 
münzen mit  vertieftem  Quadrat  stellt  einen  größeren  Fischkopf,  umgeben  von 
zwei  kleineren  Fischen,  dar.  In  Byzanz  findet  man  den  Thunfisch  unter  dem 
Stier.  An  die  Münzen  von  Sinope  Olbia  Istros,  welche  den  Seeadler  mit  dem 
Fische  zeigen,  brauche  ich  nur  zu  erinnern;  dieselben  zeigen  indess  meist  den 
späteren  Stil,  der  den  Thunfisch  nicht  mehr  realistisch  gibt,  sondern  durch  eine 
Delphinschnauze  gleichsam  idealisieren  zu  müssen  glaubt.  Auch  der  Fischmarken 
von  Olbia,"  die  übrigens  auch  die  delphinartige  Bildung  zeigen,  sei  gedacht. 
Von  Kunstwerken  aus  der  Krim  nenne  ich  besonders  die  schöne  Silbervase  aus 
dem  Kul  Oba  mit  den  Wasservögeln  und  den  vielen  realistisch  gebildeten  Fischen 
rings;*  auch  den  Streif  von  Fischen,  die  mit  Delphinen  gemischt  sind,  auf  dem  sog. 
Schilde  von  dort.''  Die  Vorliebe  für  den  Fisch  war  bei  dem  Künstler  unseres  Fundes 
so  groß,  daß  er  auch  die  schmaler  werdenden  Enden  des  Gegenstandes  Taf.  III,  1 
[20,  1  ]  mit  Fischen  füllte,  die  hier  freilich  etwas  unvermittelt  den  Raubtieren  folgen. 
Aus  andern  Kreisen  der  archaischen  Kunst  ist  eine  Bevorzugung  des  Fisches 
zunächst  auf  den  ältest  griechischen  Gemmen,  den  sog.  Inselsteinen,  dann  noch 

Inv.  7J15. 
1  Comptc  r.  1877,  Taf.  3,  \'K   Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  20,  12.   Mon.  d.  Inst.  111,52,22. 
■  Vgl  v.  Sa  11  et  in  seiner  Num.  Zeilsclir.  Bd.  X,  S.  144. 
tiqu.  du  Botph.  l.d.  35,  5. 
<!a  Taf.  25. 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde.  493 


besonders  an  den  altertümlichen  Vasen  der  sog.  Arkesilasgattung  zu  konstatieren,  28 
die  nicht  den  Delphin,   sondern   einen  unsern  Fischen  sehr  ähnlichen,  zuweilen 
auch   mit  recht  langer  Brustflosse  ausgestatteten  Fisch   allein  oder  zu  mehreren 
gerne  als  Verzierung  des  unteren  Abschnitts  des  Inneren  der  Schalen  gebrauchen.1 

Die  spätere  Kunst  am  Pontos  zog  statt  der  realistischen  Wasserwesen  mehr 
phantastische  Seeungeheuer  vor.  Namentlich  ein  gewöhnlich  als  Seedrache  oder 
Seegreif  bezeichnetes  Wesen,  dessen  Vorbild  in  der  Natur  wohl  die  kleinen  sog. 
Seepferdchen  waren,  wird  dort  sehr  beliebt.  In  seiner  einfacheren  Gestalt  hat 
es  einen  gewundenen  Fischleib,  einen  Tierkopf  mit  langer  Schnauze  und  eine 
Stachelmähne;2  eine  dekorativ  günstigere  Gestalt  erhielt  es  dann  durch  die  Be- 
flügelung,3  wodurch  sein  Oberkörper  dem  Greif  sehr  ähnlich  wird,  dem  vom 
fünften  Jahrhundert  ja  ebenfalls  die  sicher  von  Seewesen  entlehnte  Stachelmähne 
gegeben  wird.  Dann  bekommt  jenes  Geschöpf  auch  Vorderbeine  vom  Greifen 
und  zeigt  sich  als  Raubtier;4  im  lokalen  skythischen  Stil  des  vierten  Jahrhunderts 
erscheint  es  besonders  häufig,  wird  jedoch  in  dem  Streben,  die  Tierform  in 
Ornament  aufzulösen,  oft  fast  bis  zur  Unkenntlichkeit  entstellt.5 

Hier  ist  auch  der  Ort  für  eine  Bemerkung,  die  sich  manchen  wohl  schon 
aufgedrängt  haben  wird,  daß  nämlich  unter  den  Tieren  unserer  Fundstücke  das- 
jenige fehlt,  das  in  der  Kunst  in  Südrußland  sonst  die  Hauptrolle  spielt,  der 
Greif.  Doch  wenn  wir  die  allerdings  noch  nicht  sehr  zahlreichen  altertümlichen 
Werke  von  dort  zusammenstellen,  so  sehen  wir,  daß  hier  der  Greif  relativ  viel 
seltener  ist  als  späterhin.  Wahrscheinlich  ward  die  Sage  vom  Greif,  die  ihn 
hinter  Skythien  lokalisierte  und  ihn  mit  den  Arimaspen  kämpfen  läßt,  also  die 
Sage,  die  als  Hauptanlaß  für  die  überaus  häufigen  Darstellungen  des  Greifs  in 
den  südrussischen  Denkmälern  gelten  muß,  erst  sehr  allmählich  und  erst  gegen 
Ende  des  fünften  Jahrhunderts  dort  populär.  Zu  Herodots  Zeit  scheint  sie  es 
noch  nicht  gewesen  zu  sein;  er  kennt  die  Sage  nur  aus  Aristeas6  (der  sie  am 
Anschlüsse  an  lokale  Traditionen  von  goldhütenden  Ungeheuern  erfunden  haben 
mag)  und  ebenso  offenbar  Aeschylos;7  die  Kunstdarstellungen  zeigen  die  Ari- 
maspen- und  Greifenkämpfe  frühesten  Ende  des  fünften  Jahrhunderts;  die  attischen, 
für  Skythien  arbeitenden  Vasenfabriken  nehmen  diesen  Gegenstand  erst  im  vierten  29 


1  Mon.  d.  Inst.  I,  7,  1.    Arch.  Ztg.  1881,  Tat.  13,  6.    Micali,  Mon.  in.  42,  1.    Arch.  Ztg. 
1881,  S.  218,  15A. 

2  Compte  r.  1859,  Taf.  3,  5,  Ring  (Anf.  4.  Jahrh.)  Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  2,  3  im  Orna- 
ment.   Auf  Silbermünzen  von  Itanos  und  Cumae  ebenso. 

3  Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  20,  14,  sehr  schön,  der  Kopf  fehlt  leider  (Kul  Oba). 

4  Rec.  d'ant.  de  la  Sc.  Taf.  12,  6  (Alexandropol).     Compte  r.  1865,  Taf.  3,  32.     Rec. 
d'ant.  de  la  Sc.  8,  9.  15,  6.  13,  2.  24,  1.  2.  25,  3—4. 

5  Rec.  d'ant.  de  la  Sc.  Taf.  30, 15  (Nikopol;  ohne  Flügel);  Taf.  23,  5  ganz  ornamental. 
»Skythischen"  Stils  sind  auch  mehrere  Stücke,  die  in  der  vorigen  Anm.  genannt  sind. 

6  Her.  IV,  12. 

7  Aesch.  Prom.  804. 


494  Der  i'umdfund  von  Vettersfelde. 


Jahrhundert  auf.  Die  Figur  des  Greifs  war  freilich  den  ionischen  Kolonisten 
i  Pontos  eine  altbekannte;  war  doch  in  Teos,  von  wo  Phanagoria  kolonisiert 
wurde,  der  Greif  auf  den  ältesten  Münzen  zu  Hause.1  Auch  Kyzikener  zeigen 
den  archaischen  Greifentypus,  der  auch  auf  anderen  kleinasiatischen  alten  Elektron- 
und  Silbennünzen  öfter  vorkommt.  Aber  der  Anlaß,  den  Greif  gerade  besonders 
oft  darzustellen,  scheint  in  den  Kolonien  in  Skythien  für  die  ältere  Zeit  noch 
gefehlt  zu  haben. 

Läßt  also  unser  Künstler  in  seinen  Tierfriesen  alle  phantastischen  Gestalten 
weg,  so  hat  er  doch  in  den  widderköpfigen  Enden  des  Fischschwanzes  etwas 
derart  getan,  was  man  als  phantastisch  zu  bezeichnen  pflegt.  Über  die  künstle- 
rischen Gründe,  die  ihn  hiezu  bestimmen  mochten,  haben  wir  schon  oben  (S.  7  f. 
[S.  473])  gesprochen.  Es  gilt  hier,  diese  Widderköpfe  als  ein  altgriechisches 
Motiv  zu  erweisen,  das  in  archaischer  Zeit  seinen  bestimmten  Verbreitungskreis 
hat;  denn  daß  es  späterhin  ganz  allgemein  verbreitet  und  überall  beliebt  war, 
namentlich  an  Geräten  jeder  Art,  ist  jedem  bekannt.  Die  allernächste  und  durch 
ihre  Besonderheit  so  schlagende  Parallele  war  uns  das  widderkopfförmige  Ende 
des  Geweihes  am  Hirsch  vom  Kul  Oba  (S.  16  [S.  481]).  Aber  auch  als  einzelnes 
Goldplättchen  ist  der  Widderkopf  am  kimmerischen  Bosporus  beliebt  und  zwar 
gerade  in  den  archaischen  Gräbern  des  fünften  Jahrhunderts.-  Archaisch  ist  ferner 
das  Rhyton  aus  einem  Tumulus  beim  Kuban  mit  einem  Widderkopf  am  Ende,3 
der  den  unsrigen  auch  stilistisch  sehr  verwandt  ist.  Ein  Rhyton  aus  dem  Kul 
Oba  läuft  in  ein  Widdervorderteil  aus.4  Widderköpfe  kommen  als  Amulette  an 
einem  Halsbande  vor.5  Ferner  finden  wir  den  Widderkopf  in  überraschend  ähn- 
lichem Stil,  wie  an  unserm  Fische  auf  den  Elektronmünzen  von  Kyzikos;6  das 
Fell  vor  den  Hörnern  ist  in  kleinen  feinen  erhöhten  Pünktchen  gegeben,  die  den 
vertieften  unserer  Köpfe  genau  entsprechen.  Ähnlich  sind  ferner  die  Widder- 
köpfe, die  neben  denen  von  Stier  und  Greif  einen  Goldschmuck  aus  Lydien7 
zieren,  der  den  altrhodischen  Goldsachen  sehr  nahe  verwandt  ist.  Endlich  reiht  sich 
hier  wieder  Etrurien  an,  wo  ebenfalls  an  Goldsachen  archaischen  Stiles  Widder- 
köpfe öfter  vorkommen.8  Eine  ganz  besondere  Vorliebe  für  den  Widder  in  ganzer 
30  Gestalt  oder  nur  als  Kopf  hat  indess  eine  in  das  sechste  und  fünfte  Jahrhundert 
fallende  sehr  bedeutende  Gattung  von  Bronzegeräten  und  Bronzegefäßen,  welche 

1  Vgl.  hierüber  und  den  archaischen  Greifentypus  überhaupt  Furtwängler,  Bronze- 
funde von  Olympia  S.  52  f.  [oben  S.  379  ff.]. 

'  Widderkopf  von  oben  gesehen:  Compte  r.  1876,  Taf.  3,  15.  1877,  Taf.  3,  12. 

1  Compte  r.   1877,  Taf.  1,6. 

4  Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  36,  1. 

•  rnptc  r.  1809,  Taf.  1,  15  von  der  Halbinsel  Taman;  Anfang  des  4.  Jahrhunderts. 

4  Unter  dem  Kopfe  ein  lisch  oder  Vogel ;  auf  der  Rückseite  ein  vertiefter  Löwenkopf  od.  a. 
II.  de  corr.  hell.  III,  Taf.  4.  5  klein  und  undeutlich  abgebildet;  er  stammt  frühestens 
aus  dem  7.  Jahrhundert  und  hat  mit  „Mykenischer"  Kultur  nichts  zu  tun. 

•  Micali,  Storia  46,  13.     Mus.  Gregor.  I,  71a. 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde.  495 


ionischen  und  wahrscheinlich  speziell  chalkidischen  Ursprunges  ist  und  haupt- 
sächlich in  Italien,  doch  auch  in  Sizilien  und  Griechenland  gefunden  wird  und 
die  auch  in  den  Gräbern  Südrußlands  vertreten  ist,  wo  mehrere  charakteristische 
Proben  aus  der  späteren  Zeit  jener  Industrie  (um  die  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts) 
gefunden  sind.1  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  näher  auf  diese  überaus  interessante 
Denkmälerklasse  einzugehen,  die  in  den  europäischen  Museen  zwar  sehr  zahl- 
reich vertreten  ist,  aber  noch  relativ  wenig  beachtet  wurde.2  Der  Löwe  und  der 
Widder  spielen  die  Hauptrolle  in  der  ganzen  Dekoration  dieser  Gruppe;  beide 
Tiere  wechseln  unaufhörlich  miteinander  ab  und  namentlich  in  Anbringung  von 
Widdern  und  Widderköpfen  konnten  diese  alten  ionischen  Künstler  sich  kaum 
je  genug  tun;  jene  werden  fast  immer  ruhig  lagernd  dargestellt,  diese  schmücken 
alle  Ecken  und  Enden.  Welche  Gründe  diesen  Kunstkreis  zur  Bevorzugung 
der  Widder  veranlaßte,  können  wir  natürlich  nicht  bestimmen;  daß  man  dem 
Bilde  der  gerne  und  stark  stoßenden  Tiere  eine  abwehrende  schützende  Kraft 
beilegte,  mag  wohl  sein;3  auch  war  der  Widder  in  den  Sagen,  wie  denen  von 
Atreus  und  Phrixos,  ein  Symbol  des  Segens.  Den  Künstler  unseres  Fisches 
speziell  werden  indess  weniger  bewußte  Vorstellungen  dieser  Art  als  künstlerische 
Gründe  und  die  von  uns  im  weiteren  Kreise  alter  ionischer  Kunst  nachgewiesene 
Tradition  geleitet  haben. 

Auch  für  das  Element  des  „Phantastischen",  das  in  der  ohne  nachweisliche 
mythologische  Grundlage  geschehenden  Vereinigung  zweier  verschiedener  orga- 
nischen Wesen  besteht,  ließen  sich  aus  jenem  Kreise  zahlreiche  Analogien  an- 
führen. Doch  will  ich  bei  dem  Nächsten  stehen  bleiben  und  erinnere  von  griechi- 
schen Denkmälern  Südrußlands  nur  an  die  im  fünften  und  vierten  Jahrhundert 
häufigen  Goldplättchen  mit  dem  Athenakopfe,  der  mit  einem  Löwenkopfe  in 
eins  verbunden  ist,4  oder  an  die  geflügelten  Löwen  mit  Menschengesichtern,5  oder  an 
eine  Goldplatte  des  fünften  Jahrhunderts  mit  einem  aus  drei  verschiedenen  Tierköpfen  31 
und  Hundebeinen  zusammengesetzten  (See-?)  Ungeheuer,6  an  die  Vorliebe  für  den 

1  Compte  r.  1877,  Taf.  1,9;  3,  4.    Antiqu.  du  Bosph.  44,  7. 

2  Doch  hat  Heibig  in  den  Annali  d.  Inst.  1880,  S.  223  ff.  einen,  insofern  er  sich 
auf  ein  geringes  Material  beschränkt,  zwar  kleinen,  doch  bedeutenden  Anfang  zu  ihrer 
wissenschaftlichen  Bearbeitung  gemacht  und  auf  Taf.  U  und  V  einige  Typen  publiziert; 
auch  hat  er,  wie  ich  glaube,  richtig  ihren  chalkidischen  Ursprung  erkannt,  wenn  ich 
auch  seinen  Gründen  nicht  immer  beipflichte  und  sie  zum  Teil  durch  bessere  ersetzen 
zu  können  glaube.  Beispiele  von  Widderkopf  oder  ganzem  Widder  s.  Taf.  U,  1  und  2. 
V,  3  (vgl.  S.  233). 

3  Stephani  übertreibt  diesen  Gesichtspunkt  gewiß.  Vielfaches  Material  für  Widder- 
köpfe in  seinem  Compte  r.  1869  (s.  den  Index),  jedoch  fast  nur  aus  späterer  Kunst  und 
für  historische  Untersuchungen  nicht  brauchbar. 

4  Compte  r.  1876,  Taf.  3,  4.  5.  6.  1877,  Taf.  3,  19,  archaisch.  Rec.  d'ant.  Taf.  30,6 
Nikopol.).    Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  21,2  (Kul  Oba),  freieren  Stiles. 

