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University of Toronto
http://www.archive.org/details/kleineschriften01furt
KLEINE SCHRIFTEN
VON
ADOLF FURTWÄNGLER
HERAUSGEGEBEN
VON
JOHANNES SIEVEKING und LUDWIG CURTIUS
ERSTER BAND
MIT 20 TAFELN UND 46 TEXTILLUSTRATIONEN
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C • H • BECK'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
OSKAR BECK ^^= = ^:^^ MÜNCHEN 1912
ADOLF FURTWÄNGLERS KLEI
werden in etwa drei Bänden erscheinen: als ein
früh abgerufenen Forscher und als eine unverglei
rung der Literatur der klassischen Kunstarchäolog
daß Adolf Furtwängler gerade in solch kleinen
wertvollsten Anregungen ausgesprochen, die fü
Spezialf ragen erörtert hat; er weiß auch, daß e
handlungen Adolf Furtwänglers von der Forschui
überholt, daß sie noch ganz lebendig sind. Aber
waren bisher in aller Welt verstreut und nur allz
reichbar. Da fast kein Gebiet der Wissenschaft
logie von Adolf Furtwängler unbebaut geblieb
„Parerga" des Meisters einen umfassenden Üb(
logische Forschung der letzten Jahrzehnte, durch
nicht am wenigsten eben durch das Verdienst
völlig neue Grundlagen gestellt wurde.
In Halbfranz gebundene Exemplare steh
M 23.50 zur Verfugun,
KLEINE SCHRIFTEN
VON
ADOLF FURTWÄNGLER
HERAUSGEGEBEN
VON
JOHANNES SIEVEKING und LUDWIG CURTIUS
ERSTER BAND
MIT 20 TAFELN UND 46 TEXTILLUSTRATIONEN
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C. H. BECK'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG
OSKAR BECK ^^=^^^^ MÜNCHEN 1912
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56 0 5
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Copr. München 1911
l Beck'sche Verlagsbuchhandlung Oskar Beck
!. Beck'sche Buchdruckerei in Nördllngen
VORWORT
ald nach Adolf Furtwänglers allzu frühem Tode äußerten Freunde
und Schüler den Wunsch, es möchten die zahlreichen kleinen
Arbeiten des so fruchtbaren Gelehrten in einem Sammelwerk
„Kleine Schriften" neu herausgegeben werden.
Die Erfüllung dieses Wunsches, die sich in diesem ersten Bande zu
verwirklichen beginnt, ist vor allem der unermüdlichen Sorge der Witwe
Frau Adelheid Furtwängler und der Bereitwilligkeit des Verlegers zu
verdanken.
Die Herausgeber wünschen in drei Punkten ihre Weise zu rechtfertigen.
In der Auswahl der Schriften sind wir weitherzig verfahren. Wir haben
ausgeschlossen nur Arbeiten, die durch Neubearbeitung überflüssig ge-
worden waren, wie z. B. die Fundberichte aus Olympia, Arch. Zeit. 1878
S. 172 u. 1879 S. 40. Daß wir Aufsätze aufgenommen haben wie den:
„Aus der Umgebung Olympias" hoffen wir nicht erst verteidigen zu müssen.
Er ist ein kleines Stück Autobiographie. Im übrigen ist unser Vorhaben
die kleinen Arbeiten vollständig wiederzubringen. Da die Winckelmanns-
programme und die Akademieabhandlungen zum Teil vergriffen sind, hoffen
wir damit auch das noch zu Lebzeiten des Verfassers lautgewordene Ver-
langen nach einer neuen Auflage dieser Schriften zu befriedigen.
In der Anordnung sind wir von dem in ähnlichen Fällen herrschen-
den Grundsatz einer rein chronologischen Folge abgewichen. Wir teilten
die Masse der Abhandlungen nach ihrem Inhalt in größere zusammen-
hängende Gruppen, innerhalb deren dann die Anordnung nach dem Zeit-
punkt des Erscheinens herrscht oder wieder eine weitere Teilung in kleinere,
enger zusammengehörige Gruppen. Gleich der erste Band gibt den Vor-
teil dieser Anordnung deutlich zu erkennen. Dessen eine Hälfte umfaßt
die Erstlingsarbeiten, die, im Gedanken unter sich enge verwandt, sich auf
„die Geschichte der Genrebildnerei bei den Griechen" beziehen. Der
andere Teil besteht aus den kleineren Arbeiten zu den Ausgrabungen von
Olympia und den mit den olympischen Bronzefunden in engem Zusammen-
\\- Vorwort.
.enden Au über verschiedene archaische Bronze- und Gold-
Findet der Leser hier in der Zusammenordnung des sonst weit
immengehörigen seine Bequemlichkeit, so gewinnt durch
unser Verfahren der Band auch als solcher Gesicht. An seinem Anfang
wohl selten noch aufgesuchte Dissertation, am Ende aber die
dlung über die Bronzefunde von Olympia, kaum in irgendeinem
tlichen Teile heute überholt, in der Schärfe der Problemstellung, in
Technik der Argumentation, in der Beherrschung des Materials für
ihren Verfasser bezeichnend wie kaum eine zweite.
Die Nenherausgabe schien uns nichts anderes zu fordern als einen un-
veränderten Wiederabdruck. Unsere Zusätze stehen in eckigen Klammern.
<ind nur Zitate: Nachweise der Denkmäler in späteren Publikationen, Ver-
aui Furtwflnglers eigene spätere Behandlung, Hinweise auf tatsäch-
liches Material, welches unsere Kenntnis authentisch erweitert oder ändert.
inze Literatur, oder auch nur die anschließende gegnerische vollständig
anzuführen, schien uns unmöglich. Es hätte das beinahe eine Bibliographie
ur^ inzen Wissenschaft werden müssen. Bei den vielen Hunderten
behandelter Denkmäler sind wir nicht sicher, selbst innerhalb der von
uns gesteckten Grenzen unserer Absicht überall nachgekommen zu sein,
worüber milde urteilen wird, wer gleiches einmal versucht hat. Daß die
Abbildungen vollständig, in einigen Fällen sogar verbessert wiederkehren,
dafür haben die Herausgeber dem Verleger besonders zu danken. Die
Orthographie und Interpunktion ist die von der Offizin beliebte, dagegen
ist die sprachliche Form, auch wo sie besondere dialektische Färbung
t, durchaus beibehalten worden. Druckfehler sind stillschweigend be-
auch in den Zitaten, und bei diesen ist durch zweckmäßige Ände-
rung größere Klarheit und eine gewisse Gleichmäßigkeit angestrebt. Ein
chronologisches Verzeichnis von Furtwänglers sämtlichen Schriften sowie
ein Register zu allen Bänden wird dem letzten beigegeben werden.
darf nicht verschwiegen bleiben, daß in allen Dingen Paul Wolters
der Herausgabe uns in jener Art zur Seite gestanden ist, die nur be-
urteilen kann, wer seine Hilfe selbst einmal erfahren. Außerdem sind wir
fUr : ng von Kupferplatten und Zinkstöcken dem Deutschen Ar-
chä' ben Institut und den Firmen Reimer und Behrend in Berlin zu
■pflicht'
!it bei der I lerausgabc ist nicht nur eine Erfüllung der Pietät.
Auch in der Wissenschaft hat allein das Lebendige Recht. Es ist unsere
ne, uns zuweilen selbst erstaunende Erfahrung bei der Vorbereitung
Vorwort.
gewesen, wie wenig diese kleinen Schriften seit ihrem Erscheinen gealtert
sind. Furtwänglers Arbeiten haben kaum eine literarische Physiognomie,
sie sind weder geistreich noch tiefsinnig, wie die Arbeiten manch anderer
bedeutender Gelehrten der antiken oder modernen Kunstforschung. Was
sie auszeichnet ist ein gewisser naiver Realismus der historischen Be-
trachtung und Behandlung. Dieser beruht, ja ist erst möglich, auf dem
Grunde einer ungeheuren Denkmälerkenntnis, wie sie vor Furtwängler
keiner besaß, wie sie durch Reisen und Photographie überhaupt in der
Gegenwart erst möglich geworden ist. Überblickt man neben den großen
Hauptwerken Furtwänglers die Reihe der Parerga, so scheint es fast, als
sei mit Ausnahme weniger Teile unsere ganze Wissenschaft in ihnen
gleichmäßig durchgearbeitet.
Man hat von den Naturwissenschaften gelegentlich bemerkt, die Per-
sönlichkeit des Forschers spiele in ihnen keine Rolle; sie übernähmen von
dem Gelehrten das ausgearbeitete Resultat, das in seiner Formelexistenz
sich ganz von der Individualität des Entdeckers trenne. Die Geschicht-
schreibung hingegen wird immer mit der Persönlichkeit ihres Autors un-
trennbar verbunden sein. So werden auch diese gesammelten Schriften
ein Zweifaches überliefern: neben dem objektiven Schatz eines ungeheuren
Wissens die mannigfaltigste Äußerung einer großen Persönlichkeit, die in
ihrer Wissenschaft nicht nur das Feld ihrer seltenen Energie fand, sondern
in der Verbindung mit den Griechen die Erfüllung der eigenen edlen Natur.
München-Erlangen im Oktober 1911
Ludwig Curtius
Johannes Sieveking
INHALTSVERZEICHNIS
Seite
Eros in der Vasenmalerei (1874) 1
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans (1876) 60
Intorno a due tipi d'Amore (1877) 119
Cista Prenestina e Teca di specchio con rappresentazioni bacchiche (1877) . . . 134
Büste Pans in Terracotta (1878) 186
Der Satyr aus Pergamon (1880) 190
Arianna dormente e Bacco sopra cratere etrusco (1878) 213
Aus der Umgebung Olympias (1880) 227
Eine Ausgabe der Funde von Olympia in einem Bande (1882) 245
Zum Bathron des Anathems des Praxiteles (1879) 259
Inschriften aus Olympia (1879) 262
Von der Reise: Olympia (1888) 278
Zum Ostgiebel von Olympia, mit Anhang (1891) 280
Zum Ostgiebel des Zeustempels in Olympia (1892) 295
Der Ostgiebel des olympischen Zeustempels (1903) 301
Zu den olympischen Skulpturen (1893) 313
Bronze aus Olympia (1879) 336
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung (1879) . . 339
Hektors Lösung (1884) 422
Bronzi arcaici provenienti dalla Grecia (1880) 433
Das Alter des Heraion und das Alter des Heiligtums von Olympia (1906) . . . 446
Archaischer Goldschmuck (1884) 458
Der Goldfund von Vettersfelde (1883) 469
VERZEICHNIS DER TAFELN
Tilel zu Seite
1. Cista Prencstina 134
2. Dnc testine di bronzo 180
Teca di specchio 135
4. Bronzestatuette aus Pergamon in Berlin 191
5. Marmortorso in Berlin 196
- üyrdarstellungen 197
7. Cratere trovato presso Filacciano 213
Cratere rappresentante Bacco ed Arianna 216
9. 1.2. Due vasi rappresenlanti Saliri e Baccanti 221
9. 3. Pansbüste aus Athen 186
10. Bronze aus Olympia 336
11. Fragment eines Sarkophags in Berlin. Kopf aus dem olympischen Westgiebel . 313
12. Kopf von Brauron in Attika 332
13. Fibula e diadema trovati presso Tebe 433
14. Frammenti di bronzo trovati ad Atene e nella Beozia 442
15. Archaischer Goldschmuck aus Korinth 458
16. Archaischer Goldschmuck aus Athen, Kameiros, Melos und Delos 458
17. Archaischer Goldschmuck aus Athen und Etrurien 458
19. 20. Goldfund von Vettersfelde 471
EROS IN DER VASENMALEREI.
(1874)
ohl keinen Gott haben die Vasenmaler häufiger und verschiedenartiger dar-
gestellt als Eros; wenn man es dennoch bisher unterlassen hat, sein
Vorkommen besonders zu untersuchen, so mag das vor allem darin
seinen Grund haben, daß er nur wenig mythisches Interesse bietet; denn Eros
hat keine eigentlichen Mythen und sein Wesen ist vorwiegend begrifflich; aber
gerade dies macht seine Entwickelung so äußerst anziehend und lehrreich. Ja
es muß Eros, der frei, ohne Bande der Tradition, künstlerisch verwendet werden
durfte, dessen Auftreten meist dem zu Grunde liegenden Gedanken selbst, nicht
der äußern Überlieferung verdankt wird, ein vorzüglicher Gradmesser des geistigen
Standpunktes der Künstler sein. Dennoch begnügte man sich bisher mit all-
gemeinen Bemerkungen und ohne Halt schwankte das Urteil, man vermengte die
verschiedensten Anschauungen, namentlich die der Vasenmaler mit den späteren.
Das Folgende soll ein Beitrag zur Läuterung und Klärung vor allem da, wo es
am nötigsten, auf dem Gebiete der Vasen sein, ein Beitrag, der künftigen um-
fassenderen Arbeiten über diesen Kreis begrifflicher Wesen einen festen Grund
bereiten will. Nur selten wird Polemik gegen bisherige Ansichten gefordert
erscheinen, da die meisten Resultate sich durch eine umfassende Statistik der
Tatsachen und deren unbefangene Beurteilung von selbst ergeben.
Das Dunkel der mythischen Anfänge des Eros zu lichten, liegt keineswegs
in unserer Absicht; da wenigstens die erhaltne Kunst ihre Anregung nicht der
Mythologie und dem Kult, sondern freipoetischen Schöpfungen verdankt, so 6
sind eben auch nur letztere für uns von Bedeutung. Um uns daher die all-
gemeinen Grundanschauungen, welche die Vasenmalerei in Gestaltung und An-
wendung des Eros bestimmen, zu vergegenwärtigen, müssen wir einen Blick auf
die Art werfen, wie die Poesie, zunächst in voralexandrinischer Periode, Eros be-
handelt.
EINLEITUNG:
EROS IN VORALEXANDRINISCHER POESIE.
Schon bei Hesiod ist Eros eine fertige Persönlichkeit, Diener der Aphrodite,
der schönste der Götter, mit den Chariten verbunden, Gott des Zeugungs-
triebes, der alle beherrscht (Theog. 120; 201; 64); dennoch ist der begriffliche
A. Furt wängler. Kleine Schriften I. 1
s i\ di r Vasenmalerei.
. Iiaraktcr klar; da nun seit alter Zeit (Homer) iook mit fpegog synonym
konnte auch Himeros zur Person werden: mag auch der
»d durch den thespischen Kult nahegelegt worden sein, so
eine freie poetische Schöpfung und weist uns auf die Bahn,
der wir die Weiterentwicklung des Eros verdanken. Archilochos der Jonier
ins \ ora Gotte Eros, ja er muß (fr. 103 nach Bergk 3. Aufl., wie das Folgende)
; näher spezialisieren als Üqcos q>d6ttjxoe] dagegen personifiziert er einen
, ,- Uödoi (fr. 85). Sicher persönlich ist er wieder bei dem äolisch-
dorischen Alkman, übermütig auf Blumen hinschreitend (fr. 38; 36; 16 p. 1, 13 f.)-
Alka ins, der Lesbier, preist ihn detv&xatov &6cov, Sohn der Iris und des Zephyros
(fr. 13); nicht minder Sappho: er kömmt in purpurner Chlamys vom Himmel,
chfltterl ihr Herz (fr. 64; 42; 74; 125; 132; 40). Vor allen aber Anakreon: Eros,
die Nymphen und Aphrodite spielen mit Dionysos; wie ein Schmied hämmert
er mit dem Beile und badet mich in winterlichem Waldstrom, er wirft mir den
Ball zum Spiele zu, alles symbolisch gedacht, denn die Astragalen des Eros sind
Haserei und Kampfgewühl; doch vom Graubart fliegt er weg (fr. 2; 48; 14; 47;
13; 21: d-M. Überall ist Eros feste Persönlichkeit, aber alles von ihm
.igte wird aus seinem Begriff und Wesen abgeleitet und in kräftig phantasie-
vollen symbolischen Bildern gegeben. Es kommen weder Bogen noch Fackel,
auch nicht mehrere Eroten vor (denn fr. 129 ist die Fassung bei Himer. or. 14,4
sehr verdächtig und erlaubt gar keine Schlüsse). Dem Anakreon steht Ibykos
nicht nach und ist ihm sehr verwandt: es stürmt Eros, wie der thrakische Boreas,
finster unerschrocken neben Kypris her, oder er lockt durch seinen zauberhaften
schmelzenden Blick in die Netze der Aphrodite (fr. 1 und 2). Erwähnung ver-
dienen ferner Simonides, der Eros grausam, von schlimmen Eltern nennt (fr. 43)
und Theognis, wenn 1231; 1275 ff. von ihm sind.
Demgegenüber muß es sehr überraschen, daß wir bei Pin dar Eros als
önlichkeit nicht nachweisen können; zum mindesten zweifelhaft ist eine per-
sönliche Auffassung fr. 104; (Bergk) Isthm. 8, 29. Allgemein Begierde Streben:
Pyth. 10, 60; Nem. 3, 30, wo igoores, wie auch Nem. 8, 5; 11, 48. Bestimmt erotische
Triebe fr. PK); 105. 99, 4 nennt er Aphrodite ikith) igcoxcov, nach Analogie der
übrigen Stellen wohl auch begrifflich zu fassen, obwohl nur wenig von wirklichen
önlichen Eroten entfernt. Ähnlich ist es bei Aeschylus, Ugaig für Liebes-
I',. Ag. 540; 743; Prom. 591; Cho. 600, auch der Plural: Cho. 598;
Suppl. 1043, wo die ipedvQcd iglßoi Igcbtcov jedenfalls der persönlichen Auffassung
ehr nahe stehen. Häufig ist XfUQOi begrifflich, auch Prom. 649 ist 1/if.qov ßiXei
nicht persönlich gedacht. Sichrer ist Pothos personifiziert, er ist nebst Peitho
' der Aphrodite (Suppl. 1039). Bei Sophokles dagegen ist
»tt und töricht wer ihm entgegen ringen will (T räch. 354; 361 vgl. Anakr.
fr. *<^) Bekannt ist Antig. 781: der unbesiegbare Eros herrscht in Natur wie
Ict den ei schwebt über Land und Meer, niemand entflieht ihm,
Eros in der Vasenmalerei. 3
zu unrechten Taten verleitet er: — das begriffliche Wesen ist hier noch ganz im
Vordergrund, die Wirkung des Affektes, den Eros repräsentiert, wird großartig
und weit gefaßt, von einer durchgebildeten Persönlichkeit desselben finden wir 8
nichts, k'gcoreg kommen nur begrifflich vor (Ai. 1205; Ant. 617) und weder Himeros
noch Pothos sind Personen. Bei Euripides kömmt Eros' Macht zu größter
Anerkennung und oft wird seine und der Aphrodite Allgewalt über Natur und
Menschen geschildert (Hipp. 1269; fr. 271 ; 132; 433; Tro. 839), ohne Rückhalt wird
ausgesprochen, daß auch Zeus sich dem Eros willig fügt (fr. 434 im Gegensatze
zu Sophokles' vorsichtiger Äußerung fr. 856); er ist Sohn des Zeus und bringt auch
Unheil, wird aber doch nicht verehrt. Auch bei Euripides erscheint Eros eng mit
Aphrodite verknüpft: Hipp. 525; 12691, Bakch. 404 f. wohnen die •&£Xg'i<pgoveg
'Egcozeg auf Kypros, fr. 781, 16 ist Aphrodite Herrscherin Egcorcov; wir begegnen
hier zum ersten Male einer Mehrzahl von Eroten als Diener der Aphrodite sicher per-
sönlich, ebenso Med. 627; 844; 330: ohne mythologischen Unterschied werden
'Egcozeg und'Egcog gebraucht, wie es eben paßt (ganz wie dann in der Kunst) und
es ist ein schlagendes Zeugnis für das begriffliche Wesen des damaligen Eros, eben
daß man ihn vervielfachen konnte. Ganz der innersten Euripideischen Denkweise
eigen ist aber die philosophisch-moralisierende Scheidung, die er in Wesen und
Wirken des Eros vornimmt, indem er nämlich die gute, mäßige, zu Tugend,
Weisheit und Glück führende Liebe von der schlimmen, unmäßigen, ins Unglück
stürzenden scheidet.1 So erklärt sich das Lob, das Euripides dem Eros spendet, als
Lehrer edler Begeisterung und Dichtkunst, der Weisheit und Tugend (fr. 666; 889;
Med. 844). Wem fällt hier nicht Piaton ein, der im Symp. c. 19 den Agathon
dasselbe reden läßt; auch die Scheidung des Pandemos und Uranios, eines reinen,
mäßigen und des Gegenteils, sowie der allgemeine Eros der Weisheit und Tugend
sind ganz in Euripideischem Geiste. Übereinstimmend mit dieser philosophischen
Richtung wiegt auch bei Euripides das begriffliche Element in Eros noch weit 9
vor und von einer menschlich persönlichen Durchbildung ist nicht zu reden. So
ist die Scheidung zweier Arten von Eros ganz aus Beobachtung des zu Grunde
liegenden Affekts ohne Rücksicht auf Persönlichkeit hervorgegangen, ebenso sind
die ihm beigelegten Handlungen begrifflich symbolisch gefaßt (z. B. yvyag ya-
gdooei fr. 434; Tro. 839); dagegen scheint der ihm hier zuerst beigelegte Bogen zu
sprechen: Med. 530 'Egcog o'tjväyyMoe TÖfoig äcpvxroig, doch gleich v. 632 spricht
Euripides auch von einer Aphrodite, die Pfeile sendet, offenbar allgemein poetisch;
noch klarer wird das Begrifflich-Symbolische dieser Pfeile Hipp. 531, wo das
ßekog der Aphrodite, das Eros entsendet, dem ßeXog des Feuers und dem der
Sterne überlegen genannt wird; auch Hipp. 392 ist begrifflich zufassen. Anders
steht es in jeder Beziehung mit Iph. Aul. 544, wo Handlung und Ausdruck nicht
1 fr. 551; 671; Med. 627; fr. adesp. 151 wahrscheinlich von ihm; fr. 342; Hipp. 525 Eros
ägov&fio;; am klarsten Iph. Aul. 544.
1*
Eros in der Vasenmalerei.
an der durchaus menschlich-persönlichen Auffassung zweifeln lassen und wo der
Attribut des Gottes ist, mit dem er Liebe sendet; dabei ist jedoch
daß Iph. Aul. das späteste, vom Dichter selbst unvollendet
\nv ;0 Stück ist; so dürfen wir wohl schließen, daß eben in dieser Zeit
i ".. Jahrb.) der Bogen als Attribut des mächtigen Gottes sich allmählich
in der Vorstellung festsetzte. Sehr wahrscheinlich ist mir, daß diese Anschauung
beliebten poetischen Bilde, das die entzündende Glut der Augen mit Ge-
schossen vergleicht (z. B. Anth. Pal. 12, 101, 2) seinen Ursprung verdanke, indem
ide bei F.ros die Gewalt des Blickes oft gepriesen wird.1 Pothos erscheint
nem Wesen gemäß den rasenden Mänaden freundlich (Bakch. 412). — Die
entlich populären Vorstellungen der Zeit gibt uns aber Aristophanes, wo Eros
in seinen beiden Haupttätigkeiten erscheint, Liebespaare zusammenzuführen 3 und
10 Schönheit zu verleihen (Lys. 551); die orphisch-theogonischen Erosspekulationen
werden verspottet Av. 693 und Pothos personifiziert ib. 1320. Der Bogen als
but kömmt nicht vor. Auch die vorsokratischen Reden in Piatons Symposion
vn ein lebendiges Bild der Anschauungen im Kreise der Gebildeten: überall
wird Eros noch begrifflich behandelt. Die von einigen Alten dem Piaton zu-
:hriebenenEpigr.31 und32(BergkPoet. lyr. S.628, vgl. 618) sind sicherlich nicht
von ihm; dies beweisen vor allem die dem Piaton noch fremden ganz hellenistischen
jhauungen von Eros. - Überhaupt aber muß Eros eben zu Ende des 5. und
Anfang des 4. Jahrh. in Athen ein neues lebhaftes Interesse erregt haben; daß
Piaton einen eignen Dialog zu seinem Preise schreiben konnte, ist bezeichnend
genug; um so mehr ist zu beklagen, daß wir von der poetischen Literatur des
4. Jahrh., außer dürftigen Resten, nichts besitzen. Aus den Fragmenten der
Tragiker ist etwa zu nennen Aristarch fr. 2: Eros macht auch den Schwachen
stark, ganz vom begrifflichen Standpunkt. Von Dikaiogenes (fr. 1) werden in
symbolischem Sinne Netze des Eros genannt. Unter den Lyrikern dichtete
Philoxenos vielleicht ein eigenes Melos auf Eros (Bergk S. 1261 fr. 6); schön ist
.wipp. fr. 7. Etwas mehr bieten die Fragmente der Komödie, wo ja die
jetzt eine Hauptrolle spielte; charakteristisch ist Timoth. (?) Meineke
Bergk S. 127.1. Eine eigene Mischung der begrifflichen mit der rein
menschlichen Auffassung ist es, wenn Eubulos den Eros lieber ungeflügelt dar-
da er so schwer wegzubringen ist (Mein. 3, 226, 3), oder wenn ihn
nicht männlich noch weiblich, sondern aus allen möglichen Eigenschaften
immengesetzt nennt (3, 495), was uns lebhaft an Schöpfungen wie der Demos
erinnert. (Vgl. ferner Alexis 3, 392, 1; 3, 411). Auch was von
erhalten ist, gehört noch in diese Reihe, ja, wie überhaupt die Sentenzen
hließen sich auch seine Aussagen über Eros direkt an Euripides
i BT. HJj Bergk Poet. lyr. S. 1 273 Timoth. fr. ]■>.
\\. 1737 lenkt er den Hochzeitswagen des Zeus.
Eros in der Vasenmalerei.
an (4, 203, 4; 128, 1; 137, 1), ein Beweis, daß das ganze 4. Jahrhundert keine von
Euripides wesentlich verschiedenen Erosvorstellungen ausbildete.
Überblicken wir diese Entwicklungsreihe bis zu den Alexandrinern, so er- 11
scheint zuerst der äolische Stamm, ganz seinem leidenschaftlichen subjektiven
Charakter entsprechend, als Träger des Gottes Eros, der zuerst bei Hesiod er-
scheint; Alkman übermittelt ihn den Doriern; dann Alkaios und Sappho. Erst
durch den Einfluß dieser äolischen Dichtung scheint Eros auch bei den Joniern
Eingang gefunden zu haben; namentlich ist es Anakreon, der mit der ganzen
ionischen Lebendigkeit und anmutig frischen Anschauung sich des Eros be-
mächtigte. Dagegen mußte eine Reaktion erfolgen in der universalen Melik
eines Pindar, der es nicht auf Darstellung des leicht erregten Empfindungslebens
ankam, sondern die vor allem auf mächtigen Gedankeninhalt zielte, der es nicht
um Veräußerlichung in Personen, vielmehr um Vertiefung in Begriffe zu tun sein
mußte. Nur durch Annahme einer solchen Reaktion ist die Tatsache zu erklären,
daß Pindar den Eros nur als Begriff verwendet, aber eben dieser begrifflichen
Vertiefung entspringt die von Pindar so beliebte Mehrzahl von egcorsg. Dem
Pindar ist Aeschylus verwandt, wie in allem, so auch hier; zwar war Eros bereits
auch nach Athen gedrungen, Anakreon sang an Hipparchos' Hofe und zu der-
selben Zeit wird Eros ein Altar in der Akademie errichtet; doch Aeschylus folgt
Pindar und wendet sich von diesem populären, vorzugsweise päderastischen
Eros ab, denn auch ihm kömmt es zunächst auf möglichst tiefe Durchbildung
der Begriffe an, alles Äußere, bloß Überlieferte wird weggeworfen, um neu zu
schaffen auf selbständiger Grundlage des Gedankens und Aeschylus personifiziert
lieber einen Pothos, als daß er den traditionellen Eros annähme. So mußte denn
nach dieser begrifflichen Durchbildung der Gott Eros in der attischen Poesie erst
wieder neugeboren werden; dies konnte nicht lange ausbleiben, je mehr anmutig
sinnliche Empfindung der Gedankentiefe den Rang ablief und je mehr die Liebe
als wirksames Motiv in die Handlung selbst eindrang: was Sophokles beginnt,
vollenden Euripides und dessen Nachfolger; daß in dieser neuen Entwicklungs- 12
phase Eros vorzugsweise von der psychologischen Seite gefaßt werden mußte,
leuchtet ein.
Gehen wir nun nach dieser einleitenden Orientierung zu unserm eigentlichen
Zwecke, der Gestaltung des Eros in der Kunst über, so trennt sich hier eine
ältere Periode von einer Jüngern ziemlich bestimmt ab.
I. VOR DER FREIHEIT DER KUNST.
Der eigentlich archaischen Kunst ist Eros überhaupt fremd; es erklärt sich
dies teils aus der lokalen Beschränktheit des älteren Eros auf Orte und Stämme,
die in der Kunst kaum eine Rolle spielten, teils aus dem Charakter der archaischen
Kunst selbst, die mehr äußere Darstellung der Handlung als psychologische Moti-
vierung derselben bezweckt. — Wohl spätem Ursprungs, aber durch den archi-
s i\ der Vasenmalerei.
Charakter dem Archaischen nahe stehend sind zwei Tonreliefs,
e wohl einem religiösen Zwecke dienten, eine Ausnahme machen,
beide Male untergeordnet. Mon. d. Inst. 1, 18 [vgl. Roscher's, Lex. d.
ms Agina: Eros ist als Mellephebe gebildet und trägt wie auch andere
jiren dieser sogenannten rnelischen Reliefs ein kurzes Röckchen,
FlQgel : noch an den Schultern an. Kaum sicher ist die Göttin zu
stimmen, mit der er hier, gewiß mythologisch, eng verbunden erscheint; nach
Wi Ire es Hekate, nach Stephani (CR. 1863 S. 156; 1864 S. 108) Aphrodite-
doen gerade Nemesis ist Eros immer feindlich, ich möchte daher an
emis EfotQa£ta (Ann. d. Inst. 1849, H.) oder an Artemis Peitho (Paus. 2, 21, 1)
erinnern, wobei sich auch die Greife am besten erklärten. Sicher als Diener
und Ausfluß der Aphrodite erscheint Eros auf dem andern Relief in München
in. d. Inst. 1867, D [Furtwängler, Beschreib, d. Antiquariums S. 19]), er steht als
Knabe gebildet, in der Linken die Leier, die Rechte vorstreckend, auf dem Arme
der Mutter. Ebenfalls bei Aphrodite ist er auf dem unbedeutenden archaisierenden
Relief Ann. d. Inst. 1830, L, 2 [Museo Chiaramonti, Amelung Taf. 45 Nr. 182].
Nur aus Beschreibungen bekannt sind mir zwei griechische Spiegelgriffe
iBull. d. Inst. 1865, 131 ; Guide to the Bronze Room of the Brit. Mus. S. 13 [Cat. of
Bronzes Taf. IV, 241]), wo Aphrodite in strenger Haltung nach dem alten Typus
aufrecht steht, während über ihren Schultern zwei Eroten schweben, die den
Spiegel stützten; ob man wirklich mit Newton die Zeit kurz vor Phidias für
die Entstehung annehmen darf, ist mir sehr zweifelhaft; es scheinen mir die
schwebenden Eroten nicht recht der archaischen Kunst zu entsprechen; und so
lange nicht entschiedne Gründe dagegen sprechen, wird man den archaischen
Typus der Aphrodite als in spätrer Zeit festgehalten ansehen müssen, was sich
bei einem Griffe als tektonischem Gliede sehr leicht erklärt. [Vgl. Roscher's Lex.
d. Myth. I, 1351].
Mehr bieten die Vasen, wo er zwar auch den eigentlich archaischen schwarz-
figurigen fremd ist, wenigstens erscheint er niemals auf sicher alten Gefäßen,
die wenigen Fälle, wo er vorkömmt, sind sämtlich späterer Fabrikation verdächtig;
Luynes, Descr. Taf. 15 [Bibl. Nat. 303] Lekythos aus „Griechenland": Eros
schwebt, in jeder Hand einen Kranz, auf ein Liebespaar zu; teils die große Flüchtig-
keit und doch feste Typik der Zeichnung, teils das Schweben des Eros selbst
-aten die spätere Verfertigung; ebenfalls nachgeahmt ist Bull. d. Inst. 1867, 226
•indorf, Griech. u. sizil. Vasenb. Taf. 42, 2], wo mir Eros jedoch sehr zweifelhaft
scheint und ich lieber einen Hypnos erkenne, wie Ann. d. Inst. 1833, D [München
md Sa Ber. 1853, Taf. 5 8, Ant. du Bosph. Taf. 63 A, 1 [Petersburg
Nachahmung sind ferner wahrscheinlich: Brit. Mus. 925 [E 397]: Eros
fliegt einem .Jünglinge nach; Wien [Sacken-Kenner S. 163] II, 70 Frauen mit Eros
chend; Berlin 713 [2245] allein fliegend, in jeder Hand ein Alabastron — sämt-
edeutend teüungen.
Eros in der Vasenmalerei.
So beginnt das Wirken des Eros eigentlich erst mit den rotfigurigen Vasen
und zwar tritt er in den dem freien Stile vorangehenden Bildern zunächst als
Sohn und Diener der Aphrodite auf in drei Darstellungen des Parisurteils: er
ordnet ihr das Haar Overb. Gall. Taf. 10, 1 [Brit. Mus. E 289]. Ebenda Taf. 10, 4
[Berlin 2291] fliegen vier Eroten mit Kränzen und Zweigen auf sie zu; die Zahl vier
ist nur der Symmetrie wegen gewählt, verschiedne Namen zu geben sind wir nicht 14
berechtigt, es ist vielmehr die unbegrenzte Zahl der Diener Aphroditens, eine
Vorstellung, die, wie wir sahen, um die Mitte des 5. Jahrh. ausgebildet worden
sein muß. Gerhard, Ant. Bildw. Taf. 33 [Berlin 2536] trägt Aphiodite den kleinen
Sohn (auf der Rückseite dort Taf. 34 aus künstlerischen Gründen gerade doppelt
so groß) als Attribut und Symbol ihrer Macht auf der Hand.
Vor allem wichtig ist Mon. d. Inst. I, 8 [Brit. Mus. E 440]: es schweben als
Revers zu Odysseus mit den Sirenen drei Eroten als Jünglinge gebildet über
das Meer, von denen der vordere ineoog, die beiden andern xaXog genannt
sind, sie tragen Tänie, Zweig und Hasen; hier noch Eros und Pothos zu erkennen
ist keine Berechtigung vorhanden: daß Himeros neben Eros gleichbedeutend in
alter Zeit gebraucht ward, sahen wir aus Hesiod; die Wahl gerade dieses Namens
ist hier offenbar der Sirene Himeropa der Vorderseite zu Liebe geschehen, wozu
kommt, daß gerade ijuegos den unwiderstehlich verlangenden Zug nach einem
Objekte vor Augen bezeichnet, und dies ist eben die gewaltige Macht, die
Odysseus zu überwinden hat, die in der Sirenengestalt nicht zum vollen Aus-
druck gelangt und deshalb noch einmal symbolisch durch die drei Eroten be-
zeichnet wird. Ähnlich ist Eros verwendet auf der schönen Schale aus Ägina
in München [2686] (Jahn, Entführung der Europa, Taf. 7 [Ägina, Das Heiligtum
der Aphaia S. 498]), wo, als Erklärung und Grund für das Innenbild, Europe
auf dem Zeusstiere, an jeder Außenseite ein Eros schwebt, in der Linken die
Leier, in der Rechten die Schale. Dem freien Stile sehr nahe, aber in der Auf-
fassung ganz hieher gehörig ist Mon. d. Inst. 1, 10, 11 [München 2413], denn auch
hier wagte es der Künstler, der andeuten wollte, daß Erichthonios' Geburt auf
einem Liebesverhältnisse beruhe, gleichwohl nicht den Eros in die Handlung
selbst einzuflechten, da er noch zu sehr gewohnt war, nur den äußerlichen
Vorgang der Sage darzustellen, er gab ihm daher die untergeordnete Stellung
auf den Ranken des Ornaments, dessen Gesetzen er sich sofort fügen mußte, d. h.
es mußten sich je zwei Eroten symmetrisch entsprechen auf beiden Seiten (sie
sind auch in der Zeichnung strenger gehalten). Ohne solche Beziehungen er- 15
scheint nun Eros allein ziemlich häufig: er schwebt dahin mit Tänie (Gerh. Ant.
Bildw. Taf. 55, 3 [Brit. Mus. E 293 b]), er hascht im Fluge oder Laufe den
Hasen (dort 56, 1 ; Brit. Mus. 745 [E293 a]), dessen erotische Beziehungen bekannt
sind, oder er spielt schwebend die Leier (Elite 4, 50. Bull. d. Inst. 1870, 187, 27
[Florenz] Leier und Schale, Neapel R. C.163 hat er noch ein Flötenfutteral); das
schönste, ja großartige Produkt dieser Art scheint die Lekythos Bull. d. Inst. 1867,
s i\ der Vasenmalerei.
[Hon:: iriech. u. siziLVasenb. Tat. 48, 2] zu sein, wo Eros, wie in den
ggelockter Jüngling gebildet, die Leier spielend schwebt,
. s irückgebogen, gewiß weil er singend gedacht ist (vgl. Plat.
I lügelfiguren, wie Nike, Iris, Eos, sind auf diesen Lekythen
Stils häufig und sehr passend verwendet. Es ist somit gewiß kein
rhanden, mit Benndorf an Stelle des Eros einen geflügelten Apollon
zu vermuten, weil jenem seine Attribute, der Bogen und Köcher, fehlten. Auch
E Banne oder einen Zweig hält der schwebende Eros (Brit. Mus. 830 [E 13];
ireg. II. Tai 4. 1 und 3); er hält Reifen und Vogel zum Spiel und sieht sich
nach dem Hpheben des Reverses um (Elite 4, 48 |Brit.Mus. E 296], ähnlich 49), er
ndel auf einem Altare, sich nach dem Manne des Reverses umsehend [Elite
4.47]. Berlin 1604 [2162] (Vulci, also wohl hieher gehörig) hält Eros schwebend
in jeder Hand eine Fracht, auf dem Revers Athene, wobei man wohl an Athen. 13,
l,d erinnern darf, wonach beiden in Athen gemeinsam geopfert ward.1 Elite
1 [Baris. Bibl. Nat. .'-ititi] schwebt, mit Schild und Speer gerüstet, ein Flügeljüng-
ling und sieht sich auffordernd um nach dem Epheben des Reverses — man denkt
zunächst an Agon, dessen Beflügelung jedoch nicht überliefert ist; erinnern wir
uns dagegen der Anschauung, daß Eros Mut gibt in der Schlacht, mit dem Ge-
liebten kühn in den Kampf treibt (Plat. symp. 179), daß ihm die Spartaner und
Kreter vor der Schlacht opferten, erwägen wir endlich die vollkommen analoge
16 BildungsuusL- mit den oben besprochenen sichern Erosvasen, so ist doch ein
der auffordernd den durch ihn verbundenen Jünglingen und Männern in
den Kampf vorauseilt, das Wahrscheinlichste.
Wie schon hier Eros meist in Beziehung zu den Epheben des Reverses
:acht ist, so gesellt er sich auch in Szenen des gewöhnlichen Lebens zu
ihnen; besonders begünstigt und leitet er jene eignen Verhältnisse der Jünglinge
und Männer, jene treuen Freundschafts- und Liebesbündnisse, wo geistige und
sinnliche Elemente so eng verknüpft erscheinen, daß unser Wort päderastisch
as zu hart klingt (vgl. Welcker, Kl. Sehr. 2, 93; Götterl. 2, 725), denn niemals ist
/eiieu gemeineren Charakters. Beim ruhigen Erastengespräche München
ge Jünglinge als Liebhaberauch Arch.Zeit. 1870Taf.39); Peters-
Den Liebhaber oder die Liebesstimmung selbst vertritt Eros Berlin 1941
Durand 240; ja er verfolgt den Hpheben Durand 238 [Brit. Mus. E 397],
•npana II, <M und Panofka, Eigenn. mit xalos Tat. 4, 9 [Brit. Mus. E 297], wo
r kommenden Leidenschaft durch die Peitsche in Eros' Hand kräftig
hcht wird; einem eingehüllten (vgl. CR. 1868 S. 129; Erasten bringt Eros
Uebessymbol Gerh. A. V. <>ö (vgl. Steph. CR. 18(34 S. 216; 218);
i Jünglingen, die (ihm?) opfern wollen Mus. Borb. 5, 20
Im Innern einer Münchner Schale (1101 [2669]) schreitet Eros
i auf einem athenischen Piombo (Mon. d. Inst. VIII, '.VI, 91) scheinen Eros (mit
teilt.
Eros in der Vasenmalerei.
auf einen Altar (der Aphrodite?) mit einem Kranze zu, außen A entsendet ein
Mann im Hause Eros mit einem schlauchartigen Gerät, darin wohl Liebesgeschenke
(dasselbe Noel des Vergers, Etrurie Taf. 39 als Reisesack), zu dem geliebten Jüngling
draußen. — B eilt Eros mit Kranz auf zwei eifrig flötende und singende Jünglinge zu.
Begünstigt er hier die musikalischen Studien der Jugend, so erscheint er selbst
als geistiger Mittelpunkt und Leiter derselben, wenn er (Brit. Mus. 986 [E 126]
= Durand 654) die Leier spielend zwischen zwei Jünglingen schwebt, von denen
der eine ebenfalls Leier spielt (vgl. Plat. symp. 196 "Egwg äyadog — näoav
7ioh]oiv z))v y.arä fxovoixrjv). — Nicht ganz klar ist Mon. d. Inst. VI, 20 [Louvre G
374], wo der Eros jedoch nicht ganz unverdächtig ist, indem wenigstens rings- 17
herum viel geflickt wurde; sucht man jedoch nach einer Erklärung, so mag man
sich erinnern an das Prinzip der Vasen gerade dieses Stils, auf der Rückseite
Figuren anzubringen, die gleichsam als Folie dienen, auf der sich die Handlung
der Vorderseite abspielt; untätige Zuschauer, die gleichwohl Interesse an dem
Vorgang nehmen, das Volk, der Chor den Heroen gegenüber. So könnte man
hier an die Myrmidonen denken, die, untätig durch des Führers Zorn, den Frieden
genießen, vereint im treuen Freundschafts- und Liebesbunde durch Eros, vielleicht
nicht ohne Beziehung auf das enge Verhältnis des Patroklos zu Achilleus, das
ja das Motiv werden sollte zur Lösung des Konflikts der Vorderseite; freilich
wäre auch so der Eros und der Thyrsos ungeschickt hinzugefügt, indem eben
der Maler den Typus ruhig stehender Figuren nicht überschreiten wollte. —
Überblicken wir dies erste Stadium der Entwicklung und fassen zunächst seine
Erscheinung ins Auge: von Anfang an schwankt Eros' Bildung zwischen
Jüngling und Knabe, je nach den künstlerischen Bedingungen der Komposition;
als Ausfluß der Aphrodite, als ihr Sohn und Diener, als xdXhorog dewv war
Jugendblüte für ihn wesentlich. Ferner erscheint Eros konstant beflügelt,1
denn ein zweiter wesentlicher Zug ist das Begriffliche und das Dämonisch-
gewaltige eines Gottes, der im eignen Herzen seinen Sitz hat, was ihn auf eine
Linie stellt mit Eris, Deimos, Phobos, die el'dojla, die alle in dieser Zeit beflügelt
erscheinen. Unter den Attributen fällt zunächst die Leier auf und weist uns
auf den musischen Charakter des Gottes hin, der besonders in Thespiae betont
ward teils durch die musischen Agone, die man zu seinen Ehren abhielt, teils
durch seine Verbindung mit den Musen, die man hier neben ihm hauptsächlich
verehrte. Überhaupt waren aber in Eros diejenigen Bedingungen vorhanden, 18
die auch dem Apoll und Dionysos die Leier gaben, nämlich der ekstatische
Charakter: sehr bezeichnend ist es aber für die ältere Zeit, die das innere Wesen,
das Ethos der Götter durch Attribute auszudrücken und festzustellen liebte,
daß sie dem Eros die Leier gab, während eine spätere Zeit die Art seiner
1 Daß Eros früher ungeflügelt dargestellt worden sei, scheint sehr unwahrscheinlich;
ich halte daher y.ai r6v"EgcoTa beim Schol. ad. Arist. Av. 573 für einen willkürlichen Zusatz
des Schol., dem die Notiz über Nike vorlag.
j() Eros in der Vasenmalerei.
Handlungen durch den Bogen symbolisierte. Ja, es liegt die Vermutung eines
nen Uteren Kunsttypus des Eros mit der Leier sehr nahe, wenn man
Stellung desselben auf dem Relief Ann. d. Inst. 1867, D, den Vasen Mon.
1, 10 [Mönchen 2413], Neapel 1836 und auch dem etruskischen Spiegel D. a.
K. . Cat Ol Greek Bronzes 244] vergleicht: die eine Hand mit der Leier ge-
ikl und die andre, meist mit einer Blumenranke, ausgestreckt, ein Typus, der
rem Kunst vollkommen entspräche. Die übrigen Attribute: Hase, Tänie,
Kranz sind in ihrer Bedeutung klar.
Überall sehen wir eine feste künstlerische Gestaltung, überall eine aus-
:e künstlerische Symbolik, durchaus unabhängig von der poetischen;
nirgends bei den Dichtern lasen wir, daß er Leier spiele, einen Kranz oder Tänie
bringend herbeifliege, dagegen hat die Poesie wieder ihre eigne wirkungsvolle
ibolik. So bestätigt sich wieder, daß gerade die ältere, wachsende Kunst sehr
selbständig und durchaus nach eignen Gesetzen schuf; und in der Tat, wie trefflich
spricht der leierspielende Eros sein inneres Wesen aus, und konnte ein einfacheres,
treffenderes Symbol gewählt werden für die Begünstigung des Liebedämons, als
daß er Kranz und Tänie, die bekannten Gaben der Liebenden, selbst herbeibringt?
Wenig mannigfaltig ist noch der Gebrauch, den man von Eros macht, ja,
man bildet ihn mit Vorliebe allein, wo nur sein eigner Charakter zum Ausdruck
gelangt. In mythologische Handlung als psychologisches Prinzip wagt man ihn
noch gar nicht zu verflechten, auch die Künstler der Odysseus-, Europe- und
Erichthonios-Vase, die allein einen Versuch machen, die äußerliche Tradition
durch Ausdruck der zu Grunde liegenden Seelenstimmung zu motivieren, kamen
icht über die Andeutung hinaus und wagen nicht, Eros in die Handlung zu
ziehen. Nur als Diener der Aphrodite, also mythologisch begründet, erscheint er
in der Handlung. Anders ist es mit den Liebesszenen aus dem gewöhnlichen
Leben, die wegen ihres nichtindividuellen, allgemein menschlichen Charakters
viel eher dazu auffordern mußten, den Eros in psychologischer Bedeutung auf-
zunehmen als die durch äußre Tradition fest bestimmten Mythen, deren psycho-
ische Zersetzung einer späteren Zeit aufbehalten blieb. Sehr interessant sind
die manchfaltigen Beziehungen, die zwischen Eros und den Epheben und
nnern obwalten, während er sich mit den Frauen noch gar nichts zu schaffen
macht; es ist offenbar der päderastische Eros, der im Gymnasion verehrt ward;
der erste Altar des Charmos in Athen (und athenisch sind ja die betreffenden
en) war diesern Manner-Eros geweiht, er muß der populäre gewesen sein; ja,
•henische Münze (Beule S. 222 [Coins of British Museum, Attica Taf. 12, 3])
en Eros, der die Männer in der Palästra zusammenhält und so den
•leiht, sich selbst den Kranz aufsetzend, die Siegespalme in der Linken
)zu man den palästrisdien Hermes in genau derselben Handlung vgl. bei
•npana, Op. in pU 1 Taf. 94). Jetzl erklärt sich auch das Verhältnis zur Poesie,
dle )a • In der ersten Hälfte des 5. Jahrb. den Gott Eros ignoriert, die Kunst
Eros in der Vasenmalerei. \\
zeigt uns jenen volkstümlichen Eros des Gymnasiums, den ein Aeschylus ver-
schmäht, während die Kunst der folgenden Periode durchaus von jenem neuen,
von der jüngeren Tragödie durchgebildeten Eros bestimmt wird.
II. PERIODE DER FREIEN KUNST.
Erst hier sind uns einige Werke literarisch überliefert und fest datierbar; vor
allen der Eros des Phidias an der Basis des olympischen Zeus, die Aphrodite
empfangend; am westlichen Giebel des Parthenon ferner war Eros als Knabe
hinter der nackten Mutter stehend gebildet [vgl. Roscher's Lex. d. Myth. I, 1356], 20
im Friese steht er als Mellephebe neben Aphrodite und hält einen Sonnenschirm: in
der gedrängten Figurenreihe des Giebels, wo er im Hintergrunde erscheint, mochte
die Knabenbildung passender sein, hier im Nebeneinander des Flachreliefs, wo auch
er einen eigenen Platz auszufüllen hatte, ließ schon die Isokephalie die Mellepheben-
bildung angemessener erscheinen. Zwischen Aphrodite und Peitho steht er auch
auf dem Friese des Niketempels in jener erwachseneren Gestalt (Roß u. Schaubert
Taf. 11, A). Ferner hat Michaelis nicht ohne Wahrscheinlichkeit auf den beiden
Parthenonmetopen Taf. 4, 24 und 25 dieselbe Komposition erkannt, wie auf einer
unten zu erwähnenden Vase: Aphrodite tritt zwischen Helena und Menelaos und
entsendet den winzig kleinen Eros, der auf letzteren zuschwebt; Aphrodite war in
der Tradition gegeben, Eros dagegen ist hinzugefügt, um die Eigenart der Macht
Aphroditens gerade in diesem Augenblicke zu zeigen; auch hier ist er vor allem
aus leicht einzusehenden künstlerischen Gründen so klein gebildet, aber nicht
als menschliches Kind, sondern ganz seinem hier noch begrifflichen und fast
körperlosen Charakter entsprechend. Gewiß ist es keineswegs Zufall, daß uns
von Phidias und seiner Schule Eros nur in Verbindung mit Aphrodite bekannt
ist; auch der Eros des Zeuxis (Ol. 88) war wenigstens im Tempel der Aphrodite.1
Ein Hauptgegenstand für statuarische Einzelwerke der ersten Künstler wird Eros
erst in der zweiten attischen Schule, ganz wie wir es in der gleichzeitigen Poesie
beobachteten und wie es der Geist der Zeit verlangte, der die Leidenschaft der
Wirklichkeit, das pathologische Interesse so sehr vor den ethisch idealen Typen
bevorzugte. Eine Würdigung der überlieferten Meisterwerke des Praxiteles und
Skopas muß einem andern Orte vorbehalten bleiben; hier haben wir es zunächst
mit den Vasen zu tun. Eine Anordnung der Masse von Darstellungen, die 21
möglichst vielen Gesichtspunkten gerecht wird, ist schwierig; eine durchgehende
Ordnung etwa nach den Stilarten im einzelnen ist nicht durchführbar, so sehr
ich auf sie Rücksicht nehmen werde; ich lege daher folgende allgemeinere Ein-
teilung zu Grunde, nach der wir zuerst die Fälle betrachten, wo Eros sich zu
Personen der Sage und des Mythus gesellt.
1 Das Mosaik aus Olympia [Olympia II, S. 180: Taf. 105], das Semper (Stil.2 1,59) der
phidiasischen Zeit zuschreiben möchte, kann derselben unmöglich angehören wegen des rein
dekorativ und ohne hervortretende Bedeutung auf dem Schwänze eines Triton reitenden Eros.
>S IN DER VAS1 NMA! EREI.
1. EROS IN MYTHISCHEN DARSTELLUNGEN.
nem begrifflichen Wesen nirgends untreu wird, lassen sich
[ beiden, wo der Künstler auch durch die mythische Tradition
eres Recht hatte, Eros hinzuzufügen, im Gegensatze zu der
en .weiten Gruppe, wo er lediglich psychologischen Gründen
.. i s< nheit verdankt
a) Mit der durch die Tradition bedingten Aphrodite.
Anlaß, den Kros einzuführen, mußte zuerst da Statt finden, wo seine Mutter
irodite durch die Sage selbst gefordert war, war sie doch in der Anschauung
unserer Zeit ohne ihren helfenden und dienenden Sohn kaum mehr zu denken
.1. Plat. Symp. 180 D). Ich scheide diese Gruppe mehr aus praktischen Gründen
5, indem sie zur folgenden keineswegs immer einen Gegensatz bildet, wie
in die spätem Bilder des Parisurteils den Eros ganz in der psychologischen
\ erwenden.
Voran ist zu nennen Mus. Greg. II, Taf. 5,2a (Overb. Gall. Taf.26, 12; [Heibig,
Führer- II, Nr. 1203]) eine herrliche Vase, deren Original vielleicht, wie oben bemerkt,
am Parthenon zu suchen ist. Ähnlich scheint zu sein Campana Ser. 11, 68 [Louvre
G 424] iE. mit Schale) und Bull. d.Inst. 1871, 155 (wo man die Geschmacklosigkeit,
iaß Eros dem Menelaos etwas in die Augen gieße, nie hätte glauben sollen;
vgl. Arch. Zeit. 1873 S. 76 [Bull. d. Inst. 1874, 8]). Im Parisurteil vertritt noch die
ältre mehr andeutende Auffassung Gerhard, Apul. Vb. Taf. D, 1 [Palermo], wo Eros,
als Jüngling gebildet, hinter Aphrodite herbeischwebt (zwischen dem Henkel); um-
gekehrt schreitet er ihr keck ermunternd voran Ann. d. Inst. 1833, E [Berlin 2610].
Im spätem, eigentlich malerischen Stil treten, abgesehen von den unbedeutenderen
wenig charakteristischen Bildern bei Gerhard, Apul. Vb. Taf. 11; 12; 13 [Berlin 3240;
•|, besonders zwei Auffassungen hervor, je nachdem der Sieg mehr durch
die Schönheit der Aphrodite selbst oder durch ihre Liebesversprechungen errungen
l.icht wird. So schmückt sie sich unter Eros' Beihilfe Overb. Gall. Taf. 10, 2 [Furt-
wängler-Reichhold Taf. 60]; Neapel 3244. Auf der interessanten attischen Pyxis, wo
1 : »ttin mit einem Gespanne auffährt (im Rhein. Mus. 1874 S. 309 [Kopenhagen])
rte und wirksamste, gezogen von zwei Eroten, die Kanne und
Schalen tragen, den bezaubernden Liebestrunk für Paris. Unmittelbareren Bezug
hat es. wenn l.l'Ul seine Mutter fragt, ob er Paris überreden solle: CR. 1861
'7). Bull d. Inst. 1868, 187 hat sie ihn bereits zu Paris ge-
sandt, dann legi er mit süßer Überredung die Hand auf Paris' Schulter.' Noch
e,r' * hält Aphrodite zurück, während der andere überredet Overb.
S020] ; Aren. Zelt 1867 Taf. 224 (vgl. 1870, S. 81 [Athen,
»chöne Motiv der Stellung wiederkehrt (vgL Praxi-
Eros in der Vasenmalerei. 13
Gall. Taf. 11, 1 [Karlsruhe 259, Furtwängler-Reichhold Taf. 30], wo die Eutychia
über Aphrodite zeigt, wie sehr hier schon der allgemeine Gedanke die Dar-
stellung der Tradition durchsetzt.
Noch klarer ist dies ebenda Taf. 10, 5 [Berlin 2633]: die Idee ist der Triumph
der Liebe; ein Netz ist um Paris gesponnen, dem er so wenig entrinnen kann als
Zeus, der hier in Ganymed sich verliebt. Es treten Eros, Himeros und
Pothos inschriftlich auf; obwohl die drei, wenn auch nicht zusammen, schon in
alter Zeit von der Poesie personifiziert wurden, so war es doch wohl erst Skopas,
der sie neben einander in der Kunst zu bilden wagte; daß bei einer solchen
Nebeneinanderstellung alles darauf ankam, ja geradezu alles Interesse allein in 23
einer möglichst feinen Unterscheidung liegen konnte, ist an und für sich
klar; es entsteht nur die Frage, ob Skopas und die ihm folgenden Künstler
dafür in der allgemeinen Anschauung eine feste Grundlage hatten? Ich glaube
entschieden ja. In voralexandrinischer Periode nämlich unterschied man so:
Himeros ist der unwiderstehliche Zug zu einem Objekte vor Augen, Pothos das
aufgeregte Verlangen, die Sehnsucht nach dem fernen Gegenstande, Eros bleibt
obenan (ist Vater der übrigen bei Plat. Symp. 197 D), er ist der vor allen Tätige
und noch am wenigsten Begriffliche. Um dies zu beweisen, sehen wir uns in
der Literatur um (einiges bei Jahn Ann. d. Inst. 1857, 129): zunächst spricht sich
klar in obigem Sinne über Himeros und Pothos aus Piaton Krat. 419 E, über
Himeros Phädr.251 C (vgl.Pollux 2, 63 to uji avrcöv — seil. dcp&aX/JLcbv — dnoq-
qeov l'juegog); ferner, gewiß aus guter Quelle, Schol. ad Hesiod. Theog. 201 : Eros ist
das allgemeine liebende Begehren, wenn man etwas zuerst sieht, Himeros das
Verlangen (emfivfua, cf. ad Theog. 64), wenn man etwas bereits kennt, es nun
auch sich ganz zu eigen zu machen. Die voralexandrinischen Dichter unter-
scheiden regelmäßig in der angegebenen Weise, wo sie überhaupt das Wort in
signifikanter Art gebrauchen, was keineswegs immer der Fall sein muß, da ja
allen drei Wörtern derselbe Hauptbegriff zu Grunde liegt. Als Beispiele mögen
dienen: no&og (als Begriff) die Sehnsucht nach etwas Fernem bei Archiloch.
fr. 84, denn nur sie kann so schmerzvoll sein; Tyrtäus fr. 12, 28; Anakr. fr. 113;
Pind. Pyth. 4, 184; Aesch. Pers. 62; 136; Ag. 414; Soph. Phil. 601, O. C. 333;
O. R. 518; Trach. 107; 631; 755; Eur. Ale. 1087; Phoen.330; Iph. Aul. 431; fr. 318;
Hei. 1306 und danach Carcin. fr. 5, 4 (Nauck S. 621), Menander 4, 158, 1 (Mein.),
cf. Nonn. 10, 321. Auch noch Meleager (Anth. Pal. 12, 157 und 167) unter-
scheidet bisweilen Pothos, während sonst die Alexandriner und die Folgezeit
trotz des häufigen Gebrauchs eine feinere Nuancierung durchaus nicht mehr
kennen. Für l'/xegog in der bezeichneten Bedeutung sind besonders charakteristisch 24
Stellen wie Pind. Ol. 3, 33: Herakles sieht die Bäume und hat i'juegog sie zu ver-
pflanzen, Pind. Ol. 1,41: Poseidon sieht und raubt Pelops aus i/uegog. Aesch. Prom.
649; Suppl. 1005; Soph. Ant. 795 der unmittelbares sinnliches Verlangen erregende
Reiz, ebenso Aristoph. Lysistr. 552 (cf. Lukian. Dial. deor. 20, 15); Eur. Med. 556,
14 Eros in der Vasenmalerei.
■i feiner Modifikation. — War dies aber die allgemeine Unterscheidung,
| ewifi leiten ließ, so dürfen wir sie auch auf unserm Bilde
WO der Künstler in der Tat eine Steigerung beabsichtigt zu haben
!i erlaubten ihm seine Mittel nicht, dies durch eine Charakterisierung
: innen heraus zu tun, wie wir es bei Skopas voraussetzen müssen, er konnte
nur durch die verschiedenartige Stellung und Handlung seinen Zweck erreichen,
:inach ist Eros, der tätige, voran und sucht Paris zu überreden; bald aber
wird Aphrodite auch Pothos entsenden, der stürmisch ihn in die Ferne nach
Hellas treibt, wo er endlich in Helenas Armen schwelgend Himeros' Macht er-
fahren wird. So erklärt sich einfach die Gruppierung und Aufeinanderfolge.
Nur noch eine Vase vereint alle drei Dämonen (leider nur beschrieben Bull. d. Inst.
122, Jatta 1093 [5. Hall. Winckelm.Progr. Tafel]), wo jedoch auch die
Unterscheidung beabsichtigt scheint: Eros neben Eua der allgemeinen Personi-
fikation bakchischen Jubels, Pothos neben Thyone, der vor allen aufgeregt
schwärmenden, und Himeros bei Dionysos selbst als höchste Steigerung. Eros
und Himeros scheinen unterschieden auf der Berliner Hebe-Vase (s. unten), indem
letzterer von Aphrodite für den Hauptmoment reserviert wird. Sonst treten sie
nur einzeln auf, wo zu einer Unterscheidung und Charakterisierung natürlich
nicht so viel Grund vorhanden war; doch ist bezeichnend, daß Pothos fast nur
in bakchischen Szenen vorkömmt, wo er das aufgeregte, ziellose Verlangen aus-
drückt. Daß wir jedoch nie berechtigt sind, ohne Inschrift einen Himeros oder
Pothos anzunehmen, hat schon Jahn (a. a. O.) richtig gesehen; denn auch Himeros
und Pothos sind nichts andres als Eroten und nicht etwa eigentliche Personi-
fikationen psychologischer Affekte, denn solche, d. h. menschliche Gestalten,
durchdrungen von den charakteristischen Elementen eines Affekts und danach
taltet, sind auf Vasenbildern kaum je mit Sicherheit nachzuweisen, wenn der
Maler nicht in richtiger Erkenntnis seiner beschränkten Mittel eine Inschrift beigesetzt
hat, wozu er dann mitunter auch als Beigabe eine innere Charakterisierung versucht.
Doch kehren wir von diesem Exkurse zurück und verfolgen zunächst das
Abenteuer des Paris weiter, das ja in der Sage durchaus von Aphrodite geleitet
1, die meist von Eros begleitet wird; so bei Paris und Oinone Millingen, Vases
div. Taf. 43 [Vatikan, Heibig, Führer- II Nr. 1240] (vgl. Brunn, Troische Mise. 61
[Kl. Sehr. III, 77J); auf der schönen Schale strengeren Stils Gerh. Ant. Bildw. Taf. 34
'>| ist er gesandt von seiner Mutter, die Helena noch reizender zu machen,
kauernd schmückt er ihr den Fuß, während Paris eintritt; auf ihrem Schöße sitzt
-redend Oveib. Hall. Taf, 12, 8 [Berlin 3182]; zwei Eroten leiten und er-
munte: Helena seine Liebeschwört, auf dem feinen Gefäße CR. 1861
Taf. ö, 1 [Petersburg 1924], vielleicht sind es Aphrodite und Peitho, die den Vor-
g ums Endlich leiten auch die Entführung der Helena zwei Eroten, einer
m;' ■• ich voranschwebend (gewiß die Brautfackeln; nach Stcph.,
da es Nacht sei», auf einem ebenso feinen Bilde ebenda Taf. 5, 3 | Petersburg 1929].
Eros in der Vasenmalerei. 15
Ferner ist Aphrodite im Mythus gegeben und von ihrem Sohne begleitet
beim Streit um Adonis: erfleht mit seiner Mutter vor Zeus, während ein zweiter
Eros auf den vorne ruhenden Adonis zuschwebt Bull. Nap.N. S. 7 Taf. 9 [Santangelo
702]. Charakteristisch ist Mon. d. Inst. VI, 42, wo auch Persephone von einem Eros
begleitet wird, doch nur um zu zeigen, daß für beide die Liebe Triebfeder ist,
ein Beweis, wie sehr man in dieser Zeit gewohnt war, Eros von der rein
psychologischen Seite zu fassen.
Endlich ist es häufig ein gewisser mythischer Konnex, der die spätere Vasen-
malerei veranlaßt, Aphrodite nebst ihrem Sohne, meist in der oberen Reihe,
der Komposition beizufügen; die Beziehungen sind dabei nicht immer klar und
wäre es daher möglich, daß auf einigen der zu nennenden Bilder auch das 26
Streben nach psychologischer Motivierung vorgewaltet haben mag, wie in der
nächsten Gruppe. Beim Streite des Marsyas ist Aphrodite als dessen Gönnerin
mit Eros gegenwärtig Gerh. Ant. Bildw. Taf. 27 [Mecheln] und Arch.Zeit. 1869 Taf. 17
[Neapel 3231], wo Eros sich spiegelt in der Schale der Mutter, wie bei diesen Bildern
öfter solche kleine genrehafte Motive für die lockere Komposition entschädigen
sollen. — In der Götterversammlung thronen sie in großen Darstellungen Mon. d.
Inst. II, 30, 31 [Neapel 3256]; Millingen, Vases div. Taf. 23 [Bibl. d. Vatikans]; Bull.
Nap. 1 Taf. 3 [Jatta 424], wo Eros die Mutter salben will; wenig klar sind die Be-
ziehungen Mus. Blacas Taf. 7 [Brit. Mus. F 270] und Rochette, Mon. in. 45 [Petersburg
424]. Auch warum sie bei der Aussendung des Triptolemos gegenwärtig sind (CR.
1862 Taf. 4 [Petersburg 350] inschriftlich nebst Peitho; Brunn, Supplem. zu Strube
Taf. II [Neapel 690]) ist nicht ganz klar; Strube (Stud. S. 18) denkt an ein Liebes-
verhältnis des Triptolemos zu Demeter, von dem jedoch gar keine Andeutung
in der Tradition sich findet, man wird daher Aphrodite besser als Beschützerin
des Frühlings und Wachstums fassen, wie ja auch die Hören gegenwärtig sind
und hier überhaupt nicht die menschliche, sondern die Naturseite des Vorgangs
betont wird. Endlich mag sich noch anschließen Bull. d. Inst. 1868, 153, 1, wo
Aphrodite und Eros über Orpheus' Untergang beraten sollen, vielleicht ist nur
ein von Asiaten diesen Göttern gefeiertes Fest gemeint; so sitzt Aphrodite mit
Eros unter Asiaten Gerh. Apul. Vb. Taf. 5 [Berlin 3242].
An diese Gruppe reihen sich nun auch diejenigen Bilder, die Aphrodite und
Eros allein unter sich oder mit Wesen verwandter Art zeigen. Gewöhnlich hat
man hieher eine große Zahl von Darstellungen gezogen, indem man mit den
Namen Aphrodite und Chariten äußerst freigebig war, während sich bei kritischer
Betrachtung ergibt, daß es nur sterbliche Menschen sind; ich führe daher nur
die Fälle an, wo mir Aphrodite hinlänglich gesichert erscheint. Dies ist zunächst
bei der schönen Münchner Vase 805 [3268] (Arch. Zeit. 1860 Taf. 140) der Fall, an
deren Halse Aphrodite in der Mitte sitzt und sich von einem Eros kränzen läßt, 27
während zwei andre sich mit einem Kranze unterhalten und noch zwei alla
morra spielen: eine breite Darstellung der Liebesmächte, die alles anstiften und
- in der Vasenmalerei.
dem Bauche der Vase gemalt ist. Zweifelhafter muß man bei
einer Gefäße in attischem Stile sein, docli scheint mir Aphrodite
lieh in folgenden Fallen: Mus. Borb. II, 30, 1 [Neapel 2884], wo sie in
e mit Eros gruppiert ist; Jatta 1393 steht Aphrodite mit einer
einer Blume sitzenden Eros gegenüber und Petersburg 1196 steht
mit einem Stäbchen vor Aphrodite, hinter der Peitho. Umgeben von drei
. n wird Aphrodite von dem vor ihr kauernden Eros am Fuße geschmückt
Bull. Nap. N. S. 6 Tat". 4, 2 [Jatta 1559]; letzteres war ein beliebtes Motiv vgl. Gerh.
Arn. Bildw. Tat. 34 [Berlin 2536], Elite 4, 38, CR. 1863 Taf. 1,3 [Petersburg 1983], auf
ninen CR. 1861 Taf. 6, 6; 1865 Taf. 3, 24. Stackeiberg Gräber der Hellenen Taf. 27
(Berlin 2719] kann das Leben der Liebesmächte dargestellt sein, Eros kramt in einem
Kistchen und wird mit Früchten bedient, doch befremdet der zuschauende Jüngling
mit seinem Mädchen. Als eine Ausnahme unter den Vasenbildern ist zu bezeichnen
Bei. d. Sachs. Ges. lS54Taf. 13 Ant. du Bosph. Taf. 61, 6 [Petersburg 2011], denn
hier ist Eros ganz von der menschlich persönlichen Seite als Sohn der Aphrodite
gefaßt, er hält ein Kinderwägelchen und bittet die Mutter um den Lieblingsvogel.
Hierher gehören auch zwei Bilder, die den Eros durch die Inschrift näher als
Himeros bezeichnen: Mus. Blacas Taf. 22, 2 [Brit. Mus. E 222], (in noch strengerem
Stil), es hält flEIßO ein Gefäß unter das von oben herabfließende (Öl?), vor
ihr aber sitzt IMEP02 und hält, wie mir scheint, ebenfalls ein Alabastron, er
wartet, bis Peitho gefüllt hat. So individuell der Moment gefaßt ist, so schimmert
doch der Gedanke durch: süß einschmeichelnd beredet Peitho zur Liebe, dann
aber kömmt Himeros, der tfiegtög macht und das liebende Verlangen erweckt.
Weniger ist dies der Fall München 234 [2520] (Ann. d. Inst. 1857, A): Himeros wird
chaukelt von Paidia, ein heitres Spiel der Jugend auf die Götter übertragen,
die Scherz und jugendliche Anmut vor allen beschützen.
Weniger zweifelhaft, aber äußerlicher gefaßt zeigt die unteritalische Malerei
die Liebesmächte: Dubois-Mais. Intr. Taf. 41, 1 wird Aphrodite zu Wagen von zwei
ogen (wie Mon. d. Inst. IV, 15; Gerh. Mysterienb. 5 [Turin]), ähnlich auf
einem polychromen vergoldeten Gefäß aus Cyrenaica Brit. Mus. C 39 [E712], wo
och, nach dem Gebrauche dieser attischen Produkte, Aphrodite nackt ist. Staunen
reift die Natur, ergreift Pane und Nymphen, wenn Aphrodite in voller
rlichkeit auf dem Schwane durchs Meer fährt, begleitet von Eros (als
ottm ?) Gerh. Ant. Bildw. Taf. 44 [Berlin 2636], einfacher Laborde I S. 31
[Louvre), Petersburg 2015. Aphrodite scheint es zu sein, die, von Eros geleitet,
auf .panne führt, Neapel 3417, 2204, 2336 am Halse von Vasen,
unten • Szenen zeigen.
Inten e beanspruchen die Bilder attischer Technik mit Ver-
tiefen \ 'er durch Inschriften den Szenen aus dem Frauen- und
. tieferen Gehalt zu verleihen suchen; denn diese Inschriften
en nicht auf Individualisierung, sondern auf Verallgemeinerung aus, wie auch
Eros in der Vasenmalerei. \j
sonst auf Vasen dieser Zeit; so finden sich einmal einer gewöhnlichen Komos-
szene die Namen Paian Neanias Komos beigeschrieben (Arch. Zeit. 1852 Taf. 37)
[Berlin 2658]; gar nichts haben diese Erscheinungen aber mit jenen kalten alexan-
drinischen Personifikationen wie Eniautos Penteteris Mesembria u. a. zu tun, von
denen sie Heibig (Unters, zur camp. Wandm. S. 216) abhängig machen will.
Doch betrachten wir die einzelnen Vasen: Stackeiberg, Gräber d. Hellenen Taf. 29
[Brit. Mus. E 697. Furtwängler-Reichhold II, S. 99.] steigern sich die Begriffe
von der Seite zur Mitte: der Kleopatra, edle Abkunft und Stand, entspricht
r. Eudaimonia, glückliche Lebensstellung, der Paidia und Eunomia, einem in
zwei Hälften aufgelösten Gliede, Scherz und Heiterkeit verbunden mit sittlichem
Maße, entspricht r. Peitho, die liebenswürdig Überredende; als Krone und Mittel-
punkt aber Aphrodite mit Eros auf der Schulter: denn Liebe und Schönheit ist
die Hauptsache, die mit dem übrigen vereint erst das wahre Glück des Daseins
erzeugt. Alle diese Göttinnen des Glücks haben aber die Gestalt heitrer, mit 29
Putz und Spiel beschäftigter Mädchen. Das Gerät, mit dem sich Peitho abgibt
(CR. 1860 Taf. 1 [Petersburg 1791] und Arch. Zeit. 1871 Taf. 45 mit geringer Modi-
fikation wiederkehrend), halte ich für eine Art Kohlenbecken für Wohlgerüche,
der fivoojivov; Tleidco (Anth. Pal. 12, 95, 1) wohl anstehend und auch bei Nike
über dem Altare leicht erklärlich.1 Zwei Repliken derselben Vorstellung zeigt
Jahn, Vas. mit Goldschmuck Taf. II, 1 u. 2 [Brit. Mus. E 698]: Gesundheit (Hygieia),
Schönheit (Kaie), sinnlicher Genuß (Pandaisia) und der Inbegriff alles Glücks
Eudaimonia, welche Eros begleitet, begrüßen und umringen einen Jüngling (Name
fragmentiert), der zu ihnen eintritt; gewiß ist die politische Beziehung, die Stephani
CR. 1860 S. 15 dem Bilde gibt, verkehrt: das allgemeine Lebensziel, das jedem vor-
schwebt, ist dargestellt. Während aber oben wenigstens Eros bei Aphrodite und
Peitho sich befand, sind es hier lauter Begriffe und Eros selbst scheint in all-
gemeiner begrifflicher Weise angewandt, als Glückseligkeit verleihender Dämon.
Dagegen ist er wieder Diener Aphroditens auf der schönen Lekane Bull. Nap.
N. S. 2 Taf. 6, 1. [Neapel, Santangelo 316] (vgl. CR. 1860 S. 12), ringsum Klymene
Pannychis und Eunomia; auch Harmonia als Ergänzung der Aphrodite (vgl. Aesch.
Suppl. 1042) sitzt als Hausfrau gegenüber und Eukleia vor ihr.
b) Psychologisch.
Wurde schon in den oben besprochenen Bildern Eros oft überwiegend von
der psychologischen Seite gefaßt, so ist dies bei den folgenden ausschließlich
der Fall. Es lassen sich hier zwei größere Gruppen scheiden, je nachdem nämlich
Eros als Liebesprinzip in jedweder mythologischer Handlung auftritt, oder er
mit bestimmten göttlichen Personen durch Charakterähnlichkeit eine dauernde 30
Verbindung eingegangen hat.
1 Petersen, Pheidias 135 hält es für eine Vogelfalle, doch scheint das Gerät ganz
offen zu sein. Auch glaubt er, Eros soll darin gefangen werden, ein unmöglicher Gedanke.
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. ^
is in des Vasenmalerei.
Innerhalb der ersten Gruppe betrachten wir zuerst die Fälle, wo er mit
den auftritt, die Liebesabenteuer der Götter und Heroen lenkend,
ä Künstlers ohne mythische Begründung, nur aus Bedürfnis
psyd eher Motivierung. Den Übergang bilden zwei schöne Gefäße
rarmalerischen Stils, die noch einen gewissen mythologischen Charakter
en: Laborde 1 Taf. 25 [Wien Sacken-Kenner S. 228 Nr. 166] umschließen
tüte und EPQ2 die Verfolgung der Amymone von beiden Seiten, ganz
analog Luynes Descr. 29 [Paris, Bibl. Nat. 460], wo Dionysos nach einem Mädchen
hascht, ähnlich Mus. Blacas Taf. 21 [Brit. Mus. E 184]. Vgl. auch Beugnot 46.
Hinter Zeus, der Ganymed verfolgt, schwebt Eros her mit Schale und Kanne,
wahrend Aphrodite tPeitho?) ihm den Kranz reicht, auf einer Vase ebenfalls
vormalerischen Stils (Overbeck Atl. z. Kunstm. 8, 19). — Ungleich häufiger im
entlieh malerischen Stile: so leiten sie die Entführung Europes Dubois-Mais.
Intr. Taf. 65 [Museo Gregoriano, Heibig, Führer2 II Nr. 1239]; von ihnen ist
:s auch gelenkt, wenn er um los Liebe wirbt, während die eifersüchtige
Hera bereits Argos sendet: Elite 1, 25 [Berlin 3164], eine Darstellung des all-
gemeinen Gesamtinhalts der Sage, nicht aber einer einzelnen Szene derselben,
wie man gewöhnlich annimmt; noch bedeutender ist die Io-Darstellung Mon. d.
Inst. II, 59, 1 [Berlin 2651], wo der allgemeinere Gedanke, Zeus unter der Herr-
schaft der Liebe darzustellen, recht klar wird; er zerstört Heras Pläne und läßt
os töten, bezwungen von Aphrodite und den Eroten. Auf Io will Engelmann
auch die genauer als bei Laborde II, 4 in der Arch. Zeit. 1873, Taf. 15 publizierte
e (Wien Sacken-Kenner S. 229 Nr. 171] beziehen, wo er Argos, Io und Hermes
erkennt, die vielen übrigen Figuren sollen der Raumfüllung wegen gedankenlos
hinzugefügt sein. Würden die drei genannten Personen in einer klaren Hand-
lung ein festes Zentrum bilden, um das sich das übrige locker gruppierte, könnten
wir allenfalls beistimmen. Dagegen ordnen sich diese drei Figuren, ohne unter
•.inander in näherer Beziehung zu stehen, vielmehr einem Ganzen unter, dessen
.verpunkt links in der im Stuhle sitzenden Frau liegt: hierher sind Richtung
und Aufmerksamkeit fast sämtlicher Figuren gelenkt, namentlich erscheint die
gebliche Io durchaus als Nebenfigur. Eine Deutung des seltsamen Bildes
i nicht zu geben, höchstens kann der Kreis näher bezeichnet werden,
/ i suchen ist: außer Hermes, Pan und den Satyrn, die sicher sind,
; man in der Frau links oben Aphrodite erkennen, einem Eros gebietend; dir
e darunter fasse ich so: der Bote ist bereit, ein Kästchen von der Frau
ZU nehmen; der Eros dazwischen, der ihm die Tänie heraufreicht.
iben von dem Mädchen überbringen soll. Ist es eine
Jt. ; m vom Gemahl? Deutet das übrige, nach dein Gedankenkreise
kommende aphrodisisch-bakchische Glück an? Zwei Jünglinge
haberi ,,; isl das gehörnte Mädchen eine Pauiii?
r unteritalischen Gefäße sitzen Aphrodite und Eros, das
Eros in der Vasenmalerei. 19
Liebesabenteuer beschützend, öfter in der obern Reihe, so Gerh. Trinksch. und
Gef. 22, 1 [Berlin 3297], wo ich trotz Stephani CR. 1863, S. 96 l die Entführung
Ganymeds, und zwar für Zeus, erkenne; nicht zu übersehen ist nämlich Laborde
II Suppl. 6 [Wien Sacken-Kenner S. 165 Nr. 95]: hier reitet ein Knabe2 auf einem
Schwane durch die Luft, er hält den Reifen, der auf Vasen für Ganymed charak-
teristisch ist, vor sich hin, Eros (auf dem Revers) eilt mit ausgestrecktem Arme
ihm entgegen, wie um ihn anzutreiben; nach dem Fragm. bei Gerh. a. a. O. 22,
4 ist hier gewiß Ganymed anzunehmen; der Adler als Räuber desselben ist be-
kanntlich den Vasen fremd, eine andre Tradition mag den Schwan, das Tier der
Wollust, passender gefunden haben; Poseidon in der obern Reihe ist dagegen
nur als Beschützer des Dardanidenhauses gegenwärtig und Hermes wird den Schwan
mit Ganymed zu Zeus geleiten. — Ferner sitzen Aphrodite und Eros über einer 32
mythologischen Entführungsszene (vielleicht der Persephone?) Bull. d. Inst. 1871,
57, 4; über Europe, der der Stier sich naht (Overb. Atlas zur Kunstm. 6, 12), über
Dionysos und Ariadne (Neapel 2375), über Perseus, der Andromeda befreit (Neap.
S. A. 708; Mon. d. Inst. IX, 38), und über Theseus und der Antiope Kampf als
Andeutung der kommenden Liebe (?, Mon. d. Inst. II, 13). Ein feines, aber
schwieriges Bild ist Minervini, Mon. di Barone 18: der deutlich charakterisierte
Herakles nämlich ruht aus, im Begriffe sich die Flügelschuhe auszuziehen, er sieht
auf zu einem demütig dankenden oder bittenden Mädchen, rechts Hermes, links
Pan, oben Aphrodite und Eros, der mit Tänie herabeilen will, rechts Athene. Die
Apotheose Minervinis macht schon Pan unmöglich. Ich kann mir die Szene nur
als eine freie Umbildung einer Heraklessage nach Analogie des Perseus mit Andro-
meda denken: auch Herakles hat die Flügelschuhe von Hermes empfangen, zur
Befreiung der Hesione, und wie es Perseus' Ziel ist, Andromeda zu gewinnen
(cf. Eur. fr. 126), so wird auch hier eine Umbildung ins Erotische vorgenommen:
Hesione kann keine Lust haben, zu dem grausamen Vater zurückzukehren: sie
bittet hier Herakles, sie mitzunehmen, und wird darin von Hermes unterstützt,
schon eilt Eros herbei, beide in Liebe zu vereinen; daß die Rosse der eigentliche
Preis sind, wird vollständig ignoriert; ebenso mußte Telamon wegbleiben, der sonst
Hesione heimführte. Ein solches freies Verhältnis der Vasenmaler gerade dieser
Periode zur überlieferten Sage, die vor allem in erotischem Sinne umgebildet
wird, dürfte überhaupt öfter nachweisbar sein, als man gewöhnlich annimmt, so-
bald man nur den künstlerischen Motiven gehörig Rechnung trägt.
Auch Pelops Wagnis lenken die Liebesmächte, oben (Mon. d. Inst. V, 22 [Brit.
Mus. F 271]) oder unten sitzend (Ann. d. Inst. 1840, N [Brit. Mus. F 330]); sie stehen
hinter Pelops Ann. d.Inst. 1851, QR, denn er wird von Liebe getrieben; aber es ist
auch eine Rachetat, Rache an dem wilden Verbrecher Oinomaos durch Myrtilos,
1 Vgl. Overbeck, Zeus S. 518.
2 Die Herausgeber der Elite (4, 54 der Avers wiederholt) sahen die Flügel des
Schwans für die eines Eros an, dem Anteros entgegeneile!
2*
IN DER VAS N MALEREI.
,: : steht hinter letzterem eine Erinys als Andeutung der nahenden Vergeltung
urui des Verderbens. Verwandt Ist Gerhard, Apul. Vb. Taf. 6 [Berlin 3239]: rechts
rod stehen Eros und Aphrodite, links Artemis einer Erinys1 ge-
I, dort der Trieb zur Tat, hier die Strafe, die Rache der verletzten Gottheit.
:i der Raub des Chrysippos wird von Aphrodite und ihren Söhnen geleitet
.iL Taf. 1. 2 [Neapel 1769]), nicht minder der Liebeskampf des Peleus und
Hietis Overb. Gall. Taf. 7, 8 [Vatikan]; 8, 5 [München 3267]; 8, 1 auch Peitho
und Ran; CR. 1869 Tat'., 4, 3, leider Fragment, war Aphrodite vielleicht auch an-
wesend. Eros schwebt auf Thetis' Kopf zu, wie um sie zu schmücken. Auf Peleus
schwebt er zu als helfende Macht auf der schönen Vase bei Salzmann, Necrop. de
mirus [Taf. 58] während dahinter Aphrodite sitzt und bei ihr Peitho. Als
chologisches Motiv des Kampfes scheinen sie auch bei Herakles und Acheloos
enwärtig zu sein (Jatta 1097 § 3, wenn richtig gedeutet). Gerhard, Apuk
Vb. Taf. 1"> [Berlin 3257] führt Eros den Herakles zur Hebe, Himeros (Inschr.)
wartet noch bei Aphrodite. Brit. Mus. 1440 [F 102] fährt Nike den apotheosierten
Herakles. Eros führt die Pferde; noch deutlicher Bull. Nap. N. S. 3, Taf. 14 [Furt-
wängler-Reichhold II, S. 256 Anm. 2], wo Silen vorangeht, Aphrodite und Eros
ihn erwarten: das wahre Glück besteht in aphrodisisch-dionysischem Genüsse.
Den Schluß mögen zwei besonders interessante Bilder machen: Michaelis,
Thamyris und Sappho [Rom. Mitt. III Taf. 9] (vgl. Jatta 1538 S. 847); die Deutung
von Michaelis ist unbefriedigend und basiert dazu nur auf der willkürlichen Er-
gänzung einer Inschrift; denn daß die Buchstaben 2AO, denen andre sowohl
als nachgefolgt sein können, noch gar manche Ergänzung zulassen, ist gewiß.
Suchen wir daher aus den Motiven der Komposition selbst eine Deutung zu
gewinnen: die drei eng verbundenen Frauen gehören offenbar zusammen als
aphrodisischer Dreiverein: unten Aphrodite, dann etwa Peitho und Paregoros,
einer der drei Eroten weist auf Thamyris, Aphrodite lauscht der Musik. Thamyris
:ngt in schwungvoller Begeisterung, siegesgewiß wendet er sein Haupt zu den
Musen; es kann kein Zweifel sein, daß die aphrodisischen Mächte hier wie in
den obigen Fällen als psychologisches Motiv der Handlung des Helden fungieren,
igen wir: von Liebe inspiriert singt Thamyris; dazu stimmt vortrefflich
der Kranz, den er im Gürtel trägt (nicht gestickt!), dessen hochzeitlich erotische
eutung überall wo er vorkömmt klar ist. 2 Die einfachste Erklärung der so
innten Tatsache bietet aber offenbar die Sage, nach der Thamyris aus liebendem
Verlangen zu den Musen sich zu einem Wettstreite mit denselben herbeigelassen
Musen hat Michaelis richtig erkannt; daß sie aber dem Thamyris
lügen, die Körte (Peraonif. psychol. Affekte) vorschlägt, scheinen mir
h nicht • ijehert.
n der .Moidias-Vase, dem Pelops Mon. d. Inst. VIII, 3 [Arezzo]
unten, auch bd P erb CklLTaf. 11,1 [Karlsruhe 259]; vgl. Ann. d. Inst.
](*> tickt: Furtwingler-Reichholi I S. 41, 1. 141. 193.]
Eros in der Vasenmalerei. 21
freundlich seien, finde ich durchaus nicht ausgedrückt: die eine mit dem Perlen-
halsband kann dies sehr wohl für sich betrachten und anlegen wollen, besonders
da sie fast allein keines am Halse trägt (vgl. die Paidia D. a. K. II, 296 d. [Brit. Mus.
E697]); die zunächst links unten sitzende lauscht zwar aufmerksam, aber zurück-
haltende, beobachtende Kälte liegt unverkennbar in ihrer Haltung; auch die Be-
wegung der rechts sitzenden ist die einer kritisch-sinnenden, nicht entzückten;
daß endlich Apoll sich abwendet und mit einer Muse ernst spricht, kann doch
nur als Zeichen seiner Kälte und Abneigung gefaßt werden; wir erraten den
Gegenstand des Gesprächs, und wer den Ausgang der Sage kannte, der wußte,
daß Verderben dem schönen Sänger naht — und daran ist seine Liebes-
begierde Schuld.
Diese verderbliche Macht der Aphrodite und des Eros, die wir besonders
bei Euripides betont fanden (z. B. Hipp. 542), tritt noch klarer hervor in der
Meleager-Vase Arch. Zeit. 1867, Taf. 220 [Neapel, S. Angelo 11], hier ist dem Eros
beigeschrieben <P(-)ONO£, d. h. es ist die Liebe, die hier zerstörend wirkt gleich
dem cpftovoQ dewv gegen das junge Leben Meleagers, denn seine Liebe zur
Atalante bringt ihm ja den Tod: die Szene ist eine vorgeschrittenere, aber der 35
Gedanke derselbe wie auf der Thamyris-Vase. Der Bogen und die Pfeile, die
Aphrodite hält, sind die ihr eignen Geschosse, wie bei Euripides, die sie dem Eros
zur Ausübung überlassen kann, nicht aber als ob sie dieselben dem Eros aus
Mitleid weggenommen hätte. Einen früheren Moment derselben Sage zeigt eine
andere Vase (beschrieben und richtig gedeutet bei Körte, Person, psych. Äff.
S. 56), wo Meleager der Atalante das Fell übergibt, welche Tat durch Eros und
Aphrodite als aus Liebe geschehen bezeichnet wird.
Auch ohne Aphrodite wird Eros häufig allein in die Liebesabenteuer der
Götter verflochten: so bei der Europe, indem er entweder den Stier bekränzt
(Passeri, Pict. in vasc. S. 6 [Mus. Greg.], Millingen, Vases div. Taf. 25 [Brit. Mus.
F 184]) oder ihn niederdrückt (Jahn, Entf. d. Eur. S. 1 [Neapel 3218], vgl. Nonnus
1, 79), oder er schwebt geleitend dem Zuge durchs Meer voran (Gerh. Apul. Vb.
Taf. 7 [Berlin 3241]; Overbeck, Atlas zur Kunstm. 6, 18), ja drei Eroten empfangen
und geleiten die Ankommende in lebendiger Handlung CR. 1866 Taf. 3 [Peters-
burg 1915]. Über Io gießt Eros Schönheit (Elite 1, 26 [Coghill]) aus, und auf
einer späten polychromen Vase ermuntert er Danae, den Regen zu empfangen (Brit.
Museum C 38 [E 711]); über Hades' Wagen, der Kora entführt, schwebt er Mil-
lingen, Uned. Mon. I, 16 [Overbeck, Kunstmythologie II S. 597, 6], von seiner Stelle
versetzt Mon. d. Inst. VI, 42 [Genf]. Auch zwischen Amymone und Poseidon steht
er ermunternd (Amalthea II, Taf. 4 [Overbeck, Kunstmythologie II S. 378, 14]). Be-
sonders häufig weilt er bei dem Liebesbündnis des Dionysos und der Ariadne: er
beschützt und beobachtet die in Liebe Vereinten,1 ihre Brautfahrt umgeben locker
1 Millingen, Uned. Mon. 1, 26; Bull. Nap. 3, Taf. 1, 3 [Jatta 1525] fein, ähnlich Peters-
burg 1922.
Eros in der Vasbnmai erei.
CR. 1863 Taf. 5, 2 [Petersburg 1427]); häufig kränzt er eines von
schwebt sonst um sie, Immer als Ausdruck ihrer Liebesstimmung.1 Das
Monument dieser Reihe ist jedoch die Vase von S. Martino (Gerh.
»9 [Palermo, Furtwängler-Reichhold I, Taf. 59]). Gewiß richtig
■.um die xi"'", '/''• (V "/'•'/ Wr Aphrodite erklärt (Areh. Zeit. 1863, S.46);
Hauptschwierigkeit liegt aber in dem Mädchen in der Mitte mit dem zierlich
unten Qestus (vgl. Ann. d. Inst. 1862, 259); auch ich wage nur eine Ver-
mutung darüber auszusprechen: es scheint mir nämlich klar, daß jenes Mädchen
eine herankommende, für Dionysos bestimmte Geliebte sei, er wird auf sie hin-
gewiesen von einem überredend angeschmiegten Mädchen, das wir wohl Peitho
nennen dürfen; die Ankommende ist auf einem (vom Hügel verdeckten) Wagen
gekommen, der mit Rehen bespannt ist und von einem Eros gelenkt wird:
EPOS AM l'C (die Rehe erkannte Stephani CR. 1863 S. 217, der jedoch Dionysos"
Wagen annimmt, was nicht zu der Stellung paßt); wer könnte aber jenes Mädchen
eher sein als Ariadne, deren Wiedervereinigung mit Dionysos alljährlich mit der
bessern Jahreszeit gefeiert wurde (vgl. Preller, Gr. Myth. 1", 532) 2; daß bei diesem
Wiederaufleben der Natur Aphrodite und ihre Chariten (die beiden Mädchen neben
ihr) keine geringe Rolle spielen, ist bekannt; aber auch Eros, der zwischen Dio-
nysos und Ariadne, schnürt sich die Stiefel, d. h. offenbar, es beginnt eine neue
Periode der Wirksamkeit auch für ihn, für die er sich rüstet; um seinen Zu-
sammenhang mit Dionysos zu bezeichnen, trägt auch er die dionysische Tänie
(wie auch berauschte Jünglinge und Männer, z. B. Arch.Zeit. 1852, Taf. 37, 3[Cassel]).
Gewiß beabsichtigt ist auch hier der so beliebte Gegensatz zwischen dem natur-
gewaltigen Dionysos und dem in reiner Hoheit thronenden Apoll auf dem Revers.
Aber auch Apoll muß manchmal dem Eros weichen. Neapel 3224 spielt er
unter Musen und Eroten die Leier, darüber hin fährt Aphrodite, von zwei Eroten
n; ebenda 2541 singt er ebenfalls von Eros bezwungen; daß aber auch die
dem Apoll nahestehenden spröden Amazonen von Eros entzündet werden können,
lehrt der Revers; im Innenbilde zwei Eroten in Blumengewinden! —
'it minder fügte man Eros in die Liebesabenteuer der Heroen ein, und
ir bald mehr persönlich tätig, wie wenn er das verfolgte Mädchen aufzuhalten
sucht (i i af. 4, 1 [Petersburg 2178a]), oder (Ant. du Bosph. Taf. 53 [Peters-
burg 17.H7]» wenn einer des Kentauren Liebesbrunst anstachelt, und ein zweiter,
so oft, mit ausgebreiteten Armen auf Deianira zuschwebt, entweder um sie
6 [Wien Sackcn-Kcnncr S. 233 Nr. 199] (vgl. Steph. CR. 1862 S. 147);
Petersburg 2021 ; Rossi, Vasi Blacas Taf. 21 S. 59 [Brit. Mus.
; CR. 1860 Taf. 2, 1 [Petersburg 1793]; Miliin, Peint. de vas I,
• ikle*); Brit .Mus. C 9 [E 237] (überredend), C 20 (K 435] auf Ariadnes Arm
»OK Schönheit über sie ausgießend.
lüg der Inschrift bei Dionysos als ipXmv, der Strotzende, sicher
mir zur i mg meiner Deutung. [Vgl. jedoch hierzu l'urtwiingler-
71
Eros in der Vasenmalerei. 23
fester in des Kentauren Arme zu treiben, oder um sie zu schmücken, indem,
wie öfter, ein Kranz oder dergleichen fehlt1; jedenfalls ist es ganz verkehrt, hier
mit Stephani an ein Segnen und an einen Unterschied der Eroten wie bei Eur.
Iph. Aul. 546 zu denken. — Dem niedergeworfen Kentauren scheint er ein Tuch
für seine Wunden bringen zu wollen (?) CR. 1865 Taf. 4, 1 [Petersburg 2016].
Ermunternd steht er neben dem Liebespaare Meleager und Atalante Bull. Nap.
N.S. 5 Taf. 1 [Jatta 1418] (vgl. Steph. CR. 1867 S. 86). Eine Ausnahme unter den
Vasen ist Tischbein III, 39, wo Eros knieend neben einer Säule einen Pfeil abschießt
auf Stheneboia, die sich mit Bellerophon unterhält; auffallend ähnlich, nur wahr-
scheinlich nicht mythisch ist Petersburg 1181 („Verfall") [nach Rom. Mitt. II S. 46
die gleiche Vase].
Häufiger ist er in mehr symbolisch begrifflicher Weise verwendet, so schwebt
er herbei auf Hippodamia (Neapel 3227), auf Perseus, der das Ungetüm bekämpft
(ebenda 3225), natürlich immer, um das psychologische Motiv der Handlung zu be-
zeichnen. In demselben Sinne fliegt er über oder vor dem Wagen des Pelops
(Gerh. Ges. Abh. Taf. 3 [Neapel 3255]; Mon. d. Inst. II, 32, 2 [Neapel 3256]) und sitzt
hinter Medea (Mon. d. Inst.VTaf. 12 [Petersburg 422]); er schwebt zwischen dem
etwas zögernd verlegenen Paare auf Herakles zu, nach der Omphale sich umschauend
(Gerh. Apul.Vb.Taf. 14 [Berlin 3290]). Nach der bekannten Version, daß Herakles 38
die Hesperidenäpfel durch Liebe errungen, steht (Brit. Mus. C 1 [E 227]) Eros vor
dem Baume, wie um Herakles zu schmücken. Auch sonst ist Eros Genosse der
schönen Hesperiden (Hancarvillelll, 123 [Catania]; Bull. Nap. N.S. 5 Taf. 13 [Jatta
1097]). Vielleicht sind ebenfalls als schönheitverleihende Dämonen die beiden Eroten
zu fassen, die bereit sind, den toten Hektor, der eben herangetragen wird, entstellt
zum Entsetzen seines Vaters, zu schmücken und wieder schön zu machen (Overb.
Gall.Taf. 20, 4 [Petersburg 422]), wenigstens ist die Annahme von „Todes-Eroten"
entschieden abzuweisen.
Besonderes Interesse bietet die schöne Kadmos-Vase, wo Eros den Fuß der
Thebe schmücken will (Welcker A. D. 3, 23, 1 [Berlin 2634]); denn die ganze Dar-
stellung der Tat des Kadmos hat hier manches Eigentümliche; die Hydria, die
in der Sage eine Rolle spielt und sonst immer da ist, fehlt, dagegen sitzt
Harmonia, wie schon zu Kadmos gehörig, hinter ihm, ihn ermunternd; er selbst
ist mit dem hochzeitlichen Kranze im Gürtel geschmückt und kämpft mit dem
Schwerte, nicht mit dem Stein, wie in der Sage und allen sicheren Kunst-
darstellungen (vgl. die Zusammenstellung Arch. Zeit. 1871 Taf. 35; CR. 1860 Taf. 5
[Petersburg 2189] ist nicht Kadmos) — kurz, alles weist auch hier auf eine
selbständige Umbildung des Überlieferten und zwar in erotischem Sinne hin:
es gilt die glänzende Heldentat des Kadmos zu feiern, der von Liebe getrieben,
1 Vgl. CR. 1869 Taf. 4, 3; Ant. du Bosph. Taf. 52 [Petersburg 1812]; Heydemann, Gr. Vb.
S. 10, Taf. X, 1 und die Fälle, wo er vor den Füßen kauert und sonst z. B. Brit. Mus. C 1
[E 227], C 20 [E 435].
in di r Vasenmalerei.
um Harmonia u erworben und dann Hieben zu gründen, unter Athenas
d iWn verderblichen Drachen tötet; und Eros bekränzt Thebe, denn eine
it hat gründet. So stellt sich unser Bild auch dem Gedankeninhalt
-. Gegenstück zu dem großen Parisurteile heraus.
Ihaft endlich sind Millingen, Vases div. Taf. 41 (Neapel 2900), wo eine
um anglückliche Liebe trauernde Königin gemeint scheint (Phädra?) und Mon.
d. Inst. 1S54 Taf. 16 [Brit. Mus. F 272], wo der herabfliegende Eros den Grund
der Trauer der Frau anzeigt (ob Phädra? vgl. Arch. Zeit. 1871 S. 159).
Wenden wir uns nun zur zweiten Gruppe, so wurde das innere Wesen des
Eros Grund zur dauernden Verknüpfung mit Dionysos und seinem Kreise. —
Aphrodite scheint schon früh ein näheres Verhältnis zu Dionysos gehabt zu haben,
das auch im Kult anerkannt ward.1 Nirgends wird aber berichtet, daß auch Eros
mit Dionysos irgend welche religiöse Verbindung gehabt habe, was auch durchaus
unwahrscheinlich wäre; vielmehr ist diese Verknüpfung der Poesie und vor allem
der Kunst zu danken; denn die literarischen Zeugnisse sind verhältnismäßig selten
und Anakreon fr. 2 steht vereinzelt da, Eur. Bakch. 412 erscheint Pothos den
Minaden freundlich, aber erst die spätere Zeit erwähnt das Verhältnis öfter
(z. B. Anth. Pal. 5, 93; 7, 27; 12, 119; Nonnos nennt 43, 421 und 48, 178
Eros dem Dionysos yvmtös] 5, 43, 437 und 47, 424 gar y.aotyrijzos). Daraus darf
aber nicht auf die Kunst geschlossen werden, wird uns doch z. B. die Verbindung
des Greifs mit Apollo erst durch die spätesten römischen Autoren bezeugt, während
sie der Kunst schon im 5. Jahrh. geläufig war (s. Stephani CR. 1864 S. 90). Und
in der Tat ist uns bezeugt, daß schon Mys in den 90er Ol. Amoren und Silene
im Dionysostempel zu Rhodos ziseliert, und wahrscheinlich in dieselbe Zeit fällt
Thymilos' Gruppe des Eros und Dionysos. Während die Poesie sich meist be-
gnügen konnte, den zu Grunde liegenden Gedanken, den engen Zusammenhang
von Wein und Liebe in begrifflicher Fassung vorzutragen (wofür viele Stellen
bekannt) mußte die Kunst den persönlichen Ausdruck dafür suchen; daß dies
r nicht vor Ende des 5. Jahrh. geschah, zeigen unsre Vasenbilder, die sämtlich
dem ganz freien malerischen Stil angehören, wie denn auch die oben erwähnten
Kunstwerke eben dieser Zeit angehören. Damit stimmt aber der Entwicklungs-
gang der Kunst überein; denn erst in einer Zeit, wo man allgemeinere Gedanken
uich ohne die festen Vorarbeiten der Tradition in die Kunst einzuführen wagte,
ab man das psychologische Wesen der Götter vertiefte und auch in der
Kunst vor allem nach Ausdruck der bewegenden Leidenschaften suchte und
dabei dem Kreise des Dionysos besondere Sorgfalt zuwandte, erst da konnte
Indigen Genossen des Dionysos werden.
EU nennen CR. lHfi.'i Taf. 1, 3 [Petersburg 1983], wo die spinnende
rempel In Bura Paus. 7,25, 5; sonstige stellen sammeln Stephani
lahn, Vas. mit GoldSChm. S. 24 Anm. 106, wozu man ans älterer Zell
Eros in der Vasenmalerei. 25
Aphrodite mit einem Eros dem Dionysos gegenüber sitzt, der einem zweiten Eros
zusieht wie er eine Gans hascht; man wird erinnert an Nonnos 31, 266 wo Dio-
nysos in Mitte des Olymps sitzt, Aphrodite und Eros daneben. Sonst ist es
immer Eros allein, der als treuer Begleiter und Diener des Dionysos in folgenden
Bildern erscheint: er gießt ihm den Kantharus voll (Tischbein II, 46); Miliin, Peint.
de vases II Taf. 16 [Louvre] nahen sich feierlich Eros und ein Satyr als die zwei
Hauptelemente und Diener des Gottes, mit Opfergaben; er eilt seinem Wagen
voran,1 er schwebtauf ihn zu in festlichem Aufzug;-' er unterhält sich mit ihm
auf seiner Kline, lehnt sich traulich an sein Knie oder steht ihm ruhig gegen-
über.3 Besonders gesellt er sich zu seinem Freunde, wenn er sich Musik machen
läßt (Hancarv. III, 62; Arch. Zeit. 1855 Taf. 84 [Berlin 2642]); auf der berühmten
Theatervase Mon. d. Inst. III, 31 [Neapel 3240] reicht IMEPOZ, auf Dionysos
Kline ruhend, der Muse des Theaters eine Tänie, d. h. die erotische Ekstase ist
Grundlage der dramatischen Poesie, es genügt unserm Bilde die dionysische Inspi-
ration des Dramas im alten Glauben nicht mehr und die des Himeros wird zu Hülfe
genommen.
Überhaupt aber fehlt Eros nicht leicht, wenn Dionysos feierlich ruhig in Mitte 41
seines Hofstaats lagert: Miliin, Peint. de vases Taf. 67 [Louvre]; Millingen, Vases div.
Taf. 24 [Vatikan, Bibl.]; Gerhard, Apul. Vb. Taf. 3 [Berlin 3263]; Inghirami, Gall.
Om. 2 Taf. 175; Petersburg 2017; Berlin 1093 [3034]; Heydemann, Gr. Vb. S. 3 aus
Athen: Eros, Dionysos und Ariadne sitzen von Satyrn bedient; auch Ant du Cab.
Pourtales Taf. 17 ist Eros Genosse des Dionysos und hascht nach einem Schwan
(über dessen Verbindung mit Eros Stephani CR. 1863 S. 74; 1864 S. 203). Ann.
d. Inst. 1866, CD [Calvi] steht zu jeder Seite des Dionysos ein kleiner Eros, einer
mit Lyra, wie ja besonders die höhere musische Seite ein Band zwischen Eros
und Dionysos bildet. Schon erwähnt ward Bull. d. Inst. 1836, 122, Jatta 1093,
wo Eros und Pothos zu den Vertreterinnen bakchischer Lust, Himeros zu Dionysos
sich gesellt, wie Gerhard, Ant. Bildw. 17 [Wien Sacken-Kenner S. 226 Nr. 160],
wo er Dionysos bekränzt, der von den Hören Früchte erhält;4 Eros selbst pflückt
Früchte für Dionysos Ant. du Bosph. Taf. 63, 2 [Petersburg 1788]. Aber schon in
frühster Jugend ist er sein Freund, so wenigstens fasse ich Ann. d. Inst. 1865, E
(Verfall) wo er dem kleinen Dionysos, der von einer Nymphe gesäugt wird,
einen Vogel zum Spiele herbeibringt, während rechts der Überbringer des Kindes
Hermes, steht (vgl. Inghirami, Vasi fitt. II Taf. 194).
1 Tischbein III, 21, wo Steph. CR. 1861 S.60 mit Recht Dionysos statt des Hermaphro-
diten vermutet.
2 Berlin 1015 [2648], ähnlich Mus. Borb. VIII, 27 [Neapel 1979], wo jedoch Pan.
3 Passeri 219 [Vatikan] ; Miliin, Peint. de vases I, 42; Jahn, Vasenb.Taf. I [Neapel3249];
CR. 1869 Taf. 4, 11; Miliin, Peint. de vases I, 69 [Louvre]; Brit. Mus. 1344 [F 152]; Campana
ser. 4, 242 Neapel 824 Eros mit Bogen, auf dem Revers Dionysos.
4 cf. Nonnus 19, 259 Eros den Dionysos bei einem Feste bekränzend.
. Dl R \ \st NMALEREI.
Dionysos selbst gegenwärtig wäre, beteiligt sich
chen Kreise, indem ei ruhig unter den Thiasoten weilt1 oder
Mittelpunkt die Stelle des Dionysos vertritt; ■ er naht sich einer
Spiel mit einer Ente (Moses, Vas. Englef. 38, verwandt Petersburg
ch mit Silenen und Satyrn spielt Eros; oft reiten Dionysos als Kind
- ityrknaben auf den Schultern andrer, wenn auch nicht auf Vasen (vgl.
ti. CR. 1861 S. 24), ein solcher bakchischer Mutwille ist es denn auch, wenn
lin, Peint. de vas. 1, 20 [Leiden]) zwei Eroten mit Bogen und Fackel auf Sileno-
pen reiten oder wenn er auf Silens Schultern flötend einen Zug anführt (Du-
. -Mais. Intr. Taf. 40; Neapel 2579). 4 Anmutig ist Neapel S. A. 223, wo er wieder
j musikalische Treiben des Satyrs begünstigt.
gentlichste Tätigkeit entfaltet Eros aber erst als Auf reger und Auf-
stürmer bakchischer Lust; hier wird klar, daß es das gemeinsame ekstatisch be-
werte Wesen ist, das Eros und Dionysos so nahe verband; hier dient Eros
psychologisches Motiv der wütenden Begeisterung, des Verlangens ohne Ziel
und Grenze, treffend ist ihm daher einige Male nö&os beigeschrieben. Die Be-
gung dieser Auffassung bietet der Umstand, daß Eros nur die edlere Ekstase
der Mänaden und des Dionysos lenkt, nicht etwa das gemeine sinnliche Verlangen
der Satyrn.5 wie denn überhaupt Eros auch in der spätem Zeit nie mit diesen
halbtierischen Elementen des bakchischen Kreises etwas zu tun hat; denn wenn
er. wie später so häufig, mit Kentauren verbunden wird, so ist dies eben die
Bezwingung dieser rohen Naturwesen. Doch betrachten wir unsere Vasen: Eros
• noch ruhige Mänaden auf," er flötet zum wilden Tanze,7 er schlägt das
Tympanon imThiasos(Jahn, Vasenb. Taf. 2 Pothos; Brit.Mus. C 12 [E242]); beson-
ders lebendig und schön ist eine mehrfach erhaltne Composition, wo Eros Tym-
panon schlagend der rasenden Mänade voranstürmt (Tischbein III, 24 u. 25; Moses,
. Englef. 26; Elite 4, (>1 [Louvre]); ja er richtet die gestürzte wieder auf und in-
spiriert sie von neuem (Bull. Nap. N. S. 4 Taf. 3 [Jatta 1092]), er eilt dem Thiasos
m (Petersburg 2076). Vorzüglich ist der Revers der berühmten Vase Mon. d.
' Laborde I, 5 [Wien Sacken-Kenner S. 223 Nr. 1 2.5] ; Miliin, Peint. de vases. I, 28;
Brit Mus. 1319 [F 58]; 3 Eroten Ann. d. Inst. 1864, H, wo unten
Petersburg 426 Halsbild
1 [Die von F. an dieser Stelle noch zusammen angeführten Bilder üerh. Apul. Vb.
boren ZU zwei verschiedenen Gefäßen. |
' i rinyt mit einem Satyr um einen Kranz, Passeri 155 (?).
elten beschützt oder facht er die Lust der Satyrn zu den Nymphen
an. so Miliin, Pein: I. 52 [Paris, Bibl. Nat. 436]; Neapel 961 und 963, Verfall; Ant.
du fvmph. • biir^ 2073] ist die Bedeutung zweifelhaft.
II, is [Paris, Bibl. Nat 438]; Laborde I, 80; Petersburg 2019,
lirift Pothos; .Mus. Mlacas Taf. 22, 1 [Brit. .Mus. I- 245]; Neapel
11|.
Eros in der Vasenmalerei. 27
Inst. III, 31 [Neapel 3240]: Dionysos mit der Leier eilt Ariadne umarmend dahin,
hinter beiden schwebt Eros, efeubekränzt die Cymbeln schlagend; aber noch weiter
geht CR. 1869 Taf. 4, 9 : in stürmender Eile rast Eros voran und faßt Dionysos, der ihm
keuchend kaum mehr nachkömmt, unter der Achsel, ihn fort in den Strudel reißend.1
Wie verwandt die Meergeschöpfe dem bakchischen Kreise sind, ist bekannt;
gern hebt man daher das sehnsüchtig erotische Wesen besonders der Nereiden
dadurch hervor, daß Eros sie leitet; diese Vorstellung finden wir schon auf
einigen spätem Vasen (CR. 1863 Titelvign., [Petersburg 2023] Overb. Gall. Taf. 18,
8 [Brit. Mus. F 69]; Ant. du Bosph. Taf. 61, 4? [Petersburg 2164]). Nur uneigentlich
gehört hierher Bull. Nap. N. S. 2 Taf. 2, 1 [Neapel 2296], wo einer gewöhnlichen
Frauenszene Nereidennamen beigeschrieben sind, EPOZ fliegt mit Kranz auf
eine zu, als allgemeiner Beschützer der Frauenschönheit.
Öfter geleitet auf unteritalischen Bildern eine vom Eros kaum unterschiedene
Figur die Lichtgötter (Ann. d. Inst. 1864, ST [Neapel 3222, modern, vgl. Samml.
Saburoff Taf. 63, Anm. 15]; Neapel 2576; Gerh. Ak. Abh. Taf. 6, 1 [Neapel 3256];
Taf. 7, 1 mit Strahlenkranz); ob hier noch an Eros zu denken ist, der, etwa als
schönster der Götter, das strahlende Tageslicht leitet, oder ob es eine eigentliche
Personifikation des Phosphoros ist, bleibt ungewiß; vielleicht ist das Wahre
in einer vom Künstler selbst nicht klar gedachten Mitte. — Charakterisiert sind
Phosphoros und Hesperos nur Inghirami, Vasi fitt. I, Taf. 52 [Louvre].
Überall in den besprochenen Monumenten ist Eros in die verschiedensten
Sagen und mit mythologischen Wesen verknüpft; auf seine eigne göttliche 44
Person bezieht sich nichts;2 eigne Mythen hat er nicht, da Eros und Psyche
der Vasenmalerei noch fremd sind. Diesen Mangel an Handlungen, die sich
auf das Wesen und Leben des Eros selbst bezögen, suchten einige späte Maler
durch eigne Erfindung zu ersetzen: Neapel 3218 B oben findet sich eine feier-
liche Aussendung des Gottes Eros: er steht auf dem Viergespann, Zeus reicht
ihm die Schale zum Abschied in aller Form, Hermes führt den Wagen und Pan eilt
voran. Auch ebenda 3252 (Relief am Halse) fährt Eros, von Hermes geleitet, übers
Meer. Passeri 287 fliegt Nike dem Viergespann voran, während sich hinter Eros
schon die Wirkung zeigt: ein Mann verfolgt und umfaßt eine Frau. Den
Triumphzug der Eroten durch die Welt stellt ferner Neapel 3377 dar, vgl. 2022,
R.C. 94. Alle diese Bilder gehören der spätem unteritalischen Periode an, die
ja auch sonst sich die Feier des Eros besonders angelegen sein ließ.
1 Zweifelhaft, doch wahrscheinlich bakchisch, ist CR. 1866 Taf. 5, 4 [Petersburg
884], wo zwei Eroten einen aufgeregten Stier, auf dem ein Mädchen, leiten und treiben.
Über Mon. d. Inst. IV Taf. 43 [Wien Sacken-Kenner S. 163 Nr. 69] vgl. Steph. CR. 1865
S. 59, wonach Eros auch aufgeregt bakchisch, doch s. Heibig, Unters, üb. camp. Wandm.
S. 175. Eros schlägt auch bei Gelagen der Sterblichen das Tympanon in demselben Sinne
als Aufreger (Hancarville IV, 52 [Brit. Mus. F 48]; Miliin II, 58 [Louvre]).
2 Vielleicht wird Eros als Gott von Frauen verehrt Jatta 584 und Petersburg 860?
Eros in der Vasenmalerei.
>S IN DARSTELLUNGEN DES GEWÖHNLICHEN LEBENS.
ist die Masse elos hieher Gehörigen, aber während wir in der
le in die Verhältnisse der Jünglinge und Männer eingeführt wurden,
fen wir hier lediglich die Beziehungen zu den Frauen, namentlich wird
- lönheit letzterer unzählige Male gefeiert. Um dies zu begreifen, muß man
sich erinnern, wie sehr seit dem 4. Jahrli. Macht und Ansehen der weiblichen
•lönheit wuchs; schon von Chäremon (Nauck S. 610) ist uns eine reizende
Milderung des nackten weiblichen Körpers erhalten, und die mittlere und neuere
Komödie hat zu einem Hauptgegenstande die Liebe und das Leben mit den
Hetären, deren Bedeutung im gesellschaftlichen Leben in stetem Zunehmen
u.ir (vgl. Becker, Charikles II9, 50). So dürfen wir uns nicht wundern, daß auch
die Vasenmaler diese Stoffe eifrig ergriffen; aber nicht realistische Szenen der
Wirklichkeit finden wir. sondern, indem diese Werke meist aus einer Idee ge-
haftet] sind, wird ein göttliches Wesen wie Eros so oft eingeflochten, um die
allgemeinen Elemente der Situation hervorzuheben und nirgends tritt das be-
griffliche Wesen des Eros dieser Periode mehr hervor als hier.
Da für eine Anordnung keine äußere Anhaltspunkte gegeben sind, so muß
man nach inneren Gesichtspunkten suchen. Es lassen sich so zwei Hauptgruppen
trennen, je nachdem Eros, objektiv gefaßt, Liebe oder Schönheit verleiht, oder
ibjektiv) selbst nur Ausdruck dieser Zustände der Liebe oder Schönheit ist.
a) Objektiv-persönlich.
Zunächst verleiht Eros Liebe, er fordert dazu auf und ermuntert die
Liebenden: auf der schönen Lekane CR. 1860 Taf. 1 [Petersburg 1791] ist auch
eine Gruppe Liebender, ein Eros sucht den Jüngling dadurch festzuhalten, daß
er sich an seinen Stock hängt (von Stephani unrichtig aufgefaßt). Beim Sym-
ion, das durch Hetären verschönert wird, oder sonst im Hetärenverkehr er-
muntert er oft die Paare.1 In der maßvoll schönen Komposition Tischbein IV, 1
bildet Eros den Mittelpunkt, er scheint den Liebesantrag zu begünstigen und
leich Genosse und Beschützer des Frauenlebens zu sein (hält er die Schuhe
der Frau?). Tätiger erweist er sich, indem er schwebend das Mädchen, das der
.Jüngling umfangen will, an der Hand zum Gemache leitet (Panofka, Bild. ant.
11,1); nicht minder lebendig ist Millingen, Vas. div. Taf. 26 [München 3271]:
feuert das auf der Kline sich umarmende Paar noch mehr an, ein andrer
nd das Waschbecken herbei, links oben vielleicht Aphrodite, die selbst
mit -n ein Liebesgespräch lenkt: Jahn, Vas. mit Goldschmuck Taf. I, 1
Ilignon-Couve 1941]. Die Leidenschaft entzündet und ermuntert Eros
em< pd S. ,\. 699; 2924; Ant. du Bosph. Taf. 62, 2 [Petersburg 1794]; er
Intr.Taf. 19, 1; Taf. 45; MUlin, Peint de vas. I, 38 [Paris, Bibl. Nat.
.V, :n Sacken-Kenner S. 'l\l Nr. 274); Mon. d. Inst. IV, 24 [Berlin 4126J.
Eros in der Vasenmalerei. 29
leitet das Liebesgespräch Elite 4, 16, Petersburg 766, 775; zwei Eroten sind
schützende Wächter des Paares Elite 4, 66, während eine verhüllte Frau aus
dem Fenster sieht (ähnlich Neapel S. A. 369; Mus. Blacas Taf. 32 A [Brit. Mus.
F 194]). Die Krone dieser Reihe bildet das attische Bild Arch. Zeit. 1873 Taf. 4
[Berlin 2706], wo der allgemeine Gedanke, daß auch der Jüngling der Frauen-
liebe unterliegt, lebendig zum Ausdruck gelangt: Eros als überredender Helfer
der Mädchen hat sich auf den Schenkel des Jünglings gestellt (vgl. Petersburg
820, 1187) und weist ihn, der noch verwirrt (Stirnfalten) ins Leere blickt, auf
das nahende Mädchen. Ganz verwandt ist ein anderes attisches Bild (Bull. d. Inst.
1874, 86), nur daß hier das Mädchen sitzt und der Jüngling herantritt, dem
Eros überredend die Hand auf die Schulter legt und ihn auf die Schöne weist,
ein Motiv, das wir schon auf zwei Paris -Vasen fanden (CR. 1863, Taf. 1, 1 [Peters-
burg 2020]; Arch. Zeit. 1867 Taf. 224 [Athen, Collignon-Couve 1942], also nicht
allein auf dem Neapler Relief). Weniger klar ist das feine attische Bild Fröhner,
Choixde Vas. 7, 1 (= Mus. de France 13, 3); Begegnungen von Epheben mit den
Mädchen am Grabe sind bekanntlich auf attischen Lekythen sehr häufig; hier ge-
schieht es am Altar und Götterbild (der Aphrodite?), wo das Mädchen betrübt (im
Liebesschmerz?) sitzt, von Eros getröstet, der zu Gunsten des herbeigekommenen
Epheben spricht. Fröhner folgt auch hier der französischen Wissenschaft und
sieht Aphrodite und Adonis; eine Widerlegung dieser noch immer für viele
(unten nach andern Gesichtspunkten zu erwähnende) Bilder beliebten Deutung
glaube ich mir ersparen zu dürfen; sie kann sich nicht nur nirgends auf irgend ein
charakteristisches Moment stützen, sondern es widersprechen ihr meist (wie hier)
die Motive direkt; mit einer Methode aber, die alles aus allem machen kann, 47
ist nicht weiter zu rechten. Nur eine innere Unwahrscheinlichkeit jener Deutung
sei noch hervorgehoben: ich finde nirgends unter den Vasen unsrer Periode
Liebesszenen der Götter von solch allgemeinem genrehaftem Charakter, bar jedes
individuellen Elementes, dagegen ist die Neigung gerade der attischen Produkte
dieser Zeit (z. B. der Grablekythen) bekannt, möglichst allgemeine Szenen aus
dem Leben zu wählen.
Aber nicht nur der Begriff Liebe, sondern auch der Schönheit liegt im
Wesen des Eros: nur da ist Liebe, wo Schönheit; daß Eros Aphrodite zu be-
dienen und zu schmücken hat, fanden wir schon in der ersten Periode; aber
erst in der Zeit des ganz freien Stils erscheint er als Liebreizverleiher auch gegen
schöne Frauen, entsprechend der oben berührten Tatsache der wachsenden An-
erkennung weiblicher Schönheit. (Vgl. übrigens Eurip. fr. 132, 324, Hipp. 526;
Arist. Lys. 551 sind Aphrodite und Eros Schönheitsverleiher, die beide über einer
Badeszene sitzen, Elite 4, 15.)
Betrachten wir zuerst die Fälle, wo eine einzelne individuell gedachte
Toiletteszene durch Eros belebt wird; vor allem wenn nackte Frauen baden,
wo dann Eros bald Schmuck herbeibringt und aus der Badewanne aufsteigt,
gn Eros in der Vasenmalerei.
rleihend,1 oder als eigentlicher Diener das Gewand hält, Wasser
t, und heim Anzüge hilft.-' Hei zwei nackten Mädchen, von denen eines
,- luilt (s. CK. 1865 S. 191), läßt Eros das Rädchen schnurren auf einem
ut. CR. 1862 Taf. I, 1 [Petersburg 1913]. Eine Besonderheit bietet
IS Taf. 32 [Brit. Mus. F 194] (Verfall), wo Eros ebenfalls über dem
. iwebt, aber ein Stier mit Menschengesicht so in das Becken sieht, als
wolle er hineinspeien; gewiß ist es der Wasserdämon selbst, der hier noch eine
Nymphe trägt; diese Bildung der Wasserdämonen war ja in Unteritalien populär
I. übrigens Jahn, Arch. Zeit. 1862 S. 326 A. 46; Steph. CR. 1863 S. 118). —
li sonst ist Eros der Schönheit gebende Diener der Frauen, er wäscht und
schmückt die Füße der Schönen (Tischbein I, 2: Stackelb., Gräber der Hellenen
Tat. 31 ; Jatta 1559), er legt ihr die Sandalen an, CR. 1860 Taf. 1 [Petersburg 1791],
wo ein andrer die Armringe entgegenhält, ein dritter wollte eine Hydria herbei-
bringen, wird aber von einem Hunde geschreckt; mehr äußerlich angereiht sind
drei Eroten CR. 1861 Taf. 1. Ferner hält Eros dem Mädchen den Spiegel
oder das Toilettekästchen, reicht ihm den Kopfschmuck, hilft den Chiton anziehen
oder bringt ihn herbei (Jatta 500, 1527; Rossi, Vasi Blacas 1 ; Brit. Mus. C 5 [E 230],
wo wieder ein staunender Satyr beigefügt; Campana ser. 11,35; ohne bestimmte
Handlung Jatta 1347, 1445). -Aber auch auf den Jüngling, der der Hetäre wartet,
gießt Eros Schönheit aus seinem Alabastron (Elite 2, 49 [Brit. Mus. F 311] ; auf
das Paar Elite 4, 63 [Brit. Mus. F 108]).
Noch anziehender ist eine Reihe von Bildern, die, idealer gefaßt, den all-
gemeinen Gedanken einer Feier der Frauenschönheit verwirklichen. So fasse
ich Minervini, Mon. di Barone Taf. 15 (fein) als Feier des Frauenlebens, das von
Aphrodite und Eros beglückt wird; denn die stattliche Frau links ist Aphrodite, die
dem von links herbeischwebenden Eros gebietet, auf die sitzende Frau zu schweben,
die auch erwartend die Hände hebt; aber auch das stehende Mädchen in der
Mitte wird von einem Eros beglückt.3 Vor allem gehört aber hieher eine echt
attische Komposition, die uns in mehreren Exemplaren aus Attika, dem südlichen
Rußland und der Kyrenaika erhalten ist: überall sitzt eine Frau in der Mitte,
umschwebt oder geschmückt, Dienerinnen mit Toilettegerät und bei-
ichwebende N'iken bilden die wechselnde Umgebung. Die gewöhnliche Er-
chen K27 [3272] Wn mit Oold, Hancarv. III Taf. 123; II Taf. 25; Passeri Taf. 39.
hbein I, 59, wo zwei .innerhalb zuschauende Satyrn die begehrliche Stimmung
Schönheit hervorruft; Elite 4, 19 [Neapel, Santangelo 647];
d *; Neapel 2581; Am. du Bosph. Taf. 57 [Petersburg 1795]; Arch.
!)nr^ 1245.
inkenkreise gehör! gewifi auch das durch seine streng symmetrische
nun; Bild Gern. Mystb. Taf. 9 [Neapel, Santangelo 34] an, wo die
rte im I >i umtanzen als zu enteilen scheinen Deutlicher
HO), w<» sie ,-iuf mc zufliegen.
Eros in der Vasenmalerei. 31
klärung sieht hier Aphrodite1 ohne Begründung, vielmehr dem allgemeinen
Charakter der Darstellung widersprechend. Aus Attika stammt das bei Heydemann,
Gr. Vb. S. 11 [Athen, Collignon-Couve 1235] beschriebene Bild: Eros kauert auf
der Hand der Frau, Dienerinnen und Niken; Ant. du Bosph. Taf. 49 [Petersburg
1811] kauert noch ein Eros auf der Hand einer der Dienerinnen; ebenda Taf. 52 [Ann.
d. Inst. 1840, A, 11, Petersburg 1812]: Elite 4, 33b [Louvre] nur eine Nike; Peters-
burg 1813 ohne Dienerinnen, aber zwei Niken, die hier überall Andeutung der
siegreichen Macht weiblicher Schönheit sind (vgl. Elite 4, 9; Steph. CR. 1863 S. 68,
S. 155; 1865 S. 37). Ohne Nike und nur ein Eros Brit. Mus. C 58 [E 229]. Ferner
die Fragmente feinsten Stils CR. 1862 Taf. I, 6 und 7 [Petersburg 1930]; I, 3; I, 4
[Petersburg 1920, 1919] etwas modifiziert (die Frau spiegelt nicht, schminkt sich).
Hieher gehört auch Stackeiberg, Gräber der Hellenen Taf. 30 (Athen), wo ein Eros
wie gewöhnlich die Frau mit Perlen schmückt, der andre ihr korbflechten hilft
(soviel die Zerstörung erkennen läßt). Wer endlich überall nach mythologischen
Namen sucht, dem mag Brit. Mus. C 4 [E 226] gelegen kommen: die Komposition
ist im wesentlichen dieselbe, nur ist der Frau EAENH, dem Eros TIOOOZ bei-
geschrieben; ganz unberechtigt wäre der Schluß, daß nun auch die übrigen Bilder
die schöne Helena darstellten; denn alles bestimmt Charakterisierende fehlt,
vielmehr ist klar, daß wir es mit einem allgemeinen Typus zu tun haben, be-
stimmt, die Schönheit des Weibes ganz allgemein zu feiern mit Hülfe von Eros
und Nike; sehr leicht konnte nun aber ein Vasenmaler, um dem Typus ein in-
dividuelles Interesse zu geben, den Namen der gefeiertsten griechischen Schön-
heit, der Helena, beischreiben. — Ein vollkommenes Analogon zu der idealen
Auffassung des wirklichen Lebens in diesen Bildern sind die attischen Grabreliefs
des 4. und 3. Jahrh., die Rätsel bleiben, wenn man individuell realistische Szenen des
Lebens darin sucht, die aber dennoch nicht durch tote Symbolik, sondern lebendgen 50
Ausdruck und Handlung den allgemein bedeutenden Gedanken verwirklichen.
Als neutral endlich bezeichne ich Bilder, wo Eros weder dezidiert Liebe
noch Schönheit erteilt; so in der schönen Darstellung Hancarv. I Taf. 32 [Brit. Mus.
E 225], wo die Braut beschenkt wird und Aphrodite und Peitho, auf deren Hand
Eros steht (vgl. Elite 3, 29), sowie Apoll und Chariten als Hochzeitsgötter anwesend
sind; ähnlich Elite 4, 32 [Miliin, Peint. de vas. II Taf. 43], wo Eros der Braut Kranz
und Kästchen reicht. Besonders gehören hieher die zahlreichen Bilder, die einen,
Kranz oder Binde bringende, Eros als beliebtes Symbol benützen, um anzuzeigen,
daß die so geehrte Person schön ist oder liebt: so kränzt er bei Liebesunterhaltungen
die Frau2 oder den Jüngling.3 Durch Inschrift ist Mon. d. Inst. IV, 47 [Paris, Bibl.
1 Auch Heibig, Unters. S. 237, der einige Wandbilder damit vergleicht, deren Ver-
wandtschaft jedoch sehr flüchtig und allgemein ist und auf die wesentlichen Punkte sich
nicht erstreckt.
2 Mon. d. Inst. IV, 23 [Brit. Mus. F 400]; Elite 4, 69, 73; Millingen, Vases div. Taf. 45;
Mon. d. Inst. III, 47 [Krakau]; Rochette, Mon. In. 49 A, 2; Jatta 1527; Petersburg 1236.
3 Elite 4, 74; Neapel S. A. 321, 651 ; Jatta 694; Petersburg 875; von ruhigem Charakter
Eros in der Vasenmalerei.
chnet: EP&)2 sitzt über einer Frau, einen Kranz über sie haltend,
det, unschlüssig stellt ein Mann vor ihr, deren Schönheit Eros andeutet.
tae Rötenspielerin im Kontos bekränzt er (Hancarv. I, 40). Endlich
I er bloß auf das Liebespaar zu1 oder sitzt darüber.3 Die wenig charak-
che, nur andeutende Art dieser Bilder läßt auch zu, ihn als bloßen Stim-
mungsausdruck zu fassen. Als allgemeiner Beschützer der Frauenschönheit er-
eürt Eros noch Elite 4, 34; Moses, Vas. Engl. 10; vielleicht Hancarv. I Taf. 71
[Brit. Mus. E 433]. Millingen, Vases div. Taf. 60 [Neapel 3167] noch strengeren Stils
ist nicht ganz klar (vgl. Jahn, Ann. d. Inst. 1841, 284), ein kleiner Eros kauert auf
51 der Hand eines Mädchens (wie öfter, z. B. Petersburg 1187 B, vor ihr ein Jüngling
mit Liebesgeschenk), das Ganze sieht einem feierlichen Zuge gleich (vgl. Elite 4, 33;
Hancarv. IV Taf. 96; München 358 [2431]), vielleicht um eine Neuvermählte zu
beschenken. - Ganz singulär scheint Elite 4, 44 zu sein; vielleicht darf man den
Gedanken darin suchen, Liebe und Schönheit sind nicht mit roher Gewalt zu
erlangen? (vgl. Plat. Symp. 195 E). -- Dem Verfallstile gehört an Jatta 1417, wo
Eros einen Pfeil abschießt auf ein auf die Kniee gefallenes Mädchen, das
ähnliche Bild Petersburg 1181 ward schon erwähnt.
Endlich sei noch eine Reihe von Bildern erwähnt, die, weil man sie nicht
im Zusammenhang betrachtete, bisher zu den verschiedensten falschen Auslegungen
Anlaß gaben; es sind dies die mit Eroten verbundenen weiblichen Köpfe.
Schon seit alter Zeit geschah es nicht selten, daß man eine Darstellung dadurch
abzukürzen suchte, daß man die Hauptpersonen in Büstenform gab (vgl. z. B.
Mtis. Greg. II Taf. 66, 3b; Laborde II, 23 [Wien Sacken-Kenner S. 155 Nr. 12];
Campana ser. 4, 104; ser. 9, G, 394; Mon. d. Inst. IV, 46, 1 [Paris, Bibl. Nat. 472];
rh.Ak. Abh. Taf. 68, 3; Lenormant, Coli. Ralfe" 1408; und die häufigen Barbaren-
köpfe mit Greif- und Roßkopf Heydemann, Gr. Vb. Taf. 7, 2 [Athen, Collignon-
1863], Petersburg 2191 ff.). So ist es nur als eine Abkürzung zu fassen,
wenn der Vasenmaler, der so unzählige Male die Frauenschönheit zu feiern suchte,
nun einmal bloß einen Frauenkopf gibt und Eros als Andeutung der Schönheit
und Liebenswürdigkeit hinzufügt; die Frauenköpfe sind nirgends bestimmt cha-
rakterisiert, so daß wir überall, wie auch bei den unzähligen einzelnen Frauen-
köpfen untcritalischer Gefäße nur eine Sterbliche erkennen dürfen. Die Eroten
1 mehrere, bald nur einer) bringen bald einen Kranz oder eine Tänie, bald
schweben sie nur so auf den Kopf zu oder sie sitzen zu beiden Seiten oder
• ! A. [Brit Mus. I 399], Berlin 880 [3200], wo die musische Beziehung
■
BlbL Nat 953]; Gern. Mystb. Taf. 6 [Turin]; Neapel S. A.599;
Ann d. inst 1843, A.
-71 Tat 56, 1 [Neapel 2574] wo das Paar alla morra spielt; Gern. Mystb.
; lt; Hancarv. I, 74 [Brit. Mus. F314]; Ann. d. Inst. 1870, S [Bonn];
Berlin 888 [3163], 1037 [3275].
Eros in der Vasenmalerei. 33
umtanzen gar den Kopf; einige Male ist noch eine Frau in ganzer Gestalt hinzu-
gefügt, es ist die Dienerin (vgl. die Satyrn neben Dionysos' Büste).
Folgende Fälle gehören hieher:
Gerhard, Apul. Vb. Taf.B, 10 [Archäol.ep.Mitt.a.Öst. III, S. 58, Nr. 251]; Bull.
Nap.N.S.6Taf.lO[Brit.Mus.F278];Elite4, 1 [Louvre] und2 [Petersburg 424] = Gerh. 52
Mystb. Taf.3; Neapel 3418 j1 Arch. Zeit. 1850 Taf. 16,4; Brit. Mus. C 25 [F 13];C41
[E 713]; Petersburg 2009; Fröhner, Choix de Vas. gr. S. 28 I, M, R ; Neapel 2876,
2925, 2863, 3221 A und B; 3218, 2882, S. A. 483, 287; 697 umtanzen sie den Kopf
in phrygischer Kleidung. Asiatische Schönheit wird gefeiert, wenn ein Jünglings-
kopf mit Barbarenmütze von Eroten umgeben ist wie Neapel 3218 B.2
Etwas ganz andres ist es mit Fröhner, Choix Taf. 6 und Mon. d. Inst. IV, 39
[Paris, Bibl. Nat. 821] (wovon München 558 [2711] eine Replik); noch Stark
(Heidelb. Jahrb. 1871, 15) scheidet gar nicht, indem er überall, wo Eroten und
ein Kopf vorhanden sind, eine aufsteigende Aphrodite sehen will, eine Deutung,
deren Unmöglichkeit aus der obigen Zusammenstellung hervorgeht. Hier liegt
zunächst ein wesentlicher Unterschied darin, daß Eros oder die Eroten weg- und
entfliegen; ferner kommen auf dem einen Bilde die Satyrn hinzu, auf dem andern
ist der Kopf durch ein Blumenszepter als höheres Wesen charakterisiert; Strube
(Studien S. 70 ff.) hat hier Gaea richtig erkannt, wie er auch das Motiv im ganzen
richtig faßt, seine Deutung jedoch ist durchaus nicht haltbar; meine eigenen
Vermutungen hierüber auseinanderzusetzen würde zu weit führen, auch ist es
besser, wenn man solchen Problemen gegenüber ruhig wartet, bis spätre Ent-
deckungen vielleicht das gewünschte sichere Licht verbreiten. [Vgl. Jahrbuch des
Inst. 1891 S. 112. Roscher's Lex. d. Myth. I S. 1342.]
b) Subjektiv-psychologisch. 53
Ohne eine streng logische Unterscheidung durchführen zu wollen, was bei
unsern Monumenten überhaupt unzulässig wäre, fasse ich die Fälle zusammen,
wo Eros mehr zuständlich als Stimmungsausdruck gefaßt wird. Auch hier
scheiden sich zwei Gruppen, je nachdem Eros als Liebesprinzip in jedweder
Handlung erscheint, oder vermöge der Charakterähnlichkeit eine dauernde Ver-
bindung mit gewissen Personen eingegangen hat.
1 Ganz dieselbe Komposition wie auf diesen Vasen ist zur Dekoration verwandt
auf zwei Terrakottamedaillons bei Millingen Mon. Un. II Taf. 19 und 20 und einem Stirn-
ziegel (Campana, Op. in plast. 11) und wahrscheinlich auf dem Kapitell Mus. Borb. 15
Taf. 40.
2 Häufig ist es, daß Eros und der Frauenkopf auf beide Seiten der Vase verteilt
sind, z. B. Gerh. Apul.Vb. Taf. 3 [Berlin 3263]; Petersburg 1132, 1159, 1359; Berlin 1060
[3283], 1158 [4128], 1164 [3093], 1184 [3230]; Neapel 2320, 3233, 2888 A; S. A. 360; 491
hat der Frauenkopf Rückenflügel, wie auch Berlin 1070 [4125], 1253 [3392], 1994 [3545];
Bull. d. Inst. 1868, 187; Biardot, Terresc. 40; Lenorm., Coli. Raife 1405: es sind eben Niken,
in ihrer Beziehung zu den Frauen.
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. 3
34 Kros in der Vasenmalerei.
steht hinter einem Jüngling, der einer Hetäre eine Tänie anbietet,
:e Tänie haltend (Dubois-Mais. Intr. 42 Taf. 2; ähnlich Neapel 3248, Berlin
2J), er hält die Oinochoe beim Abschiedstrnnke der Liebenden (Elite 4,
noch von Heibig, Unters. S. 236 ohne Grund als Ares und Aphrodite gefaßt);
besonders aberzeigt sein Herbeischweben die Liebesstimmung an: so eilt er mit
einem Kranze auf Sappho zu, durch die Inschrift als TAAA2 bezeichnet, war es
doch vor allem unglückliche Liebe, die ihr Dichtergemüt erfüllte (Abh. der sächs.
Ges. 8 Taf. 1,1; ähnlich sind zu fassen Brit. Mus. 1255 [E 792]; Berlin 877
-7]). Fein ist Cab. Pourtales Taf. 33, 1: das Mädchen denkt des Geliebten, ist
zerstreut und wird aufgemuntert bei der Arbeit. Verliebte Mädchen scheinen auch
Gerh. Mystb. Taf. 10 dargestellt, die eine spielt Harfe, die andre läßt das Liebes-
rädchen schnurren, oben aber sitzen Aphrodite und Eros. Erotische Stimmung
herrscht auch beim Kottabosspiel (vgl. Philol. 26, 216), drum schmückt oder
richtet Eros den Ständer her (Inghir. Vasi fitt. Taf. 177; Neapel S. A. 302; 2308;
Bull. d. Inst. 1869, 30, 10 allein). Als Ausdruck der Stimmung des Liebhabers (der
trauernde Jüngling des Rev.) schmückt Eros die Grabstele, auf der des Mädchens
Kopf und Fuß und dabei *«/.[>/ gezeichnet ist (München 294 [2348]; vielleicht
ist ähnlich zu fassen Elite 2, 97 A [Neapel 2902]).
Am reichsten an anmutig phantasievollen Erfindungen sind aber auch hier
54 die feinen kleinen, meist attischen Gefäße: verliebte Mädchen bringen den
Liebesmächten gern ein Opfer, ihre Stimmung zeigt Eros an, der herbeischwebt
oder hilft (Stackeiberg Taf. 35, 4; Heydemann, Gr. Vb. S. 2, 3 [Athen, Collignon-
Couve 1946], Eros trägt die Fruchtschüssel herbei; Neapel 2050; Campana ser. 9 G,
legt Eros selbst den Weihrauch ins Thymiaterion; Brit. Mus. C 40 [E 714]), auch
dem Liebespaare ist er so behülflich (CR. 1865 S. 102 Vign. [Petersburg 1563 a],
wo Eros wieder den Fruchtteller zu der Herme trägt.1 Daß Gänse nicht nur
die Lieblingsvögel der Frauen waren, sondern auch besonders als Liebesgeschenke
Verwendung fanden, ist bekannt; deshalb überbringt sie Eros den Frauen: so
fasse ich Revue archeol. 1864 Taf. 1, wo Eros die Gans herbeigebracht hat,2 freudig
empfängt die Frau das Geschenk (Fröhner, Mus. de France Taf. 13, 4, weder
Aphrodite noch Leda), und schon hat sie das Tier auf den Schoß genommen (Bull.
d. Inst. 1888, 158, 19, nicht Leda, vgl. ebenda 1869, 252). Dem ersten Bilde am
nächsten steht Bull. d. Inst. 1868, 155, 10, nur daß hinter Eros ein Jüngling mit
Kerykeion sitzt; ob ein Liebesabenteuer des Hermes oder ein Bote vom fernen
:ebten? Hieher ferner Mon. d. Inst. IV, 10 [Palermo]; Eroten mit Gänsen und
tuen auch Brit. Mus. 1634 [F 139]. - - Auch eine Schale mit Äpfeln ist ein will-
kommenes Geschenk für das Mädchen aus Eros' Hand (Heydemann, Gr. Vb. S. 9).
* Mehr der altern Periode schließt sich an Petersburg 1481, wo Hros für den Jüngling
opfci darbringt
. " neben der Frau ist auch kein Schild, sondern ein Tympanon als Spiel-
zeug der Mädchen
Eros in der Vasenmalerei. 35
Nicht minder wird die Entsendung des Eros mit Liebesgruß und Geschenk
dargestellt, so Heydemann, Gr. Vb. S. 2 Nr. 2 [Athen, Collignon-Couve 1949], wo
sich Eros eiligst mit der Frucht von dem Mädchen entfernt, mit einem Kästchen
und Liebesbinde Bull. d. Inst. 1867, 234, 28 [Benndorf, Griech. u. sicil. V. Taf. 50, l].1
Den Schluß bildet es, wenn Eros flötend vor dem Brautzuge herschwebt (auf 55
dem herrlichen Fragment bei Heydemann, Gr. Vb. Taf. 10, 1 [Athen, Collignon-
Couve 1224]) — wie in den meisten obigen Bildern ist ihm eine reale Handlung
zuerteilt, ohne aus den Grenzen des Begrifflich-Symbolischen zu gehen, indem
er eben Ausdruck der Liebesstimmung ist.
Eines der beliebtesten Kunstsymbole war es aber, Eros die Mädchen ver-
folgend darzustellen, um das Eindringen der Liebesleidenschaft zu bezeichnen;
denn Eros verfolgt nicht für sich selbst, wie die andern zu vollen menschlichen
Personen gewordenen Götter, sondern in dem psychologisch-symbolischen Sinne
unsres Eros auf Vasen. Daß man dem Eros entflieht ist sehr begreiflich, wenn
man sich der allgemein verbreiteten Anschauung erinnert, daß die Liebe auch
ein schlimmes Übel sei: schon Sappho nannte Eros ylvxvmy.Qog, und Ibykos
zittert, wenn er herankömmt (fr. 2); vgl. ferner Eurip. fr. 340 xal yäg ovx
av&aioETOi ßooTotg egcoreg ovo' exovoia vooog; fr. 132 ist Eros {.toyßoiv bi]}xi-
ovgyog, ein rvgavvog ävögcov ebenda und Hipp. 538; vgl. noch fr. 867, fr. 26, fr.
889; Bion id. 4 [Wilamowitz, Bucol. S. 142, 9], 13 flieht den Eros, doch hilft es
nichts und ist unmöglich (Anth.Pal. 5, 59; Appendix ep. Jacobs 379).
Daß Eros nicht für seine Person verfolgt, wird klar aus Miliin, Peint. de Vas. II,
Taf. 45, wo ein Jüngling den Eros anzutreiben sucht, seiner spröden, fliehenden
Geliebten Liebe einzuflößen; ähnlich Berlin 1076 [3177]. Sonst verfolgt Eros das
Mädchen, entweder laufend oder schwebend, allein; manchmal wird nach beliebtem
Schema noch eine enteilende oder auch nachlaufende Frau hinzugefügt.2 Doch auch
unter mehrere Jünglinge, die Mädchen verfolgen, ist Eros gemischt, gleichsam 56
als Erklärung, daß alles Liebesverfolgungen sind (Neapel 2416, 2418, 3247). Die
zarte Jugendliebe endlich soll der Eros ITYAOZ bezeichnen Bull. Nap. 2 S. 14
(vgl. Jahn, Darst. gr. Dichter S. 714). Auch hier, wie überall in dieser Periode,
macht sich Eros nur mit den Mädchen zu schaffen.
1 Obwohl sich Benndorf hätte auf ein Epigramm stützen können (Anth. Pal. 9, 616),
wo Eros den Chariten im Bade die Kleider stiehlt, so enthält doch seine Deutung,
es habe hier Eros dem Mädchen die Sachen geraubt, einen im Kreise dieser Bilder und
überhaupt der Vasenmalerei geradezu unmöglichen Gedanken; dazu kommt, daß die
Mädchen auf unsern Bildern meist fast nackt sind und nichts auf das Bad weist.
2 Tischbein III, 26, 27; Inghir. Vasi fitt. Taf. 281; Passeri 93; Heydem. Gr. Vb. S. 2
Nr. 4 [zu Taf. I, 3] (auch hier ist wieder ein Satyr beigefügt) ; Arch. Anz. 1856, 244 (Athen);
Petersburg 1627, 1937, 1940, 2006, 2008, 2018, 768; Jatta 1319; Berlin 1182 [3348] (auf dem
Revers verfolgt der Jüngling selbst das Mädchen); zu Roß (über dessen erotischen Cha-
rakter StephaniCR. 1864 S.28) CR. 1867 S. 48 Vign. [Petersburg 1939], Ant. du Bosph. Taf. 56,
3 [Petersburg 1936].
3*
EROS in DER Vasenmalerei.
Drei sehr charakteristische Szenen aus dem Liebeleben zeigt eine attische
Pw:s (Heydemann, Gr. \'b. S. 9, 8): erst die spröde Flucht vor dem verfolgenden
dann das unbesonnene Hereinfallen (einem hineilenden, zurückbleibenden
denen naht von vorn ein Eros) und schließlich das volle Verliebtsein (Eros
in freundlichem Verkehre mit der Frau). Letzteres Symbol, das Herannahen des
s mit dem Kistchen, ist in demselben Sinne angewandt Heydemann, Gr. Vb.
Taf. 9, 1 [Athen, Collignon-Couve 1957] bei dem vereinten Paare, während der
Eros bei der andern spröden Frau noch ruhig spielt. Überhaupt wird nun das
plötzliche Überkommen der Leidenschaft dadurch ausgedrückt, daß Eros stürmisch
an das .Mädchen herantritt, wodurch wir erinnert werden an Eur. Hipp. 1274: &6Xyei
,V i ■ iKuvoiu'rur xgadlav — H/ooituotj oder ebenda 527, wo tTTvaroamVo-
von Eros gebraucht wird.1 So auf dem schönen Bilde Stackeiberg Taf. 31, wo er
heranstürmt, als wolle er sie umfangen, nur leise wehrt sie ab; ähnlich Neapel
3354, R. C. 136 B. Fester schon hat sich Eros eingenistet, wenn er auf dem
Schöße des Mädchens sitzt, wie Neapel S. A. 317, 580, auf dem Schöße Helenas
Overb. Gall. Taf. 12, 8 [Berlin 3182].
Den wohl vorbereiteten Endpunkt dieser Reihe bildet es, wenn Eros die
57 Frau glühend umarmt, ja küßt.-' Leider sind auch diese Bilder sehr mißver-
standen worden, indem man wieder Aphrodite annahm (vgl. Steph. CR. 1860 S. 89;
1863 S. 64 ; 1865 S. 160; Bernoulli, Aphr. S. 392) und so ohne alles Recht dem Geiste
der Vasenmalerei ins Gesicht schlug. Schon der Zusammenhang, in den ich diese
Bilder gesetzt habe, und unsre bisherigen Resultate zeigen, daß auch hier nur
eine Sterbliche gemeint sein kann, doch verdient die Frage diesmal eine nähere
Beleuchtung. Bei alexandrinischen Dichtern freilich kömmt es nun auch vor,
daß Aphrodite den Sohn umarmt und küßt (Apoll. Rh. 3, 149, ihm nachgeahmt
Nonnos 33, 143; 41, 400; Ovid. Met. 5, 364), immer aber in der bestimmten Ab-
sicht, ihn günstig zu stimmen und zu etwas zu überreden; überall ferner ist es
Aphrodite, die Eros an sich zieht und umarmt, ganz dem mütterlichen Verhältnisse
entsprechend; auf unsern Vasen dagegen ist es konsequent umgekehrt, Eros
rff sich hier stürmisch an die Brust der Frau, wofür, wenn es seine Mutter
wäre, wahrlich gar kein Grund einleuchtete. Dagegen gewinnt unsre Darstellung
Verständnis und Leben, wenn wir eine Sterbliche erkennen, die den stürmischen
Anfällen <! , wollüstig freudig unterliegt. Daß Eros das Mädchen umarmt
•in rein künstlerisches Symbol ganz im Sinne der obigen; wir dürfen daher
nicht erwarten, aus der Poesie Zeugnisse dafür holen zu können; doch ist es
• noph. Eph. 1,2; Hustath. De amor. Ism. 10 S. 462; vgl. Lucian, Dial.
■ i it i m aytedou >r>üf.
nd 43 [FMris, Bibl. Nat 087| (darüber ein Knabe nach Gänsen haschend,
111 ■ -die kleine Figur links ist ein dienendes Kind, wie /.. 15.
Ff. Taf. 10, 2, vgl. die verwandten Figuren auf den Grabstelen Perva-
beim Bade hüte 4, 1 1.
Eros in der Vasenmalerei. 37
eine verwandte, nur eben poetische, Symbolik, wenn Eros bei Theokrit. id. 2, 55
wie ein Blutegel alles Blut aussaugt; daß Eros die Menschen gerne küßt, geht
hervor aus Mosch, id. 1, 26; Longus, Past. 2, 4 ff. Bestätigt wird unsre Deutung,
wenn Eros Helena oder Orpheus umarmt, ebenfalls nur um das Erfülltsein von
Liebe zu bezeichnen (Bull. Nap. 5 Taf. 6; Neapel S. A. 709). ' — Ich lege deshalb so
viel Gewicht auf diese Erklärung, weil diese Bilder, erst so gefaßt, sich in das 58
Ganze der Vasenmalerei vortrefflich einreihen und ihrer symbolisch-begrifflichen
Auffassung des Eros entsprechen; von diesem Standpunkt gefaßt kann man die
Deutung als Aphrodite für geradezu unmöglich erklären; eine so signifikante
Handlung des Eros ohne jede weitere Veranlassung und Bedeutung, nur ein
menschlich-persönliches und noch dazu willkürlich-seltsames Verhältnis ausdrückend,
würde im Bereiche der Vasenmalerei als ein Rätsel dastehen.
Aus denselben Gesichtspunkten muß ich einer andern, bisher allgemein
angenommenen Deutung widersprechen; ich meine Jahn, Beitr. Taf. 7, 1 [Brit. Mus.
F 220], denn daß hier Aphrodite Eroten abwäge, wie viel der oder der mehr koste
und sie danach verhandle, liegt weder in den Motiven des Bildes noch im Geiste
der Vasenmalerei: es ist vielmehr der Wetteifer zweier Liebenden dargestellt:
ernst sehen sie sich an und wägen ihre gegenseitige Liebe ab, welche schwerer,
welche stärker sei; es kämpfen Eros und Anteros wetteifernd gegeneinander,
denn wenn irgendwo, so bieten sich hier diese Namen passend, aber auch nicht
notwendig an. Durch die offenbare Analogie der Psychostasie erhält das Ganze
etwas Humoristisches.
Doch gehen wir zur zweiten Gruppe über: ganz wie Eros der ständige Be-
gleiter des Dionysos ward wegen des beiden gemeinsamen Charakters der Ekstase,
so verbindet ihn auch die Charakterähnlichkeit, die Jugendanmut und Schönheit,
dauernd den Mädchen; denn Eros ist xagdeviog (Anakr. fr. 13) und ve6xi]Ti yaigei
(Longus, Pastor. 2, 7); wie er im Thiasos der Geist der wilden bakchischen Auf-
regung ist, so repräsentiert er hier den Reiz der Liebenswürdigkeit, der am Wesen
und Leben der Mädchen haftet und besonders in ihren Spielen hervortritt; so
schwebt denn Eros über zwei spielenden Mädchen CR. 1860 Taf. 1 [Petersburg 59
1791] ; zwischen zwei schaukelnden Gerh. Ant. Bildw. Taf. 53 ; ebenda 54 [Brit. Mus.
F 123] stößt er selbst die Schaukel. Öfter beteiligt er sich beim beliebten Ballspiel:
Elite 4, 60 [Neapel 2872] überrascht er sie, wie auch Arch. Zeit. 1853 Taf. 57, 2
[Wien] ; Laborde I S. 66; Campana ser. 4, 228 ; Wien [Sacken-Kenner S. 204 Nr. 153];
1 Auch die schöne Spiegelkapsel CR. 1865 Taf. 5, 1 ist auf eine Sterbliche zu
deuten, nicht ohne lebendige Beziehung auf die schöne Besitzerin, ebenso die Gemme
ebenda 1860 Taf. 4, 7, beide Monumente gehören ins 4. Jahrhundert.
,;s Eros in der Vasenmalerei.
I, Durand 585 (Yenus-Libitina und Amour infernal!); Laborde
1. 47 fingt ein kleiner ErOS den Ball auf, ein größrer hängt auf dem Rücken
Frau im als Sieger (vgl. Hermann Gr. Ant. 3, 33, 36); gewiß
Ihnlich als Spiel der Frauen München 786 [2396] zu fassen, denn es ist Eros,
oft, weiß gemalt, mit kleiner Chlamys auf dem linken Arm, und nicht ein
»Midchen* (Jahn), der lustig antreibend den Frauen vorangeht, die sich, im oben
. ahnten Sinne, auf dem Rücken tragen; der Satyr bei ähnlichen Szenen hat
nichts Auffallendes. Auch über zwei alla morra spielenden Mädchen schwebt
Eros (Ann. d. Inst. 1866, U [Krakau] fein), die Mädchen haben sich auf ihre Hydrien
niedergelassen; beim Wasserholen selbst, wo die Anmut der Mädchen so lebhaft
hervortritt, sind sie ebenfalls von Eroten begleitet (Neapel 2373 „fein"); ja selbst
auf häuslich beschäftigte spinnende Mädchen fliegt Eros zu (Bull. d. Inst. 1871,
3, 5).1 Neben diese charakteristischen Haupttätigkeiten der Mädchen gesellt
sich die musikalische Unterhaltung, die Eros, wie immer, besonders begünstigt:
so fliegt er auf das leierspielende sitzende Mädchen mit ausgebreiteten Armen zu,
während das andre Flöten hält, auf zwei ganz ähnlichen feinen Vasen (CR. 1868
S. 79 Vign. und Bull. d. Inst. 1865, 54; ähnlich auch Neapel R. C. 134). Ein
musisches Vergnügen ist auch der Waffentanz (Elite 2, 80 [Florenz]), weshalb
Eros mit der Leier unter den Mädchen als Zuschauer schwebt. Endlich tanzt
60 Eros auch selbst mit den Mädchen.2 Ja, es läßt ein Mädchen sogar den Eros
auf ihrem Fuße tanzen (Tischbein III, 28). Nicht ganz klar ist mir das oft publizierte
Bild Elite 4, 85 [Karlsruhe 278, Furtwängler-Reichhold II, 78. Österr. Jahresh. XI,
S. 91] geworden; am einfachsten wäre es, anzunehmen, daß Eros den Mädchen
eben beim Früchtepflücken hilft, wie er ja auch den Nymphen des Dionysos
bei derselben Beschäftigung an die Hand geht (Ant. du Bosph. Taf. 63, 2 [Peters-
burg 1788]). Überall ist hier das mädchenhaft-liebenswürdige Wesen des Eros
das verbindende Glied zwischen ihm und den Mädchen; drum beteiligt er sich
auch keineswegs an den männlichen Spielen;3 jener Eros, der nur mit den Epheben
spielt, ja in den Kampf voran eilt, ist hier vollkommen verklungen. Dagegen
könnte man nur anführen Miliin, Peint. de Vas. Taf. 45 [Louvre] = Welcker A. D. III,
Taf doch hier mag das noch nicht sicher gedeutete Spiel eine erotische
leutung haben, etwa wie der Kottabos; wo nicht, so läßt die Ungenauigkeit
der Zeichnungen in Millin's Werk auch die Vermutung zu, daß das Original nicht
zwei Froten, sondern zwei Niken hatte.
1 Kr angelt mit zwei Mädchen auf einer sehr späten polychromen Vase bei Jahn,
Vas. mit OoldsduL S. 16 Nr. 32 [Louvrej.
' Hancarv. IV, Hl mit Krotalen, Neapel 2919 mit Tympanon, vielleicht sind daher
MJnaden zu erkennen.
ich die von Jahn oft wiederholte Behauptung (z. B. Ber. d. s. G.
186'- .nne bei jeder Beschäftigung der weiblichen und männlichen Jugend
leilnehmen, ah wenigstens für diese Periode unrichtig.
Eros in der Vasenmalerei. 39
c) Unteritalische Bilder des Verfalls.
Endlich ist noch eine große Reihe von Vasen übrig, die Stil und Auffassung
nach durchaus der Periode des Verfalls angehören und sämtlich aus Unteritalien
stammen. Vergebens sucht man in ihnen nach klaren Motiven einer Handlung,
dagegen treffen wir eine Fülle von Attributen, mit denen die Personen überladen
erscheinen und die entweder der Toilette oder dem aphrodisisch-dionysischen
Kreise angehören; es sind namentlich das Kästchen, Schale, Kranz, Zweig, Tänie,
Spiegel, Fächer, Leiterchen, Vogel, Rädchen, Ball, Eimer, Tympanon, Weintraube, 61
Flöte, auch Fackel und Thyrsos. Von einer Handlung kann man eigentlich nie
reden, da es nur Schemata sind, die beliebig verwendet werden; am häufigsten
sind außer ruhig stehenden oder sitzenden besonders laufende und ein Bein
höher stellende Figuren.
Am nächsten an das schon besprochne schließen sich Bilder an, die sich
deutlich als verflachte Liebesunterhaltungen kund geben: so wenn Eros einen
Jüngling in Frauengesellschaft kränzt1 oder auf die Frau zufliegt.2 Noch ober-
flächlicher, wenn Eros bloß oben sitzt oder schwebt.3
Das häufigste aber ist, daß Frauen und Jünglinge (je nach dem Raum eine
größre oder geringre Anzahl) mit einem oder mehreren Eroten gruppiert sind
ohne jede Handlung, in den gewöhnlichsten Stellungen und mit möglichst vielen
Attributen; sie sitzen oder schreiten, oft in langer Reihe, indem manchmal Eros
voranläuft.4 Seltner findet sich Eros mit einem Jünglinge allein zusammen.5 —
Das ungleich häufigste aber sind die zahllosen Fälle, wo Eros mit einer oder
mehreren Frauen allein zusammengestellt wird; in höchst eintöniger Weise sitzt 62
bald Eros, bald die Frau, oder es läuft eines auf das andre zu oder ihm nach.6
1 Dubois-Mais. Intr. Taf. 41, 2; Tischbein II, Taf.32; Inghir. Vas. fitt. Taf. 174; Elite
4, 74; Passeri 86; Petersburg 770; Neapel 2023, 2568, 2577, 2573, S. A. 533, 539.
2 München 840 [3292], Neapel 1909, 1920, 1998, 2357, S. A. 21, 530.
■ z. B. Mus. Blacas Taf. 8 [Brit. Mus. F 270]; Bull. Nap. 2 Taf. 4; Neapel 2084,
5. A. 328; Petersburg 346.
4 z. B. Rochette, Mon. In. Taf. 45, 3 [Petersburg 424]; Ann. d. Inst. 1840, O; Mon. d.
Inst. IV, 17 [Neapel 3219]; Passeri 35, 36, 47, 67, Gerh. Apul. Vb. Taf. A, 12 [Berlin 3243];
Neapel 3220, 3221, 3224, 3218, auch Laborde I, 13 [Wien, Sacken-Kenner S. 181 Nr. 98] ;
Hancarv. III, 47, wo auch wie öfter eine Badewanne vorkömmt; Berlin 1006 sind alle um
einen großen Krater versammelt; Neapel 3238, 1987, 2145, 2646, 2304, S. A. 341; Passeri
10; es mischen sich Satyrn ein Neapel 2572, wo Eros voranläuft, 3236. Variationen ohne
Bedeutung scheinen Passeri 198; Miliin, Peint. de Vas. II, Taf. 40 [Louvre], wo Eros weg-
geht, vgl. Brit. Mus. 1313 [F 63], 1589 [F 202].
5 z. B. Laborde II, 28 [Wien, Sacken-Kenner S. 181 Nr. 168]; Neapel 2233, 1757 A,
2679, 1940, 1818 A.
6 z. B. Ann. d. Inst. 1852, Q [Neapel 1982]; Hancarv. III, 126; Passeri 5, 54, 55, 61, 62,
79, 87, 94, 115, 185; Caylus, Recueil I Taf. 38; Neapel 1973, 1939, 1933, 2009, 2343, 1915,
1943, 1968, 2010, 2012, 2197, 2307, 2680, S. A. 213, 326, 330, 359, 647; Petersburg 819, 776,
1093, 1102, 1190, 1192, 1197, 1234, 1241, 1249, 1252, 1306; Berlin 787 [3441], 899 [3336],
gn Eros in der Vasenmalerei.
Dj< nach der Bedeutung dieser Bilder ist nicht leicht zu beantworten;
mit Recht hat man die Annahme von Mysterienszenen aufgegeben; andrerseits
inen aber auch eigentliche Szenen aus dem täglichen Leben nicht gemeint
indem kaum die erst erwähnten Beispiele sich so fassen lassen; sonst deutet
darauf hin, daß es dem Maler nur darauf ankam, durch eine allgemeine
Zusammenstellung der Figuren gewisse allgemeine Anschauungen und Ge-
danken im Beschauer zu wecken. Von den Attributen wird nie ein charakteristischer
Gebrauch gemacht und die Gestalten werden in eine durchaus ideale Sphäre
Qckt; besonders bezeichnend für diese abstrakte Allgemeinheit ist, was bei
diesem weiblich üppigen Volke sonst unerklärlich wäre, daß meistens rohe Felsen
zum Sitze dienen; dazu kömmt, daß manchmal eine Frau einen Thyrsos trägt
oder sich Satyrn einmischen. — Nicht selten finden wir Bilder wie die besprochenen
neben künstlerisch bedeutenden mythologischen Vorstellungen an den unter-
63 geordneten Teilen desselben Gefäßes, woraus hervorgeht, daß es nicht Unver-
mögen war. eine Szene des täglichen Lebens darzustellen, sondern daß man
eben nur ganz Allgemeines geben wollte (gerade wie bei den sogenannten
itelfiguren auf dem Revers der besten Vasen); diese allgemeinen Gedanken
aber künstlerisch durchzubilden, war bei solchen Nebenvorstellungen zu viel
verlangt, und später, als sie die Hauptdarstellungen wurden, war auch die
künstlerische Fähigkeit geschwunden; man begnügte sich also, statt durch Hand-
lung und Charakteristik, das Gewollte wesentlich durch Attribute auszudrücken,
wodurch die Figuren freilich zu Zeichen herabsanken. — Suchen wir nun die
Art dieser allgemeinen Vorstellungen näher zu bestimmen: die Attribute beziehen
sich alle auf sinnliches Wohlleben und Glück, es sind die bei der Toilette sowie
im Kreise der Aphrodite und des Dionysos gewöhnlichen; daß ein Krater einmal
den Mittelpunkt der Versammlung bildet und Weintrauben sich oft in ihren
Händen finden, weist deutlich darauf hin, daß sie besonders von dionysischen
Genüssen beglückt sind. Auch Eros trägt alle bakchischen Attribute; die All-
gemeinheit der ganzen Darstellungen hat auch ihm eine allgemeinere Bedeutung
verliehen, immer ist er eine Hauptperson und verkehrt freundlich mit den
Menschen, er erhebt sie in eine ideale Sphäre, er beglückt sie, indem er mit
ihnen ganz auf einem Fuße verkehrt (Eros ist fast immer jünglingshaft), ja er
offenbar zu einem allgemeinen Glücksdämon, zum Repräsentanten der
tieft und des sinnlichen Wohllebens geworden. Zu dieser Verallgemeinerung
16], 104] [3282], 1062 [3308], 1065 [3032], 1175 [3237], 1178 [3082]; häufig ist auch die
icllun^ an zwei Seiten der Vase, z. B. Hüte 4, 36; Moses, Vas. EngL 27; Neapel
340; Petersb. 1203, 1214, 1301, 1363; Berlin 1137 [3333], 1112
1180 [3399], 199813382]«. Oft lauft Eros der Frau nach, wie Neapel 2072, 2118,
»der ihr voran: Neapel 2015, 2577, S. A. 27 B, 299. — Eine
/isammenstelluny solcher Milder s. auch bei .Jatta, CatalogO S. 1151 unter „daemon
an»!- In Newtons Vasenkatalog des Brit. Mus. Bd. II S. 310 unter „Eros
an
Eros in der Vasenmalerei. 41
hat seine Verbindung mit dem dionysischen Kreise das meiste beigetragen, denn
hier ward ihm zuerst jene weitere Bedeutung als Personifikation der lustvoll-
seligen bakchischen Aufregung, die ja bekanntlich in spätrer Zeit allgemein als
Ziel und Ideal des Glücks betrachtet wurde. Demnach scheint es die Absicht
unsrer Bilder zu sein, durch den Verkehr mit diesem Eros beseligte Menschen
darzustellen. — Erinnern wir uns nun jener attischen Inschrift-Vasen, wo wir
ebenfalls den Gedanken fanden, das jedem vorschwebende Ziel des Lebensglücks
darzustellen; doch was dort künstlerisch durchgeführt ist, finden wir hier nur 6
ärmlich angedeutet: ein Wohlleben in aphrodisisch-dionysischen Genüssen.
Die von dem gewöhnlichen Erdenleben abstrahierende Allgemeinheit der
Darstellungen, ihre Bestimmung für Gräber läßt endlich die Frage berechtigt er-
scheinen, ob mit diesen Bildern von glücklich Beseligten nicht auf den erhofften
Zustand nach dem Tode angespielt werden sollte. In welcher Weise man sich
letzteren dachte, deutet Bull. Nap. N.S. 3 Taf. Man, wo Aphrodite Eros und Silen
das Leben des Herakles nach dem Tode verschönern werden, und wer mußte
sich nicht dasselbe wünschen? Noch deutlicher würde CR. 1863 Taf. 6, 1 [Peters-
burg 895] sprechen, wenn Stephanis Deutung ganz sicher stände. Aus den
Bildern selbst werden sich jedoch schwerlich entscheidende Gründe ziehen lassen,
weshalb ich auch die Frage nur aufgeworfen haben möchte. Wenn öfter über
den gewöhnlichen sepulkralen Darstellungen am Halse sich eines unserer Bilder
findet (z. B. Gerh. Mystb. 3, 4 [Petersburg 498]; Neapel 1765, 2197, 3229, 2022),
so könnte man, da oft eine Beziehung der am Halse befindlichen Eroten zu der
Vorstellung am Bauche stattfindet (z. B. Neapel 1757, 3218, 3238, 3221, S. A. 697),
eine solche vielleicht auch hier vermuten wollen.1
Doch wie es auch damit sei, so bleibt doch Eros immer derselbe; denn er
hat selbst nie Bezug zu Gräbern oder zum Tode als solchem; nie erscheint er
auf den so häufigen sepulkralen Bildern der Schmückung eines Grabes oder
Verehrung eines Toten; nie findet er sich etwa auf griechischen Grabsteinen
vorrömischer Zeit.2 Eros ist vielmehr auf unsern Bildern zwar der Bedeutung 65
nach verallgemeinert, im Wesen aber noch der alte. Erst in römischer Zeit
schuf man, in Athen nicht minder als in Rom, einen seligen Schwärm von
Eroten vorbildlich für das Leben im Jenseits, ja man identifizierte die Ver-
storbnen (namentlich Kinder) mit solchen Eroten; doch diese Anwendung basiert
ganz auf jener rein persönlich vermenschlichten Anschauung des Eros, die den
Vasen noch fremd ist.
1 Dem jonischen Kapitell, das oft als Sitz dient, bei Eros wie bei den übrigen,
kann man keinen sepulkralen Bezug beimessen, da es neben andern Sesseln in Szenen
des gewöhnlichen Lebens vorkömmt (z. B. Gerh. Mystb. Taf. 8 [Petersburg 340] ; Taf. 5 [Turin]).
2 Philol. 17 Taf. 1, 3 = D. a. K. II, 704 ist die Inschrift sqcozi ovgav gefälscht und nach
Conze eine Sirene dargestellt (Conze über griech. Grabrel. S. 12 ff.).
Eros in pik Vasenmai erei.
3. KROS ALLEIN.
In lichteren Regionen befinden wir uns wieder den meist anmutigen Gefäßen
enüher. die den Gott der Liebe und Schönheit allein zu ihrer Dekoration wählen.
Zuerst die Fälle, wo man ihn durch Attribute oder sonstige Verbindungen
nem Wesen gemfifl zu charakterisieren suchte: etwas strengeren Stils scheint
.1 Neapel R. C. 164 zu sein, wo er mit Fackel (?) und Reifen hinfliegt: xalog.
Voll Grazie stimmt er die Leier, indem das mit seinem Wesen verbundene Attribut
zu einer individuell-momentanen Handlung verbunden ist (CR. 1869 Taf. 4, 10).
Mit Schale und Leier schwebend zeigt ihn eine attische Lekythos (Dumont, Peint.
cer. de la Grece propre S. 40, Nr. 4). Er verfolgt oder beobachtet die Hasen;1
fthrt auf Schwanengespann oder spielt mit dem Schwane und reitet auf ihm;2
er flötet auf dem Delphine (Neapel R. C. 123); überhaupt pflegt auch Eros, wie
alle Götter, gerne auf den ihm verwandten Tieren zu reiten, so auf dem Reh,3
66 auf dem Hirsch,4 dem Pferd (Miliin II, 59 [Louvre], vgl. das Relief Stackelb. Taf. 56)
und auf der Ziege (Beugnot 195), welche Verbindung aber erst in spätrer Kunst
häufiger wird (vgl. Stephani CR. 1863 S. 155 und 1869 S. 88). Auf sein dio-
nysisches Wesen bezieht es sich, wenn Eros das Tympanon schlägt (Petersburg
22) oder flötet (Durand 48 [Paris, Bibl. Nat. 461]) oder mit einem Tierfelle über
dem Arme tanzt (Neapel S. A. 683, sonst Jatta 1370, 1375); auch auf eine ithy-
phallische Herme fliegt Eros zu (Arch. Zeit. 1871 S. 57, 66; Wien [Sacken-Kenner
S. 170 Nr. 11]; Gerh. Ak. Abh. Taf. 64, 4 [Wien]).
Sehr anziehend in ihrer Anspruchslosigkeit sind einige Bilder jener kleinen
Lekythen (vgl.Steph.CR. 1863 S. 144), welche ihre Darstellungen ausschließlich aus
dem Frauen- und Kinderleben wählen und denen daher auch Eros, der Beschützer
des Frauenlebens, nicht fremd ist; sie behandeln ihn, der Kleinheit des Gefäßes
entsprechend, in anmutig-dekorativer, meist kindlicher Art; die Zeichnung ist
frei und schön, aber flüchtig.
Eros liebt seiner Natur nach Blumen und Vegetation (vgl. Alkman fr. 29; Plat.
Symp. 196 B <>r fi» eiav&tjs xönos /), hnav&a tcal Ttei), drum kniet er auf
Blumen oder schwebt in oder vor Ranken (Neapel 1757, 2259, 3056, München
[2511]). Noch öfter kauert er am Boden und streckt die Hände nach
einer Ranke aus, um mit ihr zu spielen.5 Es bedarf wohl kaum einer ernstlichen
1 Inghir. Vasi fitt. Taf. 201; Cat. Beugnot 9; Jatta 1421, 1550.
1 I Ins. Taf. 71, 2; Petersburg 1077; Neapel S. A. 459; Jatta 1396; Neapel
Ina Vogel fütternd Jatta 1312; schwebend mit Vogel und Zweig Dumont, Peint cer.
Mr. 7.
1 Stackclbcrg Taf. 28, vgl. Stcph. CR. 1863 S. 158, Durand 50 spielt er mit ihm.
Bbdfl IV, 7; Berlin 903 [3337]; Reh und Gans sind neben ihm, Arch. Zeit. 1851
Taf
'|; lleydcm. ür.Vb. Taf. 10, 3 [Athen, Collignon-Couve 1525) u. 1
- 9 [Jatta 752] u. 10 [Berlin 2440]; S. 10 Anm. 6 noch zwei Beispiele
aus Athen; Jatta 77 Durand 45, 52, 56; Rotsi, Vasl Blacai 14 S. 44, daC er weine,
•''I nur nen Erklärung zuliebe.
Eros in der Vasenmalerei. 43
Widerlegung, wenn Heydemann vermutet, dies Motiv des kauernden Eros müsse
auf eine berühmte Statue zurückgehen; denn gerade dies Motiv ist so recht für
diese Lekythen erfunden (wie es auf denselben auch für Kinder gebraucht wird,
z. B. Heydemann Taf. 12, 5 [Athen, Collignon-Couve 1884]), und statuarisch aus-
geführt wäre es sinnlos.
Noch sonst öfter schwebt oder geht Eros auf diesen Gefäßen spielend oder
eine Schale haltend (CR. 1863 Taf. 2, 29 [Petersburg 1559]; Brit.Mus.774 [E628], 67
C 42 [E 684]; Berlin 1685 [3493], 1844 [4109]), ja er kriecht ganz wie die Kinder
auf dem Boden nach einem Vögelchen haschend (Heydemann, Gr. Vb. Taf. 10,
5 [Berlin 2442]).
Ist hier die kindliche Auffassung durch die Gefäßgattung bedingt, so tritt
anderswo wieder mehr das Wesen des Eros hervor: er schwebt langlockig dahin
mit Kanne und Schale,1 mit Kranz oder Tänie2 oder er hält die Strigilis, die ja
auch Frauen mitunter zukömmt (Brit. Mus. C 15 [E 239]; Petersb. 1178). Seltner
ist das Thymiaterion, das im Dienste der Aphrodite besondere Verwendung fand;
er trägt es schwebend Biardc4, Terres cuites fun. 48.3
Äußerst häufig benutzt aber die weichliche unteritalische Malerei einen ein-
zelnen Eros zur Dekoration und zwar meist mit den schon oben erwähnten
Attributen allgemeinen Charakters ausgerüstet, die wir auch in Händen der
Frauen und Jünglinge so oft finden, z. B. noch ohne Attribute, im Schmuck
Laborde II, 42 [Wien, Sacken-Kenner S. 222 Nr. 114], Hancarv. II, 35, 79 [Brit.
Mus. F89]; kauernd mit Korb und Spiegel Moses, Vas. Engl. 30, mit Zweig und
Schale etc. Dubois-Mais. Taf. 7, 3, 85; München 835 [3250], 831 [3305], 818 [3304] ;
Inghir. Vasi fitt. Taf. 66; Tischb. III, 36; Hancarv. IV, 69 [Brit. Mus. F 456] (auch
Schirm neben Kästchen und Traube); Gargiulo, Rec. 2, 20; Muster des Über-
ladnen sind: Petersburg 1076 auf Felsen mit Perlenputz und Kasten, Fächer,
zwei Schalen und einer anlehnenden Fackel; oder Neapel 3437: mit Tympanon,
Spiegel, Kranz und Kasten lehnt er rejchgeschmückt am Luterion, am Boden
noch ein Fächer!4
Sehr auffallend muß es erscheinen, daß die uns aus andern Monumenten-
kreisen so bekannte Vorstellung von mehreren unter sich zum Spiel ver- 68
sammelten Eroten der Vasenmalerei durchaus fremd ist, obwohl sie ja gerade
hier die anmutigsten Motive zur Dekoration hätte finden können; aber immer
ist Eros entweder in Beziehung zu andern Wesen oder allein; man führe nicht
1 München 300 [2445]; Hancarv. III, 45; Berlin 2003 [3334]; Durand 49; Campana
ser. 11, 38.
2 Heydem.Gr.Vb.S.2 Nr. 1 [zu Taf. 1,3]; Brit. Mus. 992, 956 [E722]; Berlin 819 [2434].
3 In fabelhaftester Polychromie abgebildet, wie überhaupt dieses Werk oft alles
bisher Dagewesene übertrifft.
4 Was es heißen soll, wenn Eros mit Thyrsos von dem sitzenden Hermes weggeht
(Petersburg 1138 Verfall), weiß ich nicht; Eros mit Thyrsos allein sitzend Neapel 895.
Eros in der Vasenmalerei.
VlQnchen 805 [3268], WO eben Aphrodite als Mittelpunkt und Herrscherin
erscheint, wie sie auch Neapel 2901 beim Spiele zweier Eroten
aii.; sein spat ist Berlin 2006 [3367], wo jedoch nur eine
che Zusammenstellung mehrerer der sonst gewöhnlichen Einzel-Eroten mit
Attributen sich findet, ornamental in Pflanzengewinde; ähnlich ist es mit
irc 926, ' WO in Ranken vier Kröten und ebensoviel Schwäne nach entgegen-
tei Richtung schweben, also auch keine Handlung und nur vervielfachte
:izel-Eroten.-'
Nun finden wir aber die hier vermißten Vorstellungen auf einigen ungleich
tern 3 polychromen und Reliefgefäßen, die mit der Vasenmalerei gar nichts
zu tun haben (dennoch zitiert Heibig, Unters. S. 237 einiges, um auf den historischen
Charakter der Vasenmalerei selbst Schlüsse zu tun). Wir haben hier wettfahrende
Eroten mit den römischen Circusmützen der Aurigae (Ann. d. Inst. 1871, A; Mus.
Greg. II. Taf. 101; Petersb. 1767), sie fahren mit Panthern, Greifen, Löwen,
ken etc. (Mus. Borb. III, 46; Bull. d. Inst. 1840, 55); Eroten blasen Syrinx, um-
armen oder tummeln sich umher (Bull. d. Inst. 1864, 137; Petersb. 868; Panofka,
Terrae. 63; Mus. Greg. II, Taf. 102 mit Psychen?).
Nicht nur die Darstellungen, sondern auch die äußere Erscheinung der Eroten
eine wesentlich verschiedne von der auf Vasenbildern;* es ist somit klar,
daß wir hier zwei vollständig getrennte Auffassungen des Eros auf den Produkten
des Handwerks antreffen; ein wesentlicher Umschwung, ein neuer mächtger
Einfluß muß gewirkt haben, um den schroffen Gegensatz jener Bilder zu der
Ölmalerei hervorzubringen. Welches diese umgestaltende Macht war, ist nicht
schwer zu beantworten: die oben zitierten Vorstellungen sind nämlich dieselben,
wie sie aus campanischen Wandbildern und spätem Reliefs so bekannt sind;
gehn aber erstere auf alexandrinische Originale zurück, wie Heibig erwiesen
hat, so ist damit auch festgestellt, daß es eben der Hellenismus ist, dessen neu-
taltende Macht jene späten Produkte bedingt, während die Vasenmalerei von
1 und auch Durand 53 „deux Amours volent ä la rencontre Tun de l'autre" — ob
auf bei'l rj der Vase verteilt?
von I.enormant, Coli. Raife 1341 zu halten sei, kann nach der Beschreibung
nicht entschieden werden, ist doch nicht einmal gesagt, ob der angebliche Eros und
Anteros .sotu traits d'enfants" auch geflügelt seien.
werden ins 2. Jahrh. v. Chr. gesetzt, also in eine Zeit, wo die Vasenmalerei
im \ en war.
tafe mögen jene Bilder mit lateinischen Inschriften gelten (bei
hl, Cr. lat. mon. Taf. 10 u. 11 ; Suppl.V, B), die meist einen einzelnen Eros zeigen, in
ig noch den unteritalischen Bildern entsprechend, nur daß die Hinder-
nd d nen Flügel u. ;l. deutlich den wachsenden Einfluß des alexandrinischen
• künden, der dann in jenen Kelicfvasen vollständig zum üurchbruch gekommen
mt wohl aberein, daß obige Gefäße Ende des 5. Jahrh. 8. u. c. entstanden,
n; doch gehören auch einige üefiiße derselben Technik ohne
m Münchner Antiquarium.
Eros in der Vasenmalerei. 45
ihm noch unberührt ist. Daß auch andre Gesichtspunkte zu diesem sich hier
von selbst ergebenden Resultate führen, wird sich unten zeigen. — Ein einzelner
Eros der Vasenmaler ist nie in einer außerhalb seines Wesens liegenden Hand-
lung dargestellt und nicht die Handlung, sondern das begrifflich-mythologische
Wesen des Gottes bildet das Hauptinteresse; wenn dagegen mehrere Eroten
wettfahren im Circus, so hat das mit ihrem Begriffe gar nichts mehr zu tun
und das Interesse liegt nur in der rein menschlichen Handlung, die von Eroten-
kindern getragen erscheint: diese Entwicklung blieb der Vasenmalerei fremd.
RÜCKBLICK. 70
Überschauen wir das Vorkommen des Eros auf den behandelten Bildern, so
verlangt zunächst sein äußres Auftreten nähere Betrachtung.
a) Erscheinung.
Was zunächst die körperliche Größe des Eros betrifft, so richtet sich diese
im allgemeinen ganz nach künstlerischen Gründen. Realistische Kinderbildung
ist der Vasenmalerei überhaupt fremd, wenn man jene kleinen Gefäße mit Kinder-
darstellungen ausnimmt; es handelt sich daher nur um verkleinerte oder ver-
größerte Mellephebengestalt. Doch zeigt sich gerade bei den noch strengeren
Bildern und auf den attischen Produkten eine Vorliebe für kleine und zierliche
Bildung, während die unteritalischen Gefäße meist der größeren Gestalt den
Vorzug geben. Als Norm gilt aber überall, daß er, wenn heranschwebend oder
sonst untergeordnet, kleiner, wenn auf gleichem Fuße mit den übrigen Personen,
größer dargestellt wird. So sehen wir ohne Unterschied der Bedeutung auf
einem und demselben Bilde die Größe sehr wechseln, aus rein künstlerischen
Gründen (z. B. Laborde I, 47 [Wien, Sacken-Kenner S. 184 Nr. 196]; München
827 [3272]; Berlin 880 B [3200]).
Eine wesentliche Erweiterung in den Attributen bringt die Verbindung mit
Dionysos: zu den gewöhnlichen, dem Kranz, der Tänie, Schale, Zweig und der
seltneren Leier gesellt sich die Doppelflöte, das Tympanon, Krotalen, Traube
und manchmal auch die Fackel, letztere jedoch nur in den späteren unter-
italischen Bildern; denn Neapel R. C. 164, wo die Inschrift auf ältre Zeit weist,
ist vielleicht nur ein Stab gemeint,1 worüber nur Autopsie entscheiden könnte,
und CR. 1861 Taf. 5, 3 [Petersburg 1929] sind es die Hochzeitsfackeln, wie sie
wohl auch Neapel 2541 zu fassen sind. Demnach bleiben nur die unteritalischen 71
Bilder, wo die Verbindung mit bakchischen Attributen deutlich darauf hinweist,
daß auch sie diesem Kreise entnommen sei; so reitet er auf einem Silen und
hält die Fackel (Miliin, Peint. de Vas. I, Taf. 20 [Leiden]), sonst nur in den gewöhn-
lichen apulischen Verfallbildern mit den bakchischen Frauen;2 öfter hält er sie auch
1 Die Zeichnung soll sehr flüchtig sein.
2 Gerh. Mystb. Taf. 3, 4 [Petersburg 340], wo er Fackel und Tympanon hält; Neapel
1805, S. A. 480; Bull. d. Inst. 1866, 212, 3; Berlin 1186 B [3344].
4£ Eros in der Vasenmalerei.
ii oder sie liegt neben Ihm;1 Gerhard, Trinksch. u. Gef. Taf. G halten die
Aphrodite tragenden Eroten Fackel und Eimer, und endlich hält er sie brennend in
eren, zwar unklaren aber sicher bakchischen Szene (Neapel 3252 B
unten). Einen charakteristischen Gebrauch macht Eros nirgends von der Fackel,
nirgends eine Andeutung, daß er Liebe mit ihr entzünde; überall vielmehr ist
ihn ganz akzessorisch, wie ein andres Attribut des dionysischen Kreises, bei-
geben: auch hier ein scharfer Gegensatz zu alexandrinischer Poesie und Kunst,
die ja den Knaben, der überall mit seiner Fackel Liebesfeuer entzündet, nicht
ug zu preisen weiß.
Ein ähnliches uns aus der spätem Tradition sehr geläufiges, auf Vasen
noch seltnes Attribut ist der Bogen; mir sind nur folgende Beispiele bekannt
geworden, die alle der spätem unteritalischen Malerei angehören: er schießt die
Liebespfeile auf ein Mädchen ab auf zwei Vasen (Tischbein III, 39 = Petersburg
1181; Jatta 1417), auch allein schießt er den Bogen ab (Gerh. Apul. Vb. Taf. B, 1
[Berlin 3257] lebendig schön mit Bezug auf die Hauptseite, ähnlich Ann. d. Inst.
1, D, 1; auf eine Taube Neapel S.A. 403) oder spannt ihn (Berlin 2006
[3367]); Eros mit Bogen ist Dionysos gegenüber gestellt (Neapel 824) und hält
auf dem Silen reitend dies Geschoß (Miliin, Peint. de Vas. I, Taf. 20 [Leiden]). Auf
der Phthonos-Vase (Arch. Zeit. 1867, Taf. 220 [Neapel S.A. 11]) sind Bogen und
:. Pfeile offenbar der starken und unheilvollen Wirkung des Eros wegen gewählt, der
hier ein junges Leben getötet hat (wenn sie nicht, was mir wahrscheinlicher,
der Aphrodite gehören im Anschluß an Euripideische Tradition).
Nachdem einmal die alexandrinische Poesie und Kunst den mutwilligen
Knaben mit dem Bogen so unzählige Male gefeiert hatte, beherrschten diese Vor-
stellungen alle Folgezeit und noch heute ist ja Eros als Bogenschütze der
populärste Gott; wenn nun, wie man annimmt, die spätre Vasenmalerei von
alexandrinischer Anschauung bedingt ist, so wäre es ein geradezu unerklärliches
Faktum, daß Eros mit dem Bogen hier so äußerst selten ist. Überraschend leicht
sich aber das Problem, wenn wir die voralexandrinische Tradition zu Grunde
cn.
Daß der Bogen als Attribut des Eros erst zu Ende des 5. Jahrhunderts in
der Poesie sich allmählich festsetzte, sahen wir bereits oben, und damit stimmt
überein, was wir von der Kunst wissen; denn keiner der Phidiasischen Eroten
hat dies Attribut. Noch Zeuxis malt Ol. 88 den Eros ohne Attribute, nur rosen-
ranzt (würde man diese Nebensache angeführt haben, wenn er sonst ein be-
ulendes Attribut gehabt hätte?), derselbe scheint auf die Zeitgenossen gleich-
n nicht geringer Wirkung gewesen zu sein, da man ihn sich so am
teilte (Aristoph. Ach. 991). So wagt man es erst im 4. Jahrhundert
den den Bogen zu verleihen: wahrscheinlich trug ihn Praxiteles' thespischer
I S.A. 613; 1757; Lcnormant, Coli. Rafft 1417 flötet er und
■ekel; Berlin 78.', [3422], 907 [3340J; Petersburg 1161, 1076.
Eros in der Vasenmalerei. 47
Eros * und der bei Callistr. 3 beschriebne Eros des Praxiteles hielt den Bogen
in die Luft und schien sich erheben zu wollen; dagegen war der Eros in Parion
von demselben Meister wieder ganz ohne Attribute (vgl. die Münze bei Bursian,
Jenaer Lect. Cat. Sommer 1873). Pausias endlich um Ol. 100 malt den Eros, wie 73
er Bogen und Pfeile wegwerfend nach der Leier greift. Solche Taten der großen
Kunst wirken aber bekanntlich auf das Handwerk sehr langsam, und überhaupt
scheint, wenn wir die Literatur betrachten, der Bogen des Eros im 4. Jahrhundert
noch nicht sehr populär gewesen zu sein; wenigstens erwähnen ihn die reich-
lichen Fragmente der Komiker, so sehr sie sonst Eros preisen, niemals. Vor-
trefflich stimmen diese Tatsachen alle mit der Seltenheit des Bogens auf den
Vasen überein und auch hier tritt uns wieder der ganze Gegensatz der Vasen-
malerei einerseits, die auf der Tradition des 4. Jahrhunderts ruht, und der helle-
nistischen Anschauung andrerseits, wo Eros kaum mehr denkbar ist ohne Bogen,
in voller Schärfe entgegen.
Von andern Attributen sind noch nennenswert derStab, er ist wohl das xevtqov
der Dichter, das seit Euripides dem Eros öfter beigelegt wird; nur einmal macht er
charakteristischen Gebrauch davon, indem er die Leidenschaft des Kentauren an-
stachelt (Ant. du Bosph. Tai 53 [Petersburg 1787]), sonst hat er ihn bloß als Attribut.2
Mit dem zunehmenden Verfalle steigert sich auch die Menge der Attribute
immer mehr: aus dem aphrodisisch-dionysischen Kreise sind zu nennen: das
Liebeszauberrädchen (Jahn, Ber. d.sächs. Ges. 1854 S. 256), 3 der Vogel, der Spiegel,
das Alabastron, Fächer, Schirm und Leiterchen (s. besonders Ann. d. Inst. 1869, Q
[Jatta 1115], wo Eros es hält und eine Frau dazu flötet). In der unteritalischen
Verfallsperiode endlich wird, wie wir oben sahen, Eros mit allem möglichen über-
häuft. Als Ausnahmen seien noch einige Fälle erwähnt, wo Eros auf einem
Delphin vorkömmt, ein Motiv, das in der späteren Kunst sehr häufig wurde
und wohl aus der Eigenschaft des Delphins, alle schönen Knaben zu lieben
(vgl. Steph. CR. 1864 S. 207—215) auf Eros übertragen wurde, da dieser auch mit 74
dem Meere und den Nereiden nähere Beziehungen einging.4
1 Wohl schlaff als Stütze, etwa wie ihn das schöne Pompejanische Relief zeigt
(Mus. Borb. II, 53); sehr mit Unrecht wollte Engelmann (Arch. Zeit. 1868 S.38) ihn zu einem
Bogenspanner machen; denn ovxexi heißt bekanntlich „nicht mehr" und dievtCo/uai „etwas
unverwandt anblicken", was doch von einem suchenden, schweifenden Blicke sehr ver-
schieden; der Bogenspanner dagegen gehört Lysippischer Richtung an. [Wo Engelmann
sich zu dieser Frage äußert, ließ sich nicht feststellen, das angegebene Zitat bezieht sich
auf einen Aufsatz von Benndorf.]
2 Millingen, Vas. div. Taf. 41 [Neapel 2900]; Laborde I, 80; Dubois-Mais. 42; CR. 1865,
S. 102 [Petersburg 1563]; Neapel 771; Petersburg 1196, wo auch Peitho (?) das Stäbchen
hält; Berlin 1056 [3042].
3 z. B. CR 1862 Taf. 1, 1 [Petersburg 1913]; 1863 Taf. 5, 2 [Petersburg 1427]; Ann. d.
Inst. 1852, Q. [Neapel 1982] ff.
4 Passeri 42 (vgl. Steph. CR. 1864 S. 223); Neapel R. C. 123; 3252 mit Dreizack;
2845; Wien [Sacken-Kenner S. 221 Nr. 111] neben Aphrodite.
Eros in der Vasenmai erei.
geflügelten Eros hatten wir schon auf der Thamyris-Vase, wo, wie
bemerkt, nur die Stellung daran schuld ist; eine unmotivierte
lerlichkeit dagegen ist der ungeflügelte Eros Elite 4, 68 = Petersburg 1188.
Im allgemeinen glaube ich sagen zu dürfen, daß Flügellosigkeit als solche nie
radiert worden ist; denn wo sie stattfindet, da ist es entweder nicht mehr der
wie auf i.\cn attischen Sarkophagen,' wo wohl die Identifikation mit
den Verstorbnen Grund der Xichtbeflügelung war, oder es sind Konzessionen
aller Art, durch Bequemlichkeit oder Nachlässigkeit verursacht, wie so häufig auf
den römischen Reliefs (dagegen nie auf den Wandbildern, wo die Flügel eben
immer leicht auszuführen waren); damit stimmt überein, daß die Poesie bis in
die spätesten Zeiten nicht müde wird, gerade die Beflügelung an Eros als etwas
Wesentliches hervorzuheben. -
Noch eine Absonderlichkeit ist ein Eros mit Flügelschuhen (Petersburg 1299),
der vor zwei Liebenden auf einem Thymiaterion opfert, es ist offenbar eine
komische Nachbildung des Götterboten Hermes, wie ähnlich Pan mit Flügel-
schuhen vorkömmt (Neapel 2541).
Mit der zunehmenden Weichlichkeit in der ganzen Auffassung3 begann man
auch, demselben Eros, den eine frühere Zeit hatte bewaffnet darstellen können,
blichen Haarputz zu erteilen, und zwar ist dies im unteritalischen Stile die
gel; daß es jedoch schon der feinsten attischen Malerei nicht fremd war, zeigt
CR. 1861, Taf. 5, 1 [Petersburg 1924] (auch auf einer schönen kilikischen Münze
hat er weibliches Haar: Ann. d. Inst. 1847, D, 4). Daß man jedoch keine Bedeutung
darein legte und es nur ein künstlerischer Brauch war, um den Eros äßgoxöjuys
th. Pal. 12, 55; Nonnos 13, 456 und oft) zu charakterisieren, zeigen Fälle, wo
unter mehreren, sonst gleichbedeutenden Eroten der eine männliches, der andere
weibliches Haar hat (z. B. CR. 1861, Taf. 1 [Petersburg 1858]; Laborde I
.1 [Louvre]; Elite 3,30; 4, 19 [Neapel S. A. 647]). Andrerseits kömmt auch
h im apulischen Verfallstile männliches Haar vor (z. B. Bull. Nap. 2 Taf. 4; Ann.
d. Inst. 1865, E; Elite 4, 36 [Brit. Mus. F 342]). Sehr häufig trägt Eros Schuhe
Anth. Pal. 12, 158) und gewöhnlich fügt die unteritalische Malerei
len Perlenschmuck um Arme, Brust und Beine, sowie oft eine Haube hinzu.
Strahlenkrone wird Eros mitunter vediehen zur Betonung seiner
•liehen Herrlichkeit (schon CR. 1861, Taf. 1 [Petersburg 1858]; 1862, Taf. 1, 3
[Petersburg 1983]; Hancarv. I, 40; Arch. Zeit. 1855, Taf. 84 [Berlin 2642]; La-
569 rat 19; 1872, Taf. 59; Stephani, Ausruh. Herakles Taf. ü*.
ms Athen Clarac 650 D, 1478 D ist sicher keiner, nicht nur wegen
nderri auch wegen der für Eros viel zu schlanken Proportionen,
.dlichen Apollo weisen, vgl. /.. B. Clarac 478, 915. - Der Knabe auf
leologla Bd 3 I, 21 ist sicher auch kein Eros, wie noch Stephani
[de to the bronze room, S. 43, 32 nennt ihn nur boy).
mbildung des m;innlichcn Schönheitsideals I leibig, Unters. S. 258.
Eros in der Vasenmalerei. 49
borde I, 5 [Wien, Sacken-Kenner S. 223 Nr. 125]). Nahe verwandt und viel-
leicht nur mit der Strahlenkrone verwechselt ist der geflochtne Kalathos, den
er einige Male trägt (Ant. du Bosph. Taf. 53 [Petersburg 1787] vgl. Steph. CR.
1865 S. 65; auf einer attischen Vase Arch. Anz. 1856 S. 244).
Ist zwar Nacktheit für Eros die Regel, so kömmt doch eine kleine Chlamys
als malerische Zutat, nicht als Kleidungsstück, ziemlich früh vor: schon am
Parthenonfriese trägt er ein solches kleines Gewand und auch auf der noch
strengeren Vase Bull. d. Inst. 1867, 231; häufig wird es jedoch erst im eigentlich
malerischen Stil, wo er es meist an einem Arme hängen hat.1 Noch viel häufiger 76
sitzt er auf dem Gewände, besonders in den apulischen Verfallbildern.
Besonders charakteristische Stellungen sind für Eros nicht angewendet worden.
Doch mag Erwähnung finden, daß das höher Aufstützen eines Beines, ein Motiv,
das in die Plastik wohl erst durch Lysipp, in die Malerei wohl schon früher ein-
geführt ward, in der Periode des malerischen Stils, wie für andre (besonders
Hermes) so auch für Eros oft verwendet wurde.2
Demnächst lohnt es sich, auf die Art der Handlungen des Eros einen Blick
zu werfen; hier treffen wir eine Fülle von Symbolen, die seinem Wesen ent-
sprechen; das in der ganzen Vasenmalerei weitaus beliebteste und häufigste bleibt
das alte Symbol des Kranz- oder Täniebringens, ein Zeichen, wie sehr die begriff-
liche Auffassung die vorwiegende ist. Die Stelle des seltnen Bogenschießens
vertritt das Verfolgen, Herantreten und Umarmen, alles nicht eigentlich realistische
Handlungen, sondern psychologische Symbole. Als Schönheitsverleiher gießt er
sein Alabastron aus oder füllt dasselbe neu. Den Liebeszug führt er an oder
schwebt über dem Paare. Seltner sind die Fälle, wo Eros als Person aktiv ein-
greift, aber auch dann immer seinem begrifflichen Wesen entsprechend, wie wenn
er den Stier vor Europe niederdrückt oder zur Liebe auffordert, überredend an-
feuert, wenn er als Liebesbote fungiert, wenn er den Frauen bei der Toilette
hilft, oder mit ihnen spielt. Aus seinem Wesen und Charakter ist es ferner ab-
geleitet, wenn er sich mit Hase, Schwan oder Blumenranken abgibt, Ausnahmen
sind Fälle wie die alla morra Spielenden oder der mit dem Kinderwägelchen,
Handlungen, die mit Eros bloß deshalb verbunden werden können, weil er eben
jung ist; anders ist es wieder, wenn er flötet oder das Tympanon schlägt, wo
sein dionysischer Charakter zu Grunde liegt. In der spätem lockern Kompositions- 77
weise endlich, wo die Figuren nur zusammengestellt sind, ohne zusammen zu
1 z. B. Laborde II Suppl. 6 [Wien, Sacken-Kenner S. 165 Nr. 95]; ebenda I, 80; CR.
1865 S. 102 [Petersburg 1563], wie oft auf den ähnlichen attischen Gefäßen; ebenda 1860,
Taf. 2, 1 [Petersburg 1793]; Ann. d. Inst. 1866, CD.; Inghir. Vasi fitt. Taf. 343; Tischb. III,
25; Mus. Blacas Taf. 22, 1; Hancarv. I, 66; IV, 98 [Brit. Mus. F 454] etc.
2 z.B. Bull. Nap.l Taf. 3;Mon. d.Inst.IV, 43 [Wien, Sacken-Kenner S. 163 Nr. 69]; Mus.
Borb. VII, 8, 2 [Neapel 2216]; Fröhner, Mus. de Fr. 13, 4; Neapel 843, 3218, 3248, 2375,
2396, 2257, 3220, S.A. 406, 362, 305, Jatta 1445; Petersburg 784.
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. 4
EQ EROS in dkr Vasenmalerei.
WO die Zentralisationskraft fehlt, da sucht man gerne auch für Eros
nach kleinen Genremotiven, wie er sich denn in der Schale seiner Mutter
spiegelt, einen Schwan tränkt oder mit einem Vögelchen spielt in größern
Kompositionen.
b) Bedeutung und Verhältnis zur alexandrinischen Kunst.
Wenden wir uns von dem äußerlichen Auftreten zu der Verwendung und
stiren Bedeutung des Eros, so tritt unsere Periode gleich in einen scharfen
gensatz zu der vorigen: während die ältre Zeit es noch nicht wagte, Eros
frei ohne mythische Begründung bloß der psychologischen Motivierung wegen
in eine mythologische Handlung zu verflechten, so geschieht dies in unsrer
Periode im ausgedehntesten Maße, und während jene Zeit nur in den allgemeinen
ien des täglichen Lebens Eros als Stimmungsausdruck verwandte, so beraubt
unsre Periode auch die mythologischen Handlungen ihrer Individualität und
macht allgemein menschliche Vorgänge daraus. Denn man begnügt sich nicht
mehr mit Schilderung der äußerlich in die Sinne fallenden Erscheinung, man
verlangt zu wissen, was diese Götter und Heroen innerlich treibt. So setzt man
denn Eros und oft auch Aphrodite frei hinzu, um die Liebesabenteuer zu
motivieren; so geschah es bei Peleus' und Thetis' Kampf, bei den Geschichten
der Io, der Europe und Amymone, des Pelops, der Medea usf., selbst beim
Parisurteile wird allmählich das Mythische zersetzt und tritt der allgemeine Inhalt:
ein Jüngling, der in die Netze der Liebe fällt, immer klarer hervor.
Dieser durchaus veränderte Standpunkt, die neue psychologische Fassung
78 der Mythen, diese Tatsache von weitgreifender Bedeutung verlangt eine Be-
gründung aus dem Geiste der Zeit: wir finden sie in dem Literaturzweige, der
die Anschauung von den Mythen in dieser Periode durch und durch beherrscht
in der Tragödie. Nachdem die alte Zeit, deren Geist im Epos lebt, die äußer-
liche möglichst individuelle und wunderbare Gestalt der Sagen ausgebildet hatte,
trat später immer mehr die Richtung aufs Innere hervor, es kam die Zeit des
Dramas; denn die Tragödie stellt nicht äußere Handlung dar, sondern sie zeigt
das innere, seelische Werden einer Handlung, sie zeigt die Stimmungen, die
Seelenkämpfe des Menschen, aus denen die äußere Handlung ausfließt; diese
Aufgabe, welche der Tragödie mit der Zeit immer klarer wurde, verlangte nun
aber eine vollständige Um- und Neubildung der Mythen, denn von jedem Vor-
mg mußte nun die psychologische Entstehung klar vor Augen gelegt werden,
das unnatürlich unmenschlich Wunderbare der Mythen ward drum der Feind des
nas und die Geschichte der Tragödie ist eine Geschichte des Kampfes gegen
det Sage. Bald wurden nun alle Mythen ins allgemein Menschliche
arbeitet und der allgemeine Gedanke bohrte sich immer tiefer in den äußeren
(ff. Vor allem aber war es die Tragödie des Euripides, welche die
psychologisch-pathologische Seite überall hervorkehrte und die Sage durch all-
Eros in der Vasenmalerei. 51
gemeine Reflexion zersetzte, und sie hatte den nachhaltigsten Einfluß auf seine
wie die folgende Zeit.
Es konnte nun nicht fehlen, daß diese allmählich sich bildende neue Grund-
auffassung der Tradition, der ja noch manches andre parallel geht, wie die Ver-
schiedenheit in der Geschichtsauffassung zwischen Herodot und Thukydides oder
wie die Wendung der gleichzeitigen Philosophie nach der psychologischen Seite,
es konnte nicht fehlen, daß dieser neue Zeitgeist auch auf die Kunst seine
mächtige Wirkung übte. Im Handwerk freilich konnte sich diese erst zeigen,
nachdem bereits alle Kreise davon durchzogen waren. Gehören daher unsre
Vasenbilder des malerischen Stils auch erst viel späteren Jahren an, sind sie 79
doch geistige Kinder Euripideischer Mythenauffassung.
Diese Wirkung auf die Kunst zeigt sich nun darin, daß auch sie die Hand-
lungen von innen heraus zu begründen sucht und nach künstlerischem Ausdruck
psychologischer Tatsachen strebt: so gelangt sie dazu, Personifikationen von
Stimmungen und Affekten in die Handlung einzuführen. Wo aber schon passende,
mehr begriffliche Wesen vorlagen, da galt es nur, diese in jener psychologischen
Weise zu verwenden, und dies geschah sowohl mit den Erinyen, die auch erst
in dieser Periode des freien Stiles auftraten, als auch in erster Linie — mit
Eros. — So werden nun mit Hülfe dieser frei in die Darstellung des Mythus
verknüpften Figuren die Taten der Götter und Heroen ihres individuell wunder-
baren Charakters entkleidet und ins allgemein Menschliche gerückt, denn inner-
lich gefaßt sind ja alle gleich.
Ganz denselben Entwicklungsgang nehmen aber auch die Darstellungen aus
dem gewöhnlichen Leben, das früher in all seiner Besonderheit aufgefaßt und
mit naiver Freude geschildert ward: auch hier werden gewöhnliche Lebensszenen
zum Ausdruck allgemeiner Gedanken benutzt, auch hier Personifikationen von
Begriffen und Stimmungen eingeführt.
Diese ganze Richtung im Großen und Allgemeinen betrachtet erreicht ihren
Höhepunkt (der freilich dem Handwerk verschlossen bleiben mußte) in einer
Komposition wie die Diabole des Apelles, wo alles Wirkliche aufgelöst ist in die zu
Grunde liegenden Begriffe und Stimmungen und diese zu echten Personifikationen
gestaltet sind. Doch auf dieser schwierigen und gefährlichen Höhe der Ab-
straktion konnte man sich nicht lange halten, wenn man nicht ins geschmack-
lose Allegorisieren verfallen wollte; bald zog man es daher vor, eine beliebige
Einzelhandlung zum Repräsentanten allgemein menschlicher Gedanken und Stim-
mungen zu erheben, die konsequente Entwicklung führte — zum hellenistischen
Genre, zum mythologischen wie Alltagsgenre.
Kehren wir zu Eros zurück, so reiht sich offenbar seine psychologische Ver- 80
wendung auf den Vasen als Stimmungsausdruck ganz in jene vorhellenistische
Durchgangsperiode ein, wogegen die alexandrinische Kunst (die campanischen
4*
Eros in der Vasenmalerei
ndbilder) diese Verwendung des Eros gar nicht mehr kennt, denn hier ist
mehr Personifikation, sondern immer Person.
Doch Eros ist auch Sohn der Aphrodite und als solcher wird er selbst zu
einem Objekt der Vertiefung ins Psychologische, ein Objekt der Vermenschlichung.
5 dieser Anschauung sind jene wenigen Vasenbilder zu erklären, die ihn als
spielendes Kind und Sohn der Mutter darstellen; ihre geringe Zahl zeigt, wie es
nur Ansätze, nur verbindende Fäden sind zu jener im Hellenismus vollkommen
ausgeprägten und herrschenden Richtung, die Eros ganz zur Person ver-
menschlicht.
Dagegen wieder ganz aus seinem begrifflichen Wesen ist des Eros Ver-
bindung mit Dionysos und seinem Thiasos geschöpft, wo er als Personifikation
der Ekstase, des wilden stürmischen Verlangens die Bakchen aufstachelt und die
den zu neuem Taumel fortreißt. Auch diese psychologische Verwendung des
Eros ist der campanischen Wandmalerei fremd geblieben.
Das ruhige, sanfte Gegenbild ist der Eros der Mädchen, der ständige Be-
gleiter ihrer Spiele und Unterhaltungen, die Personifikation ihres anmutig lieb-
reizenden Wesens. Auch diesen Eros wird man vergeblich in der Wandmalerei
suchen.1
81 Schließlich bleibt uns noch übrig, den historischen Standpunkt unsrer
Vasenbilder des freien Stiles näher zu fixieren. Während Eros in der altern Kunst-
periode sich ziemlich selbständig der Poesie gegenüber stellte, so finden wir hier
die größte Übereinstimmung im Grundcharakter: der Eros bei Euripides und seinen
hfolgern ist derselbe, der auf unsern Vasen herrscht. Auf das gemeinsame
symbolisch begriffliche Wesen, auf die Übereinstimmung in Erteilung der Attribute
ward schon öfter aufmerksam gemacht. Aber auch die vielfältige Feier, die
Eros bei Sophokles und namentlich Euripides und Menander erfährt, klingt wieder
in den Vasenbildern, deren manche man „Triumph der Liebe" überschreiben kann;
Taten der Helden, wie die des Kadmos, werden gern aus Eros motiviert, der aber
auch verderblich wirken kann, wie auf der Thamyris- und Meleager-Vase.
Wenden wir aber von hier den vergleichenden Blick auf alexandrinisctie
Poesie und Kunst, so werden wir den schärfsten Gegensatz finden. Da wir uns
hier im Widerspruch mit der gewöhnlichen Ansicht und mit Heibig befinden, der
den Charakter des Eros auf Vasen- und Wandbildern für durchaus identisch
erklärt,* so verdient der Vergleich eine nähere Ausführung.
! Do< etwas Verwandtes, wenn Eros als Jagdgenosse des Ganymed schlaft
:i. Ornamente aus Pompeji 2,32); der oft wiederholte, mit einem Mädchen (wohl
Aphrodite) fischende Eros d leibig 318— 355) ist allegorisch zu fassen, wenigstens reden
Her oft von dem Merzen angelnden Eros und den Netzen der Aphrodite: vgl.
Mphroa v.5 (Bergk S. 12.00); EHkaeogenea fr. 1 (Nauck S. 601); Theokr.
iL App. 5], 17; Anth. Qr. 5, 177; Nonnos 48,286.
1 Denn auf beiden Gattungen .treibt er, wahrend Götter oder Heroen ihren erotischen
;ungen nachgehen, allerlei Mutwillen" (Untersuch. S. 237).
Eros in der Vasenmalerei. 53
Weniges Charakteristische aus der alexandrinischen Dichtung genüge,
um den ganz verschiedenen Charakter klar zu machen: bekannt ist die Szene
bei Apollon. Rh. 3, 111, wo Eros mit Ganymed spielend gefunden wird usf., er
ist hier schon das reine Kind, eine vollkommen menschliche Persönlichkeit (vgl.
die ähnliche Szene bei Nonnos 33, 55 ff.; auch Callimachus dichtete wahrschein-
lich ganz Ähnliches, vgl. Dilthey, De Callim. Cydippa S. 44).
Bei Bion (id. 5 [Wilamowitz fr. 6 S. 141]) führt Aphrodite vr\7iiayov röv
"Egcora zu einem Hirten, damit er Musik lerne statt dessen lehrt Eros den Hirten 82
igcorvla: das Begriffliche, der Ausdruck der Empfindung ist hier ganz aufgelöst
in eine persönlich-menschliche Handlung, eine feste Situation. Bei Moschus
(id. 1 [Wilamowitz App. 8]) fordert Aphrodite alle auf, den entlaufnen Buben
Eros wieder einzufangen, also eine reine Familienszene; darauf wird Eros' Cha-
rakter und Erscheinung so beschrieben, daß die rein menschliche Auffassung, die
das begriffliche Wesen ganz überwuchert, recht klar wird. Diese Anschauungen
sind auch die in der Anthologie herrschenden: es ist der kleine übermütig
mächtige Knabe, der mit Bogen und Fackel alle Seelen beherrscht, kurz der Eros,
der noch heute die populärste Gestalt griechischer Mythologie geblieben ist.
Nicht zu vergessen ist, daß in dieser hellenistischen Periode auch die Vor-
stellung der den Menschen beglückenden und quälenden Liebe zu dem rein
menschlich-persönlichen Verhältnisse des Eros und der Psyche gestaltet wurde;
stünden die Vasen unter dem Einflüsse alexandrinischer Denkart und Kunst, so
wäre es unerklärlich, warum diese so gefällige und leicht verwendbare Erfindung
von Eros und Psyche hier so absolut fehlte. — Und umgekehrt, wenn die cam-
panischen Wandbilder und die spätem Vasen eine gemeinsame Grundlage haben,
wie wäre es erklärlich, daß in den Handwerkerprodukten ein Himeros und Pothos
geschieden wird, ganz wie in der Tradition des 4. Jahrh., während dies in der
Wandmalerei durchaus nicht mehr geschieht,1 ebenso wie die hellenistische Poesie
leere Schallworte daraus machte?
Unter den Nachahmern der Alexandriner sei nur noch eine Stelle Ovids er- 83
wähnt, wo (Met. 1, 452) eine rein persönliche Beleidigung des Eros durch Apoll
Grund ist, daß er auf ihn einen Liebespfeil, auf Daphne einen liebevertreibenden
sendet: wenn der Liebesgott auch Liebe vertreiben kann, so ist doch das Be-
griffliche fast ganz geschwunden. Kurz überall das Streben, an Stelle psycho-
logischer Begründung äußerliche menschliche Handlung zu setzen.