5  Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  2,  2. 

6  Compte  r.  1877,  Taf.  1,8. 


Der  üoldfund  von  Vettersfelde. 

en  besprochenen  .Seedrachen",  oder  auch  an  eine  archaische  kleinasiatische 
ElektronmQnze  l  mit  dem  aus  einem  Greifenkopf  und  einem  menschlichen  Kopfe, 
die  durch  einen  fischartigen  Leib  verbunden  sind,  bestehenden  Unwesen,  endlich 
an  den  Flflgellöwen  und  besonders  das  Flügelschwein,  das  auf  den  altionischen 
Münzen  ebenso  wie  auf  älteren  Goldplättchen  am  Pontos  erscheint.2 

Es  bleibt  uns  nur  ein  Detail  an  unserem  Fisch  zu  erläutern  übrig;  es  sind 
die  vom  Auge  ausgehenden  Spiralen.  Sie  sind  natürlich  rein  dekorativ;  auch 
für  sie  jedoch  lassen  sich  schlagende  Analogien  aus  altgriechischer  Kunst  nach- 
weisen. Ich  meine  vor  allem  jene  Lockenspiralen,  welche,  von  den  Augen  oder 
hinter  den  Ohren  ausgehend,  zu  den  Haupteigentümlichkeiten  des  alten  Greifen- 
typiis vor  dem  fünften  Jahrhundert  gehören;3  sie  pflegen  ganz  in  derselben  Weise 
stilisiert  und  durch  Kerbung  geschmückt  zu  sein  wie  hier;  nur  sind  sie  an  den 
Greifen  bei  der  Länge  des  Halses  natürlich  länger.  Jener  Greifentypus  hat  aber 
seine  ursprüngliche  Heimat  und  seinen  Hauptsitz  wieder  im  Gebiet  kleinasiatischer 
und  ionischer  Kunst. + 

Das  zweite  Hauptstück  unseres  Fundes,  Taf.  II,  1  [19,  1]  haben  wir  in  Bezug 
auf  die  dasselbe  schmückenden  Tierdarstellungen  bereits  oben  erläutert.  Wenn 
wir  uns  jetzt  fragen,  welche  Bestimmung  es  gehabt  haben  mag,  so  kann  bei 
reiflicher  Erwägung  kein  Zweifel  bestehen,  daß  wir  es  mit  einem  Brustschmucke 
zu  tun  haben.5  Für  einen  solchen  allein  passen  Größe  und  Form  vortrefflich; 
die  Löcher  für  die  Befestigung  auf  dem  Gewände  oder  vielleicht  dem  Panzer  erkennt 
man  deutlich  auf  unserer  Abbildung.  In  den  Tumuli  der  nordpontischen  Kolonien 
kommt  ähnliches  vor.  Eine  silberne  Brustplatte  fand  sich  auf  dem  Leichnam  in 
einem  Grabe  im  Kubangebiet  aus  dem  fünften  Jahrhundert;  sie  ist  ungefähr  von 
derselben  Größe  wie  die  unsrige,  doch  kreisrund  und  mit  Strahlen  geschmückt; 6  eine 
andere  Brustplatte  von  dort  stellt  eine  säugende  Hündin  dar  und  einen  fliegenden 
Adler  darunter;7  es  waren  also  sehr  verschiedene  Formen  üblich.  Unsere  Form 
isl  bis  jetzt  noch  nicht  vorgekommen,  doch  läßt  sich  wenigstens  genau  dieselbe 
Grundgestalt,  nämlich  vier  zu  drei  Vierteln  ausgeschnittene  größere  Kreise  rings 
um  einen  kleinen  Kreis  in  der  Mitte,  nachweisen  als  eine  in  den  kleinen  goldenen 
-plättchen,   die  zum  Gewandschmucke   in  den  südrussischen  Gräbern  dienen, 

1  .Mi  Hingen,  Syll.  3,39.    Greif  in   einen   Fischleib  auslaufend  auf  einem   Gold- 
plättchen von  Phanagoria  (Compte  r.  1865,  Taf.  3,  32). 
'  VgL  Compte  r.  1864,  S.  179  ff. 

1  Siehe  meine  Bronzel  v.  Ol.  S.  47  ff.  (oben  S.  375  ff.]. 

4  Wie  icli  anderwärts  auszuführen  gedenke,  da  dies  hier  nicht  direkt  nötig  ist.  [Roschers 
:i.  Lex.  Art.  Gryps.) 
•  El  bitte  auf  der  Tafel  besser  so  gestellt  werden  sollen,  daß  die  vertikale  Mittellinie 
durch  itren  von  drei  Kreisen  ginge. 

ipte  r.  1877,  Taf.  3,  5  (S.  223).     Stephani  vermutet,  daß  auch  die  kreisrunde 
:te  aus  dem  Kul  Oha  (Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  25)  eine  Brustplatte  gewesen  sei. 
•  rnpte  r.  1876,  Taf.  4,  1—3. 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde.  497 


nicht  seltene  Form.1  Dieselbe,  die  nichts  Organisches,  nicht  etwa  eine  Blüte 
darstellt,  hat  aber  offenbar  in  größerem  Maßstabe  noch  mehr  Existenzberechtigung 
als  in  kleinem,  und  jene  kleinen  Plättchen  dürften  von  der  älteren  Sitte  größerer, 
die  wir  jetzt  kennen  lernen,  abgeleitet  sein.  Als  auf  eine  entfernter  verwandte 
Erscheinung  möchte  ich  auch  auf  die  bekannte  Form  des  Brustpanzers  hinweisen, 
die  in  Gräbern  Unteritaliens  gewöhnlich  ist  und  sehr  häufig  auf  den  dortigen  Vasen 
des  dritten  Jahrhunderts  an  den  einheimischen  Kriegern  dargestellt  wird;  derselbe 
besteht  aus  drei  verbundenen,  gleich  großen  kreisförmigen  Platten,  die  eine 
unten  und  zwei  darüber;  eine  kleine,  echt  altertümliche  Bronze  aus  Sizilien 2  lehrt 
übrigens,  daß  diese  Form  auch  in  Sizilien  und  zwar  schon  in  alter  Zeit  üblich  war. 

Das  dritte  Hauptstück,  Taf.  III,  1  [20, 1],  zusammen  mit  dem  Schwerte,  Taf.  111,5 
[20,  5],  ist  geeignet,  jeden  Zweifel,  den  jemand  auch  nach  unserer  Erläuterung 
des  Fisches  an  unserer  These  etwa  noch  haben  sollte,  vollständig  zu  zerstreuen. 
In  der  Tat  sind  diese  Stücke  wohl  noch  beweiskräftiger  als  der  Fisch  und  ge- 
nügen jedenfalls  allein  zu  vollgültigstem  Nachweise,  daß  unsere  Objekte  von 
einem  Griechen  für  einen  skythischen  Krieger  gearbeitet  sind. 

Der  Beschlag,  Taf.  III,  1  [20,  1],  rührt  nicht  etwa,  wie  man  gesagt,  von  einem 
Köcher  her  und  hat  auch  nichts  mit  dem  skythischen  Goryt  zu  tun,  dessen  Form 
sehr  verschieden  ist; 3  es  ist  der  Beschlag  der  Scheide  für  das  Schwert  Taf.  IN,  5 
[20,  5],  und  dieses  Schwert  und  diese  Scheide  haben  eine  Form,  die  von  allen 
Zeiten  und  allen  Völkern  nur  den  Skythen  des  Altertums  und  ihren  östlichen  und 
nordöstlichen  Verwandten  angehört  hat;  und  da  sie  mit  altgriechischer  Arbeit 
geschmückt  sind,4  wie  wir  bereits  zur  Genüge  bewiesen  haben  durch  die  Be- 
trachtung der  Tierdarstellungen,  so  können  sie  nur  in  den  nordpontischen  Kolonien 
der  Griechen  unter  den  Skythen  gearbeitet  sein. 

Im  wesentlichen  gleiche  Schwertbeschläge  haben  sich  bis  jetzt  in  den  skythisch- 
griechischen  Gräbern  zweie  gefunden;   der  eine   in  dem  Kul  Oba,5  der  andere  33 
in  einem  Königsgrab  der  Steppen  am  Dnjepr  (Tschertomlyk  bei  Nikopol),6  beide 
indess  von   freiem  Stile,   später  als  der  unsrige  und  kaum  vor  400  zu  setzen. 


1  Compte  r.  1865,  Taf.  3,  35  (S.  92)  von  der  Halbinsel  Taman;  4.  Jahrhundert:  es 
wurden  22  Stück  davon  gefunden.  Ferner  aus  dem  Tumulus  von  Alexandropol :  Rec. 
d'ant.  Sc.  Taf.  IX,  9.  10.  12. 13  (S.  12).  Auch  in  Perm  ähnlich,  s.  Aspelin,  Ant.  finno-ougr. 
Nr.  733.  753. 

2  Longperier,  Not.  des  bronzes  ant.  au  Louvre  Nr.  93;  abg.  Daremberg  et 
Saglio,  Dict.  des  Ant.  I,  S.  1177. 

3  Compte  r.  1864,  Taf.  4. 

4  Daß  das  griechische  Schwert  eine  von  dem  unsrigen  wesentlich  verschiedene  Griff- 
form hatte,  erkennt  man  sofort  bei  angestelltem  Vergleiche.  Man  beginne  von  den  my- 
kenischen  Schwertern,  den  Darstellungen  auf  den  Inselsteinen  und  betrachte  dann  die 
zahllosen  Darstellungen  von  Schwertgriffen  auf  Vasen  usw.,  um  sich  davon  zu  überzeugen. 

5  Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  26,  2. 

6  Compte  r.  1864,  Taf.  5,  1.    Rec.  d'ant.  Sc.  Taf.  35, 1. 

A.  Furtwängler.   Kleine  Schriften  I.  32 


498  £>ER   ÜOLDFUND   VON   VETTERSFELDE. 

Das  besonders  Charakteristische  der  Form  ist  die  Ausweitung  am  oberen  Ende; 
auch  befindet  sich  in  der  oberen  Ecke  derselben,  genau  wie  an  unserem  Stücke, 
ein  größeres  Loch.  Dagegen  ist  die  Länge  des  gestreckten  Teiles  an  dem 
unsrigen  beträchtlich  geringer,  auch  wenn  man  sich  das  hier  offenbar  fehlende 
und  besonders  angesetzt  gewesene,  wieder  etwas  sich  ausweitende  Schlußstück, 
das  dort  dem  einen  Stücke  mit  angearbeitet  ist,  hinzudenkt. 

Die  seltsame  Form  des  oberen  Endes,  von  der  in  jenen  beiden  späteren 
Exemplaren  nur  noch  die  Rudimente  erhalten  sind  in  einem  eckigen  Abschnitte, 
erklärt  sich  sofort,  wenn  wir  den  Schwertgriff  (Taf.  III,  5  [20,  5])  hereinlegen;  der 
herzförmige  Schluß  des  Griffes  paßt  genau  in  jenen  oberen  mit  den  Augen  ver- 
zierten Teil!  Die  Scheide  war  also  bestimmt,  auch  jenes  Ende  des  Griffes  zu 
schützen  und  nur  die  Griffzunge  ragte  darüber  heraus.  Auch  der  flache  Winkel, 
den  die  Scheide  am  obersten  Ende  nach  außen  macht,  schließt  sich  der  Form 
jenes  Griffendes  an,  dessen  ganze  Gestalt  sich  demnach  in  der  Scheide  gleichsam 
abprägt.  Ebenso  entspricht  dann  offenbar  die  Mittelrippe  des  gestreckten  Teiles 
der  etwas  erhöhten  Mittellinie  des  Schwertes.  Die  Flächen  jenes  durch  die  Griff- 
form bedingten  oberen  Endes  aber  mit  zwei  Augen  zu  schmücken,  war  ein 
gewiß  glücklicher  Gedanke,  der  wieder  so  recht  in  den  Gewohnheiten  altgriechi- 
schen Kunsthandwerks  begründet  ist,  wo  man  die  Spitzen  des  Schiffsvorderteils 
mit  großen  Augen  schmückte,1  wo  man  auf  Gefäßen,  namentlich  Trinkschalen 
und  allerlei  anderem  Geräte,  ja  selbst  den  Stadtmauern  jene  Augen,  denen  man 
schützende  apotropäische  Macht  zuschrieb,  so  gern  anbrachte.  Wahrscheinlich 
war  das  Innere  der  Augen  in  unserem  Falle  auf  dem  hölzernen  oder  ledernen 
Untergrunde  selbst  gemalt,  wodurch  sie  natürlich  erst  recht  lebendig  wurden. 
Daß  die  etwas  unbeholfene  Form  der  Augen  mit  den  dicken  Lidern  ebenfalls 
archaisch  ist,  brauche  ich  kaum  hervorzuheben. 

Wozu  aber  jene  Ausweitung  an  der  einen  Seite  des  oberen  Endes?  Sie 
dient  lediglich  zum  Anhängen  des  Ganzen  an  der  Seite  des  Kriegers  und  jenes 
größere  Loch  in  der  Ecke  oben  ist  eben  dasjenige,  durch  welches  das  Band 
gezogen  war,  an  welchem  das  Schwert  schräg  herabhing.  Eine  andere  Bestim- 
mung ist  gar  nicht  denkbar.-  Kein  hohler  Teil  der  Scheide  befand  sich  hinter 
jener  Ausladung,  sondern  nur  ein  Stück  Leder,  auf  welches  das  Goldblech  be- 
festigt war,  wie  die  vielen  kleinen  Löcher  zeigen.  Daß  praktische  Gründe  ein 
Volk   leicht  dazu  führen  konnten,  statt   das  Schwertband  an  der  Innenseite  der 


1  Vgl.  Milchhöfer,  Der  Peiraieus  (Karten  von  Attika  von  Curtius  und  Kaupcrt), 
S.  58.     Schiffe  auf  korinthischen  bemalten  Votivlafeln  in  Berlin  u.  a. 

■  Irrtümlich  ist  die  Vorstellung  von  Stephani,  Compte  r.  1864,  S.  174,  daß  das 
Schwert  mit  seinem  ganzen  (iriff  in  der  Scheide  verborgen  gewesen  wäre  und  die  Aus- 
ladung, die  er  sich  auch  innen  hohl  denkt,  das  hrf.issen  des  Griffes  hätte  erleichtern 
sollen;  diese  unpraktische,  wenn  nicht  unmögliche  Hypothese  wird  durch  unsere  beiden 
Stücke  widerlegt 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde.  499 


Scheide  zu   befestigen,    ein   besonderes  Stück  zu  dem  Zwecke  an  letztere  an- 
zufügen, ist  ja  an  sich  schon  sehr  wohl  begreiflich. 

Die  nächste  Frage,  die  wir  uns  stellen,  ist  die,  ob  die  eigentümliche  Form 
des  Griffendes  des  Schwertes  mit  dem  herzförmigen  Ausschnitte,  der  sich  auch 
in  der  Scheide  abprägt,  ob  diese  Form  ihre  bestimmte  lokale  Heimat  hat.  Ich 
habe  unter  all  den  Hunderten  von  Schwertern  und  Dolchen,  die  uns  aus  dem 
südlichen,  mittleren  und  nördlichen  Europa  erhalten  sind,  vergeblich  nach  dieser 
Form  gesucht.  Nur  im  Osten  konnte  ich  sie  finden  und  hier  sogar  als  die 
herrschende.  Zunächst  tritt  sie  uns  in  den  griechisch-skythischen  Gräbern  in 
zahlreichen  Beispielen  entgegen.  Der  herzförmige  Ausschnitt  ist  hier  immer  da, 
bald  flacher  geschwungen,  bald  steiler;  der  obere  Abschluß  des  Griffendes  gegen 
die  Griffzunge  pflegt  dagegen  nicht  gerundet,  wie  an  unserem,  sondern  eckig 
gestaltet  zu  sein,  so  daß  das  ganze  Griffende  einem  Dreiecke  gleicht,  dessen 
untere  Seite  herzförmig  ausgeschnitten  ist;  dieser  Unterschied  ist  indess  für  uns 
ganz  unwesentlich;  auch  bildet  ja  unsere  Scheide  selbst  die  obere  Linie  mit 
einem  flachen  Winkel.  Die  bisher  bekannten  Beispiele  gehen  nicht  über 400 v.Chr. 
zurück,  sie  stammen  meist  aus  dem  großen  Königstumulus  von  Tschertomlyk  bei 
Nikopol,1  aus  andern  Gräbern  der  Steppen  am  Dnjepr,2  sowie  aus  dem  Kul  Oba 
bei  Kertsch.3  Die  Technik  dieser  sämtlichen  Stücke  stimmt  genau  mit  der  des 
unsrigen  überein,  indem  sie  alle  aus  Eisen  bestehen,  und  indem  die  Griffe  mit 
Goldblech  belegt  sind;  in  derselben  Technik  sind  auch  die  Messer  aus  jenen 
Gräbern  gehalten.4  Das  Goldblech  pflegt  mit  gestempelten  Tierfiguren  des  lokalen 
skythischen  Stils  geschmückt  zu  sein;  einen  reineren  Geschmack  sehen  wir  an 
unserem  Stücke,  so  daß  nichts  hindert,  es  demselben  griechischen  Atelier  im 
Skythenlande  zuzuschreiben,  dem  wir  die  bisher  betrachteten  Stücke  des  Fundes 
zuschrieben.  Die  aufgesetzten  kleinen  Zierraten,  die  man  Spiralbrillen  nennen 
möchte,  kommen  an  sicher  griechischen  Goldsachen  aus  den  südrussischen 
Gräbern  sehr  häufig  vor,  und  zwar  ebenso  aufgesetzt,  namentlich  mit  reicher 
ausgeführten  Spiralen  auf  zierlichen  Perlen.6 

Derselbe  herzförmige  Griffschluß  des  Schwertes  war  aber  ein  nach  Nordosten 
hin  weit  verbreiteter,   der,  wie  andere  Spuren  ebenfalls,   auf  einen  alten  Völker-  35 
Zusammenhang  vom  Altai  und  Jenisei  bis  zu  den  südrussischen  Skythen  hinweist. 


1  Rec.  d'ant.  de  la  Scythie  Tat.  40,  9. 12.  14;  37, 3;  35,  2  =  Compte  r.  1864,  Taf.  5,  2.  Das 
obere  Ende  pflegt  weniger  stabförmig  zu  sein  wie  das  unsrige,  sondern  mehr  knopfartig. 

2  Rec.  d'ant.  de  la  Sc.  Taf.  26, 13.  18  ist  wahrscheinlich  der  goldene  Scheidenbelag 
dazu  (Tombe  pointue  de  Tomakovka,  S.66). 

3  Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  27, 10. 

4  Ebenda  Taf.  27,  7.  30, 10. 

5  Z.  B.  Compte  r.  1865,  Taf.  3,  37  (S.  92).  Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  12,  4.  24, 19.  Das  ge- 
preßte stumpfe  Ornament  Rec.  d'ant.  Sc.  Taf.  10,  29  scheint  auf  dasselbe  Motiv  zurück- 
zugehen.   Ähnliches  aus  Kameiros  (Brit.  Mus.). 

32* 


i)0  Der  Goldfund  von  Vettersfelde. 

Er  ist  in  Sibirien1  zu  Hause  und  am  Ural,-  ferner  am  westlichen  Abhänge  des- 
selben in  Perm3  und  westlich  davon  im  Gouvernement  Wiatka,  wo  die  Nekro- 
pole  von  Ananino  eiserne  Schwerter  mit  genau  demselben  oben  gerundeten, 
unten  herzförmigen  Griffabschlusse  geliefert  hat.* 

Wir  haben  bisher  immer  das  Wort  Schwert  gebraucht,  doch  zum  Teil  mit 
Unrecht,  da  der  größere  Teil  der  besprochenen  Waffen  besser  als  breite  Dolch- 
messer bezeichnet  worden  wäre.  Auch  das  Stück  unseres  Fundes  gehört  hiezu; 
war  klein,  wie  aus  dem  uns  vollständig  erhaltenen  Scheidenbeschlag  hervor- 
geht; auch  wenn  wir  das  Schlußstück  unten  an  demselben  ergänzen,  so  erhalten 
wir  doch  eine  Klinge,  die  nicht  viel  länger  war  als  der  Griff  ist.  Dies  ist  jedoch 
ein  Verhältnis,  das  wir  ebenso  an  einigen  jener  oben  zitierten  Dolchmesser  aus 
Sibirien  und  dem  Ural  finden,  während  freilich  diejenigen  der  oben  genannten 
Stücke  aus  den  südrussischen  Gräbern,  deren  Klingen  erhalten  sind,  sowie  die 
zwei  erhaltenen  Scheidenbeschläge  von  dort  beträchtlich  länger  sind.  Ob  aber 
in  diesen  Exemplaren  des  vierten  Jahrhunderts  nicht  etwa  griechischer  Einfluß 
die  längere  Form  hat  vorziehen  lassen? 

Durch  Herodot  wissen  wir,  daß  die  Skythen  den  äxivdxrjs  atd^geog  als 
SyaXfta  ihres  Kriegsgottes  verehrten;6  der  äxiväxrig  ist  aber  ein  kurzes  Schwert, 
das  als  £upidiov  bezeichnet6  wird;  also  ein  solches  war  das  bei  den  Skythen 
übliche7  und  deshalb  ihnen  heilige.  Sonst  war  indess  der  Akinakes  den  Griechen 
als  nationale  Waffe  der  Perser  bekannt.  Hatte  nun  das  persische  und  skythische 
Dolchmesser  außer  der  Haupteigenschaft  der  Kürze  noch  speziellere  Eigenschaften 
der  Form  gemeinsam?  —  Die  altpersischen  Reliefs  sind  für  diese  Frage  gewiß 
die  zuverlässigste  Quelle;  dieselben  lehren,  daß  die  sicher  als  Meder  oder  Perser 
zu  betrachtenden  Figuren  im  langen  Faltengewande  ein  kurzes,  doch  von  dem 
unseren  verschiedenes  Schwert  haben;  die  Scheide  desselben  hat  eine  sehr  breite 
Ausladung  oben;  es  wird  an  der  rechten  Seite  getragen,  indem  die  Scheide  von 
einem  breiten  Bande  mit  großer  Schleife  umbunden  ist.8  Das  untere  Griffende, 
das  besonders  an  den  bekannten  Darstellungen  deutlich  ist,  wo  der  König  ein 
Ungeheuer  tötet,  ist  gerade  und  völlig  verschieden  von  unserem  Typus. 

1  Minussinsk:  Aspelin,  Ant. finno-ougr.  S.  52,  nr.  165.  166.  167.  Wankel,  Skizzen 
aus  Kiew  in  Mitt  der  anthr.  Ges.,  Wien,  V,  S.  9,  26. 

1  Memoire*  des  antiqu.  du  Nord  n.  s.   (Worsaae)  S.  115,  3. 

'  Aspelin  a.  a.  O.  Nr.  176a. 

1  Aspelin  a.  a.  O.  S.  108,  Nr.  416.  417.  419. 

:  Her.  IV,  62.  öfter  spielt  Lucian  auf  diese  ihm  wohl  durch  Herodot  bekannte  Stelle 
an  (Scyth.  1.   Lnp.  trag.  42.  Tox.  38). 

*  Poll.  Onom.  I,  138. 

;  Lddef  zeigen  die  prachtvollen  Skythendarstellnngen  vom  Kul  Oba  und  Nikopol 
gar  kein  Schwert  oder  Dolch.  Nur  auf  dem  übrigens  ungleich  weniger  realistischen 
Relief  Compte  r.  1864,  Taf.  5,  1    erscheint   das  ganz  kurze  Schwert,   doch   ohne  Scheide. 

'  Vgl.  z.  B.  Texicr,  Descr.  de  la  Perse  II,  Taf.  126.  Flantin  et  Coste,  Perse  anc. 
Taf.  95  ff.     Stolze,  Pcrs.polis,  1882  (photogr.  Aufnahmen)  Taf.  41.  77.  84.  85. 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde. 


501 


Dagegen  zeigen  uns  die  persischen  Reliefs  an  der  zweiten  Hauptgattung  der 
dargestellten  Untertanen,  nämlich  den  mit  faltenlosem  kurzem  Rock  und  Hosen, 
hoher,  runder  Kopfbedeckung  und  Goryt  ausgestatteten  Kriegern,  eine  Schwertform, 
die  in  überraschender  Weise  identisch  ist  mit  unserem  Typus.  Durch  die  photogra- 
phischen Aufnahmen  von  Stolze  ist  es  jetzt  möglich,  alles  Detail  daran  genau  zu 
studieren.  Ich  gebe  hier  ein  besonders  deutliches  Beispiel  vom  Palaste  des  Xerxes.1 

Vor  allem  konstatieren  wir  hier  wieder  den  herzförmigen  unteren  Ausschnitt, 
der  auf  der  Scheide  ausgeprägt  ist  und  auf  den  Griff  schließen  läßt,  dessen 
Ende  auch  hier  von  der  Scheide  gedeckt  wird.  Ferner  sehen 
wir  hier  dieselbe  Ausladung  oben  an  der  einen  Seite  der 
Scheide,  die  zum  Aufhängen  des  Schwertes  dient;  die  Aus- 
ladung hat  dieselbe  Form;  auch  greift  sie  ein  wenig  über 
den  Herzausschnitt  herunter,  hier  wie  dort;  sie  befindet  sich 
ferner  an  derselben  Seite  der  Scheide  wie  dort,  das  heißt 
mit  andern  Worten,  diese  Schwerter  waren  alle  nur  bestimmt, 
an  der  rechten  Seite  des  Mannes  getragen  zu  werden.  In 
der  oberen  Ecke  befindet  sich  dasselbe  Loch  wie  an  unseren 
Stücken  und  die  ganze  Art,  wie  diese  am  Gürtel  angehängt 
waren,  wird  uns  nun  plötzlich  völlig  deutlich.  Nur  ein  Um- 
stand kommt  uns  hier  sehr  seltsam  vor;  es  ist  der  Riemen, 
der  von  links  hinten,  also  wohl  von  der  linken  Hüfte  kom- 
mend, durch  den  unteren  Teil  der  Scheide  über  dem  Schluß- 
stücke geht  und  in  eine  Schlinge  befestigt  ist,  die  sich  auf 
der  Hose  des  linken  Oberschenkels  befindet;  durch  diese 
merkwürdige  Vorrichtung,  die  sich  an  allen  den  zahlreichen 
Figuren  dieses  Typus  auf  den  persischen  Reliefs  beoabachten 
läßt,  ward  bewirkt,  daß  das  Schwert  oder  besser  Dolchmesser 
beim  Gehen  immer  zwischen  den  Oberschenkeln  blieb  und 
beim  Reiten  vorn  vor  dem  Bauche  auf  dem  Sattel  lag.  Wir  erinnern  uns  jetzt, 
am  unteren  Ende  unseres  Scheidenbeschlages,  Taf .  III,  1  [20,1],  einen  Ausschnitt 
im  Rande  bemerkt  zu  haben,  der  auf  einen  ehemals  hier  durchgezogenen  Riemen 
wies;  offenbar  war  hier  dieselbe  Befestigung  beabsichtigt,  die  wir  auf  jenen 
Reliefs  sehen.  Es  bestätigt  sich  nun  ferner,  daß  an  unserem  Beschlag  nur  ein 
unteres  rundes  Schlußstück  fehlt,  das,  wie  es  die  Reliefs  auch  zeigen,  besonders 
gearbeitet  und  ornamentiert  war.  Es  bestätigt  sich  nicht  minder,  was  wir  oben 
vermuteten,  daß  die  beiden  anderen  erhaltenen  Beschläge  aus  dem  Kul  Oba 
und  von  Nikopol  von  der  reinen  Form  bereits  etwas  abweichen,  indem  sie  weder 
den  herzförmigen  Ausschnitt,   noch  den  unteren  Riemendurchlaß,   noch  das  be- 

1  Nach  Stolze,  Persepolis  Taf.  11  und  12.  Vgl.  ferner  19.20.84.85.86.  Flandin 
et  Co  st  e  Taf.  95  ff.  154.  Vgl.  auch  das  Goldrelief  vom  Oxos  im  Journ.  of  the  Asiatic  soc. 
of  Bengal  1881,  50,  Taf.  14.  [The  Treasure  of  the  Oxus  Taf.  13  Nr.  48.] 


37 


502  Der  Goldfund  von  Vettersfelde. 

sondere  Schlußstück  zeigen  und  überdies  beträchtlich  länger  sind,  während  auch 
in  den  kurzen  Proportionen  unser  Stück  mit  den  Reliefs  übereinstimmt,  indem 
auch  auf  diesen  die  Klinge  kaum  länger  ist  als  der  Griff. 

Nach  der  Häufigkeit  des  Vorkommens  gehörte  die  Tracht  offenbar  einer  sehr 
.vöhnlichen  Gattung  der  den  Monarchen  umgebenden  Leibgarde  an. 

Auch  der  Bogenträger  des  Königs,  der  in  seiner  unmittelbaren  Nähe  sich 
befindet,  wird  in  dieser  Tracht  gebildet.1  Unter  den  Repräsentanten  der  ver- 
schiedenen Nationalitäten  am  Grabe  des  Darius  spielt  dieser  Typus  eine  Haupt- 
rolle.* In  der  Leibgarde  des  Königs  pflegen  diese  Krieger  mit  den  langgewandeten 
Medern,  die  jenes  andere  Schwert  tragen,  zu  wechseln.  Ich  weiß  nicht,  ob  man 
dieselben  Perser  nennen  darf.  Nach  Herodots  Beschreibung3  hat  es  freilich  den 
Anschein,  als  ob  jener  Typus  eben  der  gewöhnliche  der  persisch-medischen 
Truppen  gewesen  wäre.  Aber  die  eigentliche  Herkunft  desselben  wäre  damit 
nicht  entschieden.  Der  Unterschied  jener  Krieger  im  Faltengewande  und  dieser 
wird  wenigstens  ursprünglich  gewiß  einem  tieferen  ethnographischen  Unterschiede 
entsprochen  haben. 

Man  könnte  nun,  um  jene  nachgewiesene  merkwürdige  Übereinstimmung 
zu  erklären,  daran  erinnern,  daß  zahlreiche,  von  den  südrussischen  Skythen  über- 
lieferte Personennamen  iranischer  Herkunft  sind,  woraus  einige  schließen,  daß 
die  Skythen  oder  wenigstens  ein  Teil  der  so  genannten  Völkerschaften  überhaupt 
iranischer  Herkunft  sei,  während  andere  lieber  eine  Entlehnung  aus  iranischem 
Sprachgebiete  annehmen.  Danach  könnte  man  jene  Übereinstimmung  des  Schwert- 
typus durch  ursprüngliche  Stammesverwandtschaft  oder  durch  Entlehnung  von 
Persien  erklären  wollen.  Hiergegen  scheint  mir  jedoch  die  Art  der  Verbreitung 
desselben  zu  sprechen,  die  von  Südrußland  nach  dem  Ural  und  Altai  geht  und 
eher  darauf  weist,  daß  er  den  dort  heimischen  sog.  turanischen  Völkerschaften 
eigen  war,  zu  denen  auch  die  nomadischen  Skythen  gehört  zu  haben  scheinen. 
Erinnern  wir  uns  ferner  einer  Hypothese  der  neueren  Forschung,  daß  sog.  sky- 
thische,  etwa  den  Uralfinnen  verwandte  Stämme  ursprünglich  das  iranische  Gebiet 
besaßen  und  auch  nach  ihrer  Überwindung  immer  ein  bedeutendes  Element  der 
Bevölkerung,  namentlich  in  Medien  blieben,  so  daß  die  Inschriften  der  Achäme- 
niden  außer  in  babylonischer  auch  in  sog.  skythischer  Übersetzung  eingehauen 
wurden,  daß  ferner  die  Kämpfe  gegen  die  nicht  unterworfne  skythische  Grenz- 
bevölkerung, die,  immer  zu  Einbrüchen  geneigt,  einen  besonders  mächtigen  unter 
Kyaxares  veranstaltete,  zu  den  Haupttaten  der  persischen  Könige  gehören,  so  dürfte 
es  uns  wohl  nicht  wundern,  einen  jenen  Völkerschaften  eigenen  Schwerttypus  auf 

1  Texicr,  Descr.  de  la  Perse  II,  Taf.  114  =  Stolze  Taf.  57. 

1  Texicr  II,  123  ff.  126.    Stolze  Taf.  108  ff.   Flandin  et  Coste,  Taf.  164;  vgl.  178. 

•  Her.  VII,  61.  Besonders  die  ly/nnl^m,  die  am  Gürtel  an  der  rechten  Seite  hängen. 
Anderes  stimmt  jedoch  wieder  nicht  recht.  Auch  eine  Identifikation  mit  den  Saken 
würde  auf  Hindernisse  stoßen. 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde. 


503 


persischen  Reliefs  wieder  zu  finden.  Indess  können  diese  Kombinationen  zunächst 
nur  als  Fingerzeig  dienen  und  müssen  von  anderer  Seite  her  Bestätigung  erwarten. 