Durchaus dieselben Anschauungen treffen wir nun aber in der campanischen
Wandmalerei, deren Übereinstimmung mit alexandrinischer Poesie ja Heibig
1 Noch weniger auf spätem Monumenten; doch will Förster (Raub u. Rückk. d.
Pers. S. 166, vgl. Ann. d. Inst. 1873, 90) auf einigen Sarkophagen, wo Eros über dem Wagen
der suchenden Demeter schwebt, Himeros oder Pothos erkennen, ohne alle Analogie
und Berechtigung; offenbar ist dort der Eros gedankenlos nur wegen der genauen Sym-
metrie mit Plutons Gespann hinzugesetzt, wie ja Ähnliches auf Sarkophagen nicht selten ist.
Eros in der Vasenmalerei.
:lich nachgewiesen hat Die Fülle der troffenden, aus Eros begrifflichem
entspringenden Symbole der Vasenmalerei ist vollkommen erstorben; was
: etwa noch Weher rechnen könnte, wie wenn Eros bei Narkiss die Fackel
cht (Heibig 1351 ff.), ist kalt verstandesmäßig. Sonst überall ist Eros eben eine
rein menschliche Persönlichkeit und muß sich als solche ganz in den Realismus
der Handlung fügen ohne Rücksicht auf sein begriffliches Wesen.
Wenige Beispiele aus mythologischen Szenen mögen genügen: er füttert
den Stier der Europe (122), trägt den Wollkorb der Leda fort (149), er weint
mit Ariadne (1223 ff.), viele Eroten, rein menschlich persönliche Diener der
Aphrodite, sind gerührt oder helfen eifrigst dem wunden Adonis (332—340,
ganz wie bei Bion id. 1,80 ff.), er deckt die Gewänder der Ariadne (1235 ff.)
und Chloris (974) auf, ebenso die des Priap (1140), er zieht die Kleider ab von
hne (209, vgl Arch. Zeit 1869Taf.21), sie tragen Keule und Köcher des Herakles
(1137 ff.) und suchen Helm und Schwert des Ares anzulegen (319 ff.); ein
mutwilliger Eros wird gefesselt der Mutter zugeführt zur Bestrafung und von
einem Bruder noch verspottet (826); ganz im Charakter einer kindlichen Übung
mißt er sich im Ringen mit einem Panisk (404 ff.); Eroten werden wie Vögel
verkauft (824); Liebende pflegen sich Vogelnester zu schenken, ein witziger,
84 aber kaltalexandrinischer Gedanke, nun Eroten ins Nest zu setzen (821 ff., wo
natürlich alle Pointe verloren geht, wenn man mit Dilthey, Bull. d. Inst. 1869, 152
Aphrodite und Adonis sieht). Denselben Charakter tragen ferner Bilder bei den
Philostraten, die demnach der hellenistischen Entwicklung angehören: ganz mit
Apollon. Rh. stimmt Phil. jun. 8; II, 30 zündet Eros den Scheiterhaufen der Euadne
an, I, 29 entfesselt er ermattet und keuchend Andromeda; noch deutlicher stellt
sich das rein menschliche Dasein neben das Begriffliche, wenn er (jun. 9) trauernd
die Achse am Wagen des Oinomaos einschneidet; viele Eroten endlich helfen
dem Dädalus zimmern und sägen für die liebende Pasiphae (I, 16).
Dies alles sind Motive, die in der Vasenmalerei geradezu unmöglich wären,
weil hier überall an Stelle psychologisch begrifflichen Stimmungsausdrucks durch
Symbole realistische menschliche Handlung getreten ist.
Den schroffsten Gegensatz bieten aber jene zahlreichen Bilder aus dem
Leben und Treiben der Eroten unter sich: selten liegen gewisse mythologische
Eflge noch zu Grunde, was als Anfang dieser Reihe zu betrachten ist, wie wenn
(lasen jagen | 09, 810) oder mit Schwänen (785, Philostr. 1,9), mit
:>hinen /it. 1873Taf. 3) und Panthern (595) fahren, oder wenn sie
Äpfel sammeln, wie bei Philostr. I, 6, wo aber noch andre Züge beigemischt
und, wie immer, das Ganze in rein menschliche Handlung verarbeitet ist (vgl. Brunn,
i. Sonst sind die Eroten überall geradezu ein künstlerisches Freigut
geworden, mit dem sich alles machen ließ und vergeblich sucht man nach einem
der Tradition oder dem Begriffe des Eros: nicht nur Kinderspiele
sondern alle möglichen Handlungen der wirklichen Welt, wie Schau-
Eros in der Vasenmalerei. 55
Spieler- (768), Gladiatoren- (797 ff.), Jagdszenen aller Art (807 ff.), ja selbst das
gewöhnlichste Handwerk (804 ff.), wird von Eroten ausgeführt; besonders häufig
feiern sie auch Opfer und Kultusfeste (769 — 778) allen möglichen Gottheiten; auf
dionysische Feste jedoch lassen sich die Zechenden, Kelternden etc. (757 ff.;
Arch. Zeit. 1873 Taf. 3) beziehen, wo im backchischen Wesen des Eros ein gewisser 85
Anhalt lag, der aber rein menschlich ausgearbeitet wird, indem man realistisch
die Handlungen der Feste auf Eroten übertrug. Dazu gesellen sich meist noch
Psychen, natürlich ebenfalls alles begrifflichen Elements entkleidet. Ebenso ist
Eros in den fast zahllosen Bildern, die ihn allein oder kleine Gruppen mehrerer
darstellen, eine reine Dekorationsfigur geworden, eine Folie der willkürlichsten
Künstlerphantasien (z. B. 625 ff. als Athlet, 621 ff. als Krieger, 710 als Fischer etc.).
Kurz, überall eine Entwicklung, die zur notwendigen Voraussetzung hat, daß
man Eros durch und durch menschlich persönlich faßte: und dies tat erst die
alexandrinische Zeit. Auch hierin ist Eros der jüngste der Götter, denn während
die übrigen Olympier im wesentlichen schon durch die Homerische Poesie von
ihrem Natursubstrat losgelöst und zu Menschen wurden, erscheint Eros bis zum
Hellenismus streng an den Begriff gekettet, den er repräsentiert. An der Spitze
der neuen Entwicklung steht Aetion, dessen Erotenwelt im Bilde der Rhoxane
auf die Folgezeit den größten Einfluß hatte, wie uns die Wandbilder lehren
(vgl. Heibig, Unters. S. 242). Unberührt hievon gehören die Vasenbilder einer
früheren geistigen Entwicklung an (wenn auch ihre Ausführung bekanntlich
später ist), wo Eros noch an den Begriff gebunden war. Und darin besteht
eben ihr unersetzlicher Wert, daß sie uns die noch so frische und reiche Kunst
des 4. Jahrh. repräsentieren, von der uns sonst ja so wenig erhalten ist, und
ihrer unerschöpflichen Fülle gegenüber müssen die hellenistischen Produkte kalt
erscheinen, denn trotz aller witzigen Einfälle lassen sie kalt, der tiefere Sinn für
Bedeutung und Inhalt, der warme poetische Hauch ist hier schon verschwunden.
Unserm Resultate steht aber auch von chronologischer Seite nicht nur kein
Hindernis im Wege, sondern es bestätigt sich nur noch mehr: die schönsten
und feinsten der besprochenen Bilder nämlich gehören unstreitig dem 4. Jahrh.
an, die nächstdem besseren der ersten Hälfte des 3. Jahrh. Daß aber in dieser Zeit 86
die Anschauungen von Eros noch nicht wesentlich verschieden waren von denen
des Euripides lehren die Fragmente der Komiker. Nun blüht die alexandrinische
Poesie bekanntlich aber erst in der letzten Hälfte des 3. Jahrh.,1 wenn sie also
auf das Vasenhandwerk gewirkt hätte, so könnte dies erst in den späteren unter-
italischen Produkten des Verfalls ersichtlich sein; hier dürften wir demnach jenen
neuen Geist erwarten, der in der alexandrinischen Poesie herrscht; statt dessen
finden wir aber ganz denselben Eros wie auf den frühern Produkten, indem
1 Noch bei dem etwas altern Theokrit ist Eros nicht in jener charakteristischen
Weise ausgebildet wie später.
gg Eros in der Vasenmalerei.
i Alte nur vielfach abgeflacht, nirgends aber ein neuer Geist erscheint. Über-
sehend tritt uns dieser dagegen in jenen späteren polychromen und Reliefvasen
entgegen, die mit der Vasenmalerei ja nichts mehr zu tun haben und dem
alezandrinischen Einflüsse erlegen sind.
Wie aber in der Poesie, so bleiben auch in der Kunst der ganzen Folgezeit
vom Hellenismus entwickelten Anschauungen die absolut herrschenden, so
auf den zahlreichen Kompositionen der Sarkophage (vgl. z. B. die Endymion-
darstellungen). Dieser Masse gegenüber sind uns nur sehr wenige Reliefs er-
halten, die voralexandrinischen Geist bekunden, doch genügen sie immerhin,
um zu zeigen, daß die Auffassung der Vasenbilder nicht etwa auf diese allein
beschränkt ist. Ich rechne hieher folgende (ohne Anspruch auf Vollständigkeit
zu machen): Ganz an einige Vasenbilder schließt sich jenes schöne Parisrelief
an (Overb. Gall. Taf. 13, 2), das seine beste Beleuchtung aus einer römischen Nach-
ahmung (D. a. K. II, 295) erhält: hier zieht Eros ganz als Mensch gefaßt den
Paris herbei; dort ist es das begriffliche Wesen in Eros, ist es der Gott, der
Paris zuspricht, hier realistisch sinnliche Handlung, dort inneres geistiges Leben.
87 Ebenfalls in der symbolisch andeutenden Weise der Vasenbilder sind zwei Eroten
auf der herrlichen Spiegelkapsel Millingen, Mon. Un. II, Taf. 12 [Cat. of Greek
Bronzes 287] verwendet, und auf einem flüchtigen Terracottarelief (bei Roulez,
Melanges III, letzte Taf.) treibt er ein liebendes Paar mit der Rechten ermunternd
an, also durchaus den Vasendarstellungen entsprechend. Ganz mit den auf
den Vasen gewöhnlichen Attributen, dem Kästchen und der Binde, steht er
zwischen Diotima und Sokrates, ohne Handlung als Gegenstand ihrer Unter-
haltung, auf mehreren Repliken (Ann. d. Inst. 1841, H; Mon. d. Inst. IX, 26, 2a
und b) eines Originals, das gewiß im 4. Jahrh. erfunden ward, wo die Wirkung
des Platonischen Symposions noch am frischesten war. Derselben Zeit gehört
eine schöne Elfenbeinzeichnung an (CR. 1868 Taf. 1, 13), wo Eros an das Knie
seiner Mutter sich lehnt, ohne Attribute, im Glänze der Erscheinung. Ferner eine
herrliche Spiegelkapsel (Mon. d. Inst. VI, 47, 6), wo, ganz in Euripideischem Geiste,
s als Jüngling auf Gebot der Mutter den Bogen abschießt. Ein in mehreren
Repliken erhaltenes Terracottarelief ' schließt sich ebenfalls insofern den Vasen-
bildern an, als Eros als das belebende zur wilden Lust aufregende Element
im Thiasos später nicht mehr erscheint, wogegen der hier den ermatteten Silen
fortreißende Eros sein sprechendes Analogon findet an der Vase CR. 1869 Taf. 4,
Dahin gehört auch eine Spiegelkapsel im Brit. Mus. (Guide to the bronze
room S. 42, 27 [Cat. of Greek Bronzes 732]), wo Dionysos tanzend sich auf
I lehnt, während daneben eine Muse (?Mänade?) die Leier spielt. Daß
auch jene schöne Kapsel, wo Eros eine Frau umarmt (CR. 1865 Taf. 5, 1) sym-
irilicvi II, 79; Campana, Op. in PI. 53; Combe, Terrae. Taf. 5 (Catal. of
Te"- ÖOJ; Aj.nncoi.rt, Recueil Taf. 7, 3 und Taf. 10, 4.
Eros in der Vasenmalerei. 57
bolisch im Sinne der Vasen zu fassen sei, ward schon bemerkt. Wahrscheinlich
ist auch die nicht minder schöne Kapsel CR. 1869 Taf. 1, 29 symbolisch zu
fassen: eine Leidenschaft hebt die andre auf im Liebeleben der Schönen. Vor-
trefflich soll ein griechisches getriebnes Relief im Brit. Mus. sein (Guide to the
bronze room S. 38, 11 [Cat. of Greek Bronzes 308]): Eros allein einen Wasser-
vogel liebkosend, ein uns aus den Vasen bekanntes Motiv. Endlich gehören der 88
altern Auffassung zwei Terracottarelieffragmente an, wo Eros als Jüngling die
Leier spielt (Laborde, Maler, u. hist. Reise in Spanien Taf. 59, 3 und im Münchner
Antiquarium Nr. 483, etwas archaisierend).
So scheiden sich denn in der Entwicklung des Eros deutlich zwei Haupt-
perioden: die vor- und nachalexandrinische, von denen erstere vornehmlich durch
die Vasenbilder vertreten ist. Dieses Resultat, das wir, von Eros ausgehend, zu-
nächst nur für diesen gewannen, darf nun aber auch eine allgemeinere Bedeutung
beanspruchen; denn sind die Vasenbilder vom Hellenismus unberührtt, so sind
auch für die Interpretation derselben alle eigentlich hellenistischen Anschauungen
auszuschließen; erst dann wird sich auch jene oft so frappante Eigenart und
Selbständigkeit der Vasen gegenüber der spätem und gewöhnlichem Tradition
erklären.
Es füllen demnach unsre Vasen des malerischen Stils eine große Lücke
in unsrer Kenntnis der Kunst des 4. Jahrh. würdig aus, einer Zeit, die, wenn
auch vom höchsten Höhenpunkte schon entfernt, uns doch die hellenische Kunst
noch einmal in ihrer ganzen Frische und idealen, poetischen Schöpferkraft zeigt,
bevor sie in hellenistischer Epoche jene folgenreiche Wendung zum verstandes-
mäßigen Realismus macht. Verhehle ich mir auch keineswegs, wie sehr mein
Resultat noch der Bestätigung von andren Seiten bedarf, so ist es immerhin
als ein nicht geringer Gewinn zu betrachten, wenn wir, von Eros ausgehend,
bereits den historischen Standpunkt der gesamten Vasenmalerei bestimmter fixieren
konnten.
Eros in dek Vasenmalerei.
89 NACHTRÄGE.
S. 1 1 . Das Säulenrelief von Ephesus Arch. Zeit. 1872, Taf. 65, aus Skopasischer
Zeit, zeigt einen Flügeljüngling mit Schwert, den Curtius unbedenklich Agon
nennt; dem scheint mir jedoch der zarte, schlanke Bau des Jünglings und vor
allem der Charakter des Kopfes, wie ihn die Abbildung gibt, zu widersprechen:
ein Kopf voll feinen psychologischen Ausdrucks, ganz der Liebe schmachtende,
in sanfter Schönheit schwelgende Gott Eros (man vgl. nur den Hermes dess.
Rel.). Das Schwert weiß ich mir allerdings nicht genügend zu erklären, wie ja
die ganze Komposition noch ungedeutet ist, doch kann es nicht gegen Eros
entscheiden; warum sollte man ihm in der Zeit der noch schwankenden Attribute,
als man ihm eben den Bogen verliehen hatte (den er hier vielleicht in der Linken
aufstützte), nicht auch einmal ein Schwert zur Betonung seiner Macht beilegen?
Andrerseits wären die gewaltgen Flügel bei Agon, dessen Kunstdarstellung uns
meines Wissens nur aus den zwei Stellen bei Pausanias bezeugt ist, erst noch
zu erklären. Eine Bestätigung meiner Deutung als Eros finde ich in der Frau
neben ihm, deren Gewandung und Gestus vollkommen mit einem bekannten,
durch klassische attische Werke repräsentierten Aphroditetypus übereinstimmen
(z. B. Overb. Gall. Taf. 26, 12 und die entsprechende Parthenonsmetope Michaelis
Taf. 4. 25), so daß beide Deutungen auf Aphrodite und Eros sich gegenseitig
stützen.
S. 21. Der eben erschienene Compte rendu für 1870 und 1871 bringt Taf. V, 1
90 eine neue Europe-Vase, wo ein Eros dem Stiere, den Hermes geleitet, voran-
schwimmt (nicht schwebt), während ein zweiter bei dem erstaunt nachsehenden
Poseidon weilt, um ihn zu beschwichtigen.
Eine Taube bietet Eros Mädchen CR. 1870—71 Taf. 6, 2.
I Note 2. Ebenso CR. 1870— 71 Taf. 6, 2, wo das Tympanon deutlicher.
Dieses Herannahen des Eros, entweder mit Perlenschnur oder Tym-
panon oder ohne derartiges, um das Herz des gegenübersitzenden Mädchens
zu erobern, zeigen noch drei reizende attische Bilder im CR. 1870—71, Taf. VI,
Dieselbe Komposition: eine sitzende Frau und ein Eros gegenüber,
in höher stellt, die uns hier so unendlich oft begegnet, findet sich
ton auf einer Vase (von etwas breiter, derber Zeichnung), die auf
Eros in der Vasenmalerei. 59
der Halbinsel Taman gefunden ward (CR. 1870 — 71 Taf. VI, 6). Doch charak-
teristisch ist hier im Gegensatze zu jenen unteritalischen Produkten die ungleich
größere Frische und Lebendigkeit der Auffassung in Gebärde und Stellung,
ferner das Fehlen jener Masse von Attributen, indem Eros nur zwei Kränze
entgegenreicht; Eros selbst ist, wie auf attischen Bildern öfter, nur mit einer
Strahlenkrone geschmückt ohne den weiblichen unteritalischen Putz. — Die von
mir ausgeschiedne Klasse der Verfallbilder bietet also, was Komposition an-
langt, durchaus nichts Neues, wohl aber fragt es sich, ob der Sinn, den man
ihnen beilegte, nicht ein andrer geworden.
DER DORNAUSZIEHER
UND DER KNABE MIT DER GANS.
ENTWURF EINER GESCHICHTE DER GENREBILDNEREI
BEI DEN GRIECHEN.
(1876).
„Der Sinn und das Bestreben der Griechen
ist, den Menschen zu vergöttern, nicht die Gott-
heit zu vermenschen." Göthe.
nter den zahlreichen Statuen, die uns das Altertum hinterlassen hat und
die jetzt, in den Museen Europas zerstreut, den Gegenstand unsrer
gerechten Bewunderung bilden, sind doch nur wenige, die sich eines
so gesicherten und weithin verbreiteten Ruhmes erfreuten, wie die beiden Werke,
die uns im folgenden beschäftigen sollen; ich meine, der Knabe mit der Gans,
der uns leider nur in mehreren Marmorkopien erhalten ist, und der Dornaus-
zieher, dessen bronzenes Original auf dem Capitol in Rom bewahrt wird. Beide
Statuen sind jedem Laien bekannt, ja der die Gans würgende Knabe ist so ins
Volk gedrungen, daß man ihn z. B. zum Schmucke moderner öffentlicher Brunnen
nicht unpassend verwendet findet. Es ist diese Vorliebe unsrer Zeit auch leicht
erklärlich: ein uns menschlich so nahe berührender Zug weht aus jenen Werken
uns entgegen und die einfache, allgemeine Wahrheit in der Erfindung zweier an
sich unbedeutender Szenen aus dem Kinderleben, jedem sofort verständlich, jedem
etwas bietend - - sie fesselt uns hier dauernder, allgemeiner, als es jene immer
nur wenigen vollständig faßbaren idealen Göttergestalten vermögen. Während
letztere dem Nichteingeweihten immer fremdartig bleiben mögen, gelten ihm
re längst wie liebe Verwandte.
m dürfte nun erwarten, daß über zwei so bedeutende Werke auch die
Kunstwissenschaft zu gesicherten Resultaten gelangt sein sollte und daß man
über ihre Stellung in der Entwicklungsgeschichte griechischer Kunst im klaren
Indes, so viel einzelne, sich entgegengesetzte Ansichten geäußert worden
sind, so hat man doch bisher unterlassen, die Frage im größern Zusammenhang
zu behandeln und konnte deshalb nicht zu befriedigenden Schlüssen gelangen.
Auch die gesonderte Betrachtung beider Werke, von der wir bei der folgenden
Untersuchung natürlich ausgehen müssen, ist nicht überflüssig; ist doch sogar
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 61
die Ansicht ausgesprochen worden, es könnten beide Werke von einer und der-
selben Künstlerhand herrühren.
Der Knabe mit der Gans, auf den wir zuerst unsre Blicke richten wollen,
ist ein kecker Junge, etwa im Alter von vier bis fünf Jahren. Sein Lieblings-
tier und Spielgefährte ist die Gans des Hauses. Es stand nämlich im Altertum
die Gans allgemein in hoher Achtung, sie gehörte nebst Hund, Schlange und
Widder zu den unentbehrlichsten Haustieren, man schätzte sie als das Symbol
einer vollendeten Hausfrau, ja man schwor sogar bei ihr. Die Lieblingsgänse
der Penelope, die sie im Traume getötet sieht, und ihre Freude, als sie des
Morgens noch leben, sind gewiß jedem aus der Odyssee erinnerlich. Natürlich
spielten indes neben den Frauen besonders auch die Kinder gern mit diesen
Tieren. Auf Kunstwerken aller Art sehen wir sie daher oft so dargestellt, bald
in ruhig freundlichem, bald in neckisch feindlichem Verkehre mit der Gans;1 denn
oft ist das Tier auch eigensinnig, und so ist unsres Jungen Gans heute beson-
ders widerspenstig, ja sie will ihm und seinen Neckereien mit Gewalt entfliehen.
Er aber packt sie fest mit den Armen um den Hals und stemmt zugleich die
ganze Last seines zurückgebeugten Körpers gegen die heftig vorwärtsstrebende 7
Kraft des Tieres. So entwickelt sich das reizendste Widerspiel der Kräfte,2 das
zu genießen man sich so stelle, daß der Kopf des Knaben im Profil erscheint.
Schon dieses rein formale Interesse an dem abgewogenen Gleichgewicht wider-
strebender Kräfte bedingt einen großen Teil des Zaubers, den das Werk auf uns
ausübt. Dazu kömmt aber noch das Anziehende des Inhalts. Es ist kein bloßes
Spiel, dem Knaben ist es Ernst; und wie an seinem Körper jedes Glied und
jeder Muskel mit Anstrengung nach Einem Ziele arbeitet, so leuchtet auch aus
seinem Gesichte die entschiedenste Energie und der regste Eifer, das Tier zu
bewältigen. Der Kampf ist ihm nichts Kleines, er erfüllt sein ganzes Wesen und
richtig ist die Vergleichung Overbecks (Geschichte der gr. Plastik II 2, 126), die
Sache sei ihm ebenso wichtig wie Herakles die Erwürgung des Nemeischen
Löwen. — Hier liegt aber der Kernpunkt: solches Aufgebot der ganzen Energie
und aller Kräfte, als gälte es das Höchste, Größte — und das um eine Gans! —
Das geistige Interesse unsrer Statue besteht also in einem Kontraste: die an
sich unbedeutende Handlung macht sich wichtig als bedeutende Heldentat, der
große Eifer und Ernst des Knaben kontrastiert mit dem geringen Interesse an
sich, und in neidischer Sehnsucht rufen wir: o Glück der unschuldigen Kinder!
ihr sorgt nur um euer Tier und kennt nichts Höheres, euch ist mit der Gans zu
ringen — schon Heldentat!
1 Über alles hieher Gehörige findet man reichhaltige Nachweise bei Stephani, Compte
rendu de la commiss. archeol. pour l'annee 1863, S. 17 ff.; 53 ff.
2 Vgl. die beste Beschreibung der Komposition von Brunn, Beschreibung der Glypto-
thek Nr. 140. [Furtwängler, Glyptothek 268.]
Der Dornauszieheh und der Knabe mit der Gans.
Wie anders tritt uns der Do maus zieh er entgegen! Hier haben wir kein
Kind, sondern einen Knaben im Alter von etwa zwölf Jahren vor uns. Er hat
sich einen Dorn oder Splitter in den Fuß getreten, hat sich auf einen Stein ge-
t und legt nun ein Bein auf das andere, um sorgfältig die Ursache des
Schmelzes zu entfernen. Mit der linken Hand hat er den schmerzenden linken
Fuß erfaßt, um die Sohle desselben aufwärts dem Gesichte entgegen zu drehen;
die rechte Hand ist bereit, den Dorn selbst herauszuziehen, sobald die Stelle
sicher erkannt ist. Den ganzen Oberkörper und mit ihm den Kopf neigt er
aufmerksam, aber ruhig und ohne jede heftige, auf Ostentation berechnete Ge-
waltsamkeit. Der Kopf entbehrt zwar alles weiteren psychischen Ausdrucks, aber
wir verlangen auch nicht danach; denn das Ganze, die lebendige Natürlichkeit
jeder Bewegung, die frische Ungezwungenheit, mit der alles auf den Einen Zweck
steuert, ist uns vollkommen genug. So bemerken wir auch nicht, daß die Na-
türlichkeit der Stellung mit der Verletzung eines sonst immer beobachteten künst-
lerischen Gesetzes erkauft ist. Indem nämlich sowohl das ganze stützende rechte
Bein als der linke Fuß, das Zentrum des Interesses und der Handlung, und
endlich der Kopf, der geistige Mittelpunkt, von dessen scharfem Blicke die
Lösung der Verwicklung, die Entdeckung und Entfernung des Domes abhängt,
indem alle diese drei Punkte, geistiger wie körperlicher Schwerpunkt, in einer
Linie liegen und zwar allein auf der rechten Seite, während die linke uns gar
kein Interesse bietet, ja durch die scharfe Ecke, die das heraufgenommene Bein
bildet, mit der darunter befindlichen Leere unser Auge verletzt, so entstehen
dadurch auffallende Verstöße gegen Symmetrie und harmonische Linienführung,
wie sie in den uns erhaltenen Werken alter Kunst außerordentlich selten vor-
kommen. Ihre Beobachtung ist deshalb hier von ganz besonderer Wichtigkeit,
was sich jedoch erst später im ganzen Umfange zeigen wird. So unleugbar
jedoch diese Härte am Dornauszieher ist — denn man wende nicht ein, er sei
bloß für die Profilansicht von rechts gearbeitet; dies kann nicht der Fall sein,
indem dadurch das den Körper bestimmende Hauptmotiv des heraufgenommenen
-eines unklar würde --so deutlich also jener Mangel zu Tage liegt, so wirkt er
dennoch nicht störend auf den vollen und harmonischen Eindruck des Ganzen;
ja wir achten ihn nicht und übersehen ihn, denn wir sehen nur, was der Künstler
gewollt hat: den einen Moment, in dem die ganze Anlage und alles Interesse
der Statue gipfelt, den klar und präzis gefaßten Moment, wie der Knabe behut-
sam den Dorn entfernt.
Daß zwischen unsern beiden Werken wesentliche Unterschiede existieren,
wohl schon aus dem Vorstehenden klar geworden; um uns derselben jedoch
im einzelnen bewußt zu werden, beginnen wir mit einigen Bemerkungen über
den formalen Charakter der Werke.
Im Knaben mit der Gans haben wir das Werk eines Meisters, der die Mittel
hnik vollkommen beherrscht und nach keiner Seite hin gebunden er-
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 63
scheint. Die naturalistische Durchbildung des kindlichen Körpers, die dennoch
die Klippe der Plumpheit so glücklich überwunden hat, deutet ebenfalls auf die
Zeit der vollsten Freiheit hin; denn erst da, im vierten Jahrh. v. Chr., kommen
überhaupt Kinderbildungen in der statuarischen Kunst vor, während die ältere
Zeit, der auch fast die ganze Vasenmalerei gefolgt ist (s. meine Schrift „Eros
in der Vasenmalerei" S. 70 [oben S. 45]), nur das Knabenalter gebildet zu
haben scheint. Das älteste Beispiel eines Kindes in statuarischer Kunst ist
wohl der Plutos mit der Eirene von Kephisodot, zu Anfang des vierten Jahrh.,
welche Gruppe wir ja in der sog. Leukothea in München [Furtwängler, Glypto-
thek 219] besitzen. Von demselben Meister war Dionysos als Kind, von Hermes
gewartet; es folgen dann Xenophons Plutos und des Euphranor, sowie des Skopas
Leto mit Artemis und Apoll als Kindern, endlich ein Dionysoskind von Praxiteles.1 10
Erst durch diese göttlichen Kinder geht der Weg zu unserm menschlichen.
Die vollste Freiheit zeigt ferner die Haarbehandlung unsrer Statue; ja der
im Eifer in die Stirne gefallene Wisch Haare, der ganz gewiß nicht, wie Over-
beck zu glauben scheint,2 ein Zusatz des Marmorkopisten ist, sondern vielmehr
im Bronzeoriginale sehr fein ziseliert gewesen sein wird, dieser zufällig momen-
tane, naturalistische Zug läßt uns jene Lysippische Reform der Haarbehandlung, die
nach dem Zufällig-Wirklichen strebte, als bereits vorangegangen voraussetzen.
Davon finden wir nun im Dornauszieher das gerade Gegenteil: das Haar ist
ein Muster strenger Stilisierung; in regelmäßig sich aneinanderreihenden Locken
umgibt es eng anliegend den wohlgebauten Schädel, von einem Zuge beherrscht,
ein systematisch geordnetes Ganzes bildend, das keine Spur jener naturalistisch
zufälligen Motive zulassen kann; kurz es ist das Haar einer kaum aus den Fes-
seln des Archaismus befreiten Zeit mit streng idealer Naturauffassung. — Mit
dieser älteren Zeit stimmt aber auch, wie wir sahen, das gewählte Alter sowohl,
als jene Härte der Komposition trefflich überein.
Nicht geringer als diese formalen Unterschiede unsrer beiden Statuen sind
aber diejenigen in der geistigen Auffassung. Während wir nämlich beim
Knaben mit der Gans das Interesse in einem Kontraste bestehend fanden, so
kann beim Dornauszieher von etwas Derartigem nicht die Rede sein; hier fesselt
uns vielmehr nichts als die unbefangne, vollkommne Darstellung eines gewöhn-
lichen Vorgangs in all seiner Einfacheit, der Natur abgelauscht und frei von
jeglicher Nebenbeziehung. Ist doch die Handlung so einfach und gewöhnlich;
einem jeden von uns kann täglich dasselbe begegnen, wenn er barfuß geht, wie 11
es ja die Alten oft, und zwar auch außer dem Hause, taten.
1 Alle „pueri" und ^ncüSes" sind hier natürlich ausgeschlossen und nur die „infantes
und jraiöta oder vjjmm* berücksichtigt worden.
2 Geschichte der griechischen Plastik II2, 157 Anm. 168; der Satz „denn die
Gänsejungen sind Marmorkopien " will doch offenbar dem Originale jene freie Haar-
behandlung absprechen.
I DORNAUSZIEHBH UND DER KNABE MIT DER GANS.
Qam anders ist es mit unserm Heldenknaben, der mit der Gans ringt; denn
S kann nur ein Kind tun und nur ihm kann dies ein so wichtiges Ereignis
werden.
So ist denn das gewählte Alter für den ganzen Charakter der beiden Werke
I größter Wichtigkeit; denn hier bei dem Kinde faßt uns eine Sehnsucht nach
dem glücklich unschuldigen Kindesalter, dort bei dem erwachsenen Knaben mischt
sich nichts derart in den reinen Genuß der Darstellung einer Alltagshandlung,
der Darstellung frei von allen Nebenbezügen.
Nachdem wir uns so, ausschließlich durch Betrachtung der Kunstwerke selbst,
die wesentlichen Unterschiede der beiden Statuen klar gemacht haben, kann für
uns kein Zweifel mehr obwalten, daß beide nicht nur nicht etwa von derselben
Künstlerhand sein können, sondern ganz verschiedenen Zeiten, ganz ver-
schiedenen Kultur- und Kunstzuständen angehören müssen. Es gilt demnach
jetzt durch Herbeiziehung äußerer Daten die historische Stellung unsrer beiden
Werke genauer zu bestimmen.
Glücklicherweise haben wir hiefür wenigstens Einen festen Halt, indem der
Knabe mit der Gans allgemein und mit Recht identifiziert wird mit einem von
Plinius als infans anserem strangulans bezeichneten Werke des Boethos. Zwar
ist die Zeit dieses Künstlers nicht sicher und genau zu bestimmen, doch dürfen wir
ihn mit aller Wahrscheinlichkeit in den Anfang der Diadochenperiode setzen.1
Leider fehlt uns jede äußere Angabe, um auch den Dornauszieher einer be-
stimmten Zeit und Schule zuzuweisen. Es bleibt daher nur ein Weg, um die
12 oben entwickelten Unterschiede unsrer beiden Werke historisch zu begreifen
und zu würdigen, nur der Weg, daß wir uns von der ganzen Geschichte
desjenigen Kunstzweiges, dem unsere Statuen angehören, nämlich der Genre-
bildnerei bei den Alten, einen Überblick zu verschaffen suchen.
Leider ist diese Aufgabe deshalb keineswegs leicht, weil so gut wie gar
. orarbeiten dazu existieren. Obwohl nämlich das antike Genre früher eine
viel erörterte Streitfrage war, so dachte doch niemand daran, die Sache historisch
zu fassen, indem man meist der alten Kunst das Genre überhaupt absprechen
zu müssen glaubte; und auch Stephani, der mit Recht bemerkt, daß man dabei
fälschlich naturalistische Behandlung als dem Genre wesentlich betrachtet habe,
behauptet nur im allgemeinen von der alten Kunst, daß sie sich ebenso fleißig,
die moderne, mit dem Genre beschäftigt habe, nur in idealistischer Weise. -
.vii Overbeck, Scliriftqncllcn (SQ) Nr. 1596 angibt, sondern
natürlich wollte Otfr. Müller bei Tansanias lesen, was trotz Scluibarts Bedenken
**hr » [Mon. Piot XVII, S. 45.)
'CR. ; -
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 65
Dagegen hatte Otto Jahn schon früher (Berichte der sächsischen Gesellsch. d.
Wiss. 1848, 41 ff.) es versucht, die Frage historisch zu nehmen, indem er nament-
lich auf die Bedeutung des großen Wendepunktes in der alexandrinischen Zeit
hinwies; doch waren seine Anschauungen, wenn auch in einigen Hauptpunkten
richtig, doch mehr geahnt, als auf Tatsachen begründet, wie er denn fälschlich
der voralexandrinischen Zeit das Genre ganz absprach. — Es ist daher vor allem
unsere Aufgabe, die wichtigsten uns durch die Literatur, wie die Monumente
überlieferten Tatsachen zusammenzustellen, um so zur historischen Würdigung
unsrer beiden Statuen befähigt zu werden.
Unter Genre in dem weitern, hier anzuwendenden Sinne verstehen wir alle
diejenigen Stoffe, die, im Gegensatze zu den mythischen und historischen, eine
beliebige, tägliche, gewöhnliche, namenlose Einzelhandlung zum Repräsentanten 13
ihrer ganzen Gattung erheben. Es sind daher alle Darstellungen herbeizuziehen,
die nicht durch Namen bestimmte Individuen vorführen. Aber auch unter diesen
Repräsentanten einer Gattung muß man scheiden zwischen den lediglich ihrer
selbst wegen gearbeiteten Werken, die dem strengern Begriff des Genres ent-
sprechen, und den durch äußere Bezüge enger bestimmten Darstellungen. Freilich
ist diese Scheidung, namentlich in der alten Kunst, oft schwankend und ungewiß.
Zur Verdeutlichung des Unterschiedes selbst diene folgendes Beispiel. Gesetzt
man wolle heutzutage das Andenken eines besonders glänzenden Wettrennens
verewigen, indem man die Gruppe eines rennenden Pferdes und eines darauf-
sitzenden Jockeys als Denkmal setzte, so würden wir dies Werk, das schon durch
seine Inschrift die bestimmte Beziehung auf das stattgehabte Rennen kundgäbe,
gewiß nicht dem eigentlichen strengen Genre zurechnen, so wenig als z. B. den
Luzerner Löwen. Anders aber, wenn etwa ein Künstler aus eigenem Antriebe
sich die Aufgabe stellte, die heftigste Bewegung eines Rennpferdes und das ge-
schickte, aber von Hoffnung und Furcht aufgeregte Wesen eines Jockeys in einer
Gruppe darzustellen — letzteres würde sicher ein Genrestück sein, so wenig es
von ersterem sonst differieren möchte.
Doch gehen wir nun zunächst zurück in jene ersten Zeiten griechischer
Kunstübung, so finden wir gerade in dieser ältesten, noch wesentlich von Asien
her beeinflußten dekorativen Kunst nicht nur ein Überwiegen, sondern eine
fast ausschließliche Herrschaft des Genres.
Nachdem der erste künstlerische Trieb im reinen Ornamente seinen Ausdruck
gefunden, wagte man sich in der Darstellung lebender Wesen zuerst an die den 14
Menschen täglich umgebenden, bekannten Haustiere, die sein liebes Besitztum
waren. Die weitere Stufe der ersten Menschendarstellung vergegenwärtigen uns
einige uralte athenische Vasen in der ursprünglichsten, kindlichsten Zeichnung
(abg. in den Monum. dell' Instituto IX Taf. 39 ff.). Gegenstand ist, der Bestim-
mung der Vasen für Gräber entsprechend, die Klage um den Toten und das
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. 5
DORHAUSZKHER UND DER KNABE MIT DER GANS.
ade Fest, Tanz und Wettfahren. Der Stoff ist also aus der Wirklich-
keit genommen; aber die gewählten Momente sind die allgemein bedeutenden,
bei jeder Totenfeier wiederkehrenden, nicht zufällig einzelne. Schon hier also
tritt der ideale Grundzug der hellenischen Kunst hervor: aus dem Wesen der
Totenfeier sucht man ein allgemein gültiges Schema derselben zu gestalten.
Per steigende Hinfluß Asiens macht dann die wilden Raubtiere und ihre
Kämpfe zu dem beliebtesten Gegenstande der Dekoration für Vasen und nament-
lich für die Waffen, wie wir aus Homer sehen, der uns ein treues Bild jener
Kunstzeit liefert. Daneben kommen aber auch Menschen, und zwar Männer-
kämpfe vor, wie dies z. B. auf dem Wehrgehenk des Herakles der Fall war
(Üdyss. 11, 609 ff.). Weitaus am interessantesten ist aber die berühmte Be-
schreibung des Schildes des Achilleus. Auch hier findet sich noch gar
nichts Mythisches, es sind lauter Bilder aus dem täglichen Leben: so zunächst
im zweiten Kreise — der erste stellte Himmel und Erde dar — der Gegensatz
einer friedlichen Stadt in Hochzeit, Spiel und Rechtsstreit, und einer kriegerischen
in Belagerung, Hinterhalt und Überfall. Im dritten einerseits Pflüger, Schnitter
und Erntefest, andrerseits Weinlese und eine friedliche, wie eine von Löwen an-
gefallene Herde. Tanz und Spiel im vierten Kreise schließt die unruhigen Gegen-
15 sätze harmonisch ab. So springt uns aus der Zusammenordnung dieser Dar-
stellungen ein allgemein poetischer Gedanke entgegen: es ist das Menschenleben
dargestellt in Freud und Leid, in Ruhe und Arbeit, in Friede und Krieg. Aber
dieser Gedanke entspringt nicht aus der Art der Darstellung selbst; denn diese
zeigt nur in aller Unmittelbarkeit und naiven Freude an sich selbst den wesent-
lichen Charakter jeder Handlung, wie denn Homer selbst einen leitenden Gedanken
nicht bemerkt hat — dieser entsteht erst durch die Gegenüberstellung des Einzelnen
und die Zusammenordnung im Räume. Anders werden wir es in der späteren
schon sinkenden Kunst finden, wo der Gedanke die Darstellungsweise selbst
gleichsam infiltriert.
Die ausschließliche Herrschaft des Genres in dieser Zeit1 erklärt sich nur
eben durch jenen idealen Zug, durch den sich Griechisches von Barbarischem
gleich von Anfang an so scharf unterscheidet. Boten z. B. die assyrischen
Reliefs, die der homerischen Kunst Vorbild waren, die Szene der Belagerung
einer bestimmten Stadt chronikenartig gefaßt, so konnte der Grieche, der dem
•orischen, sobald er es nicht unter einem idealen Gesichtspunkte fassen konnte,
immer abgeneigt war und blieb, hierin nicht folgen, er machte das Genrebild
ein- gelten Stadt daraus, womit er durch Gegenüberstellung einer friedlichen
einen allgemeinen poetischen Gedanken gewann. Doch diese Art des Genres
durfte und konnte nur eine Vorstufe sein zu Höherem, die Vorstufe zum
1 HJd rcn auch jene Schalen aus dem (klassischen Grab (Mus. Gregor I,
nit auücrmythischcn Krie^cr/.iigcn.
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 67
Mythischen; denn dahin zielte ja jenes ideale Streben des Griechen, das die
chronikenartige Darstellung seiner Vorbilder abwarf, um das Allgemeingültige,
Wesentliche zum Ausdrucke zu bringen; dies bot aber der Mythus in reichlichster
Fülle, der den allgemein und ewig geltenden Typus für alles menschliche Wesen
und Handeln enthielt. Man könnte daher fragen, warum der Grieche sich nicht 16
gleich von Anfang auf den Mythus warf. Allein dieser Sprung von der realistischen
Darstellung einzelner Fakta in den orientalischen Vorbildern zum idealen Mythus
wäre zu groß gewesen und würde aller historischen Entwicklung widersprechen.
Erst mußten statt der historischen Schlachten allgemein Männerkämpfe, und statt
eines bestimmten Siegesfestes allgemein Tanzende und Feiernde gesetzt werden,
ehe man etwa troische Kämpfe und Apoll mit seinem Musenchor an jener Stelle
treten lassen konnte. — Wie uns die griechische Kunst überall ein ewiges Muster
streng naturgemäßer Entwicklung ist, und wie namentlich in der archaischen
Periode kein Schritt vorwärts getan wird, ohne durch das Vorhergehende gründ-
lichst motiviert und vorbereitet zu sein, so haben wir auch hier gleich am Ein-
gang griechischer Kunst ein schlagendes Beispiel jener Erfahrung: sollte sie nicht
durch verfrühte Darstellung des Mythischen in phantastische Ungeheuerlichkeit
verfallen, wie so manche Barbarenkunst, sollten jene wegen ihrer so menschlichen
Fassung ewig bewunderten Bilder griechischen Mythus' entstehen, so mußte
erst diese Vorstufe des Genres vorausgehen; hier mußten am allgemein Mensch-
lichen die Typen ausgebildet werden, nach denen das Mythische sich dann
gestaltete.
Doch bricht sich letzteres allmählich Bahn; anfangs zwar noch schüchtern
und nur in beschränktem Maße auftretend, wie an dem von Hesiod beschriebenen
Schilde des Herakles: zu den vom Schilde des Achilleus bekannten allgemeinen
Darstellungen treten hier zuerst mythische Kämpfe und zwar die der Kentauren
und Lapithen; dazu im gewohnten Gegensatze der friedliche Chor des Apoll
mit seinen Musen; auch der Wettlauf wird durch eine mythische Szene ersetzt,
indem man Perseus darstellt, wie er, von den Gorgonen verfolgt, über das
Meer hin flieht.
Den steigenden Einfluß des Mythischen können wir noch an den ältesten 17
Vasen beobachten; sie bieten zugleich den besten Beleg dafür, daß der allgemein
menschliche Typus immer die Grundlage war. So kämpfen z. B. auf einer Vase
aus Kameiros (Verh. der Philologenvers. 1864, [Salzmann, Necropole de Camiros
Taf. 53]) zwei Männer über einem Toten — das beliebteste und häufigste Schema
des Kampfes; doch zur Erhöhung des Reizes dieser ganz allgemeinen Darstellung
sind die Namen Menelaos, Hektor und Euphorbos beigeschrieben, die der
Künstler in einer, freilich etwas ungenauen, Reminiszenz an Homer hinzugefügt
zu haben scheint. Die Namen zeugen hier nur von dem allmählich erwachenden
Bedürfnis nach mythologischer Individualisierung; denn vorerst verzichtet man
noch auf alle Einzelcharakteristik, man gibt das allgemeine Schema und fügt frei
(1> Der n beheb und der Knabe mit der Gans.
Ite Inschriften als Zutat, die die Darstellung nicht beeinflußt, hinzu. Solcher
sind auch die ältesten korinthischen Vasen; da finden wir z. B. (Archäol.
Ze ; Taf. 1S4 [Louvre E 609]) zwei Reiterzüge sich gegeneinander bewegen
und die Inschriften bezeichnen einerseits Achill, Patroklos, Nestor u. a., andrerseits
Hektar und Memnon keine bestimmte mythische Handlung, sondern nur nach
einem allgemeinen Gedanken die Haupthelden des troischen Krieges einander
„enübergestellt. Ein treffendes Beispiel, wie weit die Herrschaft des allgemein
Typischen über das speziell Mythische geht, bietet eine andre Vase mit
troischen Kämpfen (Annali dell' Inst. 1862 Taf. B, [Mon. Piot XVI Taf. 13 S. 107]
wo Phönix, in der Poesie ein Greis, hier als Knappe des Achill auch wirklich als Knabe
gebildet ist. Hier sieht man zugleich deutlich, wie unabhängig die Kunst gleich
von Anfang der Poesie gegenübertritt: sie schafft sich erst eigene künstlerische
Typen und diesen muß sich die Überlieferung fügen. — Aber wie wenig
ls in dieser Zeit das Mythische noch zur Herrschaft gelangt war, zeigt die berühmte
Dod well -Vase; l denn hier sind zwar den Teilnehmern einer Eberjagd Namen bei-
geschrieben, aber nicht die einer bestimmten, uns bekannten mythischen Jagd.
Daneben ist eine interessante Abschiedsszene: dem Jüngling Dorimachos (d.h. Speer-
kämpfer) legt eine Frau Alka (Kraft) die Hand aufs Haupt. So sehr ist in dieser
Periode noch der allgemeine Gedankeninhalt vorwiegend vor mythischer
Bestimmtheit.
Dennoch entwickelt sich die Darstellung der Sage rüstig an der Hand jener
Typen; wie man denn z. B. die kalydonische Eberjagd nicht anders darstellt,
als die des täglichen Lebens. Endlich im Laufe des 6. Jahrhunderts eröffnete
sich der volle Strom mythischer Darstellung mit erstaunlichem Reichtum in den
beiden berühmten, leider nur durch Beschreibung bekannten Werken, dem Kypselos-
kasten und dem Throne des amykläischen Apollo; die erhaltene sogenannte Francois-
Vase, wenn auch etwas jünger, schließt sich ihnen würdig an. Hier haben wir
denn nur Mythen, freilich zunächst noch nicht überall in voller, individueller Be-
stimmtheit, vielmehr sind die Beischriften noch wesentlich und notwendig. Doch
das Streben der Folgezeit ist nun, das individuelle Wesen jeder Sage mit mög-
lichster Bestimmtheit darzustellen, so daß sie aus sich selbst klar ist.
or wir diese erste Periode verlassen, muß darauf hingewiesen werden,
daß die besprochenen Werke lediglich der dekorativen Kunst angehören, daß
somit in einen völlig neuen Kreis treten, wenn wir im Folgenden zunächst
das aus der monumentalen Kunst Überlieferte betrachten.
lie historische Entwicklung des Genres weiter verfolgen zu können,
ntlich auf die Nachrichten der Schriftsteller über die Künstler und
Ittsfflhrlichei besprochen von Stephani, CR. 1867 S. 69 ff. [München 327.
Jahn 211).
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 69
ihre Werke angewiesen; hieraus erwächst aber eine große Schwierigkeit; denn
jene Nachrichten lassen in den meisten Fällen gerade darüber Zweifel übrig, ob
ein Werk als Genrestück zu fassen sei, oder nicht. Diesem Umstände ist es
wesentlich zuzuschreiben, daß die bisherigen Ansichten über das antike Genre
so unklar und schwankend waren; und daher kommt es, daß z. B. ein großer
Teil der von Overbeck in seiner Geschichte der Plastik unter die Rubrik des
Genres gezogenen Werke als nicht hierher gehörig abgewiesen werden muß. Es
ist nämlich hier vor allem ein leider nicht immer genügend beobachteter Grundsatz
im Auge zu behalten: wie bei der Behandlung eines Kunstwerkes zuerst die be-
sondere Gattung und Art desselben in Erwägung gezogen werden muß, so hat
man auch bei literarischen Nachrichten auf die besondere Art und Individualität
des überliefernden Autors zu sehen. Unsere beiden Hauptschriftsteller für die
Kunstgeschichte sind aber Pausanias und Plinius. Während nun ersterer, unser
exakter und bewährter Führer durch Griechenland, alles aus eigener Anschauung
beschreibt, und während das rein sachliche, namentlich religiöse Interesse bei
ihm das künstlerische weit überwiegt, so daß er in seiner Beschreibung fast nur
die öffentlichen und religiösen Monumente berücksichtigt, wo ihm eben der
mythologisch interessante Name die Hauptsache war: so ist bei Plinius das
Verhältnis überall umgekehrt; er ist ein Römer und Compilator im größten Maß-
stabe, der in sein ungeheures, aus 2000 Bänden exzerpiertes naturgeschichtliches
Werk bei Gelegenheit der Metalle, Erden und Steine auch kunstgeschichtliche
Notizen einfügt, indem er die verschiedenen Künstler mit ihren bedeutendsten
Werken nach seinen Quellen angibt. Schon daraus dürfen wir abnehmen, daß
uns Pausanias in Bezug auf die Geschichte des Genres ein viel treuerer Ge- 20
währsmann sein wird, als Plinius; denn wo ein Name oder eine bestimmte Be-
ziehung, deren Fehlen oder Vorhandensein ja ein Werk dem Kreise des Genres
zuweist oder abspricht, zu seiner Zeit noch bekannt war, da wird er gewiß nicht
verfehlt haben, sie anzugeben; andrerseits freilich konnte er bei seinen Prinzipien
gerade auf das Genre sehr wenig Rücksicht nehmen. Dagegen finden wir bei
Plinius eine große Menge von Kunstwerken unter allgemeiner genereller Be-
zeichnung des Gegenstandes angeführt und man hat sie meist auch wirklich
alle für Genrestücke gehalten. Allein wir werden hierin sehr vorsichtig sein
müssen; denn nicht nur Plinius selbst, sondern auch seine mit Wahrscheinlichkeit
vorauszusetzenden Hauptquellen der Künstlernachrichten, wie Varro, Cornelius
Nepos und Pasiteles lebten in einer, man möchte sagen, kosmopolitischen Zeit,
wo die Kunstwerke aller Gegenden und aller Perioden in der weltbeherrschenden
Roma zusammenströmten, und wo natürlich das historische und künstlerische
Interesse das gegenständliche weit überwog; losgerissen aus dem ursprünglichen
lokalen Zusammenhang sammelten sich die Werke in Rom und die berühmtesten
schmückten in zahlreichen Kopien die Villen der Reichen. Dazu kömmt, daß
Plinius' Nachrichten ursprünglich zum weitaus größten Teil nicht auf periegetische
70 Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans.
i auf historisch-theoretische Werke der Künstler selbst zurückgehen. Diesen
Künstlern nun, die seit der alexandrinischen Zeit mit Eifer die kunsthistorischen
lien selbst aufnahmen, lag natürlich alles am Formalen des Kunstwerks,
viel weniger an der Bedeutung und den bestimmten Beziehungen. So bildete
sich denn für die Hauptwerke allmählich eine Terminologie heraus, die in Gestalt
fester Beinamen das künstlerische Motiv des Werkes bezeichnete, und diese
21 ging in Plinius Werk über; so finden wir hier z. B. von Praxiteles einen Satyr
.periboelos", einen Apollo „sauroctonos", die Glykera von Pausias als „stephano-
plocos", d. h. Kränzeflechterin, einen Satyr des Antiphilos als „aposcopeuon",
d. h. als spähend bezeichnet usf. Von hier war es aber nur ein kleiner Schritt
dazu, nur jene das Motiv bezeichnenden Beinamen anzugeben, wie uns denn
z. B. Plinius den Philoktet des Pythagoras nur als einen Hinkenden (claudicans)
aufzählt oder uns von einem symplegma nobile redet (36, 24), d. h. einer Gruppe
engverschlungener Personen, ohne uns über den Inhalt auch nur eine Andeutung
zu geben; denn der in der Kunstsprache offenbar technische Ausdruck bezeichnet
nur das Motiv und Nichts vom Gegenstande. Konnte man sich damit bei mytho-
logischen Werken begnügen, mit um wieviel größerem Rechte durfte man es da
nicht bei den Porträtstatuen tun? Denn diese konnten ja, wenn sie nicht
gerade berühmte Persönlichkeiten darstellten, gegenständlich kein allgemeineres
Interesse erwecken. Dagegen waren, bei der großen Ausdehnung der Porträt-
bildnerei im Altertum, künstlerisch sehr bedeutende Werke zahlreich darunter,
die sogar durch Kopien verbreitet wurden. Was war also natürlicher, als daß
man diese bloß nach dem künstlerischen Motive benannte und zu rubrizieren
suchte? Dies taten gewiß schon die älteren Kunstschriftsteller, aber sehr häufig
auch Plinius selbst; wie gang und gäbe gerade ihm dieser Gebrauch ist, zeigt
z. B. eine Stelle (35, 28), wo er den Gegenstand eines Bildes des Malers Philochares
allgemein als einen Greis mit seinem Sohne angibt und bis ins Detail beschreibt,
rein zufällig aber gleich darauf auch die Namen der beiden nennt. Ein anderes
Beispiel, sehr geeignet uns vor den Allgemeinbenennungen des Plinius zu warnen,
22 ist das folgende, in dem es sich sogar um ein sehr berühmtes Porträt handelt:
11 führt er den Gegenstand eines Bildes an als belli facies et triumphus.
Man könnte danach an eine allgemeine allegorische Darstellung des triumphus
denken. Anders belehrt uns 35, 93: es war triumphans Alexander in curru dar-
tellt und zwar von Apelles. Dort, wo es Plinius nur darauf ankam, zu zeigen,
daß auch August öffentlich Gemälde aufgestellt, gibt er das Bild ganz kurz an,
indem er nicht nur den Künstlernamen, sondern auch den Gegenstand selbst
•chweigt und nur die Rubrik, das Genre, dem er angehört, nennt. Da die
Quellen des Plinius wohl meistens bei den einzeln aufgeführten Porträts zugleich
den Namen und die Rubrik, den Stand anführten, so findet sich dies bei Plinius
auch noch öfter, sogar bei ganz unbedeutenden Persönlichkeiten; so werden
innt 35, 147 der Gaukler Theodorus und der Tänzer Alcisthenes, 35, 136
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. J\
Lecythion, der Einüber oder Lehrmeister der Behendigkeit,1 34, 57 der (Sklaven-)
Händler Lyciscus, 34, 59 der Stadienläufer Astylos, 68 der Fünfkämpfer Spintharus,
77 der Ringer Pythodemus. Es erhellt hieraus, wie leicht Plinius in solchen Fällen
den Namen als das Unwesentlichere weglassen konnte; und das tat er auch in
sehr vielen Fällen. 35, 134 z. B. können wir aus andern Quellen als sehr wahr-
scheinlich nachweisen, daß der allgemein angegebene „phylarchus" des Athenion
ein gewisser Reiteroberst Olympiodor war. — Ist Plinius also gewiß selbst sehr
oft Schuld, daß wir nur das Genre und die Rubrik, nicht die Persönlichkeit selbst
kennen, so fand sich doch auch oft schon in seinen Quellen der individuelle
Name nicht mehr vor. Besonders scheint letzteres bei einigen in Rom befind-
lichen Werken der Fall gewesen zu sein; so die Signa palliata und der nackte
Koloß des Phidias (34, 54), von dem Samier Pythagoras sieben nackte Statuen
und die eines Greises (34, 60), 2 von Polygnot ferner ein Gemälde, an dem man 23
(in Rom) zweifelte, ob ein Hinauf- oder ein Herabsteigender dargestellt war;
endlich von Aristides der Tragöde mit dem Knaben und der Greis, der einen
Knaben in der Leier unterweist, alle in Rom. Einmal (34, 87) fügt Plinius bei
der Statue eines Redenden ausdrücklich hinzu: „persona in incerto est." Ebenso
gehören die allgemeinen Bezeichnungen ganzer Klassen von Statuen (bei Ge-
mälden kommt dies nicht vor) schon den Quellen des Plinius an. Näher kann
indes hier nicht auf diese Erscheinungen eingegangen werden und ich begnüge
mich jene Rubriken, unter denen nach den eben entwickelten Prinzipien unbedeu-
tendere Porträtstatuen resümiert zu erkennen sind, kurz anzugeben.
Es sind vor allem die Athleten, deren allgemeine Anführung bei Plinius
keineswegs auf Genrebilder zu beziehen ist. Oder ist es nicht ein schlagendes
Zeugnis für unsre Ansicht, daß, während uns Plinius, mit Ausnahme weniger
Fälle, immer nur das künstlerische Motiv, nicht den Namen des Athleten nennt,
daß Pausanias dagegen nie bloß das Motiv angibt und also von dieser ganzen
1 Ihm analog war jedenfalls des Silanion epistates exercens athletas 34, 82: Beides
waren offenbar Porträts einer Art von Gymnasiarchen; das eine Mal setzt Plinius Namen
und Beschäftigungsart des Standes, das andre Mal nur letzteres.
2 Wenn Urlichs (Chrestomath. Plin. S. 321) mehr weiß als die Quellen des Plinius
und als Gegenstand die Sieben gegen Theben und obendrein Amphiaraos (als senex) an-
gibt, so ist das entschieden unrichtig; denn Amphiaraos wird immer mitgezählt und ist
nichts weniger als ein Greis; unmöglich ist es, daß nur Eteokles und Polyneikes in der
Mitte gekämpft, die übrigen sechs Helden ringsum gestanden hätten, ohne daß ebenso
viele von der Seite der Thebaner mit ihnen im Kampfe gewesen wären. — Viel eher
hätte er vermuten können, daß die Gruppe der des Hypatodoros und Aristogeiton ent-
sprach (Paus. X, 10, 3), d. h. daß die sieben Helden, unter die natürlich Amphiaraos auch
gehört, dargestellt waren und zu ihnen als achter Alitherses kam, über den wir zwar gar
nichts Bestimmtes wissen, von dem sich aber nach Analogie des homerischen gleichen
Namens (Od. 2, 157 ff.) vermuten ließe, daß auch er ein Seher und Greis war, eine nach
dem Typus der homerischen gestaltete Figur der Lokalsage. (Der Sohn des Leleger-
königs Ankaios Paus. VII, 4, 1 ist wieder ein anderer Alitherses).
[EHER UND DER KNABE MIT DER GANS.
geblichen Rubrik des „athletischen Genres" Nichts weiß,1 sondern immer einen
stimmten Namen nennt? Um nur ein Beispiel zu wählen, ist es nicht auf-
fallend, daß uns Tansanias von dem Künstler Daippos mehrere Athletenstatuen
mit Namen nennt, Plinius aber nur einen „perixyomenos", d. h. einen sich
Abschabenden? Es ist nun bekannt, wie viele Statuen siegender Athleten
Künstler namentlich an die Orte der großen Festspiele und besonders nach
mpia zu fertigen hatten. Diese stellten zwar einen bestimmten Athleten dar,
aber in der Regel nicht mit seinen Porträtzügen; wenigstens durfte in Olympia
wer dreimal gesiegt hatte eine ikonische Statue haben. Diese Werke waren
eine Hauptaufgabe für die berühmtesten Künstler; als Motiv wählte man ent-
weder einen Moment des Kampfes selbst, in dem der Betreffende gesiegt hatte,2
so z. B. der bekannte Diskuswerfer des Myron. Oder man stellte die Vorberei-
tungen und Folgen des Kampfes dar, wie z. B. das Einsalben und das Abschaben
des Staubes und Öles, das Umlegen der Siegerbinde und ähnliches. Die be-
rühmtesten unter diesen Werken wurden in spätrer Zeit natürlich kopiert. Plinius
selbst i bezeugt uns den starken Verbrauch von Athletenstatuen im kaiser-
lichen Rom für die Palästren und Ringplätze der Reichen; wie sich in jener Zeit
von selbst versteht, waren dies (signa externorum artificum heißen sie 35, 6) keine
neuen Originalwerke, sondern Kopien der alten, manchmal auch diese selbst. Die
einstigen Namen derselben gingen natürlich bald verloren und allgemein benannte
man sie bloß nach dem Motiv. Wir müssen demnach diese z. B. von Overbeck
(Geschichte der gr. Plastik I- 344) für frei gewählte „Situationsbilder" gehaltenen
Werke,8 die Plinius als Rubrik mit „pyetae, athletae, luctatores", als Einzelwerke
mit „discobolus, doryphorus, luctator, pentathlus, diadumenus, destringens se,
peri-, apoxyomenus, talo incessens" u. ä. bezeichnet, sämtlich von der Genre-
bildnerei ausschließen. Nicht als ob es im Altertume überhaupt gar kein athletisches
Genre gegeben habe, denn Werke wie z. B. die Florentiner Ringergruppe gehören
offenbar dahin; vor der spätem hellenistischen Zeit findet es sich aber schwerlich;
das Streben, die künstlerische Bravour zu zeigen, führte zu solchen Aufgaben,
denen auch z. B. der sog. Borghesische Fechter anzureihen sein wird. Für das
bei Plinius aus der besten Zeit Erwähnte bleibt Obiges durchaus bestehen.
' lJcn • des Timainetos erwähnt Pausan. I, 22, 7 nur im Vorbeigehen
I d. h. eben ohne die näheren Umstände, wie Name usw. anzugeben.
VgL den ny.tana/ü»- des Glaukias, der beweist, wie früh man schon bei diesen
en nach solchen charakteristischen Motiven suchte. Daß es überhaupt Sitte war,
n Athleten und sonstigen artifices diejenige Stellung zu geben, welche sie bei Erlangung
ne hatten, lernen wir aus Com. Ncpos, Chabr. 1, 3. Wenn hier freilich
von Chabrias an datiert wird (die Stelle heißt bei Halm: ex quo factum
athletae ceterique artifices iis statibus in Statuts ponendis uterentur, * • cum
,rian pH; die kleine Lücke schädigt den Sinn nicht), so kann dies nichts
Iffl Altertum häufigen willkürlichen Anknüpfungen alter Sitten an
Beispiel.
ffl in Ersch und Gruben Allg. Enzyklopädie 1, 82, 435; 446.
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gaxs. 73
Nicht anders verhält es sich mit den bei Plinius unter dem Titel „philo-
sophi" resümierten Statuen, die ungefähr seit Ol. 90 von vielen Künstlern ge- 25
bildet wurden. Wir haben uns darunter wahrscheinlich nicht bloß Philosophen
und Gelehrte, sondern auch Redner und Dichter zu denken,1 die seit dem vierten
Jahrh. sehr häufig durch Statuen geehrt wurden; ja es mag vielleicht nur ein
gewisser Typus vollbekleideter Gewandstatuen gemeint sein, im Gegensatze zu
den folgenden Rubriken.
Dies sind nämlich „Bewaffnete, Jäger und Opfernde". Auch sie wurden
für „Gattungsbilder'' erklärt (z. B. von Overbeck Plastik II2, 61), ohne daß man
sich eine klare Vorstellung davon zu machen wußte. Ich halte auch sie, die
übrigens von zahlreichen Künstlern genannt werden, nach obigen Analogien für
bestimmte, immer wiederkehrende, besonders beliebte Porträtmotive. Daß die
Vornehmen sich gerne als Jäger bilden ließen (seit Ende vierten Jahrh.), dürfen
wir daraus schließen, daß sich Alexander sowohl von Lysipp2 und Leochares,
als wahrscheinlich von Euthykrates 3 auf der Jagd darstellen ließ, und daß Ptole-
mäus von Antiphilos jagend gemalt wurde. Ferner sind uns die späteren Grab-
und Sarkophagreliefs, wo der Tote so oft jagend dargestellt wird,4 ein sicherer
Beleg für die Beliebtheit dieses Motivs. Sehr belehrend ist endlich auch eine
Stelle des Pausanias (VI, 15, 7) wo er die Statue eines unbekannten Mannes
[ävr]Q Sorte öij) anführt, als im Typus eines Jagenden dargestellt: es ist eben
ein solcher „venator" des Plinius, den Pausanias ganz deutlich für ein unbekanntes
Porträt hält. — Die „Bewaffneten" sind natürlich Kriegsleute und Feldherrn, die
man in kriegerischer Tracht zu bilden gewohnt war. — Die „Opfernden" endlich
sind als Priester zu denken, denen man sehr oft Statuen setzte. Mehr als zu-
fällig ist doch das Zusammentreffen, daß z. B. Pythokritos, von dem Plinius 26
solche Opfernde erwähnt, uns durch eine Inschrift als Künstler einer Priester-
porträtstatue bekannt ist.5
So bleiben nur noch die verschiedenen Rubriken von Frauen bei Plinius
1 Von Kephisodot z. B. nennt Plinius philosophos; durch andre Quellen kennen wir
den Redner Lykurg und den Dichter Menander als seine Werke, ein wohl nicht zufälliges
Zusammentreffen.
- Plin. 34, 64; die andre venatio mit Hunden (ebenda 63) bestand wohl ebenfalls
aus Porträts Vornehmer.
a Wenn man nämlich Plin. 34, 66 venatorem zu Alexandrum zieht, was das Natür-
lichste und Plinius sonstiger Aufzählungsart das Entsprechendste ist. Interpungiert man
jedoch nach Alexandrum, so gehört dieser Jäger eben unter die Klasse der übrigen vena-
tores, wie auch Stephani CR. 1867, S. 90 annimmt, dem ich auch in der Abweisung der
sehr mißlichen Annahme Kekules (Arch. Ztg. 1865, S. 15), der hier Meleager sieht, beistimme.
4 Vgl. Heibig, Untersuchungen über die Campanische Wandmalerei S. 276. — Die
Statue eines Jägers in München (Glyptothek Nr. 156 [Furtwängler, Glyptothek 290]) mit
einem leider ergänzten Porträtkopfe gehörte offenbar in diese Klasse der venatores.
5 S. Brunn, Gesch. der gr. Künstler I, 461, wo schon der richtige Schluß daraus
gezogen wird. [Löwy, Inschriften griech. Bildhauer 174 ff.] — Die in der Kleinkunst
(Bronzen, Terrakotten) häufigen Darstellungen von Opfernden und Betenden sind auch
Der Dornauszieher und der Knabe a\it der Gans.
zu beseitigen. Genannt worden .edle" Frauen, d. h. vornehme oder berühmte,
-.her Porträts; ferner „betende und opfernde und verehrende,"1 auch
.weinende" und endlieh „alte" Frauen. Zweimal (von Phidias - und Euphranor)
wird eine diduchos genannt, d. h. eine Priesterin mit dem Tempelschlüssel
gewifi kein Gegenstand für eine „genreartige Darstellung" (Overbeck
Plastik II'. 83), sondern sicherlich Porträt. Durch sie kommen wir auch den
andern auf die Spur, denn auch diese scheinen meist Priesterinnen dargestellt
zu haben. Letztere erhielten sehr oft Ehrenstatuen und meist waren sie alt, im
treuen Dienste ergraut - - daher die alten Frauen (anus) bei Plinius. Eine solche
war z. B. die Lysimache von Demetrios, die 64 Jahre der Athena gedient und
deren Statue daher vor dem Erechtheion in Athen stand. a Ja, es läßt sich nach-
weisen, daß der für Priesterinnen in der alten Kunst durchaus herrschende Typus
der alter Frauen war (s. Annali dell' Inst. 1872, 125); ferner daß man niemals
vornehme Frauen4 alt darstellte, denn dies geschah nur bei Dienerinnen, Ammen
und - Priesterinnen. Es bleiben also als „anus", da profanen Dienerinnen
schwerlich Statuen gesetzt wurden, nur die Priesterinnen übrig. Ebenso erklären
sich die bei Plinius genannten Motive des Opferns und Betens und Verehrens
am besten bei der Annahme von Priesterinnen; übrigens stellte man auch mit-
unter profane Frauen opfernd dar, wie des Alkibiades Mutter Demarate von Ni-
keratos (Plin. 34, 88) schließen läßt (wenn diese nicht selbst Priesterin war). —
Endlich die „weinenden Matronen" des Sthennis (34, 90), die man bisher auch
27 meist für eine von den Künstlern gar klassenweise fabrizierte Art von Genre-
bildern gehalten hat, ohne die Ungeheuerlichkeit dieser Annahme zu bedenken,
sind nur als Porträts älterer Frauen mit einem diesen eigenen Zuge der Wehmut
und dem entsprechender äußerer Haltung zu denken.6 — Die von Plinius ge-
ftir Weihgeschenke zu halten (s. Friederichs, Berlins antike Bildwerke II, S. 453 ff.), die
der Einfachheit wegen nicht eine Individualität, sondern einen allgemeinen Typus darstellen.
Ebenso wenig wie aus ihnen darf aus dem Vorkommen von Jägern in der Kleinkunst auf
die Existenz derselben als .Genre" in der monumentalen Kunst geschlossen werden.
1 Bei Plinius admirantes, das aus dem griechischen &av/*dteiv übersetzt scheint, das
auch anbeten und verehren heißt. Eine mulier des Euphranor war zugleich admirans
und adorans, woraus die Zusammengehörigkeit beider Motive hervorgeht. [Eurtwängler,
Aren. Ztg. 1879 S. 152.]
- Die Ansicht, es sei die Athena Promachos des Phidias (ohne Schlüssel) hier ge-
meint, hat nichts für sich. Nicht einen ungewöhnlichen, der künstlerischen Erscheinung
widersprechenden Beinamen einer Gottheit, sondern eine eben jenes Äußere charakteri-
/.tichnung muß man nach allen Analogien in der cliduchos suchen.
! [Vgl. dazu Arx Athenarum a Pausania descr. cd. O. Jahn et A. Michaelis3 S. 73,
117, 129.]
andt ist es, wenn die altdeutsche Malerei (ich denke an ein Schongauerisches
I in Kolmir) in der Szene, wo Christus Adam und Eva aus der Hölle führt, zwar jenen als
II mit weißem Barte darstellt, an Eva aber keinerlei Spuren des welkenden Alters andeutet.
' nicht streng zu nehmen; leicht kann es aus Sedaxgvfievai übersetzt sein
"f"1 ' ße nur .verweinte Frauen, mit Spuren vergossener Tränen". So braucht es
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 75
nannten Rubriken entsprechen also ganz den verschiedenen Ständen, die vorzugs-
weise durch Porträtstatuen geehrt wurden. Es sind zunächst die höheren Militärs
(armati), dann die reichen Privaten, die den Jagdsport lieben (venatores), endlich
die Priester (sacrificantes). Dazu kommen die Athleten und die Denker und
Dichter (philosophi), deren künstlerische Motive zu verschieden waren, als daß
man die Rubrik danach hätte benennen können. Von den Frauen wird, neben
den sonst durch Rang und dergleichen hervorragenden (nobiles), namentlich der
Stand der Priesterinnen berücksichtigt, der in der Regel einzige, in dem die
griechische Frau der Öffentlichkeit und somit öffentlicher Ehren teilhaftig war;
daneben scheinen vereinzelt noch Motive von Grabmonumenten für Frauen
(flentes matronae, adornantes se feminae? s. Anm. 2 S. 82) genannt zu werden.
Diese neuen Tatsachen für die Geschichte der antiken Porträtbildnerei stimmen
mit dem bisher bekannten Charakter des griechischen Porträts durchaus überein:
im Gegensatze zu den römischen, die nur allgemeine Schemata mit einem be-
liebigen Porträtkopfe bieten, suchen die griechischen Porträts immer schon in
der ganzen Gestalt, dem gesamten Motive eine bestimmte Individualität oder
wenigstens einen bestimmten Stand und seine Beschäftigungsart zu charakterisieren.1
Man denke an die erhaltenen Statuen des Alexander, Aristoteles, Sophokles, De-
mosthenes u. a. Apelles malte den kampfesmutigen Klitus mit dem Rosse in
die Schlacht eilend und den Helm von seinem Knappen fordernd, oder den Feld- 28
herrn Antigonos bewaffnet mit seinem Rosse einherschreitend. Protogenes malt
den Tragiker Philiskus sinnend, meditantem, ebenso Theoros (oder Theon) die
Leontion, die Geliebte des Epikur, cogitantem. Chabrias ließ seinen Statuen
(Diodor 15, 33; Nepos Chabr. I spricht nur von einer) diejenige Stellung geben,
durch deren Erfindung und Anwendung er seinen gepriesensten Sieg gewonnen:
er kniete, den Schild an das Knie gedrückt und die Lanze dem Feinde entgegen-
gestreckt. Anakreon, der Dichter der Liebe und des Weines, war im Rausche
singend dargestellt (Paus. I, 25, 1). An solche Beispiele reihen sich die Motive
Pausan. I, 21, 5 von der Niobe am Sipylus und fügt noch das Attribut xaryqpqg nieder-
geschlagen, wehmütig hinzu; auch Amasaeus, der Übersetzer des Pausanias, gibt das
Ö£daxQv/i£v?]v einfach mit lacrimantem. Dasselbe wird Plinius (vielleicht schon seine
Quelle) getan haben. So verwandeln sich die „weinenden Matronen" einfach in Frauen
ernstwehmütigen Ausdrucks. In jener Zeit des 4. Jahrh. aber, wo man nach psychologischem
Interesse und Hervortreten des Seelenlebens strebte, mochte überhaupt für Porträts ältrer
Matronen ein solcher wehmütiger Ausdruck üblich sein, verbunden etwa mit einer typischen
Bewegung, wie dem Nähern einer Hand gegen das Kinn u. dgl. Namentlich mußten
Statuen sepulkraler Verwendung zu solchen Motiven einladen. Eine derartige Kompo-
sition ist uns ja nach der wahrscheinlichsten Annahme in den bekannten sog. Penelope-
Statuen erhalten; sie könnte in obigem Sinne recht wohl flens matrona heißen. — Voll-
kommen willkürlich ist Urlichs Ansicht (Chrest. Plin. S. 331), Hekuba mit Trojanerinnen
seien unter den flentes matronae gemeint.
1 Diese Unterscheidung wie so vieles andere in dieser Schrift Verwertete verdanke
ich meinem verehrten Lehrer Heinrich Brunn.
Der Dt jeher und der Knabe mit der Gans.
bei Plinius. die Opfernden und Betenden, die wehmütigen Frauen usw. für Porträts
weniger bedeutender Persönlichkeiten passend an.
Trotz dieser beträchtlichen Säuberung im Gebiete des alten Genres, die uns
befähigt, die historische Untersuchung über dasselbe aufzunehmen, bleibt
dennoch viel Unklares und Unsicheres zurück, das ich im Folgenden jedoch den
Anmerkungen überlassen werde.
Sehen wir nun zunächst, was uns aus der archaischen Periode vor Phidias
von statuarischen Werken überliefert ist. Es ist wenig, ja streng genommen nichts,
da überall bestimmte Beziehungen dem anscheinend Genrehaften zu Grunde liegen.
verhält es sich mit den bei Plinius erwähnten celetizontes pueri, den Knaben
auf Rennpferden von Kanachos und von Hegesias, die wir nach der Notiz
des Pausanias (VI, 12, 1) über zwei ebensolche Knaben von Kaiamis in Olympia
für Siegesweihgeschenke halten müssen, die unserm oben gewählten Beispiel
vom Jockey auf dem Rennpferd vollkommen analog sind. Überhaupt war es
29 Sitte jener naiv frommen Zeit, denjenigen Gegenstand, der einem am liebsten
und wertesten und durch den man seine Erfolge und Siege errungen hatte, den
Göttern im Abbilde zu weihen. So weiht in dieser Zeit ein reicher Soldat zwei
Rosse mit ihren Lenkern nach Olympia, die Tarentiner weihen Pferde und kriegs-
mgene Frauen wegen eines Sieges über ihre Nachbarn, die Athener ein Vier-
gespann auf die Akropolis wegen eines Sieges über die Böoter. (Vgl. [Paus. V,
27, 2. X, 10, 6. I, 28, 2] ; zu dieser Sitte überhaupt Schümann, Griechische Altertümer
II, 190.) Solche Zwei- und Viergespanne werden aus dieser und der folgenden
Zeit überhaupt oft erwähnt; die meisten haben wir uns motiviert zu denken durch
Siege im Wagenwettrennen an den großen Festspielen; da dabei nur ein Lenker
(der mit dem Besitzer meist nicht identisch war) auf dem Wagen dargestellt war, so
bezeichnet sie uns Plinius kurz und allgemein mit quadrigae bigaeque.1 Verwandt
ist der Gebrauch, nach dem Siege über verheerende Feinde eherne Kühe oder
Stiere zu weihen als Symbole des wiederbefreiten Acker- oder Weidelandes; zu
er Gattung gehörte auch die berühmte Kuh des Myron, die also auch kein Genre-
stück im strengen Sinne war.- Etwas andrer Art ist der Chor betender Knaben in
1 Plinius nennt sie uns von: Kaiamis (auf eine seiner Quadrigen setzte Praxiteles
einen neuen Lenker), von Aristides, Schüler des Polyklet, von Kuphranor, Lysipp (34, 64
Ingac multorum generum, also nicht bloß solche auf das Wettrennen bezügliche),
und thykrates; Piston und Tisikrates arbeiten zusammen ein Zweigespann mit
• ;if wohl die Besitzerin); Aristodem macht (34, 8(5) bigas cum auriga,
der hier tx .v.llint, aber auch sonst vorauszusetzen ist; Monogenes endlich
nbekannt) quadrigis speetatur (31, 88).
Heibig l S. O. 306 ff. trefflich nachweist. Daselbst sind auch die übrigen
ilirt; hinzuzufügen wäre etwa als interessant das ßolitöv u %oXkoSv
der Hetäre Kottina in Lakedämon, worüber Polemon bei Athenaeus 13,
fitet.
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 77
Olympia von Kaiamis; aber auch er mit ganz bestimmter Beziehung: die Akra-
gantiner weihten ihn wegen eines Sieges und wie ja die Siegesgesänge oft von
Knabenchören ausgeführt werden mochten, so wird hier der Dank für den Sieg von
der reinen Jugend der Gottheit dargebracht. — Von ähnlichem Charakter war ein
Werk, das Themistokles um dieselbe Zeit (ungefähr um die Mitte der 70 er Olym-
piaden) weihte: eine Hydrophore, ein Mädchen, das Wasser holt, also ein Bild
aus dem Alltagsleben. Die Statue wurde jedoch aus Strafgeldern für Mißbrauch der
Brunnen bestritten und war also in sinniger Weise, die wir einem individuellen
geistreichen Gedanken des Themistokles zuschreiben dürfen, zugleich ein Bild 30
der richtigen Benützung der Quelle und so die beste Strafe für diejenigen, die
ihr das Wasser unrechtmäßig entzogen hatten.1
Die Art, wie man damals mythologische Gegenstände behandelte, versinn-
lichen uns die äginetischen Giebelgruppen: Die individuelle Charakteristik ist
noch in ihren ersten Anfängen und man stellt fast nur das Gerüste, das all-
gemeine Schema der Handlung des Kampfes um die Leiche dar.3
Von der monumentalen Malerei dieser Periode, die Tempel und Hallen mit
mythologischen Darstellungen von hoher geistiger Bedeutung schmückte, ist uns
begreiflicherweise nichts hierher Gehöriges bekannt. Dagegen bildet die Dar-
stellung des Alltagslebens auf den dekorativen Malereien der Vasen trotz der
steigenden Bedeutung des Mythischen immer einen sehr beliebten Gegenstand.
Die Gefäße mit schwarzen Figuren, obwohl meist Nachahmungen aus späterer
Zeit, gehen doch auf Originale der archaischen Periode zurück und bieten uns
eine Fülle von Beispielen. Der Krieg bildet den Hauptgegenstand: wir sehen
die Waffenrüstung, das Anschirren der Rosse an den Streitwagen, dann den
Auszug — in allem äußern Pomp und ohne Zeichen tieferen Gefühls — , endlich
unzählige Kampfszenen. Ferner sind die Jagd und ebenso die agonistischen
Kampfspiele sehr beliebter Gegenstand. In Tanz und Spiel erholt man sich
dann. Aber auch das Leben der Mädchen bleibt nicht unbeachtet, doch stellt
man sie vorerst fast nur in Szenen dar, wo sie sich außer dem Hause zeigten,
also namentlich beim Wasserholen, mitunter auch beim Pflücken des Obstes.
Häufig sind ferner auch Hochzeitszüge, wo Braut und Bräutigam feierlich zu
1 Obwohl Overbeck Plastik I2, 330 den Knaben des Lykios das älteste plastische
Genrebild nennt, erwähnt er doch S. 119 unser Werk als das erste Gattungsbild und die
erste Statue aus menschlichem Kreise, die nicht Porträt war. (Indes jene Werke des
Dionysios, Ageladas, Kanachos usf. sind mindestens gleichzeitig.) — Wollte jemand hinter
unsrer Hydrophore etwa eine Nymphe suchen, so wäre einerseits die Nichterwähnung bei
Plutarch sehr auffällig, andrerseits konnte man kaum eine Wasser spendende Nymphe
als Wasser tragende, d. h. holende bezeichnen (man vgl. Damophons Nymphendarstellung
Paus. VIII, 31, 4).
2 [Ägina, Das Heiligtum der Aphaia S. 310]. Ohne bestimmte Kennzeichen war
auch die wahrscheinlich archaische Eberjagd bei Paus. I, 27, 6.
Der D< eher und der Knabe mit der Gans.
31 Wagen fahren, begleitet von denjenigen Göttern, die den Ehesegen hauptsächlich
üngen. Die Totenklage endlich bleibt bei den höchst wertvollen attischen
i der Hauptgegenstand. - - An jene ältesten homerischen Darstellungen
nnern uns einige wenige Bilder aus dem ländlichen Leben der Gutsbesitzer.1
Wir sehen pflügen und säen, sowie das Sammeln der Oliven, die ja ein Haupt-
renstand namentlich des attischen Landbaus waren. Auch Kaufleute und
Handwerker finden sich einige. Wir werden derartigem aus den ländlichen und
niederen Kreisen in der Kunst der folgenden Blüteperiode nirgends mehr begegnen,
bis es später, aber in ganz verändertem Charakter, sich wieder zeigen wird.
Gemeinsam ist all den Darstellungen dieser Zeit, daß sie nur nach möglichster
Klarheit des dargestellten Faktums streben: überall sucht man nur den treffendsten,
einfachsten Ausdruck der Handlung, überall ist der Vorgang nur in seiner ganz
äußerlichen Erscheinung gefaßt, ohne jede Spureines Strebens nach inner-
licher Vertiefung.
Wir treten nun in die eigentliche Blüteperiode griechischer Kunst und be-
trachten zuerst die plastische Genrebildnerei von den Zeiten des Phidias bis
zu denen Alexanders d. Gr.
Die hohe, vorzugsweise religiöse Richtung des Phidias, welche vor allem
nach bedeutendem Inhalt strebte, konnte das Genre nicht aufkommen lassen.
So finden wir denn auch weder unter seinen Werken, noch unter denen seiner
Schüler etwas hierher Gehöriges.- Anders ist es mit der neben Phidias blühenden
Schule des Myron: ihr Hauptziel war möglichst lebendiges Erfassen des Momentes
einer Handlung, weshalb die Rücksicht auf geistige Bedeutung des Inhalts zurück-
treten mußte: eine beliebige Handlung des Alltagslebens, falls sie nur Gelegenheit
bot, jene Lebendigkeit der momentanen Bewegung des Körpers auf Ein Ziel hin
zu zeigen, mußte ihr nicht minder willkommen sein, als etwas mythisch und
religiös Bedeutendes. Von Myron selbst zwar wissen wir leider nichts Gewisses3
1 Gesammelt von O.Jahn, Berichte der sächsischen Gesellsch. 1867, S. 75 ff.
1 Von einem idcvfievoc trp> xecpaXijv scheint Pausanias selbst (VI, 4, 5) den
eil nicht gewufit zu haben; doch bezeichnet er ihn indirekt als Porträt, indem er
er kenne sonst kein Porträt von Phidias — wieder ein Beweis, daß dergleichen
Motive in der Regel dem Portratfache angehörten.
1 Zwax Ist bei Plinius überliefert, daß Myron „pristas" gemacht habe, die, wie man
mit ] (Arch. Ztg. 1865, S. 91) annehmen muß, nur als „Säger" gedeutet werden
nen; aber das Werk stünde so vereinzelt da, daß doch ein Irrtum bei Plinius ob-
walten könnte. Indes unmöglich scheinen mir die Säger nicht; nur muß man sie sich
: in jener Zeit als Anathem denken, etwa an Athena Krgane, die ja auch das
adwerk beschützte. Auch daß die Darstellung einem so niedern Kreise
dürfte im Hinblick auf des Styppax und Lykios I-'cueranblascr — eine
ah* rtigung - kaum mit Recht eingewendet werden. Die Möglich-
icidung müssen wir jedoch noch von der Zukunft erwarten.
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 79
in dieser Beziehung, aber von seinem Schüler und Sohn Lykios kennen wir
ein sehr charakteristisches Werk; es ist die Statue eines Knaben, der erlöschendes
Feuer anbläst: es war wahrscheinlich Feuer zum Räuchern,1 also offenbar ein
Weihgeschenk an irgend eine Gottheit. Alles Interesse des Werkes lag, wie bei
seinem Vater („dignum praeceptore" nennt es Plinius) in dem einen scharf ge-
faßten Momente der Handlung, dem Anblasen des Feuers.2 Eine weniger klare
Vorstellung haben wir von einem zweiten Werke3 des Lykios: ein Knabe, der
ein Weihwasserbecken trägt. Das eigentliche künstlerische Motiv gibt uns leider
Pausanias, wie gewöhnlich, nicht an; doch wird sich Lykios gewiß nicht mit
einem passiven, ruhigen Halten des Beckens begnügt haben. Noch sichrer aber
dürfen wir, sagen, daß der Reiz der Statue nicht „in naiver Frömmigkeit" und
„Darstellung der gemütlichen Erregung" (Overbeck Plastik I2, 329) beruhte, denn
dies ließe sich nimmermehr mit dem Wesen Myronischer Schule vereinen. Auch
hier muß die Darstellung der, wenn auch ruhigeren Handlung selbst, ohne alle
Nebenreize Ziel gewesen sein. Jenem ersten Werke des Lykios sehr verwandt
war ein anderes des Styppax, den wir deshalb gern mit der Myronischen Schule
verbinden; es ist der sogenannte splanchnoptes, ein wahrscheinlich jugendlicher4
Sklave, der das Opferfeuer, an dem er Eingeweide zu rösten im Begriff war,
mit vollen Backen anblies. Zwar stellte derselbe einen bestimmten Lieblings-
sklaven des Perikles dar, doch mochte dies nur die Veranlassung und Bestimmung
des Werks abgeben, und das Interesse bestand jedenfalls nur in der lebendigen 33
Darstellung jener Handlung. — Einen bestimmten, und zwar religiösen Zweck
hatten aber wohl alle obigen Werke, indes die kühnen Vermutungen, durch welche
man vielfach jene Zwecke genau fixieren wollte, entbehren der überzeugenden
Begründung. Uns genügt es, daß wir mit Grund annehmen können, jene Werke
1 Sofern wir nämlich, was das wahrscheinlichste ist, bei Plin. 34, 79 den suffitor
mit dem sufflans languidos ignes identifizieren.
3 Die Vermutung Blümners (Arch. Ztg. 1870, S. 55), daß der Phrixos bei Paus. I, 24,
2, der sich auch sonst schon manches hat gefallen lassen müssen (s. Anm. 1 S. 81) mit
dem puer sufflans languidos ignes bei Plinius identisch, ja mit den darauf genannten
Argonauten zu einer Gruppe verbunden gewesen sei, ist gewiß eine sehr unglückliche
zu nennen. Phrixos Stellung braucht keineswegs unbelebt gewesen zu sein; das Feuer
aber selbst anzublasen, wäre für die Statue eines Heros jedenfalls unpassend, wo nicht
unmöglich. Mit welchem Rechte aber nimmt Bl. an, Pausanias habe das Werk nur flüchtig
betrachtet? Pausanias, der an dieser Stelle es sogar der Mühe wert hält, eine eigene Ver-
mutung über den Gott, dem wohl Phrixos opfern möge, auszusprechen! Und Pausanias
soll dergestalt blind gewesen sein, daß er von einem Menschen, der erlöschendes Feuer
anbläst, habe sagen können: er schaut auf die brennenden Schenkelstücke, die er eben
ausgeschnitten! — Die Idee einer Gruppe des opfernden Phrixos mit den Argonauten
entbehrt natürlich ebenso jeglichen Anhalts, wie sie innerlich unwahrscheinlich ist.
3 In der Scheidung der beiden Werke stimme ich Overbeck, Plastik I2, 393 A. 88 bei.
4 Ihn für einen Mann zu halten, weil er nicht puer genannt wird, sehe ich keinen
Grund ein; das carus Pericli scheint eher auf jugendliches Alter zu deuten.
Der Dornaushbher und der Knabk mit der Gans.
tlles Weihgeschenke an bestimmte Gottheiten gewesen; also nicht etwa
für private Dekoration gearbeitet, was mit dem durchaus öffentlichen Charakter
•hon Kunst jener Zeit in Widerspruch stände. - - Die Vorliebe dieser
gerade für Knabenstatuen bestätigt die Nachricht von einem sehr schönen
Knaben des Strongylion, von dem wir aber gar nicht wissen, ob er überhaupt
ein Genrestück war. Die bei Plinius erwähnte Statue eines „Verwundeten" von
Kresilas war wieder, wie bei Plinius so oft, höchst wahrscheinlich ein Porträt und
II wohl das des Feldherrn Diitrephes, der von Pfeilen verwundet dargestellt war.1
Hiner anderen Entwicklung des Genres begegnen wir um dieselbe Zeit in der
Peloponnes: es ist Polyklet selbst, das Haupt der argivischen Schule, der dem
Genre neue Bahnen bricht. Zwar das eine der betreffenden Werke, zwei Kane-
phoren, entspricht noch ganz jener attischen Richtung des Myron usw. Kane-
phoren nämlich, d. h. Mädchen, die im Dienste der Gottheit Körbchen auf dem
Kopfe trugen, spielten nicht nur in Athen, sondern auch im argivischen Hera-
kultus eine Rolle. Das Werk war also wahrscheinlich auch ein Weihgeschenk
und zwar an die Landesgöttin Hera. Anders ist es mit der Gruppe zweier
Knaben, die Knöchel spielen. Auch diese für ein Anathem zu halten, ist gar
kein Grund vorhanden, sie waren vielmehr offenbar rein ihrer selbst willen ge-
arbeitet. Ein Kennerurteil, das uns Plinius mitteilt,2 hielt sie für das vollendetste
34 Werk, das überhaupt existierte. Und warum? — Ganz gewiß nicht etwa wegen
der kindlich naiven Stimmung, die wir so gern hineindenken --es waren ja auch
pueri und keine Kinder — , gewiß nicht wegen des psychologischen Ausdrucks,
denn sonst müßten wir Polyklet schlecht kennen; sondern rein wegen der for-
malen Vollendung. Darauf allein kam es Polyklet an. Wir können uns nun
zwar bei den sehr verschiedenen Arten des Knöchelspiels im Altertum durchaus
keine bestimmte Vorstellung von Haltung und Motiv der Knaben machen; doch
dürfen wir aus der Richtung Polyklets schließen, daß im Gegensatz zu jenen
Myronischen Werken das Interesse der Gruppe im lebendigen Momente der
Handlung nicht bestand, wohl aber in der harmonisch abgemessenen Linien-
führung des Ganzen und der schönen Durchbildung des Einzelnen. Das jugend-
liche Knabenalter, für das Polyklet eine besondere Vorliebe hatte, wählte er auch
hier nicht etwa seines unschuldigen Charakters wegen, sondern weil dies Alter
der maßvoll frischen Schönheit seinem Zwecke das günstigste war.
1 Jedenfalls i^t es o;inz unmöglich, mit Overbeck (Plastik I2, 333) an das monu-
mentale statuarische Genrebild eines sterbenden Verwundeten zu denken. Die frühere
mtmuig, daü er mit dem Diitrephes identisch, laßt sich durch verschiedne Punkte be-
In jedem Falle aber war das Werk ein Porträt. [Furtwängler, Meisterwerke
La Chroniqne des Arts 1905, S. 195].
.plerlque' urteilten so; Overbeck, Plastik I2, 345 scheint das — auch nicht
ritlich*, sondern bei der Behandlung Polyklets vorgetragene — Urteil dem Plinius
selbM zuz
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 81
Daß gerade Polyklet den für die Entwicklung des monumentalen Genres so
bedeutsamen Schritt tat, der dasselbe aus den Fesseln befreite, die ihm die Be-
stimmung für die Öffentlichkeit und als Weihgeschenk an die Götter bisher auf-
erlegt hatte, und der ihm eine Fülle von neuen Stoffen zuführte — daß dieser
Schritt gerade durch Polyklet geschah, darf uns nicht länger wundern, wenn wir
bedenken, daß schon damals die argivische Kunst einen ungleich privateren
Charakter trug als die attische (vgl. Brunn, Künstlergesch. I, 310); die großen
monumentalen, öffentlichen Aufgaben waren verhältnismäßig selten, so daß die
Porträts der Athleten und dergleichen Hauptgegenstand waren; natürlich wurden
die Künstler daher viel leichter durch private und subjektive Neigungen in der
Wahl ihrer Gegenstände bestimmt. Dazu kommt aber ferner jener alte Gegensatz 35
peloponnesischer und attischer Schule, der in Polyklet und Phidias gipfelt und
der die Behandlung der Form nicht minder, als die des Inhalts überall bestimmend
durchdringt: der Attiker überall das Leben von innen heraus erfassend, überall
nach Ausdruck eines bedeutenden Inhalts strebend — dagegen der Peloponnesier
nach einem abstrakten, fast mathematischen Schema das formal Vollkommene
suchend, indem Handlung und Inhalt weit zurücktreten: ein Polyklet konnte als
das Beste seines Schaffens einen „Kanon" hinterlassen - - für Phidias undenkbar.
Bei Polyklet begreifen wir es daher am leichtesten, wenn er zuerst in jenen
spielenden Knaben ein Werk liefert, das, nur der formalen Vollendung wegen
geschaffen, seine Berechtigung und Bestimmung auch nur in sich trägt.
Leider können wir die Genrebildnerei in der Polykletischen Schule aus Mangel
an Nachrichten nicht weiter verfolgen. Denn das einzige, was man hieher zählen
könnte, ist der Widderopferer des Naukydes, der aber allen Analogien nach zu
jenen oben besprochenen Porträtstatuen von Opfernden gehörte.1
Um das Ende des fünften Jahrhunderts geht eine gewaltige Umwand-
lung im griechischen Geistesleben vor sich, die nicht nur auf die Literatur,
1 Die Unwahrscheinlichkeit des Bezuges einer Inschrift hierauf (s. Overbeck SQ. S98
[I. G. II, 1624]) hat Stephani (CR. 1866, S. 140; 1869, S. 112) gezeigt. Aber auch sonst ist
die gewöhnliche Identifizierung mit dem von Pausanias gesehenen Phrixos (die Overbeck,
Plastik I2, 357 als vollkommen sicher annimmt) schlecht begründet, indem es zunächst schon
sehr auffallend wäre, wenn ein Genosse Polyklets auf die Akropolis in Athen gearbeitet und
Pausanias dies nicht einmal erwähnt haben sollte. Ferner aber kann die Annahme zu ergän-
zender mythologischer Namen bei Plinius nur mit größter Vorsicht geschehen; die nächste
Analogie und genügende Erklärung bieten aber jene sacrificantes-Porträts. Endlich ist noch
zu beachten, daß ein ebenfalls peloponnesischer Zeitgenosse des Naukydes, nämlich Pa-
trokles unter den Darstellern von sacrificantes genannt wird. Ganz analog ist der buthytes
(34, 78) des sonst unbekannten Isidot: wie bei dem Werke des Naukydes ist nur das
Motiv einer Priesterstatue zu erkennen. Dafür daß Plinius neben den allgemeinen Rubriken
von Porträtstatuen auch Einzelwerke derselben Rubriken mit genauerer Bezeichnung des
Motivs angibt, ist ein zweites Beispiel der „digitis computans" des Eubulides (34, 88), denn
offenbar bezeichnet er nur genauer eines der Motive der „philosophi". [Furtwängler, Glypto-
thek 297.] Dasselbe Verhältnis waltet zwischen einem „destringens se" und den „athletae" ob.
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. 6
Der Dornausziehbr und der Knabe mit der Gans.
sondern namentlich auch auf die Kunst den größten Einfluß hatte. Wir können
den wesentlichsten Punkt kurz so bezeichnen: das Innenleben der Seele in
danke und Gefühl ringt überall nach Ausdruck. Für die Kunst hatte dies die
wichtige Folge, daß, indem man vor allem die allgemein menschlichen Affekte,
wie Schmerz, Lust, Liebe und dergleichen zur Darstellung zu bringen suchte,
der Ausdruck des individuell persönlichen Grundcharakters zurücktrat vor dem
36 einer allgemein menschlichen Situation und Empfindung. Demnach mußte auch
das Mythologische dem Genre bedeutend näher treten. Das alles ist nun schon
bei den beiden Häuptern der neuen Periode, bei Skopas und Praxiteles in
hohem Grade der Fall. Dionysos und Aphrodite, die Götter der menschlichsten
Empfindungen, werden Hauptgegenstand; doch damit sich nicht begnügend, stellt
man eine ganze, viel abgestufte Skala von Affekten in der Umgebung und den
Begleitern jener Götter dar: in Eros, Pothos und Himeros, Peitho und Paregoros,
in den Satyrn und Mänaden, in den Nereiden und Tritonen. Ja, die berühmte
Manade des Skopas, das Mädchen in der stürmischsten bakchischen Begeisterung,
die Satyrn, Mänaden, Thyiaden, Silene des Praxiteles 1 stehen dem Genre als
Repräsentanten der Empfindungen einer, wenn auch mythischen, Gattung sehr
nahe. Dem menschlichen Kreise sind jedoch entnommen die Karyatiden des
Praxiteles, d. h. lakonische Tänzerinnen zur Ehre der Artemis, ebenso je eine
Kanephore von Skopas und Praxiteles: solche Mädchen im heiligen Dienste
waren also damals ein beliebter Gegenstand, während Myrons Richtung die
Knaben vorgezogen hatte. Noch deutlicher tritt diese Vorliebe der Zeit für die
gefällig zarte Anmut des weiblichen Wesens in zwei Werken des Praxiteles
hervor: ein Mädchen, das einen Kranz hält2 und ein anderes, das im Begriffe
ist, sich ein Hals- oder Armband anzulegen: so verallgemeinern und erweitern
sich immer die Gegenstände des Genres, und jene Kanephoren, die nur einen
bestimmten kleinen Kreis von Individuen repräsentieren, waren nur der Übergang
zu der ganz allgemeinen Darstellung weiblichen Liebreizes.
Verwandt war die Statue eines Diadumenos, die Praxiteles auf der Akropolis
37 setzte. Sowohl der Umstand, daß uns weder von ihm noch von Skopas irgend
etwas Athletisches bekannt ist, als die Art der Beschreibung jenes Werkes zeigt,
daß hier die möglichst anmutige und sinnlich reizende Behandlung eines zarten
Sehr unwahrscheinlich ist mir, daß alle die bei Plinius 36, 23 genannten Werke
im Besitze des Asinius Pollio ursprünglich eine Gruppe gebildet haben sollten.
•w.is Mythisches anzunehmen, ist gar kein Grund vorhanden; ungleich näher
auch hier (vgl. Anm. 4 S. 83) an Grabmonumente zu denken, wo ähnliche Mo-
Ihnlich sind; indes ist auch dies nicht nötig. — Verwandter Natur müssen
von Apellas gewesen sein (denn dies, nicht adorantes ist die
i aufgenommene Lesart bei Plinius 34, 86). Wegen dieser Werke möchte
rsl von OL 1W an arbeiten lassen, als schon von ( )|. 90 (vgl. Brunn,
■ Künstl 7)\ Kyniska konnte ja die jüngere Schwester des Agesilaos sein
und nkmal 1 H nach dem Siege aufgestellt werden. [Olympia V S. 278. \
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 83
Jünglings, der sich zum Tanze anschickte und deshalb sich mit einer Binde
schmückte, Gegenstand war. Vielleicht setzte Praxiteles dieses Denkmal einem
persönlichen Lieblinge,1 wie ja auch das Bild seiner Geliebten Phryne von seiner
Hand, aber von jener selbst geweiht in Delphi2 und in Thespiä gar neben
Aphrodite im Tempel des Eros stand.3 — Ob die von Plinius erwähnten Statuen
einer weinenden Matrone und einer lachenden Buhlerin hierher gehörten, ist für
mich mehr als zweifelhaft.4
Auf der künstlerischen Gestaltung des psychologischen Ausdrucks lag jeden-
falls auch das Hauptgewicht in einem noch nicht ganz aufgeklärten Werke des
Leochares, das wahrscheinlich einen von der Komödie verspotteten Sklaven-
händler Lykiskos darstellte, der einen Knaben mit dem Ausdruck der schlausten
Verschmitztheit feilbot. Das Porträt war hier gewiß nicht der Person wegen ge-
wählt, sondern um gewisse psychologische Eigenschaften treffend auszudrücken.5
Am Ende dieser Periode steht Lysipp, der uns schon auf die folgende
vorbereitet. Ein sichres Genrebild aus dem Alltagsleben war seine „betrunkene
Flötenspielerin", eines jener Mädchen, die bei den Zechgelagen der Alten zum
musikalischen und sonstigen Vergnügen dienten.6 Also ein Werk zur Privat-
dekoration, die von nun an die Künstler hauptsächlich in Anspruch nimmt,
etwa für einen Speisesaal sehr geeignet. Das Interesse war auch hier ein vor-
wiegend psychologisches, die Wirkung des Weines und die aufgeregte Sinnlich-
keit ausgedrückt zu sehen. Dazu kam aber, ganz wie in dem Werke des Leochares,
1 Der Ausdruck i'Sovosv bei Kailistrat scheint dies zu bestätigen (vgl. Anm. 2 S. 78).
2 Pausan. X, 15, 1. — Overbeck SQ. 1269 ff.
3 Pausan. IX, 27, 5. — SQ. 1246, 1251.
4 An der Rohheit der Komposition mit Recht Anstoß nehmend, vermuteten Frie-
derichs (Praxiteles S. 56) und Heibig (Fleckeisens Jahrbücher 1867, 659 Anm.) Personi-
fikationen. Indes die ganze Gegenüberstellung ist ohne Analogie in jener Zeit und scheint
mir lediglich den Epigrammen, auf die ja die ganze Stelle mit Sicherheit weist, zu ent-
stammen, ähnlich wie dies z. B. bei dem viriliter puer und molliter juvenis des Polyklet
der Fall zu sein scheint (vgl. Dilthey im Rhein. Mus. 1871, 290). Gewiß nicht ohne Grund
war aber die Ansicht im Altertum, daß die Buhlerin Phryne sei. Dabei ist zu beachten,
daß keine der zwei in Thespiä und Delphi befindlichen Phrynestatuen bei Plinius erwähnt
wird. Die flens matrona ferner war gewiß dasselbe wie die von Sthennis, also, wie wir
oben sahen, die Statue einer wehmütigen Frau, wohl für ein Grab; daß Praxiteles eben
solche Werke machte, zeigt der Krieger neben seinem Roß als Grabmonument (ijiid>]fia
des TÜcpog nennt ihn Paus. I, 2, 3, also Statue). — Beide ursprünglich getrennten Werke
wurden dann in Epigrammen (vielleicht auch in Kopien) gern gegenübergestellt, als Typen
zweier Gegensätze.
5 Zwar müßten nach der sonstigen Aufzählungsweise des Plinius 34, 79 der mango
und der puer getrennte Werke sein wegen des ebenfalls asyndetisch vorher angeführten
Apollo diadematus; doch sachlich berechtigt ist die gewöhnliche Zusammenfassung der-
selben zu einer Gruppe; nur muß man dann entweder zu puerum ein verbindendes et
(que ac) hinzukonjizieren, oder, was mir wahrscheinlicher, eine Ungenauigkeit des Plinius
annehmen, der die Kürze seines Exzerpts beim Verarbeiten aus Flüchtigkeit mißverstand.
6 Stephan! CR. 1868 S. 82 ff.
6*
DORNAUSZIEHER UND DER KNABE MIT DER GANS.
38 d istisch Charakteristische, daß nämlich jene Wirkungen an einer solchen
niederen Person zur Darstellung kommen; unser Werk kann man daher passend
als das realistische Gegenbild von Skopas' Mänade bezeichnen. Wie sehr diese
Zeit derartige Darstellungen betrunkner Frauen liebte, und wie weit sie darin in
humoristischer Freiheit und Lebendigkeit ging, können uns einige Terrakotta-
Statuetten aus Südrußland vergegenwärtigen.1 Ferner gehört die im Altertum
berühmte Statue einer betrunknen Alten (von Plinius irrtümlich dem Myron zu-
schrieben), von der die bekannte Capitolinische und eine Münchener Statue
wahrscheinlich Nachbildungen sind, wohl auch in diese Zeit und Richtung. —
Derselben Gattung des niedrig Komischen gehörten wahrscheinlich die „comoedi"
des Chalkosthenes an, d. h. Statuen komischer Schauspieler, wenn wir nicht vor-
ziehen, auch sie als Porträts zu fassen; andernfalls würden uns auch hier zahl-
reiche Terrakotten die Behandlungsart veranschaulichen können.9
1 CR. 1869 Taf. 3, 12 ff. — Die treffliche Gruppe eines Pädagogen und seines Schutz-
befohlenen ebenda Taf. 2, 2 hat etwas dem Werke des Leochares, wie wir es uns denken,
üg Verwandtes. - Was die trunkne Alte Maronis in Smyrna betrifft, so sind Wustmanns
Ausführungen im Rhein. Mus. 1867, 22 verkehrt und gänzlich falsch. Benndorfs Be-
denken Arch. Ztg. 1868, S. 78 beruhen auf der nicht zutreffenden Vorstellung, als sei Plinius'
Fehler aus den Epigrammen selbst geflossen; diese lehren uns ja weiter nichts, als daß
man unter MaQcoyk eine berüchtigte alte Trinkerin verstand. Wie nah lag es nun, daß
der Künstler (vielleicht auch nur das Publikum) seiner Genrestatue einer betrunkenen
Alten von der Art der uns erhaltnen, jenen hiefür typischen Namen beilegte. Magoovtg
konnte also sehr wohl eine in Smyrna befindliche berühmte Statue heißen und als solche
von den Quellen des Plinius beschrieben werden. [Furtwängler, Glyptothek 437.)
s Z.B. CR. 1869 Taf. 2, 7. 8; S. 146. — Nicht ins Gebiet des Genres gehören:
Der (oder die?) adorans des Boedas, des Sohnes Lysipps; er ist wie die sacrificantes zu
beurteilen; der betende Knabe in Berlin, den man auf ihn zurückgeführt hat, gehört indes
auch nicht .dem Gebiete des rein Genrehaften" an (Overbeck, Plastik II2, 115); auch
damals erhielten ja Athletenknaben noch oft Statuen (z. B. SQ. 1518 von Daippos) und
aus I.ysippischer Zeit mag er wohl stammen. [Vgl. Furtwängler, Beilage zur Allgcm. Ztg.