Außer  dem  breiten  Dolchmesser,  das  wir  soeben  besprochen  haben,  befindet 
sich  in  unserm  Funde  eine  goldene  Scheide  (Taf.  III,  2  [20,  2])  für  einen  dünnen 
feinen,  vierkantigen  Dolch  aus  Eisen,  der  sich  ebenfalls  erhalten  hat  (siehe  S.  9 
[S.  475]).  Der  Dolch  wurde  mittelst  eines  an  der  Innenseite  der  Scheide  in  zwei 
Löchern  befestigten  Bandes  getragen. 

Auch  hier  können  wir  wieder  ein  genaues  Seitenstück  aus  einem  skythischen 
Tumulus  des  Gerrhos  am  Dnjepr  beibringen,1  eine  goldene  Dolchscheide  derselben 
Art,  die  überdies  an  ihrem  oberen  Ende  fast  genau 
dieselben  aufgesetzten  Ornamente  zeigt,  wie  die 
unsrige;  ich  lasse  eine  Abbildung  des  oberen  Stückes 
deshalb  zur  Vergleichung  hier  beifügen. 

Wir  haben  oben  (S.  14  [S.479])  bemerkt,  daß  das 
schleifenförmige  Ornament  an  Schwertscheiden  auch 
in  nordischen  Funden  vorkommt,  doch  bei  völlig 
veränderter  Umgebung.  Hier  aber  haben  wir  eine 
Übereinstimmung,  die  sich  auf  das  gesamte  System, 
auf  das  Zusammensein  einer  ganzen  Menge  von  Ein- 
zelheiten erstreckt  und  deshalb  für  die  Zusammen- 
gehörigkeit der  Stücke  absolut  beweisend  ist.  Das 
genannte  Ornament  ist  übrigens  an  griechischen  Gold- 
sachen Südrußlands  auch  sonst  mehrfach  zu  bemerken.2  Überaus  häufig  sind 
aber  die  darüber  befindlichen  aufgesetzten  Spiralen;  auch  sind  dieselben  ganz 
regelmäßig  von  den  zopfförmigen  geflochtenen  Drahtstreifen  umgeben.  Namentlich 
alle  stabförmigen,  zylindrischen  Enden  verschiedenster  Schmuckgegenstände 
pflegen  auf  diese  Weise  verziert  zu  werden.  Auch  läßt  sich  beobachten,  daß 
diese  Ornamentik  eigentlich  dem  älteren  Stile  eigentümlich  ist  und  im  vierten 
Jahrhundert  allmählich  durch  eine  elegantere  verdrängt  wird;  die  Spiralen,  die 
bald  nicht  mehr  liegend,  sondern  nur  aufgerichtet  gebildet  sind,  werden  lockerer 
gestellt,  werden  schlanker  und  die  Zwischenräume  füllen  sich  mit  Palmetten,  bis 
die  letzteren  endlich  einen  vollen  Sieg  über  die  Spiralornamentik  davontragen.3 

1  Tombe  pointue  de  Tomakovka,  s.  Rec.  d'ant.  de  la  Scythie  Taf.  26, 16  (S.  66). 

2  Besond.  an  Gehängen.  Rec.  d'ant.  Taf.  10, 25  (Alexandropol).  Compte  r.  1 865,  Taf.  2,1.2.4; 
3,22(mitblauemEmail).  1868,Taf.l,10(S.53)goldeneVaseausOlbia(mitblauemEmailgefüllt). 

3  Aus  dem  5.  Jahrhundert:  Compte  r.  1877,  Taf.  2,  13;  1860,  Taf.  4,  6;  1876,  Taf. 3,  32; 
auch  das  Blaßgoldhalsband  1869,  Taf.  1, 13.  Vom  4.  Jahrhundert:  aus  demselben  Grabe 
ebenda  Taf.  1,  14.  15;  vom  Kul  Oba  Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  8, 1.  36,5.  Ferner  ebenda 
Taf.  9,  2.  16,  5.  17,  10.  32,  14.  Macpherson,  Ant.  of  Kertsch  Taf.  1,  mit  Emailfüllung. 
Ouvaroff,  Recherches  Taf.  15  (Olbia).  Der  geflochtene  Draht  allein  z.B.  Rec.  d'ant. 
Taf.  10,  33.  34.  11,3  (Alexandropol).  Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  30,  7,  Palmettenfriese  um- 
gebend, statt  deren  der  ältere  Stil  die  Spiralen  setzte. 


39 


504  Der  Goldfund  von  Vettersfelde. 

Mehrfach  kommt  an  diesen  Dingen  und  gerade  auch  an  der  oben  als  Seiten- 
stück beigezogenen  Dolchscheide  blaues  Email  als  Füllung  vor.  Da  dasselbe 
schon  an  Geldsachen,  die  sicher  in  die  Mitte  des  fünften  Jahrhunderts  zurück- 
gehen, erscheint,1  so  dürften  wir  uns  nicht  wundern,  wenn  es  auch  an  unserem 
Funde  aufträte.  Doch  sind  hier  keine  Spuren  davon  zu  sehen;  nur  die  leeren 
Kapseln  des  Ohrgehänges,  Taf.  I,  5  [18,  5],  weisen  auf  eine  einstige  Füllung 
hin,  die  vielleicht  aus  Glasfluß  bestand.  An  demselben  Gehänge  bemerken  wir 
wieder  das  aufgesetzte,  hier  Blättchen  bedeutende,  schleifenartige  Ornament,  das 
an  den  Ohrgehängen  des  vierten  Jahrhunderts  in  Südrußland  ganz  typisch  ist;" 
freilich  sind  an  letzteren  die  Bommeln  von  elegant  tropfenartiger  Form,  aber 
volle  Seitenstücke  zu  dem  unseren  dürfen  wir  hier  auch  gar  nicht  zu  finden  er- 
warten, da  archaische  Ohrgehänge  hier  zufällig  überhaupt  noch  nicht  gefunden 
wurden.  Dagegen  werden  uns  Parallelen  sowohl  für  die  einfache  Blüte,  die  den 
unteren  Abschluß  bildet,  als  namentlich  für  die  merkwürdig  langgestreckte  Form 
des  Ganzen  von  archaischen  Ohrgehängen  von  Rhodos  und  Melos  geliefert. 
40  Jenes  aufgesetzte,  schleifenartige  Ornament  finden   wir  ferner  wieder,   und 

zwar  mit  denselben  drei  Pünktchen  an  den  Enden,  wie  auf  der  oben  angezogenen 
Dolchscheide,  auf  dem  andern  Hängeschmuck  unseres  Fundes  Taf.  I,  2  [18, 2], 
hier  zur  Kreuzesform  geordnet,  die  eine  einfache  vierblättrige  Blüte  andeuten 
mag,  derart,  wie  die  plastisch  unten  an  dem  Ohrgehänge  ausgeführte.  Solche 
sternförmigen  Blumen,  nur  meist  reicher  durch  zahlreichere  Blättchen,  kommen 
namentlich  auf  altionischen  Terrakottamalereien,3  auch  auf  archaischen  Vasen  vor, 
und  zwar  oft  auch  nur  mit  Umrissen  gezogen,  wodurch  sie  unserem  Ornamente 
noch  ähnlicher  werden.  Die  ganze  Form  unseres  Hängeschmucks  hat  einen 
etwas  schwerfälligen  und  altertümlichen  Charakter.  Von  südrussischen  Funden 
kann  ich  auch  nur  ein  Stück  anführen,  das  ungefähr  dieselbe  Form  hat,  eine 
gestempelte  Goldplatte  von  rhomboider  Form,  an  deren  vier  Enden  jedoch  je 
zwei  Kreise  sich  befinden;*  hiedurch  erhält  das  Stück  die  größte  Ähnlichkeit 
mit  jenen  in  Mykenae  gefundenen,  von  Goldblech  bedeckten  Holzzierraten  der- 
selben Form.6  Es  scheint  also  eine  sehr  alte  Tradition  hier  zu  Grunde  zu  liegen. 

Das  eben  besprochene,  sternblütenförmige  Ornament  finden  wir  dann  ebenso 
wieder  auf  der  Goldfassung  des  zum  Anhängen  bestimmten  kleinen  Steinkeiles 
Taf.  I,  3  [18,3].  Was  die  Bedeutung  dieses  merkwürdigen  Gegenstandes  betrifft, 
so  kann  es  offenbar  nicht  zweifelhaft  sein,   daß  wir  es  mit  einem  Amulett  zu 

1  Compte  r.  1877,  Taf.  3,  34  (S.  257).  Über  Email  überhaupt  und  sein  frühes  Vor- 
kommen im  Kaukasus  vgl.  Virchow,  Gräberfeld  v.  Koban,  S.  138. 

'  Siehe  oben  Anm.  1  [S.  503  Anm.  2]. 

1  Ton-Sarkoph;^e  von  Kiazomcnai;  architektonische  Terrakotten  vonCerveteri  in  Berlin, 
altionischer  Kunstart;  die  Sterne  sind  meist  in  die  Zwischenräume  des  Mäanders  gestellt. 
Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  22,  11:  leidet  sind  die  Fundumstände  unbekannt. 

*  Schliemann,  Mykenae  nr.  377— 384. 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde.  505 


tun  haben,  einem  Zeugnisse  für  den  wohl  fast  über  alle  Völker  verbreiteten 
Aberglauben  an  die^  zauberische,  schützende  und  heilsame  Kraft  gewisser  Steine, 
einen  Aberglauben,  der  auch  aus  dem  klassischen  Altertume  vielfach  bezeugt 
ist.1  Doch  die  Sitte,  solche  Steine  in  Gold  zu  fassen  und  mit  in  das  Grab  zu 
geben,  ist  meines  Wissens  bis  jetzt  nur  in  den  skythisch-griechischen  Tumuli 
in  Südrußland  beobachtet  worden."  Unser  Stein  wird  (von  mineralogischer  Seite) 
als  Serpentin  bestimmt.  Serpentinkeile  von  derselben  Form  haben  sich  in  My- 
kenae  gefunden.3  Wir  haben  in  ihm  offenbar  einen  letzten  Rest  der  Steinwerk- 
zeuge gebrauchenden  Zeit  vor  uns;4  was  als  Gerät  veraltete,  ward  durch  den 
Aberglauben  geheiligt,  wie  wir  dies  ja  auch  anderwärts  finden. 

Der  Armring  auf  derselben  Tai  I,  4  [18,  4]  hat  durch  seine  überaus  einfache  41 
Form  etwas  offenbar  Altertümliches;  es  ist  nichts  als  ein  runder  Goldstab  und 
nur  die  letzten  Enden  hat  der  Künstler  gewagt,  durch  einen,  freilich  nicht  plastisch, 
sondern  nur  bescheiden  in  eingegrabenen  Linien  ausgeführten  Schlangenkopf  zu 
beleben,  der  wieder  den  deutlichen  Stempel  altgriechischer  Stilisierung  trägt  und 
solchen  ähnelt,  die  wir  in  Bronze  in  Olympia  gefunden  haben.  Die  Armbänder 
späterer  Zeit  sind  bekanntlich  viel  kühner  darin,  die  einfache  technische  Form 
des  Ringes  zu  verlebendigen.  Aber  immer  bis  in  die  Spätzeit  bleiben  die 
Schlangen  das  eigentlich  klassische  Tier,  um  den  Arm  gefällig  zu  umwinden. 
Nicht  unwichtig  ist  es  hier  zu  konstatieren,  daß  Armringe  mehrfach  in  völlig 
gesicherten  Fällen  an  den  Skeletten  von  Männern,  und  zwar  solchen  mit  kriege- 
rischer Ausrüstung,  in  den  bosporanischen  Gräbern  gefunden  wurden.5 

Auch  große  Ketten  finden  sich  häufig  in  diesen  Gräbern.  Die  unsere, 
Taf.  II,  3  [19,3],  ist  freilich  besonders  stark  und  groß.  Vielleicht  sollte  einst  der 
Dolch  in  der  goldenen  Scheide  an  derselben  getragen  werden.  Dieselbe  Art 
des  Kettengeflechts  ist   ebenfalls  dort  gewöhnlich;  von   ähnlicher  Derbheit  und 


1  Z.  B.  Plin.  nat.  hist.  37, 118  (Jaspis  im  Orient  als  Amulett),  88  (Sard  am  Halse  ge- 
tragen), 135  (baetuli  und  ihre  Wunder),  51.44  (Bernstein  als  Amulett)  u.  a. 

2  Compte  r.  1877,  Taf.  2,  14  (S.  28)  unbearbeiteter  Carneol  in  Gold  gefaßt.  1876, 
Taf.  2,3.  4  (S.  111  f.)  unbearbeiteter  harter  Stein,  wahrscheinlich  Aerolith,  in  goldenen 
Ring  gefaßt.  1880,  Taf.  2,  2;  3,  11  (S.  60.  79),  Eisenerz  in  Goldringen.  Auch  an  den  in 
Gold  gefaßten  Tierzahn  aus  dem  5.  Jahrhundert  im  Compte  r.  1877,  Taf.  2,  13  (S.  11)  sei 


erinnert. 


3  Schliemann,  Mykenae  Nr.  126. 

4  Auch  Gräber  dieser  Zeit  hat  man  gefunden  in  den  Tumuli  Südrußlands;  ein  solcher 
am  Don  enthielt  z.  B.  ein  Grab  mit  Steinmesser  und  daneben  eines  mit  Bronzesachen 
und  eines  mit  Eisen  (Compte  r.  1866,  S.  XV);  ein  Tumulus  am  Dnjepr  mit  meist  leeren 
Gräbern,  darin  eine  steinerne  Lanzenspitze  (Rec.  d'ant.  de  la  Scythie  S.  34  ff.  Taf.  22,  7); 
die  Gemeinsamkeit  der  Gesamtanlagen  der  Bestattung  läßt  wohl  nicht  zu,  einen  allzu 
großen  Zeitraum  zwischen  diesen  Gräbern  und  denen  mit  Metall  und  griechischem  Ein- 
fluß anzunehmen. 

5  Compte  r.  1877,  S.  238  (Taf.  3,  34)  aus  dem  5.  Jahrhundert;  ebenda  Taf.  2,  10  aus 
einem  andern  Männergrabe.  Armband  des  „Königs"  im  Kul  Oba  Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  13,  3. 


506  Der  Goldfund  von  Vkttersfelde. 


rke   ist  eine  Annkette   mit   Schlangenköpfen   aus   dem   fünften  Jaluhundert;  * 
spater  pflegen  die  Ketten  zwar  gleichartig,  aber  viel  feiner  zu  sein.2 

Per  letzte  noch  übrige  Schmuckgegenstand,  der  Halsring  auf  Taf.  III,  3 
3]  ist  ebenfalls  wieder  ein  sehr  charakteristischer  und  bestätigt  —  wenn  es 
einer  Bestätigung  noch  bedarf  —  das  Bisherige  von  neuem.  Auch  dieser  Halsring 
gehört  zu  den  ganz  typischen  Requisiten  der  Leiche  eines  Kriegers  im  Skythen- 
lande und  seine  Form  ist  gerade  diejenige,  die  in  den  ältesten  der  dortigen 
Gräber  mit  griechischer  Ausstattung  sich  nachweisen  läßt.8  Es  ist  die  eines  ein- 
fachen, massiven  Ringes  aus  Blaßgold,  der  in  der  Mitte  anschwellt,  nach  den 
Enden  dünner  wird  und  völlig  unverziert  ist.1  Man  sollte  glauben,  daß  eine  so 
42  einfache  Form  eine  allgemeiner  verbreitete  gewesen  sein  müsse;  dennoch  konnte 
ich  unter  den  prähistorischen  Funden  Europas  keine  Halsringe  finden,  die  sich 
mit  den  unsrigen  entfernt  so  nah  berührten  wie  die  genannten  aus  Südrußland.5 
Zum  Schlüsse  haben  wir  noch  das  unscheinbarste  und  äußerlich  wertloseste 
der  Fundstücke  zu  betrachten,  nämlich  den  Wetzstein,  Taf.  II,  2  [19,  2]).  Hüten 
wir  uns  jedoch,  ihn  allzu  gering  zu  schätzen.  Auch  er  redet  als  lauter  und  wahr- 
haftiger Zeuge,  unaufgefordert,  nur  um  die  Beweise  zu  häufen.  Die  Sitte, 
einen  in  Gold  gefaßten  Schleifstein  dem  Krieger  und  Herrn  neben  seinen  übrigen 
goldenen  Waffen  und  seinem  Schmucke  mit  in  das  Grab  zu  legen,  wird  sich 
schwerlich  anderwärts  so  wiederfinden,  wie  wir  sie  gerade  im  Skythenlande  be- 
stehen sehen.  In  dem  reichen  Königsgrabe  von  Tschertomlyk  bei  Nikopol  im 
Gerrhosgebiete  lag  neben  dem  Skelett  des  Königs  nahe  der  goldenen  Schwert- 
scheide ein  Schleifstein,  der  in  der  etwas  rohen  Fassung  des  einen  Endes  mit 
unverziertem  Goldblech,  der  Durchbohrung,  der  Form  und  Größe,  kurz  in  allem 
nicht  genauer  mit  dem  unsern  übereinstimmen  könnte;6  ebenda  fand  sich  der 
goldene,  etwas  verzierte  Griff  eines  zweiten  Schleifsteines.7  Im  Sarge  des  „Königs" 
im  Kul  Oba  lag  wiederum  ein  gewöhnlicher  Wetzstein,  doch  prachtvoll  in  Gold 
gefaßt  im  edelsten  griechischen  Stile  mit  auf  das  Goldblech  aufgesetzten  Zier- 
raten. H    Und  unverzierte  Wetzsteine,  immer  derselben  Form,  kamen  in  Gräbern 

1  Compte  r.  1877,  Taf.  2,  10. 

1  Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  \2a,  1 ;  16,  5;  17,  10.  Compte  r.  1880,  Taf.  2,  9;  1,6.  Für  die 
kleinen  Schieberund  die  Kugel  auf  S.  10  vgl.Rec.d'ant.  de  laSc.  Taf.  10,9. 14. 18(Alexandropol). 

1  Compte  r.  1876,  Taf.  4,6;  1877,  Taf.3,6  (1876,  S.  XVIH);  1876,  S. XX  =  1877,  S.  221, 1, 
alle  aus  iMännergräbern,  5.  Jahrh.  Vgl.  ferner  Rec.  d'ant.  de  la  Sc.  Taf.  37,  2.  4.  7.  9  (Nikopol). 
Sehr  kunstvoll  ist  dagegen  der  Ilalsring  des  „Königs"  im  Kul  Oba:  Ant.  du  Bosph.  Taf.  8,  1. 

4  Nur  durch  die  Abplattung  und  Zusammenfügung  an  den  Knden  unterscheidet  sich 
un*er  Kxemplar,   was   jedoch  gegenüber  der  übrigen  Übereinstimmung  unwesentlich  ist. 

1  Natürlich  wird  durch  die  angezogenen  Parallelen,  wo  diese  Ringe  am  Halse  der 
Skelette  selbst  gefunden  sind,  die  auch  sonst  haltlose  Hypothese,  die  von  seiten  nordischer 
Poncho  laut  wurde,  es  iel  ein   „Kopfring",  widerlegt. 

•  Rec.  d'ant  de  la  Sc.  Taf.  37,  1   (S.  117). 
:  Hbcnda  Taf.  37,  .r>;  S.  117. 

•  Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  30,  7  (S.  208). 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde. 


507 


Südrußlands  überhaupt  oft  zu  Tage.1  Im  Königsgrabe  bei  Alexandropol  hatte 
man  eine  Nachbildung  in  Knochen  mitgegeben,  wie  ebenda  auch  knöcherne 
Pfeilspitzen  sich  fanden.2 

Indess  auch  diese  Sitte,  wie  die  oben  besprochene  Schwertform,  teilten  die 
Skythen  mit  den  ihnen  verwandten  Völkerschaften  am  Ural  und  Altai,  wo  sich 
die  Schleifsteine  gleicher  Form  und  Durchbohrung  ebenfalls  in  Gräbern  fanden.3 

Und  was  ergibt  sich  aus  all  diesem?  Der  Leser  wird  es  sich  schon  selbst 
gesagt  haben  und  ich  brauche  es  hier  nur  mit  kurzen  Worten  auszusprechen.  Immer 
klarer  und  immer  gewisser  ist  es  uns  geworden,  daß  unser  Fund  ein  einziges 
zusammengehöriges  Ensemble  bildet,  daß  er  die  Prachtausrüstung  darstellt,  die 
für  das  Grab  eines  kriegerischen  Häuptlings,  und  zwar  eines  Skythen  in  Süd-  43 
rußland  bestimmt  war,  endlich,  daß  sie  aus  einer  altgriechischen  Werkstatt 
in  den  nordpontischen  Kolonien  hervorgegangen  ist. 

Jenes  Ensemble  setzte  sich  zusammen  aus  dem  Prachtschilde  mit  dem  Fisch, 
der  großen  Zierplatte  auf  der  Brust  oder  dem  sie  deckenden  Panzer,  aus  dem 
kurzen  Schwerte  an  der  rechten  Seite  mit  goldenem  Griffe  und  goldener  Scheide, 
aus  dem  Dolche  in  goldenem  Behälter,  einer  großen  Kette  um  den  Leib,  einem 
schweren  Ringe  um  den  Hals,  einem  kleinen  um  den  Arm,  und  Anhängsel,  wohl  an 
kleineren  Kettchen,  Amulett  und  Zierstück,  endlich  einem  Schleifstein.  Nur  das 
Ohrgehänge  muß  wohl  einer  Frau  gehört  haben.  Bei  einer  Reihe  von  diesen  Dingen 
konnten  wir  die  Bestimmung  für  einen  Skythen  mit  voller  Sicherheit  nachweisen. 

Ebenso  sicher  erkannten  wir  aber  den  rein  griechischen  Charakter  aller 
Kunstarbeit  an  dem  Funde,  und  zwar  vermochten  wir  denselben  bestimmt  zu 
umgrenzen.  Die  nächsten  und  treffendsten  Analogien  fanden  wir  fast  immer  in 
den  Goldarbeiten,  die  uns  von  den  nordpontischen  Kolonien  in  griechischen  und 
skythischen  Gräbern  erhalten  sind.  Doch  erwies  sich  unser  Fund  durchweg  als  alter- 
tümlicher denn  die  bisher  dort  entdeckten  Dinge,  und  reichhaltiger  nach  seinem 
Inhalte.  Die  nächst  besten  und  überzeugendsten  Parallelen  fanden  wir  ferner 
in  der  Kunst  Kleinasiens,  namentlich  in  den  Elektronmünzen  archaischen  Stiles 
von  Kyzikos  und  anderen  kleinasiatischen  Küstenstädten;  ferner  in  der  altionischen 
Kunst  überhaupt,  und  zwar  sowohl  in  ihren  alten  östlichen  als  ihren  durch 
Kolonien  hervorgegangenen  westlichen  Sitzen  in  Italien.  Dagegen  trafen  wir 
keine  näheren  Berührungspunkte  mit  altattischer  oder  altkorinthischer  Kunst. 

Der  Fund  ist  uns  also  eine  wesentliche  Bereicherung  unserer  Kenntnis  der 
altionischen  Kunst  im  speziellen,  wie  wir  dies  von  Werken  aus  den  pontischen 
Kolonien,  wo  das  milesische  Element  das  herrschende  war,  nicht  anders  erwarten 


1  Vgl.  ebenda  S.  209. 

2  Rec.  d'ant.  de  la  Sc.  Taf.  11,  27  (S.  12)..  12  (S.  12). 

3  Vgl.  Aspelin,  Ant.  finno-ougr.  Nr.  428—430.   Compte  r.  1865,  S.  XVI  (Kurgan  am 
Altai).   Wankel,  Skizzen  aus  Kiew  (Mitt.  der  anthr.  Ges.,  Wien  1875)  S.  9,  nr.  9  (Altai). 


f„  g  Der  Goldfund  von  Vettersfklde. 

durften.  Einige  der  Formen  der  Gegenstände  sind  durch  skythische  Sitte  be- 
dingt, wie  das  Schwert  und  seine  Scheide;  aber  wie  hat  gleich  an  letzterer  der 
Grieche  die  fremde  Form  mit  griechischer  Kunstsymbolik  zu  adeln  gewußt  durch 
das  Augenpaar,  das  er  hier  anbrachte.  Der  Fisch  mit  seinen  Figurenfriesen 
könnte  manchem  als  in  der  Grundidee  barbarisch  erscheinen;  dies  ist  er  auch, 
aber  es  ist  ein  Barbarism,  der  von  der  griechischen  Kunst  der  kleinasiatischen 
Küste  aufgesogen  wurde  aus  ihren  Hinterländern,  es  ist  ein  Barbarism,  so  wie 
es  die  Fabelgestalten  von  Sphinx  und  Greif  auch  sind.  In  Phrygien  haben  sich 
die  nächsten  Parallelen  gefunden  für  die  merkwürdige  Kunstsitte,  eine  größere 
Tierfigur  mit  kleinen  Gestalten  zu  bedecken.1  Vom  inneren  Kleinasien  wurde 
wieselbe,  wie  es  scheint,  nach  den  pontischen  Küsten  übertragen.  Aber  wie  echt 
griechisch  hat  unser  Künstler  sich  hier  benommen.  Die  Wahl  des  Tieres  selbst, 
des  Fisches  mit  seinen  wenig  artikulierten,  glatten  Seitenflächen,  war  schon  eine 
glückliche,  da  diese  am  ehesten  den  Figurenschmuck  gestatteten.  Dann  hat  er 
die  organischen  Grundzüge  des  Fischleibes  wohl  respektiert,  seine  Figuren  in 
zwei  Friese  geteilt  und  diesen  ihre  bestimmten  Plätze  angewiesen.  Hier  ist  überall 
feines  künstlerisches  Berechnen,  und  dasselbe  fanden  wir  an  den  andern  Stücken. 

Auf  eine  interessante  Äußerlichkeit  müssen  wir  hier  noch  aufmerksam  machen. 
Wir  bemerkten  oben,  daß  das  Gold  unseres  Fundes  mit  Silber  legiert  ist  und 
eine  ziemlich  blasse  Farbe  hat  (mit  Ausnahme  von  Taf.  I,  2  [18,  2]).  Nun  be- 
stehen aber  auch  fast  alle  Goldarbeiten  des  älteren  Stiles,  die  in  den  südrussischen 
Gräbern  gefunden  wurden,  aus  blassem,  legiertem  Golde  von  demselben  Aus- 
sehen;-' und  dasselbe  finden  wir  bei  einer  großen  Zahl  jener  hoch  altertümlichen 
Goldsachen  aus  Kameiros  auf  Rhodos,3  solchen  von  Melos,  Delos  und  ältesten 
Gräbern  von  Athen;  auch  fügen  sich  in  diesen  Zusammenhang  die  kleinasiatischen 
Elektronmünzen  trefflich  ein;  endlich  in  Italien  finden  wir  in  der  archaischen  Zeit 
ebenfalls  das  Blaßgold  sehr  häufig.  Dagegen  verschwindet  die  Vorliebe  für  dies 
legierte  Gold  mit  der  Periode  des  freien  Stiles  durchaus. 

Wenn  wir  den  Zeitpunkt  der  Entstehung  unseres  Fundes  genauer  präzisieren 
wollen,  so  erinnern  wir  uns,  daß  all  die  Parallelen,  die  wir  aus  altgriechischen 
Werken  anzogen,  der  alten  Typik  des  sechsten  Jahrhunderts  entstammen,  wenn 
auch  die  Exemplare  nicht  immer  dieser  Zeit,  sondern  auch  der  ersten  Hälfte  des 
fünften  Jahrhunderts  angehörten,  wo  jene  Typen  noch  vielfach  beliebt  waren.   Die 

1  Milchhöfer  (Aren.  Ztg.  1883,  S.  263)  hat  bereits  auf  diese  Parallelen  hingewiesen 
und  sowohl  den  altertümlichen  Widder  mit  Figurenschmuck  aus  Phrygien  (Journal  of 
hell.  stud.  1882,  Taf.  20,  S.  25  ff.)  als  verwandte  Widderdenkmäler  viel  späterer  Zeit  in 
Armenien  zitiert. 

1  Analysen  sind  freilich  nicht  publiziert.  Ich  stütze  mich  nur  auf  das  Aussehen  der 
Objekte.     Die  Tatsache  war  mir  in  Petersburg  sofort  aufgefallen. 

1  Im  British  Museum  und  Louvre.  Bei  einigen  kleinen  Stücken  von  Rhodos  und 
Melos  im  Berliner  Museum  ließ  sich  eine  völlig  gleiche  Legierung  wie  die  an  unserem 
Funde  angewandte  konstatieren. 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde.  509 


ganze  Anschauungs-  und  Ausdruckweise,  Gedanken-  und  Formenvorrat  unseres 
Fundes  sind  ohne  Zweifel  die  des  sechsten  Jahrhunderts,  und  die  Ausführung 
dieser  Typen  zeigt,  daß  sie  nicht  mehr  jung,  daß  sie  durch  eine  lange  Tradition 
nicht  nur  gefestigt,  sondern  fast  schon  etwas  abgeschliffen  waren;  der  Löwe 
beißt  so  ruhig  in  den  Rücken  des  Hirsches  und  der  Panther  desgleichen  in  den 
des  Ebers,  die  verfolgten  Tiere  fliehen  so  regelmäßig  in  leidenschaftsloser  Ab- 
gemessenheit, daß  man  fühlt,  es  liegt  hier  eine  alte,  lange  Kunstübung  voran, 
und  andererseits  ist  die  Periode  des  individuelleren  Schaffens  noch  nicht  er- 
schienen. Und  dies  war  eben  der  allgemeine  Kunstcharakter  zu  Ende  des  sechsten 
Jahrhunderts.  Im  einzelnen  ist  z.  B.  der  Typus  des  Meerdämons  (vgl.  S.  7.  25 
[S.  472.  490])  von  hoher  Altertümlichkeit.  Der  hohe  Oberkopf,  die  weit  zurück- 
liegende Stirn,  das  ziemlich  schwache  Kinn  sind  Eigenschaften,  die  gerade  den  45 
ionischen  Kunstgruppen  des  sechsten  Jahrhunderts  besonders  eigentümlich  sind, 
und  eine  spezielle  Ähnlichkeit  mit  ihm  hat  der  weibliche  Kopf  auf  gewissen 
kleinen  Silbermünzen  der  pontischen  Kolonien.1  Dagegen  zeigen  namentlich 
die  schönen  Widderköpfe  bei  aller  Stilisierung  doch  eine  schon  fast  freie  Natur- 
wahrheit, so  daß  wir  über  das  Ende  des  sechsten  Jahrhunderts  schwerlich  hinaus- 
gehen dürfen.  Ja  noch  in  die  ersten  Dezennien  des  fünften  Jahrhunderts  könnte 
man  den  Fund  setzen,  doch  dürfte  dies  der  späteste  Termin  sein. 

Auch  die  Vergleichung  mit  den  bisher  im  südlichen  Rußland  gemachten 
ältesten  Funden,  die  in  die  erste  Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts  gehören,  lehrt, 
daß  der  unsrige  älter  sein  muß.  Den  altertümlichsten  Charakter  in  denselben  haben 
die  gestempelten  Goldplättchen  von  Gewändern,  wie  es  denn  natürlich  ist,  daß 
in  den  Stempeln  sich  das  Alte  am  längsten  erhielt.  Die  Typen  derselben  werden 
jedoch  von  unserem  Seedämon  an  strenger  Altertümlichkeit  entschieden  über- 
troffen. Ferner  ist  hervorzuheben  das  völlige  Fehlen  von  Palmettenmotiven  an 
unserem  Funde.  Die  Ornamente  sind  —  außer  der  strengen  Blüte  (Taf.  III,  1 
[20,  1].  I,  5  [18,  5])  —  nur  solche  rein  technischer  Art,  und  nähern  sich  nur  an- 
deutungsweise vegetabilischen  Formen  (Taf.  I,  2.  3  [18,  2.  3]);  ebenso  haben  die 
Zierstücke  eine  gewisse  nüchterne  Einfachheit  und  bringen  organische  Formen 
höchstens  in  der  Bescheidenheit  wie  an  dem  Armringe  an.  Ferner  fehlen  ganz 
die  gestanzten  Ornamente  und  Darstellungen;  vielleicht  ist  dies  Zufall,  aber  be- 
zeichnend ist  es  jedenfalls,  daß  die  fein  ziselierte  Arbeit,  die  wir  an  unserem  Funde 
sehen,  die  alles  Detail  sorgfältigst  einschlägt,  und  die  eben— wie  uns  altgriechische 
Bronzereliefs   des  sechsten  Jahrhunderts  so  deutlich  lehren2  —  der  archaischen 


1  Gewöhnlich  Kolchis  zugeteilt,  vgl.  Stephani  im  Compte  r.  1876,  S.  138  f.,  wo 
eines  der  etwas  barbarisierten  Exemplare  abgebildet  ist;  die  von  reinerer  Ausführung  sind 
seltener,  jedoch  z.  B.  in  der  Berliner  Sammlung  vertreten.  Außer  dem  Profil  mit  dem  hohen 
Oberkopfe  ist  namentlich  die  Behandlung  und  Anordnung  des  langen  Haares  verwandt. 