S2.) - Der senex Thebanus von Tisikrates, von dem sonst nur Porträts ge-
nannt werden, war vielleicht auch eines; indes könnte man auch an Teircsias denken.
Ebensowenig ist die epithyusa des Phanis ein „Genrebild", sondern gehört in die
Klasse der opfernden Frauenporträts. [Furtwängler, Münchner Jahrb. 1907 S. 9.] — Epi-
gonus, wahrscheinlich erst aus hellenistischer Zeit, macht (Plin. 34, 88) die Erzstatue eines
Trompeters. Da nun an den großen Festspielen auch Trompeter wettkämpften, was nament-
lich von einem gewissen I lerodoros zu Ende des 4. Jahrh. berichtet wird, so konnte Epigonus'
Statue leicht das Porträt eines solchen Siegers sein. Dasselbe kann von einem Gemälde
Antidotus (Plin. 35, 130) vermutet werden, von dem außer dem tubicen noch ein
luctator und ein clipco dimicans, d. h. wohl ein Hoplitodrom genannt werden — lauter
gleichartige, auf die Wettkämpfe bezüglichen Werke. — Nach den bisherigen Analogien
ich Simons Erzwerk, ein Hund und ein Bogenschütze (Plin. 34, 90) zu beurteilen;
iicinlich gehörte der Hund zum Schützen und wir haben nur wieder eine
speziellere Angabc über einen der „venatores", also ein Porträt, aber nicht das eines
hen naturlich, sondern etwa eines Kreters oder Skythen, für welch letztere die
hen )3 so viel ti n. Dann kann aber dieser Simon mit dem alten Aginetcn
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 85
Unvermerkt sind wir so in eine ganz neue Richtung der Kunst geraten;
und wenn wir uns vorhin bei der betrunknen Flötenbläserin der Mänade des
Skopas erinnerten, so haben wir damit den ganzen großen Gegensatz bezeichnet,
der die Kunst zu Ende des vierten Jahrh. von der zu Anfang, der Lysipp von
Skopas und Praxiteles trennt. In beiden Fällen zwar haben wir das Streben
nach Ausdruck der Affekte, dort aber in der Mänade idealisiert man sie zu einem
mythischen Bilde, hier ergreift man nur die nackte, unmittelbare, niedrige Wirklich-
keit. Es ist dies jener bedeutungsvolle Gang zum Realismus, den die griechische
Kunst, wie alles Andere, mit größter Gesetzmäßigkeit und Notwendigkeit zurück-
legte: eine Richtung, die vor Allem nach Ausdruck der Affekte, der stürmisch
leidenschaftlichen, wie der ruhig anmutigen strebte, mußte dazu gelangen, die 39
zufällig momentane Erregung vor dem beständigen Grundwesen vor-
walten zu lassen. Und dies mußte dazu führen, daß man statt der Halbgötter
und Dämonen, die Praxiteles und Skopas zu ewigen, idealen Bildern der Affekte
geschaffen hatten, daß man statt ihrer ohne Umschweife an einem alltäglich
wirklichen zufälligen Moment jene Erregungen, verbunden mit individueller
Charakteristik der der Wirklichkeit entnommenen Person, darzustellen unternahm.
Daß gerade Lysipp als ein Hauptvertreter dieser neuen Richtung erscheint,
steht wieder vollkommen in Harmonie mit seinem ganzen Kunstcharakter; denn
überall, in seiner Änderung der alten Proportionen, in seiner Neuerung der Haar-
behandlung, zeigt sich sein Streben nach Ausdruck der unmittelbaren Wirklichkeit.
Ja es steht damit in engster Verbindung eine neue Art der geistigen Auffassung
mythischer Gegenstände, die für unsere Betrachtung des Genres von höchster
Wichtigkeit ist. Denn überallhin verbreitet sich jetzt durch das Streben nach
momentaner Wirklichkeit eine Auffassung, die man am besten als genrehaft be-
zeichnet, da sie weniger auf die Darstellung des individuellen Wesens der
mythischen Person, als auf die einer allgemein reizenden Situation zielt.
gleichen Namens nicht identisch sein. Was das bei Plinius folgende „scopas uterque"
betrifft, so sind die beiden bisherigen Erklärungen nicht stichhaltig: das Unbegründete
der weit geholten Deutung von scopas als Satyrn in tanzender Bewegung wurde schon
von andrer Seite bemerkt; noch weniger kann aber die von einigen angenommene Kon-
jektur copas zugegeben werden; man stellte sich darunter schmucke Kellnerinnen vor,
die nicht nur Stratonikos, sondern in merkwürdiger Übereinstimmung auch der ebenfalls
mit S beginnende Simon reihenweise fabriziert haben soll! Solches konnte man dem
antiken Genre zutrauen! — Überdies ist copae ein ganz römisches Wort wie Begriff,
für den das griechische Original, das aber schwerlich existiert, erst nachgewiesen werden
müßte. — Offenbar steckt die Korruptel in uterque; Scopas der Künstlername, der ja in
die alphabetische Aufzählung trefflich paßt, ist beizubehalten; man könnte zwar den be-
rühmten Marmorkünstler näher bezeichnet wünschen, aber notwendig ist bei der inkonse-
quenten Art eines Kompilators wie Plinius ein solcher Zusatz nicht. Da in diesem alpha-
betischen Kataloge immer der Künstlername vor das Werk gesetzt wird, so vermute ich
in uterque eine von Skopas gebildete Gattung von Gegenständen. Ist utrarios zu lesen?
d. h. Schlauchträger, äoxoqooovg, Satyrn oder Silene mit Schlauch, wie wir sie aus Monu-
menten der jüngern Attischen Schule so zahlreich kennen? —
s. Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans.
L'm dies zu würdigen, werfen wir einen Blick zurück auf die Entwicklung
Einzelstatue der Götter: Phidias stellte den Gott ausschließlich in seinem
allgemeinen abstrakten Grundwesen dar; so gab er in dem Olympischen Zeus
und der Athenischen Parthenos, die wir näher kennen, nichts als den vollen Be-
griff dieser Gottheiten, in abstrakter Ruhe gefaßt. Denn freilich kann Zeus auch
zornig und mild, kriegerisch und verliebt sein, aber all dies gehört nicht zu
seinem Wesen als König und Vater der Götter und Menschen, und den allein
40 zeigt uns Phidias. Hierauf tragen nun Skopas und Praxiteles jene seelischen
Krregungen auf, die einen momentanen Zustand voraussetzen, der sich also auch
verändern kann. Aber - was sehr wichtig ist — man beschränkte sich dabei
auf diejenigen Gestalten, zu deren Wesen und Begriff eben solche Erregungen
gehören: also die Götter der Liebe oder des bakchischen Genusses oder des
ewig erregten begehrenden Meeres. Auch bei der Demeter z. B., deren Ideal
wir dieser Zeit verdanken, liegt der sehnsüchtig wehmutsvolle Zug tief im Wesen
der verlassnen Witwe, die ihr einzig Kind verloren, begründet. Daher finden
wir denn auch jetzt jene abstrakte Ruhe des ewig seienden Gottes noch mög-
lichst gewahrt. So, um Bestimmtes zunächst von Praxiteles anzuführen, kennen
wir von ihm eine Artemis, in der Rechten die Fackel, auf dem Rücken den Köcher,
zur Seite einen Hund (Paus. X, 37, 1); ebenso einen Dionysos, der sich auf den
Thyrsos stützt, mit zartem Lächeln und leuchtendem Auge (Kallistr. 8); der Eros
in Parion sowohl, wie der von Kallistratus beschriebne (Stat. 3) zeigten den
Gott in zarter Erregung, und ebenso wenig von einer bestimmten realen Handlung
hat der bekannte Eros von Centocelle, an dem man mit Recht praxitelische
Richtung erkennt: in ruhiger Haltung spricht er sein inneres Wesen aus durch
den liebeentzündenden Blick [unten S. 126; Furtwängler, Meisterwerke S. 539f. 569];
vortrefflich fügt sich in diesen Kreis auch der an einem Baumstamm lehnende Satyr
in seiner schalkhaft anmutigen Sinnlichkeit, den wir in so vielen Repliken be-
sitzen;1 nicht minder der wohl mit größerm Rechte für Praxitelisch gehaltne
ruhig stehende Satyr, der Wein in eine Schale gießt (Denkm. a. K. II, 459; vgl.
Stephani CR. 1868, S. 106 ff.; [Furtwängler, Meisterwerke S. 534]). Vor Allem
bezeichnend ist aber das berühmteste Werk des Praxiteles, die Knidische
Aphrodite: wir würden sehr fehl gehen, wenn wir auch hier, unsrer modernen
jung folgend, ■ eine bestimmte Szene und Handlung, das Bad der Aphro-
1 Wenn Stephani neuerdings (CR. 1870/71, S. 99; vgl. Mclanges Grcco-Romains
III, mit Zuversicht behauptet, er sei nur eine statuarische Nachbildung des Ge-
mäldes des Protogenes, so ist das recht wohl möglich, indem das Motiv desselben jeden-
lall iinlich war. Auch daß noch Protogenes in wesentlich praxitelischem Geiste
chaffen habe, wäre in dieser Zeit der Übergänge und der sich durch-
kreuzenden Richtungen nichts Auffallendes [Furtwängler, Glyptothek 229.]
1 Wie stark die Neigung, die Idealität antiker Statuen in momentane Situation auf-
leidcr oft noch i I z. B, die Auseinandersetzung über die „Idee" der
rbeck, Plastik [•, 225.
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 87
dite dargestellt sehen wollten; ja der Künstler hat, eben um dies zu verhüten,
es mit feiner Berechnung in der Schwebe gelassen, ob die Göttin das Gewand,
das sie in der Linken hält, von der Vase aufzieht oder ob sie es fallen läßt, und
es war sehr verkehrt, wenn man sich oft darum gestritten hat, welches von beiden
der Fall sei. Nicht eine bestimmte Badeszene wollte der Künstler geben, sondern
das ganze Wesen der Liebesgöttin: einerseits dies schamhafte Sichzurückziehen
in sich selbst, andrerseits das sehnsüchtig liebende Verlangen; das Gewand kann
die Göttin jeden Augenblick an sich ziehen, um ihre Schamhaftigkeit zu bewahren,
sie kann es fallen lassen, um in ganzem Glänze als echte Göttin der Schönheit
dazustehen. Sehr bezeichnend ist aber, daß fast alle späteren Nachbildungen
eine momentanere Fassung hereintragen [Furtwängler, Glyptothek 258]. Ganz
denselben Fall beobachten wir an der Aphrodite Anadyomene des Apelles.
Auch sie war, nach den Resultaten der neuesten Untersuchungen,1 nicht etwa
in der Handlung des Aufsteigens aus dem Meere begriffen dargestellt, sondern,
bereits am Lande, ruhig stehend drückt sie den Schaum des Meeres aus den
Locken, — ein Motiv, das die Hauptsache, den Ausdruck des Wesens der Göttin
in dem „nodos" dem Liebesverlangen der Augen, nicht beeinträchtigen konnte.
Aber auch hier bringen weitaus die meisten späteren Nachbildungen eigentliche
Aktion herein, indem sie eine sich putzende, schmückende, frisierende Frau, also
ein Genrestück daraus machen. — Scheinbar widersprechend unsern Aussprüchen
ist der Sauroktonos des Praxiteles, jene jugendliche Apollostatue, deren ganzes
Interesse in der graziös anmutigen Handlung des Gottes, der eine Eidechse auf-
spießen will, beruht: aber diese Handlung ist keine willkürlich gewählte, sondern
in ihr findet eben das mythische Wesen des Sauroktonos allein seinen Ausdruck; 42
denn kennen wir auch ihre Bedeutung noch nicht, so war sie doch gewiß durch
Kultusanschauungen bedingt. Ebenso ist es zu fassen, wenn man schon in
archaischer Zeit (Menaichmos und Soidas) Artemis in der Handlung des Jagens
darstellte, denn diese spricht eben das Wesen der Göttin aus.
Um nun gleich den Gegensatz jener oben bezeichneten neuen Entwicklung
zu bringen: die sog. Artemis von Gabii! sie heftet sich das Gewand auf der
Schulter fest, gewiß ein reizendes Motiv, aber offenbar für jedes andere Wesen
ebenso passend als für Artemis (gleichwohl ist die Bezeichnung Atalante eine
willkürliche). [Vgl. Furtwängler, Meisterwerke S. 554. 635.] Ähnlich ist es, wenn
sich Apoll mit einer Tänie das Haar aufbindet.2 Dieses Streben nach einer all-
gemein menschlichen, künstlerisch interessanten Situation und Aktion tritt ferner
1 Von Stephani im CR. 1870/71, S. 69 ff. [Furtwängler, Helbings Monatsber. über
Kunstwiss. I S. 177].
2 Paus. I, 8, 4. Nicht unmöglich wäre, was Overbeck, SQ. 1306 vermutet, daß er
mit dem Apollo diadematus (Plin.) des Leochares identisch; eine Hinneigung zu Lysip-
pischer Auffassung scheint im „mango" vorzuliegen, auch arbeiteten beide Künstler zu-
sammen gemeinsam (an der Alexanderjagd).
ss DORNAUS2IEHEP UND DER KNABE MIT DER GANS.
sehr deutlich bervoi an dem sog. Jason, d. h. dem Hermes, der, einen Fuß auf
rfaöhung stellend, sich die Sandale auszieht [Furtwängler, Glyptothek 287]:
estimmtes für den Götterboten alltägliches Motiv bildet den Inhalt,
nicht sein inneres Wesen (wie etwa beim vatikanischen Hermes-Antinous). Die-
selbe Veriußerlichung erleidet aber auch Eros, indem mau ihn jetzt im Gegen-
eu dem handlungslosen Praxitelischen, in der lebhaften Situation des Bogen-
spannens darstellt. • Diese Umwandlung in der statuarischen Kunst ging um
die Zeit Alexanders vor sich und als ihr Hauptbegründer muß Lysipp erscheinen,
dessen Hinflüsse auch in den beiden zuletzt genannten Werken deutlich sind. Ging
doch das ganze Streben des Lysipp nach momentaner Fassung der statuarischen
Komposition: deshalb gab er seinen Werken, im Gegensatze zu der früheren
sicheren Ruhe, jene eigentümliche Unruhe und schwankende Beweglichkeit, jene
momentane Stellung, die sich jeden Augenblick ändern kann und die wir an
seinem Apoxyomenos bewundern, wie auch an andern unter seinem Einflüsse
stehenden Werken.1 Man kann diese interessante Umwandlung, die die
mythischen Gegenstände dem Genre so nahe bringt, noch an manchen andern Sta-
tuen verfolgen, wie z. B. am sog. Barberinischen Faun, dem betrunken schlafenden
Satyrn im Gegensatze zu dem oben erwähnten ruhigen, oder an den zahlreichen
Aphroditen, die die Göttin im Bade und bei der Toilette zeigen oder an den
uns überkommenen Amazonenstatuen, wo wir an einer auf den Knieen liegenden,
den Sieger leidenschaftlich anflehenden Amazone (Mon. d. Inst. IX, 37), einem
Werke voll momentanster Handlung, einen sprechenden Gegensatz haben zu
jenen bekannten, den älteren Schulen des Polyklet und Phidias angehörenden
Statuen, bei denen von einer Handlung kaum die Rede sein kann, wo alles
Gewicht im Ausdruck des Grundwesens liegt. Doch wir dürfen bei diesen Fragen,
so interessant sie sind, nicht allzulange verweilen.
Kehren wir daher zu unserm Ausgangspunkte, der trunknen Flötenspielerin
des Lysipp zurück, so reiht sich nun diese neue Erscheinung vollkommen be-
gründet, ja mit einer gewissen Notwendigkeit in den Gang der gesamten Kunst
ein. Denn auch hier begegnen wir im Vergleich zu den früheren Leistungen
ires einem Herabsinken zum zufällig Wirklichen, Momentanen: hatte näm-
lich Myrons Schule gewisse Bewegungen und Handlungen zu Idealen
.halfen (ohne Rücksicht auf Charakterisierung der ausführenden Person nur
die Handlung selbst darstellend), hatten Polyklet und dann in verwandter Weise
Praxiteles die allgemein menschliche Schönheit, die männliche, wie die
' B. dem Alexander hei Clarac, Musee de sculpt. 264, 2100, dem Herakles ebenda
1968; 785, 1966; auch am bogenspannenden Eros. — Auch der ein Bein aufstellende
Alexander in München (Glypt Nr. 153 [Furtwängler, Glyptothek 298]) zeugt von dem
•jen nach momentan bewegter Fassung in Lysipplscher Weise. — Aus all diesen und
den im Texte angefahrten Tatsachen erhellt, daß ich der Behauptung E. Petersens (Pheidias
n äußerlich ruhiger gewesen als die des Praxiteles, nicht
beipflichten kann.
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 89
weibliche, an einfachen Alltagsmotiven idealisiert — so greift nun die an idealer
Kraft erlahmende Kunst des Lysippos zum Niedrigcharakteristischen und
stellt einen Einzelmoment der Wirklichkeit mit treffender Individualisierung dar, 44
aber ohne jenen allgemein menschlichen idealen Bezug. —
Trotz dieser Verschiedenheiten im Einzelnen trägt aber die ganze bisher be-
trachtete Entwicklung des Genres einen gemeinsamen Charakter gegenüber der nun
folgenden; denn hier liegt noch überall das Interesse nur in der reinen Darstel-
lung des Gegenstandes aus dem Alltagsleben. Doch wird uns dies erst klar
werden, wenn wir den Gegensatz, das hellenistische Genre betrachtet haben.
Vorerst aber haben wir uns noch in der Malerei aus der Zeit vor den Diadochen
nach den Leistungen des Genres umzusehen.1 — Nachdem die großräumige
1 Nach Analogie des bei den Bildhauern Bemerkten verweise ich, hier allerdings
mit geringerer Sicherheit, Folgendes aus dem Gebiete des Genres in das des Porträts:
zunächst die Athleten bei Plinius, von Zeuxis, Eupompos, Antidotos (vgl. Anm. 2 S. 84),
Protogenes und Tauriskos; auch die Fackelläufer in Elis von Pyrrhon gehören hieher,
von denen Antigonos der Karystier bei Diog. L. 9, 61 berichtet. Einmal nennt uns Plinius
(35, 138) ein solches Athletenporträt namentlich, nämlich den Dioxippos von Alkimachos
aus Alexanders Zeit. — Auch Priesterporträts wurden gemalt, wie wir dies von dem
Maler Ismenias bestimmt wissen. So werden wohl auch manche der bei Plinius allgemein
angeführten Priester oder Betenden Porträts gewesen sein: so der sacerdos adorans des
Apollodor, des Parrhasios sacerdos adstante puero, vielleicht auch Aristides' supplicans
paene cum voce. — Daß die anus der Jaia in grandi tabula (35, 147) ein Porträt war,
beweist der Zusammenhang (imagines mulierum = Frauenporträts wie gleich 35, 148 ima-
ginum pictores = Porträtmaler). — Eine Art von Familien- oder Geschlechter-
bilder, natürlich Porträts, scheinen folgende gewesen zu sein (vgl. Urlichs, Chrestom.
Plin. S. 353): des Pamphilos cognatio, Timomachos' cognatio nobilium, Athenions fre-
quentia quam vocavere syngenicon, Oinias' syngenicon und endlich Koinos' stemmata.
Gewiß gehörte derselben Gattung die von Pausias sowohl als von seinem Schüler Aristo-
laos (Plin. 35, 127. 137) erwähnte boum immolatio an, ein Stammes-, Geschlechts- oder
Familienopfer. Die Bezeichnung ovyysvtxöv (sc. uoöv) gibt den Gesamtinhalt, den Titel
des Bildes ohne Rücksicht auf die Darstellungsart an, „boum immolatio" das hervor-
ragendste künstlerische Motiv. Bezeichnend ist, daß gerade vorwiegend die Sikyonische
Schule, Pamphilos, Pausias, Aristolaos, solche des Schwunges und der Phantasie er-
mangelnden Werke schafft. (Auch Athenion als Schüler eines unbekannten Meisters aus
Korinth wird von der benachbarten Sikyonischen Schule beeinflußt worden sein.) — Mit
diesen Familien- oder Geschlechterbildern, die seit Mitte des 4. Jahrh., d. h. seit dem
Aufblühen der Porträtkunst, in der alten Malerei auftreten, läßt sich vielleicht nicht un-
passend der namentlich im 17. Jahrh. in den Niederlanden häufige Gebrauch vergleichen,
nach dem man sich korporationsweise porträtieren ließ, sei es nun beim Mahle oder
beim Rate oder sonst in einer der betr. Körperschaft entsprechenden Situation. — Schließ-
lich waren noch folgende Gemälde bei Plinius wahrscheinliche Porträts: der navarchus
des Parrhasios, vielleicht seine Thrakische Amme, der Tragöde des Aristides (vgl. den
Gorgosthenes des Apelles); der Greis desselben, einen Knaben in der Leier unterweisend
(vgl. des Philochares Greis mit Sohn) und der Greis der Kalypso; die amica von Habron
endlich war ein Hetärenporträt, wie sie in spätrer Zeit zahlreich waren (vgl. die Bilder
9Q Der Dornausziehbr und der Knabe mit der Gans.
monumentale Wandmalerei erhabenen mythologischen Inhalts etwa um das Ende
der 80ei Olympiaden namentlich durch den Einfluß des Apollodoros dem Staffelei-
bilde hatte weichen müssen, das nach rein malerischen Effekten strebte, so
mußte diese große Umwandlung auch in der Wahl der Gegenstände Neues bringen.
Indem die Künstler von nun an natürlich meist nach privaten Bestellungen ar-
beiten und subjektiven Neigungen daher viel mehr nachgehen können, indem
man ferner an die verhältnismäßig kleinen und leicht hergestellten Tafelbilder in
Bezug auf Inhalt durchaus nicht die Anforderungen, wie an ein monumentales
Werk stellen konnte, indem endlich das Streben der Künstler vor Allem auf
malerische Illusion ging: so mußte die Bedeutung des Gegenstandes zurücktreten
und man mußte bald dazu gelangen, rein künstlerische Aufgaben und Probleme
darzustellen ohne Rücksicht auf Zweck und Bedeutung des Inhalts, d. h. es mußte
dem Genre in der Malerei eine ungleich schnellere und größere Entwicklung zu
Teil werden, als dies in der Plastik der Fall sein konnte.
45 Diese Annahme bestätigen unsre, wenn auch sehr dürftigen Nachrichten.
Schon bei Zeuxis begegnen wir einem Bilde, das mit vollem Recht ein mytho-
logisches Genrestück genannt werden kann: die berühmte Kentaurenfamilie, wo
die Kentaurenmutter ihre Jungen zugleich auf menschliche und tierische Weise
nährt, während der Vater den Kleinen einen jungen Löwen hinhält, um sie fürchten
zu machen. Hier haben wir gleich ein Beispiel der subjektiven Reflexion des
Künstlers gegenüber der Tradition, was hier sogar zu einer Korrektion des Mythus
Anlaß gibt: die Kentauren sind ja Halbmenschen; aber indem die Sage von
ihren wilden Kämpfen nur ihr ungebändigt tierisches Naturleben betont, so ver-
langte doch auch ihre menschliche Seite noch Ausdruck, und dieser Forderung
ward Zeuxis gerecht. Zu solch einer selbständigen Umarbeitung des Über-
lieferten konnte er aber nur gelangen durch jenes in der Malerei schon früher
wirkende Streben nach psychologischem Durchdenken der Tradition, nach innerer
Vertiefung und Vermenschlichung der Sagen, was notwendig, wie hier, zu einer
genrehaften Auffassung führen mußte. - Nur der Bravour in der malerischen
Illusion wegen malte er einen Knaben mit Weintrauben, auf welche dann Vögel
zugeflogen sein sollen. Eine Fabel ohne alle Glaubwürdigkeit ist das alte Weib,
über das er sich tot gelacht haben soll. Sein Zeitgenosse Parrhasios ist vor-
sieh in der scharfen psychologischen Charakteristik bestimmter Individualitäten;
.halb wir begreifen, daß er nicht, wie Zeuxis, das Mythische zum Genrehaften
lllgemeinerte, sondern an der Darstellung des Einzelindividuums der Wirklich-
ine Kraft erprobte: bezeichnend ist, daß gerade von ihm mehrere Porträts
;tion, die .Pornographen*); die allgemeine Lesart der Hdsch. amicam an unsrer
5, 111) ist daher nicht zu verwerfen oder Amicitiam dafür einzusetzen, das man
nden et Concordian konjlzierte; 'Ofubota allerdings war Göttin mit Tempel
und Altaren, von einer <l'um ist uns dies aber nicht bekannt (nur eine Nymphe heiCt
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 91
unter seinen bedeutendsten Werken genannt werden. Eine Mittelstellung zwischen
Porträt und Genre scheint der Megabyzos, d. h. ein verschnittener Oberpriester 46
der Ephesischen Artemis eingenommen zu haben. Die Charakteristik war so
scharf und wohlgelungen, daß Tiberius aus Liebe zu dem Bilde es in sein
Schlafgemach nahm.1 Denselben Gegenstand, doch, wie es scheint, figurenreicher,
behandelte später Apelles: eines Megabyzos Festzug. Dagegen war reines Genre-
stück Parrhasios' Bild zweier Knaben, an denen man den Ausdruck der Dreistig-
keit und Einfältigkeit ihres Alters bewunderte — also nicht eine Handlung und
Situation, sondern die psychologisch scharfe objektive Charakteristik des Knaben-
alters bot das Hauptinteresse. Eine andre Aufgabe stellte er sich in den beiden
Bildern der Waffenläufer, d. h. Männer, die einen Wettlauf in Waffenrüstung
üben; der eine war mitten im Hinstürmen begriffen, der andre, eben angelangt,
die Waffen ablegend und sich verschnaufend. Die feine Detailbeobachtung der
Natur, über die Parrhasios verfügte, wird ihm hier zu einer namentlich im Ein-
zelnen treffenden Durchführung der Wirkungen jenes so beschwerlichen Laufes
auf den Körper und besonders die Atmungsorgane verholfen haben. Wegen des
verwandten Gegenstandes sei hier gleich das Bild des Theon um die Zeit
Alexanders erwähnt: ein Schwerbewaffneter, der eben seine Waffen ergriffen hat,
um in den Kampf zu stürmen;2 jedesmal bevor das Bild enthüllt wurde, mußte
ein Trompeter ein Angriffssignal geben: höchste momentanste Lebendigkeit und
eine plötzlich packende Illusion waren also das Ziel des Künstlers. — Von
Parrhasios ist noch zu erwähnen, daß er in kleinen Bildern auch unzüchtige
Gegenstände behandelte, die teils wohl dem alltäglichen, teils aber auch dem
mythologischen Genre angehörten, indem die Kleinheit des Bildes die Maler
schon früh verlocken mußte, hier momentanen Scherzen Raum zu geben und
die Darstellung eines Einfalls, eines Motivs und seines Reizes derjenigen des 47
Kerns und Wesens des mythischen Gegenstandes selbst vorzuziehen. Ein andres
Beispiel für dieselbe Richtung bietet sein etwas jüngerer Zeitgenosse Timanthes,
der ebenfalls in einem kleinen Bilde einen schlafenden ungeheuren Kyklopen
malt, dessen Daumen die Satyrn, jenes freche aber feige Volk, das so gern die
Schlafenden neckt, mit einem Thyrsos messen; doch „intelligitur plus semper
quam pingitur": der Riese wird bald aufwachen und die auseinanderstiebenden
Satyrn kräftiglich beohrfeigen.
Eine andre Entwicklung des Genres repräsentiert uns Pausias, der Schüler
des Pamphilos, des Begründers der Sikyonischen Schule, die in ihren Werken
1 In der Identifizierung des bei Plinius aus Deculo genannten archigallus mit dem
Megabyzos bei Tzetzes stimme ich Bursian, Allg. Enc. I, 82, 470 bei; erstre ist nur eine
mißverständliche latinisierte Bezeichnung.
2 Dasselbe von Aelian. var. hist. II, 44 ausführlich beschriebne Bild führt auch Plinius
35, 144 als „erumpentem" auf, was mit Benndorf, dem Detlef sen folgt, statt des ver-
derbten emungentem herzustellen ist; nach Gewohnheit begnügt sich Plinius, das Motiv
anzugeben.
Der D< ieher und der knabe mit df.r Gans.
ls hohe geistige Bedeutung, sondern eine auf verstandesmäßiger Grund-
. schulte Tüchtigkeit erstrebte, so daß die Bedeutung des Inhalts zurück-
en mußte. Andrerseits trat um die Mitte des vierten Jahrhunderts mit der
zunehmenden Verwendung der Kunst für private Dekoration immer mehr eine
entschiedene Richtung auf das leicht Anmutige und Gefällige hervor. Wir be-
fen es daher, wenn Pausias nicht nur wohl zuerst sich in der Blumen-
malerei auszeichnete, sondern mit besondrer Vorliebe Knaben darstellte: aus
früher vereinzelten Bravourstücken, wie dem Knaben mit den Trauben von Zeuxis,
wird jetzt eine beliebte Gattung, die die gefällige Anmut und Niedlichkeit des
Kinderlebens zum Gegenstande nahm. Eines seiner besten Bilder stellte seine
Geliebte Glykera als Kränzewinderin dar. Daß diese von Pausias zuerst ein-
-chlagene Richtung in der Folgezeit sich eines großen Erfolges erfreute, dürfen
wir daraus schließen, daß Bilder anmutiger Mädchen in irgend einer freundlichen
Beschäftigung beliebte Gegenstände der Campanischen Wandmalerei sind (s. Hel-
48 big, Unters, über d. Camp. Wandmal. S. 76), die auf Vorbilder hellenistischer Zeit
zurückgeht. Die andre Art dieser heiter unbefangnen Darstellungen aus dem
Alltagsleben, jene Knabenbilder, können wir uns am besten aus zahlreichen
kleinen, namentlich attischen Vasenbildern und Terrakotten vergegenwärtigen.
Diese Richtung bildet den Übergang zu der später zu betrachtenden, ungleich
bedeutenderen Darstellung der Kinderwelt durch die statuarische Kunst — aber
in dem wesentlich veränderten hellenistischen Geiste.
Zu beachten ist noch, daß alle jene Werke des Pausias kleine Bildchen
waren und daß er auf das technische Verdienst das Hauptgewicht gelegt haben
wird; denn sonst müßte es auffallen, daß keiner seiner Schüler sich an jenen
Stoffen des Meisters in größerem Umfange versucht zu haben scheint.
Eine ganz andre Richtung tritt uns in der gleichzeitigen Thebanisch-At-
tischen Schule entgegen: hier ist Stoff und Inhalt und dessen reizende und
packende Behandlung erstes Streben. Das mythologische Genre entsprach diesem
idealeren Zuge besser. Namentlich wird hiebei der im 4. Jahrh. so beliebte
bakchische Kreis bevorzugt. So malt der Sohn und Schüler des Aristides
Ariston einen bekränzten Satyr mit dem Becher, also wohl im vollen Genüsse
des Weines. Charakteristischer aber für die ganze Richtung der Zeit sind die
folgenden beiden Bilder, nämlich des Nikomachos „berühmte" Mänaden, die,
wahrscheinlich während des Schlafes, von Satyrn beschlichen werden, und das
mälde seines Schülers Philoxenos, das drei betrunken schwärmende Silene
in ausgelassenster Auffassung darstellte: beide Werke zeigten also die sinnliche
Aufregung und Begierde an einem mythischen Genrebilde. Hatte Parrhasios
solche sinnenreizende Darstellungen nur in kleinen Bildchen und nebenbei zu malen
- wird jetzt (Mitte 4. Jahrh.) auch hieraus eine beliebte Gattung, die
auch Darstellungen aus dem Alltagsleben behandelte, wie die Bezeichnung
ph", d. h. Dirnenmaler andeutet, die mehreren Künstlern der Zeit erteilt
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 93
wird. Schon auf Vasenbildern ist der Einfluß dieser Richtung nicht zu verkennen.
Später in der hellenistischen Zeit wurde sie natürlich noch viel mehr gepflegt,
wie wir aus den Campanischen Wandbildern entnehmen können (s. Heibig a. a. O.
238; 249 ff.).
Noch wichtiger ist uns jedoch der vermutliche Bruder des Nikomachos
Aristides.1 Am bekanntesten ist sein Bild einer sterbenden Mutter, die, bei der
Eroberung einer Stadt tödlich verwundet, noch für ihr Kind fürchtet, es möge
Blut statt Milch aus ihrer Brust einsaugen. Ferner ein Flehender, dessen Stimme
man fast zu hören glaubt, und ein sehr berühmter Kranker. In diesen Bildern,
deren Gegenstand die heftigsten Erregungen sind und die unser unmittelbarstes
Mitgefühl erwecken, interessiert die Person als bestimmtes Individuum nicht,
nur der Ausdruck der allgemein menschlichen tiefsten Seelenempfindung packt
und erfüllt uns ganz. Wir haben hier eine notwendige Konsequenz und zugleich
die schönste Blüte jener mehrfach berührten psychologischen Richtung in der
Kunst des 4. Jahrh. vor uns, welcher der mythische oder sonstige bestimmte
Name der Figur gleichgültig werden muß, da sie nur die allgemein menschlichen
Leidenschaften und Affekte darstellen will. — Einen ähnlichen Charakter wird
das Bild der „Jäger mit Beute" getragen haben, wo das gemütlich Behagliche
der Stimmung Hauptinteresse gewesen sein mag. Noch andre Werke, die aber
schwerlich dem Genre angehörten, sind noch nicht hinlänglich aufgeklärt; die
„rennenden Viergespanne" sind zusammenzustellen mit den von Niken gelenkten
Gespannen des Eutychides und Nikomachos, sowie mit dem Werke des Melan-
thios, das den Tyrannen Aristratos feierte, der neben dem Viergespann mit Nike 50
stand: auch bei jenen Gespannen des Aristides sind demnach bestimmte Be-
ziehungen auf Siege oder dgl. vorauszusetzen.
Daß Aetion das Genrebild einer Hochzeit gemalt habe, ist sehr zweifelhaft;2
1 Vgl. über ihn neuestens Brunn in Meyers Künstlerlexikon II, 252.
2 Plin. 35, 78 Semiramis ex ancilla regnum apiscens, anus lampadas praeferens et
nova nupta verecundia notabilis. Ich glaube Försters Bedenken (Arch. Ztg. 1874, S. 89)
zurückweisen und Brunns Vermutung von der Identität der Semiramis und nova nupta
als höchst wahrscheinlich bezeichnen zu dürfen. Es ist nämlich klar, daß das ganz ab-
strakte Semiramis . . . apiscens nur der rein gegenständliche stoffliche Titel eines Gemäldes
sein kann, der uns von der künstlerischen Darstellung selbst auch nicht einmal eine
Ahnung gewährt und deshalb die folgende Erklärung geradezu verlangt; diese zeigt uns
nun, wie jenes apisci der Königswürde dargestellt war, nämlich durch die Hochzeit, wie
es denn bei Semiramis kaum anders möglich war. Ihre schlagende Analogie erhält die
Stelle durch 35, 136 cognatio nobilium, palliati quos dicturos pinxit, alterum stantem
alterum sedentem. Wie oben kommt zuerst der Titel des Bildes, der bloße Stoff, dem
asyndetisch als Erklärung die künstlerische Gestaltung angeschlossen wird. Die Deutung
der asyndetisch angeschlossenen Worte als epexegetisch zum Vorhergehenden wird in
beiden Fällen dadurch ermöglicht, daß sie das Ende der Aufzählung der Werke bilden
und kein neues asyndetisches Glied mehr folgt; denn wäre letzteres der Fall, so müßten
verschiedne Werke angenommen werden.
D?R DORNAUSZIEHER UND DER KNABE MIT DER GANS.
und von Apollos «rissen wir nur, daß er Bilder von „Sterbenden" gemalt. Doch
dem Zusammenhange, in dem die Stelle bei Plinius steht (35, 90), un-
eifelhaft hervor, daß Porträts gemeint sind; denn es wird dort Apelles' Vor-
^lichkeit in der Porträtmalerei an verschiedenen Beispielen gezeigt. Die pathe-
:e Richtung der Zeit konnte leicht auf solche Porträts führen, die Apelles
mit besondrer Schärfe und Wahrheit dargestellt haben wird.1 Dem mythologischen
nre kann man sein Bild der Artemis im Kreise ihrer schwärmenden und jagenden
Nymphen zurechnen. Doch wichtiger ist uns noch sein berühmtes Bild der
.Verleumdung*;' denn auch dies ist eigentlich dem Genre angehörig, da es eine
allgemein alltägliche Handlung, wie ein Jüngling verleumdet wird, darstellt, aller-
dings in fast nur allegorischen Figuren. Die Verleumdung selbst, Unwissenheit
und Argwohn. Neid, List und Trug, Reue und Wahrheit treten alle in charakte-
ristischer Personifikation auf. Auch dieses Bild ist eine letzte Konsequenz, ja
ein abschließender Höhenpunkt jener Richtung des 4. Jahrh. auf Ausdruck der
der Handlung zu Grunde liegenden seelischen Vorgänge, die dazu führen mußte,
einmal nur diese inneren Vorgänge selbst im Bilde, in Personifikationen darzu-
stellen. So personifiziert Apelles alle die ethischen Begriffe und Stimmungen,
die bei der Handlung einer Verleumdung und ihren Folgen vorwalten — statt
einen wirklichen einzelnen Vorgang in seiner Realität selbst darzustellen.
Doch wie überall in der historischen Entwicklung, wo ein Prinzip auf die
51 Spitze getrieben ist, da auch der Umschlag in ein neues sich vorbereitet, so ist
es auch hier zu Alexanders Zeit: der Realismus, die Darstellung des unmittel-
bar Wirklichen, tritt noch während Apelles Zeit an Stelle jener abstrakt idealen
Richtung, und zwar in der statuarischen Kunst, wie wir früher sahen, namentlich
durch Lysipp, der überall Apelles gegenübersteht: letzterer z. B. malt Alexander
mit dem Blitze als Zeus, mit den Dioskuren als Helios und strebt so nach
Ausdruck eines allgemeineren Gedankens — Lysipp dagegen zeigt uns den
wirklichen Alexander, den kühnen Eroberer mit der Lanze. In der Malerei aber
ist es sogar der persönliche Gegner und Nebenbuhler des Apelles, ist es Anti-
philos, der zuerst in der treuen Darstellung der niedern Wirklichkeit sein Ver-
dienst sucht, der Begründer jenes realistischen Genres, an das wir Moderne immer
zuerst denken. So zeigt er uns in einem Bilde die Verarbeitung der Wolle, wo
die verschiedenen Aufgaben der eilend arbeitenden Weiber in lebendigster, tref-
fendster Weise charakterisiert waren. Ferner hören wir von einem Knaben, der
das Feuer anbläst und wo der Lichteffekt des feurigen Widerscheins auf dem
.ichte des Knaben und der ganzen Umgebung allein das Interesse ausmachte.
iand1unj4 kann an die treffliche Bronzestatuette eines Kranken
erinnert werden (Revue arch. 1844 Taf. 13; Michaelis, Aren. Ztg. 1874,60; [Cccil H. Smith,
in the coli, ol W. F. Cook (1908) S. 109, 321]), die Anathem eines
lb« firunn in Meyers Kiinstlerlexikon II, 169.
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 95
Endlich schließen sich wohl am besten analog der Entwicklung in der Plastik
die undatierten Maler Kallikles und Kalates an, die in kleinen Bildern Gegen-
stände aus der Komödie, also aus der niedern Wirklichkeit, darstellten. Auch
die sog. „grylli", karikaturartige Darstellungen, deren Urheber Antiphilos war,
sind diesem niedrig komischen Genre zuzurechnen.
Antiphilos aber war für die Richtung der ganzen folgenden Diadochenzeit
in der Malerei vom größten Einflüsse, und so sehen wir, wie in der Zeit Ale-
xanders als echter Periode des Übergangs, wo in Politik und sozialen Ver-
hältnissen nicht minder, als in der Kunst sich Neues überall Bahn zu brechen
sucht, wie hier die verschiedensten Richtungen, die eine das Alte abschließend, 52
die andre in die Zukunft weisend, neben einander stehen. Dies darf uns nicht
wundern: wird doch oft eine kommende Epoche in einzelnen Persönlichkeiten
oft länger vorher antizipiert, wie denn z. B. in der Literatur der ganze volle
Alexandrinismus bereits in Antimachus verkörpert ist, der schon um 400, zu einer
Zeit, wo freilich der Höhepunkt griechischer Dichtung bereits vorüber war, aber
eine zahllose Menge kleinerer Geister die eingeschlagenen Richtungen nach allen
Seiten hin weiter verfolgten, im Gegensatz zu diesen eine erst viel später blühende
Dichtungsart, die gelehrte verkünstelte Liebeselegie antizipierte; erst Philetas von
Kos zu Ende des 4. Jahrh. folgte ihm darin.
Bevor wir indes zu einer neuen Periode übergehen, müssen wir noch einen
Blick auf das uns aus der vorliegenden Erhaltene werfen. Aus dem Gebiete
der Plastik wüßte ich nur die uns an der Karyatidenhalle des Erechtheions
erhaltenen Mädchen zu nennen, die, obwohl architektonisch verwendet (was wir
bei den andern nicht voraussetzen dürfen), doch auf gleicher Linie stehen mit
den Kanephoren und Karyatiden des Polyklet, Praxiteles und Skopas, ebenso
wie mit den Knaben des Lykios: es sind Repräsentanten der im Dienste einer
Gottheit stehenden Gattung von Individuen und dieser geweiht, gehören also in
jenen älteren Kreis des Genres, das von einem bestimmten äußeren Bezüge noch
nicht frei ist.
Von Werken der Malerei sind wir durch die bekannte „Aldobrandinische
Hochzeit" im Besitze einer Komposition, die wahrscheinlich noch der ersten
Hälfte des 4. Jahrh. angehört.1 Das Interesse des trefflichen Werks gipfelt in
der gegensätzlichen Spannung zwischen der schüchtern ängstlichen Braut und
dem erwartungsvoll harrenden Jüngling. Der Kern ist also ganz in das Innen- 53
leben, in die Stimmung verlegt. Die Unmittelbarkeit der Darstellung, wo jede
Person so ganz von sich und ihrer Aufgabe erfüllt ist, die uns so nah berührende
rein menschliche Fassung des Ganzen ruft einen wunderbar harmonischen Ein-
druck im Beschauer hervor. Dagegen finden wir schon in der Hochzeit der
1 Ihre historische Stellung scheint mir Förster Arch. Ztg. 1874, S. 90 ff. richtig bestimmt
zu haben. Die Annahme zweier Göttinnen jedoch scheint mir nicht notwendig.
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans.
Rhoxane von Aetion aus dem Ende des 4. Jahrh. jene Veräußerlichung in pikante
:.uion und namentlich durch die zahlreichen Eroten einen allgemeinen Ge-
danken, daß auch Alexanders heroische Kraft von Liebe besiegt sei, kurz eine
elende Beschäftigung des Verstandes statt unmittelbarem Ergreifen der
.Mitempfindung.
Einen unendlichen Reichtum von Darstellungen aus dem Alltagsleben bieten
uns die so zahlreichen Vasenbilder; wir können sie daher liier nur ganz im
ißen nach den Hauptgegenständen und Hauptrichtungen betrachten; denn ein
Eingehen in das hier so unendliche Detail würde ein eigenes Buch erfordern.
Wir fassen zunächst in eine ältere Gruppe die Bilder des sog. strengen und
des zwar frei schönen aber noch gemäßigten Stils zusammen. Waren in der
vorigen Periode Krieg und Kampf Hauptgegenstand, so tritt dies jetzt zurück
und es wiegt die Palästra, die Darstellung der gymnischen Übungen und
Wettkämpfe weitaus vor. Überhaupt ist der Verkehr der Männer und Jünglinge
unter sich und miteinander der beliebteste Gegenstand, wo auch erotische Be-
ziehungen häufig hervortreten; aber auch musische Beschäftigungen, Singen,
Leier- und Flötenspiel, das Lernen der Dichter durch die Jugend wird oft dar-
gestellt; ebenso der Komos, d. h. das nächtliche Schwärmen nach einem Gelage,
und noch öfter diese Gelage selbst, wo man nicht selten bestimmte Namen, oft
on berühmten Dichtern und Musikern beischreibt,1 um der allgemeinen Dar-
stellung einen individuelleren Reiz zu geben — ■ ein Gebrauch, der in dieser
Zeit sehr beliebt ist, und auch bei den nicht seltnen Darstellungen von Opfer-
szenen vorkömmt.2 Das Frauenleben tritt im Allgemeinen noch sehr zurück,
doch wird es häufiger mit der zunehmenden Freiheit des Stils. Die Hochzeit
wird jetzt meist nicht mehr in der früheren feierlichen Weise zu Wagen dar-
t eilt, sondern man legt das Gewicht auf innerliche Momente und die Zag-
haftigkeit der heimgeführten Braut ist das Hauptinteresse. Um die Liebe eines
Jünglings gegen ein Mädchen zu bezeichnen, hat man den sehr beliebten Typus
der Verfolgung, der in ganz gleicher Weise auch zur Darstellung der Lieb-
schaften der Götter und Heroen dient. Auch die Darstellungen der Jagd werden
manchmal durch Hinzufügung heroischer Namen in das ideale Gebiet gerückt,
ohne doch bestimmte mythologische Szenen darstellen zu wollen.8 Sehr häufig
5. Jahn, Darstellungen griechischer Dichter Taf. 3—7.
■ S. Stephanl CR 1868, S. 131 ff.
'/.. B. Gerhard, Auscrl. Vas. IV, 327 Peleus auf der Hirschjagd; Müllcr-Wieselcr D.
i. K. I, 212 Tydetis, Theseus usw. — Auch auf metallenen Bechern waren Jagd-
tellungen beliebt: wir wissen, daß dcsAkragas, eines berühmten Cälators „venatio
iis roagnam famam habuit." „In scyphis", weil man gewöhnlich ein Paar von
i Schalen ist es anders) mit der gleichen Darstellung versehen zu hüben
cheint. Mys macht quattuor paria; gewöhnlich wird von zwei Bechern zusammen ge-
1,1 17 duos scyphos Mentoris manu; 34, 47 duo pocula Calamidls manu.
«telll | i) Areopagitaa et Judicium Orcstis in duobua scyphis dar. I
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 97
schildert man den Abschied der jungen Männer von ihren Eltern, doch nicht
mehr in der alten pomphaft äußerlichen Weise des Auszugs zu Wagen ; vielmehr
ist auch hier ein neuer Typus gefunden, der die gemütlichen Momente hervor-
hebt. In der Regel nämlich bietet Mutter oder Schwester oder Braut dem Schei-
denden den Abschiedstrunk, während der alte Vater Ermahnungen mit auf den
Weg gibt. Dieser allgemeine, unendlich variierte Typus, dem man mitunter be-
liebige Namen beischreibt,1 ist auch für die Darstellung aller mythologischen
Abschiedsszenen durchaus maßgebend. Überhaupt ist die Herrschaft des
Typischen, nach dem Göttliches wie Menschliches gleichmäßig gestaltet wird,
in dieser Periode noch von größter Ausdehnung; auf ihre Entstehung aus jener
ältesten Zeit der rein menschlichen Kunst wurde früher hingewiesen; sie stellte
den Grundsatz fest, auf den die ganze griechische Kunst sich stützt: nicht die 55
Gottheit zu vermenschlichen, sondern, wie unser Motto treffend sagt, den
Menschen zu vergöttern: nicht das Unfaßbar-Unendliche will sie herabziehen,
beschränken, nicht mit dem Inder das göttliche Wesen in vielarmigen, vielköpfigen
Ungeheuern auszudrücken suchen, nicht der dogmatisch-religiöse Inhalt, sondern
das einfach Menschliche ist erstes Ziel der griechischen Kunst, das menschliche
Wesen, Tun und Leiden, dies ist es, das die Kunst zum Ideal gestaltet. Was
ist dem Künstler Zeus anders als König und Vater oder Demeter anders als
wehmütige Mutter, ihres Kindes beraubt? Deshalb beginnt die hellenische Kunst
mit dem Genre und am rein Menschlichen bildet sie sich die Typen, denen der
mythische, göttliche Inhalt sich zu fügen hat. Am Eingange der schulmäßigen
Entwicklung der Plastik in Griechenland stehen jene ältesten Apollofiguren (von
Tenea, Orchomenos usw.): was will in ihnen der Künstler anders, als einmal
den wesentlichen Bau eines ruhigen nackten Menschen, so gut er es vermag,
darzustellen? Jede andere, barbarische Kunst aber hätte hier das dogmatische
Wesen des Gottes, sei es durch einen Tierkopf oder sonst eine Monstruosität
auszudrücken gesucht: allein und zuerst der Hellene wagt es, den Menschen
zum Gotte zu erheben. —
Doch, um zu unsern Vasen zurückzukehren, so tritt eben in der Ausbildung
jener festen, allgemeinen, für Götter wie Menschen geltenden Typen die durchaus
ideale Richtung des 5. Jahrh. im Gegensatze zur späteren Zeit am klarsten
abgesehen von dem Widerspruche mit dem Wortlaute bei Plinius, auch künstlerisch ganz
unmöglich mit Urlichs, Chrest. Plin. S. 301 hier anzunehmen, auf dem einen Becher sei
die Verhandlung, auf dem andern die Lossprechung vorgestellt gewesen. Offenbar war
es nur Eine Darstellung, das Gericht des Orest vor dem Areopag, wie Plinius' Worte
deutlich sagen, und dies eine Bild befand sich auf den beiden Gegenstücken, wie es bei
der venatio des Akragas ebenso der Fall war. Die Zeit des letzteren Künstlers ist wegen
der Kentauren mit Bakchantinnen in die Alexandrinische Epoche herabzurücken. Die
angebliche chronologische Anordnung der Toreuten bei Plinius ist überhaupt unhaltbar
1 Auch mythologische, ohne daß der Typus nach der Sage gestaltet wäre, z. B.
Gerhard, Auserl. Vasenb. III, 188.
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. 7
DER DORNAUSZIEHER UND DER KNABE MIT DER GANS.
hervor: denn nicht tue jedesmal neue Nachahmung eines Einzelfaktums wird uns
i. sondern die Darstellung eines aus diesen Einzelfakten bereits abstra-
hierten gemeinsamen Typus.
56 Als zweite Hauptgruppe überblicken wir die Bilder des späteren, malerischen
Stils, der nach dem Hauptfundorte auch als unteritalisch bezeichnet zu werden
pflegt. Das Recht, diese Werke, die wir nach der gewöhnlichen Ansicht erst
in der folgenden Periode zu betrachten hätten, schon hier zur Veranschaulichung
vorhellenistischer Kunst, namentlich des 4. Jahrh. herbeizuziehen, habe ich in
einer andern Schrift („Eros in der Vasenmalerei" [oben S. 1 ff.]) zu erweisen
gesucht. Da das Handwerk der großen Kunst immer in beträchtlicher Entfernung
folgt, so treffen wir auch in den zeitlich späteren Vasen frühere Richtungen wirksam.
Im Gegensatze zu der vorigen Gruppe ist hier die Darstellung des Frauen-
lebens der weitaus überwiegende und beliebteste Gegenstand. Alle Beschäfti-
gungen der Mädchen werden dargestellt, besonders aber die Toilette, das Bad
und ihre harmlosen Spiele; aber der eigentliche Angelpunkt alles weiblichen
Wesens bleibt immer die Liebe, wie denn Eros der ständige Begleiter der Mädchen
ist und Liebesszenen aus dem Verkehre mit den Männern unzählige Male
dargestellt werden. Diese Vorliebe für das Frauenleben stimmt vollkommen
überein mit der Richtung des Praxiteles, der ja auch die weibliche Anmut zum
Gegenstande mehrerer Werke machte. — Vor dieser zunehmenden Weichlichkeit
verschwinden die Darstellungen der Palästra und Gymnastik fast ganz; wohl
aber sind Bilder der Gelage der Männer noch häufig, doch spielen auch dabei
jetzt die erotischen Beziehungen zu den Mädchen eine Hauptrolle. —
Eine interessante Gattung sind die Attischen Grablekythen,1 Gefäße für
die Toten mit hierauf bezüglichen Darstellungen. Während die älteren strengeren
Bilder nur den Hauptvorgang, entweder die Klage um die ausgestellten Toten
57 oder die Bestattung darstellen, zeigen die späteren auch hier einen milderen, an-
mutigeren Typus, indem weiblich zarte Fürsorge, ja sogar Liebesverhältnisse das
Hauptinteresse bieten. Man stellt nämlich dar, wie die Mädchen das Grabmal
mit Binden schmücken und durch Spenden den Toten ehren; oft kömmt ein
wandernder Jüngling herzu und fragt das Mädchen nach dem Verstorbenen,
wodurch geschickt der Nachruhm angedeutet wird, aber auch die Anknüpfung
von Liebesverhältnissen unter den beiden jungen Leuten nicht ausgeschlossen ist.
Eine andere Gattung wird durch kleine und zierliche Gefäße gebildet, die, meist
für Kinder bestimmt, auch ihre Darstellungen dem Kinderleben entnehmen.
Kinder (fast nur Knaben, welche die antike Kunst überhaupt vor den weib-
lichen Kindern aufs entschiedenste bevorzugte) kauern und kriechen auf dem
ipielen mit dem Wägelchen, einem Kruge, Apfel, Hündchen u. dgl.2
nndorf, Gricch. Vascnbildcr Taf. 11 ff.
ichtc der sächs. Gcscllsch. 1854, S. 249; Heydemann, Griech. Vasen-
bildcr Taf. i 0, Hilfst. .3-8 CR. 18«, Taf. 2; 1868, Taf. 4.
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 99
Wir werden lebhaft an jene Bildchen des Pausias mit den „Knaben" erinnert.
Ferner vergegenwärtigen uns dieselbe Richtung zahlreiche kleine Terrakotta-
figürchen, die in harmlos einfacher Weise die Kinder meist mit ihren Lieblings-
tieren beschäftigt darstellen.1
Vergleichen wir nun die geistige Auffassung und Behandlungsart jener
Vasenbilder des malerischen Stils mit den älteren, so machen sich hier wesent-
liche Verschiedenheiten fühlbar: vor allen treffen wir eine bedeutende Tendenz
zur Verallgemeinerung, hervorgegangen aus jenem schon mehrmals berührten
Streben nach psychologischer Motivierung des Dargestellten. Namentlich dient
die so ungemein beliebte Einführung des Eros in die Szenen des gewöhnlichen
Lebens dazu, diesen einen allgemeineren Charakter zu verleihen. Ein Beispiel
diene zur Verdeutlichung: mehrere altertümliche Vasen2 stellen Frauen dar, die 58
ein Douchebad nehmen, und wie lebendig, drastisch und individuell ist hier jede
Bewegung, das Reiben und Fegen der von reichem Wasserstrahl erquickten
Glieder, wie das Auswinden der triefenden Haare! Vergeblich suchen wir in den
so zahlreichen späteren Badeszenen nach ähnlichen lebendigen Motiven; da ist
alles viel allgemeiner und man sieht, daß nicht mehr die bloße äußerliche Hand-
lung das Interesse beansprucht, sondern mehr die zu Grunde liegenden allgemeinen
Gedanken und Stimmungen: namentlich durch Eros werden die Bilder zu einer
allgemeinen Verherrlichung weiblicher Schönheit. Ja schon im ganz Äußerlichen
zeigt sich diese Verschiedenheit der Auffassung: während auf den älteren Vasen
die Handlung immer in einem durch zahlreiche Geräte an der Wand und die
ganze Ausstattung individuell charakterisierten Räume vor sich geht, findet sich
in den späteren viel mehr Symbolisches und Andeutungsweises; die Figuren
sitzen sehr oft einfach in der Luft und die allgemeinen, nichtssagenden Kränze
oder Sterne ersetzen jene individuelle Ausstattung der Wände. Diese Richtung
aufs Allgemeine, die besonders deutlich noch in einer Reihe von Toiletteszenen
hervortritt, die eigentlich eine Feier der Frauenschönheit überhaupt bezwecken,
erreicht nun ihre höchste Steigerung, wenn der allgemeine Gehalt der Darstel-
lung durch Inschriften, die Begriffe bezeichnen, angedeutet wird.3 — Im Zu-
sammenhange damit steht das allmählige Verschwinden des Typischen, das früher
eine so bedeutende Herrschaft ausgeübt hatte. So gewinnen wir einen neuen
bezeichnenden Gegensatz zur älteren Gruppe: dort wird ein allgemeiner, fester
1 S. besonders Antiquites du Bosphore Taf. 64; 70; 72; 73. CR. 1859, Taf. 3. 4; 1863,
Taf. 1; 1868, Taf. 3. Diese Werke reihen sich hier wohl am besten ein. Diebevorstehende
Sammlung aller Terrakotten wird wohl über ihre historische Stellung sichereres Licht ver-
breiten, wodurch sie erst für die Geschichte des Genres ein wichtiges, freilich wegen des
verschiedenen Standpunkts der Klein- und Großkunst nicht zu überschätzendes, Material
würden.
2 Elite ceramographique IV, 17. 18.
3 Über alle diese hier nur angedeuteten Punkte s. meinen „Eros in der Vasenmalerei"
S. 28; 48; 77 ff. [oben S. 16; 30; 50 ff.].
7*
100 Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans.
Typus durch Inschriften individualisiert, hier wird ein beliebig Einzelnes
■i dadurch verallgemeinert, dort nur reine Darstellung einer Handlung,
iiier soll noch ein Gedanke hervortreten. So verbünden sich Mangel an idealer
Gestaltungskraft und ein Überwiegen von außerhalb des Gegenstandes liegenden
allgemeinen Gedanken, um die Kunst allmählig von derjenigen Höhe herabzu-
ziehen, der - - ganz wie in der Poesie — nur die unmittelbare, reine, zwecklose
Darstellung und Gestaltung eines Gegenstandes selbst das Ziel ist, einer Höhe,
die freilich nur die Zeit des Phidias inne hatte. Die Vasenbilder aber geben
uns eine reiche Anschauung von der langsam zerstörenden Wirkung jener Ele-
mente, wodurch wir eine Brücke zur folgenden hellenistischen Periode gewinnen.
Nur ganz kurz sei die Veränderung der Auffassung mythologischer Stoffe
durch die spätem Vasen angedeutet. Durch die vor allem nach Ausdruck der
psychologischen Motive strebende Auffassung werden auch sie immer allgemeiner
und nähern sich dem Genre; die Einzelhandlung wird zu einer allgemein mensch-
lichen und muß als Folie eines allgemeinen Gedankens dienen, was man be-
sonders durch Einführung verschiedener, nicht streng zur Handlung gehöriger
Gottheiten zu erreichen sucht, von denen manche, wie Aphrodite, Eros und die
Erinyen meist nur Personifikationen psychischer Affekte sein sollen. Ebenso
dienen zur Verallgemeinerung jene die freie Natur bezeichnenden Satyrn und
auch die von nun an so häufigen Ammen und Pädagogen. Viele Dar-
stellungen, wie die des Parisurteils oder der Iosage sprechen jetzt deutlich den
allgemeinen Gedanken eines Triumphs der Liebe aus. Am weitesten in dieser
Richtung zum Genre geht aber eine Vase aus Kameiros in Rhodos [Brit. Mus. E 44],
die durch die Kühnheit, mit der sie den Stoff gestaltet, der großen Kunst näher steht,
als die übrigen; sie wagt es nämlich, mit der festen Tradition zu brechen, nur um
ein neues, reizendes Motiv zu gewinnen. Aus dem früher in aller mythologischen
60 Wunderbarkeit dargestellten Kampfe des Peleus mit der sich verwandelnden Thetis
macht sie eine Überraschung badender Mädchen durch den Liebenden. — Daß
eine verwandte Richtung in der großen Kunst schon frühe angeschlagen wurde,
gt uns Zeuxis, der deutlich nach Verallgemeinerung der Charaktere strebt und
in diesem Sinne aus der Tradition neue Situationen herausarbeitet. Auf die
Vasen scheint diese Richtung des Zeuxis von großem Einfluß gewesen zu sein,
wenn auch die kühne Konsequenz des obigen Beispiels zu den Ausnahmen ge-
hört. Doch In einer unsern Vasen vollkommen entsprechenden Weise genügte
schon Aristophon, der jüngere Bruder des Polygnot, dem bereits allgemeinen
üirfnis nach psychologischer Motivierung.1 Dagegen konnte Parrhasios mit
Durch Fdllbdt und Schärfe des Ausdrucks versteht er dies noch nicht zu erreichen,
weshalb er zu Personifikationen (Credulitas und Dolus, wohl durch Inschriften bezeichnet
nach damaliger Sitte) seine Zuflucht nimmt; diese stellt er ganz nach Art der Vasen
neben d >ncn, deren innern Charakter sie bezeichnen sollen. Mit Unrecht setzt
ihn daher HdMg (Heckeisens .Jahrb. 1867 durchaus in eine Reihe mit Zeuxis und
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 101
seiner feinen individuellen Charakteristik für die Vasenbilder von keinem Ein-
flüsse sein.
Wir können diese Periode nicht verlassen, ohne noch ein Wort zu sagen
über die Attischen Grabdenkmäler, deren schönste Typen ja aus dem Ende
des 5. und dem 4. Jahrh. stammen. Sie gehören insofern hieher, als alles Por-
träthafte fehlt, vielmehr die Darstellungen zu allgemeinen Charakterbildern
des menschlichen Wesens nach Geschlecht, Alter oder Beschäftigung
verallgemeinert sind. So wird bei einer Frau bald ihre Schönheit, indem sie
sich schmückt, bald ihr Muttersein, indem sie ihr Kind herzt, bald ihre Familien-
treue, indem sie dem Gemahle durch Handschlag als ewig verbunden erscheint,
als ihr Wesen bezeichnend herausgehoben. Ebenso bei Männern und Jünglingen,
die bald musischen, bald gymnastischen Beschäftigungen ergeben erscheinen.
Über allem aber liegt ein Hauch der Wehmut, der an die Vergänglichkeit des
Irdischen erinnert, der uns jedoch nicht verleiten darf, in diesen nur das Wesen 61
des Verstorbenen, nicht seinen Tod darstellenden Denkmälern zufällig momentane
Szenen, seinen Abschied vom Leben u. dgl. zu erkennen, wie dies bei unsrer
modernen Neigung zu momentan realistischer Auffassung oft geschieht.1
So sind wir denn endlich bei der Entwicklung angelangt, auf die uns schon
so Manches vorbereitend hinwies, bei der hellenistischen, nach Alexander
unter der Herrschaft der Diadochen geübten Kunst. Das Genre gelangt durch
sie zu einer neuen, bedeutungsvollen Entwicklung, indem es von allen Seiten
durch die sich neu begründenden Zustände und Anschauungen begünstigt ward.
Vor Allem geschah das durch die sich immer mehr vollziehende Zersetzung und
Auflösung der Religion, die, zwar schon von den Sophisten vorbereitet, doch
erst jetzt in einem Euemeros (um 300 v. Chr.), der kühn alle Götter für wirk-
liche historische Menschen erklärte und mit dieser Lehre von größtem Einflüsse
war, ihre volle Höhe erreicht. Die religiöse Bedeutung und das Wesen der
alten Götter und Mythen, die vordem die Kunst mit reichem Inhalt füllte, konnte
jetzt diese Bedeutung nicht mehr beanspruchen; vielmehr wie auch in der
Parrhasios und glaubt manchfaltige psychologische Charakteristik bei ihm annehmen zu
dürfen — er bildet nur den organischen Übergang zu jenen.
1 Ich kann daher Kekule, Akadem. Kunstmuseum zu Bonn S. 42 ff. nicht beipflichten;
gewiß nicht zutreffend ist seine momentane Fassung des Hegesoreliefs, wonach dieselbe
sich unmittelbar vor dem Tode (auf dem Stuhle?) das Schmuckkästchen bringen ließe
von der ängstlichen Dienerin, um das Beste mit in den Hades zu nehmen. Mir scheint
der Künstler nichts andres haben darstellen zu wollen als das Sein und Wesen einer
schönen Frau mit berechtigter weiblicher Eitelkeit, so wie der Aristion eben nichts als
ein braver Soldat, der Mann von Orchomenos ein guter Landwirt ist usf. [Furtwängler,
Sammlung Sabouroff I, S. 39 ff.]
102 Der Dornauszieher und df.r Knabe mit der Gans.
Literatur die vom alten Volksglauben getragenen Hauptgattungen, das Epos und
die Tragödie verschwanden, um der gelehrten Dichtung eines Kallimachos Platz
zu machen, die nur noch „die kleinen Rahmen des Gemütslebens, der populären
ehrsamkeit, der Genrebilder aus Antiquitäten und Mythen" (Bernhardy) aus-
fülll weichen auch in der Kunst die großen, aus dem allgemeinen religiösen
Bewußtsein gestalteten Schöpfungen den individuellen Liebhabereien der Künstler,
die, nicht mehr an das Volk, nur an den Kreis der „Gebildeten" sich wendend,
62 mit ihrer Subjektivität Effekt zu machen streben. Und daher kam es, daß man,
wie wir schon früher bei Lysipp zu betrachten Gelegenheit hatten, bei Götter-
bildungen, statt ihr religiöses Wesen darzustellen, jetzt vielmehr ihnen eine zu-
fällige Erregung, eine momentane, menschlich interessante Situation zu geben
suchte. Ebenso wählte man sich in der Darstellung mythischer Stoffe, statt den
eigentlichen Kern derselben zu treffen, mit Vorliebe irgend eine allgemein mensch-
liche, empfindungsvolle Situation aus, zu der dann der Mythus nur die Folie
bildet. Die Campanischen Wandbilder bieten zahlreiche Beispiele der Art,1
wo nicht eine Handlung, sondern ein Zustand, eine allgemeine Empfindung ohne
mythische Bedeutung dargestellt wird; wie wenn der bei Admet dienende Apoll
die Leier spielt und jener als Hirte ihm lauscht, wenn Paris auf dem Ida seine
1 leerden weidet, wenn Adonis bei Aphrodite ruht, Endymion schlafend daliegt,
kissos in träumerische Liebe versunken am Bache ruhend liegt, wenn Perseus
und Andromeda liebevereint das im Wasser sich spiegelnde Medusenhaupt be-
trachten, oder wenn gar Apoll ein Mädchen auf seinem Schooße im Kitharspiel
unterweist, oder Achill im Zelte bei Patroklos und zwei Mädchen sich mit Musik
unterhält, oder Paris als echter Verliebter den Namen seiner Oinone in einen
Stein kratzt u. a. Noch auf detl Vasenbildern kommen derartige Darstellungen
nicht vor, obwohl sich gerade in den spätem Vasen ein Übergang hiezu nach-
weisen läßt: ihr Streben nach Verallgemeinerung, ihr Durchdenken der Stoffe
vom psychologischen, allgemein-menschlichen Standpunkte aus, das sie zwar dazu
führte, aus der Handlung einen allgemeinen Gedanken herauszuentwickeln, aber
nie so, daß Kern und Wesen eines bestimmten mythischen Vorgangs darunter
63 litten oder gar ignoriert worden wären — all dies mußte vorangehen, um jene
Steigerung in den hellenistischen Bildern möglich zu machen, die einem allgemeinen
Genremotiv zu Liebe auf Darstellung des Kerns der Sage verzichten.
Daß nun aber eine solche Richtung der Kunst dem Genre überhaupt den
ten Vonschub leisten mußte, ist klar. Unter den die Art dieses neuen Genres
'immenden Faktoren aber gebührt dem immer weiter greifenden Realismus
die erste Stelle: die in dieser Zeit ermattete und erschlaffte ideale Gestaltungs-
kra' • herab zum Unmittelbar-Wirklichen und ergreift dies in all seiner zu-
fäll ifieriichkeit Es ist dieselbe Entwicklung, wie in der Philosophie und
ntersuch. über d. Campan. Wandm. S. 83 ff.
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 103
Wissenschaft: nachdem die Sophistik alles Alte, durch Überlieferung Geheiligte
in Frage gestellt und ein neues Durcharbeiten und Motivieren von innen heraus
veranlaßt hatte, so sieht man jetzt erst, wie wichtig die Erforschung der realen
Wirklichkeit ist und strebt jetzt vor Allem nach empirisch positiven Kenntnissen
und Maximen fürs praktische Leben.
In der Kunst sahen wir schon Lysipp mit diesem Herabsteigen zum Wirk-
lichen vorangehen, nicht minder den Maler Antiphilos, dessen Einfluß für die
Folgezeit von größter Bedeutung war; denn daß es gerade die jetzt aufblühende
Kabinettsmalerei war, die, dem Antiphilos folgend, jenen Realismus zur höchsten
Ausbildung führte, liegt in der Natur dieses Kunstzweiges. So hören wir von
einem Philiskos, der ein Maleratelier und darin einen das Feuer anblasenden
Knaben, also ein jenem Werke des Antiphilos sehr verwandtes Bild malte, bei
dem der Lichteffekt und die realistische Umgebung das Interesse ausmachte.
Simos1 ferner stellte eine Walkerwerkstätte dar, wo man gerade Feiertag machte;
Athenion malt einen Reitknecht mit dem Pferde, Nealkes etwas Ähnliches: einen
Mann, der durch Schnalzen ein Pferd zu besänftigen und zurückzuhalten suchte, 64
Leontiskos endlich malt eine Harfenistin. Während jedoch diese Maler sich auch
noch auf andern Gebieten betätigen, so zieht Peiräikos die letzte Konsequenz
aus Antiphilos Richtung, indem er sich ausschließlich auf diese Kleinmalerei der
unbedeutendsten, niedrigsten Gegenstände warf; in technisch höchster Vollendung
malte er Barbierstuben und Schusterwerkstätten, ferner Eselein und auch bloßes
Stilleben, wie Eßwerk und Ähnliches. Dieselbe Erscheinung finden wir auch
in einem andern Kunstkreise: der Cälator Pytheas ziseliert an kleinen Trink-
bechern Figuren von Köchen und allerlei derartigem auf Essen und Trinken Be-
züglichem. Zwar ist uns die Zeit dieses Künstlers nicht überliefert, doch kann
er, allen Analogien zufolge, nicht früher als in die hellenistische Periode ge-
setzt werden.
Unter den erhaltenen Werken kommen dieser Richtung einige der vor nicht
langer Zeit in Tanagra in Böotien gefundenen Terrakotten nahe, namentlich die
zwei in der Arch. Zeitung 1874 Taf. 14 publizierten Statuetten, von denen die eine
wahrscheinlich einen Bäcker2 darstellt, der, auf einem niedrigen Steine sitzend,
soeben etwas zu Röstendes auf einen kleinen, über glühenden Kohlen stehenden
Rost legt, während er auf den Knien das Brett hält, auf dem er die Brode formt;
1 Bei dem juvenis requiescens desselben kann man an die in den Campanischen
Wandbildern so zahlreichen genrehaft gefaßten mythologischen Gestalten ruhender oder
schlafender Jünglinge, wie Ganymed, Narkissos und besonders Endymion und an das
eine jener schönen Reliefs griechischer Erfindung bei Braun erinnern, das einen schlafenden
jugendlichen Jäger darstellt, insofern jener ganze Reliefzyklus auf Vorbilder hellenistischer
Malerei zurückzugehen scheint. Vgl. noch Anm. 5 S. 108.
2 Forchhammer in der Arch. Ztg. 1875 S. 47 hält ihn für einen Verfertiger von
Leukomata, übergipsten Tafeln.
1Q4 Der Dornausziehbr und der Knabe mit der Gans.
selbst ist bei dem heißen Geschäfte ganz unbekleidet und eifrig in seine Arbeit
vortieft. Ebenso aus rhedern Ständen und dem alltäglichen Leben gegriffen ist
dte der genannten Werke, dasselbe Thema behandelnd wie Peiräikos in
seinen Bildchen: ein einfacher, ehrsamer Bürger läßt sich die Haare schneiden;
er hat sich, nicht anders als bei uns, in einen langen weißen Mantel gehüllt und
sitzt nun ruhig geduldig da, aber nicht in sich versunken, sondern in steter Er-
65 Wartung, bis der hinter ihm stehende Sklave mit dem Geschäfte fertig sei; dem
eilt es aber gar nicht, mit der kaltblütigsten Ruhe scheert er die Haare nach
einander ab; in seinem wohlgenährten, vollen, gleichgültig stumpfen Gesicht haben
wir wohl den echten Typus eines Böoters, wie ihn uns die Alten schildern. Diese
Schärfe der Charakteristik, diese bei aller Ruhe lebendige Handlung ist aber mit
den einfachsten Mitteln erreicht: der Stil hat etwas Derbes, Volkstümliches,
namentlich sind die etwas zu starken und großen Arme und Köpfe zu bemerken;
letztere zeichnen sich noch besonders durch den prächtigen, echt griechischen
Schädelbau aus. Auch einige andre Stücke jenes Fundes in Tanagra gehören
hieher; so ein alter, kahler Bettler, der sich auf einen derben Jungen stützt, eine
alte Amme mit einem Säugling u. dgl. Über die Zeit der Entstehung dieser
Werke läßt sich leider nichts Gewisses sagen; doch werden sie schwerlich in
voralexandrinische Zeit fallen, wegen des Realismus, der seine Motive aus dem
niedrigsten alltäglichsten Leben greift (eine lokale Entwicklung könnte indes
Manches antizipiert haben). Andrerseits darf man sie nicht zu weit hinabrücken,
da ihr ganzer Charakter auf die gute Kunstzeit weist. — Die erhaltenen Wand-
bilder, mehr auf anmutige flüchtige Dekoration berechnet, als zur Nachahmung
feiner Kabinettsbilder geeignet, bieten leider nur wenig in die besprochene Rich-
tung Gehöriges. Außer den zahlreichen Stilleben kann man etwa hieher zählen
das Bild eines Barbaren, der mit einer Hetäre zecht, die ihn zu überlisten sucht;
ferner die ganz realistisch gehaltnen Bilder, die Schauspieler und Musiker dar-
stellen, ferner die Komödienszenen. In sehr niedrig charakteristischer Weise sind
auch die Gemälde gehalten, die Zwerge (Pygmäen) in verschiedenen Handlungen
des täglichen Lebens darstellen.1 Doch die Campanischen Wandbilder sollten
66 ja nur einen gefälligen Schmuck der Wohnräume bilden, natürlich warfen sie sich
daher mit größerer Vorliebe auf die idealisierenden Bilder der anmutigen Richtung,
die auch ihrer flüchtigen dekorativen Technik mehr entsprachen. Wir finden daher
besonders junge Mädchen in ansprechenden, freundlichen Situationen dargestellt;
harte und niedrige Darstellungen aber pflegt diese anmutige Dekorationsweise
meist zu idealisieren, indem sie Eroten und Psychen zu Trägern derselben macht;
denn diese sind bereits so sehr allen mythologischen Begriffs entkleidet, daß man
ihnen alle möglichen täglichen Geschäfte auferlegen konnte. '-
I leibig a. a. O. S. 77 ff.
Vgl Heibig a. a. O. 76; meinen EfOl S. 84 ff. [oben S. 54 ff.]
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 105
Von größerer Wichtigkeit jedoch ist eine andre Gattung des Genres, die
wir als die spezifisch hellenistische bezeichnen müssen, da sie eben nur
aus den Zuständen dieser Zeit sich erklären läßt.1 Die Umwandlung der meisten
Staaten in Monarchien hatte nämlich die weittragendsten Folgen. War früher
jeder Bürger ein ganzer Mensch und war er nur um des Staates willen und durch
den Staat, den er regieren half, da, so fällt jetzt, wo der Einzelne ohne nähere
Beziehung zur Regierung nur auf seine Privatinteressen angewiesen ist, und sogar
kosmopolitische Anschauungen um sich griffen, alles Gewicht auf das Einzel-
individuum, das, um sich zu erhalten, durch größere Arbeitsteilung sich immer
einseitiger ausbilden mußte; kurz es sonderten sich die Berufe ungleich schärfer
als früher, und man ist jetzt nicht mehr in erster Linie Mensch und Bürger,
sondern erst Soldat, Beamter, Gelehrter usw. Die gemeinsame Richtung der
Teile zum Ganzen hat aufgehört, jeder der Teile bildet sich für sich selbst
nach eigner Weise aus und es entsteht eine feine Sonderung in Individuali-
täten, ein Subjektivismus, von dem die frühere Zeit keine Ahnung hatte und
der an das Moderne streift. Doch das Naturgesetz legte in Jeden den Trieb, 67
sich zum ganzen und vollen Menschen auszubilden; wird er daran behindert durch
die Verhältnisse — und das war in dieser Zeit der Fall — , so fühlt er dies bald
schmerzlich und aus der tief empfundnen Einseitigkeit der eignen unharmonischen
Ausbildung entspringt eine Sehnsucht nach dem, was man nicht ist. Daher
erklärt sich das Interesse, das man jetzt an andern Berufen nimmt, das Interesse
an andern scharf ausgeprägten Individualitäten, das wir in der Kunst dieser Zeit
finden: es ist der Trieb, das einseitige Selbst aus Fremdem zu ergänzen. — Doch
was fehlte hier am meisten, wo das Leben sich immer mehr in großen Städten
konzentrierte und die sozialen Verhältnisse sich unsern modernen näherten?
Natur und Unschuld waren auch hier entwichen und nach ihnen verlangte
man sehnend zurück. So ist es Tatsache, daß das Naturgefühl der hellenistischen
Zeit eine bedeutende Schwenkung zur modernen sentimentalen Auffassung machte;2
doch am deutlichsten spricht für jene Sehnsucht ein ganzer Literaturzweig, das
Idyll, das seine Stoffe vorwiegend aus den niedern Kreisen der Landleute,
Hirten, Jäger und Fischer nimmt, die, aus dem Zusammenhange mit der Natur
noch nicht losgerissen, den überbildeten Städter als Bild des ersehnten, einfach
natürlichen Zustandes befriedigten. Nur die Wahl des Stoffes jedoch zeigt den
sentimentalen Zug; die Darstellung selbst ist, wenigstens bei Theokrit, voll von
gesundem Realismus. — Auch die Kunst bemächtigte sich jetzt dieser Stoffe,
namentlich der Hirten und Fischer mit großer Vorliebe. Leider mangeln uns
gerade hierüber bestimmte Nachrichten der Schriftsteller; doch da uns aus früherer
Zeit gar nichts Ähnliches bekannt ist, so können die Originale des zahlreich Er-
1 Vgl. die schönen Auseinandersetzungen bei Heibig a. a. O. 185 ff.
2 S. Heibig a. a. O. Kapitel 23.
IQg MAUSZIEHEH UND DER KNABE MIT DER GANS.
haltenen nur in dieser Periode gesucht werden, in der sie allein zu begreifen
68 sind. Aus Plinius (35, 25) kennen wir nur ein hieher gehöriges Gemälde, das
Iten Hirten mit dem Stabe in der Hand. Eine darangeknüpfte Anekdote
ist sehr bezeichnend: der Gesandte der Teutonen nämlich soll auf die Frage,
hoch er es schätze, geantwortet haben, nicht einmal lebendig wolle er einen
.heu .Mann geschenkt bekommen. So spricht der unverdorbne germanische
Naturmensch und ähnlich könnte ein Grieche der älteren Zeit sich geäußert haben.
Die Darstellung einer so niedern Person kann nur dann Interesse erwecken, wenn
der Hirte nicht des Hirten wegen, sondern um die Sehnsucht nach einem glück-
lich beschränkten Naturleben zu befriedigen, gemalt ist. Dem früheren gesunden
Gefühle aber mußten diese Gegenstände fern liegen, ja verächtlich dünken, es
liebte nur die Darstellung des freien, ganzen Menschen. Noch auf den Vasen
läßt sich daher das niedere Genre der Sehnsucht nicht mit Sicherheit nachweisen,
dagegen spielt es auf den Campanischen Wandbildern eine große Rolle, wo
namentlich die Hirten als Staffage der Landschaften sehr gewöhnlich sind.1 Vor
Allem gehört aber eine Reihe von Statuen hieher; die meisten stellen Fischer
dar, wie sie angeln oder die Ware zu Markte tragen oder feilbieten; die scharfe
realistische Charakterisierung entspricht den Schilderungen der hellenistischen
Poesie.'-' Andere Statuen zeigen Hirten oder Landleute, die z.B. ein geschlachtetes
Tier ausweiden oder es kochen.3 Überall sehen wir hier den Realismus zusammen-
wirken mit jenem Zuge der Sehnsucht, eine Vereinigung, der auch die ganze
Gattung der Landschaftsmalerei um dieselbe Zeit ihre Entstehung verdankt;
denn einerseits ist die Kraft, ein ideales Ganzes aus den Teilen zu gestalten,
erlahmt, andrerseits ist man von der Natur entfernt, ihr fremd geworden: man
69 imitiert sie und schafft nicht mehr aus ihr heraus, man hängt mit Sehnsucht
am Teil, am Einzelnen, weil man selbst ein Ganzes nicht mehr ist.
Einer idealeren Richtung begegnen wir in der zweiten Gattung des aus jener
Sehnsucht hervorgehenden Genres, den Kinderstatuen. Wo zeigt sich die
ersehnte Unschuld und Natur frischer, unmittelbarer und reizender, als im Kinder-
leben? Kein Wunder also, wenn auch dieses jetzt zu einem Lieblingsgegenstand
statuarischer Kunst erhoben wurde. Freilich bemerkten wir schon gegen Ende
der vorigen Periode Darstellungen von Kindern, aber es ist ein himmelweiter
Unterschied, ob dies in kleinen Gemälden, kleinen Terrakottastatuetten und Ge-
fäßchen geschieht, die selbst zum Kinderspielzeug bestimmt, oder ob man es
wagt, monumentale, statuarische Kompositionen zu gestalten aus der unbedeutend
nen Kinderwelt, die weder einem rein formalen Genüsse mit ihren unreifen
rmen genügen konnte, noch bloß durch Bewegung und Handlung ein für ein
inmentales Werk befriedigendes Interesse hervorrufen konnte. Drum stellte
1 S. Helbif 97.
HdMg .«. O. 187. - Beispiele bieten Chirac Tai 879; 880; 881; 882.
Iaf. 2H7, MW,.
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 107
auch die voralexandrinische Genreplastik nur Knaben dar, die dem eignen vollen
Menschen nahe standen; erst jetzt in hellenistischer Zeit, wo man, von sich selbst
nicht mehr befriedigt, sich aus Fremdem zu ergänzen sucht, jetzt war in der
Sehnsucht nach dem unschuldig natürlichen Wesen der Kinder der Punkt ge-
funden, der sie der monumentalen Behandlung würdig machte. Begünstigend
wirkte natürlich auch, daß die Kunst immer mehr im Dienste privater Dekoration
arbeitete.
Als das Hauptwerk der ganzen Richtung, in dem sich ihre wesentlichen Eigen-
schaften am klarsten widerspiegeln, ist offenbar der Knabe mit der Gans von
Boethos zu betrachten, von dem unsre Untersuchung den Ausgang nahm. Leider
ist uns außerdem literarisch gar nichts Bestimmtes überliefert. Nur ein Werk 70
kann hiehergezogen werden: Epigonos, ein Künstler unbekannter, doch wahr-
scheinlich hellenistischer Zeit macht die Gruppe einer sterbenden Mutter, die
von ihrem Kinde „miserabiliter" geliebkost wird:1 der ganz malerische Vorwurf
erinnert uns auffallend an Aristides berühmtes Werk; aber sehr bezeichnend sind
die Unterschiede: dort bei Aristides liegt alles Gewicht auf der Mutter, die voll
Angst und Schmerz für des Kindes Leben noch im Tode sorgt — hier dagegen
auf dem Kinde, das in seiner unwissenden Einfalt und echt kindlichen Liebe die
Mutter, die ihm stirbt, liebkost; hier freuen wir uns am einfach Kindlichen und
bemitleiden das arme Würmchen — dort packt uns ein ernstes tief ergreifendes
Pathos. So tritt uns in dieser Umbildung eines älteren Werks der ganze
Charakter hellenistischer Kunst aufs deutlichste entgegen und nicht umsonst
trug Epigonos seinen Namen: er war ein Epigone.
Von den zahlreichen uns erhaltenen Werken dürfen wir nach dem Voraus-
gegangenen annehmen, daß ihre Originale sämtlich in hellenistischer Zeit nach
dem Vorgange des Boethos gestaltet wurden. Vor allem berühmt muß eine uns
in mehreren Repliken erhaltne Komposition gewesen sein, einen kleinen Knaben
darstellend, der nach Kinderart auf dem Boden sitzt; er scheint aufstehen zu
wollen, ohne es noch zu können; bittend streckt er den einen Arm aus und
blickt aufwärts, daß man ihm helfen solle; doch da er den andern Arm auf seine
Gans, den Lieblingsvogel, legt, um sie festzuhalten, so scheint diese, die man
ihm vielleicht wegnehmen will, der Grund seiner Erregung zu sein.2 Auch hier,
1 Diltheys Vermutung (Rhein. Mus. 1871, 300), auch diese Gruppe gehöre einer Iliu-
persis an, entbehrt aller Wahrscheinlichkeit.
2 Es sind acht Statuen, zusammengestellt von Jahn (Sächsische Berichte 1848, 45)
und Stephani CR. 1863 S. 55, [Österr. Jahreshefte VI, 215 ff.]). — Verwandte Motive finden
sich auch in Terrakotten, s. Stephani a. O. Hinzufügen kann man eine Statuette des
Münchner Antiquariums Nr. 44, die auch den aufgewendeten Blick zeigt, doch ohne Gans
und beide Arme aufgestützt. Eine direkte Abhängigkeit von der statuarischen Kom-
position kann indes nirgends mit Sicherheit angenommen werden.
Der D< niii-R und der Knabe mit der Gans.
an Werke des Boethos, liegt das Interesse in dem Kontraste der kindlichen
Not und Sorge mit dem kleinen Gegenstande, des ängstlichen Eifers mit der
kindlichen Unbeholfenheit, wodurch unsre Sehnsucht nach der beschränkt un-
schuldigen Kindheit erwacht.1 Denselben Grundzug tragen die übrigen, weit un-
bedeutenderen Werke der Art, die meist einen ruhig dastehenden Knaben, der
inen lieben Vogel füttert oder an sich drückt, darstellen.'-'
Andre sitzen am Boden mit einem Vogel oder einer Frucht3 oder halten
stehend Früchte.4 Sehr beliebt ist es in der hellenistischen Zeit, schlafende
Gestalten darzustellen; so finden wir denn auch bald Kinder überhaupt, bald
ländliche Hirten oder Fischerknaben, die entweder in liegender oder — indem
sie sich auf das eine heraufgenommene Bein stützen — in sitzender Stellung
schlafen.'' Einige Gruppen zeigen knöchelspielende und darum sich streitende
Knaben." Sehr fragmentiert sind einige Statuen laufender, irgend ein kleines
Interesse verfolgender Jungen.7 Selten wurden Mädchen dargestellt, doch scheint
ein Werk berühmt gewesen zu sein: ein kleines Mädchen, das am Boden sitzt
1 Dieses Werk hätte daher Overbeck, wenn doch einmal vermutet werden sollte,
immerhin mit jenem bei Pausanias genannten „sitzenden Kinde" des Boethos identifizieren
können, nimmermehr aber den Dornauszieher, gegen den ja schon rein sprachlich die
Bezeichnung xeudior bei Pausanias spricht, denn ihn würde er xat* genannt haben.
1 S. die Zusammenstellung bei Stephani CR. 1863, S. 53 Anm. 6; S. 54 A. 1 und 4. —
Die bei Stephani erwähnte Statue Clarac 878, 2231 gehört einem Typus an, von dem
noch ebenda 876, 2236 A.; 878, 2239 zu bemerken sind: sie haben ein kurzes Gewand,
das an der linken Seite etwas heraufgenommen wird durch den linken Arm, der ursprüng-
lich wohl immer einen Vogel andrückte.
s S. Clarac 875, 2234; 677, 1577; 881, 2243. — Ich begnüge mich hier nur auf die
Hauptgruppen hinzuweisen ; doch wäre eine genauere Behandlung der so vernachlässigten
Kinderstatuen sehr wünschenswert. Es müßten dabei aber auch die göttlichen Kinder
herangezogen werden, und vor allen Eros, der schon teilweise auf den kleinen Kinder-
vasen, und in den späteren Terrakotten in ganz denselben Motiven dargestellt wird wie
die menschlichen Kinder.
4 S. Clarac 884, 2259, 2252.
• Clarac Taf. 875; 882, 2247 D; 879, 2242; 726 H, 1791 C; 781, 1954 (schwerlich
Herakles, die Schlangen bezeichnen das Freie, Ländliche?); 644 A, 1459 E (auch Köcher
und Bogen modern?); 749 C, 1949 A (durch die Urne als Brunnendekoration bestimmt). —
Jünglinge sind der schlafende Ziegenhirt 741, 1784 und der Fischer 882, 2247 C. —
Schlafen scheint in statuarischer Kunst erst in der hellenistischen Zeit vor-
zukommen, wenigstens ragt wohl kein Original der vielen schlafenden Nymphen, Minaden,
Ariadnen, Satyrn, Eroten und Hermaphroditen in ältere Zeit zurück.
• Vor allem die höchst lebendige Gruppe bei Clarac 880, 2254, deren Stil (nach
Brunn i auf die Pergamcnischc Schule weist. — Ferner ebenda 2253; 884, 2255.
larac 878, 2237 A; 876, 2240 (vgl. die Terrakotte CR. 1868 Taf. 3, 9, wo ein
dehen nachläuft); 540, 1135; 641, 1454 (der kleine Fros nebst halber Pünthe mo-
dern?). — Auch Athletenknaben kommen vor und zwar wohl als Genrestücke; so Clarac
(soll intakt sein); 651, 1483 (Sieger wegen des Palmstamms?) ; 349, 2225 A
Im Hahnenkampf).
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 109
und Knöchel spielt;1 aber auch Mädchen mit dem Lieblingsvogel kommen vor,
wie eine Statue des Capitolinischen Museums, die sich durch schöne Gewand-
motive auszeichnet, ein Mädchen zeigt, das erschreckt eine Taube am Busen zu
bergen und zu schützen sucht gegen ein andres Tier, etwa einen anspringenden
Hund (Clarac 877,2235 [Heibig, Führer2 540]).
Doch kehren wir endlich zurück zu unserm Ausgangspunkte, zu jener Frage,
welche diese ganze Untersuchung veranlaßte: welche historische Stellung der
Knabe mit der Gans und der Dornauszieher einnehmen. Wie trefflich sich
ersterer, das Werk des Boethos, in das Ganze hellenistischer Kunst einfügt, haben
wir oben klargesehen. Aber der Dornauszieher? wird man ungeduldig fragen.
Natürlich kann er unmöglich derselben Zeit, noch viel weniger demselben Künstler,
Boethos, angehören, wie Overbeck (Plastik II2, 127) festhält; vielmehr, wenn wir 72
uns der zu Anfang aufgestellten Gegensätze beider Werke erinnern, so sind dies
ganz dieselben, wie wir sie jetzt zwischen vor- und nachalexandrinischem Genre
beobachtet haben: der Knabe mit der Gans und mit ihm das ganze hellenistische
Genre entspringt aus der Sehnsucht nach einem verlornen Paradiese der Natur
und Unschuld. Drum stellt man nicht das eigne Alltagsleben dar; ist man doch
nicht mehr befriedigt von sich selbst und kann kein Interesse mehr haben an
der bloßen Darstellung dessen, was man selbst ist; Hirten und Fischer und vor
Allem Kinder müssen in das verlorne Naturleben zurückversetzen. Dagegen der
Dornauszieher und mit ihm das ganze voralexandrinische Genre ist nichts
als reine Darstellung einer Handlung, nicht aus dem entfernten Kinder- oder
Fischerleben etwa, sondern aus dem unmittelbar eignen, wo nichts als die scharfe
Ausprägung des Momentes der Handlung interessiert und nirgends eine Spur
sich findet von jenen mit der Darstellung verknüpften Nebenelementen, nichts
von jenen gesuchten Kontrasten glücklicher Beschränktheit mit der eignen Über-
kultur, kurz nichts von jener Sehnsucht nach natürlich unschuldigen Zuständen,
die dem Hellenistischen so eigentümlich ist.
1 Mit Po ly kl et hat es auch nicht die entfernteste Verwandtschaft (Overbeck,
Plastik I2, 345 möchte es auf ihn zurückführen); schon das von der Schulter sinkende
Gewand zeigt die spätre Zeit an; die Gesichtszüge sind porträtartig. — Schwerlich ein
Genrebild war die gemalte „puella" in Eleusis von Eirene (Plin. 35, 147); mit Recht
vermutete man teils eine .-iaT; äq>' botük, teils eine mißverstandne Übersetzung von K6orh —
Ungewiß bleiben wir auch über das Werk eines Ktesikles in Samos (Athen. 13,
606a); Athenäus selbst nennt dasselbe nur Ildgior äyalpa, Philemon li&ivop u^or, Alexis
dagegen lidiv-q y.6o?i (Overbeck SQ. 1372 läßt die beiden Dichterstellen weg); da es
bei der betr. Erzählung immer nur darauf ankam, daß es ein steinernes Wesen war,
in das sich einer verliebt, so gab man den eigentlichen Gegenstand gar nicht oder nur
ungenügend an. Auch ob die gleich darauf bei Athenäus 606 B aus dem Helladikos
des Polemon zitierten näi8eg Xi&ivoi ovo Genrestücke waren, ist ganz ungewiß.
HO DER DORNAUSZIEHER UND DER KNABE MIT DER GANS.
Unser Dornauszieher gehört also in die voralexandrinische Kunst. Doch
können wir dies noch genauer bestimmen; denn nicht etwa ins 4., sondern noch
ins ">. Jahrh. v. Chr. weisen ihn mehrere Momente, namentlich die deutlichen
ren des Altertümlichen an Maar und Gesicht. Freilich haben eben diese Spuren
einen unsrer trefflichsten Kunstgelehrten (Kekule) bewogen, das Werk in eine
erschiedene Zeit und Schule, in die des Pasiteles zu Rom, eines Zeit-
en des Pompejus, oder in eine diesem verwandte und nahe stehende (uns
loch unbekannte) Schule zu setzen.1 Dieser Irrtum, der indes fein durchgeführt
ist und daher eine genaue Erwägung verlangt, ist sehr begreiflich bei der voll-
kommenen Unklarheit, die bisher über die Geschichte des Genres herrschte. Denn
auch Kekule geht von jener Voraussetzung aus, deren Falschheit wir erwiesen
haben, der Voraussetzung, daß der Dornauszieher als „Idyll" mit Boethos und
der hellenistischen Geistesrichtung gleich zu setzen sei. Er glaubt, das Werk
könne auch „in minder glücklichen Zeiten der Kunst" geschaffen worden sein,
ja er hält selbst das „Motiv" in der älteren Kunst für unmöglich und übersieht
dabei vollständig gerade jene im Folgenden noch näher zu betrachtende, kühne
Härte der Komposition, die man sich eben nur in den besten Zeiten des 5. Jahrh.
erlauben konnte. Für diesen Grundirrtum, daß das Werk einer späteren Zeit an-
gehören müsse, sucht nun Kekule zweierlei scheinbare Widersprüche in der
formalen Behandlung unsres Werkes zu verwerten: der mit Lysippischer Meister-
schaft gebildete Körper widerspreche dem Haare, und wiederum die sorgfältig
zierliche, selbst freie Haarbehandlung widerspreche dem an sich unmöglichen
Wurfe desselben, indem die Locken der Bewegung des Kopfes entsprechend mehr
vorwärts fallen sollten. Beide Widersprüche verschwinden aber bei genauerer
Betrachtung. Beim Haare zunächst ist zu beachten, daß alle Haare, nach der
Sitte der älteren Kunst, von einem einzigen Punkte am Wirbel ausgehen, daß sie
also gar nicht so vorfallen konnten, wie bei einer naturgemäßeren Anordnung.
Die langen lockigen Haare zerfallen nun in zwei Hauptpartien, die rechts und
links sich weich und eng um den Schädel legen (auch hinten ist die Scheidung
noch bemerklich). Bei der Neigung des Hauptes rutschen sie aber eben so weit
vor, als es die Natur solchen enganliegenden, elastischen und schmiegsamen
:; Haares verlangt; ja der Künstler hat es nicht unterlassen, dieses Vorrutschen auf
der rechten Seite, die tiefer geneigt ist, mehr zu betonen, als auf der linken.
In der Mitte zwischen diesen beiden Seitenpartien wächst ein selbständiger kürzerer
Haarbündel zur Stirn herab, wo er sich in einen kleinen Knoten konzentriert,
die Richtung des Kopfes nach vorn noch einmal betont. Symmetrisch kommen
endlich zwischen diesem Zentrum und den beiden Seitenpartien als vermittelnder
Ulg einige kleine, sorgfältig gelockte Härchen zum Vorschein. Die zierliche
und feine Behandlung namentlich der Lockenspit/.en ist durchaus den Forderungen
akademische Kunstamieum zu Honn Nr. 399 (S. 99). [Vgl. Furtwängler,
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 1 1 1
des Bronzestils entsprechend, denen schon die altertümlichen Werke mit ihren
zierlichen, symmetrisch gereihten Drahtlocken besonders gerecht zu werden suchten.
Aber auch das so äußerst anziehende einfache Gesicht vom reinsten Typus
zeigt noch deutliche Spuren des Altertümlichen in der Gesamtanlage: in dem
Vorwiegen des breiten, großen Kinns gegen die niedere Stirn, in den noch nicht
ganz im Profil stehenden Augen und dem etwas äußerlich aufgefügten Mund,
dessen Winkel ein Weniges emporgezogen sind. Aber all dies ist nur ein sanfter
Nachklang an archaische Gebundenheit, wie er einer Übergangszeit eigentümlich
sein mußte, und weit entfernt von einem bewußten Hervorheben des Alter-
tümlichen. — Endlich der Körper wird wegen der trefflichen Wiedergabe der
Formen dieses jugendlichen Alters mit Recht bewundert. Wenn aber Kekule
Lysippische Kunstart an ihm bemerken will, so wüßte ich wahrlich nicht, worin
diese bestehen sollte; denn weder von Lysippischen Proportionen noch von ge-
wissen naturalistischen Zügen ist irgend etwas zu bemerken.1 Auch die Falten
am Bauche, die man etwa anführen könnte, geben in der scharf abgrenzenden
Bronzetechnik nur das zum Verständnis der Bewegung Wesentliche und Not- 75
wendige, sie dienen nur zur Klarlegung des inneren Organismus bei seiner ein-
gedrückten und verschobenen Lage, sind aber frei von allen naturalistischen Zu-
fälligkeiten, die sich spätere Künstler gerade hier gewiß erlaubt hätten. Wohl
aber muß man hier an die hohe körperliche Vollendung erinnern, die z. B. schon
in den Ägineten erreicht ist, wo ja auch schon (wenigstens im Ostgiebel) die
Falten der Haut zur Charakterisierung der Bewegung beigezogen werden.
So können wir denn von jenen angeblichen Widersprüchen keinen begründet
finden, indem sich vielmehr Alles zu einem harmonischen Ganzen vereinigt. Wir
erkennen hier einen Künstler aus der letzten Hälfte des 5. Jahrh., der, bei bereits
genauer Kenntnis namentlich des bewegten männlichen Körpers, sich doch in
dem den geistigen Ausdruck bedingenden Teile, dem Kopfe, noch nicht ganz
von der altertümlichen Gebundenheit losmachen konnte, der er auch in der An-
lage des von einem Punkte ausgehenden Haares folgte. — Zu der richtigen
Annahme einer älteren Schule des 5. Jahrh. gelangt auch die neueste Besprechung
unsrer Statue in den Annalen des archäologischen Instituts (1874); die nähern
dort versuchten Bestimmungen kann ich jedoch nicht als richtig anerkennen, da
auch sie nicht auf einer vollen Erkenntnis der Eigentümlicheiten unsres Werkes
beruhen. (Siehe die Schlußanmerkung [S. 117].)
Ich kehre zu Kekules Vermutung der Pasitelischen, oder einer im Wesent-
lichen analogen Schule zurück; sie wird nicht nur durch die oben aus der formalen
Analyse gewonnenen Resultate unhaltbar, sondern sie widerspricht auch überhaupt
1 Naturalistische Züge versichert auch Brunn nicht an ihm bemerkt zu haben. —
Etwas Andres ist es mit dem betenden Knaben zum Beispiel, wo der Lysippische Ein-
fluß unleugbar ist.
U2 DBF DORNAUSZIEHER UND DER KNABE MIT DER GANS.
dem Kunstvermögen der griechisch-römischen Epoche,1 die keine einzige neue
Crinale Schöpfung von Bedeutung auf dem Gebiete idealer Skulptur aufzuweisen
76 hat. die nur im Kopieren und Umbilden überlieferter Typen ihr Verdienst suchte;
volle Originalität wird aber niemand unserm Werke absprechen wollen. Ferner
laßt sich jene Ansicht gerade mit den wesentlichen Eigenschaften der Pasite-
lischen Richtung nicht vereinen. Indem diese eklektische Schule nämlich mit
Vorliebe altertümliche Typen mit erneutem Studium des Modells wiederholt, ent-
steht an ihren Werken ein unharmonischer Kontrast des in der überbreiten Brust
und der ganzen Kopfbildung und der gebundnen Stellung festgehaltnen archaischen
Typus mit der raffiniert eleganten, naturalistischen Behandlung des Einzelnen;2
von einer solchen Disharmonie haben wir aber im Dornauszieher nichts gefunden.
Entschiedner noch ist der geistige Charakter der Pasitelischen Schule jener An-
nahme zuwider. Ohne eine einzige neue, ganz eigene Komposition zu schaffen,
sucht sich jene eklektische Richtung ihre Motive von überall zusammen.3 Ihr
Verdienst sieht sie lediglich in der Durchführung, in dem raffinierten Detail-
studium, gegen das die geistige Bedeutung vollkommen zurücktritt. Das Haupt-
werk der Schule scheint eine steife akademische Studienfigur gewesen zu sein,
die nun bald einzeln dargestellt, bald in völligem Mangel aller und jeder Phantasie
und Erfindung mit andern Figuren zu einer losen Gruppe verbunden wird, überall
mit derselben einförmigen Stellung und Haltung der Glieder; ja diese Schule
allein scheint es bis zu sinnlosem Kopieren gebracht zu haben.4 Nirgends ist
ferner in jenen Gruppen eine klar ausgesprochene Handlung da, sogar die Haupt-
motive sind meist ganz unklar, so daß der Streit über die Gegenstände, die sie
darstellen, bei einer so ins Allgemeine verflachten Behandlung wohl nie ent-
schieden werden kann.5 Wie kontrastiert nun dies Alles mit dem Dornauszieher,
77 mit seiner scharf und hart ausgesprochnen Handlung, wo nichts als eben diese
das Interesse ausmacht? Welcher Gegensatz, dort diese einförmig bedenkliche,
' VjgL die eingehenden Untersuchungen von Heibig a. O. S. 7 ff. — Die Annahme
einer .vielleicht früheren", der Pasitelischen im Wesentlichen analogen Schule schwebt
ganz in der Luft und ist an sich wenig wahrscheinlich. [Furtwängler, Statuenkopien S. 20.)
: Vgl. die feinen Bemerkungen von Kekule, Der Künstler Menelaos S. 32 ff. [Furt-
wängler, 50. Berl. Winckelmannsprogr. S. 135.]
* Vgl. a. O. S. 18 über die Originalität der Gruppe Ludovisi.
1 Sinnlos ist offenbar die Haltung des linken Arms am Mantuaner Apoll von dein
male des Leier spielenden Gottes beibehalten. [Furtwängler, 50. Berl. Winckelmanns-
progr. S. 141. Wolters, Jahrb. 1896, S. 5.)
1 Ich halte mich hier an das Wesentliche und das sicher aus Pasiteles' Schule
Stammende (von dem Camillus /.. B. ist dies keineswegs ausgemacht). Die Gruppe des
!ie, dem eklektischen Charakter der Schule entsprechend, formal eine ganz
andre Richtung einschlägt, beweist durch die Art der studierten, matten und unklaren
ition ohne Handlung, daß diese geistige Ligenschaft eben der ganzen Pasitelischen
ung wesentlich war.
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. H3
trockene Richtung des Pasiteles, diese gesuchte Ruhe, diese affektierte, studierte
Geziertheit — und hier das frische, volle, kühne Leben im Dornauszieher!1
Hat er also nichts zu tun mit Pasitelischer Richtung, gehört er dagegen ins
5. Jahrh. v. Chr., so können wir vielleicht noch einen Schritt weiter gehen und
die Schule, der das Werk angehört, näher zu bestimmen versuchen; ich sage
die Schule, nicht den Meister; denn früher zwar war es eine vielverbreitete, leicht-
sinnige Methode, zu jedem bedeutenderen Kunstwerke sich immer aus den
literarischen Notizen auch den Namen des verfertigenden Künstlers auszuwählen;
und so hat ja auch unser Werk eine derartige Behandlung erfahren, die es ohne
Rücksicht auf den künstlerischen Charakter mit einem von Boethos genannten
identifizierte. Etwas ganz anderes ist es, wenn man nach genauem vergleichenden
Studium eines Werkes wagt, dasselbe einer ganzen Schule, einer Richtung im
Allgemeinen beizulegen.
Erinnern wir uns nun dessen, was wir gleich zu Anfang über die Kompo-
sition des Dornausziehers bemerkten. Wir fanden da in dem heraufgenommenen
Beine eine unsymmetrische Härte der Linienführung, wie sie nur äußerst selten
in den Werken antiker Kunst zu Tage tritt. Dieser Punkt muß daher für die Be-
stimmung der Schule, der unsre Statue zuzuweisen ist, von entscheidender
Wichtigkeit sein. Allerdings existieren leider noch gar keine genaueren Unter-
suchungen über Linienführung in den verschiedenen Schulen, was gerade für
den vorliegenden Fall sehr zu beklagen ist. Dennoch dürfen wir wenigstens
soviel mit Sicherheit behaupten, daß jene Eigenschaften zunächst mit der An-
nahme Peloponnesischer Schule unvereinbar wären. Wir brauchen ja nur 78
einen Blick zu werfen auf den Polykletischen Doryphoros oder Diadumenos, die
uns ja höchst wahrscheinlich in Kopien erhalten sind, um sofort in dieser fast
mathematisch strengen, klaren und regelmäßigen Linienführung das gerade Gegen-
teil von dem zu erkennen, was wir am Dornauszieher bemerkten. Auch die
Werke aus der Attischen Richtung des Phidias sowohl wie des Praxiteles bieten
nichts Verwandtes dar: denn finden wir auch leidenschaftlich und individuell
bewegte Gestalten, so herrscht doch überall das Streben nach harmonischer Ab-
1 Schließlich will ich noch Eines erwähnen, das mir gegen Pasitelische Schule zu
sprechen scheint: eine Marmorreplik des Dornausziehers, die demnächst veröffentlicht
werden soll [Brit. Mus. 1755], wiederholt zwar das Grundmotiv, ist aber in der Ausführung
total verschieden: eine freie, an die Pergamenische Kunst erinnernde realistische Behand-
lung, besonders im Kopfe, tritt an Stelle der Altertümlichkeit. Stammt nun das Capitolinische
Erzwerk aus Pasiteles' Schule, so sind nur zwei gleich unwahrscheinliche Annahmen
möglich: entweder ist der Marmor Kopie; — daß man aber nach Pasiteles und not-
wendig bald nach ihm ein Werk seiner Schule seines (altertümlichen) Charakters und
Hauptinteresses beraubt und frei umgestaltet hätte, ist undenkbar. Oder der Marmor
ist Original oder steht wenigstens demselben näher — dann widerspricht es aber direkt
dem Charakter Pasitelischer Schule, daß sie ein Original der Diadochenperiode in
solcher Weise umgestaltet hätte, daß ein Werk von der vollen packenden Einheit, dem
zarten unbewußten mit der Komposition verwachsenen Archaismus, wie die Capitolinische
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. 8
114 Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans.
rundung vor. wie man z. B. an den Niobiden leicht bemerken wird. Etwas
iinserm Werke Verwandteres haben dagegen die Attalischen Weihgeschenke aus
der Pergamenischen Schule — aber doch wieder in wesentlich verschiedener
Art: hier hat Leidenschaft alle Glieder gleichsam in ihren Fugen gelöst und
Leidenschaft motiviert jede Bewegung. Wie anders dagegen die einfache, nicht
von innen, nur durch die körperliche Handlung motivierte Härte unsres
Doraausziehers! Auch dort in den Gallierstatuen ist der symmetrische Aufbau
durchbrochen, aber um das stürmische innere Pathos zur Anschauung zu bringen.
Man vergleiche nur einmal im Einzelnen den sog. sterbenden Fechter mit dem
sterbenden Ägineten des Ostgiebels und man wird den ganzen Gegensatz em-
pfinden, der diese ältere Zeit, wo das Ganze der rein körperlichen Bewegung,
wo ein wohl abgemessener Typus dieser Bewegung das Ziel war, von jener
spätem Kunstweise trennt, wo der Künstler nicht einen Typus, sondern das ganz
individuelle, einzelne, immer wechselnde Pathos zur Grundlage nimmt. Der
Realismus der hellenistischen Kunst steht in engster Verbindung mit dieser Rich-
tung aufs Individuelle und Besondere. Indessen tat die hellenistische Kunst in
79 diesen beiden Momenten, dem Realismus und der veränderten, auf das innerlich
Individuelle zielenden Linienführung nur einen ersten Schritt zu dem in der mo-
dernen Kunst Erreichten: die Gallierstatuen sind das erste, wenn auch noch weit
entfernte Analogon zur Linienführung eines Michel Angelo. — Von dieser ganzen
Entwicklungsreihe steht aber unser Dornauszieher weit ab: nicht individuelle
innere Erregung, sondern die Lebendigkeit einer allgemeinen körperlichen Hand-
lung durchbricht die symmetrische Anlage, und hierin gibt es meines Wissens
nur Ein Werk, das ihm wirklich nahe steht: es ist der Diskobol des Myron.
Denn auch hier haben wir unschöne Härte der Umrisse dem möglichst wahrheits-
getreu und lebendig gefaßten Momente einer körperlichen Aktion zu Liebe. Be-
stätigt wird diese auf Myron hinleitende Spur dadurch, daß auch in den Metopen
des Theseions, die unter Myrons Einfluß stehen, sich Ähnliches findet, z. B. wie
der Minotaur den Theseus angreift u. a.
Einmal auf die richtige Bahn geleitet, stimmt nun Alles merkwürdig mit dem
Charakter Myronischer Schule überein. Denn wenn in unserm Dornauszieher
sich Alles auf den Einen möglichst präzis gefaßten Moment der Handlung kon-
zentriert und hierin alles Interesse aufgeht — so ist das echt Myronisch, ja eben
darin spricht sich das Wesen der Kunst des Myron aus; diesem lebensvollen
Herausheben der einen, scharfabgegrenzten Handlung zu Liebe zerbricht der Dis-
kobol gleich wie der Dornauszieher die ruhige Symmetrie der Linien. Doch
das innere Leben der Seele (animus" Plin.), der Empfindung, blieb derMyronischen
Richtung noch fremd: auch der Dornauszieher verrät in dem ruhig edeln, noch
ic ihn zeigt, hätte entstehen können. All diesen Schwierigkeiten entgeht man nur
durch unsre Annahme eines Originals des 5. Jalirh., das spätre Umbildungen im Qeiste
rfnhr. (I'urtwängler, Meisterwerke S. 68
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. H5
etwas altertümlichen Typus des Kopfes keine Spur von innerer Gemütserregung.
Wenn uns endlich gerade von Myron berichtet wird, daß er bei sonstiger freier
Vollendung des Körpers in der Bildung des Haares noch der alt schematischen 80
Behandlung folgte (der rudis antiquitas wie bei Plinius etwas stark von dem
einseitig Lysippischen Standpunkt gesagt wird, eine Vernachlässigung folgt daraus
auch nur von diesem Standpunkte des Realismus, dem die schematische Sorg-
falt der antiquitas als Vernachlässigung der Naturwahrheit erschien), so stimmt
auch dies mit dem Dornauszieher in auffallender Weise überein. Monumentale
Analogien für das Einzelne können wir leider hier nicht beiziehen, denn keine
Statue jener Übergangszeit stellt uns eben solches langes Lockenhaar dar, und
was von Myronischen Werken erhalten ist, sind auch nur Kopien, die natürlich
für alles Detail eine sehr unzuverlässige Grundlage bilden, indem gerade gewisse
altertümliche Spuren im Haar oder Gesichtsausdruck sehr leicht verwischt werden
konnten. — Zu jenen sämtlich auf Myron weisenden Punkten kömmt nun end-
lich, daß von den Schulen des 5. Jahrh. außer der Polykletischen, die wir schon
früher abwiesen, nur die Myronische sich unsres Wissens in der Genrebildung
hervortat, und daß uns gerade von ihr einige der bedeutendsten Genrestücke
bekannt sind, die auf eine umfangreiche Beschäftigung eben mit diesem Zweige
schließen lassen. Und diese Werke stellten Knaben dar — wie unser Dorn-
auszieher. Allerdings betrachteten wir jene als Weihgeschenke, die eine bestimmte
Beziehung hatten. Es waren Knaben mit Weihwasserbecken und am Räucher-
altar, also im heiligen Tempeldienste beschäftigt. Nun wissen wir freilich nicht,
ob auch unser Dornauszieher ein solches Weihgeschenk war, aber es wird Nie-
mand behaupten wollen, daß dies unmöglich sei; ja das Motiv enthält vielleicht
selbst einen bestimmten Bezug: man durfte einen heiligen Bezirk bekanntlich
nur mit entblößten Füßen betreten; ein Knabe im Dienste des Tempels konnte
sich also sehr oft etwas in die Fußsohle treten, das er sich wieder herausziehen 81
mußte. Sollte also ein solcher Knabe dargestellt werden, was bezeugtermaßen
gerade von der Myronischen Schule mehrfach geschah, lag es nicht nahe, einmal
einen — Dornauszieher zu bilden? — So würde sich unsere Statue ganz an
jene Knaben des Lykios anschließen, die ebenfalls, ohne eine bestimmte Person
darzustellen, doch einen engbegrenzten Kreis, nämlich im Tempel dienende
Knaben durch einen Repräsentanten vergegenwärtigen. Als Weihgeschenk an
eine Gottheit wird dieser Eigentum letzterer und erhält dadurch eine individuelle
Bedeutung, die jenem strengen Wesen des Genres, wie es aber nach unsern
Ausführungen wahrscheinlich erst durch Polyklet aufkam, noch nicht entspricht.1
1 Es ist interessant, daß eine Legende der modernen Römer sogar eine historische
Persönlichkeit aus unserm Dornauszieher machen will. Man erzählte, ein Hirtenknabe
habe durch die schnelle Botschaft vom unvermuteten Heranrücken der Feinde die Stadt
gerettet und bei seinem Laufe aufs Capitol einen Dorn nicht geachtet, diesen erst nachher
ausgezogen; aus Dankbarkeit habe der Senat ihm eine Statue als Dornauszieher setzen
8*
1 1 (5 Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans.
Um nun das gewonnene Resultat zusammenzufassen, so haben wir im
Dornauszieher das originale Werk eines Künstlers, der etwa ein Zeitgenosse des
Myron oder seiner nächsten Nachfolger, wie diese noch in einigen Punkten am
Archaischen hängend, von der Myronischen Schule direkt beeinflußt wurde.1
In den beiden Statuen, dem Kinde mit der Gans und dem Dornauszieher,
erkennen wir also die Repräsentanten der beiden Hauptepochen griechischer
Genrebildnerei, ja sie charakterisieren aufs deutlichste zwei geistig so verschiedene
Kulturperioden wie die vor- und die nachalexandrinische. Beides aber sind
Werke ersten Rangs und nicht umsonst von jeher so bewundert. Das moderne
Genre, das wohl nur Weniges ihnen an die Seite stellen kann, hat keine zwei
so ganz verschiedenen charakteristischen Epochen aufzuweisen; es basiert viel-
mehr von Anfang an auf jenen Bedingungen, die das hellenistische Genre hervor-
riefen. Und wie in jeder andern Beziehung, so hat sich auch hier der Hellenis-
nus dem Modernen vielfach angenähert. Aber dennoch bleiben wesentliche
Verschiedenheiten genug; denn trotz mancher Anläufe konnte der Realismus im
antiken Genre doch nie sich zu einer solchen Stärke entwickeln, wie dies in dem
modernen geschah; die idealanmutige Richtung blieb hier immer ein starkes
Gegengewicht, um jenen zurückzuhalten. Ebensowenig kennt das antike Genre
jene eminente Steigerung des Individuellen, durch welche die moderne
Kunst fast jeden beliebigen Moment des Lebens, wenn sie nur eine scharfe
Charakteristik damit zu verbinden weiß, zum interessanten Gegenstande erheben
kann. Bei den Alten blieb es wohl immer bei dem entweder durch die Hand-
lung an und für sich oder durch den Stand hervorgerufenen Interesse. Deshalb
konnte weder Genre noch Landschaft den Umfang und die Bedeutung erreichen,
die sie namentlich heutzutage inne haben. Jeder kleinste individuellste, be-
sonderste Moment kann in unsrer Kunst Reiz gewinnen. Bei den Griechen
war eine allgemeine Beziehung zu jedem Beschauer nötig, und nicht jeder
Moment des Seins als besondrer Zustand war ihm genug, sondern nur insofern
Handlung und Charakter daran hervortraten: die Griechen befriedigt nur, wie
Schiller richtig sagt, „das Lebendige und Freie, nur Charakter, Handlungen,
Schicksale und Sitten". Dennoch würde eine genauere Vergleichung des antiken
Genres mit dem modernen auch manche Analogien ergeben, die eben im Wesen
lassen. - - Das ganz beziehungslose Genre scheint, wie es dem Charakter der Öffentlich-
keit und Monumentalität nicht entspricht, so überhaupt der Masse des Volkes nicht recht
verstandlich; dieses sucht überall bestimmten Inhalt und Beziehung auf sich und wo
diese nicht vorhanden, da dichtet es sie gerne dem populären Werke an. Daher kennt
ja auch die ältere durchaus öffentliche Kunst der Griechen nur das durch eine religiöse
Beziehung bestimmte (ienre, bis die häufigere private Bestimmung der Werke auch diese
te.
1 Indem der Dornauszieher entschieden der Attischen Schule zufällt, bietet er durch
den Typus seines Schädels, der ganz die von Conze aufgestellte pcloponnesischc Bildung
. t, ein neues Moment gegen jene Theorie.
Der Dornauszieher und der Knabe mit der Gans. 117
der Gattung liegen. So entwickelt sich z. B. auch das moderne Genre zuerst in
kleinen Bildchen, die keinen Anspruch auf monumentale Geltung haben, in
Handzeichnungen oder Holzschnitten und namentlich in rein dekorativen Arbeiten,
bis es sich die höheren Bereiche der Kunst erobert. Ferner trifft die Zeit des
ersten bedeutenden Auftretens beim modernen, wie beim antik-hellenistischen
Genre zusammen mit der Zeit des um sich greifenden Realismus, hier wie dort 83
in die Zeit, wo alles Göttliche vermenschlicht ward und wo die momentane
Empfindung den Ausdruck idealer Typen überwiegt — man vergleiche nur Ma-
donnen Rafaels mit denen Murillos, der zugleich einer der ersten Hauptvertreter des
Genres ist — , hier wie dort in die Zeit der sich entwickelnden Kabinettsmalerei.
Aber all diese Analogien gelten nur für das hellenistische Genre, nirgends finden
wir etwas, das jenen voralexandrinischen idealen Werken gleich käme. Das
Moment der Sehnsucht oder des Realismus sind die das moderne Genre sofort
bestimmenden Faktoren. Einzig und unerreicht steht also auch im Gebiete
des Genres jene unverfälschte griechische Kunst vor Alexander dar. Sie
ergreift ein Motiv unsres menschlichen Seins und schafft und ge-
staltet es zum Ideale und Typus menschlicher Bewegung und Hand-
lung oder menschlicher Schönheit; sie vergöttert das Menschliche,
die Basis aller hellenischen Kunst auch im niederen Gebiete des
Genres; wegwerfend alles Zufällige der Wirklichkeit stellt sie nur
das Wesentliche dar, und abweisend Alles, das nicht zur reinen
zwecklosen Darstellung gehörig, behauptet sie jene bewunderte
Höhe, von der sie, ewig unerreichtem, leuchtendem Gestirne gleich,
erquickend auf uns Epigonen niederglänzt."
* Der Aufsatz Brizios [Annali 1874 S. 63; vgl. oben S. 111] erschien erst nach
Abfassung dieser Schrift; da er sich jedoch wenig mit meinen Gesichtspunkten
berührt, so glaubte ich den Text unverändert stehen lassen zu dürfen, um so mehr
da Brizio, obwohl auch er ein Werk des 5. Jahrh. erkennt, es dennoch gar nicht
einmal versucht, die Ausführungen Kekules zu widerlegen, ja ihm in einigen Haupt-
punkten beistimmt. — Gegen die formale Analyse Br.' wäre wohl Manches einzuwenden;
so übertreibt er offenbar eine gewisse Starrheit der linken Hand (S. 65j; bei der
magern beweglichen Natur der Hand, wo die Finger gerne geschlossen bleiben, und
bei der Art ihrer Aufgabe, ihrer Lage, dem Einwirken des Daumens braucht sie nicht
notwendig gekrümmt zu sein. Auch die Einzelgliederung, die Br. ganz vermißt,
fehlt nicht; deutlich sind die Glieder jedes Fingers bezeichnet und die Spannung
des Muskels zwischen Daumen und Hand ist gelungen. Indes das Wichtigste, die Ver-
mutung Br.', daß Kaiamis der Künstler unsres Werkes sei, ist ganz unbegründet. Der
versuchte Beweis ist ungefähr folgender: auf Attika führe die Magerkeit — ein Satz,
den gewiß niemand zugeben wird; die Magerkeit gehört nicht nur dem Bronzestil der
älteren Periode überhaupt an, sondern sie steht hier auch im innigsten Zusammenhange
mit dem Charakter der dargestellten Handlung und Stellung: an einem weichen fetten
Knaben würde diese energische zusammengebogene Haltung unnatürlich, ja widerlich er-
scheinen; nur ein magerer kann leicht und ohne Beschwerde diese Bewegung ausführen;
|]j; DER DORNAUSZIBHER UND DER KNABE MIT DER GANS.
da ganz« Charakter des Works, die harte unsymmetrische Haltung hängt also von dieser
ericeil ab. — Brizio führt nun weiter aus, wie unter den älteren Attischen Künstlern
de Kaiamis (S. 69) sich durch Yersatilität des Geistes und Grazie der Bewegungen,
ferner durch Reichtum und Manchfaltigkeit der Motive ausgezeichnet habe. Also, wird
ilossen, ist Kaiamis Schöpfer unsrer Statue, an der sich eben jene Eigenschaften
finden. Ks ist klar, wie schwach es mit diesem Beweise bestellt ist. Dazu kömmt, daß
all das über den Reichtum der Motive und Erfindungsgabe Bemerkte nichts anderm als
einem Druckfehler bei Brunn, Gesch. d. greh. Künstler I, 130 Z. 7 v. u. („reicher" statt
.weicher") seinen Ursprung dankt. Nur die lemo-njc und //ton an Kaiamis sind über-
liefert und diese widersprechen eher unsrer Statue: in ihr beobachten wir ja eine starke
Härte der Komposition, die nur den lebendigen Ausdruck der äußern Handlung sucht,
statt daß, wie bei Kaiamis vorauszusetzen, feine, innere, aus der Empfindung strömende
Noblesse und Anmut erstrebt worden wäre. — Wenn Br. zum Schlüsse den Petersburger
Epheben bei Conze, Beiträge Taf. IX [Furtwängler, Meisterwerke S. 679] vergleicht und als
Beweis benutzt, indem er ihn ebenfalls für Kalamideisch und zwar für einen der betenden
Knaben des Meisters hält, so kann hierauf nicht näher eingegangen werden, da jene
nur durch eine ungenügende Zeichnung bekannte Statue bis jetzt ein festes Urteil nicht
zuläßt; indes ist es jedenfalls kein betender Jüngling, denn sonst könnte der Kopf un-
möglich seitwärts nach oben gewendet sein.
INTORNO A DUE TIPI D'AMORE
(BULLETT1NO DELL'INSTITUTO 1877)
I
noto che l'arte antica nei tempi dell' impero romano quanto alle rap- 121
presentazioni ideali, invece di creare tipi nuovi per idee nuove si serviva
dei tipi giä esistenti, contentandosi di trasformarli con lievi aggiunte e
modificazioni in un senso che spesso e pur troppo diverso da quello originario;
rappresentazioni chiare e semplici spesso in questa maniera divengono complicate
e non possono capirsi che approssimativamente. E questo vale soprattutto per
alcune rappresentazioni statuarie di Amore, fra le quali parlerö in primo luogo
deH'Amore dormente. [Furtwängler in Roschers Lex. der Myth. I S. 1370.]
Ci sono conservate moltissime statue di questo concetto; di esse perö ap-
punto le piü interessanti finora non furono abbastanza conosciute. Prima di tutto
e necessario di distinguere varie classi del tipo in discorso, e cominciamo colla
piü chiara e piü semplice.
Nei tempi dopo Alessandro Magno venne molto in voga nell'arte statuaria
il concetto di divinitä inferiori dormenti. Cosi si rappresentarono con predilezione
le Ninfe, le Menadi, l'Ermafrodita, i Sileni e Satiri, ed anche persone generiche,
come cacciatori, pastori o pescatori. All'arte ellenistica ascriveremo anche l'in-
venzione deH'Amore rappresentato dormente. II vedere addormentato questo dio
feroce, sempre ardente e sempre pericoloso formava un contrasto adattissimo al
gusto di quei tempi, contrasto che ci esprimono vari epigrammi dell'Antologia
greca, nei quali si descrive Eros che dorme coi suoi attributi, l'arco e la face,1
giacche non gli vengono mai dati attributi fuori di questi a lui propri. Ci sono
conservate parecchie statue di questa prima classe di Amore, fra le quali e da
rilevarsi specialmente una del Museo Chiaramonti pel lavoro relativamente buono.2
1 Anth. Plan. 211. 212; l'epigramma di Piatone, che non puö essere in niun modo
del celebre filosofo (cf. Furtwängler, Eros in der Vasenmalerei p. 10 [oben S. 4]), si trova
Anth. Plan. 210, Anth. Pal. 9, 826, ed e citato da Benndorf e Schöne nei catalogo del
Laterano p. 250 come platonico; descrive Amore dormente presso una fontana, l'acqua
della quäle sortiva, come pare, dall'otre di un Satiro.
2 Mus. Chiaram. n. 483 [Amelung, Vatikan I, Taf. 66]; non ha ne vestito ne attributo
oltre l'arco che gli e caduto dalla mano destra; il viso e nobile, ben diverso da quello grosso
degli altri, ed ai capelli manca quell'acconciatura romana colla treccia sul vertice, che hanno
gli altri quasi tutti. — Anche una statua di Vienne presso Clarac, Musee de sc. 644, 1475
[20 Intorno a due T1PI d'Amore.
'<\.i qualche volta la rappresentazione diviene meramente generica, contentandosi
l'artista di rappresentar il sonno felice d'un fanciullo umano; cosi in una bella
.lina della Galleria dei candelabri l al Vaticano, alla quäle mancano le ali et tutti
attributi.
Ma piü tardi, e probabilmente soltanto nei tempi romani piü recenti — perche
l'Antologia greca non ne da alcun cenno ed il lavoro artistico di tutti gli esemplari
guenti e molto trascurato — agli attributi di Amore s'immischiavano quelli del
no, cioe principalmente il papavero nella mano e la lucerta2 alla base.3 In-
vece di quel contrasto epigrammatico contenuto nel dio d'amore dormente, qui
si ha l'intenzione di fare un rappresentante del sonno stesso, intenzione che nella
terza classe e molto meglio riuscita, prevalendo non piü il tipo d'Amore, ma
quello del Sonno.
E questo l'hanno ottenuto alcuni artisti con l'aggiunta di piccole ali al capo,
le quali sono proprie dello stesso dio Sonno. Questa particolaritä finora non
osservata si trova in una statua frammentata del Museo Lateranense, pubblicata
dal Garrucci (t. 40, 2; p. 78) descritta nel catalogo di Benndorf e Schöne (n. 176);
ma quelle ali in modo singulare sono sfuggite all'attenzione di tutti quei dotti,
benche siano innegabili a chiunque osservi attentamente l'originale. Piü chiare
123ancora sono in una statua di Firenze,4 ove si distinguono anche nel rame datone
nella Real Galleria di Firenze ser. IV, 2, t. 66 (= Clarac 761, 1869) e vengono
citate nel testo p. 58, ma senza che gli altri dotti ne abbiano preso notizia. Ma
oltre le ali del capo queste due statue si distinguono ancora per ciö che giacciono
sopra un leone, piccolo si ma intero, che serve loro di cuscino, e dorme anch'esso.
si distingue per la mancanza di ogni attributo e per la sveltezza delle forme. — Altri
:npi: Clarac 644 B, 1459 G; 644 A, 1459 C; nella villa Albani nel boschetto fra il
palazzo ed il bigliardo, sono cinque statue di Amore dormente, tre delle quali possono
ascriversi a questa prima classe, non avendo altro che la face. Lo stesso vale di uno
dei quattro esemplari nel pal. Mattei [Matz-Duhn 278]. Vi appartiene anche un piccolo
bronzo di Pompei (Bull. deH'Inst. 1871, 253).
1 N. 216; il lavoro anche di questa statua e di molto superiore a quello delle classi
segucnti; manca anche qui quella treccia sul vertice; il marmo e greco.
* Trovandosi due lucerte al tronco della statua di Ipno nella Arch. Ztg. 1862, t. 157,
questo animale si puö dire caratteristico per lui.
1 Vedi nel Clarac 761, 1864; 644 B, 1459 F; 762, 1868 = Visconti, P. Clem. III, 44
(= mus. Chiaramonti n. 279 [Amelung, Vatikan, I Taf. 51]); una nel palazzo Spada; un'altra
nella villa Albani si distingue per ciö che ha nelle mani oltre la Corona di papavero
anche un uccelletto, che non c attributo ne di Sonno ne di Amore, ma si spiega come
:ullo del fanciullo che probabilmente si rappresentava sotto quest' immagine ideale per
uso sepolcrale vedi infra-. Rimarcabile per la provenienza e un'altra presso Paciaudi,
Pelop. I. p 62 »ex Nlcopoll 1759«. Giace sopra la clamide che gli euopre anche il
per alla base la lucerta c nella destra un oggetto poco riconoseibile, probabilmente
il papa.
' Ufflzl n. 125, [Dütschke 141]; una delle ali e intera, 1' altra e ristaurata secondo j^li
avanzi antichi.
INTORNO A DUE TIPI D'AMORE. 121
Una terza statua a Dresda (August, t. 152; Hettner, Catal. n. 375; Clarac761, 1865)
corrisponde cosi in questa particolaritä come in tutti gli altri concetti colle statue
del Laterano e di Firenze, ma pare che non abbia le ali al capo. Ed anche
parecchie altre, specialmente una (finora non descritta) nel palazzo Spada [Matz-
Duhn 292] (distinta pei capelli piü lunghi senza treccia, la viva espressione del viso
e il movimento delle gambe), altre a Firenze (Uff. n. 127, Clarac 761, 1863, [Dütschke
143]), nel Laterano (Benndorf e Schöne n. 247), nel Museo Chiaramonti (n. 85
[Amelung, Vatikan I, Taf. 38]), una presso Maffei1 (Raccolta 1. 151) e un'altra dise-
gnata dalla Maria de Wilde, Signa, ant. t. 21, mostrano il leone intero, variando
perö un poco negli altri concetti. — Per spiegar la presenza di quest'animale
basta ricordarci di quel noto passo di Pausania (II, 10, 2) ove descrive a Sicyon
nel peribolos di Asklepios la statua di "Yjivog y.axay.oijui£cov IJovra, Sonno che
addormenta un leone — rappresentazione simile, ma perö differente dalla nostra, che
invece di Ipno assonnante l'animale feroce, cioe Ipno attivo, ce lo mostra pas-
sivo e dormente lui stesso sopra il leone addormentato, il quäle qui non e altro
che attributo per significar il rappresentante del sonno.2
Non deve confondersi questa classe colla seguente, ove il fanciullo alato
e coricato sopra la pelle di un leone, la quäle non ha che fare col dio del sonno,
ma e 1' attributo di Ercole, al quäle spesso vien aggiunta anche la clava. Non
di rado il fanciullo ha involto anche il capo nella pelle e tiene gli attributi cosi
di Ipno (papavero) come di Amore. Quanto al numero questa classe e la piü
ovvia e s'incontra quasi in ogni musec, ed anche nella Grecia non e sconosciuta.
Fra i tanti esempi poco svariati3 voglio ora rilevare soltanto uno, che per una 124
1 Forse identica con quella del Museo Chiaramonti. II leone forse si trova anche
nella statua di Parigi Clarac 643, 1457.
2 L'arte greca, se s'eccettua l'arte primitiva dell'arca di Cipselo, che doveva servirsi
dei mezzi piü semplici e parlanti, ha sempre rappresentato Ipno come attivo (cf. statue,
vasi dipinti, pitture paretarie e le scene mitologiche dei sarcofaghi), ed e innegabile che
l'invenzione cosi del bassorilievo Albani (Zoega II, 93) come degli Amori-Ipni appartiene
ai tempi dell'impero romano; si poträ dunque stabilire uno sviluppo nelle rappresentazioni
di Ipno, ciö che nega il eh. Conze, Götter- u. Heroengest. p. 45). — Sopra le statue Visconti,
Pio-Cl. I, 28 e Denkm. a. K. II, 877 parleremo nel secondo articolo [unten S. 128 u. 131].
3 Rimarcabili per la provenienza sono specialmente una di Cipro, ora nel museo
di Graz (Bull. d. Inst. 1868, 225) e una in Atene proveniente da Kleitor e descritta da
Heydemann, Marmorbildw. in Athen n. 785 [Sybel 3731] (forse la stessa che mentova
lo Stephani, Ausr. Her. p. 125, 1 suU'Acropoli [Sybel 6883]). Altri sono: Ancient marbl.
XI, 37. Brit. Mus. 1677]. Clarac 644 A, 1459 B; 644, 1474; 643, 1459 e 58; 761,
1866, 1870; Benndorf e Schöne, Lateran n. 244; 379; 393; Gerhard, Berlins ant. Bildw.
n. 297; 298; 372. [= Beschr. 144—146.] Galleria Doria n. 344 [Matz-Duhn 276; vgl.
275—293] ; uno nella villa Albani e un altro daü'Esquilino nel nuovo museo del Campidoglio
e molti altri; anche un piecolo bronzo negli UffizI di Firenze. — Voglio notare in fine
che una lucerna (presso Bartoli, Luc. I, 8; anche Spence, Polymetis 8, 2) e stata riferita
erroneamente al ciclo in discorso; giacche, confrontando la gemma antica nelle impronte
dell'Inst. cent. VI, 13, si deve congetturare che anche la lucerna non rappresenta che un
122
INTORNO A DUE T1PI D'A.MORE.
panicolarit.i e ben idatto a formal il transito dalla classe precedente. E desso
un frammento esistente in \'ia niaschera d'oro n. 21 a Roma: il fanciullo alato,
che giace supino Sulla pelle di leone, mette la mano sinistra sopra un grande
nccdlo posato presso di lui, il quäle secondo la forma dei piedi e del corpo
inferiore (la parte superiore non e conservata) non poteva essere un uccello
tatico ma piuttosto un'aquila. Ricordandosi di quel celebre passo di Pindaro
(Pyth. 1, 6), ovo il ministro di Giove, quando si suona la lira, non puö resistere
alla forza del sonno, sarebbe bella V idea di vederlo qui addormentato giacente
sotto il braccio del Sonno, come simbolo analogo al leone assonnato. Debbo perö
notare che aleune statue (Gall. dei candelabri n. 243 colla testa moderna, e una
nel Laterano colla testa antica di un volgare ragazzo romano, che non puö essere
Ganimede: Benndorf e Schöne, catal. n. 41 p. 27) fanno supporre che i fanciulli
antichi delle volte avevano anche aquile piecole come trastullo; la nostra statua
dunque sarebbe analoga alla sopracitata della villa Albani coll'uccelletto in mano.
In ogni caso vediamo, che malgrado la pelle leonina l'idea di Ercole non puö
essere la fondamentale, ma piuttosto o quella del sonno o quella di un fanciullo
reale. Ma che significa quell'attributo erculeo? — Un' esemplare nella villa Bor-
ghese non mostra ne la pelle ne altro attributo fuorche la clava. Sarebbe dunque
Amore colle armi rubate ad Ercole? Ma perche rappresentarlo dormente? e perche
questi attributi erculei nella grandezza stanno cosl in proporzione coi fanciulli,
mentre nei certi monumenti di quel concetto sono sempre enormi e vengono
portati via con grande sforzo? — II transito ai nostri monumenti lo troviamo
evidentemente in una classe di statue che mostrano Ercole giovanetto colla pelle
indosso e colla clava piecola adatta alla sua etä (cf. Clarac t. 282 e t. 650 D).
Malgrado questa aleune gli danno le forme robuste di Ercole, altre le forme
125tenere e fanciullesche.1 Senza di entrar piü stesamente nella difficile spiegazione
di siffatte statue rilevo soltanto che quella datane dallo Stephani (Ausr. Her. p. 183
e % sg.), il quäle anche qui riconosce soltanto il costume di trasferir le divinitä
in un mondo di fanciulli, non puö essere giusta. Perche l'arte statuaria non rap-
presenta mai altra divinitä o altro eroe sotto questa forma fanciullesca che il solo
Ercole? Forse si deve congetturare che la stretta relazione dell'Ercole romano col
genio degli uomini (Annali 1867, 352 sg.) era la ragione di siffatta rappresentanza,
la quäle sarebbe il genio sotto la forma di Ercole. Ma in ogni caso essa ci fornisce
il transito al nostro tipo, nel quäle perö il fanciullo e sempre alato e l'idea di
Ermafrodita in sonno irrequieto, c che l'arco e l'estremitä della clava sono interpolati nel
.;no della lucerna. I tre Amorini dormenti sono aggiunti soltanto per mostrar il carattere
voluttuoso del sonno dell'Ermafrodita.
lo rilevar in ispecie un bei frammento della Gall. dei candelabri n. 244, ove
il fanciullo con molta ingenuita pare imitare l'Ercole ubbriaco. Ma il concetto piü comune
e quello dell'Ercole Parnese, ove tiene le mele dellc Esperidi e certamente non puö essere
il vero fanciullo Ercole.
INTORNO A DUE TIPI D'AMORE. 123
Eros non di rado vien accennata anche dalla face. Alate perö sono pure alcune
statue di quell'Ercole fanciullo (cosi un torso del Museo Chiaramonti n. 87 [Ame-
lung, Vatikan, I, Taf. 38] ; ma Clarac650A, 1478 B [Matz-Duhn, 264] che oggi si trova
nella gall. Doria n. 374, non e altro che un lavoro della fine del Cinquecento in seguito
ristaurato), e giä nella decorazione di una parete pompeiana (Heibig n. 607)
troviamo Amore colla pelle indosso e colla clava, attributi evidentemente non
rubati ma propri a lui, che aggiungono alle sue qualitä anche quelle d'Ercole.
Abbiamo riconosciuta la congiunzione di Amore dormente col Sonno; adesso egli
vien identificato anche con Ercole. [Furtwängler, Roschers Lex. der Myth. I
S. 1368 u. 1370.]
Ma come mai poteva svilupparsi una tale combinazione? Questione che sta
in istretta relazione con un'altra, cioe a che uso siano State destinate le statue
in discorso.
Un gran gruppo sepolcrale, originariamente coperchio di un doppio sarcofago,
esistente nel palazzo Farnese e finora, come pare, non descritto [Matz-Duhn 3411],
mostra nel solito, modo coricati sopra un letto il marito colla moglie, ritratti del terzo
secolo incirca; ma 1' interessante si e che quello e identificato con Ercole, giacche
giace sopra la pelle di leone e appresso si scorgono il turcasso grande pieno di saette
e la clava; nella mano s. tiene il skyphos e dal collo gli pende una grossa Corona.1
Ma che anche fanciulli s'identificassero con Ercole, lo mostra una statua a Parigi
(Fröhner, Notice n. 333): e un fanciullo che ha la pelle d'Ercole indosso e sul
capo, ma il viso e un ritratto del terzo secolo incirca. E certo, era un pensiero
molto consolante il vedersi identificato con quell'eroe vincitore della morte e che
per la sua forza era arrivato aH'immortalitä. Dall'altro canto sappiamo che era
l'uso di rappresentar i fanciulli e ragazzini morti sotto l'immagine di Amori, ciö
che mostrano e statue che danno ad Eros i tratti di un fanciullo reale (p. es. 126
Fröhner, Notice n. 368) e tanti sarcofaghi.2 L'identificarli nell'istesso tempo con
Amore e con Ercole era una cumulazione un po' strana si, ma del tutto corri-
spondente alla tendenza di quei tempi, di esprimere cioe nei monumenti sepol-
crali delle idee consolanti e confortanti per l'altro mondo.
E questa combinazione la vediamo anche nel frammento di un sarcofago
lateranense (Benndorf e Schöne n. 82), ove il solito rappresentante del fanciullo
morto, l'Amore ubbriaco sostenuto da due altri, ha la pelle leonina indosso, la
clava ed il skyphos nelle mani.15 Da qui non si ha lontano ai nostri monumenti;
1 La moglie tiene la cosidetta Corona mortuaria e aH'estremitä sinistra del letto, ai
piedi dei coniugi, siede un fanciullo vestito, tenente uva e un uccello (pollo?).
2 Cf. Petersen negli Annali 1860, 404 seg. — Si puö confrontare anche un epigramma
(Anth. Pal. VII, 628) ove il fanciullo morto ha il nome e la figura di Eros.
3 E il morto identificato con Amore ed Ercole, ma non Ercole rappresentato sotto
l'immagine di fanciullo, come crede il eh. Stephani (Ausruh. Herakles p. 198). II frammento
del. M. Chiaramonti n. 100 [Amelung, Vatican I Taf. 39], che secondo lo Stephani 1. c.
199 rappresenterebbe l'istesso, mostra invece due Amori strascinanti la clava di Ercole.
124
INTORNO A DUE T1PI D'AMORE.
Che qud fanciulli Amori-Ercoli si rappresentavano dormenti e cogli attributi di
Ipno, si spiega da per se come allusione alla morte sotto l'immagine di un sonno
felice. La congettura che molti dei nostri monumenti, e non soltanto della quarta
ma anche delle classi antecedenti, siano stati di uso sepolcrale, vien confermata
da parecchl rillevi: su un cippo sepolcrale del Louvre (Clarac 184, 351; Fröhner,
Notice n. 336) Amore disotto alla tavola dell' iscrizione giace sopra la pelle leonina,
presso di lui il suo arco e turcasso. In un piecolo sareofago conservato a Ostia
egli o adoperato neu' istesso modo, ma non ha aleun' attributo; cosi lo vediamo
anche in un gruppo sepolcrale del Vaticano (Visconti, Pio-Cl.IV15) e in un sareofago
della Galleria lapidaria giacente disotto alla tavola dell' iscrizione e con una Corona
in mano [Amelung, Vatikan I, Taf.29 Nr. 177], II significato di siffatte corone di
fiori in mano delle persone che rappresentano il defunto, con ragione vengono
spiegate per le corone del convito (Stephani, Ausruh. Herakl. p. 35); posso aggiun-
gere ciö che finora non e stato osservato abbastanza bene, cioe che spesse
volte queste corone si trovano in mano di Bacco stesso o anche delle Menadi;
cf. Gall. dei candelabri n. 173; sareof. del Belvedere n. 99 [Amelung, Vatican II,
Taf. 25]; Visconti, Pio- Cl. IV, 22; I, 33 (non visibile nel rame). Sono conosciute le
relazioni fra Bacco e Sonno; come Bacco si trova coli' attributo del Sonno, il papa-
vero, nella mano (Mon. d. Inst. IV, 35; cf. Annali 1846, 225), cosi nei nostri monu-
menti V Ipno-Amore ha la Corona dei conviti propria a Bacco. Imperocche anche
parecchie delle statue in discorso sono fornite della Corona di fiori: cosi Clarac
127 761, 1866 a Venezia1 e quella dell'Esquilino, ambedue sopra la pelle. II sonno
dunque e quello d'ebbrietä dopo un banchetto, e con questo attributo si avvi-
cinano di piü le nostre statue a quelle notissime che si appoggiano dormenti
sopra la face rovesciata, tenenti quasi sempre la Corona in mano, e che mostrano
1' istessa combinazione di Amore e Sonno. Ma mentre questi Ultimi monumenti
erano sempre di uso sepolcrale, i nostri invece servivano in modo piü svariato.
Imperocche aleuni (e non di una ma di due classi) dovevano essere votivi.
II Matz nella Arch. Ztg. 1873 p. 29 dava notizia di una statua esistente in Inghilterra
[Michaelis, Anc. marbles S. 498, 66] ed appartenente alla seconda delle nostre classi
(attributi di Amore e di Ipno e clamide), alla base della quäle e V iscrizione «Herculi
Sancto Futychianus . Non e facile lo spiegarsi la relazione fra Amore-Ipno ed Ercole;
ma bisogna ricordarsi che vi esisteva un eulto di Hercules Somnialis», il quäle
perö, per quanto io sappia, non c' e noto che da due iscrizioni latine (Orelli n. 1553
105)." F una congettura molto probabile che questo dio nel sonno indicasse
1 [Dütschkc 21h). L'animale presso di lui nell' originale somiglia piü ad un cane. —
II corno potorio di Clarac 761, 1870 si riferirä meglio al corno di Ipno, e si puö con-
frontar il piecolo corno che tienc in mano un fanciullo dormente senza ali, ma Ipno
fuori di dubbio in una gemma presso Cades gran coli. II F, 29. — II sonno ubbriaco sarä
ificato anche nel rilievo di un erma bacchico presso Gerhard, Antike Bildw. t. 77, 1.
* Lo Stephani (Ausruh. I lerakles p. 125, n. 1) afferma che Hercules somnialis o
■ Gred e komani sia stato molto in voga (geläufige Vorstellung), ma senza
1NT0RN0 A DUE TIPI D AMORE. 125
ai visitatori dormenti nel suo tempio dei rimedi per le malattie, come lo facevano
tante altre divinitä salutari.1 Ed in un culto simile si spiegherebbe anche la re-
lazione fra Ipno ed Ercole. Ma la statua votiva in discorso non e semplicemente
Ipno, anzi e molto probabile che il fanciullo alato, secondo 1' uso romano, anche
qui non sia altro che il rappresentante ideale del malato stesso e del suo sonno
salutifero; 1' idea di Amore e del tutto sparita. Accanto al cognome del nostro
Ercole sanctus e da notarsi che sanctus e salutaris erano nozioni molto affini;
Silvano p. e. era venerato a Roma (sull'Aventino) come sanctus salutaris (Orelli
n. 1596 e 2518). — Ma abbiamo anche un altro ex voto fra le nostre statue, ed
e quella Gerhard, Antike Bildw. t. 77, 2 coli' iscrizione »Valerius Felicissimus
pecuarius d. d.>. Appartiene alla quarta classe, cioe ha la pelle leonina. La
divinitä, la quäle disgraziatamente non vien menzionata, sarä anche qui una
delle salutari. II tipo ideale e generale di un sonno felicissimo per 1' uso sepol- 128
crale era giä formato in quella combinazione di Amore-Ipno-Ercole, per la quäle
il donatore poteva bene esprimere anche il suo sonno d' incubazione. E dunque
possibile ovvero probabile, che anche altri dei nostri monumenti fossero destinati
ad essere doni votivi a qualche divinitä salutare. Ma si puö provare che servi-
vano anche in una terza maniera, cioe come decorazioni di fontane.
Qui perö non abbiamo da fare che colle tre classi anteriori, gli attributi di
Ercole, nati dall' identificazione sepolcrale con quell'eroe, non trovandosi piü in
quel genere di decorazioni. — Sono principalmente le statue seguenti: una del
Museo lateranense (Benndorf e Schöne n. 370; Garrucci t. 40, 6), ov'e aggiunta
un'anitra; l'acqua veniva da una idria; cosi anche quell'Ipno di Firenze colle ali
al capo e il leone, il quäle dalla sua bocca mandava l'acqua.2 E conosciuto che
statue dormenti, e perciö anche quelle di Amore-Ipno, erano una decorazione
prediletta per le fontane, il mormorio delle quali invitava ad un sonno tranquillo.
E non era inusitato (ciö che potrebbe provarsi con vari esempi), che alle fontane
servivano le stesse rappresentazioni come ai sepolcri.
S' intende che specialmente la prima classe dell' Amore dormente senza altri
attributi si adattava bene anche a qualsiasi altra decorazione privata; ma quella
cumulazione di nozioni diversissime di Amore, Ipno, Ercole era cagionata dall'uso
citare alcun fatto in favore della sua opinione. E vero che alcuni scrittori raccontano
delle storie, ove Ercole da qualche consiglio nei sogni, ma questo non prova nulla per
un culto sotto quei cognomi. — II Panofka, come pare, era il primo a servirsi di quelle
iscrizioni per l'interpretazione falsa di un Amore-Ercole (Berl. Terracotten p. 89).
1 Ercole guariva le malattie almeno in Beozia (a Hyettos, Pausan. IX, 24, 3), pro-
balilmente per incubazione.
2 Altri esempi; Clarac 678 A, 1567 A [Michaelis, Anc. marbles S. 692, 612]; uno nella
gall. Doria n. 221; un' altro nei rami del Museo Grimani (senza n.); nel Mus. brit. [1678]
(gesso a Berlino cf. Bötticher, Berl. Gipsabg. p. 520 [Friederichs-Wolters 1584]) proveniente
da Tarsos.
[NTORNO A DUE TIPl D'AMORE.
olcrale e d mostra chiaramente il modo di procedere dell'arte romana sner-
vafta del secolo secondo in giü.1
II.
151 L'n altro esempio di una simile trasformazione romana di un tipo semplice
e greco ce lo offre l'Amore di Centocelle nel Vaticano [Amelung, Vatican II,
Taf. 45. Furtwängler, Meisterwerke S. 540 ff.]. Imperocche una statua recente-
meote scoperta sull'Esquilino ed eposta nel nuovo museo del Palazzo dei
152 Conservatori1 d da una conferma perfetta di quanto giä il eh. Friederichs (Bau-
steine n. 448 p. 268 [Friederichs-Wolters 1578]) aveva congetturato circa il con-
cetto originario dell'anzidetta statua vaticana (la chiameremo A, quella dell'Es-
quilino D). E evidente che D sia una replica di A, benche il ristauro provvisorio
eseguito in gesso ne abbia fatto un Apollo colla lira e il plettro, e benche man-
chino le ali. Ma sull' estremitä del braccio destro, ov'egli s' incontra colla mano,
vi e conservato un frammento di un oggetto, oggi ristaurato come plettro, ma
che infatto non e altro che 1' estremitä d' una piecola face. Ad un plettro
non converrebbe ne la forma in generale3 ne la lunghezza dell' oggetto; ed
inoltre dal fianco destro contro il supposto plettro va un puntello molto grosso
che accenna a qualche oggetto piü grande e piü lungo che un plettro. Perö
la face non poteva essere che piecola e s'inclinava verso un altare che stava
davanti sulla base (la base d'oggi e di ristauro moderno), essendo la direzione
del braccio tale, che la face fatta in marmo, s'allontanava troppo dal corpo, se
non trovava un appoggio. Cosi dunque D corrispondeva in tutti i concetti con
una statuina di lavoro assai trascurato ma abbastanza conservata4 nella Galleria
dei candelabri n. 203 (Gerhard, Ant. Bildw. 93, 2 [Heibig, Führer2 399]; la chia-
meremo E), la quäle aveva suggerito al Friederichs la congettura confermata
oggi da D, che anche A, la celebre statua vaticana, avesse abbassata la face
nella mano destra. — Ma abbiamo ancora due altre repliche del tutto corrispon-
denti, cioe a Napoli (= B; Clarac 649, 1487) ed a Pietroburgo (Stephani, An-
tiken von Pawlowsk n. 6 = C);5 ambedue avevano 1' arco nella sinistra, del
1 l,a rozzezza del lavoro specialmcnte della quarta classe indica questo tempo.
f. Bull. com. 1876 p. 214, 7 [1877, Taf. 16 S. 135]. — Se il ristauro dclla lira in-
fatto sia fondato sopra avanzi antichi, come vien affermato, nello stato d' oggi non si
puo deeidere, il tutto essendo di stueco. E se ve n' erano, erano cagionati dall' arco, che
probabilmcnte teneva nella sinistra.
* Si confrontino plcttri antichi conservati in mano di statuc (ciö che e assai raro)
p. e. Villa Albani n. 612.
* I ristauri iono i seguenti: tutto il braccio sinistro coll'arco; il turcasso perö sospeso
all'albero e antico come anche in D; poi il braccio destro colla face, dclla quäle soltanto
la fiamma, unita con quella deH'altare, e antica. L'acconciatura dei capelli, benche trascu-
rata come tutta I' esceuzione, e 1' istessa come in A e D.
Stephani 1. c. afferma che il braccio destro all'infuori delle dita sia antico,
benche rotto in molti pezzi; ma anche se la mano destra apparteneva alla statua, essa
va tener la piecola face collc dita solc. Sgraziatamcnte non vien detto, se la base
sia antica e intern o mutilata 0 moderna [Furtwängler, Meisterwerke S. 541 Anm. 1].
INTORNO A DUE TIPI D'AMORE. 127
quäle e conservato un pezzo antico sopra il tronco d' albero, al quäle in C e
sospeso il turcasso, come in D e E. E d' uopo perö subito costatare una diffe-
renza: le ali, delle quali A, B, C erano fornite, mancano affatto in D e E (man-
cano anche in una replica frammentata nell'Ermitage di Pietroburgo (F), della 153
quäle il Guedeonow (Musee de sculptures ant. n. 353) da una descrizione insuffi-
ciente [Abb. in dem Katalog von Kieseritzky S. 171]; ma questo non ci deve
recar maraviglia; basta ricordarci del gruppo capitolino di Amore e Psiche.
Nei tempi bassi dunque anche l'arte statuaria omette le ali, quando si tratta
di un tipo subito riconoscibile da altri contrassegni; e nel nostro caso vi s'
aggiungeva che Eros non era piü veramente dio d' amore, come vedremo.
Quanto alla esecuzione artistica delle statue in discorso, posso affermare
che D appartiene per la maniera secca e dura alla seconda metä del secondo
secolo, e 1' istesso pare che valga anche di B e C.1 E quantunque infine sia
celebrata la statua vaticana A, bisogna confessare che il lavoro e piuttosto me-
diocre, ed osservando quella maniera secca specialmente negli occhi e nella bocca,
1' ascriveremo al principio del secondo secolo incirca.
Altre statue che si possano attribuire con sicurezza al tipo in discorso, non
sono a mia conoscenza; alcune da altri venivano aggiunte erroneamente.2 Lo
Stephani credeva eziandio di aver trovata la vera spiegazione del nostro tipo in
un esemplare che non gli appartiene affatto, dico quel gruppo del Louvre [536] 3
che pone Eros tranquillo e stante accanto a Psiche spaventata. II tipo di Eros e
diverso dal nostro, perche sta sulla destra invece della sinistra gamba ed ha
l'acconciatura dei capelli diversa e piü semplice; non voglio negare perö che
anch'esso sia tratto dal medesimo tipo originario, al quäle risalgono le nostre
statue; ma egli rappresenta una trasformazione indipendente e fatta per un altro
scopo, che era la congiunzione con Psiche. Ognuno vede che cosi l'Eros come
la Psiche non sono stati inventati per questo gruppo, ma presi a prestito altrove.
La Psiche ricorda una delle figlie di Niobe e la Psiche del Campidoglio (Clarac
654, 1500 A), la quäle qui e inversa e semplificata, mancando il mantello ed
essendo piegato piü a terra il ginocchio. Questa maniera dei tempi romani di
formar nuovi gruppi e nota anche da altri esempi. Si vede dunque che l'opinione 154
dello Stephani, cioe che in A, B e C sia da aggiungere con la fantasia la Psiche
secondo quel gruppo, e senz' alcun fondamento. E chiaro invece che A, B e C
1 Stephani 1. c. p. 8 l'ascrive alla metä del 2° sec. — In B specialmente i capelli
sono trattati in maniera bassa ed assai rozza.
2 Clarac 281, 1486, enumerata fra le nostre ancora dallo Stark, Sachs. Berichte 1866,
163, ne venne esclusa dallo Stephani 1. c; ma dubbiosa e la statua Clarac 644 B, 1471 D;
pare che non esista piü nel Pal. Altemps, almeno io non ve l'ho vista e perciö non oso
pronunziare un giudizio decisivo.
3 Clarac 266, 1499; la miglior pubblicazione nei Monum. scelti della Villa Borghese
t. 11. — Stephani 1. c. p. 9. [Fröhner, Notice n. 370.]
[NTORNO A DUE TIP1 D'AMORE.
siano da ristaurarsi secondo D ed E, colle quali corrispondono in tutti i punti
senzUIi, essendo identica la positura, l'acconciatura dei capelli, l'espressione del
viso inclinato etc. Avevano dunque tutte nella destra la face abbassata verso
un piccolo altare. Ma che cosa significa quest'azione?
Non puö essere lo spegnere, ciö che vediamo tante volte in quegli Ipni-
Amori che si appoggiano sopra la face rovesciata, perche nel nostro caso, mi-
schiandosi le due fiamme dell'altare e della face, quest' ultima riceve nuovo
alimento. Cosi le statue in quistione trovano la loro perfetta analogia soltanto
in due opere statuarie, ove l'istessa azione e conservata parimente bene; dico il
gruppo celeberrimo dilldef onso[Arndt, Einzelaufn. 1588 — 1592] eunastatua della
Gall. dei candelabri (Visconti, Mus. Pio-Cl. I, 28 [Heibig, Führer2 402]). Benche
tanti abbiano parlato di quel gruppo, una spiegazione precisa dell'azione finora non
e riuscita; alcuni ne parlano come di un sagrifizio, altri seguendo il eh. Welckercre-
dono che il genio del rogo vi accenda la face pel rogo stesso; ma quest'ultima
spiegazione e fondata specialmente sopra la seconda face che quel giovane tiene sul
dorso, e questa, si puö affermare, non fu mai antica [Furtwängler, Meisterwerke
S. 463 Anm. 2]. II eh. Hübner, e vero, dispera di poter arrivar a sicurezza sopra
l'anzidetta face, che oggi e di legno; ma il gruppo essendo stato ristaurato due
volte, crede possibile che quella face nel giardino Ludovisi (ove stava dapprima) fosse
antica e di marmo, e dice (Antike Bildw. in Madrid p. 78): «die alten Abbildungen
stimmen zwar, lassen aber unentschieden, ob die zweite Fackel alt oder schon
damals hinzugefügt war-. Ma appunto questo non e giusto, perche la pub-
blicazione la piü antica presso Perrier t. 37, fatta secondo si trovava nel giardino
Ludovisi, non mostra ancora la face seconda, ma soltanto quel pezzetto nella
mano sinistra che anche oggi e di marmo e con tutto il braccio sinistro inferiore
e moderno e, come mostra quel rame, appartiene al primo ristauro. La seconda
pubblicazione del 1704 (presso Maffei e Rossi, Racc. t. 121), che rappresenta
il gruppo dopo che era passato nelle mani della regina Cristina di Svezia e del
duca Odescalchi, mostra giä quella face, la quäle dunque vi fu aggiunta ovvero
completata secondo l'ordine della regina. Se infine la face fosse mai stata an-
tica, vi dovrebbe essere qualche puntello sul dorso, che non esiste. — Ma la
piegazione del eh. Welcker e confutabile anche da altri punti di vista, e in-
somma un' azione cosl realistica e palpabile, come e 1' accensione del rogo, per
la sua natura non si adatta alla rappresentazione statuaria e non si potrebbe
esprimere in un modo cosl velato e scuro. Piü giusto e di parlar d' un sagri-
fizio. Ma perö non si deve accettar la spiegazione recentissima dello Stephani
(Compte-rendu 1873 p. 15), che dietro un pensiero del Winckelmann vi vuol
riconoscere Oreste e Pilade che sagrificano la prima volta all' idolo di Diana
Taurica rubato da loro. Giacche se quell'idolo fosse cosa principale, dovrebbe
- un altro posto, in mezzo e piü vicino all'altare; ma cosi come lo vediamo
i analogo a tante altre erme e idoli posti accanto alle statue come appoggio e
Intorno a due tipi d'Amore. 129
per accennare a qualche parte del loro significato. Ed oltreciö non crederei che
un sagrifizio ordinario si possa rappresentar col solo abbassar di una face verso
l'altare. Ma l'istesso Stephani 1. c. p. 10 seg. ha fatto un' osservazione giustissima
sopra il tipo di quell' idoletto, che secondo lui rappresenta quasi sempre la
deitä del nascimento, cioe Eileithyia, e che specialmente si trova congiunto con
persone del ciclo di Venere. Non vedo ragione perche qui non significhi
l'istesso. — Ma ritornando a quella face forse sarä utile il confrontar altri monu-
menti: sopra sarcofaghi1 vediamo Ifigenia che va per far la lustrazione dell' idolo
taurico con una face (rovesciata) in mano (cf. le parole di Euripide nell'Iph.
Taur. 1224), ed in un cameo fiorentino2 Ifigenia seduta tiene la face abbassata
verso un piccolo altare, l'istessa azione dunque come nelle statue in quistione;
ma qui il significato non puö essere dubbio, giacche la sacerdotessa evidente-
mente sta per consacrare i giovani stranieri pel loro sagrifizio.3 Adottando questa
spiegazione pel gruppo d'Ildefonso, quel giovane a destra vuol consacrare il suo
compagno,4 e senza dubbio alla morte. E cercando da quäle altro tipo questo
rappresentante della morte possa essere derivato, mi pare probabilissimo che sia
Imeneo,5 il quäle, com'e noto (cf. Dilthey, Annali 1869, 23 sg.), almeno nei
tempi romani era divenuto rappresentante della morte; egli colla sua face con- 156
sacra i nuovi sposi, e come i poeti latini amano a contraporre la fax nuptialis
alla fax feralis, cosi colla stessa face Imeneo qui consacra alla morte. E coll'-
Imeneo si combina benissimo quell'idolo attributivo di Eileithyia, della divinitä
della nascita, la quäle coll'istesso cambiamento di idee puö divenir divinitä della
morte, come Imeneo. — L'istessa azione, cioe l'abbassar la face verso l'altare,
troverä l'istessa spiegazione nelle altre statue in discorso. Ma queste sono isolate
e perciö divengono meno chiare; la loro azione non e che un simbolo che
accenna a quella triste consacrazione. Un'altra differenza e, che mentre nel
gruppo d'Ildefonso il contrasto artistico esigeva die dare all'Imeneo quella figura
1 Overbeck, Heroengall. t. 30, 3; Sachs. Berichte 1850 t. VII. [Robert, Sarkophag-
Reliefs II, Nr. 177. 178.]
2 Overbeck 1. c. t. 30, 6. [Furtwängler, Antike Gemmen 58, 6.]
3 II momento rappresentato non puö essere la fuga, ma dev'essere anteriore al
riconoscimento.
4 Se sia Antinoo, come alcuni vogliono, non posso ne affermare ne negare, man-
candomi al presente un gesso.
5 Quanto a Thanatos stesso, pare che non sia piü stato rappresentato dopo i tempi
di Alessandro Magno, nei quali gli venivano mano a mano sostituiti Imeneo Narcisso etc.,
come vedremo. E noto che dopo l'arca di Cipselo Thanatos apparisce su qualche vaso
dipinto come giovane alato in compagnia del suo fratello Ipno (cf. Lessing, De mortis fig.
Bonnae 1866); e cosi probabilmente lo rappresentava quella statua a Sparta (Paus. III, 18, 1)
insieme col fratello; l'ultimo suo tipo lo conosciamo da vasi attici del 4° secolo, ove e
uomo barbato in contrasto col giovine Ipno; il eh. Dumont recentemente ne ha pubbli-
cato un esempio (Vases peints de la Grece propre p. 22).
A. Furtwängler. Kleine Schriften. I. 9
INIORNO A DUE TIPI D'AMORE.
ritta e forma, cheesprime bene rincsorabilitä della morte,1 qui invece nelle statue
isolato mediante tutti i motivi si esprime il carattere triste e lasso di un tale
concetto. Ma consideriamo piü da vicino quella statua della Gall. dei cande-
labri chiamata da noi In confronto. Anche in essa e conservato il piccolo altare,
DM disgraziatamente la mano destra e moderna; perö non vi puö essere dubbio
che il ristauro colla face non sia giusto; col braccio sinistro egli s' appoggia
sopra un albero, e forse la mano, che e moderna, anch' essa teneva ancora
qualche attributo. La testa cogli occhi chiusi sarebbe importantissima, se fosse
antica, come il Visconti l'ha creduta. Ma un esame piü accurato non mi ha
lasdato dubbio che non sia piuttosto un lavoro moderno. La statua2 si dice
trovata insieme colle Muse di Tivoli; volendo aver un complesso di statue coe-
157 renti, si ristauro la nostra in un dio del Sonno, che bene concordava colle
Muse. E perciö evidente che la denominazione di Sonno non ha alcun fonda-
mento e non esiteremo di trovar anche in lui come tipo fundamentale quello
di Imeneo, cambiato perö in un rappresentante della morte. Un altro tipo dell'istesso
concetto in una simile posatura triste e lassa ci vien fornito da alcuni sarcofaghi
di Medea illustrati dottamente dal Dilthey Annali 1869, 23 sg. [Robert, Sarkophag-
Reliefs II, Nr. 194 ff.]. Imeneo vi e un giovane coperto del mantello nella parte
inferiore, che incrociando le due braccia tiene il papavero nell'una, la piccola face
rovesciata verso la terra nell'altia mano. Anche qui significa la morte che vien prepa-
rata alla nuova sposa di Giasone. Ma mediante quel papavero vi e immi'schiata anche
l'idea del Sonno. La stessa mescolanza di Ipno ed Imeneo la scorgiamo in una pit-
tura descritta da Filostrato seniore I, 2, che ci mostra quanto sia stata incerta ed am-
bigua la spiegazione di tali esseri dell'arte piü tarda che riuniscono diversi tipi,
giacche Filostrato vi riconosce Komos, il dio delle feste notturne, spiegazione che
perö non quadra bene alla descrizione della figura. Imperocche questa era nell'istato
di dormire; era un giovane coronato di fiori, che come l'Imeneo dei sarcofaghi
teneva la face abbassata nella destra, e incrociando il corpo la dirigeva verso la parte
sinistra, ma per evitar il fuoco metteva la gamba sinistra sopra la destra; soltanto
il braccio sinistro non e chiaro: z^v dk ägtaregäv ngoßoXicp ine/jor. Uno
spiedo da caccia essendo estraneo al concetto di tutta la figura, il Welcker (nella
edizione di Jacobs p. 207) aveva supposto che nooßohov qui significasse una
specie di veste; ma non poteva addurne alcun testimonio, ne l'attitudine diver-
1 II gruppo nci suoi contrasti evidcntcmcntc c formato secondo gli stcssi principt
come quei gruppi di Oreste e Pilade, Oreste e Elettra della scuola di Pasitele, coi quall
corrispondc anche il carattere indeciso e poco chiaro deH'azione; perö questo non da
aleuna ragione per congetturarc (cf. Kekulc, Akad. Kunstmuseum zu Bonn p. 118) che anche
qui il concetto sia attinto dalli tragedia.
I A del catalogo. - Oltre i ristauri sopra indicati non ci sono altri di rilevanza
in vari punti la statua era rott;i. II lavoro e molto medioere; la parte d'addictro e tras-
curata. — Anche la testa antica secondo gli avan/.i del collo era inchinata verso l'omero
INTORNO A DUE TIPI D'AMORE. 131
rebbe molto piü chiara.1 Credo di poter levare la difficoltä pel solo cambio di
due lettere; scriveremo xgoXoßico, parola rara e che facilmente poteva corrom-
persi, ma che quadra in modo singulare col senso di tutto il testo. Ugokofiiov
e l'infima punta dell' orecchio; il giovane dunque sopraffatto dal sonno aveva
lasciato cadere il capo sul petto e il braccio destro pendeva lasso verso la parte
sinistra. Per non cadere del tutto gli abbisognava qualche appoggio, e cosi
aveva sottoposto la mano sinistra al capo; ma anche questa, divenendo sempre
piü lassa, era proprio sul punto di cader giü anch'essa (eiXrj<p&cu de i) y/io
öoxovoa Xvetm xal a/tF/.n) e cosi si tenevaancorasoltanto all'infima punta dell' orec-
chio che le scapperä anch'essa fra poco. — Tutta 1' attitudine cosi riceve vita e veritä. — 158
Perö 1' Ipno-Imeneo2 di Filostrato non ha alcuna relazione colla morte,
relazione della quäle non puö dubitarsi nei sarcofaghi e che e probabile nella
piü gran parte delle statue relative. Giacche ci sono rimaste varie statue mal
conservate e senza attributi, ma che pei loro concetti possono riferirsi a questa
classe. Voglio rilevar soltanto due di Madrid: la prima, Hübner, Ant. Bildw.
in Madrid n. 66 = Clarac 970 C, 2228 G [Arndt, Einzelaufnahmen 1585. Furt-
wängler, Berliner phil. Wochenschr. 1898 S. 311], ha la positura simile a quella
della Gall. dei candelabri e la testa antica col viso triste; i capelli sono corti come
quelli deH'Imeneo dei sarcofaghi,3 le braccia moderne. Non puö essere una di-
vinitä piü alta, nemmeno un atleta o una cosa simile, e trova spiegazione sol-
tanto dal nostro ciclo, al quäle anche 1' erma di Bacco barbato, sopra la
quäle s'appoggia, non e estranea, benche non vorrei ascriverle gran significato.
L'altra e descritta dall'Hübner n. 70 (Denkm. a. K. II, 877 [Arndt, Einzelaufnahmen
1599]); ma la testa cogli occhi chiusi e moderna come tutte le estremitä.
In strettissima relazione colle statue finora considerate sta un' altra classe
non meno interessante. II tipo e questo: il giovane delicato con quel viso triste
e coi capelli corti sta sulla gamba destra ed appoggia il braccio sinistro, ma senza
piegarlo nel gomito, colla mano sopra un albero o pilastro o che sia. L'omero
sinistro e naturalmente molto piü alto che il destro, ed il capo e inchinato molto
verso 1' omero sinistro, ma gli occhi sono sempre aperti. II braccio destro riposa
sul dorso [Furtwängler, Meisterwerkes. 483 ff. Glyptothek Nr. 271b]. II senso sepol-
crale vien mostrato al piü chiaro in un esempio a Napoli:4 l'appoggio e
1 Se 3tQoß6Xun> fosse infatti lo spiedo, Filostrato secondo la sua maniera di scrivere
certamente non avrebbe tralasciato di addurre una qualsivoglia spiegazione di un attributo
cosi strano.
- I festeggianti nel fondo della pittura potevano be-n referirsi alla festa delle nozze;
ma erano evidentemente soltanto accennati e la descrizione piü minuta che ce ne da
Filostrato, l'avrä probabilmente inventata in favore della sua spiegazione per »Komos«.
3 II ciuffo nel frammento vaticano (Visconti, Museo P. Cl. VII, 16; Annali 1869, t. C)
e moderno.
4 Descrirto Arch. Anzeiger 1862, 306; mentovato anche Bull. d. Inst. 1864, 256. [Vgl.
Winnefeld, Hvpnos S. 28.]
9*
] >_> [Storno a due tipi d'Amore.
qiK'iridolo, che iüche qui come nel gruppo d'Ildefonso possiamo riferir alla
divinitä dcl naseimento e perciö anche della morte. La mano destra sul dorso
tiene una mehi ossia una melagranata, segno che quel giovane e caduto in possesso
della morte. Ma questo non e il solo esempio ove si trova quest'attributo; anzi
I Mantova1 esiste una statua frammentata del tutto analoga, anch'essa colla
melagranata sul dorso. E nello stesso museo ho notato una replica in un torso
segnato col n. 26, ove perö la mela non e conservata (3) [Dütschke IV Nr. 687.
Arndt, Einzelaufn. 15]. Dessa manca anche negli esemplari seguenti: (4) in pos-
90 privato a Na pol i, descritto nel Bull. d. Inst. 1864, 256; (5) Mon. ed An-
nali 1856 t. 21. ben conservato; (6) nel primo portico della Villa Borghese a
destra sopra una colonna;-' piecolo torso del tipo in discorso, il capo e il petto
sono ben conservati; l'espressione triste, i capelli corti ma densi, l'inclinazione
del capo sull'omero sinistro alzato, tutto corrisponde cogli altri. L'istesso vale
pel seguente (7): Museo Chiaramonti n. 536 [Amelung, Vatican I Taf. 70];
anche qui non e conservato che il capo e il petto che (in tempi mo-
derni) e stato ridotto in forma di busto; perö si vede dagli avanzi che il braccio
destro era rivolto sul dorso come sempre; il collo e moderno, ma la testa, tutta
nel tipo nostro e inchinata verso l'omero sinistro, vi appartiene senza dubbio.3
Infine nomino (8) un piecolo torso in una camera della Galleria Doria (ha il
n. 340) al quäle perö manca la testa. — Sarebbe falsissimo il supporre che tutte
queste statue avessero avuto una destinazione sepolcrale; giä nel primo articolo
abbiamo osservato che le stesse composizioni usavansi alle fontane come ai
sepolcri. Ed infatto presso Laborde (Voyage en Espagne t. 99, E) trovo una
replica del nostro tipo, ove il giovane s'appoggia sopra una grande otre, dalla
quäle probabilmente useiva l'acqua. Ora e molto probabile ciö che il eh.
Wieseler ragionando sopra una delle nostre statue (n. 5) aveva supposto, cioe
che dessa rappresentasse Narcisso che innamorato fissa gli occhi nell'acqua, con-
cetto adattissimo per decorazione delle fontane, ma non meno per quella dei
sepolcri, come e notissimo da un sareofago vaticano.
II nostro tipo dunque, creato per Narcisso e per esprimere il fatale suo
amore, che gli dissolve la vita stessa, piü tardi veniva adoperato in un senso
piü generale; diveniva cioe il rappresentante dell'uomo in generale, che lasso
tanco della vita inevitabilmente £ scaduto alla morte. La positura esprimc
chiaramente quell'abbandonarsi e quella lassezza cosi di Narcisso come dell'uomo
1 Pnbbl da Labt», Mus. di Mant. I, 23, il quäle senz' alcuna ragione la chiama Fauno;
perö egli ha osservato la mela, che il Conze, ragionando della stessa statua, erroneamente
la (Arch. Anz. 1867, 104); posso affermare che essa e evidente sull* originale.
[htitschke IV Nr. 650 |
on mentovato nella Beschreibung Roms.
de che la descrizione che ne dava il eh. Gerhard, Beschreibung Roms II 2,
. Ima.
INTORNO A DUE TIPI ü'AMORE. 133
che non puö resistere alla morte che lo tira a se con forza magica; perciö il
capo e tutto inchinato e levato ogni segno di resistenza; il braccio attivo, cioe
il destro, e messo in completa inattivitä, essendo rivolto sul dorso.1 II senso
piü generale del nostro tipo spicca chiaramente da quelle aggiunte, specialmente
dalla melagranata di alcuni esemplari.
Benche simile, era perö diverso quell'altro tipo poco prima considerato da 160
noi: mentre qui abbiamo l'uomo stesso sotto l'immagine di Narcisso, quello ci
dava il rappresentante della morte stessa sotto 1' immagine di Imeneo che con-
sacra l'anima al triste destino. E per ritornar finalmente all'Eros, dal quäle siamo
partiti, anch'egli nel tipo di Centocelle tiene le stesse parti come Imeneo letale.
Nessuna delle statue da noi considerate rappresenta la morte stessa, ma
partendo da tre diversi tipi mitologici, da Narcisso, da Imeneo e da Amore, li
trasformano, aggiungendo soltanto lievi modificazioni, e danno loro un senso
piü generale, cosicche pigliano un carattere tanto indeciso e vago che e diffi-
cilissimo il discernerli fra loro. Quanto al tempo, e probabile che Narcisso
venisse adoperato in quel senso giä nei tempi dei diadochi; egli e modificato
meno degli altri, e le statue conservate hanno il carattere dei tempi buoni. Anche
di Imeneo si puö supporre l'istesso (cf. Annali 1869, 29); perö il concetto del
consecrar colla face, che poi vediamo nel tipo d'Amore, non crederei che sia
stato inventato prima dei tempi dell'impero romano, e forse soltanto verso la
fine del primo secolo. Nessuno dei monumenti e piü antico e quel concetto
della face, ben diverso dallo spegnerla, non si trova mai nell' arte anteriore.
S'intende da se, tanto che Prassitele non puö essere l'autore del tipo di
Centocelle, quanto che lo stesso tipo e fondato sopra uno piü antico, che certa-
mente apparteneva ai piü bei tempi. E probabilmente questo tipo originario ci
e conservato in quel rilievo di stucco pompeiano, ove il dio non ha che la
saetta nella destra2 e l'arco nella sinistra; anche l'acconciatura dei capelli e di-
versa e non quella proprio romana che ci offre giä il torso di Centocelle, il
quäle oltre ciö anche per l'espressione lassa e triste si dimostra appartenente
al tipo trasformato. Ma di trattar dei tipi degli Amori di Prassitele me lo riserbo
per altra occasione. Intanto ci basti di aver precisato il luogo che tiene il tipo
di Centocelle fra le rappresentanze simili e di aver costatato in maggior estensione
l'usanza dell'arte romana di trasformar i tipi greci specialmente in senso sepolcrale.
1 Si confrontino le osservazioni dello Stephani (Ausruh. Herakles p. 178) intorno a
questo concetto.
2 Mus. Borb. II, 53. Perö presso Brulloff, Thermes de Pompei t. 4, manca la saetta;
quäle delle due riproduzioni sia piü esatta non posso deciderlo nel presente. [Furtwängler,
Meisterwerke S. 542 Anm. 9.]
CISTA PRENESTINA E TECA DI SPECCHIO CON
RAPPRESENTAZIONI BACCHICHE
(MON. DELL" INST. VOL. X TAV. 45 [= Taf. 1.2 und Vignetten]; ANNALI
DELL' INSTITUTO 49, 1877 TAV. D'AGG. M [= Taf. 3])
a cista che pubblichiamo sulla tav. 45 [= Taf. 1], proveniente dagli scavi
Galeassi a Palestrina ed ora appartenente al sig. Augusto Castellani, e
stata mentovata giä nel Bullettino 1864, 21, quando i graffiti non erano
ancora riconoscibili, poi dal eh. Schöne (Annali 1866, 185 n. 66), il quäle annovera
gli oggetti trovativi dentro e ne descrive brevemente l'esterno, i piedi ed il
manico. Alla quäl descrizione aggiungo soltanto, che nei disegni che pubbli-
chiamo ho fatto notare le traccie ancora visibili anche dei tre anelli che or
mancano.
Percorrendo collo sguardo i graffiti del corpo cilindrico riconosceremo subito
il gruppo centrale in quel giovane danzante col pedo aecompagnato da due
figure alate (il dio Pane con due Amori, come vedremo tra poco), poi dall'una
e dall'altra parte del gruppo centrale tin Sileno, indi alle estremitä un Satiro e
una Menade danzanti. La composizione finisce con due altri gruppi formati da
olo due figure, le quali peraltro si corrispondono esattamente. Sono esse ag-
gruppate attorno ad un pilastro di ordine ionico il quäle serve di centro al di
dictro della cista. Cosi corrisponde la composizione benissimo allo scopo di
orare un corpo rotondo, ne potremmo senza cambiarla cssenziahnente farne
i per un piano retto, nemmeno per i tre lati di un oggetto rettangolarc, e
» l'artista non e caduto nell'errore di tanti altri che ornavano le eiste, di
»gllere cioe tutta la composizione in figure isolate, ma mcttendole in rapporto
tra loro k radunö attorno a due centri, il giovane danzante nella parte anteriore,
ClSTA PRENESTINA E TECA DI SPECCHIO 135
il pilastro ionico nella posteriore.1 Simile maniera di composizione tripartita
scorgiamo pure in alcune altre eiste di miglior lavoro.2
Riflettendo poi sopra i concetti dei nostri graffiti, essi appariranno molto
piü istruttivi di quel che sembra al primo aspetto. E chi si e oecupato a rin-
tracciare lo sviluppo del ciclo bacchico nell'arte antica, presto s'accorgerä del
pregio grandissimo del nuovo monumento considerato sotto il punto di vista
storico, quando istituiremo per ognuna figura un confronto colle rappresentanze
simili tanto nei monumenti appartenenti allo stesso sviluppo dell'arte italica, vale a
dire nelle eiste e negli specchi etruschi e latini, quanto nell'arte greca e greco-romana.
Ma prima di venir a questo, consideriamo l'altro nostro monumento, non
meno interessante, pubblicato sulla tav. d'agg. M [= Taf. 3]. E una teca di specchio
o piuttosto uno specchio da ripiegarsi ben conservato, il quäle fu rinvenuto nel
1876 a Corneto ed acquistato dal R. Museo di Berlino. II rilievo che ne decora
1' esterno rappresenta un giovane sedente come pare in un boschetto e sopra
una collina sassosa; giacche presso di lui si scorge un albero, disegnato, se-
condo l'uso degli antichi, in una scala molto inferiore a quella delle figure umane,
e, appresso, un rialzo che non puö essere altro che un sasso. II giovane per 186
sedere piü comodo tiene la gamba sinistra un po' piü alta sul terreno declive
e colla mano sinistra stringe il ginocchio come per disgravarsi dal peso del dorso
e cosi riposarsi. Per meglio adagiarsi si e poi anche sottoposto un panno che
gli cuopre parte della coscia sinistra, ed appoggia il braccio destro sopra il
terreno reso soffice dalla veste, mentre il pedo che gli sta al lato, pare siagli
uscito dalla mano stanca proprio tanto e tanto. L'intero atteggiamento della
persona mostra dunque l'intenzione dell'artista di rappresentarla fuori di ogni
tensione ed attivitä;3 solamente il capo e rivolto insu ed e tutto attento, com'e
indicato dalla fronte che si increspa sopra le ciglia e dallo sguardo il quäle fissa
da lungi. Osservando perö quell'Amore, che seduto vicino alla sua spalla destra
suona una grandissima siringa con tutta la sua energia, non e a dubitare che
appunto il suono di quella musica e ciö che oecupa la mente del giovane. Ma
1 Pare che soltanto per non aver misurato esattamente lo spazio l'artista sia stato
forzato a mettere troppo strette le figure alla destra del gruppo principale.
2 Cf. la cista Ficoroniana, ove il centro del gruppo principale e Minerva rappresen-
tata di faccia; chiudono il gruppo la figura seduta sull'urna da un lato e dall'altra parte
lo scoglio che nasconde la nave; anche i due altri gruppi minori si distinguono bene.
Le osservazioni del eh. Schöne, Annali 1866, 201 sg., giustissime peraltro, rilevano sol-
tanto T indipendenza relativa da un centro. — Si confrontino inoltre Mus. Borb. 14, 40;
Mon. d. Inst. VI, 61; anche Gerhard, Etr. Spiegel t. 16.
3 Notissimo e il gesto di stringere un ginocchio con ambedue le mani, spiegato in
vari modi (cf. Stephani, Ausr. Herakl. p. 143; Petersen, Pheidias p. 252 sg.; Brunn, Bildw.
des Parthenon p. 6 [Kleine Schriften II, 257]; Flasch, Zum Parthenonfries p. 11), ma raro
piuttosto pare il nostro, che e tutto cagionato dal sedere sopra terreno declive. Qualche
volta si trova nelle divinitä di fiumi, come in quelle dell'arco di Settimio Severo, in
un'altra sull' elmo pompeiano colla presa di Troia ed altrove.
136 Cbta Prenesuna e teca di Specchio
CMM mostra il suo viso egli non s'accorge dell'esecutore della musica stessa e
nto il suono che da quella direzione giunge fino alle sue orecchie.
Neppuie egli vede l'altro Amorino piü in basso che gli si accosta stendendo
il bracdo destro verso di lui. Ora considerando che il giovane ha gli orecchi
animaleschi e che sopra la fronte oltre i capelli irsuti si alza pur anco un oggetto
che non puö essere se non che im corno, il compagno del quäle sgraziatamente
t distrutto,1 non esiteremo di chiamarlo Pane, cui ben appartengono anche il
pedo e la siringa. Perö come mai non suona la siringa egli stesso e cosa signi-
ficano quegli Amorini? e perche si sente egli tanto commosso a quella musica?
Certo vi e nascosto piü che un semplice divertimento musicale che gli Amorini
187darebbero al dio Pane da suoi buoni amici. — Ognuno sa che Pane innamorato
non e concetto raro nella letteratura antica fino dai tempi alessandrini, e benche
per lo piü venga descritto nella sua forma caprina in atto di perseguitare con
proterva petulanza Menadi e Ninfe, tuttavia non mancano racconti di un amore
piü nobile, anzi di un amore quasi Sentimentale. Giacche Pane e pressoche
sempre infelice in questi suoi amori, ed e nota in Ovidio la triste sua storia
colla Ninfa Syrinx, e si sa che in modo simile la Ninfa Pitys conservava la sua
\ crginitä contro l'amore del dio (cf. Nonno Dion. specialmente 42, 259 sg., anche
2, 108 e 118 sg. ; 16, 363, ove sempre vien paragonata con Dafne ed Eco; una
favola diversa sopra 1' amore di Pitys vedi nei Mythogr. graeci del Westermann
p. 381). Cosi in un epigramma di Glauco (Anth. Pal. IX 341) anche Dafnis sfug-
gendo all'amore di Pane lo illude;2 ed e infine celebratissimo nella letteratura
greca e romana l'amore suo verso Eco, che giä presso V autore piü antico che ce ne
tramandi il racconto, dico presso Mosco (Idyll. 6 [Wilamowitz p. 138]), viene respinto
dalla Ninfa, la quäle a lui preferisce un Satiro. Eccettuata qualche notizia isolata
quest'amore veniva sempre considerato come infelice (cf. Wieseler, Echo p. 10—12),
Pane stesso ben si chiama in effetto dvoigats (Anth. Pal. IX 825; cf. ib. VI 78).
Vedendo pertanto nella nostra teca il dio Pane evidentemente innamorato, tosto
ci riduciamo a pensare a quest' amore con Eco. E con questo proposito merita
speciale menzione un passo di Longo past. III, 23, il quäle dice che Eco ovvero
le sue membra disperse sulla terra — versione del mito che per ora non ha
importanza per noi — imitano il suono della siringa di Pane e che questo sen-
tendolo vivamente se ne commuove. Or tale concetto e lo stesso amore infelice
di Pane verso Eco potevasi egli esprimere meglio che non e fatto nel nostro
rilievo? Assai ingegnosamente queH'Amorino che, non veduto, suona la fistola
1 II sig. doü. Treu ha avuto la compiacenza di esaminar di nuovo l'originalc a Bcr-
lino; dopo d'avcrlo pulito, si persuase che quell'oggetto non poteva esscre un riccio,
bensi un corno. Oltre cio si vide che il rilievo benche rappezzato in qualche parte, non
lu 'auri, giacche non vi e di moderno che la punta del ginocchio destro.
1 L* amore con Selene, che pare sia stato felicc (cf. Dilthey, Arch. Ztg. 1873 p. 73)
apparcntcmcntc cra di origine piü antico e piü mitologico di quegli altri poetfd.
con Rappresentazioni Bacchiche. 137
dietro le spalle di Pane, sostituisce Eco, la quäle come risuonante non poteva
essere rappresentata nell'arte figurativa. Quindi si capisce anche il gesto del
secondo Amorino, che indubitabilmente si prende giuoco del povero dio illuso 188
dal suo amore epperciö dagli Amorini. Parimenti si spiega lo sguardo di Pane,
la sua commozione, il suo attendere a quel suono senza accorgersi dei piccoli
suoi tormentatori.
L'importanza del nostro monumento cresce ancora, quando si riflette, che
codesto fin ad oggi e il solo che ci rappresenti uno di quegli amori piü fini
di Pane, il solo che possa riferirsi alla sua relazione con Eco.1 L'originale
doveva aver un certo grido, giacche la figura graziosissima dell'Amorino suo-
nante la gran siringa si trova ripetuta in alcune gemme, ove gli vien opposto
un compagno colla lira (Cades, Gran coli. II B 223, 224). Un' altra composizione
nota anch' essa dalle gemme (cf. Impr. d. Inst. II 26 e presso Cades, Grazie ed
Ermafr. n. 8 — 10) 2 offre ancora maggiori analogie. Sdraiato commodamente su
una roccia coperta di pelle e di una veste giace un Ermafrodito immerso in
pensieri amorosi; un Amorino gli fa vento col ventaglio, un altro suona la lira
e il terzo e il nostro colla gran siringa, pur rivolto a sinistra, quantunque in
questa composizione un'altra direzione sarebbe stata piü conveniente; anche
l'albero da canto corrisponde col nostro rilievo. Avvegnache di concetto diverso
pur le due composizioni stanno in relazione tra loro, ne dubitiamo che la nostra
sia l'anteriore; perche l'Amorino colla siringa non trova la piena sua spiegazione
che nel rilievo con Pane innamorato di Eco, e 1' artista posteriore in un con-
cetto piü sensuale e molle ma meno ingegnoso sostituendo Ermafrodito a Pane,
pur si serviva di quel graziosissimo Amorino. In quanto poi al tempo s'intende
che anche la composizione dello specchio non puö essere stata inventata prima
del secolo terzo a. Cr. Imperocche anche senza guardare a ciö che abbiamo giä
rilevato, che cioe per noi il primo che parli dell'amore di Pane ed Eco e Mosco, 189
ce ne fa prova il modo nel quäle l'artista si e servito degli Amori. Giacche essi
qui non danno, non ispirano l'amore, non rappresentano proprio lo stato amo-
roso della mente di Pane, non hanno insomma i contrassegni dell'arte ante-ales-
sandrina,3 ma V uno prende la parte di Eco e l'altro illude il dio tormentato
dalla passione. Inoltre le medesime figure degli Amorini, vo' dire le forme
1 E vero che il eh. Wieseler nel suo lavoro Die Nymphe Echo (1854) voleva riconos-
cere in tre monumenti 1' amore di Pane ed Eco, ma i due rilievi del Boissard (Wies.
p. 29 e 32) sono falsi ne potrebbero rappresentare Eco. Nemmeno la lucerna (ib. p. 28)
puö riferirsi al nostro concetto. Anche le figure in un rilievo e due pitture con Nar-
cisso in cui il Wieseler p. 34 vide Eco, non sono altro che Ninfe dei rispettivi luoghi,
e senza ragioni fondate lo Stephani, Compte rendu 1861 p. 61 vuol riconoscere Eco in
un vaso dipinto.
2 N. 9 del Cades e pubblicato da Bracci, Mem. II 68 ed e moderno (cf. Köhler,
Ges. Sehr. III 99; Brunn, Künstig. II 495).
3 Si confronti Furtwängler, Eros in d. Vasenmal. p. 68 sg. 81 sg. [oben S. 44 ff. 52 ff.].
QSTA PRENESTINA E TECA DI SPECCHIO
fandtdlesche colle piccole alette sono proprie soltanto dell'arte cosidetta ales-
:drina.
Ina circostanza che accresce d'assai il valore del nostro monumento, si e
che desso e uno specchio proveniente da tomba etrusca (Corneto), e si sa che
lo Strato dei sepolcri rinchiudenti specchi non contiene che vasi dipinti della
decadenza, e che e contemporaneo incirca alla fabbricazione delle eiste graffite.
Cid posto ritorniamo alla cista da noi pubblicata (per brevitä la distingue-
remo con A e lo specchio con B). 11 gruppo principale ci presenta le medesime
persone, vale a dire Pane, caratterizzato per due brevi corna che gli spuntano
sulla fronte ben distinte daH'andamento dei capelli e perciö non equivoche, dan-
zante col pedo in compagnia di due Amori. Consideriamo questi innanzi tutto.
L'no svolazza nell'aria dirigendosi verso Pane colle braccia protese in un atteg-
giamento che spessissimo ricorre sui vasi dipinti e l'idea del quäle era di apportar
una corona o tenia, trascurata perö di sovente, come anche qui. Una partico-
laritä molto strana e che il dio e munito di ali di farfalla,1 le quali sono raris-
sime in Eros. Giä il Zoega e lo Jahn hanno addotto gli altri esempi che perö
debbono classificarsi in altro modo; giacche i rilievi sepolcrali romani formano
una classe speciale- per noi adesso di nessun valore, ove le ali stanno in re-
1901azione con quell'identificazione proprio romana di Eros col Sonno eterno. Di-
verso e il caso di quella pittura pompeiana (Denkm. a. Kunst. II 691), la quäle di
certo risale all'arte alessandrina e ci mostra di tre Amori che tormentano Psiche
uno adorno di quelle ali trasferite a lui dalla compagna infelice senza significato
piü profondo. Cosi per mero scherzo si trova anche in un rilievo di stueco di
una tomba romana all'incirca del secondo secolo d. Cr. (Cabott, Stucchi ant. 13)
sedente sopra un montone marino, mentre un altro sopra delfino ha le ali d'ue-
cello. Un rilievo di terracotta in fine frammentato e pure di un sepolcro romano,
ora esistente nel museo Gregoriano (Campana, Due sepolcri t. 8, M) mostra
l'Amore bacchico coronato d'ellera e come sembra con cantaro in mano. In
tutti questi casi come nella nostra cista non posso veder che un Capriccio ar-
tistico, Capriccio il quäle non poteva perö nascere prima che Psiche fosse en-
trata nell'arte come compagna di Eros. Noi abbiamo dunque in questo monu-
mento una novella prova, che Psiche amante di Eros, fanciulla con ali di far-
falla, era non solo nota, ma divulgata nell'arte giä molto prima dei tempi del
poeta Mdeagro, cioe giä nel terzo secolo.3 D'altro canto gli e certo che non
1 Sc aleuno volesse dubitare dell'autenticitä del graffito in questo punto, posso affer-
mare che non puo nascere alctin sospetto davanti l'originale.
* Sono questi: il rilievo di Cilli (Jahn, Arch. Beitr. t. 3, 2) e un altro negli Annali
J tav. d'agg. F, ove si corrispondono due con una corona in mano; parimenti due
>no la tavola coll'iscrizionc in un cippo esistente nella villa Borghese, pubblicato,
ma con ali d'uccello, da Boissard, Ant. II 105 (cf. Zoega, Bassir. II 209). — 11 piecolo
quadro Pitt, d' Krcol. VI p. 169, annoverato ancora dallo Jahn, sarä meglio escludcrlo.
1 I>i cio eravi Msogno, perche nella cista si potessc attribuirc le ali di Psiche ad
con Rappresentazioni Bacchiche. 139
possiamo risalire piü insu, Psiche con Eros non trovandosi mai su vasi dipinti
siccome motivi propriamente estranei all'arte prealessandrina, la tradizione della
quäle si conserva nei vasi anche nel secolo terzo. La cista dunque per rispetto
a quella figura sta anch'essa sotto la influenza dell'arte alessandrina.
Ben diversa e l'altra figura alata di A che sta in piedi colla patera nella
mano destra. A prima vista si potrebbe dubitare se non s'abbia a che fare con
una figura femminile, l'anca- essendo si molle e larga; l'acconciatura perö dei
capelli, vale a dire quel ciuffo sulla sommitä del capo, non raro nelle eiste graffite,
e adoperato tanto per femmine quanto per giovani di carattere molle come Eros.1
Che poi anche le altre forme un po' effeminate sieno proprie di Eros, special- 191
mente sui vasi della Puglia, e cosa notissima. E se l'artista dell'arnese prenestino
avesse voluto rappresentare una donna, sicuramente avrebbe espresso anche altre
parti del corpo meno dubbie. Chiamerö dunque Eros anche questa figura ne
trovo difficoltä in ciö che un Amore piü piecolo svolazzi in aria mentre un altro
piü grande stiagli di sotto, giacche una perfetta analogia ce l'offre un' altra cista
(Mon. IX 58. 59) ove una piecola Vittoria vola verso Minerva, mentre un'altra
piü grande le sta appresso. Altre analogie si trovano su vasi dipinti, anzi vi
e una legge (cf. il mio Eros in der Vasenmal. p. 70 [oben S. 45]) che quando
Eros vola nell'aria vien rappresentato piü piecolo, quando al piano delle altre
figure, piü grande. Relativamente al concetto il nostro Eros e da confrontare
colla cista nei Mon. VIII 29. 30, ove si vede presso Afrodite un Eros similissimo
al nostro, anch'egli giovane e con una patera di egual forma nella mano destra,
tipo del tutto proprio a quel periodo anteriore all'influenza alessandrina rap-
presentato dai vasi dipinti (cf. p. e. il vaso di Ruvo Annali 1851 tav. d'agg.
Q R). E quanto all'azione sua devesi ripetere quello che abbiamo giä detto
disopra anche pel suo compagno, che e piü piecolo senza essere perö un
fanciullo.
Ma che cosa significano qui gli Amori? Essi non ispirano il furore bacchico
come in molti vasi dipinti, ma sembrano accennare colla loro presenza e col
loro atteggiarsi aH'innamoramento di Pane, il quäle non essendo rappresentato
in azione amorosa e' non possono alludere che alla generale sua propiia natura.
Or e notissimo che Pane giovane di forme umane, come qui, spesse volte sui
Eros giä nel fine del terzo o sui prineipio del secondo sec. a. Cr. — Si confronti per-
altro Jahn, Sachs. Berichte 1851, 156. — La dissertazione piü recente intorno a queste
quistioni: Primer, De Cupidine et Psyche, Bresl. 1875, non e che una compilazione piena
di errori e senz' aleun valore scientifico.
1 Donne lo hanno p.e. sulle eiste seguenti: Mus. Borb. 14, 40, Nereide del co-
perchio; una Vittoria Mon. VI 40 e Gerhard, Akadem. Abhandl. t. 57. 58; una figura alata
presso Paride (Eris?) Mon. VIII 29, 30; una Baccante Mon. IX 23; Diana Mon. IX 58;
figura alata seminuda con ombrello sopra cista Barberiniana non pubblicata. — Gio-
vani: p. e. quello che sta accanto ad Apollo Mon. VIII 29, 30 ed Eros stesso sopra la
medesima cista e sopra due specchi (Gerhard, Etr. Sp. t. 331, 1; 73).
140 Cbta Prenestina e TECA di Specchio
vasi dolla Puglia vien composto con Venere quäle divinitä affine, ma non posso
tuttavia addurre alcun esempio dei vasi che ci mostrino Pane stesso innamorato.
Onde la dsta la im breve passo innanzi, sebbene resti sempre lontana da B,
192 ove non e piü accennata soltanto quasi simbolicamente la natura generale del
dio. ma vediamo l'ingegnosa scena del suo amore speciale per Eco. Riassu-
nendo diinque possiamo dire che mentre in B tutta la composizione e singolar-
inente gli Amorini stanno sotto l'influenza dell'arte alessandrina (per servirci di
questo termine poco esatto ma commodo e breve), la scena corrispondente in
A non si discosta ancora molto dalla tradizione dei vasi dipinti e negli Amori
soltanto le ali di farfalla accennano ad uno sviluppo piü recente, mentre del
resto corrispondono interamente coli' arte anteriore. Ma A e B essendo della
medesima epoca dobbiamo domandarci le ragioni di cosifatta differenza e non
possiamo far a meno di esaminare il carattere di Eros sugli altri monumenti
simili relativi al medesimo sviluppo dell'arte antica, vale a dire principalmente
sulle eiste e specchi etruschi.
Quando io scrissi sopra Eros in der Vasenmalerei [oben S. 1] lasciai
da parte gli specchi etruschi non aecorgendomi che essi possono servire benis-
simo per confermare le mie conclusioni. Infatto il contrasto che io vi stabilivo
per l'Eros dei vasi dipinti e quello specialmente delle pitture parietali della Cam-
pania, riesce ancora piü chiaro, or che vediamo appunto il passaggio che fa
l'arte da uno sviluppo all'altro e la lotta stessa dei due elementi contrari.
Cominciamo la breve nostra rivista dagli specchi prenestini, i quali, com'e
noto, e per la forma oblunga l e per lo Stile piü libero e vivo, avvegnache pur
piü negletto, si distinguono da quelli propriamente etruschi. II piü importante
e a t. 329 presso Gerhard, Etr. Spiegel, ove vediamo una schiera di Amorini
piecoli e grassotti e colle ali parimente piecole perseguitanti e stuzzicanti con
armi diverse un leone, concetto dell tutto strano su vasi dipinti, ma evidente-
nente inventato in uno sviluppo piü recente che sogliamo chiamar alessandrino,
nel quäle perö era favorito assai.- Tuttavolta quest'e il solo specchio che ci
193porga una composizione tutta propria a quest'ultimo sviluppo d'arte; giacche ve
ne sono ancora due altri di Preneste, che ci mostrano queH'Amorino colle ali
piecole e che appartengono allo sviluppo piü recente, ma quanto alla compo-
sizione essi s'aecostano ancora ai vasi dipinti del secolo terzo: sono presso
iiard t. 328, 1 ove si puö confrontare un vaso della Crimea (Stephani, Vasen-
samml. der Erm. n. 2011) e t. 423 il quäle ricorda molto i vasi di Puglia tanto
1 La regola non e pero scn/.a eeeezione, (rovandosi la forma oblunga audio in
ria c la forma circolare non di rado anclic in I'alcstrina.
* Si confrontino parccclii musaici: Mus. Borb. 7, 61; Hüll. Nap. n. s. IV 2; Miliin,
(iall. mvth. 118, 454; cd il KruPP(' analogO di Arcesdas (cf. Ilelbig, Untersuch, über die
camp. Wandm. p. 23).
con Rappresentazioni Bacchiche. 141
per quella finestra donde una donna (velata per lo piü) guarda verso il basso,1
quanto per Eros che porta una tenia.
In tutti gli altri specchi prenestini Eros non si distingue da quello dei vasi
dipinti, specialmente dell'Italia meridionale. Cosi Gerh. t. 303 e anche 331, l.2
Uno dei piü belli e quello a t. 327: rappresenta Paride in costume greco che
vien persuaso da Eros giovine colla saetta in mano allusiva alla sua potenza.
E il solo specchio in cui s'incontri questo attributo d'Arr.ore, raro assai anche
nei vasi.3 Parimenti bello e uno specchio Pasinati (i disegni presso l'Istituto)
ove una donna vien ornata ed Eros, che assiste alla scena, l'aiuta porgendole
qualche cosa da una cassetta. AI margine vi e una striscia molto simile a quella
di t. 322 (Gerh.), giacche in ambedue si scorgono Amori volanti con tenie o
corone nel tipo dei vasi dello stile bello. Piü trascurato ma importante per le
iscrizioni latine e un altro (t. 371), ov'Amore riunito senz'azione con Venere,
Vittoria ed una terza donna poco chiara ha il nome suo latino.
Rivolgiamoci adesso agli specchi propriamente etruschi di stile libero4 e non 194
vi troviamo nessuna traccia dei piü recente Eros alessandrino, bensi alcuni imi-
tano piü o meno direttamente le composizioni dei vasi di stile buono, mentre
altri mescolano l'elemento etrusco nazionale molto piü di quelli di Palestrina.
Rispetto ai primi nomino innanzi tutto tav. 377, ove Eros raccomanda Paride
ad Elena in modo tutto simile ai vasi. Suscita poi aH'amore (t. 85) o porta
Corona o tenia (t. 113 e specialmente t. 375, composizione dei tutto greca e
propria dei vasi buoni). Ma piü numerosi sono gli altri che subirono l'influenza
nazionale, la quäle per lo piü consiste in malintesi e si distingue al disegno
molto trascurato ed alla composizione inanimata e poco chiara. Di questo genere
sono gli specchi a t. 86 e t. 255 A, 2, ove ad Amore vien opposta in modo tutto
etrusco una figura simile femminile; quello a t. 330, 1 forse non e genuino;
curiosa e poi anche la spada nella mano di Eros a t. 119 (sopra il delfino dei
resto appare anco sopra i vasi); ma moderna senza dubbio e quella a t. 92, 1.
1 Cf. p. e. Elite ceram. IV 66. Millingen, Vases de coli. div. t. 30; Heydemann, Vasens.
in Neapel n. 1762; 1892; SA. 360 e molti altri.
2 Senza ragione sufficiente il Gerhard chiama Psiche la donna ignuda che sta da-
vanti a Eros; essa ricorda invece quelle riunioni di donne e Amore senz' alcun' azione
sui vasi della Puglia.
3 Cf. il mio Eros in der Vasenm. p. 71 [oben S. 46]; ai dieci esempi quivi annoverati
posso aggiungere il vaso attico bellissimo nei Mon. gr. pour l'encouragem. 1875 t. II [Furt-
wängler-Reichhold Taf. 96. 97] colla battaglia contro i Giganti, ove perö l'idea di Eros
consiste soltanto in ciö che egli e servitore della madre Venere. Inoltre un'anfora posseduta
dal sig. Augusto Caslellani: Eros dipinto in color bianco tira 1' arco, seduto solo sopra
la clamide. La tecnica e quella tarda dei bianco sovrapposto alla vernice nera che copre
tutto il vaso; la clamide e dipinta in rosso, 1' aspetto di Eros e gli ornamenti sono quelli
della bassa Italia, d'onde si dice che provenga.
* Eros in stile arcaico si trova soltanto una volta (Gerh. t. 117) e in maniera tutta
greca (cf. Eros etc. p. 18 [oben S. 10]).
14:2 Cisia Prenestwa e teca di Specchio
Un malinteso pol sembra nascondersi nell'altro t. 63; ed altri ancora falsamente
sono stati riferiti ad Eros (p. es. t. 118, presso Friederichs, Kleine Kunst p. 56
n. 55; a t. 335, 3 certo non e a vedersi Amore, come credeva il Gerhard, ma
un Satiretto che ruba il turcasso ad Ercole). Forse infine si puö riconoscere
un tipo di Amore proprio etrusco in quegli speccht rozzi che presentano ima
Bgura alata senza attributi, la mano destra sul dorso ed il capo coperto di un
berretto (t. 31, 4.5; 32, 5. 6. 7).1
Vi sono poi vasi dipinti della decadenza di pretto lavoro etrusco, che ap-
llA~>partengono allo stesso sviluppo degli specchi. In essi e visibilissima l'imitazione
dei vasi della bassa Italia; ma Amore perö non vi si trova che ben di rado.
Un vaso ceretano (Roma, pal. dei Conservatori) p. es. e tutto fatto sopra un
modello della Puglia: Amore colle ali grandi dipinte in bianco porgente una
corona a una donna seduta con Corona in mano. Anche quelli pubblicati dal
Gerhard (Trinkschalen t. C 10. 1. 5) s'accostano ai vasi greci; ciö che dall'altro
canto non si puö dire dei nn. 2 e 4 1. c. ove specialmente n. 4 rappresentante
Ercole solo con Eros immerso in pensieri amorosi offre un motivo di sviluppo
piü recente. Tuttavia di maggiore importanza sono, senza dubbio, quei noti
vasi con iscrizioni latine provenienti dall'Etruria meridionale,2 che mostrano per
lo piü un Amorino isolato, il quäle non tanto nell'atteggiamento quanto per
le forme esterne, l'aspetto fanciullesco e le ali piccole tosto fa vedere l'influenza
di un altro sviluppo piü recente. Anche per la tecnica questi vasi appartengono
ad uno degli Ultimi stadi della pittura vascolare, essendo dipinti in bianco e
giallo sopra fondo nero. Lo Stile non e quello proprio degli Etruschi, bensi
1 Negli Ultimi esempt il sesso non e piü chiaro ma il tipo non deve confondersi
(ciö che fa il Gerhard) con una rappresentazione simile di una figura muliebre, proba-
bilmente una specie di Grazia, il cui tipo e il seguente: una donna ignuda alata corre
a s.; muove la gamba sinistra in avanti e nelle mani tiene l'alabastron collo Stile. Non
i privo d'interesse l'osservare come codesto tipo divenendo sempre piü trascurato com-
pare ora senza lo Stile ora senza il vaso e sol mantiene la posizione primitiva delle
mani, la quäle poi svanisce anche essa, mentre quel berretto tanto favorito presso gli
Etruschi vien aggiunto anche qui, anzi poi vi predomina. Possiamo dunque mettere i
diversi esempi presso Gerhard grado per grado nelT ordine seguente: t. 35, 2. 1. 3. 4;
34, 2. 4. 3; 33, 1. 3. 4. 5. 6; 245, 1 ; 32, 1-4; 244; 32, 8; 245, 2; 35, 7. La stessa figura
vien raddoppiata t. 42, 1. 2. 5.
* Cf. Jahn, Die Ficoron. Ciste p. 55 e nel mio Eros etc. p. 69 [oben S. 44). Adesso
potiO aggiungervi perö una patcra dei Museo etrusco di Firenze, Amore suonantc la
doppia tibia, senza iscrizione. Probabilmcnte dall'Etruria proviene anche un' oinochoc
dei museo Gregoriano, il cui ventre e soltanto rigato vertiealmente, uso molto ovvio nei
vasi deH'ultimo periodo, ma che mostra al collo dipinto in bianco sopra fondo nero
nclla solita tecnica quel medesimo Amorino col flauto e una secchia nelle mani, la cla-
midc sul braccio; ad.es. sono fogliami d'cllcra giallastri. In tutto l'aspetto suo questo
avvicina il piü a quei della bassa Italia da mentovarsi sopra nel testo. — Un'
anfora della biblioteca Vaticana mostrante la medesima tecnica e fra i rabeschi quell
Amorino toUtO che cammina solo, e di provenienza ignota.
con Rappresentazioni Bacchiche. 143
piü libero e franco, rassomigliando cosi a certi prodotti dell'arte latina. E di
vero le iscrizioni provano ch'essi stanno in istretta relazione coll'elemento latino
in Etruria, mentre su questo stesso proposito dobbiamo rammentarci che anche
sopra alcuni specchi latini di Palestrina abbiamo trovato quell'Amore che chia-
miamo alessandrino, quando gli altri tutti pur aderivano all'antica tradizione. Ma
non soltanto presso i Latini e gli Etruschi latinizzati, ma anche nell'Italia meri-
dionale troviamo il medesimo stadio di sviluppo e senza dubbio il fönte donde
esso si difiondeva a quei primi. C'e una classe di vasi frequente assai nella 196
Campania e la Puglia, decorata quasi sempre soltanto con vari rabeschi e ghir-
lande d'uva specialmente, dipinte bianco e giallo sopra il fondo nero con ag-
giunte di un rosso brunastro, ma alcune volte vi si vedono anche figure umane,
ed importantissimo per noi e un vaso d'Oria in Calabria (Napoli Mus. Naz.
n. 1758Heydemann; Mus.Borb. 3, 46), giacche frapposti a quegli ornamenti mostra
due Amorini di quel tipo piü recente non ancora cosi deciso ma diverso assai
da quello solito nei vasi pugliesi; 1' uno e montato sopra un carro tirato da
quattro leoni (due maschi e due femmine; falsamente sono state chiamate pan-
iere) e guidato dal secondo.1 Questa composizione, insolita e nuova confron-
tata cogli altri vasi, trova perfette analogie nei noti monumenti piü recenti e
giä in alcuni altri vasi dell'ultimo periodo. Una tecnica ancora piü tarda2 (poli-
croma con indicazione delle ombre) offriva un vaso, sgraziatamente non conos-
ciuto che dal disegno presso Jahn, Telephos u. Troilos u. kein Ende t. III, ma
che mostra Amorini sopra varie quadrighe (leoni, cigni) in modo identico, come
poi li troviamo nell'arte greco-romana. La provenienza non e certa e mentre
alcuni lo dicono pugliese, altri (Bull. d. Inst. 1842, 165) lo credono piuttosto di
Volci. E che infatto rappresentazioni simili presto si diffondevano all'Etruria, lo
mostra la patera d'Orvieto negli Annali 1871 tav. d'agg. A; Amorini sopra qua-
drighe in una simile tecnica di quest'ultimo periodo.3
Ecco dunque che abbiamo ben chiaro dinanzi gli occhi l'interessante pro-
cesso della transizione delle due correnti contrarie; vediamo che i monumenti
che seguono immediatamente dopo il morire dell'antica pittura vascolaria circa
nella seconda metä del terzo secolo a. Cr.4 in gran parte accettano e usano l'Eros 197
1 I colori sono bianco, giallo e un rosso brunastro. Le redini non sono dipinte
ma graffite, ciö che si combina con una specialitä dei vasi di questa tecnica, che essi
cioe spesso distinguono cosi alcune linee che circondano gli ornamenti.
2 Un esame diligente di molti originali potrebbe stabilire diversi stadi in quest'ul-
timo periodo della pittura vascolare, ma qui non possiamo entrar in siffatta questione.