2  Vgl.  die  von  Olympia  (die  wichtigsten  bei  E.  Curtius,  Das  arch.  Bronzerelief, 
Abh.  d.  k.  Akad.  1879). 


0  Der  Goldfund  von  Vettersfelde. 

Periode  hauptsächlich  eigen  ist,  daß  diese  schon  in  den  älteren  bisherigen  süd- 
russischen  Funden  fast  ganz  fehlt. 

Dieser  Umstand  erschwert  auch  die  Vergleichung  etwas;  denn  es  ist  natür- 
lich, daß  in  gestanzter  Arbeit  die  Formen  eine  gewisse  Flauheit  und  Weichheit 
bekommen,  wahrend  die  treibende  und  dann  fein  ziselierende  Technik  zu  schärferer 
Begrenzung  und  größerer  Straffheit  führt. 

Doch  wenn  ich  auch  dies  in  Rechnung  ziehe,  bleibt  für  mein  Gefühl  doch 
noch  ein  Unterschied  bestehen,  indem  ich  hier  —  in  den  südrussischen  Funden 
des  fünften  Jahrhunderts  —  die  echte,  breite,  weiche  und  doch  wieder  derbe 
Manier  altionischer  Kunst  sehe,  während  unserem  Funde  eine  gewisse  nüchterne, 
strengere  und  elegantere  Ausdrucksweise  eigen  ist,  so  daß  ich  mich  gefragt 
habe,  ob  etwa  das  zweite  neben  dem  ionischen  am  Pontos  vertretene  Element, 
das  dorisch-megarische,  hier  seine  Einwirkung  hinterlassen  habe,  wozu  ja  auch 
der  Seedämon,  der  Halios  Geron  so  wohl  passen  würde? 

Indess  bevor  wir  hier  nicht  mehr  Material  zur  Verfügung  haben,  begnügen 
wir  uns  mit  dem  sicher  Festgestellten,  daß  nämlich  die  Hauptgrundlage  unseres 
Fundes  eine  ionische  ist.  Bei  der  Vergleichung  aber  mit  den  bisherigen  süd- 
russischen müssen  wir  noch  einen  Punkt  ins  Auge  fassen,  nämlich  das  Verhältnis 
zu  skythischer  Sitte  und  skythischer  Kultur. 

Es  ist  nämlich  höchst  bemerkenswert,  daß  unser  Fund,  als  der  bis  jetzt 
älteste  seiner  Art,  einerseits  in  allen  seinen  Teilen  den  reinsten  griechischen 
Kunstcharakter  trägt,  und  andererseits  auch  die  durch  skythische  Sitte  erforderten 
Formen  wie  Schwert  und  Scheidenbeschlag  am  genauesten  wiedergibt.  Man 
sieht,  es  ist  die  noch  unvermischte  und  durch  keine  nähere  Berührung  mit  den 
Barbaren  getrübte  Kunst,  wie  sie  die  Kolonisten  von  Ionien  gebracht;  doch  sie 
arbeitet  nach  Aufträgen  skythischer  Großen,  deren  Bedürfnisse  sie  befriedigen 
muß.  Etwas  anders  ist  dies  schon  in  den  bisher  ältesten  Funden  der  pontischen 
Gegenden,  wo  sich  bereits,  und  zwar  nicht  etwa  in  den  geringen  Dingen,  wie 
dem  Pferdegeschirr,  dessen  Anfertigung  offenbar  von  Anfang  an  in  der  Regel 
in  skythischen  Händen  war  und  deshalb  fast  immer  barbarisch  ist,  sondern  in 
den  Stücken  griechischer  Arbeit  eine  gewisse  Verwilderung  hier  und  da  bemerk- 
lich macht.1  Diese  steigert  sich  späterhin  und  neben  den  rein  griechischen 
Sachen  tauchen  immer  mehr  die  Erzeugnisse  einer  barbarisierenden  Kunst  auf, 
die  auf  Mischung  von  Griechen  und  Skythen  deutet,  wie  sie  ja  in  der  Tat  nach 
dem  Zeugnis  pontischer  Inschriften  stattgefunden  hat;  bald  ist  es  nur  eine 
Verwilderung  der  griechischen  Motive,"  bald   eine  völlig  barbarische  Benutzung 

1877,  Taf.  1,  8  und  besonders  2,  6;  3,  27.  31. 
'   B.  ComptC  r.  1864,  Taf.  5,  3.  4.  5.   Rec.  d'ant.  de  la  Sc.  Taf.  36  (Nikopol).   Audi 
die  Sdrwertscheidc   vom  Kul  Oba   (Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  26,  2)  hat  schon  etwas  derart; 
die  CtrtenkbiMung    erinnert   an  orientalischen  Stil;   wenn   die  Inschrift  Hol 'IS. WO  den 

o  war  er  dem  Namen  nach  ein  präzisierter  Skythe  oder  skythisierter 
Hellene,  wohl  eher  letzteres,  da  das  Werk  rein  griechischen  doch  sehr  nahe  kommt. 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde.  §\\ 


derselben,1  und  in  letzterer  Gattung,  die  offenbar  skythischen  Arbeitern  selbst  zu- 
zuschreiben ist,  scheint  sich  auch  einiges  zu  finden,  das  überhaupt  ungriechischen, 
skythischen  Ursprungs  ist;  wir  haben  dies  oben  von  einem  gewissen  Hirschtypus 
wahrscheinlich  gemacht  (S.  20  [S.  485]),  denn  man  darf  schwerlich  annehmen, 
daß  die  Skythen  vor  ihrer  Berührung  mit  den  Griechen  ganz  ohne  Kunst  gewesen 
seien.2  Namentlich  der  verschiedenartige  Inhalt  der  so  reichen  Gräber  im  Kul  47 
Oba  bei  Kertsch  und  dem  Tumulus  von  Tschertomlyk  bei  Nikopol  bieten  Bei- 
spiele für  all  diese  drei  Arten,  die  rein  griechische,  die  mixhellenische,  um  sie  so 
zu  nennen,  und  die  skythische. 

Die  griechischen  Gold-  und  Silberarbeiten  aber  dürfen  wir  speziell  als  ionisch- 
griechisch bezeichnen;  denn  daß  sie  von  den  ionischen  Kolonisten  gefertigt  wurden 
aus  den  reichen  Goldmassen,  die  vom  Ural  dahin  flössen,  und  daß  sie  nicht 
etwa  von  außen  importiert  wurden,  ist  ja  völlig  außer  Zweifel.  Wenn  man  den- 
noch sich  gewöhnt  hat,  bei  den  südrussischen  Arbeiten  nur  von  attischem  Einfluß 
oder  gar  direkt  attischer  Kunst  zu  sprechen,  so  kann  ich  dies  nur  aus  jener  ein- 
seitigen Voreingenommenheit  erklären,  gegen  die  ich  mich  schon  bei  anderer 
Gelegenheit  einmal  gewandt  habe  und  die  in  unserem  Falle  so  weit  geht,  daß 
z.  B.  Stephani  einmal,  selbst  ein  ausdrückliches,  inschriftliches  Zeugnis  ionischen 
Ursprungs  verkennend,  nur  an  attische  Kunst  denkt.3  An  den  Sachen  des 
älteren  Stiles  ist  der  kleinasiatisch-ionische,  zum  attischen  vielfach  im  Gegensatze 
stehende  Charakter  ganz  evident  und  wir  hatten  im  Verlaufe  dieser  Untersuchung 
oft  Gelegenheit,  darauf  hinzuweisen.  Daß  nun  aber  späterhin  die  ansässigen 
ionischen  Goldschmiede  sich  ihr  ganzes  Geschäft  und  ihre  alten  Beziehungen 
durch  attischen  Import  oder  attische  Einwanderer  hätten  ruinieren  lassen,  scheint 
mir  schon  an  sich  wenig  wahrscheinlich.  Und  in  der  Tat  läßt  sich  auch  nur  attischer 
Einfluß  und  dieser  erst  seit  Ende  des  fünften  Jahrhunderts,  aber  nicht  attische 
Arbeit  nachweisen.4  So  scheint  in  der  Ornamentik  ein  bedeutenderer  attischer 
Einfluß  wahrscheinlich  zu  sein  und  es  wird  der  Kopf  der  Parthenos  des  Phidias, 
der  überhaupt  sehr  populär  wurde,  auch  hier  nachgeahmt,  ja  selbst  Motive  von 
attischen  Grabreliefs  dringen  ein,   doch   werden   sie  freilich  ganz  willkürlich  be- 


1  Aus  dem  Kul  Oba  z.  B.  Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  30,  10.  31,  7  (der  Griff).  Schwert- 
griffe von  Nikopol  (Rec.  d'ant.  Taf.  37,  3;  40,9.  12.  14)  u.a.  Die  Bronzesachen  sind 
immer  barbarisch. 

2  Worauf  wohl  die  Tradition  beruhte,  daß  ein  Skythe  Lydos  das  Erz  zu  schmelzen 
und  zu  mischen  erfunden  habe?  (Aristot.  bei  Plin.  nat.  hist.  7,  197). 

3  Eine  gewebte  Decke  aus  einem  Grabe,  das  ans  Ende  des  5.  Jahrhunderts  zu  setzen 
ist,  mit  Figurenfriesen  hat  unter  andern  Inschriften  auch  die  speziell  ionische  Form  'A0>j- 
vairj;  dennoch  ist  sie  nach  Stephani,  Compte  r.  1878/79,  S.  123  attisch  (zu  Taf.  4).  Vgl. 
im  allgemeinen  Arch.  Ztg.  1882,  S.  350.  363. 

4  Eine  Silberschale  aus  dem  Kul  Oba  (Antiqu.  du  Bosph.  Taf.  37,  4)  trägt  die  ionische 
Inschrift  EPMEÜ.  Nach  ihrer  Form  gehört  die  Schale  zu  den  spätesten  Sachen  des 
Kul  Oba. 


;i2  n i-  r  Goldfund  von  Vettersfelde. 

handelt.1  Das  ideale  Gebiet  ist  überhaupt  nicht  das  dieser  Goldschmiede;  sie 
feiern  ihre  Triumphe  in  den  realistischen  Darstellungen11  und  den  phantasie-  und 
-chmackvollcn  Schmuckgegenständen.  Dagegen  möchte  man  allerdings  bei 
den  herrlichen  Zeichnungen  auf  Elfenbein  und  Holz,  die  zu  dem  Schönsten  ge- 
hören, das  wir  überhaupt  aus  der  Antike  besitzen,  an  Athen  denken.  Das  Gebiet 
48  aber,  auf  dem  attische  Industrie  im  fünften  und  vierten  Jahrhundert  sicher  den 
Weltmarkt  beherrschte,  war  die  bemalte  Töpferware;  doch  auch  diese  kommt  in 
Masse  erst  im  vierten  Jahrhundert  nach  den  pontischen  Gestaden,  von  denen 
aus  sie  dann  selbst  weit  ins  Innere  des  Landes  nach  der  Gegend  von  Kiew 
wanderte.  Mit  ihr  kamen  im  vierten  Jahrhundert  aus  Athen  auch  die  Terrakotta- 
statuetten für  die  Gräber,  deren  attischer  Ursprung  größtenteils  unverkennbar 
ist.  Im  dritten  Jahrhundert  herrscht  indess  auch  in  den  südrussischen  Kolonien 
jene  xotyrj,  die  weder  ionisch  noch  attisch  mehr  ist.3 

Wir  mußten  etwas  weit  ausholen,  um  unseren  Fund  in  seine  richtige  Be- 
leuchtung zu  stellen  und  in  seinen  historischen  Zusammenhang  einzureihen.  Er 
stellte  sich  uns  dar  als  am  Anfange  einer  langen  Reihe  von  Arbeiten  kunst- 
sinniger Griechen  im  Lande  der  Skythen  stehend,  und  zwar  als  eines  der  glän- 
zendsten und  bedeutendsten  Denkmale  der  ganzen  Folge.  Daß  gar  manches 
noch  lückenhaft  und  unvollkommen  in  meinen  Ausführungen  bleibt,  ist  mir  sehr 
wohl  bewußt.  Es  galt  mir  auch  nur  unseren  merkwürdigen  Fund  einmal  im 
großen  und  ganzen  an  seine  richtige  Stelle  zu  setzen,  und  ich  bin  gewiß,  daß 
noch  eingehendere  Studien,  namentlich  des  in  russischen  Sammlungen  Vorhan- 
denen, und  dann  vor  allem  weitere  Ausgrabungen  und  Funde  gar  manches  von 
dem,  was  ich  hier  zu  bestimmen  versucht,  erweitern  und  verbessern  werden. 

III. 

DER  FUNDORT 

Wie  kam    nun   aber   unser  Fund  nach  Vettersfelde?     Ich  kann  diese  Frage 
kurz  beantworten:  wir  wissen  es  nicht  und  können  es  auch  nicht  wissen,  nicht 
•imal  vermuten,  höchstens  ahnen. 

Alle  Studien,   die   ich   nach  dieser  Seite   hin  anstellte,  hatten   nur  negative 
ultate,  und  ich  kann  deshalb  mit  wenigen  Worten  darüber  berichten. 

1  Auf  dem  Goryt  glaube  ich  solche  Entlehnungen  erkennen  zu  müssen.   Einen  mytho- 
n  Sinn  wird  man  den  Darstellungen  schwerlich  abgewinnen  können;   sie  sehen 
aus  wie  aus  dem  Skizzenbuche  des  Künstlers  willkürlich  zusammengetragen.   Ein  Attiker 
wäre  dessen  wohl  nicht  fähig  gewesen. 

Namentlich  den  prachtvollen  Skythenbildern;   auch  Compte  r.  1867,  Tat  1,13  die 
hen  Böcke  und  Schafe  gehören  zum  Besten   (es  ist  ein  relativ  älteres  Stück  aus 
Blaf 

npter.  1880,   Taf.  1  -3,   Gräber   aus   der   Mitte   des   3.  Jahrhunderts.     Attische 
■  n  fehlen  schon  völlig. 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde.  513 


Die  große  Schwierigkeit,  die  unser  Fund  allen  Erklärungsversuchen  seiner 
Herkunft  entgegensetzt,  ist  seine  Integrität  und  seine  so  deutlich  ausgesprochene 
Bestimmung.  Es  ist  die  vollständige  Prachtausrüstung  eines  skythischen  Großen 
und  eine  solche  kann  schon  niemals  Gegenstand  eines  normalen  Handels  und 
gar  in  so  ferne  Gegenden  gewesen  sein.  Nur  ein  Skythe  konnte  diese  Sachen  49 
gebrauchen  und  gewiß  konnten  sie  niemals  auf  Wegen  des  Handels  als  Tausch- 
objekt und  zu  erwerbenden  Gewinnes  wegen  den  einfachen  Bewohnern  der 
sumpfigen  Wälder  der  Lausitz  zugetragen  werden. 

Wenn  jemand  aber  doch  die  Möglichkeit  aufrecht  erhalten  möchte,  daß  der 
Fund  durch  Handel  gekommen,  so  ist  ihm  zu  antworten,  daß  ein  Handel  nach 
der  Oder  von  den  griechischen  Kolonien  des  Schwarzen  Meeres,  von  wo  er 
stammt,  im  Altertum  überhaupt  nicht  existierte  oder  wenigstens  bis  jetzt  trotz 
aller  Bemühungen  in  keinerlei  sicheren  Spuren  hat  nachgewiesen  werden  können.1 
Die  griechischen  Funde  gehen  nördlich  von  der  Küste  kaum  über  Kiew  hinaus; 
nur  ganz  vereinzelt  kommt  nördlicher  ein  versprengtes  Stück  zu  Tage.2  Nach  Nord- 
westen jedoch  gehen  die  Funde  noch  viel  weniger  weit.  Ein  lokaler  Salzhandel 
von  den  Salzlimanen  der  Küste  mag  unter  den  Barbaren  gewiß  bis  weit  herein 
bestanden  und  sich  auf  den  von  Sadowski8  geschilderten  Wegen  bewegt  haben; 
aber  griechische  Produkte  blieben  diesem  Handel  fern. 