3 Dal quäle in poi Amorini sopra quadrighe in generale divenivano soggetto molto
favorito. Ma giä sopra il gran vaso ruvese a Napoli (Heydemann n. 3252 p. 568), che
appartiene ai piü tardi della sua specie, appariscono fra gli ornamenti due Amorini sopra
quadrighe, giä simili a quelli sopraccitati in tutto il loro atteggiamento.
4 Mediante le iscrizioni latine dei sopraccitati vasi il tempo loro vien fissato nei
quinto secolo di Roma; ma dietro i dati archeologici non trovano il posto giusto che
144 ClStA Prenf.stina e tf.ca di Specchio
del nuovo s\ilnppo dell'arte grande in quel secolo, presto dall'Italia ineridionale
tramandato ai Latini e agli Etruschi latinizzati.
Ritornando adesso ai nostri monumenti non ci farä piü specie che anch'essi
stieno sotto questa nuova influenza ancora poco visibile in A, ma molto in B;
le che proseguiremo ad esaminare le singole figure e dapprima la figura prin-
cipale, cioe il dio Pane.
Commune ad ambedue i monumenti e il tipo di Pane umanamente raf-
figurato e sol distinto da due piccole corna. Questo tipo ha il suo posto
determinato nello sviluppo dell'arte ed e d'uopo perciö di spiegarlo un po' piü
largamente. — Non v'ha dubbio che il tipo di Pane caprino e barbato non sia
il piü antico cosi nella letteratura come nell'arte; l'inno Omerico (XIX) lo des-
crive infatti in tal modo e lo stesso Erodoto (II 46) sembra non aver conosciuto
altro Pane che questo; mentre d'altro canto la statua eretta da Miltiade nell'
epigramma di Simonide (Anthol. Plan. n. 232) e detta pure tQirf&novQi1 Riguardo
poi ai monumenti conservati conosciamo il tipo di Pane quäle veniva venerato
198 in Atene in grazia d'alcune medaglie rappresentanti l'Acropoli e per certi rilievi
votivi dell'Attica,2 ove il dio ha sempre la forma caprina e suona la siringa
assiso nella grotta. Un altro tipo propriamente attico e quello ben noto che
serve di decorazione ad un pilastro; Pane e qui avvolto generalmente nella pelle
di cerviatto come se un mantello, e ciö semplicemente a cagione dell'uso suo
architettonico.3 Inventato in Attica questo tipo veniva quindi imitato dai Romani
al morire di questo secolo e forse la natura privata di questi monumentini ci permette
di riportarli perfino al principio del secolo sesto, dovendo essere un po' posteriori alla
maggior parte degli specchi etruschi, i quali dal canto loro non possono essere anteriori
al terzo secolo a. Cr. siccome dipendenti dallo sviluppo dei vasi dello stile sciolto nell'
Italia meridionale e non trovandosi nei sepolcri che con vasi della bassa epoca.
1 Fra gli altri monumenti di Pane menlovati dagli autori e coi quali si potrebbe
rc il tempo, solo il gruppo di Prassitele descritto in due epigrammi, e noto quanto
al tipo, essendo chiamato zgayönovg (Anth. Plan. n. 262) e sapendosi che era rappresen-
tato coll'otre. Quest' ultimo concetto (l'otre non era mai attributo ordinario di Pane e
sarebbe molto strana nei tempi supposti) e cosi tutto il gruppo di Danae davanti le
Ninfe e Pane pare accenni ad un'epoca piü tarda e nulla c'impedisce di pensare a quell'
altro Prassitele piü reccnte. — Qui cade forse di rifiutare una congettura del Wieselcr
nm.de Pane et Paniscis etc. 1875 p. 9) che cioe sul monumento di Lisicrate si
trovi Pane barbato c cornuto colle gambe umane. Ma la testa rispettiva, oggi tutta
ata (Stuart e Revett, Antiqu. of Athens I 4, 20), certamente non aveva mai quelle
piccole corna che le vengono date nella pubblicazione poco degna di fede in tali par-
ticolaritä. Siffatto tipo non apparc che nell' arte greco-romana ov'e da chiamarsi piuttosto
ro, come vedremo piü sotto; inoltre Pane non essendo ancora in quei tempi socio
■ del tiaso bacchico non poteva comparire senz'alcuna distinzione in mezzo ai Sa-
tiri comuni.
qualcht altro dallc isole attichc c uno da Megalopoli ; cf. Michaelis negli Annall
1 Cf. Friederichs, li.iusteine n. 656. [Fricdcrichs-Wolters 2169.J
Con Rappresentazioni Bacchiche. 145
assai di frequente: ancor oggi oltre uno nel museo Capitolino (trasportatovi
dalla villa d'Este a Tivoli) e un altro nel cortile del palazzo Corsini a Roma [Matz-
Duhn 487] ne esistono per vero non meno di cinque nella villa Albani senza note-
voli differenze.1 Tanto nei detti rilievi quanto in queste statue il tipo caprino e
molto sviluppato anche nel viso, che e del tutto indipendente da quello dei Satiri,
prendendo i suoi tratti caratteristici unicamente dalla capra e solo improntandoli
di una certa quäl dignitä. Ad ogni modo perö tutti e quanti questi monumenti
non rimontano al di lä del quarto sec. a. Cr. e la questione si e, se giä nel
quinto secolo codesto tipo, specialmente del viso, sia stato fissato e riconosciuto
dappertutto. — Abbiamo un erma rappresentante Pane in un tipo arcaizzante,
eseguito con molta diligenza ed esistente a Londra ([Nr. 1745]. Anc. marbl. of the
Br. Mus. II 35; cf. Friederichs Bausteine n. 62 [Friederichs-Wolters 448] e Wieseler,
Gott. Nachrichten 1875 p. 440, i quali giustificano la spiegazione di Pane); ma
a giudicare dall'impressione generale noi non crediamo che un tipo veramente
aicaico abbia servito di modello all'artista, si bene crediamo che sia invenzione
libera della sua fantasia. E questo e confermato da un'altra osservazione. Giä
altri hanno messo in raffronto quei due ermi del museo Lateranense (Garrucci
t. 26; nn. 181 e 188 nel catalogo di Benndorf e Schöne [Heibig, Führer2 663.
664]), dei quali quello colla testa antica (n. 181) e similissimo a quello di Londra 199
nel capo calvo, per la Corona di fiori rada, la fronte alta e il naso incurvato,
ma lo stile qui e libero e di una straordinaria energia caratteristica e quasi
caricata. L'altro (n. 188) colla testa moderna e creduto muliebre dagli autori
del catalogo; perö la parte virile essendo coperta di frutta, di piccoli fichi, non
c'e alcuna ragione che impedisca di ritenerlo un uomo. Del resto basta con-
frontare l'erma di Londra perche ne emerga il vero. GH avanzi di ricci lunghi
finissimi ed arcaizzanti ricadenti sulle spalle, inesplicabili in una compagna
muliebre dello stesso stile del n. 181 — eccoli resi chiari dall' erma piü com-
pleto; le maniche poi con i loro bottoncini sono gli stessi colä e qui, e la
direzione delle braccia, fin dove esse sono conservate, e perfettamente identica,
e la cesta bacchica essendo ristaurata senz'alcun indizio antico, non esiteremo
dare il flauto (del quäle un pezzo attaccato alla bocca nell' erma di Londra
e antico) anche a quello del Laterano. Laonde ci sembra certo che il n. 181
era 1'immagine della medesima persona rappresentata nel 188, ma espressa
tuttavia in istile arcaizzante e simile all' erma di Londra. Cosi formavano
(181 e 188) un contrasto che nei tempi recenti si sa essere stato ricercato non
di rado dagli artisti.2 Sembra poi non meno certo trattarsi qui di una mera
1 Quelli dell' Attica e alcuni altri esemplari colla letteratura rispettiva sono citati
da Michaelis, Annali 1863, 310 e Kekule, Bildw. im Theseion p. 21 n. 4?. [Sybel 268.
Athen, Nat.Mus. 251. Vgl. Roscher's Lexikon III S. 1417.]
2 Si confrontino 1' erma bicipite di Sileno nel tipo arcaico e quello recente (Mus.
Chiaram. III 91 [Amelung, Vatican Taf. 47 Nr. 229]) e gli ermi bicipiti di Bacco barbato
arcaico e Bacco giovane.
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. 1"
14f, Cista Prenestina e TECA DI Specchio
invenziono assai ingegnosa doli' artista del secondo o primo secolo a. Cr., il
quäle avendo contaminato (nel n. 181) i tratti caratteristici di Pane e di Priapo
ne derivava poi il tipo arcaizzante conservato nell' erma di Londra.1 Dunque
pol tipo di Pane nel secolo quinto noi non possiamo servirci di quest' erma.
Importantissime per la quistione sono in quella vece le note monete di
Panticapaion, benche anche fra esse nessuna pare anteriore del quarto sec. a.
Cr. 11 tipo senza dubbio piü antico ■ lo mostra quella stupenda testa di Pane
200barbato senza corna e senz' alcun indizio della natura caprina; per contrario ha
tutti i contrassegni dei Satiri propri dell'arte piü antica, cioe il naso ricurvo, i
capelli ispidi ed i grand' orecchi animaleschi; ma l'espressione quasi feroce lo
distingue da quelli.3 Ne puö nascer dubbio che non sia qui rappresentato Pane,
causa il nome della cittä, ciö che vien confermato dal fatto che anche la gente
Yibia a Roma per accennar al suo cognome Pansa improntava le proprie mo-
nete allo stesso tipo.4 Piü recente secondo ogni probabilitä e l'altro tipo di
Panticapaion,'' che lo mostra imberbe ma conserva quel tipo di Satiro senza
corna. E questo sviluppo vien confermato da quello simile sulle monete di
Messana in Sicilia, ove la serie piü antica ci offre quella testa di Satiro selvaggio
barbato, qui perö distinto da corna (Periodico di numismat. 1871 III t. 3, 5; un
po' diverso e il n. 4; cf. il testo di Salinas p. 229); ma nella serie piü recente
ora mancano le corna ed il viso e tutto umano, perö coi capelli corti irsuti e
scomposti; ora sono piü nobili i capelli se non che sono aggiunte due piccole
! Che il processo non era inverso, mi pare evidente, e non meno evidente sembrami
il tipo di ambedue non essere solo quello di Pane. D'analizzare gli elementi diversi
qui non e il luogo.
s Cf. Ant. du Bosph. Cim. t. 85, 1.2. La raccolta piü completa presso Köhne, Mus.
Kotchoubey I t. 3 seg. p. 340 seg. Sono due serie, una senz'alcun segno bacchico, l'altra
con Corona d'ellera; la maggior parte di quest'ultima mostra uno stile rilassato e sciolto.
.;en die Deutung dieser Münzen auf Pan: Furtwängler, Satyr von Pergamon S. 27, 1 ;
vgl. Roscher's Lexikon III S. 1430.]
* Un tipo simile di Pane veniva ripetuto nell'arte piü recente qualche volta, distinto
perö da due lunghe corna. Cosi da quei grandi festoni che adornano una camera della
detta casa di Livia sul Palatino pende la bellissima maschera di Pane siffattamente
rappresentato; simile e anche il busto a sinistra nel noto rilicvo di terracotta Denkm.
a. Kunst II, 42, 527.
4 Naturalmcnte l'esecuzione e molto meno caratteristica; la serie piü antica (circa
Cr.» presso Cohen, Med. cons. t. 41, 9. 10; quella piü recente (43 a. Cr.) ib. t. 41,
ove le sembianzc del Satiro sono piü ciliare, c qualche volta vi si vede aggiunto
anche il pedo.
^en/.a dubbio i due tipi crano conteniporaneamcnte in uso non poco tempo,
he si trovano degli escmplari apparcntementc tardi fra quei barbati (p. e Köhne 1.
■ dall'altro canto ci sono fra gli imberbi alcuni di stile sevcro e senza
na d'ellera (I. c. t. V 20), mcntre la maggior parte colla Corona e di stile piü tardo.
ntemporaneo non prova nicnte per l'originc, che per gli Imberbi non puö
esscrc anteriore del sec. quarto a. Cr. — Cf. inoltrc Berliner Blätter für Münzk. II a t. 21, 4.
Con Rappresentazioni Bacchiche. 147
corna (1. c. n. 6—8). Quest'ultimo diventö il tipo piü comune di Pane sulle mo-
nete di Sicilia e della Magna Grecia nel quarto secolo specialmente (cosi su
quelle di Siracusa, Segesta e Pandosia, altri; cf. Wieseler, Gott. Nachrichten 1875
p. 469 seg.)1 come pure sopra quelle d'Arcadia. Ma nel medesimo tempo nella201
Crimea si rappressentava Pane sotto la forma di Satiro, ed anco nella vicina
Macedonia, sulle monete di Antigono Gonata, egli e un Satiro giovine che si
distingue soltanto alle corna (cf. Usener, Rhein. Mus. 1874, 43; Wieseler, Comm.
de Pane p. 7).
Vediamo dunque che cosi a Panticapaion come in Sicilia, allorquando si
voleva la prima volta rappresentare Pane, si scelse il tipo giä fissato pei Sileni
o Satiri, senza d'immischiarvi alcuna cosa della capra che un' aggiunta esteriore
come le corna qualche volta (in Sicilia). Se adesso ci ricordiamo del tipo ca-
prino completo nei monumenti attici del sec. quarto, e molto verosimile, che anche
qui il tipo satiresco coli' aggiunta esteriore perö delle gambe e corna caprine,
era 1' originario. Infatto cosi soltanto la storia del tipo in discorso corrispon-
derebbe con quella generale dell'arte. Imperocche sarä difficile provare che giä
nel sec. quinto 1' arte greca cominciasse a frammischiare nei tratti ideali dei visi
forme caratteristiche di animali. La coda, gli orecchi, i piedi animaleschi dei
Sileni p. e. non sono che aggiunte esteriori, ma le forme ideali del viso loro e
principalmente il naso rincagnato non e preso da alcun animale ma piuttosto
dagli uomini codardi e vili.
Dietro tali considerazioni si scioglie anche l'altra questione per noi piü im-
portante, quando e dove nascesse il tipo umano e giovanile di Pane. Le
monete della Sicilia ci hanno mostrato che dal tipo satiresco togliendo la barba
e facendo piü nobile il viso n' usciva quell' altro umano: le corna dategli da
talune vennero anche tralasciate da altre.2 Dunque in quelle regioni ove non si
era formato il tipo caprino ma quello satiresco s'era conservato, doveva nascere
la figura tutta umana, mentre sarebbe davvero stranissimo se l'Attica, che dal
viso satiresco barbato aveva formato quello caprino, avesse pur creato quello
giovanile, al quäle non c'e nessun transito dal Pane caprino. Mentre dunque
era fuori d'Attica, o nelle colonie in Sicilia o pure nel Peloponneso dove si202
creava il tipo umano, non parmi meno certo che anche nell'Attica presto venisse
do molti accettato il nuovo tipo. II eh. Wieseler ha il merito di aver provato
il primo, che la solita distinzione di Pane attico o caprino e Pane arcadico od
umano non e giusta, che la forma umana non era 1' originaria in nessun luogo
e che dessa era nota ed usata anche in Attica (Gott. Nachrichten 1875 p. 433 sg.).
Se egli crede perö che quest'ultima sia stata creata in Atene dalla scuola
1 In molti casi perö non sappiamo di certo, se le belle teste cornute (p. e. sopra
aleune monete di Akragas, di Agyrion etc.) sono di Pane o di giovani divinitä di fiumi.
2 Cf. Wieseler, Gott. Nachrichten 1875 p. 455 sg., ove erano da menzionare anche le
monete d Messana da noi sopra rilevate.
10*
Cista Prenesttna e teca DI Spkcchio
di Prassitele, le nostre ricerche provano il contrario. Ne quello e vero, che le
s tat uo e bustJ di Pane umano rimastici mostrino 1' influenza della scuola at-
tica; bisogna distinguervi varie classi e poi vedremo che una buona parte con
maggior ragione si ascriverä ad influenza peloponnesiaca. Isolato finora e un
onna della villa Borghese ' che mostra il dio nella florida etä d'un efebo vigoroso
ienz'alcun altro distintivo della sua natura animalesca che due piccolissimc
corna spuntanti dalla fronte; il suo viso e piuttosto largo e nello sguardo non
si scorgo nulla che accenni alla vaga leggerezza degli esseri bacchici, ma corri-
sponde invece benissimo al Pane efebo e cacciatore di alcune monete della
Magna Grecia e della Sicilia. Piü comune e un altro tipo del dio in cui le
corna spuntano non dalla fronte ma piü in alto, in mezzo ai capelli, ed essendo
piü lunghe esse non si staccano ma si stringono al capo, mentre gli orecchi
sono pur sempre piü o meno animaleschi. Appartengono a questa classe tutte
203 e quattro le statue finora conosciute,2 le quali, quantunque di esecuzione dell'
epoca romana, per le proporzioni e le forme semplici fanno supporre un originale
antelisippiano; anzi la statuetta di bronzo (d), ciö che mi pare assai importante,
t- una ripetizione di quel noto tipo del doriforo di Policleto. La posizione di
tutte le membra e le proporzioni delle forme sono affatto le stesse; colla mano
destra abbassata perö egli tiene la siringa come attributo distintivo. — Vi sono
ancora diverse teste appartenute a statue simili, specialmente due del museo
Lateranense: n. 277 del catalogo [Furtwängler, Meisterwerke S. 480 Anm. 1.
Heibig, Führer- 687J ove i capelli trattati con ispecial cura non ricciuti e folti ma
aderenti al capo ricordano di nuovo i tipi peloponnesiaci; V intera forma del
cranio ed il modo speciale col quäle i capelli coprono la parte superiore degli orecchi,
trova la sua perfetta analogia in una testa eccellente del museo Chiaramonti,3 la
1 Mcntovato anclie da Conze, Götter u. Heroengest. p. 40. In Atene, mi vien detto,
apparvc poco fa nel commercio antiquario una bellissima statuetta di Pane umano in
bronzo, scduto e con traccie probabilmente di un cane appresso; i capelli si dicono
lunghi ma irsuti c !a faccia quasi ferocc. Dunque Pane cacciatore come sopra certe
monete. Di special importanza si e che il bronzo proviene dal Peloponneso. Non
lare per ora notizie piu dettagliate. [Nach Furtwiingler's eigener Untersuchung,
Athen Mitt. 1878 S. 294, 1 nicht Pan, eher ein König der Diadochenzeit mit Stierhörnern.]
1 a e b due statue a Londra coll'iscrizione dell'artista M. Cossutius Ccrdo (Anc.
Marbl. II 33; 43 [Cat. of. sculpture 1666. 1667. Furtwängler, Meisterwerke S. 480 Anm. 1]);
c del tutto corrispondente e la statua vaticana della Gall. dei candel. n. 246 (incsattamente
mentovata nella Beschr. Roms II 2, 272, 19 [Heibig, Führer» 395]). La testa e riportata
ma vi apparteneva; moderno c il braedo sinistro; originariamente serviva di decorazione
ad una fontana e l'acqua sortiva dal vaso che tiene nella mano destra abbassata e ap-
..iata ad un pilastro. La testa e un po' inclinata come in a e b, il lavoro pcraltro
d statuetta dl bronzo a Parigi, pubbl. da Clarac, Musec 726 G, 1681 B ma
mo: ittamente. Io giudico dietro un gesso. [Vgl. Furtwängler, Athen. Mitt. 1878
■ rat 12J.
» N. 507 del catalogo attuale [Amelung, Vatican I Taf. 69]. Non t pubblicata ne la
■'ta che presso il Hasch, Verhandl. der Philologenvers. 1874 p. 163.
con Rappresentazioni Bacchiche. 149
quäle offre uninteressante modificazione del tipo del doriforo. La seconda testa
del Laterano (n. 101 [Heibig, Führer2 656]) e una replica modificata della prima,1
in cui l'artista sol cercava d'introdurre qualche elemento caprino, facendo sporgere
un poco la mascella superiore cosi che venga ad avere la stessa altezza della
punta del naso un tantino schiacciato — tratti essenziali codesti del tipo caprino.2
Di lavoro molto mediocre e la testa vaticana (Gerhard, Ant. Bildw. t. 319, 6) 3
rimarcabile peraltro per gli orechi piccoli ed interamente animaleschi. Mentre in
tutte queste teste il carattere sentimentale certamente non e il predominante, e
molto diversa la testa della Glittoteca di Monaco (Brunn, Beschr. der Glypt. n.
102 [Furtwängler 261 j). Le corna qui non sono piü aggiunte esternamente, ma
crescono proprio dall' organismo della fronte; il capo poi rivolto all' insu e la
conformazione degli occhi gli danno quel carattere vago e bramoso ben rilevato
dal Brunn e nel quäle al contrario delle teste antecedenti si puö ravvisare l'in- 204
fluenza della scuola attica. Probabilmente qui appartiene anche una testina
d'Atene descritta da Heydemann, Marmorb. zu Athen n. 781 (non cosi n. 735
[Athen 467] e neanche le altre annoverate dal Wieseler, Comm. de Pane p. 15,
perche appartengono al tipo dei Satiri).
Forse anche 1' arte statuaria ha rappresentato Pane umano senza corna,
come l'abbiamo notato giä sopra alcune monete. Non parlo del cosidetto Nar-
cisso di Pompei spiegato per Pane dal eh. Benndorf (Annali 1866, 107), giacche
questo troppo si scosta dai certi tipi di Pane noti finora; ma una testa del
museo Chiaramonti 4 presenta la massima analogia con quella di Monaco nella
general espressione; ma in eiaseuno dei due punti dove spuntano generalmente
le corna, si scorge, separata dalla benda che gli cinge il capo e tutta isolata,
una foglia d'ellera che col suo gambo pare uscir fuori dai capelli, probabilmente
per rimpiazzar le corna in simile modo come nella celebre cosidetta Arianna del
Campidoglio. Gli orecchi poi sono umani ed i capelli un po' piü lunghi e folti
che non nella testa di Monaco, la quäle e di gran lunga superiore a questa nell'
eseeuzione del lavoro.
Pane umano senza corna, sprovisto dunque di tutti i segni della sua natura
caprina, oltre che in questa testa e nelle monete sopra accennate, non c'e dato
ravvisarlo che in aleuni vasi dipinti della bassa Italia; giache quelli d'Atene, di
1 Colla quäle corrisponde anche nelle misure. — Senza ragioni bastanti e stata
chiamata femminile.
2 Dico ciö che il catalogo significa come viso arcigno. — Sgraziatamente nel n. 277
queste parti caratteristiche, cioe non soltanto il naso (menzionato dal catalogo) ma anche
tutto il labbro superiore, sono moderne; si vede perö che non aveva quell' espressione
caprina probabilmente introdoüa piü tardi; anche i capelli del n. 101 si scostano dalla
maniera piü originale del n. 277.
3 [Amelung, Vatican II Tat. 72 Nr. 320.]
4 Beschr. Roms II 2, 65, 408 — n. 410 del catalogo attuale [Amelung, Vatikan I Taf. 61].
La testa non e ne femminile ne piegata in giü, anzi un poco in alto.
ClSTA PRENESTINA l rECA Dl Specchbo
Cirene e della Crimea mentovati dal eh. Wieseler, il quäle recentemente ha
trattata tale quistione con larga dottrina (Gott. Nachrichten 1875, 441, sg.), non
esempi sicuri;1 ma esempi incontestabili sono alcuni vasi della Puglia,-
iei quali in generale Pane innano e figura comunissima, ciö che corrisponde bene
coi risultati ottenuti di sopra.
S'intende che prima dello stile libero dei vasi del secolo quarto a. Cr. non
compare mai Pane umano, ma neppure quello caprino; anzi quest' ultimo su
vasi e la forma piü recente, forma che prevale sempre piü col decadere della
pittura vasculare e sta in istretto rapporto col significato bacchico di Pane; giacche
egli in generale nei vasi comincia soltanto di entrar nel ciclo bacchico.3 In forma
umana egli non viene quasi adoperato che come un di piü nelle rappresentanze
mitiche oppure in quelle cotidiane per accennare alla natura del luogo rustico e
montagnoso od alla sua relazione con Venere; e questa pare sia la ragione della
sua totale assenza dai vasi di stile piü severo, pei quali non si adoperavano ancor
tali ae^iunte. Anche su quel bellissimo vaso siciliano di S. Martino Pane non
ha aleuna relazione con Bacco ma e semplicemente il dio delle montagne (Denkm.
a. K. II 425). * E di fatti io non posso addurre che pochissimi vasi con Pane
umano bacchico; in due egli parteeipa della compagnia di Bacco stesso (Napoli
1769 B, e Mus. brit. n. 1549 [F 114] = Hancarville I 104) ed in un altro che io vidi
presso il sig. Simmaco Doria a. S. Maria di Capua egli e frapposto in mezzo
al tiaso, giacche seduto a destra con nebride, clava e siringa egli guarda dan-
zanti dinanzi se due Menadi, un Satiro barbato ed uno imberbe che e caduto
a terra.5 Tuttavia aleuna volta accade che a Pane umano si aggiunge la coda,
1 Non oserei chiamar Pane il giovane del vaso attico presso Stackeiberg, Gräber
t. 28, 5; egli e rappresentante della ripa come anche la figura rispettiva nel vaso di
Crimea CR. 1-66 t. 3 e segnatamente quclla sul vaso di Cirene (Berichte d. säclis. Ges. 1871
t. Ii. Quest'ultima composizionc, giusta la mia opinione, e stata malintesa nel vaso di
provenienza italica nel CR. 1866 t. 5, 4, ove quclla figura viene raddoppiata e la figura
di Giove come pur 1' indieazione del mare e tralasciata. Qui certamente non e rappresen-
tato Pane (voluto dal Wicseler 1. c. p. 452); perche due Pani umani senz' aleuna diffe-
renza son tutt' altro che probabili.
* Cf. Wicseler I. c. p. 444. Credo sicuri specialmentc questi: Jatta, Catalogo n. 424;
Mon. d. Inst. IV 14; Gerhard, Apul. Vas. t. 11; a t. 8 sono due Pani umani, uno dei quali
privo di corna, senz'alcuna ragione; Heydemann, Vascns. in Neapel, n. 690 A e B (quest'
ultimo pubblicato recentemente da Overbeck, Atlas z. Kunstm. t. 13, 15; che la testa su-
periore di Pane qui sia moderna, come dice il Heydemann, io non ho potuto trovarlo;
almeno la parte ove dovrcbbero spuntare lc corna e antica). — A CR. 1862, t. 4 infinc
non e che un Satiro.
: BisoglU ricordarsi che anche sulle monetc di Pane umano niente accenni al caratterc bac-
chico sc non la Corona d'ellcra che nelle piü recenti monete di Panticapco divienepiü spessa.
* [Furtwlngler-Reichhold Tat 59].
1 II vaso i di stile rclativamcntc buono e non i policrotno come tanti vasi eapuani.
Si pno aggiungere cosi qui come alla serie leguente un vaso napoletano ove Pane
umano .• riunito con un Satiro cornuto auch' egli; giacche le corna espresse nel Mus.
con Rappresentazioni Bacchiche. 151
e cosi simile ad un Satiro viene introdotto nel ciclo bacchico, come in un vaso 206
della Crimea (Ant. du Bosph. t. 63, 1 — 3 = Stephani, Vasensamml. 1788) ed in un
altro di Cirene (Mus. brit. C3[E228]) ove Pane umano colla coda suona la solita si-
ringa presso Bacco ed i suoi seguaci.1 Vediamo farsi un passo avanti, quando
si aggiungono i piedi caprini e del pelo alla parte superiore della coscia, come
nel bellissimo vaso della Crimea (Compte rendu 1861 t. II) ove un cotal Pane
e frammisto ai Satiri barbati, distinguendosi perö anche al viso piü nobile.2 Ma
ecco giä l'influenza del Pane tutto caprino. Questo dunque si trova spesso tra
il tiaso bacchico nei vasi dello Stile sciolto di Cirene e della Crimea che si pos-
sono dire attici;3 ma resta sempre piuttosto raro su quelli dell'Italia, i quali, se
adoperano Pane caprino, amano piü la forma giovanile senza barba.4 Talora
nella stessa scena si trovano riuniti i due tipi, l'umano piü nobile e l'altro ca- 207
Borb. VIII 27 ma non mentovate dal Heydemann nel suo catalogo n. 1979 A esistono
infatti sull'originale, che in conseguenza e uno dei primi esempt di quella mescolanza
di Satiro e Pane.
1 Anche un vaso della Puglia a Napoli (Heydemann n. 2020) e uno presso Tisch-
bein (t. 14 del V vol. esistente nella biblioteca dell'Instituto [vielmehr eine Wiederholung
von Bd. II Taf. 33 = Reinach, Rep. II 300, 3]) mostrano Pane con tirso, coda e corna
fra altre persone bacchiche. Ma le corna rassomigliando molto a certi ornamenti del
capo sui vasi, perciö sono ambigue non di rado; cosi p. e. Ernst Schulze, Vasensamm-
lung Leesen t. II io crederei che non ci sia altro che un Satiro semplice. [Katalog einer
Sammlung Vasen aus dem Nachlasse des Frhrn. von Leesen, Köln 1907, Nr. 43. Jetzt
in Ny Carlsberg. Zwei weiß aufgemalte Hörnchen sind sicher.]
2 Sopra questo tipo di Pane coi soli piedi di capra cf. Wieseler, Gott. Nachr. 1875,
439. Forse codesto Pane — barbato s'intende — e piü antico di quello colle gambe
tutte di capra. Si puö ricordare il bellissimo vaso della Magna Grecia Mon. d. Inst. IV
34 [Gotha] nello stile del sec. quarto, che finora e senza analogia, mostrando tre Pani di quel
tipo saltanti intorno a Mercurio; essi si accostano bensi al tipo generale dei Satiri o
Sileni barbati, ma nelle fattezze chiaramente manifestano un carattere caprino bene es-
presso (Pani in pluralitä sono giä conosciuti dagli autori del sec. quinto, cf. Wieseler,
Comm. de Pane p, 7). Mi contento accennare a quest' interessantissima questione. — Ai
noti rilievi con questo tipo (annoverati dal Wieseler, Nachr. 1873, 528) posso aggiungere
il frammento di una piccola ara rotonda nel giardino pubblico a Tivoli, ov' e conservata
la gamba destra di quel Pane e una parte di una Ninfa.
3 Sono tutte rappresentazioni bacchiche e si capisce perche, quando Pane caprino
attico veniva introdotto nei vasi della Magna Grecia, con lui cominciasse anche il suo
significato bacchico. Pei vasi di Crimea cf. Stephani, Vasens. n. 1983 a e 2161 (due
Pani che si allontanano da una Baccante dormente); quelli di Cirene cf. Brit. Mus. C 2
[E 241] e il giä citato C 3 [E 228], ove oltre il Pane piü umano si vede quello intera-
mente caprino; ib. C 20. [E 435.]
4 I pochi esempi della forma barbata v. presso Wieseler, Nachr. 1875, 467. Agli
imberbi annoverati nello stesso luogo si possono aggiungere parecchi, frai quali rilevo
soltanto, come isolato finora, il vaso di Zurigo n. 307 che secondo la descrizione mostre-
rebbe Pane imberbe colle gambe caprine ma senza corna. — Le rappresentanze del resto
anche qui sono bacchiche la maggior parte e sul vaso di Napoli n. 934 egli e quasi del
tutto Satiro, perche il suo viso non e caprino ma identico con quello dei Satiri imberbi
sul medesimo quadro.
ClSTA PRENESTINA E TECA DI SPECCHIO
prino ' e questo dimostra che essi nel tempo in cui s'incontravano l'uno e l'altro
venivano consideniti come rappresentanti due persone simili sebbene diverse; ma
uno qui in un periodo di transizione.
Riguardando ora all'arte piü recente, alle pitture parietali e ai tanti rilievi
deü'epoca romana, non troveremo piü altro fuorche Pane caprino e bacchico,
quello umano essendo scomparso quasi per intero. E vero che alcune monete
spedalmente del Peloponneso ritengono 1' antico loro tipo anche ai tempi degli
imperatori (cf. Wieseler, Nachr. 1875, 973) e l'esecuzione delle statue e busti
sopramentovati non pare molto anteriore, ciö che vuol dire che di quando in
. quando continuava a riprodursi ancora il tipo umano come si riproducevano tanti
tipi antichi; ma nelle anzidette classi di monumenti dell' epoca romana non si
riscontra piü. Fra le pitture pompeiane finora si conosce un solo esempio (Mon.
dell'Inst. X 36, 1), ma e una statua dipinta, dunque non persona dell'azione
stessa. Notevolissima poi e una delle pitture esquiline dell' Odissea (Wörmann
t. II [Nogara, Le nozze Aldobrandine Taf. 15. 16.]) in cui il pastore che insieme
con una donna rappresenta secondo l'iscrizione le No/xal, malgrado il suo vestiario
umano ha due lunghe corna ben distinte. Dunque invece di rappresentare
lo stesso Pane umano come divinitä dei pastori e dei prati, l'artista dei tempi
alessandrini, ai quali rimonta l'originale, prescelse di formar una nuova figura
allegorica, confondendo Pane umano con un pastore reale. Le corna dunque
si aggiungevano per idealizzare il carattere pastorale: ecco il filo che ci con-
duce ad un'altra questione interessantissima spettante a una trasformazione
nello sviluppo artistico dei Satiri i quali mano a mano rimpiazzavano Pane
umano confondendo le qualitä di quest'ultimo con quelle loro proprie.
Ognuno conosce la grandissima differenza che esiste tra i Satiri sui monu-
208menti dell' epoca romana,- i quali portano come attributo fisso tanto il pedo
quanto la siringa, distintivi propri originariamente soltanto di Pane e della
sua vita pastorale, ed hanno, sia nelle forme del corpo nerboruto ma senza no-
biltä, sia nel viso improntato di certa serena rustichezza, tutti i caratteri della vita
campestre — e il tipo antico dei Satiri, quäle si conservö quasi per tutta la
pittura vasculare, rappresentati colla lunga coda da cavallo, con un'espressione
piuttosto di impudente codardia che di rustica semplicitä, appunto il yivog
iidarwv ZarvQwv xal äfit]%avo£Qy(OV di Esiodo; o l'altro tipo piü recente
deH'arte Prassitelia, il quäle poco influenzö la pittura vasculare e che per le code
1 II caprino barbato accanto all'umano trovasi sul giä citato vaso della Cirenaica
Brit. Mus. C 3 [E 228J; 1' imbcrbe caprino coli' altro sui due vasi di Napoli n. 690
B e 3218 B.
: Quanto ai rilievi romani dobbiamo forsc riconoscere Pane umano nclla figura
stante con siringa e pedo alla crcsta di un elmo pompeiano (Napoli Mus. Naz. catalogO
delle armi gladiatorie n. 275): la parte superiore della testa non essendo intatta non sap*
piamo sc ave.sse anche le corna. Tutti i rilievi deH'elmo peraltro, spedalmente le Muse,
ntono un originale piü antico.
con Rappresentazioni Bacchiche. 153
piccole caprine s'accosta maggiormente a quello dell' epoca alessandrina, pur da
questo tanto diverso per l'abbandono del dolce far niente espressovi in modo
meraviglioso: sono i servitori prescelti del dio Bacco e non hanno da far nulla
colla vita pastorizia di quelli.1
Ma la differenza veniva espressa anche per aggiunte esteriori; ai Satiri
rustici cosi si davano quei bargigli al collo tolti palesamente dal capro, e nello
stesso modo si aggiungevano pure le corna caprine, in origine proprie del dio
Pane, ma poi, come vedemmo di sopra nella personificazione dei prati, usate in
modo piü libero. — So che il eh. Wieseler nella dottissima sua Comment. de
Pane et Paniscis etc. Gott. 1875 voleva provare che tutti i cosidetti Satiri cornuti
sono per vero Pani o Panischi. Ma le corna qui non costituiscono differenza
essenziale, non essendo che un anello di quella catena che produce il tipo rustico
dei Satiri. Ma il W. pare neghi esistere differenza fra il tipo di Pane umano e209
quello dei Satiri giovani, frammischiando egli sempre le teste diversissime dell'uno
e dell'altro tipo (1. c. p. 15 sg.).2 Certo i Satiri s' aecostavano assai un tempo
al Pane umano e, come osservammo di sopra, da esso toglievano ancor molte
qualitä nuove e fra queste anche le corna. Ma restavano tuttavia sempre Satiri
e il loro tipo e derivato da quello antico dei Satiri e non di Pane. Conseguenza
di tale somiglianza era, che Pane umano dovea svanire presto per esser rim-
piazzato dai Satiri, e che specialmente nei tempi romani spesse volte doveasi
1 Senza entrar nei dettagli osservo soltanto che non ci manca un tipo mediatore
fra questi due; e quello del Satiretto col flauto (Clarac 703, 1673 etc.), il quäle nei
complesso non e che una modifieazione di quello cosidetto Prassitelio, ma tanto neue
forme del corpo, nei ventre e nelle gambe, quanto nell'espressione del viso si manifesta
per un essere piü rustico, e il bue aggiunto qualche volta (Clarac 710 B, 1670 B) lo di-
mostra propriamente un pastore.
2 Le teste di Satiri cornuti sono molto piü numerosi che non si crederebbe dall'elenco
del Wieseler. Eccone aleune altre degne di essere mentovate: nei Vaticano, Gall. dei
candel. n. 201 il frammento di quel Satiro che si fa estrarre dal piede una spina da Pane
caprino; per malinteso il frammento e stato mal ristaurato con gambe caprine; le due
piccole corna non si ripetono nella replica piü completa dello stesso museo (Visconti
P.-Cl. I 48 [Heibig, Führer2 353] e non erano dunque essenziali. — La bella erma della Gall.
dei candel. n. 260 con piccole corna evidentemente caprine, simile alle note piccole erme
pompeiane di bronzo, esistenti a Napoli. Poi Beschreib. Roms II 2, 193, 96 spuntano le
corna ed insieme i bargigli del collo; similmente ib. III 1, 165; una testa presso il sig.
Depoletti a Roma di tipo analogo alla pittura parietaria nei Denkm. a. K. II, 523; nei pal.
Spada a Roma il busto in rilievo sopra un pilastro interessante simile a quelli descritti dal-
l'Heydemann, Marmorb. in Athen n. 321; la statua di un Satiro con piecola barbaccia che
serviva d'atlante, nei cortile del Museo nazionale a Napoli e molti altri busti e statue.
— Femminile perö di certo e la bella testa della Gall. dei candel. n. 136 colle piccole
corna spuntanti dalla fronte fanciullesca. — Erroneamente infine il Wieseler p. 16 cita il
rilievo presso Gerhard, Ant. Bildw. 113, 1, perche il creduto Pane ha la testa moderna e
non e che un Satiro; similmente il Satiro del rilievo dei Denkm. a. Kunst II, 421 presso
Bröndsted, Voyages en Grece evidentemente non e cornuto.
QSTA PRENESTINA E TECA DI SPECCHIO
confondere Pane e Satire. Holla prova di questo fatto conosciuto e una moneta
lü Caesarea Paneas coniata sotto gli Antonini, che mostra invece di Pane il noto
Upo del Satiretto col flaute senza corna, E per l'opposto i medesimi Pani
caprinl ddle volte si chiamavano Satiri; cosi giä presso Lucrezio (4, 584) e poi
presse Orazio (carm.2, 19, 4) e in un epigramma greco (Anth. Plan. 15) si parla
di Satiri con gambe caprine. Gli e perciö che non voglio dar gran peso al
passo di Calpurnio (ecl. 2, 13) ove son mentovati Satyri bicornes, ma e degno
di rilievo perö che un conoscitore d' arte cosi profondo come Luciano chiami
210 Satiri quegli esseri rustici cornuti da lui descritti in maniera del tutto corrispon-
dente all'arte.1
Ma quando e che Pane umano scomparisce e vien surrogato dai Satiri
rustici e cornuti? Abbiamo giä veduto che questo sviluppo rimane estraneo alla
pittura vasculare, ove soltanto in pochissimi esempi recenti si osserva un avvi-
dnamento e anche un combinamento di Satiro e Pane che riceve la coda in
rappresentazioni bacchiche, o tutt'al piü aleuni tentativi isolati di trasferir dei
tratti caprini sopra i Satiri.- Ma adesso i monumenti dell'arte etrusca recente
ricevono la loro importanza storica, rappresentando, come giä osservammo, lo
sviluppo che segue immediatamente quello della recente pittura vasculare. Pane
qui si riscontra in tutte e tre le sue forme: umano si scorge, oltre che nei due
monumenti qui pubblicati, in un' altra cista ora a Parigi (cf. Schöne, Annali 1866,
n. 64) ov'egli8 sta in mezzo ad una comitiva poco chiara di giovani con
lancie e di donne ignude con tirsi, aggruppato con una di codeste donne bacchiche.
Piü chiara e la sua azione in un bellissimo gruppo, che serviva di manico al
coperchio di una cista Barberiniana con battaglia di Centauri, per mala Ventura
non ancor pubblicato (Schöne 1. c. p 175 n. 44 [Bollettino d'Arte 1909 S. 189.
191. 204]). Egli, tutto umano, fornito perö di piecole corna e di orecchi
1 Cf. specialmente Bacch. 1 ove cgli cliiama i Satiri dygolxove vscwIoxovg yvpvovs. . .
lovxaSf xai xegaxa »In tote&Qti yewij&sToiv igltpois laoqnmai. In un altro passo (deor.
conc. 4) oltrc a cornuti vengono chiamati anch'essi calvi come Sileno; ma quei Satiri
calvi barbati dell" arte piü antica non sono mai cornuti, ne giova molto che qualchc
volta sui vasi si trovano Satiri imberbi calvi perche non Hanno corna, sieche parc che
Luciano abbia aggiunto qucll'attributo per meglio rilevare il carattere effemminato di
tutta la schiera bacchica, scopo principale di tutto il passo, al quäle spetta anclie quel
"., mentre Sileno c Avdfc. In ambedue i luoghi i Satiri espressamente
vengono chiamati rustici e son distinti da un solo Pane caprino seguente la tradizione
piü comunc dell'arte. Ma Bis accus. 10 la voce Satiri e usata in senso piü largo e non
nfica altro che i sopra detti (c. [)) Uovvoov öegAnovree, laonde Pane ben poteva chla-
marsi uno di loro, senza che il passo provi ciö che il Wicseler (1. c. p. 9) vuole.
' e. il vaso attico presso Stackeiberg, Gräber t. 21 da al viso del Satiro o Sileno
bafbato qualchc tratto caprino.
* I.e corna e i tirsi non dubbii (cf. il tirso della Baccante sulla nostra cista) vietauo
di vedervi una coppia nuzialc umana. Sono esseri bacchici riuuiti con uomini che gO-
;io la loro compagnia. Un concetto piü preciso difficilmentc si trova.
con Rappresentazioni Bacchiche. 155
aguzzi,1 ha l'onore di sorreggere lo stesso dio Bacco. Da molte teche di 21 1
specchi etruschi c'e nota la composizione, probabilmente nata giä nel secolo
quarto, di Amore chi sostiene Bacco, e qui per la prima volta vediamo Pane
umano, il quäle presenta tante analogie con Amore, fare lo stesso servizio a
Bacco che lä Amore, talche e molto probabile che tanto il Satiretto, che
nell'arte greco-romana vediamo generalmente in simili rappresentanze, quanto
il Pane caprino, che tal fiata pur vi scorgiamo, sieno stati sostituiti piü tardi,
quando era scomparso cosi quell' Amore bacchico2 come Pane umano. — In
fine rileverö un vaso dipinto etrusco (Mus. brit. n. 1681 [F 484]) con Pane umano in
bacchica rappresentanza tenente i crotali ed un ramoscello. — Pane caprino im-
berbe e barbato pure si scorgono sopra degli specchi.3 — Che se or aggiungiamo
a questi i nostri due monumenti e riflettiamo, che Satiri cornuti e rustici non se
ne rinvengono affatto, troviamo un perfetto accordo colla pittura vasculare: sol-
tanto che l'arte etrusca come nella figura di Eros cosi in questa di Pane mostra
uno stadio un po'piü recente, adoperando Pane anche nella sua forma umana,
a quel che c'e dato giudicare quasi sempre in rappresentanze bacchiche. Inoltre
la nostra teca (B) offrendoci una composizione proprio alessandrina ci dimostra
il fatto ben importante che ancora l'arte del terzo secolo non conosceva soltanto
Pane umano, ma anzi tentava di rappresentare perfino il nuovo mito della poesia
alessandrina di Pane ed Eco dando le forme umane a quello. Quindi possiamo
con probabilitä conchiudere, che quel sopra discusso cambiamento nel tipo dei
Satiri collo sparire di Pane umano non aveva luogo prima della fine del secolo 212
terzo all'incirca,4 e che le pitture delle cittä del Vesuvio, non conoscendo quasi
piü quella forma di Pane, non devono in questo punto risalire ad originali piü
antichi del secondo secolo.
1 E da correggere in alcuni punti la citata descrizione, la quäle riconosce qui un
Satiro, ma le corna piccole mi parevano incontestabili; il naso e retto e manca la coda,
gli orecchi sono aguzzi. — Lo stile si puö dire eccellente; soltanto le proporzioni sono
troppo svelte, le gambe troppo lunghe ed il petto troppo stretto, sieche molta analogia
con questa offre la figura della strigile Mon. IX 29 anch'essa di Palestrina.
2 Furtwängler Eros p. 80 [oben S. 52].
3 Mon. IX 29 [Etr. Spieg. V Taf. 45] imberbe coli' iscrizione Painiscos; probabilmente
anche Gerhard, Etr. Spieg. t. 311; barbato ib. t. 150. — II eh. Wieseler 1. c. p. 17 ravvisa
Pane nelle sembianze di Satiro cornuto sopra lo specchio presso Inghirami, Mon. etr.
ser. II 28; ma nella testa un po'guasta le corna sono tutt'altro che certe.
4 Debbo mentovare qui come appartenente probabilmente al terzo secolo o, per 1'
invenzione almeno, forse al quarto, il frammento bellissimo di un vaso die marmo nel
museo Lateranense (Garrucci t. 43,4 [Heibig, Führer2 662]). Sopra esso e a vedersi Pane
umano colla coda in mezzo al tiaso bacchico, in modo tutto analogo come appare su
qualcuna delle ricordate pitture vasculari. Le sue corna lunghe aderenti ai capelli dif-
feriscono molto da quelle piccole dei Satiri rustici, coi quali egli non ha che fare. Una
replica meno ben riuscita della medesima figura si trova sopra un altro vaso bacchico
nella Gall. dei candelabri n. 210 (Gerhard, Ant. Bildw. t. 108), ove perö la superficie e
cosi cancellata che le corna non si distinguono piü.
ClSTA Prenestina e TECA DI Specchio
Lascio ad altra occtsione lo sviluppare piü diligentemente e mettere in con-
oesso piü largo i punti della storia di Pane e dei Satiri accennati qui; perche
ort ini preme SOltanto di fissar la posizione storica dei nostri due monumenti.
A questo scopo non debbono tralasciarsi alcune particolaritä: ed in prima,
che fe comune ad ambedue i nostri Pani il pedo. Era questo il solito attributo
di Pane da Luciano appunto descritto (Bacch. 2) colla siringa in una mano e la
dos xiitt.-rr/jj, il bastone ricurvo, nell' altra. E curioso perö che non era
ricurvo in tutti i tempi il pedo. Giacche osservando le piü antiche rappresen-
tanze di Pane, quelle dei secolo quarto, non iscorgiamo mai il pedo ricurvo ma
senipre un diritto bastone nodoso od una piccola mazza. Cosi su quella bella
moneta degli Arcadi, ove siede sull' Olimpo (Period. numism. III 3, 9) o su
quella di Messana, ove scherza colla lepre (ib. III 1,6) ed anche sopra un rilievo
votivo di Megara (Wieseler, Abhandl. d. K. Ges. zu Göttingen vol. XX) apparte-
nente al quarto o terzo secolo, Pane umano non porta che il bastone semplice,
e questo rimane il suo attributo anche in tutta la pittura vasculare, non solo
nello Stile dei quarto sec. (come nel vaso di S. Martino p. e.), ma e si in quello
piü recente.1 Questa piccola mazza dei resto e uno strumento da caccia assai
comune nei vasi dipinti e vedesi anche in altri monumenti piü recenti,2 mentre
213 il pedo rincurvo e affatto estraneo alla pittura vasculare, se si eccettuino pochi
esempi di epoca piü recente,3 ed e invece costante per Pane ed i Satiri nei
monumenti dell' epoca greco-romana. Quelli dell' arte etrusco-latina recente
s'interpongono anche qui tra gli uni e gli altri: sulla cista Ficoroni i cacciatori
si servono ancora di quelle mazze diritte. Ma alcuni altri monumenti prenestini
mostrano il pedo adunco vero e proprio. Un Centauro p. es. lo usa quäl arma
nella cista Barberiniana che ha per manico quel bei gruppo or ora descritto [oben
S. 154]; cosi si trova presso il cacciatore Ganimede nella teca di specchio nei
Mon. VIII 47, 2 ne manca in mano di uno degli Amorini sullo specchio sopra dis-
1 Cf. p. e. Gerhard, Apul. Vas. t. 8; t. E 3, 4; Millingen, Vases div. 43; Revue archeol.
(1849) V Taf. 100 etc.
* Cf. Stephani CR. 1861, 37 e specialmente 1867, p. 68 n. 3, ove vengono citati
parecchl esempi. — Anche nel rilievo sepolcrale attico di buon' epoca riprodotto negli Annali
1876 tav. d"agg. li [Brunn-Bruckmann 469] la mazza e riferibile alla caccia cosi come il cane.
' Due vasi a figure nere di lavoro etrusco il piü trascurato, uno nel museo Gre-
goriano e 1' altro presso il sig. Aug. Castellani, lo mostrano in mano di cacciatori di
lepri. — Nei vasi puglicsi si trova rade volte una forma che si avvicina a quella deH'arte
recente; ancli' cssa ha 1' estremitä un poco ineurvata, ma non tanto che formi un uncino.
Cf. Panofka, Mus. Blacas t. 7; Bull. arch. napol. I 3 = Stark, Niobe t. II; della stessa
speeie sono i bastonl dei due Pani nel vaso non pubblicato a Napoli n. 3218 B, mentre
negli altri casi ove il catalogo dell'IIeydemann parla di un pedo non si vedono die
bastoni comuni ; nel n. 3244 la parte superiore dei cosidetto pedo c di ristauro moderno.
II pedo che si vede insieme a due bastoni rcgolari nel vaso di Stile bellissimo presso
Millingen, Anc. mon. t. 18 0 si ha da corregger dietro il disegno - dei resto perö molto
piu inesatto — dei Miliin, Vas. peints II 11, o e un'eccezione isolata.
con Rappresentazioni Bacchiche. 157
cusso, il quäle anche in tutto il rimanente mostra 1' influenza alessandrina (Gerhard,
Spiegel t. 329); finalmente in un altro specchio (ib. t. 304) lo tiene un giovine
bacchico poco chiaro, probabilmente un Satiro, e questo sarebbe il primo esempio
di siffatto uso. La conclusione che c' e dato ritrarre da cotali fatti, che cioe
il pedo rincurvo non si adoperava nel sec. quarto e sol veniva in uso verso la
fine del terzo sec, sta in perfetto accordo colle notizie degli autori; giacche
Senofonte Cyn. VI 11, 17 nomina come arma comune per la caccia delle lepri
la mazza ro göncuov, mentre il pedo, xb laytoßölov, non vien allegato prima
dei tempi alessandrini (presso Teocrito ed in epigrammi dell' Antologia.)1 Sui
nostri due monumenti per conseguenza il pedo puö servire di nuovo argomento 214
per mostrare l'influenza dell'arte alessandrina.
Un altro attributo proprio di Pane e la sirin ga che vediamo suonata dal-
l'Amorino della nostra teca (B). Essa pare il piü antico attributo di Pane e non
difetta quasi mai nelle rappresentanze attiche di Pane caprino, caratterizzandolo
essa come pastore, laddove la mazza o il pedo accennano piuttosto al dio cac-
ciatore. Ma queste due qualitä, di pastore e di cacciatore, erano riunite in Pane
fin da principio (cf. l'inno omerico2) come lo erano in tante altre persone mito-
logiche, le quali vivevano nei campi e nelle selve; cosi Endimione (cf. Jahn,
Arch. Beitr. 71), cosi Narcisso (Wieseler, Narkissos p. 14), Paride e Ganimede,
tutti si rappresentavano ora cacciatori ed ora pastori. Ed e poi tanto vero che
Pane umano e anche cacciatore, che delle volte egli porta una o due lancie.3
Ma ritornando alla siringa essa presenta in B una forma rimarcabile tanto pel
numero delle canne, che sono dodici, mentre il solito numero era sette od anche
nove (Theoer. id. 8, 18), quanto per l'egual lunghezza delle canne, contraria
all'uso comune dei monumenti greco-romani (cf. Ovid. Met. 1,710 disparibus ca-
lamis), di guisa che la diversitä del suono doveva essere prodotta dalla diversa
situazione dei fori. Nei monumenti la siringa piü corrispondente alla nostra e
quella sopra un vaso di marmo nella villa Borghese, che ha pur dieci o dodici
canne eguali (la pubblicazione negli Annali 1863 tav. d'agg. L, 1 [Hauser, Neuatt.
Rel. S. 24 Nr. 32] in questo punto non e esatta). Ma la forma rettangolare in generale
senza dubbio e la piü antica, perche essa esclusivamente si trova in tutta 1' arte fin
al morir della pittura vasculare, mentre 1' altra piü nota a canne disuguali venne in uso
soltanto coi monumenti greco-romani. La siringa piü antica nell' arte e sul vaso
Francois, ove la Musa Urania la suona, di forma rettangolare e di nove canne. Se-
guono, dopo un lungo intervallo, i monumenti del sec. quarto, specialmente le belle
1 Cf. Stephani, CR. 1867 p. 67. Evidentemente falsa e 1' opinione dello Stephani
che il QÖTia/.ov di Senofonte sia identico col "/.ayo>ß6iov degli autori piü recenti.
2 Egli e tanto röuto? quanto äygevg; non c' e che Nonno Dion. 14, 87 che distingua
due Pani diversi secondo questi cognomi.
3 P. e. sulle note monete di Pandosia e sul vaso presso Gerhard, Apul. Vas. t. E 3
e probabilmente nella summentovata statuetta del Peloponneso di recente scoperta [S. 148, 1].
ClSTA PRENESTINA E TECA DI SPECCHIO
monete doli' Arcadia e di Sidlia, in cui Pane umano ha sempre codcsta siringa
di canne eguali (cf. Period. numism. III 3, 2. 7. 9) e tale si scorge pur anco in
tutti i migliori csemplari di quel Pane attico caprino avvolto nella pelle.1 Nella
pittura vascularia del quarto e terzo secolo non di rado essa e ricoperta da una
larga fasda per modo che non si veggano che le estremitä delle canne; inoltre
vi si aggiungono delle strisce incrociate, nonche un filo da essere portata piü
comodamente.' Per non conoscere abbastanza bene questa forma alcuni dotti
la hanno cambiata delle volte con un diptychon, ciö che era cagione di spie-
gazioni falsissime.3 I monumenti etruschi poi ritengono ancora quest' antica
forma della fistola (cf. oltre la nostra teca lo specchio presso Gerhard, Etr. Sp.
t. 150), di modo che quella a canne disuguali per quel ch'io sappia, cominci
soltanto coli' epoca greco-romana.
Avendo esaminato gli attributi osserviamo il vestimento dei nostri Pani: in
B egli siede sopra una clamide, veste che non e rara a trovarsi data a Pane
umano come segno della natura sua nobile ed umana. Cosi lo vediamo giä
sulle belle monete degli Arcadi e di Pandosia e sul rilievo votivo di Megara
(Wieseler, Gott. Abhandl. vol. XX [Berlin 711]); sopra i vasi dipinti la clamide sembra
addirittura piü in uso della pelle.4 Interessante sotto questo riguardo e una statuetta
216 di terracotta nel Museo britannico5 ritraente Pane umano cornuto, che assiso
1 Cf. anche la statuetta di Cipro presso Doli, Samml. Cesnola VII 7, [Cesnola coli. I
Tat. 119, 868] senza testa, una volta forse Pane umano. — L'originale del sopracitato
vaso della Villa Borghese senza dubbio rimonta al sec. quarto a. C.
2 Di un gran numero ecco alcuni esempi: Gerhard, Mysterienbild. t. 1; Apul. Vas.
t. 8; Mon. d. Inst. IV 14; IX 52; 32. 33; Panofka, Mus. Blacas t. 7; Minervini, Mon. di
Barone t. 18, 19; Stephani, CR. 1862 t. 4.
3 Cf. Gerhard, Apul. Vas. t. 11, ovc l'interno dell'oggetto quadrato che tiene Pane
(accanto a Venerc e un po' cancellato, ma si distinguono ancora le due striscie incro-
ciate, per cui non v'ha dubbio che sia la solita siringa, avvegnache il eh. Wieseler (Gott.
Nachr. 1875, 448) riconosca qui un diptychon e cerchi di provarc come questo attributo
siasi trasferito a Pane da Mcrcurio. — Un altro esempio e il vaso da Jone, Gerhard,
Ant. Bildw. 115 = Klite ceram. I 25, ovc non solo Pane ma anche Argos tiene la siringa,
quest' ultima disegnata un poco in iscorcio e inesattamente, tuttavia si vede che e una
siringa. I vani tentativi di spiegare il creduto diptychon di Argos — alla cui mazza
tanto bene quadra la fistola — veggonsi raecolti presso Overbeck, Zeus p. 468.
* Krroncamente il eh. Wicseler (1. c. p 26) crede che sul vaso Gerhard, Ant. Bildw.
lano due Pani, uno colla pelle f altro colla clamide, giacchc la parte superiore di
quest'ultimo e ristaurata e probabilmcnte non era Pane ma Mercurio che conduceva la
dea. Con cio spariscono anche le difficoltä rilevate dallo stesso Comm. de Pane p. 11.
1 I.a notizia di questa statuina la debbo alla gentilezza del sig. Murray. Rispetto
allo stile vuolsi appartenga alla stessa classc delle terrecotte di Tanagra; ma la provenienza
Nel Museo campano a Capua esiste la statuetta dl terracotta di im giovane
'ndc ir; duto sopra una roccia e suonantc la siringa a nove canne eguali;
capelli ricchi, il viso nobile e rappreseuta forse, benche manchino le corna, Pane
um.r
con Rappresentazioni Bacchiche. 159
suona la fistola ed ha la clamide in dosso, cosi che essa gli pende dal capo,
cinto inoltre di una specie di diadema. — Peraltro dobbiamo notare che delle
volte anche i Satiri della specie piü umana e nobile portano il drappo in luogo
della pelle: cosi, a cagion d'esempio, in modo molto simile alla nostra teca lo
ha quel Satiro giovane del monumento di Lisicrate che siede il piü vicino a
s. di Dioniso quäl suo ministro prescelto: e cosi meritano d' essere confrontati x
il vaso di marmo nei Mon. IX 45; la bella ara a Venezia, Zanetti, Ant. statue
di Ven. II 36 [Dütschke V, 303], e alcuni vasi dipinti come nei Mon. II, 37 e
Minervini, Mon. di Barone t. 16. Quanto alla nebride ond' e fornito Pane in A, mi
contento d' osservare che la maniera di rannodarla nei mezzo del petto pare
essere scelta con gran predilezione dagli artisti etruschi pei Satiri (cf. gli specchi
presso Gerhard t. 69. 101—105. 302. 308).
Gli orecchi poi sono animaleschi in B come generalmente nelle statue e
busti di Pane umano, mentre i vasi dipinti per lo piü glieli danno umani. In
A non sono accennati ne in Pane ne in alcuna delle altre figure della nostra
cista — una trascuratezza tutt' altro che rara nei monumenti etruschi, special-
mente graffiti, ove a figure che debbono essere Satiri mancano invece ben spesso
o gli orecchi o la coda o ambedue i segni caratteristici,2 non avendo gli Etruschi
quel senso pel tipico posseduto dai Greci.
Infine merita pure speciale attenzione l'atteggiamento del nostro Pane in 217
A. Come abbiamo giä accennato, egli danza dietro la musica di Sileno, insieme
colla Baccante a destra, ed e evidente eseguire essi due una contraddanza simile
a quella usata tutt'oggi in Italia, alzando cioe un braccio verso il capo e abbas-
sando l'altro. Le gambe naturalmente devono corrispondersi in croce colle
braccia, come le vediamo nella Baccante; per cui quelle di Pane non sono dis-
poste ammodo, giacche avrebbe dovuto o muover in avanti la gamba destra — ciö
che non avrebbe corrisposto tanto bene colle gambe della Menade — o alzare il
braccio destro — ■ ciö che impediva quell' Amorino nell' aria. — Tale concetto
nella giusta sua forma si riscontra non di rado in statue e rilievi, e sono Satiri
giovani che si rappresentano cosi. Dapprima dev'essere mentovata una statua
di Tessalia (Scholl, Arch. Mitth. t. V 11 [Athen 239]), ove il viso mostra ancora il
tipo nobile della fine del quarto secolo; il concetto non fu riconosciuto dal Frie-
derichs, il quäle (Bausteine n. 658 [Friederichs-Wolters 1429]) lo spiega per un
aposcopeuon; anche il Matz credeva (Annali 1870, 101) che la figura che ap-
partiene al tipo in discorso sul rilievo del teatro di Bacco (e il Satiro dietro
Bacco, cf. Mon. IX 16 [Brunn-Bruckmann Taf. 15]) voglia coprirsi la testa; mentre
1 Gli esempi addotti anni fa dal Wieseler, Satyrspiel p. 177 sono problematici tutti quanti.
2 Gerhard, Etr. Spieg. t. 81, 2.69. 308. 349. 304 il giovane colla pantera ed il pedo.
150 il giovane sul quäle Ercole s'appoggia, evidentemente doveva essere un Satiro; Pane
caprino gli e da canto; t. 295 secondo l'analogia di rappresentanze piü chiare e distinte
anche qui era inteso Marsia.
KJO ClSTA PRENESTINA E TECA DI SPECCHIO
il vero concetto, dico il movimento di una danza, risulta chiarissimo dalla po-
sizione delle gambe, le quali toccano il suolo soltanto colla punta dei piedi, e
daflo stesso confronto colla nostra cista. — Importanti poi sono tre statue del Museo
nazionale di Napoli [Furtwängler, Satyr von Pergamon S. 14]; due l Hanno le teste
e braccia moderne, ina i torsi sono di lavoro ottimo: rappresentano corpi molto
svelti, graziös! e nobili; e con ciö combina anche la mancanza delle code, mancanza
che osserviamo pure in un altro tipo di Satiro dell' epoca Prassitelia.2 La terza statua
e di lavoro mediocre, ma ha la testa antica, la quäle, come quella della statua
di Tessalia, corrisponde tanto bene col tipo di quel cosi detto Satiro Prassitelio
che si riposa, che dobbiamo supporre anche 1' originale delle statue in discorso
essere stato creato ancora nel secolo quarto, di modo che guadagniamo un nuovo
218 tipo importante pel carattere dell'arte in quel tempo. Ma l'originale doveva
subire molte modificazioni, alle quali forse appartiene giä la nebride, aggiunta
nella terza statua di Napoli e nella maggior parte delle altre, e senza dubbio
il pedo, che vediamo non di rado nella mano abbassata e giä sulla nostra cista;
la quäle ciicostanza ci fa congetturare, che il pedo s'introduceva, quando un
artista del sec. terzo si serviva del concetto in discorso per Pane umano.3 Ma
piu tardi mediante altre modificazioni piü essenziali anche di questo concetto si
formava un Satiro tutto rustico che porta delle frutta nella nebride sul braccio
sinistro abbassato ed alza la destra, generalmente col pedo; cosi in una quarta
statua di Napoli (Gerhard, Neap. ant. Bildw. n. 34 [Satyr von Pergamon S. 14]),
ove il pedo e in parte antico e la testa coronata di pino (erroneamente creduta
moderna dal Gerhard) ha delle piccole corna ben adattate al tipo rustico del viso
e di tutto il corpo, al quäle adesso non manca piü neppure la coda. AI mede-
simo tipo appartengono poi le celebri statue di rosso antico nel Vaticano
1 Gerhard, Neapels ant. Bildw. n. 65 e 69; una c pubblicata molto insufficientemcnte
da Clarac, Musee 678, 1581. Le due statue sono repliche identiche ed anche del mede-
simo marmo.
* Dico quello che versa da bere.
1 Anche nel cratere Chlgiano (Welcker, Zoegas Abh. t. 5, 13 [Matz-Duhn 3687]) la
figura rispettiva i cornuta e sta in mezzo fra Satiro c Pane. — II pedo riunito col nostro
concetto si trova poi specialmente in una bella statuetta nella casa di Lucrezio a Pompei,
che conserva perö la testa del tipo antico; molto similc a qucsta e la statua dipinta parimente
pompeiana mentovata nel catalogo dell' Heibig al n. 432. Vi appartengono pure la base di
un candelabro prcsso Visconti, Mus. P. Cl. V t. A 2 ed un torso della Gallcria dei cande-
labri (n. 25), ove si e conscrvato un pezzo del pedo nel braccio sin. abbassato. — In
modo tutto analogo si dava il pedo anche al cosidctto Satiro Prassitelio: nell' escmplarc
del Braccio nuovo del Vaticano (n. 120 [Amelung, Vatican I Tat 19 Nr. 120]) un pezzo
. braccio destro superiorc t antico; inoltre al capo e aggiunta una Corona
di pi • Altri esempi del nostro Satiro danzante, DU colle braccia ristaurate in
modo falso, veggansi prcsso Clarac, Mus. de sculpt. 716 D, 1685 D; 711, 1693 A;
1719.
con Rappresentazioni Bacchiche. 161
[Amelung, Vatican II, Taf. 76] e nel Campidoglio [Heibig Führer2 534] e molte
altre (cf. Clarac t. 716, 1707; 716D, 1685E).1
In ultimo luogo non vogliamo tralasciare i vasi dipinti; ma, come tanti altri
concetti statuari del sec. quarto, anche il nostro non sembra essersi divulgato
molto in questa pittura popolare, ed i pochi esempi che si potrebbero citare
(come Tischbein, Vas. Harn. II 44; Miliin, Peint. de vas. I 67; anche due a Napoli
descritti da Heydemann n. 961 e 967) non debbono con necessitä essere derivati 219
da quell'originale statuario.
Se adesso ci rivolgiamo alla Baccante che eseguisce la contraddanza con
Pane sulla cista nostra, troveremo che il concetto e l'istesso, e se non vi fosse
quello scambio nel movimento delle braccia di Pane, tutte le membra si cor-
risponderebbero esattamente. Mettendo in avanti la gamba destra ella alza il
braccio sinistro, abbassa il destro e rivolge il capo all'indietro verso il compagno.
Piü notevole ancora si e che tutta la persona fuorche la fronte ed il naso e
avviluppata nel mantello. Non voglio parlar a lungo intorno tutte le danzatrici
velate simili in qualche punto alla nostra, ma mi limiterö al piü necessario. E
dapprima conviene osservare che il nostro non e il solo monumento di arte
italica che ci mostri tale concetto; anzi lo troviamo sopra due eiste prenestine.
In una (Gerhard, Akadem. Abh. t. 57. 58) la Baccante danza pure insieme con un
Satiro giovane, senza perö piegar all'indietro il capo, essendo giä rivolta con
tutto il corpo verso il compagno, e senza sollevare il braccio; ma la disposizione
del mantello e l'istessa; il rialzo sulla testa, che rassomiglia molto a un berretto
frigio, probabilmente e cagionato da un alto ciuffo. Neil' altra cista (Barberiniana,
descritta nel Bull. 1866, 80) o, a dir meglio, in altre due, esistendo questa in
due repliche identiche, la figura rispettiva, riunita con altre senz' aleun senso
chiaro, corrisponde ancor piü alla nostra, perche solleva il braccio destro verso
il naso lasciato scoperto dalla veste, ed abbassa l'altro; il movimento delle gambe
non e visibile trovandosi nascosto da un uomo inginocchiato.2 Modificato in
altra guisa troviamo il nostro concetto sulla pittura parietale di Capua nel Bull,
arch. nap. n. s. II 13 [Jahrbuch des Arch. Inst. 1909 S. 111, 25]; vi troviamo il
ripiegamento del corpo ma le braccia sono disposte in maniera diversa. Ad
ogni modo queste pitture di Capua sembrano appartenere allo stesso tempo e
sviluppo delle eiste prenestine.
La questione, donde prendessero gli artisti del Lazio e della Campania la
conoscenza di questo concetto, si scioglie, se ci ricordiamo che giä i vasi di-
pinti del secolo terzo fabbricati nell'Italia meridionale lo conoscevano e adoperavano 220
1 Sono modifieazioni meno importanti, se egli porta invece di frutta Bacco fanciullo
stesso: Gerhard, Ant. Bildw. 103, 1 e sul sareofago ib. 110, 1; a. t. 102, 1 egli porta un'
otre sul dorso, ma il movimento di gambe e braccia e il medesimo.
2 E per questo che tutto il concetto della donna nella descrizione summentovata e
stato male inteso: ella danza senza dubbio e non fa conversazione.
A. Furtwängler. Kleine Schriften. I. 11
QSTA PRENESTINA E TECA DI SPECCHIO
non di rado:1 come in tanti altri punti, anche qui le eiste latine stanno sotto
1' Influenza di questi vasi. Ma se giä nel terzo sec. il concetto era tanto di-
vulgato nei vasi d'Italia, secondo tutte le analogie dobbiamo supporre con neces-
sitä, che 1' originale o piuttosto gli original! di questo e dei simili concetti rimontano
almeno alla fine del sec. quarto e sono anteriori all' epoca cosidetta alessandrina,
nella quäle perö era ancora molto in uso;3 ma nell' epoca romana prevale sempre
piü la tendenza a denudare anche le Baccanti ed anche fra le pitture pompeiane
sono soltanto pochissime figure decorative isolate3 che ripetono ancora il motivo
antico. — Cosi possiamo stabilire almeno certi limiti di tempo nei quali si usava
il nostro concetto.
Ma c' e ancora un' altra Baccante velata nella stessa guisa sulla nostra cista;
essa perö pare riposarsi dalla danza appoggiandosi colla mano destra a quel-
l'alto pilastro ed incrocicchiando le gambe. II medesimo pilastro e il termine a
cui tende anche la terza Menade, la quäle non e velata; porta oltre il chitone
anche un gran mantello, ha i capelli corti, e regge il tirso colla sinistra, mentre
tien protesa la destra dietro il pilastro, muovendo verso questo con passo di
danza. Cosi fanno pure i due Satiri che vengono V uno da destra e 1' altro da
221 sinistra, in perfetta simmetria rivolgendo ambedue un poco il capo e apportando
ambedue cose necessarie per un convito. Pare pertanto, che quel pezzo archi-
tettonico, un muro disegnato in iscorcio e decorato sulla fronte quäle anta con
un capitello ionico, debba significare 1' entrata di un qualsiasi edificio o tempio,
nel quäle la comitiva, dopo la danza, vuol ricrearsi. Una parete viene anco
accennata da quegli oggetti sospesi che si scorgono a destra del Satiro col
cratere e che hanno tutta V apparenza di una spada e di un unguentario. Meno
chiaro ancora e il significato di quell' oggetto che pende dal secondo pilastro
minore dietro la donna danzante (forse e un paio di scarpe? cf. Elite ceram. II
1 Cf. intorno a tutte lc figure simili Heibig, Untersuch, über d. camp. Wandgm. 316;
mi basta aggiungere un esempio di grandissima analogia colla nostra figura, la Baccante
sul vaso ruvese Arch. Ztg. 1872, t. 70 che e tutta velata e che pur rivolge il capo indietro.
H pcraltro da osservarsi che figure di donne col capo e viso velato fino al naso
nelle pitture vasculari oecorrono con maggior frequenza in istato tranquillo che non dan-
zanti, il quäle costume e stato benc spiegato per un passo di Dicearco da Stephani,
Ant. du Bosphore II 45 e CR. 1861 p. 7 (ove perö senza differenza vengono citate per-
ne tranquille c danzanti).
* Cf. Heibig 1. c. e Hcydcmann, Marmorbildw. in Athen n. 701 p. 252. — Ai rilievi
si aggiunga il cratere Borghese Annali 1863 tav. L, 1, che vedemmo rimontare al quarto
0 terzo sec; il concetto di una dellc Ninfe c l'istesso come quello della cista; soltanto
il braccio non e alzato piü che orizzontalmente cosi come quasi in tutte le altre repliche.
Colle sole eslremitä cambiate si vede il nostro concetto nel rilievo del putealc vaticann
fierhard, Ant. Bildw. t. 13 [Amelung, Vatican I, Taf. 97). — Alle statuine si deve aggiun-
un bellissitno bfonzo a Torino che fra poco sarä reso pubblico dal sig. Heyde-
mann. | Verhüllte Tänzerin, 1. Hall. Winckclmannsprogr.]
• Hella villa di Cicerone: Pitt. d'Hrc. III 29.
con Rappresentazioni Bacchiche. 163
49). Alla destra poi del Satiro o Sileno con 1' otre e sospesa una lira di tar-
tarüga, certamente piü convenevole a cosi fatta compagnia che non la spada.
Tutto lo spazio rimanente e caratterizzato come aria libera da que' due uccelli
i quali servono a un tempo di riempimento. E con quest' ultimo scopo si ripe-
tono anche sopra altre eiste senz' aleun' altra signifieazione (cf. p. e. le eiste
Barberiniane descritte nel Bullettino 1866, 79,80 e 39; un' altra del signor Aug.
Castellani mentovata nel Bull. 1867, 133, ed altre). Gli e desso un costume
antichissimo, il quäle giä si osserva nelle note patere di Cipro e di Palestrina
(p. e. Musee Napol. III t. 12 o Mon. d. I. X 31 e 33) e che poi svanisce per
riapparire in questi recenti prodotti prenestini.
Adesso ci rimangono ancora da esaminare sulla nostra cista Tun dopo l'altro,
i cinque Satiri e Sileni. — Quello in mezzo fra Pane e la Baccante velata
suona la doppia tibia, azione che si puö dire propria di Sileno e che spesso
oecorre nei vasi dipinti, nei rilievi della cosidetta visita di Bacco ad Icario, ove
tutta la figura di Sileno ha qualche somiglianza colla nostra, e neppure manca
negli altri monumenti etruschi o latini, trovandosi sopra tre eiste prenestine
(Barberiniane, cf. Bull. 1866, 79 n. 6; 80 n. 7; 81 n. 8) accovacciato presso aleune
donne ignude in atto di suonare la doppia tibia. Anche il mantello ed i stivali
sono propri del Sileno molle. II secondo sta a cavalcioni d'un capro tranquilla-
mente, regge colla mano sinistra le redini e posa la destra sul collo dell' ani-
male. Egli e calvo e coronato di ellera come il suo compagno, perö ha la barba
piü lunga, il ventre piü grosso e un po' peloso; il panneggio poi e piü corto 222
e gli pende dalla spalla sinistra. Per riempire lo spazio e disegnato un rialzo
fra le gambe del capro, e dietro di lui serve allo stesso scopo un' oca. Secondo
il solito idealismo dell' arte greca qui accettato dai Latini, il Sileno e troppo
piecolo in confronto del capro; ma d'altra parte se fosse piü grande, mal potrebbe
cavalcare cosi piecolo animale. Sono parecchie le persone mitologiche che tal-
volta cavalcano la capra e spesso si vede Mercurio,1 e non di rado anche
Venere e Amore, e nel ciclo bacchico poi, col quäle quest' animale stava sempre
in istretta relazione, si trovano Sileni o Satiri del tipo antico e Menadi giä sopra
vasi a figure nere2 e Bacco stesso sopra uno di Stile severo (Mon. VI, VII 67). Tut-
tavia il Sileno del comune tipo recente non e troppo ovvio sopra la capra e nell'
arte romana egli suol servirsi a preferenza d' un animale piü forte, cioe dell' asino.
Sulla capra perö si vede in una statua, in un rilievo e in aleune pietre incise.3
1 Cf. Stephani, CR. 1869 p. 93.
2 Cf. Stephani 1. c. p. 70; 72. [Furtwängler, Münchener Sitzungsber. 1899, II S. 590].
3 Cf. Stephani 1. c. p. 67, 5 il quäle oltre la statua presso Clarac 731, 1759, il rilievo
lateranense (n. 116 del catalogo) e le gemme aggiunge anche la statuina della Gall. dei
candelabri (Clarac 733, 1768); ma questa non offre ne capra ne Sileno, giacche l'animale
appartiene ad una specie africana ed il cavalcatore mostra il corpo (rotto in due pezzi)
11*
154 Cista Prenestina e TECA Dl Specchio
Di contro al nostro Sileno viene ballando un giovane Satiro, che poggia la
destra al fianco e stende il braccio sinistro. AI movimento delle braccia corri-
spondono le gambe in croce. I capelli irsuti, ed il naso camuso lo caratteriz-
zano un Satiro della classe inferiore, benche V espressione del viso, che non e
greca, si debba ascrivere all' artista latino. II suo atteggiamento trova analogie
anco nei vasi dipinti;1 ma in relazione piü intima pare stia con un bellissimo
tipo di Satiro spesso ripetuto sopra rilievi di basi da candelabro o di vasi di
marmo,'-' ove il braccio sinistro proteso e perö sempre coperto della nebride e
:1 capo e piü inchinato e distinto qualche volta da lunghi capelli. Tuttavia
quest' analogia non basta per affermare che la cista stia sotto 1' influenza di
quel concetto dei rilievi, che senza dubbio perö anch' esso rimonta almeno al
terzo o forse quarto secolo.
In mezzo, tra il Satiro ed il Sileno, si osserva dietro di un' ara con due
gradini un erma itifallico barbato colla faccia un po' satiresca, senza dubbio
Priapo, fatto semplicemente di legno, come lo solevano fare i contadini. E
per altro degno d' attenzione che una cotal forma d' erma e in generale gli ermi
di Priapo non si trovano nella pittura vascularia, la quäle conosce soltanto ermi
di Bacco e di Mercurio nella forma semplice col fusto non interrotto (cf. la dotta
dissertazione del Gerhard sopra gli ermi [vgl. Ephemeris 1908 Taf. 8]). Pare
che anche questa particolaritä stia in relazione col fatto confermato altrove,
che tutti gli elementi propriamente rustici non venivano introdotti nell'arte altro
che dopo lo sviluppo rappresentatoci dai vasi dipinti. E quanto all' erma di
Priapo, la nostra opinione viene confermata dagli scrittori antichi, fra i quali, per
quel ch* io so, Teocrito (epigr. 4 [Bucolici rec. Wilamowitz S. 82]) e il primo
a descriverci un tale erma. E le sue parole corrispondono in modo singolare
colla forma del nostro erma, giacche egli non solo lo chiama di legno,
ma ZQtoxeXkg, parola male intesa finora e per la quäle non conveniva cercare
un senso inusitato e poco adattato (cf. Meineke p. 400 della terza sua ediz.), ma
che spiegasi perfettamente per quei tre pezzi di legno, onde e fatto 1' erma
nostro: un pezzo serve di sostegno, 1' altro fa con questo un angolo ottuso ed
ha il capo di Priapo, il terzo costituisce il fallo enorme, di modo che benissimo
potevano confrontarsi i tre pezzi colle tre gambe riunite, simbolo notissimo fra
i Greci. Molto meno adattato sarebbe quell'attributo per gli ermi di Priapo, come
li vediamo sopra rilievi e pitture dell'epoca romana, perche il corpo vi e tutt'
di una personn robustissima con pelle rannodata al petto, certamentc Ercole. Quanto
alla testa essa non vi appnrtienc affatto e pare quella di un Panc senza corna ossia d'un
Satiro barbato.
1 Cf. p. e. Inghirami, Vasi fitt. t. 99 Satiro barbato. Meno simili sono altri, come
Labordc, Vas. LamberK I 9. 56. [Wien, Sacken-Kcnner S. 229 Nr. 169, S. 233 Nr. 199.]
* P. e. la base del Campido^lio presso Ri^lictti II 310 [Hauter, Neuatt. Reliefs S. 18
Nr. 21); il cratere del Salpion, col quäle combina un gran rilievo pompeiano a Na-
poli [ebenda S. 17 Nr. 18]; pol Gerhard, Ant. Bildw. t. 45, ed altri.
con Rappresentazioni Bacchiche. 165
umano fino alle anche. La nostra cista ci presenta la forma piü antica semplice
e rustica, che senza dubbio era in uso nel secolo terzo avanti Cristo.
Veniamo ora al secondo Satiro imberbe che con passo danzante porta un
gran cratere. Le sue membra sono pure disposte in croce, cosi che alla gamba
destra corrisponde la spalla sinistra sospinta in avanti e alla gamba sinistra riti-
rata il braccio destro colla face. Dalla spalla manca gli scende giü la nebride,
di cui si vede sul dorso la coda. II concetto e bellissimo e, come quasi tutti 224
gli altri della cista, preso da un buon tipo greco. Infatti, pressoche identico lo
troviamo sopra un vaso di Ruvo,1 ove si scorge il medesimo atteggiamento pit-
toresco della nebride e lo stesso contrasto attraente tra la parte superiore del
corpo ripiegato all' indietro e le gambe atteggiate al passo.2 Allo stesso tipo
risale anche il Satiro di uno specchio (Gerhard t. 301 probabilmente di Palestrina),
ma di esecuzione un po' trascurata. II concetto appartiene dunque almanco al
secolo terzo avanti Cristo, ma pare che piü tardi sparisse presto, perche nei rilievi
dell'arte greco-romana non mi sovviene di averlo mai veduto; invece il concetto
analogo di un Satiro barbato che porta con ambedue le mani un cratere sulle
spalle, occorre non di rado (p. e. Montfaucon, Ant. expl. II 85 = Hübner, Ant.
Bildw. in Madrid n. 289).
La figura, che dall' altra parte del pilastro ionico si contrappone a questa
ora considerata, regge sulle spalle un otre ripiena, e barbata e calva, e cinta di
corona d' ellera al capo ed ha ai fianchi un grembiule rannodato sul di dietro;
la coda non si vede, ma potrebbe essere occulta. Dai due Sileni spiegati di
sopra codesta figura si distingue per la magrezza delle forme, per la mancanza
degli stivali, per il grembiule onde e cinta, di guisa che e lecito dubitare, se
essa appartenga alla stessa specie di esseri bacchici coi due Sileni. Quanto al con-
cetto, specialmente nell'arte italica, ognuno si ricorda che la statua del Sileno
Marsia sul Foro Romano nel concetto principale presentava molte analogie colla
nostra figura. E per quel panno intorno ai fianchi,3 esso non e raro pei Satiri
barbati, ove sta quasi sempre in relazione coli' occupazione loro piü bassa,
ma si trova per quel ch' io so soltanto nei monumenti greco-romani (p. e. nei
rilievi presso Gerhard, Ant. Bildw. t. 109, 2; 112, 2. 3; Zoega, Bassir. t. 76 e cf.
Wieseler, Satyrsp. p. 173).
Ma ora la questione e, se infatti abbiamo un diritto di distinguere questa 225
figura come Satiro barbato da quegli altri due Sileni, se dunque insieme con Sileni
riuniti possano apparire Satiri barbati,, e poi se o quando nell' arte greca si trovino
1 Heydemann, Vasensamml. zu Neapel. SA 687. Rochette, Choix de peint. p. 27 vig. 3.
* Qualche modificazione e cagionata dalla maniera un po' trasandata del pittore vas-
culare, al quäle faceva piü comodo disegnare la testa tutta di profilo e staccare il braccio
destro dal corpo. — Molto piü si scostano altri, p. e. Tischbein, Vas. Ham. II 44.
3 Debbo mentovare anche il cane che corre a d. dietro la figura in discorso, ma
non pare aver altro scopo che forse di portar il nostro occhio al gruppo seguente.
Cisia Prenestina e TECA DI Specchio
Sileni in pluralitä, insomma vi e da esaminarsi la relazione che esisteva fra Sileno
-.ltiro per tutto lo sviluppo dell' arte antica e specialmente nel secolo terzo.
Non sembra dubbio che 1' origine mitologica e locale dei Satiri e Sileni e
ben diversa. La poesia omerica non conosce altro che i Sileni, i quali vengono
menzionati neU'inno a Venere (v. 262). Dei Satiri, come servitori di Bacco,
essa non ne sa nulla, e se cosi non fosse, li avrebbe introdotti nell' inno a Dioniso
lä dove racconta la lotta coi pirati, nella quäle il dio e aiutato soltanto dal leone
e dall' orso. Esiodo invece pare non conosca che i Satiri, che sono anche da
lui messi in relazione colle Ninfe (presso Strab. X 471). Essendo tuttavia tra
loro molto simili, presto i Satiri si confusero coi Sileni.1 L' arte almeno non
conosceva per essi differenza di sorta fino a tutto il secolo quinto ed aveva per
ambedue un unico tipo, il quäle perö trasse evidentemente origine dall' idea dei
Sileni: gli attributi equini, le unghie (nel tipo piü antico), la coda, gli orecchi
si riferiscono alla natura di quei demoni dell' acqua, ed il nome di Sileni pare
sia anche stato il piü comune per quegli esseri, almeno nella vecchia Attica:
cosi l'iscrizione dei vaso Francois li chiama Sileni, non Satiri. Mentre in questo
vaso essi hanno ancora i piedi da cavallo, ricevono poi ben presto sui vasi
jomuni a figure nere i piedi umani,2 ma nondimeno si chiamavano Sileni, come
ce lo prova una tazza a figure nere da Egina con iscrizione (Gerhard, Auserl.
Vas. t. 238: cf. Bull. 1830, 129 [Arch. Anz. 1889, 91, 1]). Importante sotto quest'
aspetto e anche il Marsia di Mirone; essendo originariamente Sileno egli veniva
rappresentato in quel tipo antico che vale tanto pei Satiri quanto pei Sileni, ma
che nei tempi piü recenti era proprio soltanto ai Satiri barbati. Una volta creato
questo tipo di Marsia si conservö per tutta 1' arte antica con leggiere modi-
ficazioni fino ai sarcofaghi romani piü bassi; ed e forse in conseguenza di ciö
che gli scrittori, dal quarto secolo av. Cristo in poi, lo chiamano quasi sempre
Satiro. Soli alcuni vasi dipinti della bassa Italia e dello stile piü libero fanno
alcuni tentativi per caratterizzarlo quäle Sileno dei tipo recente.3
1 Marsia p. e. nella tradizione originaria dell'Asia Minore ccrtamente era Sileno (cosi
lo chiama l'autore piü antico che nc parli coi nome suo, cioe Erodoto VII 73, e anche
Pausania), ma nella Grecia veniva idcntificato con un Satiro e cosi si chiama giä da Pla-
tonc (Symp. p. 215 B, cf. Michaelis, Annali 1858 p. 301 ; 307) in un passo ov' e chiaro
che egli non distingue il tipo dcl viso di Satiro da quello dei Sileni. — Quei Sileni
pcraltro, con fistola o flauti, mentovati ivi da Piatone come armadi degli scultori per lc
immagini degli iddii, io non me li posso immaginar meglio che mediante quelle figure
di Sileni sedenti dei tipo antico sul lampadario di Cortona (Mon. III 42; simili altrove).
Certamente, secondo le parole di Piatone, non erano ermi senza mani, ed e una diversa
«•peeie di armadi quella che descrive il Maximus nel passo citato dallo Jahn (Sympos.
p. 112 scc. ed.).
2 Tuttavolta neH'arte ctrusca si conservava piü a lungo l'antico tipo equino.
* Gli son dati gli stivali nei vasi Elite ccr. II 64. 67. 74 c Revue arch. II 42 (?), gli
orecchf da porco (intorno cui v. piü sotto) nel vaso Bitte II 72. In duc altri egli ha
con Rappresentazioni Bacchiche. 167
Ma quando apparisce quest' ultimo? — Due vasi con iscrizioni sono a pro-
varci, che nella prima metä del quarto secolo non si era ancor fissato un tipo
speciale di Sileno. V uno proviene dall'Attica stessa e mostra, in un ricco
tiaso bacchico, un Satiro barbato del comune tipo antico, che con ambedue le
mani si alza da terra; 1' iscrizione lo chiama Zdevog; lo Stile e assai libero,1
ma la forma delle lettere, anteriore ad Euclide, vieta di ritenerlo molto poste-
riore all'anno 400 a. Cr. L'altro vaso, di pittura piü recente, appartiene alla col-
lezione Jatta a Ruvo (catalogo n. 1093); ciascuna figura del ricco tiaso rap-227
presentatovi ha la propria iscrizione, ma quel Satiro barbato col nome Hdrjvog,
che sta suonando la doppia tibia, non si distingue affatto dagli altri Satiri bar-
bati d' intorno.2 — Non meno interessante e la rappresentanza di un vaso chiu-
sino dello stile bello, in cui il Sileno (e giusta il mito non e uno della specie,
ma il Sileno) venendo condotto prigioniero dinanzi a Mida, ha ancora quel-
l'antico tipo, toltine gli orecchi ripiegati in giü, a guisa di quelli del porco (An-
nali 1844 tav. d' agg. H). Simili tentativi di fissare una nuova caratteristica si
trovano anche in altri vasi dello stile bello. Importante e per questo riguardo
un vaso siciliano ora a Palermo (Mon. IV 10), ove Sileno prigioniero e distinto
dai Satiri barbati soltanto per la mancanza della coda; sullo stesso vaso perö
alcuni altri segni caratteristici del nuovo tipo sono impartiti ad altri Satiri bar-
bati, dei quali uno p. e. ha le scarpe e due altri gli orecchi da porco.3 Man
mano perö il nuovo tipo, che qui e fluttuante ancora, si fissa,4 per distinguere
dalla schiera degli altri un solo Sileno, che piü non apparisce in pluralitä; anzi
di solito sui vasi dipinti egli non viene congiunto piü con Satiri barbati ma
soltanto con quegli imberbi6 e mostra di stare cosi in istretta relazione con
tutta 1' apparenza del Papposileno (ma tiene ancor la coda) Elite II 69 e Arch. Ztg. 1869
t. 17. — Forse con questo fatto devesi mettere in relazione un altro, cioe che il Marsia
nazionale degli Itali e specialmente de'Latini, quello che non aveva da fare con Apolline
ma che si venerava sul foro tanto a Roma quanto nei municipi, aveva (secondo le
monete ed i due gran rilievi del Foro Romano) il tipo di Sileno distinto per la grassezza,
aveva gli stivali e portava l'otre, perö come sui vasi, ancora aveva la coda: probabil-
mente questo tipo s' e fissato frai Latini nel medesimo tempo (il sec. terzo) quando 1'
arte dell'Italia meridionale trasferiva la special caratteristica di Sileno al Satiro Marsia.
1 Sgraziatamente il Dumont (nella Gaz. des beaux arts) Vases peints de la Grece
pr. p. 9 [= Ceramiques de la Grece propre par Dumont et Chaplain II S. 88] non ha
pubblicato che un frammento del vaso importantissimo. Una descrizione completa vedi
nei Göttinger gel. Nachrichten 1874 p. 11. [Berlin 2471. Samml. Sabouroff Taf. 55.]
2 Secondo la gentile comunicazione del sig. prof. Heydemann fatta davanti 1' originale.
3 Uno inoltre e tutto calvo, se pur i capelli e la barba non sono invece svaniti.
4 Mentre il vaso pugliese nel Compte-rendu dello Stephani 1863 t. 5, 3 non gli
da che gli stivali e gli orecchi da porco, altri gli danno anche la grassezza del ventre
e spesso il mantello; ma la coda generalmente vien mantenuta ancora nei vasi.
5 Sul vaso di Pietroburgo n. 851 uno dei due Satiri barbati ha i capelli bianchi
senza avere perö il tipo speciale di Sileno. — Satiri imberbi con Sileno p. e. Bull. Nap.
|58 ClSTA PRENESTINA E TECA DI SPECCHIO
qtiello svfluppo che toglieva la barba ai Satiri comuni. Ed infatti il nuovo tipo
di SUeno sta nolla inedosima relazione coli' antico tipo dei Satiri barbati come
■tiri giovanili: sono ambedue derivati da lui e non appariscono che nello
stile sciolto dopo alcuni tentativi nello stile bello,1 e tuttavia sopra ambedue
nella pittura vascularia anche del secolo terzo predomina quel tipo antico.
Non dobbiamo tralasciar un' altra maniera di distinguere il Sileno solo rela-
tivamente piü frequente nei vasi, ed e il Papposileno tutto coperto di pelo.
Non era questo un tipo tutto nuovo, dappoiche giä nei vasi a figure nere Satiri
pelosi occorrono tal fiata, ma frammischiati agli altri senz' alcuna distinzione.2 Indi
si perdono nei vasi dello stile severo e ritornano, in tutt' altro modo, e non
con pelo naturale ma con un rivestimento siffatto e per lo piü con stivali, nei
vasi di stile libero, dove il Papposileno e una persona ben distinta dalla schiera
degli altri Satiri. Non v'ha dubbio che questo nuovo sviluppo sia cagionato
dal dramma satiresco, nei quäle un Sileno figurava come padre e soprastante
del coro dei Satiri, e questo Sileno nei vaso notissimo Mon. III 31 ha quel rivesti-
mento peloso e probabilmente l'avrä avuto anche il Sileno del Ciclope euripideo.3
Se aggiungiamo all' influenza del dramma il comparire dei Satiri imberbi, avremo
le due ragioni che facevano nascere nell' arte del secolo quarto il tipo di u n
Siieno padre dei Satiri.4 Infatti anche Papposileno ormai non si trova piü in
.^''pluralitä,5 ed e persona che sta tutta da se. Egli e curatore di Bacco fanciullo
n. s. IV 3; V 13, altri. — Piü spesso si trovano Satiri imberbi insieme coli' antico tipo
dei Sileni o Satiri barbati (che venivano poi rimpiazzati da quel nuovo Sileno solo):
giä sul monumento di Lisicrate e sui vasi p. e. Millingcn, Coli. div. 1. 2; Tischbein,
Harn. II 51. III 15. I 51; Gerhard, Apul. Vasenb. t. 4. 2; Stephani, CR. 1873 t. 6 etc.
(nell' ultimo vaso il Satiro imberbe non ha coda, ciö che accade anche altrove nei Satiri
piü nobili, p. e. Bull. Kap. n. s. V 13).
1 Quanto ai Satiri giovanili accenno a quelli che non si distinguono dall'antico tipo
che per la mancanza della barba e ritengono perciö anche la calvizie. Cf. gli esempi
raecolti dal Gerhard, Hyperb. Stud. II 115, 96, ai quali s'aggiungano Mus. Greg. II 18,2;
O. lahn, Vasenb. t. II e parecchl altri, specialmente alcuni crateri di S. Agata dei Goti a
Napoli.
* Cf. i vasi di Monaco n. 685 (1444]; Pictroburgo n. 216; Mon. X 8 [Furtwängler-
keichhold, Vasenmalerei I Taf. 41) (ov' hanno anche le ungliie). Senza compagni in im
vaso di Monaco fn. 601 [2088]) c in uno del sig. Aug. Castellani, ove sta in agguato per
una donna. Cf. anche il graffito arcaico Gerhard, Ant. Bildw. 56, 2. 3.
* Cf. Wicscler, Satyrspiel p. 29.
4 Questa senza dubbio era 1' idea principale del Papposileno c quanto al suo vesti-
mento il eh. Wieseler (I. c. p. 133) avrä ragione, se egli lo riguarda non tanto come
animalesco ma come Mgno della mollizic; ma se egli perciö vuol riferirc il passo di
Pollucc loHanto alla maschcra del vi$o, non posso aeconsentire, parendomi molto piü
• abile che Polluce stesso, dietro la descrizionc del suo autore, abbia preso quel vesti-
mento in segno di una natura piü animalesca.
* Cf. Wicscler 1. c. p. 29. — Soltanlo il vaso presso Passeri t. 263 = Miliin, Vas.
ist« or.i a l.cydcn, cf. Iansscn, Monum. van het mus. van Outhcden
con Rappresentazioni Bacchiche. 169
giä nel bellissimo vaso di stile proprio attico nel Museo Gregoriano (vol. II t. 26,
proviene da Vulci) e porta il suo allievo sulle spalle nella nota statua d'Atene
(Kekule, Bildw. im Theseion p. 16; cf. Friederichs, Baust, n. 621 [Friederichs-Wolters
1503]), ove il suo rapporto col teatro riesce anche piü chiaro per ciö che Bacco quäl
dio del dramma tiene in mano una gran maschera scenica. Quanto al tipo del viso
assai espressivo, si scorge il medesimo nel Papposileno del teatro di Dioniso a
Atene (Mon. IX 16) che serve di sostegno architettonico e che appartiene probabil-
mente (cf. Annali 1870, 99) al tempo stesso di quell'altro, cioe al quarto secolo. Una
replica esatta di lavoro romano e stata trovata recentemente sull'Esquilino (Bull,
com. 1875 t. 14); essa e soltanto cambiata in decorazione di fontana soppor-
tando 1' otre traforata. Una particolaritä che si osserva molto bene nell' originale
(non visibile nella pubblicazione citata) sono gli orecchi pendenti e grassi simili
a quelli del porco, ancor essi pelosi. Secondo ciö che mi vien comunicato da
Atene, lo stesso si scorge dall'osservatore attento anche nell'originale d'Atene.1
Questi tre monumenti statuari ci porgono la migliore idea del tipo attico di
Sileno nel quarto secolo, il quäle quanto all'espressione del viso differisce di molto
da quello noto da parecchie statue romane (p. e. Mus. Chiaram. I 40 [Amelung,
Vatican I Taf. 71], 41; Pio-Cl. I 45), ma dall' altra parte corrisponde perfettamente
colla faccia di Socrate, che ai suoi tempi veniva confrontato con Sileno. Perö non
e qui il luogo di comparare piü a lungo i tipi artistici, che richiederebbesi un
lavoro speciale, nel quäle si dovrebbe assegnar p. e. anche il giusto suo posto alla
celebre statua, conservata in parecchie repliche, di Sileno portante Bacco fanciullo
sulle braccia [Furtwängler, Glyptothek 238], ov' egli ha piuttosto le forme svelte
e robuste dell' antico tipo dei Satiri barbati anziehe quelle del vero Sileno.2
Avendo ormai accennato, come nel secolo quarto quasi contemporaneamente 230
si sviluppava il tipo prediletto d'Atene, il Sileno padre e Papposileno col rivesti-
mento scenico, e quell'altro tipo che si distingue fuor dell'etä specialmente per
la grassezza e mollizie e che nei secoli posteriori divenne il piü comune,3 desi-
dero rilevar di nuovo soltanto quella toccata particolaritä degli orecchi da porco,
i quali appartengono ai segni caratteristici di ambedue le forme, con cui si stac-
te Leyden p. 175 n. 1814) offre due Papposileni; ma possono riguardarsi piuttosto per
a ripetizione di una sola persona anziehe per due persone diverse.
1 Anche nella sopracitata statua del Teseo di Atene io poteva osservar questa forma
dell'orecchio in un gesso esistente a Roma.
2 Egli ha anche la coda (almeno nell' esemplare vaticano) e forma evidentemente
un passaggio fra 1' antico ed il nuovo tipo di Sileno, nato con probabilitä quando quest'
ultimo non era ancora ben fissato generalmente. — Dall'altro canto pare che quel posteriore
tipo di Sileno nelle sopramentovate statue romane, sia derivato dal viso di questo an-
ziehe dal Papposileno attico; ma non posso dilungarmi sopra queste cose, interessantissime
peraltro.
3 La relazione piü precisa di queste due forme di Sileno sarebbe ancora a fissarsi:
basti adesso d' osservare che non appariscono sui vasi 1' una accanto all' altra.
J -() ClSTA PKENEST1NA E TECA Dl SPECCHIO
Cava U Sileno solo dall' indistinta scliiera antica. Non sono rari nei vasi dipinti
di Stile libero.1 Ma ciö che vieppiü ci interessa si & che i monumenti etruschi
del terzo secolo li danno al loro Sileno quasi sempre, quando pur non vengono
iralasciati del tutto come nella nostra cista. La cista Ficoroni invece giä offre
ben espressi quegli orecchi e la seguono le altre eiste e gli specchi (tutti per
quanto io sappia d' origine prenestina).'J E pare infatti che nell'antico Lazio la
relazione del Sileno col porco abbia avuto una speciale popolaritä, ne per nulla
231 una moneta di Signia congiunge la testa di Sileno col capo e le gambe di un
cinghiale (Poole, Catal. of gr. coins. Italy p. 44). — Del resto anche non pochi
monumenti dell'arte greco-romana, che tutti paiono risalire ad originali incirca del
terzo secolo, ritengono quella stessa forma degli orecchi, e notissimo e infatti
il busto vaticano3 che in modo ammirabile trasforma tutto il viso di Sileno
secondo la natura del porco. Aggiungi assai esempi finora non osservati, come
fralle pitture pompeiane almeno un esempio certo si scorge nel grande e bello
quadro descritto dall'Helbig n. 1239; e fralle statue parecchi altri, come una
statuetta della Galleria dei candelabri (n. 256; inesattamente pubblicata da Visconti,
Pio Cl. VII 3) di medioere lavoro, la quäle per il viso risale a quel tipo proprio
attico, che si risente puranco benche piü modificato nella statuetta pompeiana
di fontana (Mus. di Napoli [Clarac 734 D 1771]) che tiene un gran corno sul
ginocchio. Ivi la statuetta di bronzo, ove Sileno cavalca sopra V otre, ha i
medesimi orecchi [Villa Ercolanese Tai 16, 8 S. 270, 44]. Ma fra i piecoli
bronzi merita special menzione una bellissima figurina del museo Kircheriano
ritraente Sileno chinato sopra i ginocchi posti esattamente l'uno accanto
l'altro, e in atto di alzare le braccia per ricevere un carico: la testa fornita
degli orecchi in discorso, come tutto il corpo, risente una moderata severitä
1 Sono sempre intesi quegli orecchi grassi e ripiegati ingiii. Nel vaso sopra dis-
cusso Mon. IV 10 non appartengono ancora a un Sileno solo, come poi sempre; p. e.
Ölte II 72; Arch. Ztg. 1855 t. 83; Bull. Nap. n. s. IV 3; CR. 1863 t. 5, 3. Tischbein II 37
(Papposileno simile sopra un vaso policromo del sig. Simmaco Doria a S. Maria di
Capua), molti altri non pubblicati, p. e. Napoli n. 1759, ove la descrizione deH'Heydemann
erroneamente menziona un Satiro barbato, mentre c Sileno calvo, con alti stivali e cogli
orecchi in discorso; singolare e il modo come e avviluppato. — Lo Stephani CR. 1863
p. 229 menzionando aleuni esempi annovera anche il vaso di stile legato Luynes, Descr.
t. 30 che non vi appartiene affatto, i Satiri barbati dell'antico lipo stendendo avanti pieni
di cupidigia i soliti orecchi equini.
7 Cf. il coperchio della cista Mon. IX 22 coH'iscrizione Ebrios; lo specchio ib. t. 24,
il Sileno coH'iscrizionc di Marsia; uno specchio del sig. Aug. Castellani, ove
Sileno alzando una Corona e tenendo un caduceo (!) sta presso una donna c un altere;
anche Gerhard, I.tr. Spieg. t. 291 A. — Gli orecchi non sono poi benc espressi nella cista
Mon. VI 10 (ove nel disegno paiono umani) c in tre altre Barbcrinianc descritte nel
Bull. 1868, p. 79. 80. 81.
1 Visconti, Pio-Cl. VI 9. 1 [Amelung, Vatican II Taf. 72 Nr. 321]; la forma di busto
f;inaria.
con Rappresentazioni Bacchiche. 171
di stile conformemente allo scopo suo tettonico. Frai rilievi mentovo quel bello
del Vaticano pubblicato inesattamente x dal Visconti, Pio-Cl. IV 28 [Amelung,
Vatican II, Taf. 66] ove occorrono gli stessi orecchi. I quali infine non sono
rari in maschere decorative, come si vedono nella grande maschera di marmo
nel Laterano (catal. n. 377), in un' altra simile nel museo Kircheriano, in due
altre nella villa Albani, poi in quella che tiene il ragazzo nella statua capitolina
(Righetti I, 90 [Heibig, Führer2 533]) e qualche volta anche ai manichi dei vasi
di bronzo (p. e. Napoli picc. br. n. 7749).
Or ci resta di vedere in che relazione stia il tipo speciale di Sileno, svilup- 232
pato come sappiamo soltanto nel secolo quarto, cogli altri Sileni oSatiri bar-
bati. — Sul vaso del dramma satiresco (Mon. III 31) vediamo Papposileno colla
barba bianca, ch' e la propria sua maschera, accanto al coro dei Satiri barbati
tutti quanti; tuttavia negli altri vasi dipinti, come osservammo giä sopra, non
viene congiunto con Satiri barbati ma spesso con giovani, e lo stesso accade
nei monumenti etruschi o piuttosto latini, ove Sileno ha perö la sua special
significazione di dio delle acque e delle fontane2 e non trovasi quasi mai riunito
con Dioniso. La nostra cista pertanto introducendolo nel tiaso bacchico anche
in questo punto s'avvicina piü ad original!" greci. Quanto poi ai Satiri barbati,
cosi come sono usati anche nella pittura vasculare piü recente accanto ai Satiri
giovani, non cessano di comparire neppure nei monumenti etruschi delterzo secolo.3
Tutt'altro avviene, se ci rivolgiamo alle pitture parietali di Pompei ed Er-
colano, giacche qui e sparito quasi interamente il Satiro barbato — nel catalogo
dello Heibig si trova soltanto due volte e anco come figura isolata: n. 435 e
440 — ed il tiaso Consta dei soli Satiri giovani intorno al vecchio loro maestro
1 Gli orecchi sono disegnati come umani, donde 1' errore del Gerhard, Hyperb.
Stud. II 112, 84. — Orecchi umani peraltro non possono negarsi neanco nei Satiri giovani
dell'arte statuaria, ed in primo luogo debbo mentovare una statua del museo Torlonia
a Roma (n. 15 del catalogo ancora fuor di commercio), ove un cattivo corpo porta la
bella testa (che non gli appartiene) di un Satiretto molto giovane, coronato di pine e
con orecchi umani. Anche due teste del piccolo museo sul Palatino, esse pure coronate
di pine, non possono essere che Satiri giovani a malgrado degli orecchi.
2 E quest'e la sua significazione nelle eiste sopracitate per gli orecchi, e inoltre in
quella Annali 1868, 414 n. 71. — E poi a rammentarsi che anche il Papposileno del teatro
di Bacco ad Atene e stato cambiato dai Romani in un largitore d'aequa.
3 Cf. le eiste seguenti: Annali 1866, 159, 3 (Gerhard, Etr. Spieg. t. 6) ove il Satiro
rimpiazza il tibicine negli esercizl ginnastici, ciö che non si troverebbe facilmente in
monumenti greci; Mon. VI 54; Mus. borb. XIV 40 al coperchio; Bull. 1870, 101;
Mon. VI, VII 61—64 piede di cista. Cf. anche gli specchi di stile libero presso Gerhard
t. 106; 315 (quello a t. 309 mi pare falso). — Nei vasi dipinti di fabbrica etrusca di
stile recente perö i Satiri barbati sono piü comuni degli imberbi (ve ne sono parecchi
non pubblicati nel Museo Gregoriano ed altrove); anche uno dei rari vasi dipinti finora
usciti dal suolo di Palestrina, ch'e una piecola cista della solita forma con coperchio, ma
senza piedi (alta 0,14; e nel possesso del sig. Aug. Castellani), offre la testa di un Satiro
barbato di fronte ad una testa muliebre bianca, piü volte ripetuta.
QSTA PRENESTINA E TECA DI SPECCHIO
Sileno. La forma antica di quest'ultimo, la forma del dramma satiresco, cioe il
Papposileno tuttavia qui e sparito anche lui, e negli altri monumenti greco-ro-
233 man! e almeno divenuto rarissimo. Piü di frequente s' incontrano dei Satiri bar-
bati in parecchi monumenti dell* arte greco-romana che rimontano, con molta
probabilitä, ad originali dell' epoca dei diadochi e riempono cosi la lacuna fra i
vasi dipinti e quelle pitture parietali, dimostrando che anche l'arte alessandrina
usava ancora l'antico tipo dei Satiri o Sileni, limitandosi a dargli un'apparenza
piü nobile, un naso piü retto, la capigliatura ricca, e ben distinguendolo dal
vero Sileno, al quäle adesso non di rado vedesi opposto nella stessa rappresen-
tanza. I monumenti a cui alludo, sono specialmente rilievi di vasi marmorei o
di basi, nei quali suol predominare 1' influenza dell'arte del quarto e terzo se-
colo.1 Molto piü raro e riscontrarlo sopra sarcofaghi.'- — Quanto poi all' arte
234statuaria 1' invenzione del gruppo di un Satiro barbato che ha attaccato libidinosa-
mente un Ermafrodito che ne lo respinge, non puö essere anteriore al secolo
terzo a. Cr. Di questo gruppo esiste un esemplare a Berlino [Beschrbg. d. ant.
Skulpt. 195], un altro e presso Clarac 671, 1736, ma ambedue hanno moderna la testa
del Satiro. Perö a Roma nel museo Torlonia si trovano due repliche, delle quali
: Si confrontino per ciö lc basi di Vcnezia presso Zanetti II 35 [Hauser, Neuatt.
Rel. S. 91 Nr. 13]; un' altra molto bella dall' Esquilino (descritta inesattamente nel Bull,
com. 1874, 252, 7), ove il Satiro barbato danzante verso d. e rivolgente il capo tiene
nella sin. abbassata il tirso e nclla d. la patera come pare a modo dei giuocatori del
cottabo. Composizioni piü grandi sono: Hübner, Ant. Bildw. in Madrid n. 289 [Arndt,
Kinzelaufnahmen 1690—93]; il cratere bacchico del Museo capitolino (tom. IV t. 58
[Hauser S. 105 Nr. 40]), il cratere coll'insania di Licurgo (Mon. IX 45 [Hauser S. 105 Nr. 38]),
e quello che adorna il noto fregio del foro Traiano (Mus. lateran. catal. n. 59); poi nello
stesso Museo lateranense n. 324 il rilievo di una colonna, ove il Satiro si distingue
chiaramente dal Sileno ed ha pure i capelli irsuti; delle grandi corna caprine mcntovate
dal catalogo io non poteva vcderc nemmanco la traccia. — Non di rado il tipo barbato
t frammisto ai Satiri vendemmianti; cosi sulla bellissima base ov' e pur ancora Pap-
lleno, Mus. Horb. II 11 [Hauser S. 103 Nr. 35a]; sul cratere presso Piranesi, Vasi II
J9 [Brit Mus. 2502] ed il cratere vaticano Beschr. Roms II 2, 277, 24 [Hauser S. 103
(5c]. — Non c raro il nostro tipo infine ncppurc in rilievi di terracotta (p. e. Cam-
pana, Opere t. 51).
2 II bellissimo sarcofago, prov. da Napoli, nel Vaticano (Mus. Pio-Cl. IV 21) d' in-
venzione stupenda ce n' offre due cinti di grembiali di pelle, nonche un Sileno contrad-
distinto a^li stivali ed al mantello (le restaurazioni non sono di rilevanza). Sul rieco
coperchio del sarcofago lateranense n. 373 (riprodotto ma inesattamente nel punto seguentc
nei Mon. VI. VII 80, 2) il Sileno non e che uno solo come sempre, e la figura a sin.
per la sua magrcv.za, per gli abbondanti capelli c per la pelle che ha intorno alle coscie,
mostra d'appartencre al tipo dei Satiri barbati. — In un sarcofago di Londra (Anc. Marbl.
• [Cat of. Sculpt. 2298]) dl (lue Sileni uno e moderno. Un Satiro barbato sopra il
o Ib. t. 37 [Nebenseite desselben Sarkophags]. Per lc molte ristaurazioni in gesso
non si puo addurre per certo il sarcofago Matlci (Mon. Matth. III 8, 1 [Matz-Duhn 2301])
citato dal Gerhard, Hypcrb. Stud. II 118. — Piccolc barbaccie di manicra proprio barbara
portano i Satiri di un sarcofago napoletano assai tardo (Gerhard, Neap. ant. Bildw. n. 452).
con Rappresentazioni Bacchiche. 173
una conserva anche la testa del Satiro barbato, coronata di pino e con un' espres-
sione selvaggia, siccome tutto il corpo e robusto.1 II celebre Satiro della villa
Borghese [Heibig, Führer2 987[ che suona le tibie anche lui difficilmente sarä
anteriore ad Alessandro Magno. — Appartengono qui anche alcuni noti bronzi2
e principalmente il famoso Fauno di Pompei (Denkm. a. Kunst. II 530 [Friederichs-
Wolters 1504]), il quäle non e che un Satiro barbato; perche non v' ha dubbio,
che tal fiata si aggiungevano (ma certamente non prima del terzo secolo) delle
corna anche ai Satiri barbati come a quegli imberbi.3
Alla fine di questa rivista non voglio tralasciar una doppia testa interes-
santissima del museo Chiaramonti (vol. III t. 91 [Amelung, Vatican I Tai 47
Nr. 229]), che da una parte offre il solito Sileno dell'arte greco-romana, e dall'altra
il miglior esempio del tipo arcaico di Sileno, che ancora non si distingueva dalla
schiera dei Sileni o Satiri barbati. II contrasto e riuscito in modo stupendo e
si puö indagare fino agli Ultimi dettagli.* L' intenzione dell' artista di certo non
era se non che di rappresentare la stessa persona sotto forme diverse, e cosi
questo prezioso monumento e a provarci di bei nuovo che nei tempi dello Stile 235
severo e legato non v' era altro tipo di Sileno che quello comune a tutto il coro
bacchico.
Stabilito per tal modo lo sviluppo dei tipi nell' arte e specialmente la nas-
cita del tipo di Sileno come persona che si distacca dalla schiera barbata dei
Satiri o Sileni, siamo in grado di renderci conto dei van termini relativi a questi
tipi che vengono adoperati dagli antichi scrittori contemporanei a cotale sviluppo;
1 N. 155 del catalogo [Museo Torlonia 157]; la replica e n. 149 [Museo Torlonia
151]. — Del resto si confronti il gran rilievo del Mus. borb. V 53 [Guida del museo di
Napoli Nr. 285], ove il Satiro inoltre ha due piccole corna.
2 Cf. Bronzi d'Erc. II p. 157 e Clarac 716 C, 1715 D. Una piccola barba l'ha pure il
Satiro ebbro nei Br. d'Erc. II p. 161 [Friederichs-Wolters 1499]; egli inoltre e cornuto, ciö
che non si vede nei disegni; una replica della testa di questa statua, anch'essa cornuta
ed eseguita in marmo, esiste nei museo Torlonia (il catalogo n. 109 la chiama Marsia
[Museo Torlonia 111; Furtwängler, Glyptothek 224]).
3 Oltre i monumenti mentovati giä disopra si trovano delle corna grandi in un
Satiro barbato del sarcofago negli Ancient marbl. X 39 [Brit. Mus. 2298] e piü piccole
non sono rare in maschere decorative di Satiro barbato. Noto in quest'occasione che
nell'arte decorativa le maschere di Satiro barbato sempre restavano in uso (cf. p. e.
Schöne, Griech. Rel. t. 5. 6. Piranesi, Vasi I 1 sg. 49 sg.) e non di rado, p. e. ai manichi
dei vasi di bronzo da Pompei, ritengono il tipo arcaico.
* Nei Sileno del tipo arcaico si puö osservare la fronte bassa, i capelli irsuti, gli
occhi grandi, ma non molto infossati, il naso molto breve e camuso, la bocca sporgente
e severa, la barba ed i capelli trattati come una massa coerente, coi dettagli quasi graffiti,
la carne magra coll'ossatura marcata ecc. e tutto il contrario nei tipo recente dall' altra
parte. La conservazione e ottima e la stessa base antica mostra che non era doppia
erma; sono due maschere di decorazione, come le vediamo tante volte fra 1' architettura
nelle pitture pompeiane.
174 Cista Prenestina e teca DI Specchio
cche per non ritoraai all" antica confusione (cf. Wieseler, Satyrsp. p. 198) si
deve separare sempre i diversi tempi degli scrittori.
II primo che rammenti Sileno quäl persona isolata, sembra essere Pindaro,1
e lo fa in un tempo quando Karte non aveva ancora sviluppato un tipo speciale.
\\a e al dramma satiresco che con ogni probabilitä si deve la distinta contrap-
posizione di un Sileno alla schiera degli altri; quella relazione di Sileno come
piü attempato (Eur. Cyd. 10.) dei Satiri e come padre loro, che troviamo giä
completa presso Euripide, forse non esisteva molto prima di lui, perche Eschilo
e Sofocle2 a quel che pare non facevano ancora quella distinzione. L'arte d'allora
almeno non conosceva che un solo tipo per tutti e due, ed a questo tipo era
comune per lo piü il nome di Sileni, ciö che vien dimostrato dalle iscrizioni
dei vasi menzionati sopra. La cosa e importante a sapersi, perche, quantunque
il dramma satiresco avesse in seguito sviluppato quella terminologia conservataci
236 da Polluce (IV 142), la quäle chiama Satiri tutti, anche gli attempati, e non conosce
che un solo Sileno, padre di quelli, il Papposileno, pure gli scrittori dei quarto
secolo parlano tuttavia di Sileni in plurale, evidentemente neh" antico senso,
cioe per quel tipo comune barbato, che predominava anche nella piü recente
pittura vasculare. Senofonte parla come se vi fossero molti Sileni nel dramma
satiresco (Conv. 4, 19 ndvztov 2eiXrjvc5v rwv iv xoig oarvgcxolg aXoyimoz &v
>)3 e pensa senza dubbio ad un coro barbato simile a quello nel vaso Mon.
III 31. - Qanto a Piatone egli annovera i Sileni accanto ai Satiri, ai Pani ed
alle Ninfe (Leges 12, 18, p. 815 C) e parla dei oarvQiy.ov ögäfAa xal oih-jvixöv
(Conv. p. 222 D) prendendo evidentemente questa signifieazione dal coro, nel
quäle riconosceva dunque anch' egli dei Sileni, e non deve far nessuna specie
che la commedia attica antica o almeno Eupolis dicesse Sileni, dove scrittori
piü recenti avrebbero detto Satiri (Phot. Lex. p. 511 = Meineke, Poet. com. II 575
ZtXrjroi oi Zdtvgot EÜTtoltg] cf. Esich. Sdijvot HdtvQOi). Ancora ai tempi
d'Alessandro Magno si parlava di Sileni nell'antico senso invece di Satiri e nel
discorso di Ägide ad Alessandro Plutarco (De adul. et am. 18 = Op. mor. ed.
Dübner I 72, 39) dice che, siecome tutti i figli di Giove hanno piacere a *6Xa£iv
1 Nel frammento presso Paus. III 25, 2 Sileno e giä il curatore di Bacco, nell'altro
frammento (schol. Aristoph. nub. 223) Sileno parla come sprezzatore savio della vita
umana ad Olimpo — riunione quest'ultima, la quäle pare accenni a Marsia, cosi che
F.rodoto non sarebbe pel medesimo il piü antico testimonio (un'altra allusione al ülito
di Marsia piu antica di Hrodoto ha riconosciuta lo Stephani C. R. 1862 p. 84 presso
Sokme).
* Schol. Theoer. 4, 62 (Aesch. Fr. 36. Hermann). — Euripide invece nelle liuxyui,
bracht avesse avuto frequente 1' occasionc, non mentova che i ftcuvöftavot Sdxvgot (v. 130).
1 It). 5, 7 egli fa menzione pure dei Sileni come figli dellc .WA.—. — Che poi i
fi^li di Sileno, che nel dramma satiresco crano i Satiri, potessero chi.imarsi anch'essi
Sileni, almeno nella tradizionc localc, ce lo prova im pafto dl Diodoro Siculo III 72 tratto
qualche autore piii antico.
con Rappresentazioni Bacchiche. 175
äv&QCOTTou; y.ai xarayeXdoroig, cosi anche Bacco Zedrjvoig heoTzero. Anzi lo
stesso Nicandro (Alexiph. 30) descrivendoci i seguaci di Bacco vendemmianti che
bevono il vin nuovo, li chiama Sileni1 e da a loro l'attributo di Auovvooio
xv&rjvoi, mostrando cosi che egli immaginavaseli piuttosto attempati. — Nulla,
c' impedisce di intendere in tutti questi Sileni quell'antico tipo barbato che anche
dalle iscrizioni dei vasi dipinti vien chiamato Sileno e che, anche dopo l'origine
di un tipo speciale pel Sileno padre, si conservö ed era molto in uso ancora237
nel terzo sec. a. Cr. II tipo imberbe per contrario, formato non prima del secolo
quarto, mancando d' una piü antica denominazione, si chiamava dappertutto col
nome preciso fissato dal teatro, cioe con quello di Satiro. Ed ecco che cosi
anche le spiegazioni dei dotti e degli antiquari posteriori, e quella stessa di
Pausania che sarä stata la piü comune, si capiscono perfettamente.2 Ne in
veritä avean torto quegli altri, i quali, accorgendosi che Sileni in pluralitä erano
usati soltanto dagli scrittori relativamente piü antichi,3 credevano che Sileni in
generale fosse l'antico nome dei Satiri.4
Oltre di questi ci rimangono ancora alcuni passi riguardanti i Sileni plura-
lizzati che crediamo di dover separare dagli altri. Ed in primo luogo cito la
pompa di Tolomeo Filadelfo descritta da Calisseno il Rodio autore contemporaneo,
nella quäle si vedevano non soltanto moltissimi Satiri, ma altresi parecchi Sileni,
distinti questi Ultimi all' abito piü completo per aver essi le ciamidi (Athen. V
p. 197 e 198a) e gli stivali (p. 198a); ma con cpoiviyJdsg indosso appariscono
una volta anche i Satiri (p. 198b), i quali (p. 197 f.) avendo dipinto il corpo
erano nudi. II Sileno isolato si trova una sol volta quäle intendente dei Satiri
che pigiano le uve (p. 199a). Altro cenno distintivo non c' e; quindi noi dob-
biamo supporre che i Satiri fossero imberbi e che coi Sileni giusta 1' uso ancora
valevole nel terzo secolo s'abbia voluto indicare quell* antico tipo dei Satiri
barbati; i quali anche nel dramma satiresco potevano portare un vestimento piü
completo di quello dei Satiri dell' arte, come ci prova Poll. IV 118; il vooräiog
yawv daovg, ov oi JZedrjvol (pooovoiv non puö essere infatti, secondo ciö che
ha provato il Wieseler (Satyrsp. p. 92 sg. 138 sg.), il costume del Papposileno 238
1 Ovidio invece, benche imitatore dei poeti alessandrini, non conosce piü Sileni,
ma si trova in pien accordo coi monumenti romani, distinguendo dai Satiri 1' unico
Sileno vegliardo cavalcante sull'asino (cf. Fast. I 399 sg. III 745. VI 324 sg.). Cosi lo fa pure
Vergilio descrivendo (Ecl. 6) il Sileno legato da due Satiri giovanili.
2 Pausania I 23, 5 dice che quelli tra i Satiri che son maggiori di etä si chiamano
Sileni. Cf. Etym. Magn. Seih]voi Myovzai ot yzgovres T(7>v ^azvQOJV.
3 Nonno raccogliendo nei suoi Dionisiaca tutti gli esseri bacchici di tutta la let-
teratura antica, naturalmente accanto di Sileno si serve anche dei Sileni i quali anch'
essi sono ysoorrsg: 44, 25, perö essendo di epoca cosi tarda non ha nessun valore per
le nostre ricerche.
4 V. lo scoliasta a Nicand. Alexiph. 30; vi spettano anche le sopracitate glosse di
Fozio ed Esichio.
|7ß CßTA Prenestina e teca di Specchio
che Inoltre non veniva mal pluralizzato, bensi quello di quei Sileni, le cui ma-
schere dallo stesso Pollucc (IV 142) vengono piü esattamente designate siccome
proprio dei Satiri barbati (cf. Wieseler 1. c. 35). ' Arrogi che quel medesimo grosso
chitone viene anche attribuito ai cori di danzatori vestiti da Sileni nella pompa
che si faceva a Roma nei ludi maximi. E importante che le notizie che Dionigi
(Ant. Rom. YII 72 p. 1491) ci da intorno questo proposito furono prese da Q.
labio Pittore (cf. 1. c. p. 1483). Quantunque ora sia probabile, che giä fin dai
irimi tempi in quell'occasione figurassero dei danzatori travestiti (cf. Mommsen,
Rom. Gesch. I\ 224), pur e certo che quest' identifieazione coi Sileni e Satiri
non poteva essere d'assai anteriore a Fabio, perche pensando allo sviluppo
dell'arte non possiamo ammettere nel Lazio prima dei secolo terzo dei Satiri
distinti da Sileni, cioe Satiri imberbi; ma all'anzidetto secolo quadra ancora
molto bene la pluralitä dei Sileni opposti a Satiri, conformemente alla pompa di
Tolomeo. — Quello che v'ha di comune in tutti questi passi- si e che abbiamo
sempre a che fare non colle stesse persone mitologiche, ma con uomini che si
son travestiti per il ballo o per qualche festivitä, e che i Sileni, opposti ai Satiri
evidentemente siccome i piü attempati, portano un vestimento tutto particolare.
lo perö non conosco nessun monumento d'arte che mostri una pluralitä di Sileni
ovvero Satiri barbati con quegli abiti indosso; la cagion e sola questa che la
tradizione dell'arte e per fermo indipendente dalle condizioni reali di quei tra-
vestimenti; insomma non e entrata nell' arte quella forma descritta nei passi sullodati.
Ritornando adesso alla nostra cista, non possiamo giustificar la pluralitä
dei Sileni d' essa da nessuno dei passi ora considerati e molto meno ancora
dall'arte stessa. Giacche il tipo speciale dei vero Sileno, creato nel secolo quarto,
non e stato mai pluralizzato, per quanto io sappia, nell' arte greca o romana, e
239dobbiamo supporre per necessitä, che la cista prenestina, la quäle ha impron-
tato, come vedemmo, quasi eiaseuna figura ad originali greci, noti specialmente
nel secolo terzo, compilando la composizione per malinteso vi abbia introdotto
due Sileni propri. Quanto al terzo, il cui nome e stato lasciato dubbio, dietro
tali circostanze sembra non potersi affermare se non che questo, che egli ap-
parteneva originalmente all' antico tipo dei Satiri barbati, ancora in uso nel terzo
sec, ma che la sua congiunzione cogli altri due Sileni spetta dei tutto all'artista
latino. AI quäle ascriveremo anche la mancanza di tutto quel fuoco ed entusiasmo
bacchico ovvio nelle simili composizioni greche; ma perö la nostra cista ha i
suoi meriti per 1' abile composizione dei gruppi s e piü ancora per essere l'unica
1 EUano, War. bist III 40 avra tratta la sua notizia intorno i Sileni ed il loro vestimento
) da una fönte simile, che trattava dcl teatro o da altri travestimcnli.
* S'aggiungl anche PolL IV 104. un passo molto mendoso, ove vien mentovato un
ballo laconico di Sileni e Satiri.
1 II uruppo di dietro e fatto propriamente per la cista; ma la contraddanza di Pane
e la Baccantc con o^ni probabilitä e presa da originale ^reco. L'aggiuntfl di quel Sileno
sopra la capra, che non vi ha punto a che fare, e il principalc errorc.
con Rappresentazioni Bacchiche. 177
fra tutte le conosciute che ci dia un tiaso bacchico greco senza alcun elemento
nazionale e con cosi pochi malintesi. Le altre eiste bacchiche, che qui si deb-
bono confrontare, sono: in primo luogo quella al n. 11 nell'elenco del eh. Schöne
(Annali 1866, 165), ove ad una scena non per anco spiegata1 sono riunite delle
figure bacchiche tutte piene di malintesi nazionali eccetto la contraddanza simile
di una Baccante ed un giovine Satiro. Indi segue una cista Barberiniana (Bull.
1866, 39), ove tra Peleo Tetide Perseo e Minerva si scorge Bacco giovane sor-
retto nella solita maniera da un ragazzo e preceduto da Sileno.2 In modo ana-
logo, senza alcun intelligibile rapporto, sono frammiste aleune figure bacchiche
nella cista Mon. IX 22 (anche in quelle del Bull. 1866, 80, 139); ma la scena
piü frequente, che troviamo intercalata dapertutto,3 e quella di Sileno colle donne
ignude, della quäle giä abbiamo parlato.4
A questo confronto assai favorevole per la nostra cista corrisponde anche 240
il disegno che e relativamente buono, e parimenti gli ornati al di sotto e al di
sopra, tra i quali Ultimi la Corona d'ellera e proprio quella stessa tanto frequente
nei vasi dipinti del secolo terzo e nei monumenti etruschi della stessa epoca.
Se adesso ci domandiamo il valore artistico della teca pur da noi pubbli-
cata, dobbiamo per dapprima rilevare, che l'invenzione e greca senza dubbio;
ma intorno l'esecuzione si puö essere ambiguo. — Certo non vorrei dar troppo
peso ad aleuni difetti del disegno specialmente visibili verso il ventre e le gambe
di Pane (per dire uno, la maniera con cui la coscia sinistra e attaccata al corpo);
ma piü rilevanti sono forse aleuni dettagli come p. es. la forma grossissima degli
orecchi di Pane, che difficilmente si troverebbero in Satiri giovani o Pani umani
dell'arte greca contemporanea, mentre nei monumenti etruschi essa e assai fre-
quente.6 Inoltre il trattamento del panneggio di gran lunga diverso da quello
dei rilievi di bronzo greci di quest'epoca (osservisi in ispecie il lembo della veste
sotto la coscia e la parte che l'attornia, la quäle si ripete sopra una teca pari-
mente etrusca del sig. Aug. Castellani mentovata brevemente nei Bull. 1865, 246),
e da ultimo lo stesso ornamento che circonda il quadro mi conferma nell'opinione
che l'esecuzione non sia greca. Questo ornamento infatti si ripete spesso6 sopra
1 Certamente non e il ritorno dei Dioscuri, come vollero Birch e Jahn; si confronti
Mon. VIII 56.
2 La calvizia ed il naso rincagnato non lasciano dubbio; la descrizione sopra citata
per questa scena, non e esatta.
3 Cosi p. e. nella cista Bull. 1866, 77 in mezzo d'una scena che io credo certamente
il sacrifizio d'Ifigenia in Aulide, come proverö in altra occasione.
4 Ma i due Satiri barbati che si avvicinano alle donne (v. Bull. 1870, 101) ricor-
dano piü che altro i vasi dipinti.
5 Cf. p. e. lo specchio presso Gerhard t. 302. — Orecchi interamente animaleschi
presso gli Etruschi si vedono anche nei tipo [imberbe e nobile dei Satiri; cf. Gerhard,
Spiegel 83. 105. 299; le eiste Gerhard, Ak. Abh. t 57.58; Mon. IX, 23.
6 Non di rado insieme colle teste di lione che servono per attaccarvi il manico.
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. 1*
J7g ClSTA PRENtSTINA E TECA DI SPECCMO
teche di Livoro indubitatamente etrusco, tra le altre in quelle del riconoscimento
di Paride o di Bacco sostenuto da Amore; ma non l'ho veduto in nessuna teca
.imente greca,1 ove di solito l'orlo o manca o non e decorato o, quando lo
sia, l'ornamento e tutt' altro (cf. p. es. Stackeiberg, Gräber t. 7). L'ornato della
nostra teca appartiene all' arte antichissima, alla decorazione geometrica, e sarebbe
di molto strano il vederlo nell'arte greca del sec. terzo, laddove possiamo vedere
24lnella stessa epoca quasi un ritorno generale a quell'antichissimo sistema in certi
vasi dipinti* di fabbrica locale etrusca.2
Quanto all' originale greco di cui la nostra teca cornetana credo sia imitazione
abbastanza esatta, sembrami assai probabile sia stato comunicato dalla Campania
o dalla Magna Grecia. — Che nel secolo terzo vi fosse in Etruria una impor-
tazione di rilievi greci in bronzo, e fuor di dubbio, ed a Corneto p. es. ne e
stato trovato uno (Mon. VI 47, 6) di stile bellissimo, simile in tutto ai noti
bronzi di Siris.3 Che le stesse relazioni esistessero poi anche con Palestrina,
lo mostrano i rilievi nei Mon. IX 31, 1 (cf. Arch. Ztg. 1876 p. 9), 3 e 4 dello
stesso stile greco.4 Ebbene quest' importazione eccitava l'imitazione; ma che gli
originali imitati venivano appunto dall'Italia meridionale, vien reso probabilissimo
dalla teca essa pure cornetana che insieme con un rilievo di terracotta pugliese
si pubblicherä nei nostri Annali dell' anno venturo [1884 S. 30]. Accennano
inoltre al medesimo risultato alcuni rilievi di terracotta provenienti da Orvieto
(Mon. IX 26), essendosi trovate in Puglia le esatte repliche del vaso colle Amazoni
[Annali 1871 S. 14] ed il rilievo con Socrate essendo giä conosciuto per una
replica in bronzo pompeiana [Kekule, Bildnisse des Sokrates S. 57]. Se questi
rilievi sieno importati o imitati, non e sicuro, ma il rilievo con Ercole, la Vittoria
ignuda e Venere, che appartiene alla stessa serie, e probabilmente opera
d'imitazione, perche oltre trovarsi in molte repliche (parecchie di nuovo se ne
videro poco fa a Roma) e imitato anche in due specchi prenestini [Pagenstecher,
Calenische Reliefkeramik S. 20]. — Si potrebbero aggiungere molte ragioni
per provare queste relazioni dell'arte etrusca con quella dell'Italia inferiore,
p. es. intorno l'importazione di vasi da quella parte e l'imitazione che su-
birono neH'Etruria se non che mi contenterö qui di rilevare il fatto a
mio giudizio sicuro, che tutti i rilievi di bronzo e di terracotta finora citati
appartengono incirca allo stesso tempo e sviluppo delle eiste e degli
specchi dello stile libero, sviluppo che segue quindi immediatamente quello
1 La collezione piü complcta veggasi nel lavoro del Mylonas segnalato nel Bull, de
-. hellen. 1877 p. 108.
1 Parecchl esempi nel Musco etrusco di Fircnze. — Anche tra i vasi dell'Italia
meridionale alcuni riprendono i concetti geometrici anliehissimi.
J lanto IUI compoiizione il Brunn (Ann. 1860, 490 [Kleine Schriften I S. 236]) ben
'»nfronta ad un rilievo di terracotta dell' Italia meridionale (Arch. Ztg. 1817 t. 1).
i il frammento molto simile n. 2 provienc dall'Italia meridionale.
Con Rappresentazioni Bacchiche. 179
dei vasi dipinti e che trova, anche questa volta, la miglior sua caratteristica
nell' uso di Eros; il quäle cosi nel rilievo di Socrate con Diotima come
nelle note teche con Bacco sostenuto da Amore non si discosta per anco
dalla tradizione dei vasi dipinti.1 Invece la patera negli Annali 1871 t. A,
appartenente alla serie stessa di quei rilievi e non piü alla propria pittura vas-
culare, ne mostra giä compiuto quella nuova forma di Eros che ci piacque
chiamar alessandrina: abbiamo dunque il medesimo contrasto che osservammo
tra i nostri due monumenti, la cista coli' Eros essenzialmente antico e la teca
dall' altra parte. Ci troviamo appunto nel periodo di transizione.
Per riassumer or dunque il risultato principale dei nostro articolo, gli e
precisamente codesta posizione intermedia di tutti i monumenti in discorso, dico
intermedia fra la tradizione piü antica della pittura vascularia ed i monumenti
greco-romani, che noi abbiamo cercato di provare, perche adesso essa si rivela,
non meno che in Eros, nel medesimo grado di sviluppo che rappresentano le
figure bacchiche dei nostri monumenti.2 In essi vediamo ancora Pane umano
che sparisce poco dopo, qui divenuto bacchico e lä innamorato, segni di un
periodo piü recente; i Satiri ancora non sono quegli esseri rustici come piü tardi,
e se i concetti artistici per la maggior parte occorrono nei vasi dipinti, altri det-
tagli se ne allontanano (p. es. l'erma di Priapo, il pedo, il Sileno sulla capra ecc), 243
accennando piü al carattere dell'arte grande nel secolo terzo a. Cr. Cosi sotto
tale riguardo l'importanza di questa classe di monumenti (eiste, specchi, i citati
rilievi e le ultime pitture vascularie) riesce grandissima, perche, essendo deter-
minati all'incirca nel tempo, essi sono quasi gli unici che possano riempire in
moltissimi punti la lacuna che esiste fra la tradizione dei vasi dipinti e quella
dell' arte greco-romana e perche col mezzo loro potremo anche precisare in
seguito la posizione di non pochi altri monumenti, i quali non ci furono conser-
vati se non per la vasta arte romana che tutti e quanti altri periodi d'arte avea
in se raecolti e concentrati.
1 Cf. Furtwängler, Eros p. 87 [oben S. 56].
2 Anche la forma con cui sono rappresentati certi miti nella classe di monumenti
in discorso, contribuisce a questa caratteristica; p. e. la cista Mon. VI 40 nella storia
d'Andromeda segue l'antica tradizione dei vasi dipinti (che probabilmente era quella
d'Euripide, cf. Trendelenburg, Ann. 1872, 113 sg.), secondo la quäle Andromeda e legata
alla forca e non allo scoglio. All' incontro nel giudizio di Pari de gli specchi conos-
cono giä la versione col pomo, ignota ai vasi, e la rappresentazione della gara musi-
cale fra Apolline e Marsia sopra una cista Barberiniana (a quel che pare non ancora
descritta [Boll. d'arte 1909 S. 203]) s'aecosta piü alla tradizione recente conservata nei
sareofaghi, offrendo dietro ognuno dei lottatori una divinitä femminile sedente e velata,
probabilmente Rhea e Leto, benche manchi la caratteristica piü speciale come nelle altre
divinitä astanti, tra le quali si riconosce soltanto Diana. La cista proverebbe dunque, che
la composizione dei sareofaghi, almeno nei tratti essenziali, risale ad un originale dej
secolo terzo.
12*
180 ClSTA Prenestina b teca DI Specchio
Per riempire lo spazio abbiamo fatto ineidere due teste di bronzo in gran-
dezxa naturale, ambedue provenienti dagli seavi di Roma ed ora possedute dal
R. Museo di Dresda. Quella a sinistra [Taf. 2, 2 [Röscher, Myth. Lex. III, 1434]],
per la rara sua bellezza disegnata in tre vedute, era originariamente attaccata
a qualche arnese e fra le due corna si vede ancora una sporgenza che sembra
essere appunto l'avanzo di un' ansa. Siccome poi il rovescio non e affatto
ricurvo, viene esclusa l'idea che aderisse al ventre di un vaso. La conser-
vazione e buona; non manca che 1' estrema punta della barba, la parte sinistra
della quäle ha un po' sofferto dall'ossidazione. La maschera rappresenta
Pane barbato e cornuto, e questo tipo e espresso con tanta maestria che
non posso fare a meno di analizzarlo piü specialmente. — La parte carat-
teristica sopra ogni altra, quella che determina tutte le forme del viso, e la
prominenza della mascella superiore. L'intera ossatura del viso sporge in fuori
gradatamente dalla radice del naso fino alla punta, che tuttavia e di ben
poco piü alta della stessa mascella superiore. Di qui parte una linea retro-
cedente ed appena interrotta, dal naso fino al mento, per cui non abbiamo un
naso che sporge indipendente, come nell' uomo ed anche nei Sileni o Satiri,
ma abbiamo piuttosto il naso di un muso animalesco, simile specialmente a
quel'.o della capra. La radice del naso essendo larga, anche gli occhi sono lon-
tani l'uno dall'altro siccome negli animali. Inoltre, sporgendo molto l'ossatura
media del viso, tutto deve concentrarsi verso il mezzo, ed e perciö che lo sguardo
degli occhi, espresso colla pupilla incisavi, e convergente; e per questo che le
244 pieghe della fronte sulle sopraciglia sono dirette anch'esse all' ingiü verso il
naso. La fronte stessa, bassa ma lunga, e pur divisa mediante una piega oriz-
zontale. La bocca poi per la grandezza corrisponde quasi esattamente alla di-
stanza notata tra gli occhi, anche questa una particolaritä che difficilmente si
troverebbe in un viso tutto umano, ove gli occhi non stanno cosi lontani, ma
che contribuisce assai al carattere tettonico della maschera. — Ora a queste forme
essenziali corrispondono tutte le altre. La barba ed i capelli non sono divisi
nel mezzo, ma sono tripartiti con una ciocca analoga alla sporgenza centrale del
viso, che e la forma essenziale. Sopra questa ciocca trovava appoggio il manico,
il quäle innalzandosi aveva quasi un secondo rinforzo nella sporgenza mede-
sima della parte mediana del viso. La grandezza dell' anzidetta ciocca di ca-
pelli e eguale alla distanza fra gli occhi ed alla larghezza della bocca, dalle cui
estremitä partono i mustacchi rispondenti ai fori degli occhi, di modo che e libero
il labbro superiore che, come muso animalesco, non puö essere coperto da barba.
Non appartenendo dunque al centro, i mustacchi si congiungono colle parti la-
terali della barba, anch' essa tripartita; perche dal mento, che e pur libero, scende
giü un piü lungo riccio simile alla barba caprina. Le parti laterali della barba,
che, cominciando dagli orecchi, non raggiungono che la metä della parte me-
diana, ritornano molto addietro, sollevandosi la mascella superiore; mentre le
con Rappresentazioni Bacchiche. 181
parti laterali dei capelli sporgono fuori, essendo la fronte retrocedente. — Le
punte degli orecchi aguzzi, che appaiono dietro i capelli, hanno ancor essi il
loro posto acconcio. Infatti congiungiamo queste due punte coi lembi estremi
della barba a destra e a sinistra, tiriamo poi le diagonali, ed ecco cadere nell'-
intersecazione la punta del naso, la quäle, per cotali proporzioni, si distingue
come vero centro della composizione. Le corna si staccano in linea retta sui
mustacchi; gli occhi si piegano indietro e danno all' insieme quella forma bel-
lissima nell'arte decorativa ch' e il triangolo pendente. Ne la lunghezza delle
corna e in veritä arbitraria e basta restituire un piccolo pezzo che manca alla
barba per aver un triangolo identico nelle proporzioni a quello del viso formato
dai termini laterali dei sopraccigli e dall' estremitä del mento.
Maschere simili di Pane barbato in bronzo, le quali abbiano servito allo
stesso scopo, benche meno frequenti di quelle di Sileni o Satiri, pure non sono 245
rare; pubblicate perö ne sono poche; cf. una a Vienna, Sacken e Kenner, Die
ant. Bronzen t. 29, 13; due di Napoli: Mus. Borb. V 28, d. II 47, 4 (meglio presso
Poppe, Ornamente t. 9, 6), un'altra presso Bellori et Causseus, Pict. ant. cryptarum
p. 198 (ove perö le corna sono dubbie o trasformate in forme ornamentali, ciö
che si vede anche in alcune delle maschere pompeiane). Ma a Napoli si tro-
vano ancora nove vasi di bronzo con siffatte maschere di Pane ai manichi. Ma
il risultato del confronto di tutte queste, confronto che qui non permette lo
spazio d'istituire,1 mette fuor di dubbio la superioritä della nostra maschera a
tutte le altre, tanto per la nobile moderazione che la distingue da altre piuttosto
esagerate, quanto per la viva espressione che si puö ben dire 1' ideale canonico
di Pane caprino.
L'altra testa riprodotta a destra [Taf. 2, 1 ] era un peso di stadera e rappresenta
in esecuzione mediocre il busto di fircole, coperto della pelle di leone che gli
cade sulle spalle senza essere rannodata sul petto come di solito. L'eroe e ancora
giovane e l'espressione del viso rivolto un po' a sinistra ha un che di molle e
di dolce che pare contrario al suo carattere. Tuttavia giova ricordarsi che c' e
una classe di teste d'Ercole giovane in marmo (tutte appartenenti come pare
ad erme) le quali rivelano ancora piü questo carattere di certo cotai vago e
molle desiderio. Mi spiace che lo spazio troppo ristretto non mi conceda di
spiegarmi meglio; ma mi riserbo di ritornare su questo argomento un'altra volta;
per ora basti dire che di questa classe di teste, fino ad oggi poco osservata
soltanto in Roma ho contato io stesso da ben dodici esemplari.2
1 Sarebbe interessante specialmente per la varia maniera con cui sono applicate le
corna.
2 Qualche volta venivano scambiate per Bacco. — Un esemplare e stato pubblicato
da Visconti, Pio-Cl. VI 12. [Rom. Mitt. 1889 S. 189 ff.]
| sj ClSTA PRENEST1NA E TECA DI SPECCHIO
POSTILLA
447 1. Ai pochi esempi di Amore con ali di farfalla finora noti (vd. p. 190 [oben
S. 138]) posso aggiungerne altri assai interessanti, e sono le pitture del tablino
della casa pompeiana Reg. I is. II n. 16 (Fiorelli, Descriz. p. 43). Negli scomparti-
menti laterali delle tre pareti si vedono le figure isolate ritte (non volanti) alterna-
tivamente di Amore nudo o di Psiche vestita, fra le quali due volte Amore e
munito di ali di farfalla, mentre quelle di Psiche una volta sono di uccello. Come
io supposi giä dissopra a p. 190 [oben S. 138], e un mero Capriccio artistico questo
scambiare le ali fra Psiche ed Amore. Pare importante perö che tanto queste
pitture quanto quell' altra notissima che da le ali in discorso ad uno degli
Amori (Müller-Wieseler Denkm. a. Kunst II 691) — secondo le ricerche che es-
porrö in altro luogo — appartengono allo Stile terzo di Pompei, il quäle con-
frontato col quarto ha delle relazioni piü strette coll'arte alessandrina, dalla quäle
dipende anche la figura rispettiva della nostra cista.
2. In quanto alla quistione intorno ai Satiri cornuti debbo rilevare che il
Compte rendu de la comm. arch. pour l'ann. 1874, ove il eh. Stephani ampiamente
tratta del medesimo tema (p. 66 — 88), mi e venuto in mani soltanto dopo che
il mio articolo era giä stampato. Lasciando tante particolaritä voglio ritornar
soltanto sopra la quistione interessante intorno le figure giovanili cornute ma
fornite della coda satiresca, le quali sopra aleuni vasi di Pietroburgo dallo St.
(p. 79 sg.) vengono spiegate per Satiri, mentre io, mettendole nel loro connesso
storico, le avevo spiegate (p. 205 sg. [oben S. 150 ff.]) per Pane umano, chenell'
ultimo suo stadio si avvicina tanto a Pane caprino (come sul vaso attico CR. 1861,
t. II) quanto ai Satiri imberbi, nei quali poi doveva scomparire; ma il periodo
di transizione s'esprime appunto in ciö che Pane umano divenuto bacchico riceve
la coda dai Satiri; ma dall'altro canto non era meno naturale la conseguenza
che i Satiri ricevessero le corna da Pane umano. Ed infatti credo di poter
addurre frai vasi per eiaseuna di queste due possibilitä, cioe per Pane con coda
448 satiresca e per Satiro giovanile con corna, almeno un esempio certo. Sopra un
cratere1 del principe del Drago (cf. Bull. 1873, p. 118) il giovane cornuto se-
dente sul rovescio, al quäle viene offerta una patera da una donna, dietro cui
sta un Satiro barbato, e Pane senza dubbio, benche abbia la coda dei Satiri;
il suo viso nobile, gli onori che gli si fanno ed anche il gran fusto di pino
nella sua mano, che i Satiri non tengono mai e che meglio si adatta a Pane
tutto ci fa riconoscere quest'ultimo. II contrario avviene nel cratere napole-
tano citato da me giä a p. 205 not. 2 [oben S. 150], ove la presenza di
Pane umano ci costringe a riconoscere un Satiro nella figura rispettiva sulla
pantera.
1 Lo stile m aecosta molto a qnello dei cratcri proprio attici del sec. quarto.
Con Rappresentazioni Bacchiche. 183
Restano 1 tre vasi tutti a quel che pare di fabbrica attica del secolo quarto :
1) Antiqu. du Bosph. Cimm. t. 63, 1—3; 2) Mus. brit. C 3 [E 228], ove la figura
rispettiva, suonando la siringa e piü probabile Pane; 3) Overbeck, Atlas zur KM.
t. 16, 16, ove la faccia e tutta satiresca. —
II carattere indeciso di queste figure e la conseguenza naturale di un periodo
di transizione; benche dunque io debba rettificare la mia asserzione (p. 210 [oben
S. 154]), che i Satiri cornuti ancora non esistano affatto nella pittura vascolare,
resta perö il mio risultato intorno il tempo quando si e compiuto il cambiamento
in discorso (p. 211 [oben S. 155]).
3. Credo infine grave mancanza l'aver taciuto di un'obiezione che con ra-
gione si potrebbe fare contro il risultato sviluppato da me, che i tratti caprini
nell'arte siano trasferiti ai Satiri da Pane e che ciö cominciasse soltanto verso
la fine del quarto sec. incirca. Debbo avvertire che io con ciö non volevo negar
per nulla che la natura caprina nei Satiri non sia originaria. Anzi ce lo
dimostra giä la parola stessa di Haxvgog, essendo essa senza dubbio identica
col TizvQog dei Dorii, che propriamente significava capro. E che questa signifi-
cazione in Attica fosse generalmente adottata almeno nei tempi d' Eschilo e
regnasse specialmente nei dramma satirico, ci vien provato da quel noto trimetro
(attribuito con ragione ad Eschilo Fr. 202), ove il Satiro direttamente vien chia-
mato rgdyog, e pure da un altro frammento di Eschilo (Fr. 19) ove 1' ogyjqmq
oavvQiyJ] vien detta rgayiy.)], ed infine anche dalla stessa parola rgaycodia nei 449
senso originario come canto dei caproni, cioe dei Satiri. Vi s'aggiunge che nei
dramma satirico il costume principale (fuori della reßg(g) era Yalyfj Iq'alij ossia
rgayfj (Poll. Onom. IV 118).2 Contro tutto ciö i passi d' autori che danno ai
Satiri le code di cavallo (v. Stephani C. R. 1874, 68 n. 2) non provano niente,
essendo tutti (il piü antico e quello di Ctesias, ed Müller p. 87) di un tempo,
quando i Satiri coi Sileni erano giä confusi ed il tipo di questi era adottato
per quelli. A tutti i sopracitati fatti dunque contrario e il tipo dei Satiri in tutta
l'arte fin al sec. quarto, non prendendo mai i suoi tratti caratteristici (coda ed
orecchi) dal capro ma dal cavallo. Sono invece i Sileni che hanno connesso
intimo col cavallo. Se io dunque dicevo p. 225 [oben S. 165] che l'arte fin'a tutto
il sec. quinto non distingueva fra Satiro e Sileno, poteva dire con piü precisione ed
1 Tralascio gli esempi non abbastanza certi.
2 Eur. Cycl. 79 i Satiri si lagnano di dover servire al Ciclope %vv täds toäyov yj.aiva
fiekia, in altre occasioni dunque avevano vestimenti piü nobili, ed infatti il noto epi-
gramma di Dioscoride (Anth. Pal. VII 37) ci dice che Sofocle era quello che dava ai
Satiri Umr)v dlovgyiöa, mentre poi Sositeo ravvivava le usanze antiche (Anth. Pal. VII
707), e cosi anche Polluce 1. c. dice che delle volte portavano abiti tessuti e splendidi.
Neil' arte perö non pare che sia entrato questo costume, se non vogliamo riferirvi quei
Satiri ammantellati di alcuni vasi di stile della fine del quinto sec. (p. e. Napoli S. A.
240; Stephani C. R. 1868 p. 129; 168).
184 Qsta Prenestina e teca di Specchio
:tezza: i Satiri non sono punto entrati nell'arte figurativa ed il loro
nome si trasferiva soltanto al tipo dei Sileni. - Per spiegarci questo fatto strano
consideriamo l'origine locale dei Sileni come dei Satiri. Questi Ultimi senza dubbio
appartengono propriamente al Peloponneso ed in ispecie alla parte settentrionale
di esso (cf. la loro genealogia presso Esiodo e l'origine peloponnesiaca dei cori
di Satiri — Arion a Corinto — , della jonycoöia e dei dramma satirico — Pra-
tinas da Fliunte — ). I Sileni invece ebbero origine nella Macedonia, Frigia e
Lidia, ove i loro miti sono localizzati (cf. anche il Sileno Maleäyovoe di Pin-
daro Fr. 57, ov'e intesa la punta merid. di Lesbo). Qui dunque si formava quel
tipo di Sileno colle unghie, orecchi e coda di cavallo, dei quäle le piü antiche
rappresentazioni per noi saranno quelle note monete di Macedonia e dell'isola
di Taso, che mostrano Sileno proprio come w/Mpößag (Acheo Fr. 51 Nauck).
450 Gli Ionii ricevettero questo tipo, che in conseguenza divenne proprio dei vasi
calcidici (fatti probabilmente nella stessa Chalkis d'Euboea), ove per conferma
due volte anche il nome ascritto accenna al carattere equino istoe e Ijiaiog. II
primo vaso che li riunisce con Bacco e quello pure ionico nei Mon. X 8. Segue
evidentemente sotto l'influenza ionica il vaso attico dei Francois [Furtwängler-
Reichhold, Vasenmalerei Taf. 1 — 3 u. 11 — 13], che ritiene quel tipo equino anche
nelle unghie ed inoltre li chiama espressamente Sileni. Se ci rivolgiamo adesso
all'arte peloponnesiaca anteriore dei sec. quinto, ed in ispecie ai vasi corinzii,
riesce importantissimo il fatto che vi mancano assolutamente e Sileni e Satiri:
i Satiri nazionali non erano entrati nell'arte, ed il tipo dei Sileni non era ancora
noto. - - La combinazione di quest'ultimo coi Satiri dei Peloponneso si effettuö
nel'Attica, la quäle ritenne il tipo dei Sileni consegnatole dagli Ionii e mano
mano nel corso dei quinto sec. lo trasferi pure ai Satiri dei Peloponneso, che
t'inora non si erano ancora rappresentati.1 Cosi poi i Sileni divengono Satiri
(benche ritengano l'antico tipo di Sileni) ed il Sileno, che giä nei miti locali
antichi esisteva accanto alla pluralita,2 ricevendo un nuovo tipo speciale, vien
opposto ai Satiri.3
Rileviamo dal fatto stabilito (pel quäle bastino per ora questi pochi cenni)
che vi potevano esistere nella conoscenza comune, ed eziandio essere rappresen-
1 Font un tentativo di rappresentar i Satiri nella vera loro natura caprina sono quei
caproni a faccie umane in compagnia di Bacco e Sileni sopra alcuni vasi a figure nere
attici (Monaco n. 682 Jahn [1828]; Caylus, Recucil II 33).
2 Sopra l'antichitä dei miti accennati cf. Rohde, Griccli. Roman p. 204, 3. — Bacchyl.
ir 2 nc e creduto il tcstimonio piü antico; ina giä i vcrsi di Pindaro Fr. 128, ove il
HO (probabilmente Marsia) parla ad Olimpo, lo mostrano come disprezzatore della
fortuna umana, tratto caratteristico dei sopra mentovati miti.
Sgraziatamente mancano affatto degli indizi certi onde giudicar lo sviluppo di
ti tipi nel dramma satirico, questione nella quäle il noto vaso attico (Mon. III 31) ci
aiuta poco, essendo esso giä dei quarto secolo.
con Rappresentazioni Bacchiche.
185
tati nelle feste, degli esseri i quali perö nell'arte figurativa non ricevettero un
tipo loro proprio; ma ne rileviamo pure l'influenza grandissima dell'arte della
Grecia settentrionale e dell'Ionia e vediamo di nuovo con quanta tenacitä un
tipo una volta creato fosse conservato nell'arte antica.
BÜSTE PANS IN TERRACOTTA
(ATHENISCHE MITTEILUNGEN III 1878)
(Tafel VIII [= Tafel 9, 3])
:|ie Büste, die wir hier von zwei Seiten veröffentlichen, stammt aus der
nächsten Umgebung der Stadt Athen ' und befindet sich gegenwärtig
im Besitze der archäol. Gesellschaft im Varvakion.2 [Jetzt im National-
museum.]
Es ist unverkennbar, daß wir es zu tun haben mit einem neuen und ori-
ginalen Versuche eines attischen Künstlers, die tierischen Formen im Typus des
bärtigen gehörnten Pan mit den menschlichen wirkungsvoll verschmolzen vor-
zuführen. Derselbe gestand dem tierischen Elemente hier mehr zu, als wir in
der schönen Dresdner Bronzemaske, die ich in den Monum. ined. dellTnst. X, 45, 3
[oben Taf. 2, 2] veröffentlichte, bemerken, geht indeß immer noch nicht so weit,
wie z. B. der Künstler eines vatikanischen Marmorkopfes ging (Gall. dei busti
Nr. 316 [Amelung, Vatican II, Taf. 72]).
Als Grundform des Kopfes können wir auch hier wie in jener Bronze3 das
Vorspringen des Oberkiefers betrachten, was übrigens hier noch mehr pronon-
ciert ist als dort, indem derselbe auch über die Nasenspitze etwas heraustritt.
Damit hängt auch die tierischere Gestaltung der Nase zusammen, deren Spitze
weit herabgeht, während die Flügel mit den Nasenlöchern hoch heraufgezogen
sind und zurücktreten wie bei der Ziege. Verstärkt und festgehalten wird diese
nach der Mitte herausdrängende Richtung zunächst in der oberen Gesichtshälfte,
ndem ein dicker Haarschopf in die Stirne hereinwächst bis nahe an die Nasen-
wurzel herunter, wo sich wieder die dem Zuge jenes Schopfes folgenden hoch-
geschwungnen Augenbrauen treffen. Auf diese Art wird die eigentlich mensch-
liche Stirne, die in der Dresdner Maske noch bedeutsam entwickelt ist, hier fast
völlig negiert. Der dominierende Punkt des Untergesichtes ist das nackte Kinn
selbst, nicht wie an der Bronze die Bartspitze; denn wie bei der Ziege beginnt
hier der Bart erst weiter hinten und der Unterkiefer weicht nicht zurück wie dort,
sondern reicht fast soweit heraus wie die Nasenspitze. — Daß unser Künstler
Revier, in dem sie gefunden ward, ist nahe beim Stadion in südöstlicher
Richtung davon entfernt und heißt MayxQ&ri (wo das anlautende ,u offenbar älteres n vertritt.
7 Die Hohe da BOste beträgt 0,15. Der Abbildung liegt eine Zeichnung von Herrn
Architekten Friedrich Thicrsch zu Grunde [Umgezeichnet von K. Reichhold].
1 Vgl. Annali dclllnst. 1877 S. 243 ff. [oben S. 180 K.J.
Büste Pans in Terracotta. 187
indeß an rechter Stelle auch von der Natur abzuweichen versteht, zeigt der Bart
selbst, indem er nicht wie beim Ziegengeschlechte in einem nach vorn sich
krümmenden Busche wächst, sondern vielmehr nach hinten gegen den Hals sich
zurücklegt; durch ersteres wäre das Ganze zu tierisch und dadurch niedrig komisch
geworden.
An diese hervortretenden mittleren Gesichtsteile schließen sich nun zurück-
weichend die der beiden Seiten an, und zwar entsprechen sich die Ansätze der
Hörner, die Ansätze des Schnurrbarts und endlich zwei eingetiefte Punkte unter
den Mundwinkeln, die das Kinn scharf vorspringen lassen. Was den Schnurrbart
betrifft, so läßt er die ganze Oberlippe frei, was in ungleich geringerem Grade
auch schon an jener Bronze der Fall ist; hier muß er der durchaus abweichenden
Bildung der Nase folgen und setzt daher hoch oben gleich unter den Nasen-
löchern ein. So entsteht ein ungewöhnlich großer leerer Raum auf der Ober-
lippe, den der Künstler durch die Anbringung zweier Warzen zu füllen gesucht
hat; eine ähnliche brachte er weiter unten auf dem nackten Kinne an. — Während
alle bisher hervorgehobnen Unterschiede unsrer Büste von jener Bronze ein
stärkeres Hervorheben des tierischen Elementes bezwecken, ist dies mit den
Hörnern nicht der Fall. Sie sind nicht lang und heraustretend, wie in der Natur
und in jener Bronze, sondern, wie es hier wohl technisch durch das gebrechliche
Material angezeigt war, kurz und anliegend, ja von dem dicken Haarwulste sich
wenig unterscheidend. Mit dieser Gestaltung der Hörner hängt auch die der 157
Haare zusammen; dieselben umgeben in einem einfachen Wulste, wie er im all-
gemeinen den älteren Typen eigentümlich ist, vorne den Kopf, von dem in die
Stirne vorwachsenden Schöpfe regelmäßig nach den Seiten zurückweichend, und
reichen auch hinten im Nacken in Gestalt voller dicker Locken bis zum Ansätze
des Rückens.1
Das Gewandstück, das auf der linken Schulter geknöpft scheint, ist nicht
deutlich genug charakterisiert, um es als Fell zu erkennen, als welches es ur-
sprünglich doch wohl gedacht war.2 Um so deutlicher hat der Künstler sich
ausgedrückt, indem er an der Basis in Relief eine Syrinx (von neun ungleichen
Röhren), das gewöhnlichste Attribut des Pan, anbrachte.
Die Büste ist aus einem roten und feinen Tone geformt, der gegenwärtig
noch großenteils mit einer dünnen Erdkruste bedeckt ist; von einem weißen
Überzuge oder von Farbresten konnte ich nichts entdecken.
Vergleichen wir den Kopf mit andern attischen Terrakotten, so weicht er in
der Art der Arbeit von denen des vierten Jahrhunderts allerdings beträchtlich
ab; es ist alles etwas gröber und voller; an den Haaren ist nach dem Formen
1 Von einem Kranze oder Binde ist nichts zu bemerken, obwohl der vordere etwas
absetzende Haarwulst etwas derartiges voraussetzen ließe.
2 Zur Anordnung desselben auf der Brust der Büste vgl. z. B. die Bronzebüste eines
jugendlichen Satyrs bei Caylus, Rec. d'ant. III, 43, 4.
Büste Pans in Tekracotta.
kaum etwas nachmodelliert; sie sind in größeren Partien geformt als an älteren
Terrakotten, aber gleichwohl in den Hauptsachen scharf und nirgend vernach-
lässigt. Beachten wir ferner die Augen mit ihren scharfen Lidrändern und den
flachen Augäpfeln, so werden wir, wenn auch einerseits der ganze Charakter
des Werks, der das Tierische so stark betonende Typus des Pan und auch schon
jene spätere Form derSyrinx1 uns in eine jüngere Zeit weist als das vierte und
wohl auch dritte Jahrhundert, doch andrerseits nicht unter das zweite oder erste
f. Chr. herabgehen wollen. Es fragt sich nur, ob die Büstenform sich mit
dieser Ansetzung vereinigen läßt.
Unser Monument hat nämlich die Form der vollkommen entwickelten Büste,
d. h. mit Bruststück und Armansätzen; ja es ist sogar etwas Bewegung in diesen
Teilen, indem der linke Arm etwas zurückgebogen und die linke Schulter etwas
gehoben erscheint. Ein schmaler Streif, der indeß noch nicht wie bei den
römischen Büsten als Inschrifttäfelchen gestaltet ist, verbindet die Brust mit der
runden Basis. Daß letztere mit Relief geziert ist, dürfte eine ziemlich einzeln
stehende Eigentümlichkeit sein, mit der sich zunächst vergleichen läßt das Relief
auf dem viereckigen Täfelchen unter dem Bruststücke einer römischen, wohl noch
der letzten republikanischen Zeit angehörigen Büste (Arch. Zeit. 1875 Taf. 3
[Österr. Jahresh. X, 153]). — Ich glaube nun in der Tat, daß man die Büsten-
form mindestens im 2. Jahrh. als bekannt voraussetzen muß. Mit Recht hat
Heibig (Untersuch, über d. Camp. Wandm. S. 40) darauf hingewiesen, daß auf
den Münzen die große für die ganze Folgezeit bleibende Veränderung, zu dem
bloßen Kopfe auch einen Teil der Brust hinzuzufügen, bereits in der Diadochen-
periode eintritt. Namentlich sind es die Ptolemäermünzen, die hierin eine sich
steigernde Entwicklung bieten, und von denen bereits die des Ptolemäus IV ein
volles Bruststück mit Gewand auf den Schultern hinzufügen.2 Daß diese Um-
gestaltung mit dem Aufkommen der Büste in der Plastik zusammenhängt, ja
letztere bereits voraussetzt, scheint mir nicht zweifelhaft. [Anders Furtwängler,
Antike Gemmen III, S. 162.] Wollte man einwenden, daß jene Münzen (ebenso
wie der berühmte sog. Cameo des Philadelphos und der Arsinoe [Furtwängler,
Ant. Gemmen 53, 2]) gerade eine Eigentümlichkeit der plastischen Büste, nämlich
den hinten ausgeschnittnen Rücken nicht zur Anschauung bringen, so hängt das
mit dem Münzstile zusammen und findet sich in der Regel ebensowenig bei
den Münzen der römischen Kaiser.
Nach Heibig (a. a. O.) wurde eine aus einem Akanthuskranze herauswachsende
weibliche Büste in einem Canosiner Grabe mit späten bemalten Vasen zusammen-
gefunden, was für die Existenz der Büste in jener Zeit unwiderleglich beweisen
1 Vgl. Annali 1877 S. 21 1 |obcn S. 157J.
* Gute Abbildungen in der Wiener Zeitschr. für Numism. 1869 Taf. 1,5—7; Ptole-
V ebenda 1870 Taf. 6.
Büste Paks in Terracotta. 189
würde.1 Indeß kann dies nur ein vereinzeltes Beispiel gewesen sein, da Büsten
im allgemeinen unter den Terrakotten jener Gräber nicht vorkommen. Büsten
in gebranntem Tone sind jedoch überhaupt sehr selten; es mag dies damit zu-
sammenhängen, daß das ursprüngliche und für die Büste geeignetste Material
die Bronze war (vgl. Heibig a. a. O. S. 41) und daß die Form in der Regel nur
für Porträts verwendet wurde. Deshalb wird auch unser Pan nicht in die
ersten Anfänge der Geschichte der Büste gehören; eine nahe Analogie findet er
in der großen Marmorbüste des Silen im Vatikan, die sich, eben in der Büsten-
form, ebenfalls nur zum Ziele setzt, den tierischen Charakter jenes dem Schweine
verwandten Wesens zum Ausdrucke zu bringen (Visconti, Mus. Pio-Cl. VI, 9, 1
[Amelung, Vatican II Taf. 72 Nr. 321] und der Arbeit nach wohl noch dem Ende
der Diadochenperiode angehören kann. Die oben angedeuteten Umstände mögen
auch die Ursache gewesen sein, daß uns die Büsten der Diadochenperiode so
fast gänzlich verloren gegangen sind.
Was Terrakottabüsten betrifft, so sind mir wenigstens aus griechischen
Sammlungen keine bekannt;2 auch unter den doch der späteren hellenistischen
Epoche angehörigen zahlreichen jüngst aus Kleinasien bekannt gewordenen
Terrakotten scheinen sich eigentliche Büsten nicht zu befinden.3 In Bronze da- 160
gegen hat die Büstenform, und eben für ideale Gegenstände, nicht Porträts, eine
sehr ausgiebige Verwendung gefunden in der dekorativen Industrie der römischen
Epoche, als aufgeheftete Zierat an Geräten aller Art, als Hängegewichte und dgl.
Eingehendere Untersuchungen, die überhaupt das hier nur flüchtig berührte
Gebiet der Geschichte der Büste in hohem Grade verdiente, würden vielleicht
feststellen, ob auch hier vorrömische Vorbilder zu Grunde lagen oder nicht. Für
jetzt genüge es, uns von dem Werte überzeugt zu haben, welchen die hier ver-
öffentlichte Büste nicht nur durch ihren Gegenstand hat, sondern auch durch ihr
Material und ihre wahrscheinliche Entstehungszeit.
1 [Die Canosiner Büste, jetzt im Brit. Mus. ist abgeb. E. Hübner, 33. Berliner Winckel-
mannsprogr. Taf. 3, 6 S. 22.] Die ebenda S. 40 Anm. 2 genannte attische Grabstele [Ame-
lung, Vatican I Taf. 30, 198, vgl. Hübner a. a. O. S. 17, 1] gehört nicht hieher. Der
ferner dort besprochne Kopf in Villa Borghese ist nicht mit Sicherheit zu verwenden,
da es nicht feststeht, ob Büste und Kopf ursprünglich zusammengehören.
2 Es ist natürlich nur von eigentlichen Büsten im engern Sinne die Rede; häufig
sind bekanntlich größere Brustbilder archaischen Stiles, meist aus Böotien und Lokris
stammend (vgl. ein Beispiel in Mon. grecs de l'assoc. des etudes gr. 1873 Taf. II), die den
Körper gewöhnlich bis zum Bauche geben und ohne Rückseite sind; auch solche, die
bloß Kopf und Hals geben, und einzeln zum Aufsetzen gearbeitete Köpfe kommen vor,
gehören aber nicht hieher.
3 Vor Zeiten hat Caylus in seinem Recueil d'ant. einige abgebildet; so eine offen-
bar sehr hübsche und noch griechische Büste aus Sizilien Bd. III, Taf. 60, 2, die noch
einen weißen Überzug und Farbreste tragen soll; es ist ein pathetischer Jünglingskopf;
die Basis fehlt. Ferner Bd. V Taf. 38, 3 eine Frauenbüste aus Corneto, VII, 54, 4 eine
aus Veleia, III, 92, 1 eine aus Nismes, eine Frau mit Kalathus, die Büste auf runder Basis
— die letzteren alle, wie es scheint, aus guter römischer Zeit und keine ein Porträt.
DER SATYR AUS PERQAMON
VIERZIGSTES PROGRAMM ZUM WINCKELMANNSFESTE
DER ARCH/EOLOGISCHEN GESELLSCHAFT ZU BERLIN, 1880
[Tafel 4—6]
aune Satyrn Silene Pane — wie kreuzen und vermischen sich die Vor-
stellungen von dieser lustigen Schar, nicht nur bei uns, sondern teil-
weise schon bei den Alten! Wie schwanken und wechseln jene Be-
zeichnungen, während die künstlerischen Typen selbst sich so einfach und klar
scheiden und in so deutlicher Stufenfolge entwickeln. — Winckelmann, dessen
Erinnerung diese Blätter gewidmet sein sollen, hatte, obwohl er sich um die
Benennung nicht eben viel Sorge machte, mit gesundem Blicke nicht nur die
Haupttypen, die in seinem beschränkten Materiale, den römischen Statuen und
Reliefs vorkamen, erkannt und geschieden, sondern auf dieselben auch die Namen
Pan, jugendliche Satyrn und ältere Silene im wesentlichen richtig verteilt.1 Um
so auffallender ist die anderwärts begegnende Verwirrung; unter „Satyrn" z. B.
verstand man allgemein nur bocksfüßige Wesen, während die Satyrn selbst Faune
hießen.-' Obwohl uns gegenwärtig ein unvergleichlich größeres Material vor-
liegt, von dem Winckelmann nichts ahnte, sind doch die Hauptfragen, die Unter-
scheidung von jugendlichem Pan und Satyrn, von Satyrn und Silenen noch bis
heute viel umstritten. Die Schuld der ungenügenden Lösung derselben lag freilich
4 meist in der falschen Stellung der Fragen, indem man nach theoretischen, all-
gemein durchführbaren statt nach historischen, von Zeit und Ort bedingten
Unterscheidungen forschte. Und doch gibt es kaum ein bunteres farbenreicheres
Blatt in der Geschichte der Entwickelung griechischer Idealtypen als das jener
munteren Wesen. Eine lange reiche Entwickelung rollt sich vor uns auf — von
jenen hochaltertümlichen Silenen, den wilden rohen Wald- und Wasserdämonen,
die mit Hufen, mit Schwanz und Ohren der Pferde hüpfen und tanzen, Nymphen
rauben und entführen, bis zu den zarten schwärmerisch versunknen jugendlichen
Satyrn voll Grazie und Anmut, und von da wieder zu den bäurisch derben
frechen jungen Burschen. Einige Skizzen zur genauem Behandlung jener Ge-
schichte, die mannigfaltiger und interessanter ist als die der meisten höhern
Göttertypen, habe ich schon vor einigen Jahren versucht;3 dieselben hier aus-
1 Winckclmanns Werke, herausgegeben von H. Meyer und J. Schulze. Dresden 1811.
lid. IV. 7511 VI 2,231.
ttnds lid. IV, 284 Anmcrk. von IL Meyer und J. Schulze.
nnall delT Inst 1877, 184-245 und 117 •ISO [oben S. 131 ff. u. 182 ff.|.
Der Satyr aus Pfrgamon. 191
zuführen, zu berichtigen, zu erweitern, so wie es der Gegenstand verlangte,
verbietet leider Raum und Zweck dieser Schrift. Nur zwei schöne Monumente,
beides neue Erwerbungen der Königl. Museen in Berlin, beide in jenen Zusammen-
hang gehörig, sollen hier ausführlicher besprochen und in denselben eingereiht
werden.
Weitaus den ersten Rang nimmt die Bronzestatuette ein, welche unsere erste
Tafel [Taf. 4] in Radierung von C. L. Becker in Originalgröße wiedergibt,1 und die
in der Tat nicht zu dem geringsten gehört, was uns die so glücklichen Grabungen
in Pergamon geliefert. Hier bedarf es keines längern Sichhereinversenkens, ein
Blick genügt, um das so momentan und packend gefaßte Motiv zu verstehen.
Der jugendliche Satyr prallt plötzlich zurück, der ganze Körper ist in Spannung,
er steht mit beiden Füßen nur auf den Zehen; mit der Rechten aber holt er
aus zu einem kräftigen Schlage. Indeß brauchen wir nicht um ihn besorgt zu
sein; das Tier, das ihn angreift, sei es eine Schlange des Waldes, die gegen ihn
züngelt, oder sei es gar nur der Hund eines Hirten der den umherstreifenden
Gesellen anbellt, das Tier ist jedenfalls im Ernste nicht gefährlich; denn der 5
Grundton im Gesichte unsres Satyrs ist eine unverwüstliche Heiterkeit. Eine
bei Plinius erhaltene epigrammatische Schilderung des von Parrhasios gemalten
Demos der Athener rühmt, daß im Gesichte desselben die verschiedensten Eigen-
schaften, wie Zornmut und Milde, Hoheit und Niedrigkeit usw. vereinigt Aus-
druck gefunden hätten. Ähnliches können wir vom Gesichte unsres Satyrs sagen.
Oder malt sich hier nicht gleich deutlich die Frechheit des durchtriebenen Schelms,
dem wir alles zutrauen und die Feigheit des niedern Burschen, ferner eine ge-
wisse zügellose Wildheit, die mutwillig alle Ordnung umkehren möchte und zu-
gleich doch eine Harmlosigkeit und Gutmütigkeit, die uns dem Nichtsnutzigen
nicht gram werden läßt, indem wir bedenken, daß er ein richtiger Sprößling aus
dem yevog ovnöavc7)v Zazvgcov neu äjj.)]yavoEQyaiv. — Kurz der Kopf unsrer
Figur dankt seinen Ursprung einem Wurfe wie er genialer kaum gedacht werden
kann; auch wüßte ich ihm unter den so zahlreichen Monumenten absolut nichts
an die Seite zu stellen. — Sein Typus im allgemeinen reiht sich unter die „bäu-
rischen" jugendlichen Satyrn ein; relativ am nächsten steht ihm eine in Marmor
nicht seltene Gattung von Köpfen mit gutmütig zum Lachen breit verzognen
Munde, wobei die Zähne sichtbar werden;'- was aber hier meist nur lahmes
Grinsen ist, das ist dort packendes Leben. Die Nase unsres Kopfes ist mehr
als sonst kurz, eingeknickt und vorne breitgequetscht, das lange Spitzohr eben-
1 [Darnach unsere Taf. 4 in Lichtdruck.]
2 Zwei nicht bedeutende Exemplare im Berliner Museum Nr. 132 und 199 (Gerh.)
[Beschr. d. ant. Skulpt. 269 u. 270]; anderwärts oft, z. B. im Capitol. Mus. Galler. Nr. 25;
im Museo Torlonia in Rom Nr. 110 und 114. — Dieser Typus scheint bei der Etymologie
vorgeschwebt zu haben, die wir bei Aelian, Var. hist. III, 40 lesen: SaxvQtn de ö.to tw
oeoi]gerai.
192 Der Satyr aus Pergamon.
falls stark tierisch, die Haare kurz und struppig, vorne etwas aufgesträubt, ohne
Kranz oder Binde. Die Ausführung des Körpers gibt dem Kopfe wenig nach;
er ist kräftig, doch schlank, mager, sehnig, namentlich an den Beinen, die fast
allen Fettes ermangeln, wo der Wadenmuskel fast zu hart sich abgrenzt und am
linken Oberschenkel die Austiefung zwischen der Gruppe der Anzieher und den
6 großen Schenkelmuskeln etwas zu stark geraten ist. Dafür ist die umhüllende
zarte obere Fettschicht und Haut am Oberkörper wundervoll lebendig zum Aus-
druck gekommen. Während die Beine den hüpfenden Springer zeigen, verrät
die leise trotz der Anspannung deutliche Fülle des Bauches unter dem weich
und tief eingesenkten Nabel den lustigen Schlemmer. Doch am schönsten ist
der Übergang von Bauch und Brust in seiner lebensvollen Zartheit; letztere selbst
ist kräftig und zeigt jenes auf den Pergamenischen Reliefs besonders übliche
starke Hervortreten des Handgriffs oben am Brustbein. In der erhobenen rechten
Hand ist die Höhlung für einen senkrecht niedergehenden runden Stab erhalten,
der besonders gearbeitet war, während im übrigen die ganze Figur mit den
Extremitäten in einem Stücke massiv gegossen ist. Die Waffe, die nur kurz
gewesen sein kann, war ohne Zweifel das Pedum oder Lagobolon. Der linke
Oberarm ist zwar zu lang, doch fällt dies für die Gesamtwirkung nicht auf, für
welche diese Abweichung geradezu berechnet scheint. Vom Arme fällt ein
Pantherfell herab, das einen malerischen Hintergrund gibt und den Raum zwischen
den Beinen passend füllt; dasselbe ist in seinen einzelnen Haaren sorgfältig
ziseliert. Die linke Hand hält die Syrinx. Der Figur fehlt die Basis; die in der
Abbildung angedeutete ist modern. Der rechte Fuß ist etwas nach innen ver-
dreht, was bei dem Mangel der Basis leicht geschehen konnte. Da die ganz
erhaltenen Zehen keinerlei Ansatzspur zeigen, so saß die Figur auch im Alter-
tum nie fest auf einer Basis; sie war vielmehr mittelst eines noch auf der Rück-
seite des Felles erhaltenen längeren Kupferstiftes an eine glatte gerade Rückwand
befestigt; das Pantherfell und die Hand mit der Syrinx bilden deshalb hinten
eine glatte Anschlußfläche, während der übrige Körper indeß auch hinten sorg-
fältig rund ausgearbeitet ist; nur den doch nicht sichtbaren Satyrschwanz ließ
der Künstler weg. Nahe liegt die Vermutung, daß auf jener Rückwand, sei es
die Wand eines Kastens oder andern Gerätes, noch mehrere Figuren, vor allem
der Gegner des Satyrs gebildet war. Gegen letzteres spricht jedoch das starke
7 Herausspringen der Figur; das Tier müßte ebenfalls, um überhaupt von dem
ausholenden Arme des Satyrs getroffen werden zu können, bedeutend aus der
Fläche herausspringen, während es doch als Angreifer direkt gegen den Satyr
gerichtet sein mußte. Vielleicht war also der Gegner unsrer Phantasie überlassen.
Die Befestigung an eine gerade Fläche und den Mangel einer Basis finden wir
übrigens ganz ebenso an einer Bronzegruppe des Theseus und Minotauros,1 die
i/.c, 'iH. Berliner Winckelmanns-I'ro^ramm 1878.
Der Satyr aus Pergamon. 193
ebenfalls aus Kleinasien und ungefähr wohl auch aus derselben Zeit stammt. —
Die Erhaltung unsrer Figur ist zwar im ganzen sehr gut, doch wird die Fein-
heit der Formen und die scharfe Ziselierung vielfach von der körnigen Patina
überwuchert.
Die Zeitbestimmung der Statuette im allgemeinen kann nicht zweifelhaft
sein. Auch sie wird der Höhe der Kunstblüte in Pergamon, dem 3. oder 2. Jahr-
hundert v. Chr. angehören. Daß sie nicht wesentlich später falle, dafür bürgt uns vor
allem die eminente Frische und Genialität der Arbeit; dann aber auch etwas
rein äußerliches, die Form der Syrinx, deren sieben Röhren noch fast ganz gleich
lang gebildet sind; denn dies ist die ältere Form, die mit dem Beginne der
griechisch-römischen Zeit verdrängt wird von der unten ausgeschnittenen Gestalt
mit ungleichen Röhren.1 Daß die Figur andrerseits nicht älter sei, das wird, wie
wir des Nähern noch ausführen werden, durch den bäurischen Typus des Satyrs
und die Übertragung von Syrinx und Pedum auf ihn hinlänglich erwiesen. Dazu
kommt, daß der gesamte stilistische Charakter den großen Pergamenischen
Reliefs nicht unwesentlich verwandt erscheint. Wir haben hier wie dort die stark
hervortretende Trennung der Muskelpartien und doch die weiche naturalistische
Behandlung der Oberfläche und am Rumpfe besonders das Streben nach mög-
lichst mannigfaltig gebrochenen Linien, sowie endlich den gewaltigen Schwung
der Bewegung. — Auch darf man erwähnen, daß die Figur im Schutte eines
hellenistischen Hauses in Pergamon, südöstlich vom Altarplatze gefunden ward; daß
sie einst dem Schmucke jenes Hauses oder eines Gerätes in demselben diente, 8
ist eine naheliegende Möglichkeit. Für den besondern Charakter des Kopfes
aber, für den Geist, in dem er erfunden und ausgeführt ist, weiß ich augen-
blicklich nichts zu nennen was ihm innerlich verwandter wäre als der Kopf des
einst Castellanischen jetzt im British Museum befindlichen Dornausziehers.2 Hier
wie dort dieselbe geniale Art, den momentanen Ausdruck der beidemale lebhaft
erregten derben Burschen wiederzugeben; hier wie dort trotz des verschiedenen
Gegenstandes eine Tendenz zum Niedern, Bäurischen; auch der Dornzieher hat
eine stumpfe im Winkel vorspringende Nase. Hier wie dort ist der Augapfel
selbst ganz flach3 gehalten, dagegen springen die Augenlider stark vor und ist
namentlich das obere Lid an beiden in gleicher und durchaus ungewöhnlicher
Weise stark entwickelt. Die von den meisten vertretene Ansicht, daß jener
Dornauszieher Pergamenischer Kunstrichtung angehöre, erfährt hierdurch eine
Bestätigung; ja man darf die Werke wohl in die nächste Schulgemeinschaft setzen.
Es ist ein mehrfach erörterter Streitpunkt, ob die Komposition an jenem
1 Siehe die Nachweise in meinem oben zitierten Aufsatze Ann. 1877, 214 ff. [oben
S. 157 ff.].
2 Ich kenne denselben leider allerdings nur aus den Abbildungen (Annali d. I. 1876,
Taf. N; Mon. d. Inst. X, 30. Arch. Ztg. 1879 Taf. 2 und 3. [Brit. Mus. 1755]).
3 Der Augenstern ist an unserm Satyr durch ein kleines eingebohrtes Loch bezeichnet.
A. Furtwängler. Kleine Schriften. I. 1"
]04 Der Satyr aus Pergamon.
Dornauszieher auch die originale Erfindung der Zeit sei, welcher wir ihn zu-
schreiben. Dieselbe Frage können wir für unsern Satyr ziemlich sicher mit
Nein beantworten.
Eine halblebensgroße Marmorstatue in London ' zeigt den von seinen
wütenden Hunden angegriffenen Aktäon in genau demselben Motive wie unsern
Satyr; die Abweichungen erklären sich einfach daraus, daß der letztere an eine
Rückwand befestigt war; deshalb mußte der linke Arm des Satyrs nicht nach
vorn, sondern nach der Seite ausgestreckt werden, deshalb ist hier auch das
linke Bein mehr nach außen gestellt und deshalb auch im Knie weniger ein-
9 gebogen, so daß die Last des Körpers auf ihm nicht allein ruht. Im übrigen
sind die Übereinstimmungen so groß, daß ein abhängiges Verhältnis der beiden
Figuren notwendig anzunehmen ist. Das Pantherfell, das beiden vom linken
Arme herabhängt, fällt bei der Bronze zwischen die Beine, wieder wegen der
Rückwand und weil hier weder unten der Hund, noch die Stütze an der Seite
vorhanden sind. — Das ältere Original für diese beiden Figuren indeß — ist
nichts andres als der Marsyas von Myron, der zurückprallt vor der drohenden
Bewegung der Athena,2 die Rechte über den Kopf erhebt, doch die Flöten am
Boden mit lüsternem Blicke betrachtet. Der Aktäon stimmt so genau mit dem
Marsyas,3 daß die Annahme eines Zufalles nicht für diejenigen allein ausgeschlossen
bleibt, die wissen wie einmal erfundene Motive im Altertum durch stete Tradition
sich verbreiten und neue Benutzung erfahren. Myron also ist der Erfinder dieses
so recht in seiner Richtung liegenden momentanen Motivs des plötzlichen Zurück-
schreckens. Während der Marsyas indeß die Rechte nur aus Schreck und Er-
staunen erhebt, so tut es Aktäon um zu einem wuchtigen Schlage gegen die
wilde Meute auszuholen und ganz dasselbe tut unser Satyr. Die Frage, welches
der beiden letztern Werke zuerst von dem des Myron abgeleitet sei, läßt sich
nun einfach entscheiden; denn es ist klar, daß die Umbildung des ursprünglichen
Motivs zu einem Hauen gegen einen Angreifer eben nur aus der Umdeutung
zu Aktäon, nicht aber zu einem Satyr zu erklären ist; denn für letztern ist die
Verteidigung gegen ein Tier etwas durchaus Ungewöhnliches, das in seinem
Charakter und seiner Lebensweise nicht begründet ist. Niemals wurden Satyrn
als Jäger gedacht; sie spielen nur zuweilen mit dem Panther oder dem Hasen
10 als befreundeten Tieren oder haschen den letztern in scherzhafter Weise.* Unser
1 Ancient marbles of the Brit. Mus. II, 45, [Cat. of Sculpture 1568], Friederichs,
Bausteine Nr. 101, [I'riederichs-Wolters 457].
1 Nach der wohl richtigen Auffassung E. Petersens Arch. Ztg. 1880, S. 25; unmöglich
kann ich indessen zugleich ein Tanzmotiv darin erkennen, [österr. Jahresh. XII, 154.]
* Ungleich weniger treu gibt das Motiv die in einer Bronzestatue vorliegende spätere
Umbildung des Marsyas wieder (Arch. Ztg. 1879 Taf. 8 [Cat. of Bronzes in the Brit.
Mus. 269T}.
4 So In^hirami, Mus. Chilis. Taf. 206, 207. Vgl. was Stephani CR. 1862, S. 62 ff. 1867
nmensteUL
Der Satyr aus Pergamon. 195
Motiv ist also vom Aktäon erst auf den Satyr übergegangen. Doch sehr viel
älter scheint die Erfindung des Aktäon nicht zu sein. Das Londoner Marmor-
exemplar ist allerdings gering, doch läßt es erkennen, daß die altertümliche
Formenhärte des Myronischen Originales durchaus in die spätere Weise übersetzt
war.1 Der Kopf ist bekanntlich fremd und die Hörner modern. Friederichs
(Bausteine Nr. 101) wollte jenen nach einem Cameo des Brit. Mus. ergänzen und
gründete darauf die Behauptung, das Original der Statue habe noch in die Zeit des
strengen Stiles des 5. Jahrhunderts gehört. In jenem Cameo, den Friederichs als
„herrlich" preist, kann ich indeß nur ein schwaches, leblos glattes, modernes
Machwerk erkennen.2 Geeigneter zu einer Zeitbestimmung scheint die folgende
Erwägung. Während nämlich auf den mehrfachen Darstellungen von Aktäons
Tode in der altem Kunst sowie in der spätem unteritalischen Vasenmalerei nie-
mals das Motiv unsrer Statue erscheint,3 so ist das letztere hingegen das durchaus
gewöhnliche auf den Pompeianischen Wandbildern;4 dieselben zeigen überdies n
sicher, daß man in die rechte Hand der Statue das Pedum zu ergänzen hat;
auf dem linken Arme pflegt auch hier das Fell zu flattern, nur als Tracht des
Jägers natürlich. Es ist demnach das wahrscheinlichste, daß das Motiv des
Marsyas erst in hellenistischer Zeit auf Aktäon übertragen wurde, wo es sich,
1 Nur ein Detail wie die sonst weniger übliche dreieckige Gestalt der in der Mitte
heraufwachsenden pubes scheint am Marsyas Aktäon und Satyr nicht zufällig gleich zu sein.
2 Ich kenne ihn aus demselben Abgüsse, den Fr. zitiert; der (offenbar nicht fragmen-
tierte) Stein zeigt nur die Büste bis untei die Brust; die Nebris ist wie auf der Statue
umgeknüpft; der Kopf indeß ist sichtlich dem Aktäon der Selinuntischen Metope nachgeahmt.
Die erhobene Rechte ist ohne Waffe, die der Fälscher nicht zu ergänzen wagte. [Vgl.
Catalogue of engraved Gems in the British Museum 776 „Cameo, fragment". Abgeb.
nach Abguß: Wieseler, Denkm. a. K.3 II Taf. 17, 186a.]
3 Vgl. über Aktäondarstellungen Benndorf, Met. v. Selinunt S. 56 ff. und das da-
selbst Zitierte. [Bolte, De mon. ad Odysseam pertinentibus S. 44, 94. Robert, Sarko-
phag-Reliefs III, 1 S. 1.] Die älteste ist auf einer sehr altertümlichen Schale (Elite ceram.
II, 103 C), wo Akt. im archaischen Laufschema und ganz nackt erscheint. In ein Knie
gesunken zeigt ihn dagegen schon der streng rotfigurige Stil, wo noch jede Andeutung
der Verwandlung fehlt (Elite cer. II, 99; Mus. Campana, Catal. IV, 781, Zeichnung beim
römischen Institut) und ebenso ist er später auf den Unteritalischen Vasen, wo indeß
Hörner aus dem Haupte sprießen. Vereinzelt ist die der Version des Stesichoros fol-
gende Metope von Selinunt.
4 Die Komposition ist besonders beliebt in der altern Gruppe der Pomp. Bilder, dem
von Mau sog. 3. Stile, der meist hellenistischen Vorbildern ziemlich getreu zu folgen
scheint. Diesem Stile gehören von den bei Heibig aufgezählten Nr. 249. 251. 252, und
von den bei Sogliano nachgetragenen Nr. 115. 116. 118 an. Helb. 252b ist sogar ein Bild
des zweiten Stiles. Besonders deutlich ist unser Motiv in Heibig, Atlas Taf. 8 und in
Helb. Nr. 251, das von H. vergeblich im Museum gesucht wurde; doch habe ich das
treffliche und wohlerhaltene Bild III. Stiles in den Magazinen wiedergefunden; die Gestalt
des von oben herabspähenden Aktäon ist in den bisherigen Beschreibungen übersehen
worden. Das Bild gehört also zu denen, welche die zwei verschiedenen Szenen ver-
einigen.
13*
Der Satyr aus Pergamon.
wie die Nachbildungen in den Wandgemälden vermuten lassen, großer Beliebtheit
erfreute und gelegentlich, wie unsre Bronze lehrt, auch einem Satyr verliehen
wurde.
Was man früher für höchst unwahrscheinlich halten mochte, daß die
hellenistische Kunst ein älteres Motiv übernommen und nach ihrer Weise neu
staltet habe,1 sehen wir hier in einem sichern Beispiele, das auch für andere
Fälle lehrreich ist. Welchen ich vor allen meine, ist denjenigen nicht unbekannt,
die der Frage nach den Dornauszieher-Statuen näher stehen. Oder wird man es
noch unmöglich finden, daß der derb bäurische Junge der Castellanischen Figur,
ebenso wie unser ihm so nah verwandter Satyr, die geniale Umbildung eines
altern, Myronischen Motivs sei, dessen bestes Exemplar (schwerlich das Original)
die Capitolinische Bronze wäre? Aus der unmittelbar packenden realistischen
Gestalt sollte man später jenes gebundene, dem Kreise des niedern aber er-
greifenden Lebens entrückte Bild geschaffen haben? Man tat wohl diesen an-
geblichen Vorgang in den mystischen Schleier Pasitelischer Schule zu hüllen.
[Vgl. Furtwängler, Meisterwerke S. 685.] Wir halten uns an die nachweisbare
Entwickelung, wonach die Übersetzung idealer allgemeiner Fassung in realistische
und speziell in ländlich-bäurische gerade der hellenistischen Kunst eigen ist.2
12 Wir können diese Umbildung an dem ganzen Geschlechte der Satyrn nach-
weisen; besonders deutlich und durch mehrere Stadien aber läßt sie sich an der
Gruppe von Statuen verfolgen, welcher die auf unsrer zweiten Tafel [Taf. 5]
wiedergegebene angehört.
Es ist dies eine der letzten Erwerbungen des Berliner Museums, leider zwar
ohne Kopf und Arme, doch durch ihre treffliche frische Ausführung alle ähn-
lichen Statuen überragend. Die wohl erhaltene Figur aus Parischem Marmor, in
wenig mehr als halber Lebensgröße gebildet,3 stellt einen Satyr dar, kenntlich
1 Annali 1876, 133 (C. Robert).
1 Ganz dasselbe tat mit dem Dornauszieher auch die Kunst der Renaissance: eine
Handzeichnung in Florenz (unter den „ignoti", wohl Anfang 16. Jahrh.) gibt die Statue
ähnlich dem Castellanischen Exemplare mit kräftigern Formen, losem Haare und Stumpf-
nase wieder. — In Gedanken ferner pflegte man früher fast allgemein die Capitolinische
Brom« unwillkürlich sich in ein Genrebild im modernen Sinne umzubilden; natürlich daß
man, als die Castellanische Figur gefunden war, diese, die jener langgehegten Vorstellung
. iel mehr entsprach, für das Original zu halten geneigt war. — Die übrigen antiken
Wiederholungen in Marmor schließen sich bekanntlich der Bronze an, doch so daß sie
deren altertümlichen Charakter erweichen und verflachen: wenn man also gerade an
diesem Charakter keinen Gefallen fand, weshalb sollte man die freie lebendige Castel-
lanische Iigur nicht kopiert haben — wenn letztere das Original war?
1 Hohe 0,985 ohne die Plinthe. Ergänzt ist die ganze Plinthe, der ganze rechte
Fuß, die vordere H;ilftc des linken, ein Stück des 1. Unterschenkels über dem Knöchel
und ein Stück von der Außenseite der 1. Wade. Gebrochen über dem 1. Knie und unter
dem r. Knie. An der Außenseite des 1. Gesäßes ist ein länglicher Ansatz erhalten für
die die jetzt in Gips als Baumstamm restauriert worden Ist. Es fehlen der Kopf,
Der Satyr aus Pergamon. 197
an dem kleinen Schwänzchen hinten im Kreuz, zwar noch von großer Jugend
(ohne pubes) doch schon von straffen sehnigen Formen. Tanzend hüpft er
einher, beide Füße auf die Spitzen der Zehen gehoben und den einen zierlich
vor den andern setzend. Doch während die Beine in angestrengter Spannung
ganz gerade emporschießen, so zeigt der Oberkörper reizvolle Bewegung, indem
er sich nicht nur nach seiner Linken herabneigt, sondern sich nach derselben
Seite hin auch etwas dreht. Der Kopf war nach der Richtung der erhaltenen
Halsgrube, und da der rechte Kopfnicker vortritt, nach seiner linken Seite etwas
abwärts gewendet. Der rechte Arm war ganz hoch erhoben in der Richtung
über den Kopf. Der linke Oberarm geht etwas seitwärts vom Körper weg; auf
der linken Schulter hängt eine Nebris, die indeß einen Teil derselben unbedeckt
läßt; daß das Fell auf dem Unterarm einen angefüllten Bausch bildete, läßt sich
noch an dem Erhaltenen sehen, indem ein Stückchen jener füllenden Masse, auf 13
welche die Klaue der Nebris sich umbiegend niederfällt, geblieben ist. All dieses
entspricht einer besser erhaltenen Statue in London, die wir auf Tai III Nr. 1
[Taf. 6, 1] wiedergeben,1 so genau, daß wir die unsrige wohl nach ihr ergänzen
müssen. Doch bevor wir dies näher erörtern, bewundern wir die dem Londoner
Exemplar weit überlegene Schönheit des Torsos. An der gut erhaltenen Ober-
fläche ist das Fleisch antik poliert, während die Nebris etwas rauh gelassen ist;
ebenso unterschied schon Praxiteles an seinem Hermes das Gewand vom Fleische.
Auch die Rückseite ist gleichwie an letzterm gearbeitet, indem nur ein Teil glatt
poliert, doch der Rücken selbst rauh gelassen ist. Das anatomische Detail
namentlich an der rechten Seite von Brust und Bauch ist von größter Schönheit;
einige Abweichungen von der Natur sind wohl geflissentlich, wie daß der schiefe
Bauchmuskel an der rechten Hüfte zu wenig angespannt, an der linken zu wenig
zusammengeschoben ist, oder daß die geraden Bauchmuskeln unter dem Nabel
zu geringe Anspannung zeigen. Es liegt ihnen die bei mehr dekorativen antiken
Werken häufige Tendenz zu Grunde, von der normalen ruhigen Muskellage auch
bei heftiger bewegten Körpern möglichst wenig abzuweichen. — Nicht allein die
sehnigen Formen selbst, sondern auch der ganze stilistische Charakter ist der
der r. Arm, der 1. von der Mitte des Oberarmes an, das Glied und das Ende des Schwänz-
chens. Kopf und r. Arm waren in moderner Zeit restauriert, wovon die tiefen Klammer-
löcher und Kanäle für den Bleiverguß übrig sind; der Bruch am 1. Oberarm ist zugerichtet
als ob eine Ergänzung angesetzt werden sollte, doch fehlt das Klammerloch. — Erworben
wurde die Figur durch W. Bode, Frühjahr 1880, aus Casa Alberti in Florenz, wo
man schon seit lange im Besitze derselben zu sein angab, ohne doch näheres zu wissen.
— In Dütschke's Zerstr. Antiken in Florenz fehlt das Werk. Ob es in älterer Literatur
irgendwie erwähnt wird, ist mir unbekannt. [Beschr. d. ant. Skulpt. 262.]
1 Ergänzt sind nach den Angaben, die mir K. Lange freundlichst mitteilte, nur der
r. Arm mit Pedum; das Knäbchen ist bis auf ein Stück seiner 1. Hand ganz antik. Auch
der Kopf des Satyrs ist alt. — Vgl. Guide Brit. Mus., Graeco Rom. Sculpt. I2, 1879 S. 42
Nr. 109. [Cat. of Sculpture 1656.]
Der Satyr aus Pergamon.
Pergamenischen Bronze offenbar verwandt;1 doch lehrt uns gerade dieser
Vergleich, sowie der mit den Pergamenischen Reliefs, daß dem Marmor doch
14 etwas von der vollen Kühnheit und Frische der letztern fehlt, so daß wir eher
geneigt sind, denselben späterer Zeit, etwa dem 1. Jahrhundert v. Chr., zu-
zuschreiben.
Nach Maßgabe der Londoner Statue hätten wir also auf dem linken Arme
auch der unsrigen nicht nur einen von Früchten dick angefüllten Schurz, sondern
auch das kleine Dionysosknäbchen zu denken. Die über den Kopf erhobene
Rechte schwang überdies das Pedum; denn daß dies an der Londoner Figur
richtig ergänzt sei, lehrt eine Statue desselben Motivs in Neapel,3 wo ein Stück
des Pedums mit der rechten Hand antik ist. Daß diese Häufung dreier Zutaten,
die alle ohne Beziehung unter einander sind, und von denen jede allein als Motiv
genügen würde, nicht das Ursprüngliche sein kann, wird man gerne zugeben.
Was soll der volle Fruchtschurz, was das hochgeschwungene Pedum, was vor
allem aber soll das zarte Kind, während der Satyr sich in wirbelndem Tanze
dreht? Ohne Zweifel ist diese Überladung der Kontamination verschiedener
Motive zu danken.
Mustern wir die Reihe der das Grundmotiv unsrer Statue wiedergebenden
Bildwerke, d. h. die auf beiden Zehenspitzen tanzend dargestellten Satyrn, welche
das linke Bein voransetzend den rechten Arm erheben, so scheidet sich leicht
eine Gruppe als die einfachste aus, die auch durch anderes, namentlich die
Eigenart des Kopftypus, sich als die ursprünglichste erweist. Vor allem sind es
zwei gleiche Statuen in Neapel, die allerdings der antiken Köpfe entbehren und
von denen eine auf Taf. III, 2 [Tai 6, 2] abgebildet ist,3 freilich nicht so, daß
man daraus eine Anschauung von der zarten Schlankheit dieser edeln Formen
erhielte; Arme und Kopf sind modern; vermutlich fiel das Pantherfell über den
linken Arm. Das Schwänzchen fehlt, wie es den Wiederholungen des ein-
schenkenden Satyrs zu fehlen pflegt, der Praxiteles zum wahrscheinlichen Ur-
heber hatte; mit dem letztern stimmt auch die Bildung des übrigen Körpers im
wesentlichen überein. Die Darstellung scheint sich allein zu konzentrieren in
1 Unter dem schrägen Bauchmuskel tritt an der angespannten r. Hüfte deutlich der
vordere obere Darmbeinstachel heraus. An der r. Hüfte der Pergam. Bronze erkennt man
Mibe noch unter der Patina durch. — Es steht dies Detail in Beziehung mit einer
•.ohnheit der hellenistischen Kunst, die wir jetzt am deutlichsten an den Pergamenischen
Reliefs, doch auch an andern auf diese Epoche zurückgehenden Werken beobachten
können, daß nämlich die fleischige Bekleidung des Darmbeinkammes als eine durch
weiche Falten sowohl von den Bauch- als von den Schenkelmuskeln gesonderte Partie
gearbeitet wird. Die Einfachheit der Linien der älteren Kunst wird auf diese Weise ge-
brochen und der Heiz eines neuen wechselnden Formcnspicles umkleidet die Hüften.
1 Gerhard, Neap. ant. Bildw. Nr. 34 Kjuida 265] ; vgl. Annali 1877, 218 [oben S. 160].
1 Gerhard a. O. Nr. 65 und 69 [Guida 266 und 264]. Clarac 678, 1581. Annali 1877,
[oben S. 160].
Der Satyr aus Pergamon. 199
dem graziösen Tanze eines der Edelsten aus Dionysos Gefolge. Durch Erhaltung 15
der Köpfe ausgezeichnet sind zwei im wesentlichen übereinstimmende kleinere
Statuen aus Lamia in Thessalien l und aus Pompei.2 Bei beiden hängt auf dem
gesenkten linken Arme ein Pantherfell, beide halten in der Linken das Pedum.
Im Typus des Kopfes schließen sie sich jenem edeln ausruhenden Satyr an, der
so häufig kopiert wurde; außer den spitzen Ohren mengt sich keine niedere
Form ein;3 die Nase ist edel und gerade; volle reiche lockige Haare umkränzen
das Gesicht, das mit weichlichem, fast schmachtendem Ausdrucke in die Ferne
blickt. Die Thessalische Statue ist der Pompeianischen in der Ausführung weit
überlegen und zeigt auch am Körper ungewöhnlich weiche, zarte Formen. Der
bei diesen Statuen immer erhobene rechte Arm verbunden mit der Richtung
des Kopfes nach links oben (v. Besch.) hat zu einem großen Mißverständnis
des ganzen Motivs geführt. Man glaubte nämlich einen Satyr zu erkennen, der
sich auf die Zehen erhebt, um in die Ferne zu spähen und der die Augen mit
der Rechten beschattet. Abgesehen davon, daß die erhaltene Rechte der Pom-
peianischen Figur dieser Erklärung wenig günstig ist, so wird bei näherer Be-
trachtung jedermann zugeben, daß die Bewegung unsrer Figuren vielmehr die
eines hüpfenden Tanzes ist, wo immer ein Bein vor das andere gesetzt und
dazu je der entgegengesetzte Arm graziös über den Kopf erhoben wird, sowie
daß ein ernstliches in die Ferne Spähen mit einem so lebhaften Tanze sich un- 16
möglich verträgt. Dennoch läßt sich nicht leugnen, daß die Bewegung des rechten
Armes gegen den Kopf sofort an diejenigen erinnert, welche sich die Augen
vor dem Lichte der Sonne beschatten wollen, ein auch in der antiken Kunst
(wenigstens seit der Vasenmalerei des freien Stiles) gerade für Satyrn nicht
seltener Gestus. Ja, jene Ähnlichkeit ist so groß, daß von ihr der Name des
Tanzes selbst entlehnt wurde: denn dieser Tanz ist es offenbar, den die Griechen
oxo7iög oder oxcojzevjua nannten und bei welchem der Tanzende die eine Hand
1 Scholl, Mitt. a. Griech. Tat. V. 11. Friederichs, Bausteine Nr. 658 [Friederichs-
Wolters 1429]. Jetzt im Nationalmuseum zu Athen [239]. Am 1. Oberarme ist der Ansatz
für das Pedum. — Ein andrer Torso desselben Museums wiederholt das Motiv im all-
gemeinen, doch ist der 1. nicht der r. Arm erhoben, über welchen ein langes Gewand
herabfällt (H. 0,61).
* Marmorfigur der casa di Lucrezio; schlecht doch am richtigsten abg. bei Breton
Pompeia3 S. 395. Interpoliert ist die sonst bessere Abbildung bei Niccolini, Le case etc.,
casa di Lucr. Taf. IV Nr. 5 (danach Overbeck, Pompei3 S. 486 Nr. 285a) [4 S. 551. Rei-
nach, Rep. II, 139, 2] ; das Pedum ist weggelassen und das Fell geht quer über den
Körper und bedeckt die Scham, während es im Originale gerade herabfällt; das Glied ist
infibuliert am Originale!
3 Der Pompeianische hat ebensowenig wie die beiden Statuen in Neapel ein Schwänz-
chen. — Daß die kleinen Hörnchen über der Stirn, die ich zu unterscheiden glaubte,
eine willkürliche Zutat des Pompeianischen Kopisten sind, ist zweifellos, wenn man den
Zusammenhang übersieht.
200 Dfr Satyr aus Pergamon.
so über die Stirnc erhob, als ob er in die Ferne spähe; und zwar galt dies
speziell als ein "X'l."'1 oatvQtxdv.1
Demnach kann wohl auch der im Altertum hochberühmte änooxojtsvaw ge-
nannte Satyr des Malers Antiphilos, eines Nebenbuhlers des Apelles und Proto-
genes sehr wohl ein tanzender gewesen sein; wir wissen zwar nur, daß derselbe
mit einem Pantherfelle dargestellt war; aber da dies vom linken Arme herab-
hängend gerade auch in dem von uns oben nachgewiesenen Typus eine Rolle
spielt, da der letztere ferner durch Stil und Kopftypus ohnehin auf ein Original
etwa vom Ende des 4. Jahrhunderts hinweist, so könnte dies recht wohl jenes Ge-
mälde gewesen sein. Daß Gemälde von hohem Ruhme, namentlich solche, die eine
17 Einzelfigur darstellten, späterhin zu dekorativen Zwecken auch in Marmor kopiert
wurden, läßt sich bekanntlich auch anderwärts sehr wahrscheinlich machen. So
kehrt die Medea des Timomachos in einer Statuette wieder,2 so die Bilder des
Andromeda befreienden Perseus3 und des Theseus, der den Minotaur erlegt hat,4
so der Wein ausgießende Dionysos mit Pan B in statuarischen Gruppen; so ist
ferner der so häufige bekannte ausruhende Satyr doch sehr wahrscheinlich einem
Gemälde des Protogenes entlehnt;6 so endlich scheint wenigstens der Oberkörper
der zahlreichen Statuen der Aphrodite Anadyomene von Apelles Bild genommen,
1 Stephani, Melanges Greco-rom. I S. 554 ff. hat die betr. Stellen zusammengestellt,
doch wie mir scheint falsch beurteilt. Indem er durchaus unwahrscheinlicher Weise
uv/ta als gleich oxd>y> annimmt, schreibt er Athenäus eine starke Verwechselung
(von r\y.<;,<i> und oxoxSs) zu. Viel einfacher löst sich die Frage wenn man bei Athen. XIV
p. 629 F liest: . . . oxdnp oxtbjievfM' rjr dk rö axcöxerfia (st. 6 axeoy) xCov anooxonovvnüv
'" r'/.,~i"n> äxgttv *■')>' y/Toa i)Ji£Q rar ftszdtJtOV xexvoruixözoiv' fivtjfiovevei Aio%vAog . . . . jetzt
paßt auch erst die angeführte Belegstelle des Äschylus, die ja nicht vom fyxojy sondern
vom oxduuvfta redet; die Corruptel bei Ath. ist indeß alt und lag schon Eustathios vor
(ad Odyss. V, 66 p. 1523). Offenbar ist ein älterer Kommentar zu dem Äschylos-Verse
die Quelle für Athenäus sowohl als für Hesychius (der unter axdonevfM dieselbe Er-
klärung gibt wie Ath.). Eine unnötige Wiederholung ist es, daß Athen, nachher den axonög
(p. 630) noch einmal aufführt. Denn daß der oxo.i<k eben der Tanz war, wo das oxtbnsvfta
angewendet wurde, geht sowohl aus Hesych. (ynöaxonav x*Qa' Alayj'dog- wojieg ol
xskevei n/t/unrtaat ri/v y.eloa, xa&ÖJtBQ roig flüvag Tioiovat' ayij/ta de
iixdr ö oxon6s), als aus Photios hervor: oxcbjisvfia' o^f/fia aarvgixdv <»? xal
4 oxoxit (so verbessert G. Hermann, Aesch. frg. 77 statt axanöe)' ovxmg Alaxülog (Phot.
lex. ed. Naber II p. 168).
* Arch. Ztg. 1875, Taf. 8, 2.
1 Gruppe in Hannover (K. Fr. Hermann, Götting. Winckelm.-Progr. 1851). — Friede.
richs, Baust. Nr. 763 [f-'riederichs- Wolters 1559]. Bötticher, Gipsabg. Nr. 1171. [Arndt, Einzel-
aufnahmen 107-1.]
* Gruppe im Schlosse zu Wörlitz [Arndt, Einzclaufnahmen 385].
5 N'uove mernorie dell' Inst. Taf. 10. O. Benndorf S. 276 ff. Daß auch die Kompo-
m Wasser sich spiegelnden Narkissos mit Eroa usw. (Wiescler, Nark. Nr. 10)
der Malerei entnommen sei, hat Welckcr (Rhein. Mus. 1854, 282) richtig bemerkt.
* So auch Stephani, Mel. Greco-rom. III, 398; CR. 1870/71 S. 99. [Anders Furtwängler,
terwerke S. 560. Glyptothek Nr. 229.]
Der Satyr aus Pergamon. 201
während der Unterkörper, dessen Bildung schwankt, im gemalten Originale nicht
sichtbar war.1 ■ —
Das Pedum unsrer Statuen dürfen wir freilich dem etwaigen Originale des
Antiphilos nicht zuschreiben, da dieses als Attribut des Pan erst später auf die
jugendlichen Satyrn übertragen wurde. Ganz ebenso ward es von spätem
Kopisten zuweilen auch dem ausruhenden Satyr statt der Flöten, die er ursprüng-
lich hielt, gegeben.2 Jenen Austausch zwischen Pan und Satyrn werden wir
weiter unten in seinen Zusammenhang einreihen. Es sei nur erwähnt, daß hier
offenbar ein bestimmter älterer Typus des Pan mit dem tanzenden Satyr kon-
taminiert wurde, welcher jenen mit dem Pedum im linken Arme und die Rechte
über die Stirn erhebend darstellte, ein Typus, den wir zuerst auf einer schönen
Münze von Ainos vom Ende des 5. Jahrhunderts,3 auf einer anderen von Aigiale 18
auf Amorgos (Lambros, No.u. 'Ajnogyov Nr. 5. 6 [Brit. Mus. Crete Taf. 20, 2])
und später öfter finden.4
Auf Pompeianischen Wandbildern ist unser tanzender Satyr gerade in der
Gestalt dieser ersten Kontamination mit dem Pedum in der Linken sehr häufig
als Einzelfigur, besonders in den gemalten Architekturen.5 Doch treten hier meist
kleine Varianten hinzu, indem die erhobene Rechte bald einen kleinen Eimer,6
bald eine Syrinx7 hält, bald als Stütze für etwas darüber sich Aufbauendes
dienen muß.8 — Bevor wir indeß durch diese Varianten uns weiter leiten lassen,
betrachten wir einige Werke, die den Grundtypus nur wenig modifiziert wieder-
1 Letzteres von Benndorf erwiesen in Mitteil. d. Athen. Inst. I, 50 ff. [Furtwängler in
Helbings Monatsber. I S. 179].