Namentlich  ist  aber  die  Vorstellung  eines  bedeutenden  alten  Bernsteinhandels, 
der  vom  Samlande  an  der  Ostsee  zu  den  Griechen  am  Schwarzen  Meere  ge- 
gangen sei,  eine  unrichtige.  Sie  wird  schon  widerlegt  durch  die  Tatsache,  daß 
der  Bernstein  nur  in  ganz  seltenen  Fällen  und  dies,  wie  es  scheint,  nur  in  relativ 
späteren  Gräbern  in  Südrußland  gefunden  wurde;4  auch  hat  man  nachgewiesen, 
daß  der  Geschmack  der  Griechen  den  Bernstein  während  der  klassischen  Periode 
überhaupt  nicht  hoch  schätzte  und  kaum  verwandte.5  Es  hatte  also  gar  keinen 
Reiz  für  griechische  Handelsleute,  sich  oder  ihren  Produkten  den  Weg  nach  der 
fernen  Ostsee  zu  bahnen. 

Damit  steht  nun  auch  das  bekannte  Zeugnis  Herodots  im  Einklang,  der,  ob- 
wohl er  in  Skythien  war,  den  Bernstein  nur  kennt  als  durch  fernen  Seeverkehr 
kommend,6  sowie  namentlich  die  aus  Herodot  zu  entnehmende  Tatsache,  daß 
die  ethnographische  Kenntnis  der  Griechen   am  Pontos  und  ihr  Handelsverkehr 

1  Vgl.  über  die  Fragen  zuletzt  Qenthe  in  den  Verh.  der  Philologenversammlung  zu 
Karlsruhe,  1882,  S.  17  ff. 

2  Ein  solches  nördlich  bis  ins  Pskower  Gouvernement  versprengtes  Stück  ist  die 
offenbar  archaisch  griechische  getriebene  Bronzevase  in  Kopfform,  dieWankel  (Sk.  aus 
Kiew,  in  Mitt.  d.  anthr.  Ges.,  Wien  V,  S.  9,83;  vgl.  S.  17)  in  offenbar  entstellender  Skizze 
mitteilt. 

3  v.  Sadowski,  Handelsstraßen  der  Griechen  etc.,  übersetzt  von  A.  Kohn. 

4  Compte  r.  1859,  S.  XI.   1867,  S.  XXI.   1880,  Taf.  2,  12  (S.  15,  30). 

5  W.  Heibig,  II  commercio  dell'ambra  (Accad.  dei  Lincei  1877). 

6  Vgl.  Müllenhoff,  Deutsche  Alterthumskunde  I,  S.  212  ff. 

A.  Furtwängler.    Kleine  Schriften  I.  "" 


514  Der  Goldfund  von  Vettersfelde. 

ir  nach  Nordosten  ziemlich  weit  sich  vorgeschoben  hatte,  da  dort  die  Geld- 
quellen des  Ural  lockten,  daß  aber  nach  Norden  und  namentlich  nach  Nord- 
westen ihre  Kenntnis  nicht  über  das  nächste  hinausging.1 

Dagegen  hat  man  anscheinend  mit  mehr  Recht  von  der  makedonischen  Küste 
50  herauf  eine  Landverbindung  mit  dem  Norden  in  Spuren  konstatiert,2  die  aller- 
dings nur  in  griechischen  Münzen,  nicht  etwa  griechischen  Kunstarbeiten  be- 
stehen und  die  meist  erst  der  Zeit  nach  Alexander  angehören.  In  Ungarn  und 
Siebenbürgen  sind  Münzen  von  Thasos,  auch  Apollonia  und  makedonischen 
Königen  nicht  selten  und  von  da  gehen  dünne  Spuren  auch  nach  dem  Weichsel- 
gebiete. Der  berühmte  Fund  von  Schubin,  eine  Anzahl  archaische,  gewöhnlich 
Athen,  neuerdings  Euböa  zugeschriebene  kleine  Silbermünzen  wird  denselben 
Weg  gekommen  sein,  etwa  von  der  Chalkidike.  Indess  hat  Friedländer  nach- 
gewiesen, daß  dem  Funde  die  volle  Beglaubigung  fehle  und  er  als  wissenschaft- 
lich sichere  Tatsache  nicht  gelten  darf.3 

Doch  da  unser  Fund  ja  in  die  nordpontischen  Gegenden  gehört,  so  berührt 
uns  der  eben  erwähnte  Handelsweg  überhaupt  nicht.  Nur  das  will  ich  noch 
hervorheben,  daß  auch  ich  keinerlei  sichere  Spuren  einer  direkten  Einwirkung 
von  Griechenland  her  in  den  Altertümern  unseres  Nordens  habe  finden  können, 
wie  dies  bei  der  Annahme  lebhafteren  Handelsverkehrs  doch  der  Fall  sein  müßte. 
Ich  sehe  hier  natürlich  ab  von  den  auch  für  Griechenland  vorhistorischen  Zeiten, 
da  es  eine  eigentlich  griechische  Kunst  noch  nicht  gab;  da  scheinen  allerdings  starke, 
verbindende  Fäden  vom  Süden  durch  Ungarn  nach  dem  hohen  Norden  zu 
gehen.*  Doch  aus  dem  historischen  Griechenland  lassen  sie  sich  nicht  nach- 
weisen. Die  Spuren  der  klassischen  Kultur  in  importierten  oder  im  Anschlüsse 
an  solche  gearbeiteten  Dingen  weisen  auch  im  Osten  Deutschlands,  im  Gebiete 
der  Oder  und  Weichsel  überall  nur  auf  den  von  Oberitalien  über  die  Alpen 
kommenden  Strom.6     Die   beiden   sichern  Bernsteinhauptstraßen   vom   Norden, 

1  Vgl.  Her  od.  IV,  24  f.    Neu  mann,   Hellenen  im  Skythenlande  S.  128  f.  207.  210. 

1  Vgl.  Genthe  a.  a.  O.  S.  27. 

1  Vgl.  Friedländer  in  v.  Sallets  Num.  Zeitschr.  V,  S.  213  ff.  Die  Angaben  über 
Funde  griechischer  Münzen  im  östlichen  Deutschland,  Polen  und  dem  Ostseegebiete 
bedürfen  auch  nach  Ausscheidung  der  bekannten  Fälschungen  alle  noch  sehr  der  kri- 
tischen Sichtung.  Die  letzten  Verzeichnisse  derselben  s.  bei  Heibig  a.  a.  O.  S.  9. 
Ocnthc  a.a.O.  S.  23.  Undset,  Auftreten  des  Eisens  S.  175  ff.  (vgl.  S.  506).  Hinzu- 
zufügen ist  v.  Sallets  Num.  Zeitschr.  VI,  S.  137  und  Polnische  Corresp.,  Posen  1883, 
14.  April  und  28.  April. 

*  Vgl.  zuletzt  Sophus  Müller,  Den  europaeiske  Bronzealders  oprindelse  (Aarbörger 
for  nord.  Oldk.  1882,  S.  279  ff.). 

•  Vgl.   jetzt  hauptsächlich   das  Werk   von  Undset,   Auftreten  des  Eisens  in  Nord- 
pa,    1882,   das   eine  Übersicht   des  vorhandenen  Materials   bietet.     Sein  Resultat   ist 

dasselbe,  das  oben  angedeutet  wurde  und  das  von  seiten  der  klassischen  Archäologie  nur 
bestätigt  werden  kann.  Auch  die  griechischen  Vasen,  die  zuweilen  im  Norden  gefunden 
werden    schon  protokorinthische  in  Bayern,  s.  Lindenschmit,  Alt.  d.  Vorz.  III,  7  Taf.  1, 


Der  Goldfund  von  Vettersfelde.  515 


einerseits  nach  der  Pomündung,   andererseits  nach  Massilia,  waren  für  die  Be-  51 
fruchtung  des  Nordens  mit  Keimen  klassischer  Kultur  von  der  sichtlichsten  Be- 
deutung,  während   die  vermuteten  Handelsstraßen   nach  Griechenland   oder  gar 
nach  dem  Schwarzen  Meere  gar  keine  Einwirkung  zurückgelassen  hätten. 

Wir  kehren  zu  unserem  Funde  zurück  und  fragen  nun:  wenn  er  nicht  durch 
Handel  gekommen  sein  kann,  kam  er  vielleicht  durch  Raub,  vielleicht  sogar 
erst  in  recht  junger  Zeit?  Haben  ihn  die  Stürme  der  Völkerwanderung  oder 
noch  spätere  Raub-  und  Beutezüge  von  Südosten  dahin  geweht?  Die  Kurgane 
Südrußlands  sind  ja  schon  seit  alter  Zeit  offenbar  eine  Lockung  für  goldgierige 
Plünderer  gewesen;  kam  unser  Fund  dann  etwa  von  Hand  zu  Hand  nach  manchem 
blutigen  Schicksale  endlich  im  Boden  von  Vettersfelde  zur  Ruhe? 

So  möglich  solche  Gedanken  an  sich  scheinen,  so  sehr  sprechen  doch  Tat- 
sachen dagegen.  Es  ist  die  fast  unberührte  Integrität  unseres  Fundes,  die  jene 
Annahmen  uns  verbietet.  Denn  wäre  es  nicht  ein  Wunder  zu  nennen,  wenn  ein 
aus  Golddurst  geraubter  Schatz  so  rein  und  unvermindert  zirka  200  Meilen 
weit  gelangt  wäre,  ohne  daß  sich  irgend  etwas  Fremdes,  auch  nur  irgend  ein 
kleines  Stückchen  aus  einem  anderen  Raube  oder  aus  der  Zeit  des  Räubers  hätte 
beigemischt  und  ohne  daß  die  für  diesen  völlig  wertlosen  Stücke  des  Fundes 
verloren  gegangen  wären?  Denn  selbst  der  Schleifstein,  dieser  unnütze  Ballast, 
ist  in  seiner  ganzen  Länge  erhalten,  während  doch  nur  sein  so  leicht  abzubrechen- 
der Griff  Wert  hatte.  Und  so  ist  ja  auch  der  Dolch,  der  nur  aus  Eisen  be- 
stand, noch  vorhanden,  und  selbst  ein  so  kleines  Stückchen,  wie  der  Bronze- 
beschlag, Taf.  III,  4  [20,  4],  ist  nicht  verloren.  Und  wie  intakt  sind  die  Stücke 
selbst.  Wenn  nicht  Feuer  dieselben  mehrfach  beschädigt  hätte,  würde  man 
glauben,  sie  seien  eben  aus  der  Werkstatt  gekommen;  da  ist  auch  nirgends  die 
Spur  vom  Abgreifen  und  Abschleifen  durch  viele  Hände:  der  Weg  nach  Vetters- 
felde muß  ein  rascher  und  kurzer  gewesen  sein. 

Aber  welcher  und  wann?  Hier  liegt  das  Rätsel,  das  Geheimnis  des  Fundes, 
das  wir  ihm  zu  entlocken  kaum  je  im  Stande  sein  werden.  Hier  hat  die  Wissenschaft 
ein  Ende  und  es  ist  nur  ein  Gedanke,  eine  Frage  an  das  stumme  Rätsel,  wenn  ich 
zum  Schlüsse  an  etwas  erinnere,  das  vielleicht  der  Schlüssel  dazu  sein  könnte. 


3—6  [vgl.  oben  S.  391  Anm.  7];  altkorinthische  auf  der  Rheinstraße,  und  spätere;  die  nörd- 
lichste wohl  die  von  Freisdorf  in  Hannover,  die  öfter  abgebildet  ist,  zuletzt  beiUndset, 
S.  276),  zeigen  schon  durch  ihr  Verbreitungsgebiet,  daß  sie  über  Italien  kamen.  Gerade 
in  der  Lausitz  und  ihrer  Umgebung  sind  Zeugnisse  der  sog.  Hallstattkultur  häufig;  am 
sichersten  und  bedeutendsten  sind  die  gewellten  Bronzecisten,  die  bekanntlich  östlich 
bis  Posen  vorkommen.  Eine  in  Schlesien  und  Posen  lokalisierte  eigene  Gattung  feiner 
und  mit  ursprünglich  glänzender  roter  und  brauner  Farbe  bemalter  Gefäße  (vgl.  Unds et 
S.  67  ff.  80  ff.  94  ff.;  Bus chi ng,  Heidn.  Altert.  Schlesiens  Taf.  10,  4.  5;  1,  1.  2.  Zeitschr. 
für  Ethnol.  VI,  Taf.  15;  Herr  Geheimrat  Virchow  hat  mir  seine  reiche  Sammlung  dieser 
Gattung  zu  studieren  verstattet)  scheint  ebenfalls  nach  Südwesten  zu  die  nächsten  An- 
knüpfungen zu  haben. 

33* 


516  Der  Goldfund  von  Vettersfelde. 

Wir  bestimmten  als  Verfertigungszeit  unseres  Fundes  ungefähr  das  Ende  des 
hsten  Jahrhunderts.  Ist  es  nicht  seltsam,  daß  gerade  um  dieselbe  Zeit  ein 
machtiger  Strom  pontischer  Skythen  sich  nach  Norden  und  Nordwesten  wälzte? 
Vom  Heere  des  Darius  von  der  Donau  her  bedroht,  und  um  denselben  von 
der  Küste  weg  ins  Innere  zu  locken,  zogen  die  Skythen  ja  damals  mit  allem 
W9S  sie  hatten,  nordwestlich  und  rissen  die  benachbarten  Stämme  mit  sich.  All 
ihre  Habe  und  die  Kinder  und  Frauen  schickten  sie  mit  den  Wagen  voran  und 
ihnen  selbst  scheint  es  gelungen  zu  sein,  die  Perser  sogar  bis  in  die  Gegend 
des  Quellgebietes  von  Dnjepr  und  Bug  zu  locken.1  Liegt  hier  nicht  vielleicht 
ein  Fingerzeig,  wenn  wir  den  Skythen  selbst  wenigstens  auf  halbem  Wege  nach 
Ycttersfelde  begegnen,  und  war  unser  Fund  die  neue  Prachtausstattung  eines 
Häuptlings,  die  er  zu  retten  suchte? 

Wir  dürfen  wohl  mit  einer  Frage  schließen,  nachdem  uns  der  Weg  bis  dahin 
auch  feste  Resultate  gebracht  hat,  die  unseren  sicheren  Besitz  in  so  merkwürdiger 
Weise  erweitern. 


1  Herod.  IV,  121  ff.   und   die   Kritik  bei   Duncker,  Gesch.  d.  Alterth.  IV,  5.  Aufl. 
S.  505  ff. 


TAFEL  1. 


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TAFEL  2. 


DUE  TESTINE 

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BRONZO 


Furtwängler:     Kleine  Schriften  I. 


TAFEL  3. 


TECA  DI  SPECCHIO. 


rtwängler:     Kleine  Schriften  T. 


TAFEL  4. 


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BRONZESTATUETTE  AUS  PERGAMON  IN  BERLIN. 


A.  Furtwängler:  Kleine  Schriften  I. 


TAFEL  5. 


MARMORTORSO  IN  BERLIN. 


A.  Furtwängler:  Kleine  Schriften  I. 


TAFEL  6. 


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I.  MARMORSTATUE,  LONDON. 


8.  MARMORSTATUE,  NEAPEL. 


3.  MARMORSTATUE,  NEAPEL. 


4.  WANDGEMÄLDE,  POMPEI.         5.  BRONZESTATUETTE,  BERLIN.        fi.  WANDGEMÄLDE,  POMPEI. 


urtwängler:     Kleine  Schiiften  I. 


CRATERE  TROVA' 


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TAFEL  7 


O  FILACCIANO. 


TAFEL  H. 


CRATERE   RAPPRESENTANTE  BACCO   ED  ARIANNA. 


""njler:     Kleine  Schriften  I 


L  10. 


irtwängler: 


TAFEL  9. 


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1.  2.  DUE  VASI  RAPPRESENTANTI  SATIRI  E  BACCANTI. 
3.  PANSBÜSTE  AUS  ATHEN. 


lr'"«änglei:     Kleine  Schiifun  I. 


TAFEL  10. 


BRONZE  AUS  OLYMPIA. 


A.  Furtwängler:     Kleine  Schriften  I. 


TAFEL   II 


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FRAGMENT  EINES  SARKOPHAGS  IN  BERLIN 


KOPF  AUS  DEM  OLYMPISCHEN  WESTGIEBEL 


urtwängler:  Kleine  Schriften  I 


TAFEL    12 


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TAFEL  15 


ARCHAISCHER  GOLDSCHMUCK  AUS  KORINTH 


A.  Furtfrängler:  Klein«  Schriften  I 


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TAFEL  16. 


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'SCHMUCK 

ELOS  (9,10),  DELOS  (II,  12) 


TAFEL  17 


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ARCHAISCHER  GOLDSCHMUCK 

1.  AUS  ATHEN.    2.  AUS  ETRURIEN 

A.  Furtwängler:  Kleine  Schriften  I 


TAFEL  18 


GOLDFUND  VON  VETTERSFELDE 


Furtwängler:  Kleine  Schriften  I 


TAFEL  ig 


GOLDFUND  VON  VETTERSFELDE 


A.  Furtwängler:  Kleine  Schriften  I 


TAFEL  20 


GOLDFUND  VON  VETTERSFELDE 


A.  Furtwängler:  Kleine  Schriften  I 


Münchener  Archäologische  Studien 

Dem  Andenken  Adolf  Furtwänglers  gewidmet 

Mit  96  Abbildungen  und  16  Tafeln  Gebunden  M  25. 

Inhalt:  I.  Merkantile  Inschriften  auf  attischen  Vasen.  Von  Dr.  RUDOLF  HACKL.  —  II.  Römische  weibliche 
Gewandstatuen.  Von  Dr.  ANTON  HEHLER.  —  III.  Griechische  Schilde.  Von  Dr.  GEORG  LIPPOLD.  — 
IV.  Das  Knielaufschema  und  die  Darstellung  des  Laufens  und  Fliegens  in  der  älteren  griechischen  Kunst. 
Von  Dr.  EDUARD  SCHMIDT. 

Die  hier  vereinigten  vier  Arbeiten  von  Schülern  Adolf  Furtwänglers  sind  noch  unter  der 
Anregung  und  Mitwirkung  des  berühmten  Münchener  Archäologen  entstanden.  Die  Ver- 
fasser haben  sich  entschlossen,  ihre  Arbeiten  in  einem  Bande  zu  vereinigen  und  dem 
Andenken  ihres  Lehrers  zu  widmen.  Die  behandelten  Gegenstände  liegen  teilweise  auch 
im  engeren  Interessenkreise  des  humanistischen  Gymnasiums,  so  daß  der  mit  Anschauungs- 
material reich  versehene  Band  den  Bibliotheken  und  Lehrern  dieser  Anstalten  als  ein  wert- 
volles Lehrmittel  willkommen  sein  dürfte. 

Altgriechische  Plastik 

Eine  Einführung  in   die  griechische  Kunst  des  archaischen  und  gebundenen  Stils 

von  Dr.  W.  LERMANN 

Mit   80  Textbildern  und  20  farbigen  Tafeln,  enthaltend  Nachbildungen 
von  Gewandmustern  der  Mädchenstatuen  auf  der  Akropolis  zu  Athen. 

In  Leinwand  gebunden  M  25. —  In  feinem  Halbfranzband  M  30.— 

„Meine  Anzeige  dieses  Werkes  hat  vor  allem  die  Bedürfnisse  der  Schulmänner  zu  berück- 
sichtigen, für  die  ja  Lermann  ausdrücklich  auch  geschrieben  haben  will.  Da  stehe  ich  nicht  an, 
zu  erklären,  daß  er  uns  ein  vortreffliches  Hilfsmittel  geboten  hat,  unsere  Kenntnisse  dieser 
ältesten  Epoche  griechischer  Kunst  aufzufrischen  und  nach  dem  neuesten  Stande  der  Wissen- 
schaft zu  erweitern.  Es  ist  zu  wünschen,  daß  das  Buch  in  unsre  Anstaltsbibliotheken  ein- 
gereiht und  recht  fleißig  benützt  wird.  Freilich  kann  in  archäologischen  Vorträgen  die  alte 
Zeit  nur  kurz  gestreift  werden,  aber  das  Studium  eines  solchen,  die  Stilentwicklung  besonders 
betonenden  Buches  wird  für  den  Lehrer  stets  lehrreich  sein  und  ihm  zugute  kommen  bei 
Erläuterung  der  Kunstwerke  späterer  Zeit."     Blätter  für  das  bayeriscfie  Gymnasialwesen. 

Athenatypen  auf  griechischen  Münzen 

Beiträge  zur  Geschichte  der  Athena  in  der  Kunst 
von  Dr.  W.  LERMANN 

VI,  92  Seiten  gr.  8°  mit  zwei  Münztafeln  Geheftet  M  3.50 

Kordax 

Archäologische  Studien  zur  Geschichte  eines  antiken  Tanzes 

und  zum  Ursprung  der  griechischen  Komödie 

von  HEINZ  SCHNABEL 

IV,  66  Seiten  8°  mit  2  Tafeln  Geheftet  M  3.— 


C.  H.  Beck'sche  Verlagsbuchhandlung  Oskar  Beck  in  München 


Archäologie  der  altchristlichen  Kunst 

von  Dr.  VICTOR  SCHULTZE,  Professor  an  der  Universität  Greifswald 

XU.  382  Seiton  gr.8°  Mit  120  Abbildungen  Geheftet  M  10.— 

An  einem  zusammenfassenden  und  erschöpfenden  Handbuch  der  Archäologie  der  alt- 
christlichen  Kunst  hat  es  bisher  gefehlt,  so  oft  sich  auch  schon  das  Bedürfnis  darnacli 
geltend  machte.  Victor  Schnitze  gehört  dermalen  zu  den  ersten  Kennern  dieses  Gebietes. 
Seine  reich  illustrierte  Arbeit  darf  als  epochemachend  ebensowohl  auf  dem  Gebiete  der 
Kunst  als  der  Kirchengeschichte  bezeichnet  werden. 

Die  Quedlinburger  Itala-Miniaturen 

der  königlichen  Bibliothek  in  Berlin 
Fragmente  der  ältesten  christlichen  Buchmalerei  herausgegeben  von 
Dr.  VICTOR  SCHULTZE,   Professor  an  der  Universität  Greifswald 

IV,  144  Seiten  gr.4°  Mit  sieben  Tafeln  und  acht  Textbildern  Geheftet  M  15.— 

Die  Insel  Malta  im  Altertum 

von  ALBERT  MAYR 

■Mit  Unterstützung  der  Königl.  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften) 
IV,  156  Seiten  8°  mit  36  Abbildungen  im  Text  und  einer  Karte  Geheftet  M  10. — 

Die  vorliegende  Monographie  vereinigt  in  übersichtlicher  und  geschlossener  Darstellung 
alles  in  älterer  wie  in  neuester  Zeit  geförderte  Wissen  über  die  maltesische  Inselgruppe; 
vortreffliche  Abbildungen,  zum  Teil  hier  erstmals  veröffentlicht,  erhöhen  den  praktischen 
Wert  des  Werkes. 

Die  römischen  Privataltertümer 

Von  HUGO  BLÜMNER,  o.  Prof.  der  klassischen  Philologie  a.  d.  Univ.  Zürich 

Mit  86  Abbildungen.    1911.    XV,  677  Seiten  Lex.  8°.     Geh.  M  12.— ,  in  Halbfrzbd.  M  14.- 
IHandbudi  der  klassischen  Altertumswissensdiaft.    IV.  Band,  2,  Abteilung,  2.  Teil] 

Grundriß  der  griechischen  Geschichte 

nebst  Quellenkunde 
Von  Dr.  ROBERT  VON  PÖHLMANN,  o.  Prof.  an  der  Universität  München 

4.,  neubearbeitete  Auflage.    1910.   342  Seiten  Lex.  8°.    Geh.  M  5.80,  in  Halbfrz.  geb.  M  7.50 
//fandbudi  der  klassisdien  Altertumswissenschaft.     III.  Band,  4.  Abteilung] 

Grundriß  der  römischen  Geschichte 

nebst  Quellenkunde 
Von  Dr.  BENEDIKTUS  NIESE,  Professor  an  der  Universität  Marburg  a.  L. 

4.,  verb.  u.  verm.  Auflage.   1910.   VII,  454  Seiten  Lex. 8°.   Geh.  M  8.—,  in  Halbfrzbd.  M  9.80 
[Ifandbudi  der  klassischen  Altertumswissenschaft.     III.  Band,  5.  Abteilung] 

M    Beck'sche  Verlagsbuchhandlung  Oskar  Beck  in  München 


Wilhelm  von  Christ's 

Griechische  Literaturgeschichte. 

In  Verbindung  mit  Dr.  OTTO  STÄHLIN,  Prof.  an  der  Universität  Würzburg 
bearbeitet  von  Dr.  WILHELM  SCHMID,  o.  Prof.  an  der  Universität  Tübingen 

1.  Teil:  Die  klassische  Periode  der  griechischen  Literatur.  6.,  durchgesehene  Auflage 
1911.    50  Bogen  Lex.8°.    Geh.  M  13.50,  in  Halbfranzband  M  15.80.    (Soeben  erschienen!) 

2.  Teil,  erste  Hälfte:    Nachklassische   Literatur  von  320  v.  Chr.   bis  100  n.  Chr. 
5.  Auflage.    32  Bogen  Lex.  8°.    Geheftet  M  9.—,  in  Halbfranz  gebunden  M  10.80.' 

Zweite  Hälfte  (Schluß  des  Werkes) :  Nachklassische  Literatur  von  100  bis  527  n.  Chr. 
erscheint  im  Jahre  1912. 

[Handbuch  der  klassischen  Altertumswissenschaft.     VII.  Band] 

Martin  von  Schanz 

Geschichte  der  römischen  Litteratur 

bis  zum  Gesetzgebungswerk  des  Kaisers  Justinian 

1.  Teil:  Die  römische  Litteratur  in  der  Zeit  der  Republik.  Erste  Hälfte:  Von  den 
Anfängen  der  Litteratur  bis  zum  Ausgang  des  Bundesgenossenkrieges.    Mit 

Register.  3.,  gänzlich  umgearbeitete  und  stark  vermehrte  Auflage.  (1907.)  XII,  362  Seiten 
Lex. 8°.  Geheftet  M  7—,  Halbfranzband  M  8.80.  —  Zweite  Hälfte:  Vom  Ausgang  des 
Bundesgenossenkrieges  bis  zum  Ende  der  Republik.  Mit  Register.  3.,  ganz  um- 
gearbeitete und  stark  vermehrte  Auflage.  (1909.)  XII,  531  Seiten  Lex.  8°.  Geheftet  M  10.-, 
in  Halbfranzband  M  12.— 

2.  Teil :  Die  römische  Litteratur  in  der  Zeit  der  Monarchie  bis  auf  Hadrian.  Erste 
Hälfte:  Die  augustische  Zeit.  Mit  Register.  3.,  ganz  umgearbeitete  und  stark  ver- 
mehrte Auflage.  (1911.)  X,  604  Seiten  Lex.  8°.  Geheftet  M  10.— ,  in  Halbfranzband 
M  12.—.  —  Zweite  Hälfte:  Vom  Tode  des  Augustus  bis  zur  Regierung Hadrians. 
3.  Auflage  in  Vorbereitung. 

3.  Teil:   Die  römische  Litteratur  von  Hadrian  bis  auf  Constantin   (324  n.  Chr.). 

Mit  Register.  2.  Auflage.  (1905.)  XVI,  512  Seiten  Lex.8°.  Geheftet  M  9.—,  in  Halb- 
franzband M  10.80. 

4.  Teil,  erste  Hälfte:  Die  Litteratur  des  4.  Jahrhunderts.  2.  Auflage  in  Vorbereitung 
(Die  zweite,  das  ganze  Werk  abschließende  Hälfte  des  4.  Teils  erscheint  baldmöglichst.) 

[Handbuch  der  klassisdien  Altertumswissenschaft.     VIII.  Band,  1. — 4.  Teil] 

Geschichte  der  lateinischen  Literatur  des  Mittelalters 

Von  MAX  MANITIUS 

Erster  Teil:  Von  Justinian  bis  zur  Mitte  des  zehnten  Jahrhunderts 

XIII,  766  Seiten  Lex.  8°  Geheftet  M  15.—,  in  Halbfranzband  M  17.50 

[Handbuch  der  klassischen  Altertumswissenschaft.    IX.  Band,  2.  Abteilung,  1.  Teil] 


C.  H.  Beck'sche  Verlagsbuchhandlung  Oskar  Beck  in  München 


Vorlesungen  und  Abhandlungen 

aus  dem  Nachlaß  von  Ludwig  Traube 

weiland  o.  Professor  der  lateinischen  Philologie  des  Mittelalters  an  der  Universität  München 

1  Icrausgegeben  von  Dr.  FRANZ  BOLL 

o.  Professor  der  klassischen  Philologie  in  Heidelberg 

Erster  Band:  Zur  Paläographie  und  Handschriftenkunde.  Herausgegeben  von  PAUL 
LEHMANN.  Mit  biographischer  Einleitung  von  FRANZ  BOLL.  1909.  LXXV,  263  Seiten 
v.    Geheftet  M  15.—,  in  Halbfranzband  M  18.— 

Zweiter  Band:  Einleitung  in  die  lateinische  Philologie  des  Mittelalters.  Heraus- 
gegeben von  PAUL  LEHMANN.  IX,  176  Seiten  gr.  8°.  Geheftet  M  8.—,  in  Halb- 
franzband M  11. — 

Dritter  Band:  Oberlieferungsgeschichte  der  römischen  Literatur.  Herausgegeben  von 
FRANZ  BOLL. 

Vierter  Band:    Geschichte   der  Halbunciale.     Herausgegeben    von    PAUL  LEHMANN. 

Fünfter  Band:    Gesammelte  kleine  Schriften.    Herausgegeben   von   FRANZ  SKUTSCH. 

Der  Preis  der  Bände  richtet  sich  nach  dem  Umfang.  Als  Subskriptionspreis  sind  für  den 
Druckbogen  etwa  70  Pfennig  angesetzt.  Die  Verlagsbuchhandlung  behält  sich  eine  Erhöhung 
dieses  Preises  nach  Abschluß  der  gesamten  Publikation  vor. 

Quellen  und  Untersuchungen  I 

zur  lateinischen  Philologie  des  Mittelalters 

Begründet  von  LUDWIG  TRAUBE 

weiland  Professor  der  klassischen  Philologie  an  der  Universität  München 

Subskriptionspreis  für  jeden  Band  M  15. — 

Es  liegen  vor : 

I.  Band,  1.  Heft:  Sedulius  Scottus  von  Dr.  S.  HELLMANN,  Privatdozent  der  Geschichte 
an  der  Universität  München.    XV,  203  Seiten  Lex.  8°.    Einzelpreis  M  8.50 

2.  Heft:  Johannes  Scottus  von  E.  K.  RAND,  Assistant-Professor  of  Latin  at  Harvard- 
University.     XIV,  106  Seiten  Lex.  8°.     Einzelpreis  M  6. — 

3.  Heft:  Untersuchungen  zur  Überlieferungsgeschichte  der  ältesten  lateinischen 
Monchsregeln  von  Dr.  HERIBERT  PLENKERS.  XI,  100  S.  Lex.  8°  und  zwei  Tafeln  in 
Folio.     Einzelpreis  M  7. — 

II.  Band:  Nomina  sacra.  Versuch  einer  Geschichte  der  christlichen  Kürzung  von 
Dr.  LUDWIG  TRAUBE,  Professor  der  lateinischen  Philologie  des  Mittelalters  an  der 
Universität  München.    Mit  Traubes  Porträt.    X,  287  Seiten  Lex.  8°.  Einzelpreis  M  15  — 

III.  Band,  1.  Heft:  Franciscus  Modius  als  Handschriftenforscher  von  Dr.  PAUL  LEHMANN. 
XIII,  151  Seiten  Lex.  8".    Einzelpreis  M  7.— 

2.  Heft:  Die  Textgeschichte  Liudprands  von  Cremona  von  Dr.  JOSEPH  BECKER. 
VII,  46  Seiten  Lex.  8°.     Mit  2  Tafeln.     Einzelpreis  M  2.50 

3.  Heft:  Die  ältesten  Kaiendarien  aus  Monte  Cassino  von  Dr.  E.  A.  LOEW. 
XVI,  84  Seiten  Lex.  8".     Mit  3  Tafeln.     Einzelpreis  M  6  — 

5.  Heft:  Die  Gedichte  des  Paulus  Diaconus.  Kritische  und  erklärende  Ausgabe  von 
Dr.  KARL  NFII  .     XX,  231  Seiten  Lex.  8°.     Mit  1  Tafel.     Einzelpreis  M  10.— 

IV.  Band,  1.  Heft:  Johannes  Sichardus  und  die  von  ihm  benutzten  Bibliotheken  und  Hand- 
schriften von  Dr.  PAUL  LEHMANN.  X,  237  Seiten  Lex.  8».  Einzelpreis  geheftet  M  10.— 

C.  H.  Beck'sche  Verlagsbuchhandlung  Oskar  Beck  München 


MAY  4     1972 


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Furtwär  Ado]r 

5^n^  '^»inp    Schriften 

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Bd.l