2 So im Exemplar des Braccio nuovo im Vatikan [Amelung, Vatican I Taf. 19]
(s. Annali 1877, S. 218 Anm. [oben S. 160]). Auch in einer freien Wiederholung der
Statue in einem jetzt zerstörten Pompeianischen Bilde (Mus. Borb. X, 42, Heibig Nr. 441)
hält er das Pedum.
3 Nach v. Sallet, Zeitschr. V S. 184. Zum Typus vgl. die oben zitierte Stelle des
Hesych über vxooxoxov yjoa.
* Für den jugendlichen Pan z. B. auf einer autonomen Kupfermünze von Thessalonike
kurz vor der römischen Herrschaft (Mionnet I, 493 Nr. 330) ; für denselben ferner auf
einem Pompeianischen Gemälde des älteren sog. zweiten Stiles, wo er als Statue dar-
gestellt ist (Mon. d. Inst. X, 36, 1); in demselben Motive ist ein herbeieilender Hirte
(wenn nicht ursprünglich Pan) auf einem Endymionbilde des dritten Stiles dargestellt
(Bull. 1873, 239; Sogliano Nr. 456); bei einem bocksbeinigen bärtigen Pane als Statue
kehrt dasselbe wieder auf dem Niobidenbilde 3. Stiles (Bull. 1873, 206; Sogliano Nr. 505);
vgl. übrigens die oben zitierte Stelle bei Hesych: axoay.oxovvzeg . . . xadänso zovg Ilävag
noiovai.
5 Diese Figuren sind in den Katalogen der Bilder von Heibig und Sogliano meist
übergangen. Ohne Attribut der R. z. B. im triclinium des Hauses Fiorelli, Descr. S. 374 oben.
6 Heibig Nr. 429; Kopf nach links aufwärts, jugendlich edles Gesicht.
7 Im tablinum des Hauses Fiorelli, Descriz. S. 384, sowie ähnlich auf der parete
nera u. sonst.
8 Mehrmals an der Basis in dem Hause Fiorelli, Descriz. S. 133.
202 Per Satyr aus Pergamon.
geben. Nur die Seiten des Oberkörpers sind vertauscht bei dem jugendlichen
tanzenden Pan einer Praenestinischen Bronzecista (Mon. d. Inst. X, 45 [oben
Taf. 1]). der mit einer verhüllten Mänade im Contretanz begriffen ist, so daß bei
der Bewegung der erhobenen Hand an ein Beschatten der Augen gar nicht gedacht
werden kann. Eine Statue in Neapel,1 zwar von mittelmäßiger Arbeit, doch
wichtig durch den antiken Kopf, der mit dem des edlen ausruhenden Satyrs im
wesentlichen stimmt, unterscheidet sich vom Grundtypus nur durch die als
19 Chlamys umgeknüpfte Nebris, die auf den linken Arm fällt, ein Motiv, das in
der folgenden Klasse wichtig wird. Durch derbere kräftigere Formen, sowie
durch lebhaftere Bewegung im Oberkörper, indem die linke Schulter stärker
zurück- und herabgezogen ist, unterscheiden sich einige Werke, die hiedurch
ebenfalls zur nächsten Gruppe überleiten. So ein Torso des Vatikan mit Pedum
in der Linken, ohne Fell,8 und namentlich eine vorzügliche Bronzestatuette in
Berlin, die wir Taf. III, 5 [Taf. 6, 5] wiedergeben.3 Der Satyr ist hier ebenfalls
ohne Fell und hält in der Linken die auch von Pan entlehnte Syrinx (mit un-
gleichen Röhren); die Bewegung der Rechten sieht hier der Abwehr gegen
Blendung besonders ähnlich; die Tanzbewegung der angespannten Beine ist
jedoch ganz evident. Der Kopf zeigt zwar noch deutlich die Grundlage des
altern, edeln Typus, ähnlich der Neapler Statue Taf. III, 3 [Taf. 6, 3], doch ist
derselbe bereits etwas ins Ländliche und Derbe gezogen; ebenso sind die Mus-
keln des Körpers nicht mehr weich und zart, sondern kräftig, ja etwas hart.4
Dieser letztere Formcharakter, nur mitunter noch sehniger und derber, ist
der feststehende für die zweite Hauptgruppe, in welcher der Kopf nicht mehr
nach links aufwärts, sondern nach rechts herabgewendet und der Oberkörper
durch Zurück- und Herabziehen der linken Schulter stark gedreht erscheint, wo
ferner nicht mehr einfach weich und graziös schwebender Tanz, sondern ein
heftig angespanntes Hüpfen und Wirbeln dargestellt ist. Die veränderte Kopf-
richtung finden wir zwar schon in einigen jener Einzelfiguren auf Wandgemälden,
so auf dem hier Taf. III, 4 [Taf. 6, 4] statt mancher andern 5 abgebildeten, das
überdies interessant ist durch die in der Rechten erhobene Weintraube; eine
20 ganz kleine, doch vorzügliche Bronzestatuette in Berlin wiederholt genau das-
ilier auf Taf. III, 3 [Taf. 6, 3]; vgl. Annali 1877, 217 unten [oben S. 160]. Auch
die linke Hand mit dem Pedum scheint antik. Im Haare ist nur eine Binde.
1 Tialleria dei candclabri Nr. 25. A. Klügmann hatte die Güte, meine Notizen über
ihn zu vervollständigen; danacli entbehrt er des Schwänzchens.
1 Vgl. I'riederichs, Berl. ant. Bildw. II, Nr. 1835, wo freilich weder die Beschreibung
genau, noch das Motiv verstanden ist.
4 Die Ausführung weist trotz ihrer Sorgfalt und teilweisen Vorzüglichkeit auf spätere
ils die Pergamenische Bronze, neben welcher dort namentlich Brust und Bauch akademisch
leblos und hart erscheinen; auch sind sowohl Oberschenkel als Bauch etwas zu kurz.
El befindet sich in den Stabianer Thermen; es scheint identisch mit dem bei
Heibig Nr. 432 beschriebenen.
Der Satyr aus Pergamon. 203
selbe Motiv, die Traube und das Pedutn, nur die Nebris fehlt.1 Doch das Ge-
wöhnliche in dieser Gruppe ist, daß der Satyr ein Fell als Chlamys um hat, in
dessen Bausche auf dem linken Arme er eine Fülle von Früchten trägt, auf die
er nun befriedigt lächelnd niederblickt. Die Belastung mit Früchten widerspricht
natürlich dem ursprünglichen einfachen Tanzmotive direkt; noch schwerer wird
das Ganze dadurch, daß er in der erhobenen Rechten das Pedum schwingt,3
ohne doch irgend die Absicht zu haben, damit einen Schlag auszuführen. Es
sollte vielmehr durch jene Zutaten der speziell ländliche Dämon charakterisiert
werden. — Die Köpfe dieser Statuen zeigen wie die Körperformen immer jenen
bekannten derben, niedrigen Typus, der von dem idealern der ersten Gruppe
weit verschieden ist; gewöhnlich sprießen auch zwei kleine Hörnchen unter den
aufgesträubten Haaren auf der Stirn empor.3 Die Beliebtheit des Typus geht aus
den zahlreichen Wiederholungen hervor. Auf unsrer Tafel ist deshalb keine
abgebildet, weil sie bis auf das Knäbchen genau mit Taf. III, 1 [Taf. 6, 1], stimmen.4
Eine weitere Zutat ist es endlich, daß auf die linke Hand noch der kleine 21
Dionysos gesetzt wird, wie dies in der Londoner Statue und wahrscheinlich, da
die Nebris mit letzterer so genau stimmt, auch in unserer Alberti'schen der Fall
war. Die Kombination eines anderen selbständigen statuarischen Motives
mit dem zuletzt entwickelten ergab dies Resultat. Auf Taf. III, 6 [Taf. 6, 6]
habe ich die schwebende Einzelfigur einer Pompeianischen Wand wiedergeben
lassen.5 Sie zeigt uns, glaube ich, jenes neu hinzugetretene Motiv noch
1 Friederichs, Berl. a. Bildw. II, 1837, der auch hier das Tanzmotiv nicht erkennt.
Hierher gehört indeß auch eine Statue ohne Nebris bei Piranesi, Musee Napoleon II
Taf. 14 (wo befindlich?).
2 Nach dem Neapler Exemplar (Gerhard, Ant. Bildw. Nr. 34), wo die rechte Hand
mit einem Stücke des Pedums alt ist, sind die andern Exemplare zu restaurieren.
3 In Neapel (Gerhard, Neap. ant. Bildw. Nr. 34, wo der Kopf fälschlich für modern
erklärt wird [Reinach, Rep. II, 137, 6]).
4 Es sind namentlich die im Vatikan (s. Visconti, Mus. Pio-Clem. III, 42 und Clarac 706,
1684; an letzterm Orte sind die Angaben der Ergänzungen, die A. Klügmann nachzuprüfen
die Güte hatte, im wesentlichen richtig); ferner die in Villa Albani (Clarac 716 D, 1685 E),
an welcher nach Klügmanns Mitteilungen der Kopf mit kleinen Hörnchen zwar gebrochen
doch zugehörig, dagegen das Pedum in der L. (statt in der R.) ganz modern ist; dann
im Museo Torlonia (Catal. Nr. 43; Clarac 716, 1707 [Museo Torlonia 45]) ebenfalls mit an-
tikem Kopfe; letzteres gilt ebenso von zwei Statuen in Florenz, die eine in den Uffizien,
s. Dütschke, Nr. 124 [Amelung, Führer 58], die andere im Pal. Pitti (Dütschke, Zerstr. ant.
Bildw. in Flor. Nr. 31 ; das Motiv verkennt Dütschke beidemale); endlich zwei Exemplare bei
Maffei, Raccolta Taf. 36 und 38, einst in den orti Medicei; bei einer dritten ebenda Taf. 37
scheint der Kopf in falscher Richtung ergänzt (sie scheint identisch mit Clarac 701, 1658, wo
mit vertauschten Seiten. [Vielmehr sind wahrscheinlich die drei Maffeischen Exemplare
identisch mit den beiden schon erwähnten und einem dritten Florentiner Stück und zwar
Maffei 36 = Dütschke II, 32; Maffei 37 = Dütschke III, 124; Maffei 38 = Dütschke II, 31.
Ein neugefundenes Exemplar abgebildet Musee de Cherchel Taf. 10, 2. Vgl. auch Furt-
wängler, Coli. Somzee Taf. 23.]
6 Heibig Nr. 373.
204 Der Satyr aus Pergamon.
unvermengt mit Fremdem. Es ist kein anderes als das Motiv des Hermes von
Praxiteles, jenes einzig schönen Werkes, das uns ein merkwürdiges Geschick fast
unversehrt wiederschenkte und dessen lebhafte Nachwirkung im Altertum wir
erst zu erkennen beginnen.1 Statt Hermes ist ein jugendlicher Satyr gesetzt,
der das Dionysosknäbchen (die Flügel desselben fallen offenbar dem Pom-
peianischen Dekorateur der Verfallzeit zur Last) auf dem linken Arme trägt und
ihm in der hoch erhobenen Rechten eine Weintraube lockend hinhält, nach der
das Kindchen begehrlich die Hände ausstreckt. Das Bild spricht jedenfalls auch
zu Gunsten der Restauration des Hermes mit einer Traube, um so mehr, als sich
dasselbe Motiv wiederholt in der statuarischen Einzelfigur einer anderen Pom-
peianischen Wand,2 die dem Hermes noch näher steht, indem der Satyr nicht
schwebt, sondern ruhig auf dem rechten Beine steht und ganz wie Hermes auf
dem linken Vorderarme eine herabhängende Chlamys trägt; das Knäbchen, dem
die Traube gereicht wird, hat hier auch keine Flügel. — Auf einem Sarkophage 8
22 findet sich das Tragen des Kindes zwar mit dem Tanzmotive vereinigt, doch
ohne den Fruchtschurz.
Die ganze Entwicklung, die wir hier überblickten, von dem einfachen tan-
zenden Satyr mit dem Fell auf dem Arme bis zu der letztbesprochenen über-
ladenen Bildung scheint der hellenistischen Zeit anzugehören, indem wir den An-
fangspunkt kaum älter als das Ende des vierten Jahrhunderts setzen konnten und
unser Alberti'scher Satyr, der doch bereits am Ende der Reihe steht, wegen des Cha-
rakters seiner Ausführung nicht später als das erste Jahrhundert v. Chr. sein dürfte.4
Die Umbildung eines übernommenen Motives in hellenistischer Kunst führte hier
zwar nicht zu gleich erfreulichen Resultaten wie wir sie an der Pergamenischen
Bronze beobachteten, doch dürfte sie nicht von geringerem Interesse sein,
namentlich da sie auch auf die Entwicklung des Typus der jugendlichen Satyrn
1 Ich bemerke hier, daß das Berliner Museum zwei Torse besitzt, die sowohl im
Motiv als in der Bildung der Körperformen und in den Maßen mit dem Hermes ziemlich
genau übereinstimmen, mit der Abweichung, daß der r. Arm etwas höher gehoben war
und vielleicht über dem Kopfe lag und daß der ganze Körper etwas aufrechter steht und
mit der L. weniger fest sich auflehnte; der eine ist zu einem Apollo (Nr. 11 bei Gerhard
(Beschr. d. ant. Skulpt. 44, Furtwängler, Meisterwerke S. 570 Anm. 3]) restauriert, der
andere ist unergänzt (Nr. 763 [Beschr. 512]); ganz dasselbe gilt von dem Tors einer
kleinen, vorzüglich gearbeiteten Statuette desselben Museums. [Beschr. 45].
* Oben im 1. oecus des Hauses Fiorelli, Descriz. S. 144. [Abgeb. Jahrb. des arch.
InsL 1887 Taf. 6 S. 66.]
• Gerhard, Ant. Bildw. Taf. 110, 1; auch hier erhebt die Rechte das Pedum. Im
Motiv etwas abweichend, doch sehr ähnlich, ist ein tanzender Satyr mit dem Knäbchen
auf dem Vatikanischen Sarkophage Visconti, Mus. Pio-Clem. V, 8 [Amelung, Vatican II,
Taf. 9j.
'I • ht sich, daß im übrigen die Zeit der Ausführung der Exemplare, an denen
wir die einzelnen Stadien der Entwickclung verfolgten, gewöhnlich eine ganz andere ist
als die der Erfindung und des Entstehens.
Der Satyr aus Pergamon. 205
Licht wirft. Es wird nicht unzweckmäßig sein, wenn wir, um den letzteren
Punkt schärfer zu fassen, uns den ganzen Zusammenhang vergegenwärtigen, in
dem unsere Satyrfiguren stehen, also die Entwickelung der Silene und Satyrn
nebst der des Pan in den Hauptzügen überblicken.
Die Silene, jene Dämonen des feuchten Waldes, ja quellenden Wassers,
die in Kleinasien und Nord-Griechenland ihre eigentliche Heimat haben, sie fanden
hier auch ihre älteste Darstellung, welche die charakteristischen Züge wie Schwanz,
Ohren, Hufe, von dem auch sonst für feuchte Götterwesen symbolischen Tiere,
dem Pferde entlehnte. Wie sie ein Homerischer Hymnus schildert,1 so finden
wir sie auf den ältesten Münzen von Thasos und Macedonien2 mit Nymphen 23
gruppiert. Ihre ursprüngliche nahe Verwandtschaft mit den Kentauren tritt hier
deutlich hervor, indem auf eben diesen Münzen genau dieselbe Komposition des
nymphenraubenden Silen auch mit angehängtem Pferdehinterleib erscheint. Der
Typus der Silene selbst ist hier noch nicht gefestigt, indem sie bald mit bald
ohne Pferdehufe, bald mit bald ohne Pferdeschwanz erscheinen. In Kleinasien
finden wir die Silene auf dem alten Friese von Assos; und unter den Resten
altionischer Kunst nehmen sie auf den chalkidischen Vasen eine nicht unbedeutende
Stellung ein; auch hier wechselt Pferdehuf mit Menschenfuß.3 Silen ist ein
älterer Münztypus des chalkidischen Naxos; er erscheint als Wasserdämon auf
Münzen der chalkidischen Himeräer.4 — Durch die ionische Kunst scheint der
alte Typus der Silene den Etruskern mitgeteilt worden zu sein, wo denn die
Pferdehufe ungleich zäher und länger festgehalten wurden. — Eines der
sprechendsten Zeugnisse für den Einfluß chalkidischer Kunst auf die altattische
Vasenmalerei sind die pferdebeinigen Zdevoi der Francoisvase; freilich bildet
der Verfertiger derselben (Ergotimos) den Zdevog anderwärts an den Füßen
menschlich.6 — Dagegen sind nun die Silene in den Gebieten alter dorischer
Kunst überhaupt etwas durchaus unbekanntes. Niemals erscheinen sie auf
1 In Ven. (IV) V. 262 rf]Oi (d. h. Nvftq>flöi) 8s Zsdrjvol . . . (.doyovx sv (fdözrjzi nv%<5
OJIEIWV SQOEVZ03V.
2 Sie werden den Letäern und Orrheskiern zugeteilt [Bulle, Silene S. 2]. — Die
ähnliche Gruppe eines eine Nymphe wegtragenden Silenes auch auf einem archaischen
Relief von Delphi (wie es scheint nur aus Wieseler, Denkm. a. K. II Nr. 472 bekannt [jetzt
als zu dem Kalathos der Karyatide Fouilles de Delphes IV Taf. 19. 20 gehörig erkannt]).
s Auf der Vase Nr. 8 bei Klein, Euphron. S. 31 P S. 65], von der eine Zeichnung im
Apparat des Berliner Museums sich befindet, ist nur einer der sieben Silene pferdehufig
[Bulle, Silene S. 9]. — In einer Vasengruppe, die ich mit Wahrscheinlichkeit etwas spätrer
chalkidischer Fabrikation zuschreiben zu dürfen glaube (München 685 [1444]; Würzburg 331
[JHS. 1899 Taf. 5 Sittl, Dionys. Treiben Taf. 2, 3]; Deinos in Wien, Ost. Mus. [Masner
215]), haben die Silene bereits alle Menschenfüße. — Die Silene der ebenfalls ionischen
Phineusschale (Mon. d. Inst. X, 8 [Furtwängler-Reichhold Taf. 41]) zeigen Hufe.
4 Ein archaisches Exemplar, wo der Kopf des Silenes vom altern Typus im Profil
steht, im Berliner Museum; eines der gewöhnlichen spätem s. bei Wieseler, D. a. K. II Nr. 497.
5 Gerhard, Aus. Vas. 238 [Berlin. Arch. Anz. 1889 S. 91. Nr. 1].
OQ5 Der Satyr aus Pergamon.
korinthischen Vasen, und ebensowenig z. B. auf den so zahlreichen Pinakes aus
Alt-Korinth, die das Berliner Museum neuerdings erworben, welche ja so mancherlei
Darstellungen zeigen;1 sie fehlen ferner am Kypseloskasten, wo doch Dionysos
in der Weinlaube vorkömmt; sie fehlen auch auf den Vasen, die mit der Arkesilas-
schale aus einer Fabrik sind- und wenn nicht aus Sparta, so doch wohl aus
Kyrene stammen [vgl. Annual of the British School at Athens XIV S. 30 ff.
XV S. 23 ff.]; und auch daß sie auf Peloponnesischen Bronzereliefs in Olympia8
und Selinuntischen Skulpturen nicht vorkommen, darf man wenigstens erwähnen.
Und doch war ein den Silenen so verwandtes dämonisches Geschlecht, das
der bei Hesiod zuerst genannten Satyrn, gerade auch im Peleponnese heimisch.4
Aber wie denn so oft auch bei den Griechen bestimmte Vorstellungen über
göttliche Wesen gar lange im Volke walten, bis sich die bildende Kunst ihrer
bemächtigt, so wurden die Satyrn, mehr Dämonen der trockenen Berge als der
feuchten Niederungen und deshalb auch nicht mit dem Pferde, sondern mit den
Ziegen in ursprünglich naher Verbindung, überhaupt von der altgriechischen Kunst
nicht dargestellt. Als in Athen durch das Satyrdrama die Satyrn populär wurden,
war in der Kunst hier bereits der Typus der Silene adoptiert. Darüber, wie die
Satyrn in der alten Zeit auf der Bühne erschienen, wissen wir nichts, als daß
ein Bocksfell ein Hauptstück des Kostümes war, so daß der Satyr selbst als
Bock angeredet werden konnte,5 sowie daß die Maske der Satyrn sich wenig-
stens in späterer Zeit in keiner Weise von derjenigen Gestalt unterschied, die
in Athen sich handgreiflich aus dem altüberkommenen Typus der pferdeohrigen
25 Silene entwickelt hatte. Es gibt in der ganzen Kunst des fünften Jahrhunderts
in Athen nur diesen einen Typus der bärtigen, stumpfnasigen Wesen, meist mit
Glatze und langen Locken hinten herab, mit Pferdeschwanz und Pferdeohren,
aber ohne dem Bocke entlehnte Abzeichen; Vaseninschriften noch vom Anfange
des vierten Jahrhunderts nennen diesen Typus korrekter Weise Silen6 und das
1 Eine vollständige Beschreibung derselben wird demnächst in meinem neuen Ver-
zeichnisse der Berliner Vasensammlung erscheinen. [S. 47 ff.]
2 Von G. Löschcke in dem Dorpater Programm von 1879 zusammengestellt [Arch.
Zeit. 1881 S. 217]. Hinzuzufügen ist namentlich die fragmentierte Schale in Würzburg
Nr. 434 [Sittl, Dionysisches Treiben S. 22 Abb. 4], was ich deshalb erwähne, weil in der
Beschreibung von Urlichs frageweise von einem Satyr die Rede ist, während nur ein ge-
wöhnlicher Jüngling tanzend dargestellt ist.
* Das Fragment einer Terrakottastatue aus Olympia (Ausgr. v. Olympia IV, Taf. 27 A
(Olympia III Taf. 8, 1]) einen pferdehufigen Silen darstellend, scheint wie andere Terra-
kotten (selbst architektonische) dahin importiert.
' Vgl. Annali 1877, S. 448 f. [oben S. 183].
» Aeschyl. Fragm. 202.
• Annali d. Inst. 1877, 226 ff. [oben S. 167]. — Auf einer streng rolf. Schale dagegen
heißt ein gewöhnlicher bärtiger Silen SATRVBS, w;is doch wohl statt SatvQoe verschrieben
(Bull. d. Inst 1860, 35; Zeichnung beim Institut in Rom). [Diese Zeichnung der über-
malten Vase abgeb. Klein, Lieblingsinschriften ' S. 38. Das Original in Würzburg, Ur-
Der Satyr aus Pfrgamon. 207
gleiche tun die Schriftsteller desselben Jahrhunderts.1 Doch heißt andererseits
die auf Vasen so oft dargestellte, wildtanzende Umgebung der Rhea und des
Dionysos bei Eurip. Bacch. 130 ^ärvoot und Ktesias schrieb nicht den Silenen,
sondern den Satyrn übergroße (d. h. Pferde-)Schwänze zu (Fragm. ed. Müller
p. 87). Also hatte man in Athen den neu zutretenden Satyrn die vorhandene
Form der Silene gegeben und beide Gattungen von Wesen hatten sich ver-
schmolzen. — Eine neue Scheidung sollte indeß wieder durch das Satyrdrama,
wenn nicht veranlaßt, so doch begünstigt werden. Obwohl Silen als Einzel-
person, als weiser Erzieher des Dionysos z. B. schon lange in den Sagen Gel-
tung hatte,2 war doch ein besonderer Typus für ihn in der Kunst noch nicht
geschaffen; der Myronische Marsyas unterscheidet sich in nichts von dem da-
maligen allgemeinen Typus der Silene. Im Chore des Satyrdramas jedoch mußte
sich bald das Bedürfnis einstellen, den Chorführer vor den übrigen bestimmt zu
unterscheiden. Im Euripideischen Kyklops liegt diese Scheidung bereits voll-
endet vor: der Chorführer ist der Silen und ist der greise Vater der jugendlichen
Schar, die nun Satyrn heißen. Die beiden neuen Typen, die hiedurch veranlaßt
wurden, die bartlosen jungen Satyrn und der greise Papposilen brechen sich in
der bildenden Kunst allerdings erst langsam und allmählich Bahn, indem der
allgemeine ältere Typus der Silene zäh festgehalten wird. Doch erscheint Pappo-
silen, von den Zotteln eines engen dichten Wollegewandes bedeckt, gelegentlich 26
vom Ende des fünften Jahrhunderts an.3 Aber auch ohne jenes Bühnenkostüm ver-
sucht man einen einzelnen alten, weichlichen Silen von den übrigen zu unter-
scheiden. Zahlreiche Übergänge finden statt;4 indeß befestigt sich im vierten
Jahrhundert dieser neue Typus, der auch mit einem neuen tierischen Abzeichen aus-
gerüstet wird, indem die Pferdeohren bei dem einen alten Silene zu Schweins-
ohren werden,5 wie sein ganzer Körper nun fette Weichheit ist.
Hand in Hand ging hiemit das Aufkommen der bartlosen, fortan xaz' Qoyj}v
diesen Namen führenden6 Satyrn, die auf Vasen schon zu Ende des fünften Jahr-
lichs I S. 50, 87. ist jetzt gereinigt, Sittl, Parerga S. 29, die fragliche Inschrift ist echt.
Reisch in Festschrift f. Gomperz S. 461. W. Schulz in Göttinger gel. Anz. 1896 S. 254
will rückläufig Sißvgra? lesen.]
1 Annali 1877, S. 236 [oben S. 174].
* Ebenda S. 235 [oben S. 173].
3 Der herrliche Krater Mus. Greg. II, 26 [Heibig, Führer1 II, 1233] gehört zu seinen
ältesten Darstellungen. — Vgl. Annali 1877, 228 ff. [oben S. 168 ff.].
4 Vgl. Annali 1877, 227 [oben S. 167]. — Auf einem vorzüglichen athenischen Deinos
vom Anfang des 4. Jahrh. in der Sammlung v. Sabouroff [Furtwängler, Sammlung Sabouroff
Taf. 56] sind in einem Schwärme gewöhnlicher bärtiger Silene zweie durch weißes Haar,
gebückte Haltung und Krückstock als Greise ausgezeichnet.
5 S. Annali 1877, 230 [oben S. 169]. — Auch auf Münzen des schönen Stils, z. B.
denen von Thasos mit Silenskopf ist das dicke Ohr deutlich, ebenso auf solchen von
Katane mit Silensmaske.
6 Vgl. Ann. 1877, 237 [oben S. 175].
208 Der Satyr aus Pergamon.
hunderte vereinzelt, dann aber immer häufiger erscheinen; sie werden die bevor-
zugte Schar ihres nunmehr auch jugendlichen Gottes Dionysos. Wie weit die
Praxitelische Zeit in der Veredelung dieser Wesen ging, die bei Eurip. Cycl. 624
noch &rJQes angeredet werden, sehen wir an dem bekannten einschenkenden
Satyr, ja gelegentlich ging man bis fast zum Sentimentalen, dem Eros Ver-
wandten.1
Doch hier müssen wir, die Entwicklung der Satyrn unterbrechend, erst einen
Blick werfen auf denjenigen, dessen Gestalt sich fortan mit jenen vielfach be-
rühren und vermengen sollte, auf Pan, den Gott des felsigen Gebirgs, dessen
Wesen und Treiben nicht nur, sondern dessen äußere Erscheinung uns schon so
plastisch entgegentritt in jenem Homerischen Gedichte auf ihn (Hymn. Hom. 19),
dem an poetischem Reize Weniges gleichkömmt. Er ist halb Ziege halb Mensch,
alyutödtjg, dacigcosi ist äykai&eiQOG und fjvyheios und trägt ein Luchsfell auf
27 dem Rücken. Hiernach kann kein Zweifel sein über die Gestalt des Pari
in der archaischen Kunst;2 als atyojigoocjjiog und Tgayooxnb'jg (Herod. II, 46)
1 Derart ist ein ganz einziger jugendlicher Satyrkopf mit Pantherfell über dem Kopfe
von eigener Schönheit, im Museo Torlonia zu Rom Nr. 115.
1 Irrtümlich habe ich früher angenommen (Annali 1877, 199 ff. [oben S. 145 ff.], Pan
sei gerade in älterer Zeit auch unter dem Typus des hornlosen bärtigen Satyrs dargestellt
worden. Ich halte es indeß jetzt für unmöglich, daß, obwohl dies die allgemeine An-
nahme ist, auf die ich mich auch damals stützte, die Münztypen von Pantikapäon den
Pan darstellen sollten. Die Deutung auf Pan basiert bekanntlich, da Pan keineswegs ein
in Pantikapäon besonders verehrter Gott ist, ausschließlich auf dem Anklänge an den
Stadtnamen. Solche beabsichtigte Anspielung des Münztypus auf den Namen der Stadt
wäre ja an und für sich sehr möglich, aber diese Möglichkeit kann nichts beweisen
gegen zwingende Gründe, die uns verbieten, überhaupt Pan zu erkennen. Der Typus ist
immer vollkommen der des bärtigen Satyrs mit dicker Stulpnase und hat nie etwas vom
Bocke und nichts von Pan; es ist ganz unannehmbar, daß zu Anfang des 4. Jahrh. —
denn höher herauf scheinen die Münzen bis jetzt nicht zu reichen — wenn auch in
ferner Stadt, so doch von echtgriechischen vorzüglichen Künstlern für Pan nicht der all-
gemein vorhandene Typus, sondern der des bärtigen Satyrs gewählt worden sei. Im
Norden, in Macedonien, waren von altersher Silene beliebtester Münztypus; durch Ein-
fluß von hier wird der Typus von Pantikapäon zu erklären sein. Auch die zahlreichen
spätem Exemplare Pantikapäons mit dem bartlosen, meist efeubekränzten Kopfe zeigen
niemals Hörner, vielmehr den ausgesprochensten Satyrtypus. — Zu bemerken ist noch,
daß in Pantikapäon, wenn auch nicht häufig, doch auch der gewöhnliche Typus des einen
alten Silens mit Glatze und Schweinsohr erscheint, zum Beweise, daß Silen In seinen
verschiednen Gestalten dort eben heimischer Typus ist, während bis jetzt noch kein ein-
ziger sichrer gehörnter Pan dort nachgewiesen ist. — Eine bloße Annahme ist es ferner
auch, daß C. Vibius, auf den Beinamen Pansa anspielend, einen Panskopf auf seine
Münzen geprägt habe; der betr. Typus (s. Ann. 1877, 200, 2 [oben S. 146 Anm. 4]) bezieht
sich vielmehr offenbar auf szenische Spiele und ist nichts als die Theatermaske eines
bärtigen Satyrs. Bestätigt wird dies durch ein Exemplar, wo auf dem Rvs. eine andere
szenische bakchischc Maske mit Kopfbinde (nicht Silen) dargestellt ist. — Man wird
überhaupt auch den unbärtigen edlen Pan niemals hornlos annehmen dürfen; zu den
Der Satyr aus Pergamon. 209
ward er überall und nach der Schlacht von Marathon auch in Athen verehrt. In
unseren Monumenten erscheint er allerdings erst aus der Zeit um und nach 400,
und zwar auf Attischen Votivreliefs ganz so wie ihn das homerische Gedicht
schildert, zwar mit den Abzeichen der Ziege, doch mit langem fließendem Barte
und vollem Haare, nicht ohne göttliche Würde.1 Doch die Tendenz nach bart-
loser Jugendlichkeit der Götter, welche ungefähr gleichzeitig Hermes, Dionysos 28
und den Satyrn die Barte nahm, führte dazu, daß auch der bocksbeinige Pan schon
zu Ende des fünften Jahrhunderts zwar nicht in Athen, doch in Thrakien (die oben-
genannte Münze von Aenus) bartlos gebildet ward und dasselbe war in Böotien
der Fall, wo er in einem herrlichen Votivrelief aus Tanagra als önadog und
y.vwr Tiavxodcmog der Göttermutter Rhea (Pind. Fragm. 63 ff. Böckh) neben ihrem
Throne zu stehen scheint,2 während er in einem anderen etwas späteren, viel-
leicht auch böotischen, Votivrelief nebst einem Jagdhunde als Begleiter des
von mir Annali 1877, 204, 3 [oben S. 150 Anm. 2] angeführten Apulischen Vasen be-
merke ich nur, daß bei ihnen allen eine neue Prüfung der Originale nötig ist; von den
beiden Berliner Vasen (Gerhard, Ap. Vas. Taf. 8 u. 1 1 [Berliner Vasenkatalog 3258 und
3240]) habe ich konstatiert, daß die weiß aufgemalten verblaßten Hörner des Pan nur
von der Übermalung verdeckt waren. — In dem mir soeben nach Abschluß der Korrektur
zukommenden 3. Hefte des V. Bandes der Athen. Mitteil, spricht A. Milchhöfer (S. 209)
über den altern Typus des Pan. Daß ich denselben gegenwärtig als einen von dem der
Silene ursprünglich durchaus verschiedenen erkenne, ist oben ausgesprochen. Was mich
früher Annali 1877, 199 ff. [oben S. 145 ff.] zur Annahme bewog, daß sich der Panstypus
zunächst an den der Silene angeschlossen habe, waren nur die Münzen von Pantikapäon.
Ohne der letztern im geringsten zu gedenken, oder dies ernste Hindernis zu beseitigen (wie
ich dies oben versucht), bestreitet Milchhöfer jene Annahme, die er mindestens unrichtig
aufgefaßt hat. Oder wird jemand im Ernste z. B. daran anstoßen, daß ich Ann. 1877, 201
[oben S. 147] sagte, die aufgeworfene Stumpfnase des Typus der Silene sei nicht die
Nachahmung eines tierischen Zuges, sondern eines den uomini codardi e vili eigenen?
— Ganz unrichtige Vorstellungen von der Entwickelung der in Betracht kommenden
Typen zeigt übrigens M.' Behauptung, der bärtige Pan des ganz tierischen Bockstypus
berühre sich — im 4. Jahrh. — mit „gewissen" Satyrtypen.
1 So besonders in dem schönen Relief Heydemann, Marm. in Athen Nr. 13 = Böt-
ticher, Gipsabg. Nr. 322 [Friederichs-Wolters 1137]; nur der Oberkörper erscheint auf dem
herrlichen Nymphenrelief Mitt. Ath. Inst. V, Taf. 7, das wohl eher etwas vor 400 fällt. —
— Vgl. auch Ann. 1877, 198 [oben S. 145].
2 Im Varvakion, [jetzt Nat.Mus. 1421, Arndt, Einzelaufnahmen 1250] nicht vollständig,
aus mehreren Fragmenten bestehend, von denen einige mir erst durch die Freundlich-
keit von Hrn. Dr. L. Gurlitt bekannt wurden, der das Ganze demnächst veröffentlichen
wird [Arch. Zeit. 1880 Taf. 18. Besprochen von Milchhöfer, Athen. Mitt. V S. 216]. Er-
halten ist von Pan nur der gehörnte jugendliche Oberkörper, dessen Kleinheit die Bocks-
beine ziemlich sicher voraussetzen läßt; von der wahrscheinlichen Rhea ist nur ein Ellen-
bogen und Rest des Gewandes und Thrones erhalten; rechts stehen ein bärtiger Mann
und mehrere Mädchen, eines mit Tympanon. Die Erklärung aus dem in Theben von
Pindar gestifteten Kulte der Rhea mit Pan zusammen (Pind. Fragm. 63 ff. Pyth. III, 137 und
schol.) ist mindestens sehr wahrscheinlich.
A. Furtwängler. Kleine Schriften. I. 14
2\Q De» Satyr aus Pergamon.
Dionysos auftritt.1 - Doch gerade die Vorstellung von dem Jäger Pan, dem
und dypetJc (s. bes. Anth. Pal. VI passim) scheint die Bildung eines
neuen Typus, des völlig menschlichen edeln jugendlichen nur mit zwei Hörnchen
versehenen Gottes begünstigt zu haben. So sehen wir ihn denn als schönen
Jäger auf einem Felsen sitzend ruhen oder mit einem Häschen spielen, wie ihn
die herrlichen Münzen des vierten Jahrhunderts von Arkadien und von Messana in
Sizilien- zeigen. Wo dieser Typus zuerst entstand ist unsicher; da er in Athen in
religiösen Darstellungen niemals und nur gelegentlich auf bemalten Vasen des
29 späteren Stiles erscheint, so war hier der Ursprung schwerlich. Dagegen können
wir nachweisen, welche Kunstschule es war, die jenem Typus seine in der statu-
arischen Kunst kanonische Gestalt verliehen hat. Es war die Nachfolge Poly-
klets in Argos, die das berühmte Musterbild edler jugendkräftiger Gestalt, den
„Doryphoros" ihres Meisters einfach zum Gotte Pan umschuf, indem sie, alles
andere belassend, nur anschmiegende Hörner und in die Hände Syrinx und
Pedum zufügte. Mehrere erhaltene Statuen und mehrere einzelne Köpfe3 geben
uns eine Anschauung dieser Komposition. Ruhig steht der Gott auf dem rechten
Beine, das Haupt etwas geneigt. Es liegt ein eigenes Etwas in diesem Typus,
das uns als stille Schwermut, als eine passive tiefe Melancholie anmutet, die
weitere Entwickelung von etwas, zu dem der Doryphoros selbst nur einen Ansatz
zeigt. Es ist dieser Hauch einer ruhigen Wehmut etwas ganz anderes als jene
aktive, sehnsuchtsvolle Erregung, welche attische Werke derselben Zeit durch-
zieht. So äußert sich die Tendenz der Zeit, das Streben nach dem Ausdruck
subjektiver Empfindung, verschieden in Athen und Argos; und wir werden darin
bestärkt, in jenem Wesen einen charakteristischen Zug der späteren, uns bis jetzt
noch so wenig bekannten Peloponnesischen Schule zu sehen, wenn wir uns
einer anderen statuarischen Komposition erinnern, die namentlich im Typus des
Kopfes die unverkennbarste Verwandtschaft mit jenem Pane hat; ich meine die
gewöhnlich Narkissos genannten, besser vielleicht als Hyakinthos zu deutenden
Jünglingsstatuen, die mit der einen Hand sich aufstützend den Körper entlasten
und die andere Hand schlaff auf den Rücken legend schwermütig zur Erde blicken.*
1 In Berlin (Gern. Nr. 812 [Beschr. d. ant. Skulpt. 687]), von Prokesch aus Griechen-
land mit der bekanntlich nie stringent beweisenden Provenienz Athen gebracht; das
Material, ein sehr feinkörniger, kalksteinähnlicher Marmor würde eher für Böotien sprechen.
Von Dionysos ist nur der Unterkörper erhalten.
1 Auf andern Münzen von Messana und solchen von Syrakus erscheint nur der
Kopf des edeln gehörnten Gottes, durch beigefügte Syrinx sicher. — Die andern angeb-
lichen Darstellungen des Pan auf Sizilischen Münzen sind ganz unsicher oder sind als
Flußgöttcr zu fassen.
' Siehe vor allem die von mir Mitt. d. Ath. Inst. III. Taf. 12 publizierte Bronze;
dann die sehr verwandten zwei Statuen des M. Cossutius [Brit. Mus. Cat. of. sculpt. 1666,
7) und eine dritte im Vatikan (s. Annali 1877, 202 Anm. 2 [oben S. 148J) und mehrere
Köpft (ebenda S. 203 [oben S. 148 ff. I'urtwänglcr, Meisterwerke S. 480]).
4 Ich selbst habe in einer früheren Behandlung dieses in zahlreichen Kopien er-
Der Satyr aus Pergamon. 211
So hatten sich denn unabhängig von einander und ungefähr gleichzeitig die 30
edeln Typen des jugendlichen Satyr und des jugendlichen Pan entwickelt. Eine
Berührung zwischen den beiden, doch so verwandten Wesen war ungemein
nahe liegend. Sie erfolgte in vollem Maße in der hellenistischen Zeit und ward
begünstigt durch eine bekannte Richtung eben dieser Epoche, durch die idyllische
oder bukolische. Das Harmlos-Ländliche, Hirten, Jäger, freie Natur und alles,
was damit zusammenhing, das waren Lieblingsgebiete der damaligen Phantasie.
Bekanntlich ist für uns das klarste Zeugnis dieser Richtung in der Pompeianischen
Wanddekoration erhalten, wo sie uns aus allen Ecken und Enden in Gestalt von
Pedum und Syrinx, von ländlicher Kapelle, Hirten und Herden entgegentritt.
Nun waren zwar die Satyrn bisher teils als von allerlei tollen Mutwillens voll,
als tanzend und flötend — xgö^ ög%)]oiv xal fxeXcodiav xal Tiäoav äveaiv xal
naxbvav euderoi, Diodor. I, 18 — , teils als edle Diener ihres weichlichen Herren
dargestellt worden, aber das Ländliche hatte ihnen durchaus gefehlt. Dies mußte
von Pan, dem Jäger und Hirten auf sie übertragen werden; von ihm entlehnen
sie nun die Rohrflöte, von ihm den Hirtenstab, von ihm auch gewisse Abzeichen
der Ziege, dieses echt idyllischen Tieres. — Indeß wurden durch diese Berührung
von Satyr und Pan natürlich gelegentlich auch Züge der Satyrn auf letzteren
übertragen; und zwar geschah dies gerade zu Anfang der hellenistischen Epoche.
Von Antigonos Gonatas nach der Gallierschlacht geschlagene Kupfermünzen
zeigen Pan durchaus im Typus eines jugendlichen Satyrs mit Schwanz, doch
mit Hörnern versehen, wie er ein Tropaion aufrichtet,1 und Silbermünzen desselben
Königs geben dem Panskopfe ganz die Züge des derben Satyrtypus nur mit Hörnern 31
(Wieseler, D. a. K. I, 232), und ganz dasselbe tun Kupfermünzen von Pella in Make-
donien (Mionnet, Suppl. III, 89 Nr. 547 ff.). — Auch für jene Übertragungen von
Pan auf die Satyrn haben wir jetzt einen festen Haltepunkt in den Pergamenischen
haltenen Typus (Bull. d. Inst. 1877, 158 ff. [oben S. 131 ff.]) mich lebhaft für Narkissos er-
klärt. Gegen ihn spricht jedoch, daß er vor der hellenistischen Zeit nur in der phokischen
und böotischen Lokalsage existiert zu haben scheint, während unser Typus sicher ein
älterer und, wie oben hervorgehoben, ein peloponnesischer ist. Der Kopf ist am besten
erhalten in dem Bull. 1864, 256 erw. jetzt in Berlin befindl. Exemplare [Beschr. d. ant.
Skulpt. 263]. Der in Lakedämon alte Kult des Hyakinthos, des schönsten der Jüng-
linge, ist bekannt. Das schwermütig matte Versunkensein würde dem Bilde des durch
frühen Tod Hingerafften wohl anstehen. Zu Boden blickend, steht Hyakinthos Apoll
gegenüber auf einem Gemälde bei Philostr. iun. 14. — Daß der Apfel, den in der Tat
zwei Exemplare (s. Bull. 1877, 158 [oben S. 131]) in der auf dem Kücken liegenden r.
Hand zeigen, einfach für einen Todesdämon beweise, ist durchaus unhaltbar. Es wird
nach der gewöhnlichen Bedeutung des Apfels ein Liebesgeschenk von Apollo sein sollen.
[Furtwängler, Meisterwerke S. 483 ff.]
1 Über den Typus des jugendlichen Pan mit Satyrschwanz s. meine Bemerkungen
gegen Stephani in Annali 1877, 447 ff. [oben S. 182 ff.]. Zu den sichern Beispielen ist
außer obigem Münztypus hinzuzufügen ein spätattischer Krater in Berlin Nr. 1015 (Gerh.).
[Furtwängler, Vasenkatalog 2648.]
14*
212 Dbr Satyr aus Pergamon.
Reliefs. Satyrn dos derben, jugendlichen Typus begleiten dort Dionysos; an dem
einen ziemlich erhaltenen Kopfe sind die Haare gesträubt und am Halse hängen
jene kleinen Zotteln der Ziegen (7 faea), die wir von zahlreichen Satyrn des
Kindlichen Typus kennen (Annali 1877, 208 [oben S. 153]); ein andrer wohl-
erhaltener Satyrkopf vom kleinern Friese1 zeigt gar die kleinen sprießenden
Hörner der Ziege,- die (nicht zu verwechseln mit den längern des Pan) wir ja
auch als den ländlichen Satyrn eigen kennen, ihnen die Lukian (Bacch. 1) die
tixovs veaviaxovg nennt, die xigaza ola toJ^ uqti yevvrj$WHV igkpoig
rn,»t vetcu (vgl. deor. conc. 4), die Hörnchen, die ja auch dem Typus unsrer
Alberti'schen Statue nicht zu fehlen pflegen.
So hätten wir denn unsern beiden Monumenten in einem größern historischen
Zusammenhange ihre Stelle angewiesen; der etwas mühsame Pfad, der uns dazu
führte, wird uns aber den reinen Genuß nicht stören an jenem Bilde frischer,
sprühender, ungetrübtester Lebenslust, von dem wir ausgingen, an dem Satyr
von Pergamon.
1 Das Stück der großen Reliefs ist skizziert in Conze u. Humann, Ergebnisse I S. 53
Ausgrabungen von Pergamon III, 2 Taf. 1, der Kopf vom kleinern Friese dort Taf. 36, 2].
Der kleinere Fries enthält noch eine schöne, sitzende, jugendliche Figur, die das
Knie mit beiden Händen umfaßt; das Gesicht fehlt größtenteils, doch die langen Spitz-
ohren sind erhalten; die unbärtige, schwanzlose edle Gestalt wird wahrscheinlich Pan sein,
vielleicht als Repräsentant Arkadiens in einer auf Telephos Jugend bezüglichen Szene.
[Ausgrabungen von Pergamon III, 2 Taf. 32, 2. ]
- Zu den gehörnten Satyrn vgl. Annali 1877, 208 ff. u. 448 [oben S. 153 ff. u. 183].
Ohne Verständnis für die tatsächliche historische Entwicklung gelangt Stephani,
Compte rendu 1874, 66 ff. zu ganz falschen Resultaten, indem er (S. 79) behauptet, es sei
kein Zweifel, daß die Alten „schon in sehr frühen Zeiten' den Satyrn Ziegenhörner
gaben und indem er die Hörner zur Unterscheidung von Satyr und Pan überhaupt un-
brauchbar erklärt und statt dessen „den kritischen Wert des Pferdeschwanzes" in helleres
Licht setzen zu müssen glaubt.
ARIANNA DORMENTE
E BACCO SOPRA CRATERE ETRUSCO
(MON. DELL' INST. VOL. X TAV. 51 [= Taf. 7]; ANNALI DELL' INSTITUTO
50, 1878 TAV. D'AGG. H. J. [= Taf. 8. 9, 1 u. 2])
el cratere, che col grazioso permesso del proprietario sig. principe del 80
Drago vien pubblicato sulla tav. 51 dei nostri Monumenti [Taf. 7], e
uscito da quella necropoli posta fra Filacciano e Nazzano sul confine
dell'Etruria e della Sabina che pochi anni fa fu descritta dal sig. Heibig (Bull.
1873 p. 113 sg.). II principale risultato di questi scavi furono alcuni grandi
crateri, fra i quali primeggia il nostro per la rappresentazione nuova. Giacche
la donna che dorme nel centro distesa sopra una pelle di pantera e che, sebbene
mancante della testa e del petto, puö interamente ricomporsi, senza dubbio e
Arianna abbandonata da Teseo, alla quäle s' avvicina Bacco col suo corteggio.
Ma prima di occuparci del soggetto vogliamo esaminare la tecnica ed il
carattere stilistico del nostro vaso. II disegno e condotto con un pennello
assai fino (ma non colla penna) e con colore molto denso, sieche le linee,
almeno sulla parte principale, hanno il solito rilievo dei buoni vasi. Col mede-
simo colore, ma stemperato molto con acqua, sieche diviene brunastro, sono
fatti i contorni tanto esterni quanto interni delle parti dipinte in bianco. Anche
gli orecchini dunque, le armille e le collane sono brunastre,1 ciö che e da notarsi
come differenza della tecnica solita, nella quäle il disegno sul bianco e sempre 81
eseguito in giallo. Oltre ciö si e adoperato un rosso scuro per aleune aggiunte
come le corone d' ellera, i puntini nel tirso, i fili di perle attorno il petto del
Satiro a sin. , per le frutta del canestro del Satiro, per le frondi del gran tralcio
di vite e per gli stivali di Bacco. Col rosso mischiato al bruno sono fatte le
frutta del canestro a sin. II giallo invece manca affatto.
II vaso ha la forma di cratere e gli ornamenti soliti per questo genere, cioe
al di sopra le foglie d'alloro e al di sotto le palmette giacenti; piü comune di
queste perö suol essere il meandro. Anche il carattere della composizione ap-
partiene ad un tipo ben distinto, col quäle si decoravano nelle fabbriche attiche
piü recenti specialmente i crateri, non esclusi perö altri vasi che offrissero uno
spazio analoge Vi sono cioe le figure raggruppate attorno di un centro in due
file, ma cosi che quelle dell' ordine superiore colle gambe sogliono entrare nell'
1 Dello stesso colore sono aleune striscie riportate sugli abiti ricamati.
214 Arianna Dormentk
ordine inferiore. Le figure sedenti alle due estremitä rivolte colle gambe al di
iuori, col viso verso l'interno, appartengono anch' esse a questo tipo di compo-
sizioni vascolari. 11 loro rovescio quasi sempre e decorato con sole tre figure
grandi, per lo piu bacchiche, cioe Menadi con Satiri, oppure con quei giovani
ammantellati, soliti giä nei vasi dell' epoca anteriore.1 Lo stile del disegno e
sempre del piu libero ed e caratteristico a questo tipo che gli abiti tanto delle
donne quanto degli uomini per lo piu sono coperti di ornati ricchi specialmente
;oll' ornamento delle onde, con raggi e palmette. Le donne sogliono esser di-
pinte in bianco. Anche i soggetti, nei quali predominano quei bacchici senza
azione dedsa, ed i concetti di alcune figure- hanno un carattere speciale. I
Satiri generalmente sono ancora barbati; quegli imberbi ritengono perö la cal-
vizia sopra la fronte, mentre alcuni ricci sogliono cadere avanti gli orecchi.
Amore non ha mai i capelli acconciati in maniera femminile.
Si possono fare delle suddivisioni e distinzioni piu sottili nei tipo de' vasi
in discorso, ma per ora basti d' averne accennato alcuni tratti principali. Quanto
alla fabbrica cui originariamente appartiene codesto tipo, non puö essere dubbio
a chiunque si occupa della pittura vascolare piu recente, che essa e attica. Non
posso entrare qui in tutte le particolaritä, e siccome io cercherö altrove di svi-
luppare ampiamente il carattere speciale della pittura vascolare recente in Attica
in confronto a quella nell' Italia meridionale ed in altri siti, lascio per ora questo
tema e mi rivolgo al nostro cratere.
La questione che sorge si e, se esso sia di fabbrica propriamente attica,
o se piuttosto sia un' imitazione eseguita altrove. I seguenti indizi ci costringono
a rispondere in quest'ultimo senso. Di minor importanza sembra la maniera
sopra descritta di disegnare sul bianco con color brunastro, mentre i vasi attici
ivi adoperano il giallo.:i Ma tale identica particolaritä e gli stessi orecchini, gli
stessi ricci davanti l'orecchio, le stesse armille, gli stessi profili delle donne si
83 trovano in due vasi del museo Gregoriano, del resto di tecnica diversa, ed
ambedue indubitatamente etruschi/ L' uso poi del colore rosso-brunastro pei
1 Facendo astrazione di tanti altri non pubblicati voglio citarne soltanto alcuni ad
ognuno noti come Laborde, Vases Lamb. I 65 [Wien, Sacken-Kenncr S. 227 Nr. 160], Miliin,
Vasei peints I 56. 57. ib. 1 67.
; Cosi p. es. i Satiri o Ninfe con canestroni di frutta, come sul vaso nostro, sono
frequenti proprio in questo genere di vasi.
3 In un cratere della Beozia pero ho veduto qucllo stesso nerastro bruno sopra il
bianco.
4 Ambedue non pubblicati e di provenienza ignota. 11 primo, un cratere nella sala
delle tazze, t in tutta la tecnica e lo stile molto analogo al nostro, benche il carattere
etru ia molto piu palpabilc (giä nella forma che e la stessa come Mus. Gregor. II,
95, van nei mezzo della fila infima). Sulla parte principale si vede Perseo e la Medusa,
dal collo della quäle spunta la testa del Pegaso. II rovescio e bacchico. — L'altro vaso
anfora ai manichi con volute cd £ il piu bei campione di quella tecnica non rara
e Bacco Sopra Cratere Etrusco. 215
dettagli sopraccennati e del tutto estraneo ai vasi attici di questo tipo ed appar-
tiene al periodo anteriore dello stile cosi detto bello e quello severo. Ma, ciö
che piü importa, anche il disegno dei profili, delle donne in ispecie, ed i movi-
menti — come quello del Satiro a dr. di Bacco — il panneggio nelle parti mosse,
poi anche la striscia delle palmette in giü, alle quali manca non tanto accura-
tezza quanto la vita, infine la grossa tenia sospesa nel campo libero del rovescio,
— tutto questo non si combinerebbe coli' origine attica, ma non offre nemmeno
analogie sufficienti per riconoscervi alcuna delle fabbriche dell' Italia meridionale.
Arroge una cosa che non e di lieve importanza, ed e la figura di Bacco
stesso. Non dico il chitone ricamato — giacche questo e una particolaritä
appunto del Dioniso attico — ma e la barba che mi offende e la quäle deve
dirsi del tutto estranea al Bacco di questo stile vascolare, perche collo stile
»bello« essa svanisce affatto. Anche qui dunque il pittore del nostro vaso fram- 84
mischiava delle reminiscenze di uno stile anteriore, e cosi si spiegherä pure quel
tralcio di vite che insieme con un grosso scettro egli tiene nel braccio.
Riassumendo questi fatti dobbiamo riconoscere qui l'imitazione di un cratere
attico fatta nell' Etruria meridionale stessa. Ne ci mancano delle analogie per
questo fatto. Prima di tutto esaminiamo gli altri vasi dello stesso scavo.1 E
fra questi almeno un cratere (Bull. 1873 p. 122) per la tecnica perfetta ed il di-
segno finissimo non lascia alcun dubbio intorno la sua origine propriamente
attica.2 Ma un terzo cratere proveniente dalla stessa tomba col nostro (1. c.
p. 117, 2) e interessantissimo per la questione dell' imitazione; giacche egli per
la tecnica in generale non puö separarsi dal nostro, non offre perö — se
eccettuiamo la grossa tenia nel campo libero — tante particolaritä che si dov-
rebbero ascrivere all' imitazione, come quello; i profili e tutto il disegno si puö
dire quasi attico.3 Meno bene dunque e riuscita 1' imitazione nel nostro vaso,
ma ancora piü evidente e l'influenza locale nel terzo cratere della stessa tomba4
nei vasi etruschi, di dipingere le figure con color rosso sopra la vernice nera. Rappre-
senta sul ventre una donna in ginocchi minacciata da un giovane colla spada: sul collo
due Amori con un ragazzo, giuocanti come pare. Lo stile e libero ed imita bene i vasi
di stile bello. Siccome esso probabilmente in un' altra occasione sarä pubblicato, cosi
mi astengo da una descrizione piü dettagliata.
1 Per la squisita gentilezza del principe del Drago potei con ogni agio studiare i
sette vasi grandi esposti ora nel suo palazzo. I vasi piccoli perö ed i frammenti non
li ho veduti.
2 L'argilla e piü rossa della nostra, la vernice piü lucente, i profili ed i capelli sono
fatti come p. es. nel vaso attico Mon. III 31. Lo strumento non e il pennello ma la
penna. — Sgraziatamente non si poteva piü fissare la tomba donde era sortito, ne gli
oggetti trovati assieme.
3 La composizione e pure ben ordinata secondo le norme del tipo di questi vasi.
Sopra la rappresentanza del rovescio cf. la postilla al mio articolo negli Annali 1877
p. 448 [oben S. 182].
4 La tecnica e la stessa come nel nostro ; ma vi si aggiunge che le code dei Satiri
•2\(\ Akianna Dormi Ml
.c. p. 118,3). - Una grande distanza probabilmente non tanto di tempo
quanto di carattere - separa queste imitazioni di vasi attici da un' altra specie
di fabbrica locale trovata insieme con specchi ed altri prodotti dell' arte etrusca
piü recente negli stessi scavi,1 la quäle non ha da fare con originali attici, ma
nella tecnica e nel carattere degli ornamenti offre molti punti di contatto colle
piü recenti stoviglie della Campania.'-'
Ma questa necropoli presso Nazzano non e la sola che offra tali specie di
vasi. Anzi quella di Poggio Sommavilla posta in vicinanza della prima mostra
dei fatti assai simili. Anche qui cioe si trovano dei crateri attici dello stile
recente, e sono quelli due nel museo di Parma, uno dei quali appartenente dei
tutto a quel sopra descritto tipo e pubblicato nei Mon. II 55, l'altro presso Jahn,
Arch. Beitr. t. 5. 6. [Heydemann, Oberital. S. 48, 45.46.] Dell' imitazione poi di
originali attici c' e un esempio molto significante nel vaso Lambruschini,3 lo
stile dei quäle giä da Heibig (1. c. p. 115) fu confrontato con quello dei nostri
crateri. Anche qui negli ornamenti degli abiti, nel disegno dei capelli e delle
teste ed in tante altre particolaritä si scorge 1' influcnza dell' originale attico; ma
non soltanto pel disegno un po' stentato e per certi ornamenti, ma anche nel
soggetto pel grosso sbaglio di confondere un rapitore dei Palladio con Mer-
86 curio* rivelasi 1' artista etrusco. — II rovescio non distinguendosi, come pare
secondo il lucido, dai vasi della sopraccennata seconda specie la quäle
anche a Sommavilla vien rappresentato da un vaso importante (Berlino n. 1789
[2953]) -- ci mostra che quelle due specie erano contemporanee, ciö che viene
confermato da uno scavo a Castel d' Asso ove secondo Heibig (Bull. 1874
p. 261) uscivano dalla medesima tomba un' idria di quello stile attico imitato
con vasi di quell' altro genere piü comune e piü cattivo che sta in relazione
coi prodotti della Campania.
Altri esempl simili al vaso nostro finora non sono a mia conoscenza, eccet-
tuato uno molto interessante che si pubblica sulla tav. d'agg. H [Taf. 8] dietro
sono fattc nella manicra etrusca, cioe tutte riempite di color bruno, nc i puntini bianclii
nel fregio delle palmette in giü sono di uso attico, mentre essi si trovano in crateri della
Beozia. — II rovescio e molto rozzo.
1 Se la lazza descritta I. c. p. 121 infatti appartienc alla prima nostra classe (io non
la ho vcduta), queste due specie si trovano nella stessa tomba.
- Qui appartienc I' anfora descr. 1. c. p. 122 ed il holmos ib. al qualc esiste un
compagno (non mentovato dal Helbig) con rappresentanza senza speciale interesse.
1 Arch. Ztg. 1818 t. 17, 1. Un lucido piü csatto presso l'Istituto. [.'originale adesso
m trova a Lisbona; e un vaso a colonnettc (erroneamente il Jahn, Hinlcit. zur Münchner
Vascnsammlung p. LXIV lo chiama eratcre).
4 i-.vidcntemente I' originale era come Miliin, Peint. de vases II 18 [Paris, Cabinet des
Medaillcs] o Laborde, Vas. Lamb. I 75 [Wien. Sacken-Kenner S. 217 Nr. 68], ne si deve
cercare un senso mitologico nascosto. Che la figura colla clava sia maschile, dal lucido
mi pare certo. Qu;ili liano i dettagli della tecnica, sgraziatainc-nte non c noto.
e Bacco Sopra Cratere Etrusco. 217
un lucido esistente nell'apparato vecchio dell' Institute Sgraziatamente il luogo
della provenienza — che sarä stato nell' Etruria meridionale — e ignoto, ne si sa
il luogo ove attualmente esiste [Jetzt in Bonn. Salis im Aren. Jahrbuch 1910 S. 132].
E un cratere il cui disegno, benche risenta molto piü della influenza nazionale,
da non potersi porre in dubbio la sua origine etrusca, e perö simile a quello
del nostro vaso. Col quäle peraltro esso ha comune la particolaritä del Bacco
barbato, confermando cosi che anche nel nostro vaso quest' anomalia deve
ascriversi all' artista etrusco.1 II gruppo principale, in cui Bacco vien quasi
tirato innanzi da Arianna e copiato da un originale simile al vaso attico Mon. III 87
31, ove troviamo il gruppo medesimo ma con Bacco imberbe. Non meno
interessante e il gruppo a destra: vi vediamo un Satiro barbato che porta sul
dorso una Baccante nuda e dipinta tutta bianca con clamide sul dorso, che
sta suonando le doppie tibie. Appunto questo gruppo si vede delle volte
sopra vasi arcaici a figure nere,2 mentre se nell' arte piü recente oecorre
un motivo simile — p. es. le numerose donne portanti Amore oppure delle
compagne — la figura viene portata in tutt' altra maniera, mettendo cioe una
gamba fra uno dei bracci ripiegati del portatore ecc. Dobbiamo dunque costatare
un altro esempio di quella confusione proprio etrusca di originali arcaici con
altri recenti. — II rovescio mostrante un uomo ballante con oenochoe in mano3
in mezzo fra due giovani ammantati, e molto simile a quello del vaso Lam-
bruschini, confermando cosi l'affinitä dei due vasi.
Debbo dire infine che anche a Cerveteri si e trovato un vaso (oenochoe
mentovata nel Bull. 1865 p. 219) appartenente alla nostra serie. La composizione
ne e propriamente attica (ma senza special interesse) ed anche il disegno — per
quanto posso giudicare dal lucido dell'Instituto — non aecusa altro paese che 88
1' Attica stessa.4
1 Un terzo esempio di Bacco barbato in un vaso etrusco dello stile recente c il
giä citato di Sommavilla a Berlino 1789 [2953], ove l'uomo barbato col corno potorio
senza dubbio e Bacco. — Sülle tazze chiusine Gerhard, Trinksch. u. Gef. 10, 3 [Berlin
2943] e Annali 1868 tav. B che imitano piuttosto lo stile „belle, egli puö meglio
giustificarsi.
2 Cosi sopra un'anfora attica di Cerveteri giä del signor Aug. Castellani (disegno
presso l'Istituto) ove la donna e pure rivolta all' altra parte e suona le tibie ; cosi poi in
un' altra anfora di Corneto (Bull. 1859 p. 131) ove quattro Sileni portano altrettante donne,
due delle quali suonano le tibie. Stanno in relazione con queste altre rappresentazioni,
ove un Sileno porta il suo compagno — come sopra un vaso orvietano di stilo severo:
Annali 1877, p. 133 — oppure Bacco e Arianna dai Sileni vengono portati sulle teste —
come in una tazza chiusina a fig. nere.
3 E dessa interessante, perche il carattere degli ornamenti mostra che il pittore
pensava ad un vaso di quella teenica che dipinge col rosso sopra il fondo nero; era
dunque contemporanea questa specie con quella in discorso.
4 II Brunn perö dice 1. c. »la qualitä della terra e della vernice che poco ha resistito
alle influenze del tempo, mi fanno credere ad una fabbrica particolare«. — Le donne
sono bianche ed i chitoni hanno i soliti ornamenti di onde e raggi.
218 ÄRIANNA D0RMENTE
II risultato duiique di questi fatti e che dei vasi attici specialmente crateri
della seconda metil del secolo IV incirca, quali nella Campania e principalmente
a S. Agata dei Goti non sono rari, venivano anche nell'Etruria meridionale, ove
tarono la Viva imitazione almeno di una fabbrica — la quäle forse servivasi
anche di operai greci? il cui sito, per quanto possiamo congetturare per ora,
sarä stato nella parte Orientale dell' Etruria meridionale. Vediamo raggiunto in
queste imitazioni, le quali formano perö un ciclo ristrettissimo confrontato colla
grandissima quantitä degli altri vasi di fabbrica locale, il piü alto grado dell' arte
etrusca recente e servono di conferma a ciö che esposi negli Annali 1877 [oben
S. 17S] intorno 1' abilitä con cui furono imitati i rilievi di teche di specchi, ma
pure questi soltanto nell' Etruria meridionale.
Intorno le altre specie di vasi dello Stile recente che si trovano nell' Etruria
tema che io mi propongo di trattar piü diligentemente in altra occasione —
riesce importante in primo luogo il risultato negativo, che vasi di fabbrica
pugliese — neppure vasettini con soli ornamenti pugliesi — non si trovano
affatto nell' Etruria, per quanto io in viaggi iterati potevo costatare. Per conse-
guenza non furono imitati mai vasi pugliesi.1 Ma importati e forse anche imitati
89 furono alcuni probabilmente della Lucania.2 L' influenza predominante perö
sopra la fabbrica locale nell' Etruria evidentemente l'esercitavano — alla fine del
sec. IV e nel sec. III — le fabbriche della Campania, ciö che vien provato dalla
maniera della decorazione e da altre circostanze che qui non e il luogo di anno-
verare. Anche quei crateri attici dei quali parlammo sopra, saranno venuti proba-
bilmente di lä; perche durante il sec. IV 1' importazione di vasi diretta dall'Attica
all' Etruria pare d'essersi diminuita e poi d'aver cessato per fare posto alla fab-
bricazione locale sotto 1' influenza predominante della Campania.3
Avendo ricevuto cosi il nostro cratere il posto suo nella storia della pittura
1 Nei vasi di Bomarzo citati come tali da Jahn, Beschr. der Vasensammlg. in München,
EinL nota 525 il caratterc principale e qucllo proprio etrusco c nazionale e gli elementi
sono piuttosto presi dalla Campania che dalla Puglia.
* Lo stile di questa contrada riconosco in un vaso della stessa Sabina ora nel-
l'Accadcmia di Pietroburgo (lucido presso l'Istituto). A Cerveteri pure si trovava un
tal vaso (giä Castellani) rappresentante un giovane con strigile fra due donne. Ad una
fabbrica analoga, ma migliore e probabilmente anteriore, il luogo della quäle non posso
re ancora, ma che non c ne attica ne pugliese, appartiene non soltanto il vaso cor-
netano ncll'Arch. Ztg. 1851, t. 36, ma anche quell' olla trovata a Orvieto (mentovata
da Körte, Annali 1877, 138,32); questo stile forse trovö un'imitazione cccellente in due
i eretani del sig. Aug. Castellani.
1 Aggiungo a queste osservazioni che i crateri della Bcozia offrono un'analogia
frappante ai sopra descritti dell' Ktruria, essendo anch'cssi in parte importati dall'Attica,
in parte imitati dagli originali attici, dai quali non di rado si distinguono difficilmcnte,
mentrc una terza classc al primo sguardo per la tecnica cd il discgno rivelasi come
•/.io. Ne parlcro piü cstcsamentc in altra occasione.
e Bacco Sopra Cratere Etrusco. 219
vascolare, cominciamo ad esaminar il soggetto rappresentato, cioe Arianna addor-
mentata cui s' avvicina Bacco col suo corteggio.
Una volta si poteva credere che Arianna dormente fosse un soggetto
proprio soltanto all' arte alessandrina, e che perciö il vaso nostro possa servir di
aPP°gg'° alla creduta relazione delle pitture murali delle cittä campane coi vasi 90
dipinti. Una tazza cornetana bellissima, di Stile severo, che verrä pubblicata nei
Monumenti dell' anno futuro [XI, 20 vgl. Annali 1885 S. 154], ci mostra il fatto
che giä circa la metä del secolo quinto suoleva rappresentarsi, almeno in pittura,
Arianna dormente. La tazza che dall'una parte mostra Elena, la sposa infedele,
perseguitata da Menelao, rappresenta dall' altra uno sposo infedele, cioe Teseo
che lascia Arianna: ma tanto Elena quanto Teseo stanno sotto l'ordine di di-
vinitä, quella sotto Afrodite, al tempio della quäle fugge or ora, e questo sotto
Mercurio l che e venuto per guidarlo via. Teseo sta per prendere i suoi sandali
dal suolo ove dormendo li aveva messi, e s'apparecchia cosi a seguire Mercurio.
La sorte perö che aspetta Arianna vien accennata da una grandissima vite al
lato suo e dall' Erote che viene giä a coronarla. La scena seguente, quando
cioe arriva Dioniso, non la possediamo ancora in un monumento del secolo
quinto, ciö che probabilmente non e che per caso. E vero che il noto vaso
di stile severo presso Gerhard, Etr. u. camp. Vas. 6. 7 [Berlin 2179] offre una
composizione totalmente diversa, provando cosi che a quel tempo la scena di
Bacco con Arianna dormente nell' arte non era ancora divenuta tipica ; - ma la
nostra tazza contiene quasi accennata anticipatamente la seconda scena. Scono-
sciuta sgraziatamente e 1' epoca delle pitture nel tempio di Dioniso a Atene
(Paus. I 20, 2), ove era rappresentata Arianna dormente probabilmente nel mezzo,
e da un lato la partenza di Teseo e dall' altro 1' arrivo di Bacco. Si puö con- 91
getturare soltanto che questa decorazione del tempio si sia eseguita con proba-
bilitä nello stesso tempo, quando Alcamene fece la nuova statua criselefantina
del dio, cioe ancora nel secolo quinto. [Münch. Sitzungsber. 1901 S. 413.]
Fra le due rappresentazioni piü antiche di Arianna dormente che ci siano
conservate resta perö l'intervallo di piü di un secolo. Da ciö debbon anche
spiegarsi alcune differenze che offrono le due figure: sulla tazza essa e vestita
completamente nella maniera delle donne in questo stile; sul cratere nostro il
corpo superiore e nudo. Mentre quella giace sulla sola roccia, questa vi ha
aggiunto un cuscino e una grande pelle di pantera che accenna anticipatamente
alla sua natura bacchica; e mentre quella nella posizione delle membra e nel
1 Servio ad Georg. 1, 222 menziona anche questa versione del mito, l'antichitä della
quäle per la nostra tazza vien provata.
2 Una bella anfora a volute dello stile severo esistente nella Biblioteca vaticana
rappresenta lo sposalizio del tutto nelle forme tipiche umane: Bacco barbato perfetta-
mente vestito appoggiando il tirso conduce verso d. la sposa velata prendendola alla
mano sinistra.
ARIANNA DORMl Ml
capo sostenuto dal braccio sinistro ritiene una certa dignitä quasi rigida che non
si abbandona tutta al sonno, questa invece si e sdraiata mollementc giacendo
mezza sul ventre e rivolgendo le ginocchia in giü; la testa, ora perduta, riposava
sulle bracda, sieche il motivo riesce molto simile, meno la direzione diversa, a
quella figura giacente poco chiara ' sopra im cratere capuano dello stesso stile
attico recente (Mon. X 3 [Würzburg] — concetto che nell'arte piü recente non
ho trovato piü nella stessa guisa. — II connesso delle nostre rappresentazioni
con quelle delle Baccanti dormenti e innegabile; perciö ne dobbiamo fare
una breve rassegna. II vaso piü vicino al nostro cratere quanto allo stile sarä
un' anfora di Pietroburgo (Stcphani, Vasens. der Erm. n. 2161) proveniente dalla
Crimea, che mostra la Ninfa dormente col braccio d. rivolto sulla testa, ma
vestita del chitone, in inezzo fra due Pani caprini che si allontanano non osando
sturbarla. Nello stile del secolo quarto e eseguito un vaso del museo Sant-
angelo a Napoli (n. 313 Heyd.)2 ov'essa alza pure un braccio sopra la testa e
vien guardata da due Satiri barbati che si avvicinano a passi di danza. Ma i
vasi piü importanti sono tre dello stile ancora un po' legato degli Ultimi decenni
del secolo quinto. Di uno sgraziatamente non posso citare che le descrizioni
(Mus. etr. de Luc. Bonap. de Canino, Viterbe 1829 p. 65, 543 = Cat. Durand
139 = Beugnot 27 = Rouen catal. 1868 p. 75 n. 23). II carattere del disegno
di quest' idria - che si dice di una finezza ammirabile — puö rilevarsi dall' is-
crizione KAUOS;3 la Baccante dormente vestita del chitone e assalita da due
Satiri barbati itifallici. La composizione pare sia molto simile alla pittura di
un' anfora cosidetta nolana,4 della quäle per la squisita gentilezza del sig. Heydc-
mann che me ne favoriva il lucido, posso offrire ai lettori un disegno un po'
1 La spiegazione del eh. Stephani, Annali 1874 p. 76, che cssa sia Adone ferito dal
dnghtale, e piü che improbabilc. A me non pare dubbio che il fabbricatore molto negli-
gente del vaso in discorso abbia disegnato un giovanetto invece di una Ninfa sorpresa
dal Satiretto. Tulto il vaso e trascurato e consiste di figure o gruppi presi da altre
composizionl ed appena messi in rclazione fra di loro: un tale gruppo c la Ninfa ossia
Venere lattante Amore, e sul rovescio quell'uomo barbato ubbriaco (non e an Satiro,
come dice lo St.), che vien condotto da un Sileno. I due giovanl sulla parte principnlc
nell" ordine superiore a dr. V uno seduto c l'altro stante, ambedue con clamide, non
ono essere Satiri ne trovano aleuna spiegazione in questo luogo. Fra le figure
nfinc aleuni molivi sono ripetuti due 0 tre voltc.
II eh. Heydemann nel suo catalogo p. 707 annovera in quest' occasione altri vasi
qui riferibili (cf. anchc llclbig, Untersuch, p. 238), dei quali perö n. 3 c 4 sono identici;
il n. 5 lo escludo dallc mie considerazioni perche pubblicato troppo insufficicntemcntc.
Le due lettere 2' Q graffite sul piede del vaso, sc sono fatte prima che l'argilla
fu cotta, provano soltanto che il vaso appartiene al periodo di transizione dei due alfabett,
l.i fine del secolo V.
menzionata da Panofka (Arch. Ztg. 1848, p. 248, 5) il quäle leggeva accanto alla
Baccante HO*; (Heydemann, Neapel S. 707 Nr. 1] il nostro disegno invece offre leite
letter»- c tut. diverse da quelle del Panofka; ne la forma piü recente i. e certa.
e Bacco Sopra Cratere Etrusco. 221
impiccolito sulla tav. d'agg. I, 1 [Taf. 9, 1]. Lo stile e legato ed i capelli lun-
ghissimi del Sileno, come pure la cuffia della donna ed il chitone fino colle
pieghe numerose, sono propri allo stile dell' epoca sopraccennata. Le lettere
ascritte alle due figure sfortunatamente non possono leggersi. Sopraffatta da
stanchezza la Baccante si e seduta sopra di una roccia col dorso reclinato, dando
alla testa un appoggio col braccio destro; la mano sin. stringe ancora il tirso,
mentre essa con la bocca aperta si addormenta. II Sileno, cautamente avvicinatosi.
dapprima per averla in suo potere e farla inerme se si svegliasse, la prende al
braccio destro e colla sua destra pare pronto a toglierle il tirso. Ad uno stile
un po' piü libero appartiene 1' altra pittura che posso pure per la gentilezza del
sig. Heydemann pubblicare sulla tav. d'agg. I, 2 [Taf. 9, 2]. Essa e presa da un
orcio ceretano [Brit. Mus. E 555] insieme col quäle ne fu trovato un altro esem-
plare identico (Bull. d. Inst. 1866 p. 186. 1869 p. 29, 5).1 Lo stile e del piü bello
che possa immaginarsi 2 e quäle fiori verso 1' anno 400 a. C. II sistema della
decorazione, eseguito con straordinaria esattezza, e rarissimo ne posso citare un
esempio eguale; e da notarsi in ispecie il manico decorato alla parte esterna
con omamento a scacchi. La Baccante dorme un sonno tranquillo, tiene perö 94
il tirso nella mano destra; oltre del solito chitone ed un piccolo mantello ha la
nebride in dosso ed un altro. abito, secondo il costume ovvio specialmente in
questo stile. I Satiri che stanno ancora piü da lontano che non nell' altra pit-
tura, s' avvicinano e con gesti accennano alla loro cupidigia. — Alla fine sia
fatta menzione di una tazza3 del medesimo stile col precedente, ove la Baccante
vestita nello stesso modo come lä e munita pure della stessa benda larga nei
capelli, si e posta a riposare ma non dorme ancora; come cuscino le serve una
grande anfora puntuta coronata d'ellera, sopra cui s'appoggia coli' omero e braccio
destro che regge nello stesso tempo la testa grave forse dall' effetto del vino;
avendo posto il tirso al fianco suo essa mette anche il braccio sin. sulla spalla
d. Accanto di lei giace un Satiro barbato che appoggiandosi sopra un otre sta
bevendo da un cantaro, cosi che il viso e veduto di faccia.4 Non si tratta
1 L'uno dalle mani del sig. Aless. Castellani e andato in Inghilterra, l'altro che c
frammentato si trova ancora presso il signor Augusto Castellani, ov'io lo potei esaminare.
- La nostra riproduzione non e eguale alla finezza dell' originale.
■■ La conosco da un mediocre lucido esistente presso l'Istituto, il quäle lucido nel
1861 fu eseguito a Atene. L' altra parte esterna mostra una Baccante ignuda colla cuffia
e col tirso giacente che offre una grande tazza ad un mulo itifallico che le sta incontro.
L'interno e una replica — ma senza le iscrizioni — di quello della nota tazza di Sosia
con alcune modificazioni ed in uno stile un po' piü libero. Un sospetto dell' autenticitä,
per quanto posso giudicare dal lucido, non sarebbe giustificato. [Furtwängler-Reichhold,
Vasenmalerei Taf. 123 Anm. 13. Collignon-Couve 1166 bis.]
4 Se eccettuiamo i vasi pugliesi, troviamo i visi veduti di faccia assai piü spesso
nei vasi artici di stile legato e bello che non in quello libero e sciolto.
222 Arianna Dormente
dunque di quella sorpresa della Baccante dormente, ma e una scena anteriore,
quando la donna stanca dal furore bacchico si riposa.
II risultato piü significante che rileviamo da questi vasi, e che giä nella
seconda metä del secolo quinto era un soggetto familiäre alla pittura il rappresentare
95 delle Baccanti stanche e dormenti che vengono sorprese da Satiri. Certo e
dunque che Nicomaco non era il primo a dipingere Bacchas obreptantibus
Satyris (Plin. nat. bist. 35, 109) — un nuovo esempio di quanto dobbiamo essere
cauti con cotali opinioni. Meno giusto ancora era il credere che i nostri vasi
avessero relazione coli' arte alessandrina e colle pitture paretarie conservateci.
Anzi sebbene vediamo il concetto in discorso anche nello Stile sciolto, i tratti
essenziali qui restano perö gli stessi, separando cosi i vasi decisamente dalla
tradizione ovvia nelle pitture paretarie. Sempre nei vasi incontriamo il chitone
e non vediamo mai rappresentata quella nuditä lasciva che e il motivo princi-
pale delle pitture murali. Nei vasi invece il concetto e il contrasto fra la Bac-
cante tranquilla e stanca che si e addormentata poco prima, tenendo ancora il
tirso, colla cupidigia dei Satiri d' intorno; mentre nelle pitture murali non e che
il dorso di una donna bella che viene snudata. Se queste pitture annoverate
dall' Heibig n. 542 — 546 rimontino a Nicomaco stesso, come si crede generalmente,
non si puö ne affermare ne negare decisamente. Per me peraltro quest' opinione
e poco probabile, non parendomi degna di un gran maestro del secolo quarto
quella composizione; ' ed inoltre le parole di Plinio obreptantibus Satyris accen-
nano piuttosto a motivi simili a quelli dei vasi, che non a quello snudare. Ma
96 con questa e connessa un' altra composizione2 (Heibig n. 559 — 564) la quäle ci
e interessante specialmente perche il motivo della Baccante — caratterizzata come
tale per gli attributi bacchici — nei tratti caratteristici, cioe nella posizione della
testa e delle braccia, corrisponde perfettamente colla nota statua dell' Ermafrodito
dormente. La questione perö, quäle sia 1' originale, la statua o la composizione
pittorica, e difficile a decidersi; ma riflettendo che non e ben naturale volendo
rappresentare un Ermafrodito il dargli la veduta principale dal dorso, e che tutta
la figura ha un carattere pittorico e pare fatta per quel motivo dello snudare,
mi e piü probabile che la celebre statua sia derivata da rappresentazioni di Bac-
canti dormenti nella pittura: avendo bisogno di dare alla figura isolata un interesse
piü sostanziale, la scoltura ne fece un Ermafrodito. Non lo crederei impossibile
che l'artista fosse proprio quel Polycles del quäle Plin. 34, 80 mentova un Erma-
1 La quäle del resto finora non si e trovata che nell' ultimo stile di Pompei.
■ Con cui corrisponde il rilievo di sareofago Zoega, Bassir. II t. 72: c sempre un
Pane caprino itifallico che seuopre certe parti della figura giacente. Si potrehbe pensare
che anche qui si abbia a riconoscere Hrmafrodito; ma gli attributi bacchici, il connessn
colle pitture precedenti ed il fatto che lo stesso motivo fu anche adoperato per Arianna,
non lo fanno probabile.
e Bacco Sopra Cratere Etrusco. 223
frodito celebre in bronzo,1 e che viveva nel secolo secondo a. C.2 — Se l'Ana-
pauomene di Aristide appartenga qui o no, non puossi dire.
Ma prima di ritornare ad Arianna, voglio rilevare che le rappresentazioni di 97
Baccanti dormenti sono assai piü antiche che quelle dei Satiri dormenti, quali
per noi cominciano soltanto coli' arte statuaria e col noto Fauno Barberini, circo-
stanza che si spiega forse tanto dal carattere delle donne piü inclinate allo stan-
carsi ed offrenti inoltre il contrasto coi Satiri lascivi, quanto dal fatto che Arianna
dormente era pure un tipo noto giä nel V secolo.
II motivo proprio dell'Arianna della tazza cornetana, cioe 1' appoggiar la
testa col braccio sin., non lo abbiamo trovato fra le Baccanti dormenti, le quali
hanno per lo piü un braccio alzato sopra la testa (cosi in quattro dei sei vasi).
Rispetto ai numerosi quadri paretari che riuniscono 1' eroina dormente sia con
Teseo sia con Bacco, non posso entrare in un esame dettagliato dei motivi;
ma voglio rilevare il risultato principale: se prescindiamo dal concetto isolato di
una pittura recentemente scoperta (Bull. d. Inst. 1876 p. 223) e da alcune altre
che imitano la composizione anziconsiderata della Baccante sorpresa e snudata
(Helb. 1239 e 1240), l'Arianna della pittura paretaria — e proprio nella serie
piü antica dei quadri, cioe di quelli dei terzo stile — ha sempre un tipo molto
tranquillo; giace sul dorso per lo piü con ambedue le braccia lungo i fianchi o
l'uno messo sopra la testa; siffatto tipo non ha relazione diretta ne coi vasi
dipinti ne — ciö che e il piü importante — colla celebre statua vaticana.
Quest'ultima secondo l'opinione comune rimonta ad un originale greco di epoca
assai buona (cf. Friederichs, Bausteine p. 369 [Amelung, Vatican II, Taf. 57]); ma
ecco alcuni dubbi: se la statua avesse esistito prima delle nostre pitture murali,
avrebbe potuto rimanere senza alcuna influenza sopra di esse?3 e l'artista di 98
quel nuovo quadro (Bull. 1. c.) cercando un motivo piü svariato e piü mosso,
perche non avrebbe scelto quello della statua? Appunto questa pittura essendo
1 Non conosciamo dai monumenti verun' altra rappresentazione statuaria d'Ermafrodito
che potrebbe rimontare ad un originale celebre, e perciö lo credo probabile che quello
di Pöbele era dei tipo conservato. [Anders Furtwängler, Statuenkopieen S. 584.]
2 II eh. Urlichs (Chrestom. Plin. p. 328) e secondo lui il eh. Overbeck (Gesch. d. Plast.
II, 289) credono di dover intendere nel passo 34, 80 il Policle dell'ol. 102, che fece la
statua di Alcibiade; ma le loro ragioni non bastano. Plinio avendo 34, 52 annoverato
il Policle dell' ol. 156 fra i suoi contemporanei riassume tutti come celeberrimi, dei quali
tratta poi piü estesamente, ed in questo capitolo si trova la menzione di Policle (§80):
non vedo ragione, perche Plinio non avesse potuto inserir qui un estratto relativo al
capolavoro molto lodato di quell' artista, sebbene per caso sia il solo di quelli dell'ol. 156,
che egli trovö degno di menzionare qui. L'opinione dei eh. Urlichs pare nata dall' idea
falsa che cioe anche quegli eslratti in ordine alfabetico siano presi da una storia d'arte.
3 Anche il quadro Heibig n. 1237 citato ancora dal Mau, Bull 1876 p. 224 non ha
da fare niente colla statua ne nel panneggio ne nel movimento; perche non solo il
braccio alzato sopra la testa, ma la riunione di questo motivo con quello dei braccio sin.
ripiegato e il caratteristico distintivo della statua.
224 Arianna Dormente
dello stilo ultimo dl Pompei e inostrando quanta era ancora l'abilitä degli artisti
nd modlficare i niotivi tradizionali per ottenere maggiore effetto, ci conferma
nel trar la conclusione necessaria, che cioe l'invenzione della statua vaticana
non rimonti oltre la metä del primo seeolo. La conferma piü stringente la troviamo
nel fatto che le rappresentanze d'Arianna dormente in monumenti piü recenti
delle pitture campane dipendono quasi tutte dalla statua. Ripetizioni perfette se
ne trovano nel noto rilievo della villa Adriana nel Vaticano [Amelung, Vatican II,
Tat'. 53 u. 61] e nella moneta di Alessandro Severo (Denkm. a. K. II, 417); ma
anche i sarcofaghi, per quanto io li potei confrontare, nei tratti caratteristici, cioe
nella riunione del braccio sin. piegato verso la testa ed il destro rivolto sopra
la testa, corrispondono colla statua.1 Ne il lavoro di quest' ultima con le sue
repliche ' contraddice alla mia opinione, la quäle non domanda piü dall' artista
die di poter riunire due motivi delle braccia inventati giä prima 3 e di formare
il panneggio in modo pieno d'effetto. Abbiamo dunque* un altro esempio inte-
ressante del fatto che gli artisti statuari piü recenti prendevano i loro concetti
anche dalla pittura. L'esempio piü analogo al nostro, ma piü antico probabil-
mente, e il sopradiscusso Ermafrodito; esempio ancora piü antico, ma meno
certo, sarebbe che il noto cosidetto Fauno Prassitelio sia trasformato dal Satiro
di Protogene [vgl. Glyptothekskatalog 230; oben S. 86] e le Anadiomeni dalla
pittura d'Apelle [vgl. oben S. 201 Anm. 1]. In tempi piü tardi si copiavano
anche gruppi interi dalla pittura, come Bacco con Pane (Nuove Memor. d. Inst. 1. 10,
Benndorf ib. p. 276), Teseo coi fanciulli dopo l'uccisione del Minotauro (Gerlach,
\\ orlitzer Ant. I, 5 [Arndt, Einzelaufnahmen 385]), Perseo con Andromeda (K.
F. Hermann, Perseus u. Androm. Gott. 1851), infine Medea (Arch. Ztg. 1875 t. 8)
<j Narcisso (VVieseler, Narkissos tav. 10 cf. Welcker, Rhein. Mus. 1854 p. 282).
II pensiero nuovo che alcuni5 volevano vedere nell'Arianna vaticana, non
pare potersi provare. Si voleva cioe spiegare il sonno di Arianna non per il
1 Cf. l'clenco dei sarcofaghi presso Stark, Sachs. Ber. 1860 p. 26, fra i quali il n. 13
(crroncamente attribuito al Vaticano) e il piü siinilc alla nostra statua; gli altri per lo
piü tralasciano il chitone.
.nnovcratc da Stark 1. c. p. 25 e Dilthcy, Rhein. Mus. XXX p. 154, 2. Aggiungo
alcune notizie intorno la statua piü grandc del vero nel musco Torlonia n. 297 [Museo
Torlonia 389] cliiamata Arianna. Non ha da fare colla statua vaticana: e una Ninfa che
dorme con bocca aperta; gli occhi chiusi sono molto grandi e lavorati con grande es-
pressione; il braccio d. sta sopra la testa, il sin. e moderno come la basc ed altre parti
meno importanti. La statuetta vaticana (n. 5 presso Stark [Amelung, Vatican II, Taf. 61])
<Ii genuinitä sospetta.
• II braccio sin. sul monumento piü antico, cioe la tazz.i cornetana, contiene giä
quello df-U'Arianna vaticana.
' 11 ^iusto accennava giä il cli. Hclbig, Unters, p. 253, 2.
tptatoOC accennata da Stark I. c. p. 31 cd altri e sviluppata recentcmcntc dal Mau
nel Bull. 1876 p. 224.
e Bacco Sopra Cratero Etrusco. 225
solito, durante il quäle fu abbandonata da Teseo e poi incontrata da Bacco, ma,
frammettendo la scena del risvegliarsi, per un secondo sonno che avrebbe se-
guito tanta fatica ed il quäle spetterebbe soltanto all' arrivo di Bacco. Ma cosl
la statua sarebbe priva di quella chiarezza che spicca negli occhi e rivela subito
il momento rappresentato, e la quäle e necessaria nell' arte statuaria ancora piü
che non in pittura. Ma prescindendo anche da ciö e pure dal fatto che il rilievo
della villa Adriana nel Vaticano riunisce appunto il tipo della statua colla par- 100
tenza di Teseo, io dubito molto che quel secondo sonno non sia del tutto una
finzione moderna. Nessun autore ne fa menzione, sebbene p. es. presso Catullo
lo dovremmo aspettare; ma egli (od il suo originale piuttosto) presceglie di
abbandonar la tradizione volgare, secondo cui Arianna da Bacco fu trovata dor-
mente, e di farla trovar svegliata ed attristata (64, 251 sgg.). Interessante e poi
che l'originale (qui senza dubbio alessandrino), dal quäle Nonno prese la sua
descrizione (47, 265), non osa di fare quella variazione e fa trovare Arianna da
Bacco ancora immersa nel sonno, dal quäle essa poi si risveglia e comincia a
lamentarsi senza accorgersi del tiaso vicino.1 Nego dunque che gli antichi ve-
dendo rappresentata Arianna dormente abbiano mai distinto fra un primo ed un
secondo sonno. Come abbiamo veduto di sopra, Arianna dormente nel mo-
mento tanto della partenza di Teseo quanto dell' arrivo di Bacco e un tipo creato
giä nel quinto secolo, mentre Arianna svegliata che si lamenta e piange, nella
poesia e nell' arte a appartiene ai tempi alessandrini forse piü recenti e certo non
poteva cambiare il significato di un tipo cosi antico.
Mi restano poche parole a dire intorno le altre figure del nostro cratere.
Sopra Arianna cammina Bacco verso sin. rivolgendo la testa verso d.; evidente- 101
mente egli non si e ancora accorto della bella dormente ed i suoi passi accelerati
1 Questa e la situazione nella pittura Heibig n. 1234, la quäle riunisce l'Arianna
svegliata con Bacco dietro di essa.
2 Fra i monumenti conservati finora non si trova prima del quarto ossia ultimo
periodo della pittura murale pompeiana. — La figura nella Nekyia di Polignoto non rap-
presentava questo momento dello svegliarsi, ma in generale Arianna sedente sola sopra
una roccia, cioe l'isola ove fu abbandonata. — La bella statua di Dresda colle sue repliche
(Stark 1. c p. 28 [Friederichs-Wolters 1576]) viene spiegata generalmente per Arianna
svegliata ed attristata; ma non e per niente sicura siffatta spiegazione. Giacche il musaico
di Salzburgo (presso Creuzer, Symb. Atl. t. 55) che serve d'appoggio a quell' opinione
(difesa anche dal Jahn, Arch. Beitr. p. 282) non prova nulla, offrendo un motivo essenzial-
mente diverso: la figura rispettiva invece di mettere una gamba un po' piü in alto che
1' altra. incrocia le gambe; ne differisce meno la posizione delle braccia. Infine la figura
del musaico non e nemmeno un'Arianna sicura, ma forse rappresenta l'isola di Creta.
Ma l'analogia per la statua che manca nel musaico, la troviamo in modo stringente in
un sarcofago di Marsia (Mon. d. Inst. VI 18 [Robert, Sarkophagreliefs III, 2 Taf. 64]), ove
la figura corrispondente siede in mezzo fra i due litiganti e secondo ogni probabilitä
rappresenta la ninfa Aulocrene: e ad una Ninfa della specie piü nobile corrispondono
bene tutti i concetti di codesto tipo statuario. [Oesterr. Jahresh. X S. 318.]
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. 15
226 Arianna Dormente e Bacco Sopra Cratero Etrusco.
non tendono a raggiungere Arianna ma sono l'espressione del generale furore
bacchico. Si vede che questo concetto e poco conveniente al momento rap-
presentato nel nostro quadro; ed in fatto esso non e creato per il medesimo
ma copiato altrove. Per caso quel cratere attico genuino sopramentovato dello
stesso scavo (Bull. 1873 p. 122) ci offre nella figura principale di Bacco un ori-
ginale quäle poteva servir per la nostra; il movimento e lo stesso, ben adatto
perö nella rappresentanza di un komos sul vaso attico; anche il chitone, e perfino
lo scettro non solito in mano di Bacco trova qui il suo originale. Intorno alle
aggiunte dell' artista etrusco, specialmente alla barba, abbiamo parlato sopra.
— A sin. di Bacco cammina verso cL, una Baccante con un passo ancora piü
rapido, rivolgendo anch'essa la testa, come risulta dalle poche traccie conservate.
Anche questa figura e presa da altri vasi bacchici; occorre p. es. quasi identica
(se non che il braccio d. vi e alzato) e sul medesimo posto nella composizione
dell' oenochoe attica di Cervetri sopra mentovata. — Corrisponde a d. di Bacco
102 un Satiro barbato con canestro di frutta.1 Se la combinazione del tutto esterna
e superficiale di queste tre figure con Arianna dormente debbasi soltanto all' artista
di questo vaso, o invece all' originale di esso — pensando ad originale cosi
trascurati come quel cratere nei Mon. d. Inst. X, 3 [Würzburg] — e una questione
che per ora debbo lasciar indecisa.
La Baccante dell' ordine inferiore a d. di aspetto dignitoso, tenendo il timpano
sospeso dalla mano d., insieme col Satiro a sin., che tiene il timpano nella
stessa guisa, paiono i soli che osservino la bella addormentata; l'ultimo altresi
pare d'aver toccato colla mano d. la di lei testa disgraziatamente perduta. La
Baccante dietro di lui col canestro, il coperchio del quäle e rimarcabile, guarda
dall' altra parte un po' in giü, senza che se ne possa vedere il motivo. Le figure
che restano nell' ordine superiore, sono aggiunte per riempir lo spazio e sono
prive ancora piü delle altre di un connesso essenziale colla rappresentazione
principale. Noto soltanto il gran ventaglio in mano della donna a d. che nella
stessa forma occorre non di rado nelle pitture vascolari piü recenti, mentre il
ventaglio a foglia non si trova mai in vasi dipinti ed apparisce soltanto con
quelle figurine di terracotta che anche per altre ragioni si dimostrano come piü
recenti della pittura vascolare, e poi nelle pitture murali campane. — Infine
all' estremitä destra del quadro e sopra il manico siede su di un panneggio Amore
come giovane con ali lunghissime e coi capelli ricchi ma maschili, com'e il co-
stume nei vasi attici; anche egli e coronato d' ellera come compagno del tiaso
bacchico; ma qui la sua presenza e cagionata non meno dal carattere erotico
della scena rappresentata.
1 II suo piede d. c discynato sopra qucllo bianco di Arianna.
AUS DER UMGEBUNG OLYMPIAS
(LITERARISCHE BEILAGE DER KARLSRUHER ZEITUNG
VOM 8. UND 15. FEBRUAR 1880)
eber Olympia, als einem antiken Kulturzentrum und internationalen Fest- 41
platze der alten Welt, mag man leicht die Umgebung vergessen, inner-
halb deren es steht und geworden ist. Und doch darf diese nicht
geringes Interesse beanspruchen; jetzt noch wenig bekannt, wird sie in Zukunft
auch häufiger besucht werden; namentlich wenn, wie es den Anschein hat, in
der Tat der größte Teil der Funde in einem Lokalmuseum am Orte selbst be-
lassen werden sollte, statt nach Athen gebracht zu werden, wie es das Interesse
der Wissenschaft verlangt.
Die Lage Olympias selbst ist bedeutend, indem sie abgeschlossen ist und
gleichsam einen Ruhepunkt bietet im wechselvollen Tale des Alpheios. Es ist
die Stelle, wo der muntere Bach Kladeos den Alpheios erreicht. Da, wo die
beiden Täler — in fast rechtem Winkel — zusammenstoßen, erhebt sich der
spitze Hügel des Kronion, an dessen Fuße sich der heilige Bezirk ausbreitet.
Hier unten reicht der Blick, das Alpheiostal abwärts, nicht weiter als eine halbe
Stunde bis dahin, wo der Fluß, von Hügeln eingeengt, eine Biegung macht, um
dann, für immer die Berge verlassend, seinem Ziele, dem Meere, zuzueilen.
Flußaufwärts wird das Bild ebenfalls bald abgeschlossen durch den spitzen grünen
Berg, von dessen Gipfel einst die alte Stadt Phrixa auf Olympia herabsah; da-
hinter ein Stückchen vom breiten Rücken des nackten felsigen Hochgebirges
Arkadiens. Mit Ausnahme hievon ist der Blick überall eingeschlossen von nahen
sanften Höhen, deren weicher Sandboden von niedern Pinien dicht bewachsen
ist. Ein ganz anderes Bild zeigt sich schon auf dem Berge von Druva, wo das
deutsche Haus steht. Hier tritt allenthalben das Hochgebirge hinter den Vor-
bergen heraus und hebt die stille Ruhe des Abgeschlossenen auf. Am mannig-
faltigsten ist der Blick auf den langen dunkeln Gebirgszug, der hinter dem jen-
seitigen Alpheiosufer sich westlich bis zum Meer herabsenkt; es sind die Triphy-
lischen Berge. An ihrem letzten Ausläufer gegen das Meer unterscheidet man im
Morgenlichte deutlich einen grauen Steinring; es sind die Mauern von Samikon.
Um eine kleine Probe dessen zu geben, was die an Olympia nächst an-
grenzenden Gegenden bieten, will ich mit einem Ausfluge an die zuletzt genannte
Stätte beginnen.
15*
228 Aus der Umgebung Olympias.
So leicht ist es hier freilich nicht, seiner Reiselust zu folgen; denn die Ver-
kehrsmittel sind bis jetzt leider gerade für die interessanteren Gegenden auf
eminent primitiver Stufe. Um nach Triphylien zu gelangen, muß zunächst der
Alpheios überschritten werden. Die Barke, die nahe bei Olympia nach den
jenseitigen Dörfern zu führen pflegte, war durch die außergewöhnlich starken
Regengüsse des vergangenen Winters zerstört, und da nur die Bewohner der
Ionischen Inseln hier eine Barke zu machen verstehen, so ist eine neue nicht so
schnell beschafft. Wir mußten also zwei Stunden flußabwärts reiten, um eine dort
befindliche Fähre zu benutzen. Mit großen Stangen wird die Barke über die starke
Strömung getrieben, was einen Kraftaufwand erfordert, wie ihn eben nur solche
riesenstarke Gesellen, wie unsere beiden Fährleute, zu leisten vermögen. Sie
werden dafür von jeder Person mit einem Franken bezahlt; sie müssen freilich
auch einen hohen Pachtzins zahlen an die Kirche; denn diese ist Besitzerin der
Flußbarken, ganz wie in alten Zeiten die Verkehrsmittel in erster Linie auch in
den Händen der Tempel lagen. Drüben ging es nun über grüne Hügel weg voll
Weinpflanzungen und Feigenbäumen; endlich durch einen felsigen Engpaß hinab
gegen das Meeresufer, dessen erfrischenden Wind wir nach Olympias schlaffer
Luft mit Freuden begrüßten.
Hier liegt das ansehnliche Städtchen Agulenitza am Anfange der langen,
dem Meeresufer parallel sich nach Süden erstreckenden Lagune, die wegen ihres
Reichtums an Fischen und wilden Enten berühmt ist. Es ist hier einer der frucht-
barsten Plätze Griechenlands; die Orangen gedeihen zu seltener Güte und waren
gerade damals (März) in der schönsten Reife. Der Lagune entlang reihen sich
fast ununterbrochen Landgüter, ein in Griechenland sehr seltener Anblick. Die
Aussicht ist ebenso reizend rechts auf den See voll grüner Inseln als links auf
die Hügel, wo die großen gelben Ginsterbüsche schon Ende März in Blüte
standen; dazwischen die kräftigen hohen Pinien, die hier in dieser Gegend, wie
ich es jedoch anderwärts nirgends in Griechenland gesehen habe, der schönen
aus Italien jedermann bekannten Gattung angehören, deren große astlose Stämme
sich erst ganz oben zu einer mächtigen Krone ausbreiten. — Es hat aber auch
die ganze Küste hier einen weniger griechischen, als mehr italienischen Charakter,
jedenfalls steht sie in lebhaftem Gegensatze zu der Ostküste Griechenlands, wo
die kahlen Berge fast überall an das Ufer reichen.
In der Ferne, am Ende des Sees, springt ein spitzer Berg gegen das Meer
er trägt die alte Veste Samikon. Kurz bevor wir ihn erreichten, begegnete
uns eine Schar von Frauen, die, große Blumensträuße in der Hand, mit schweren
Säcken auf dem Rücken beladen, des Weges zogen. Sie boten sich uns an,
ein Lied zu singen; es war ein einfacher Glück- und Segenswunsch für den
Wanderer; sie sangen es, ohne die drückende Last nur etwas abzustellen. Freilich
braucht der Grieche zum G auch wenig die Brust, es wird alles durch
die gesungen.
Aus der Umgebung Olympias. 229
Die alte Stadt Samikon, auch Makistos genannt, erstreckte sich, wie man
nun erkannte, von den beiden Gipfeln des steilen Hügels am Abhänge herab.
Die hohen Mauern, die sie einst umgaben, haben sich indeß nur an der obern
Hälfte der Stadt vortrefflich erhalten, den Rand der felsigen Höhe umkränzend. 42
Nach dem Strande und der Ebene zu ist der Hügel nicht steil; doch vom Ge-
birge ist er durch eine tiefe Talschlucht getrennt, wo die roten Kalkfelsen in
steilen Wänden abfallen. Am Burgfelsen selbst grünt auch zwischen den zer-
klüfteten Felsnadeln überall dunkles, stachliges Eichengestrüpp. Wir mußten die
Pferde unten lassen und uns zu Fuße durcharbeiten. Kaum weniger felsig ist
aber das Innere der Burg, dazu von mannshoch aufgeschossenen, gelb blühen-
den Gewächsen dicht bedeckt. Weiter nach unten verhindern Gesträuch und
Bäume, ja gestürzte Eichen den Weg; denn wo immer ja in Griechenland noch
Wald geblieben ist, sieht man auch gestürzte, nutzlos verfaulende Stämme,
höchstens von Hirtenfeuern etwas angebrannt.
Die Mauern gehören zu den besterhaltenen in Griechenland und sind aus
großen polygonen Kalkstein-Blöcken gefügt, doch bereits so, daß ungefähr regel-
mäßige horizontale Schichten entstehen. Die Burg gehört indeß noch jener alten
Periode an, die keine eigentlichen Türme kennt und dieselben ersetzt durch vor-
springende Verstärkungen der in zahlreichen Ecken dem Bergrande folgenden
Mauer. Am interessantesten ist hierin ein Punkt an der dem Meere zugewendeten
Burgseite, wo ein gewaltiger Mauerklotz vorspringt, um eines der Tore zu
schützen, ähnlich wie dies beim Löwentore in Mykene der Fall ist. Doch hat
der Eintretende hier, abweichend von dort und von der Regel, den Turm nicht
auf der vom Schilde ungedeckten rechten, sondern auf der linken Seite. Be-
merkenswert ist indeß an diesem Mauervorsprunge noch, daß er mit seinem
untern Teile schräg ansteigt und darauf erst die vertikale obere Hälfte sitzt.
Diese praktische Konstruktionsweise ist gleichwohl sonst in dem antiken Festungs-
bau fast gar nicht in Anwendung gekommen, um erst in nachrömischer Zeit in
größerm Umfange wieder aufzutreten. Die erhaltenen Tore sind alle außer-
gewöhnlich eng und eigentlich nur kleine Pförtchen zu nennen, außen von 0,54,
innen in der Mitte aber gar nur von 0,35 m Breite, so daß man sich förmlich
durchwinden muß. Die Mauerstärke beträgt 2,56—60 m, was nach der neuesten
Feststellung des olympischen Maßes acht olympische Fuß ausmacht.
Die Aussicht auf die Lagune unten mit ihren zahllosen grünen Inseln und
das weite, glänzende Meer dahinter, die frische, reine Seeluft und die feste, den
Zugang von Süden beherrschende Lage lassen die einstigen Einwohner dieser
Stadt beneidenswert erscheinen. Gleichwohl sind hier keine Spuren einer mittel-
alterlichen oder neueren Niederlassung; nur unten an der Paßstraße, wo dieselbe,
sich zwischen dem Meere und den Bergen hinziehend, das Lagunengebiet betritt,
ist ein kleines mittelalterliches Fort. — Hier unten am Meere lag einst auch ein
gefeiertes Poseidonheiligtum, kein Tempel, nur ein Hain von wilden Ölbäumen,
2 jo Aus der Umgebung Olympias.
deren struppige, kleinblättrige Stämme man hier allenthalben sieht. Auch die
Altis zu Olympia war ja erst nichts anderes als ein solcher Hain, bis der älteste
Tempel, das 1 teraion, dort gegründet wurde, und zwar von den Bewohnern der-
jenigen Stadt, deren Lage wir jetzt aufsuchen wollen, von Skillus; dies war in
ältester Zeit nach Pisa die nächste Stadt bei Olympia; diese beiden wurden indeß
schon sehr früh von den Eleiern zerstört, und Pisa lebte gar nicht, Skillus erst
zu Anfang des vierten Jahrhunderts durch die Lakedämonier wieder etwas auf.
Von den Landhäusern bei Samikon führt ein gegenwärtig noch in Arbeit
begriffener breiter Weg durch stattliche Pinienwälder nach dem großen Dorfe
Krestena in einem durch Korinthenbau reichen Tale eines kleinen Nebenflusses
des Alpheios, in dem man richtig den alten Selinus erkannt hat. Wendet man
sich flußabwärts, so gelangt man nach einer halben Stunde da, wo der Fluß in
einem Knieeck sich nach Norden wendet, zu einem isolierten Hügel, dessen Gestalt
und Lage sofort eine antike Akropolis verrät. Zufälligerweise scheint jedoch noch
niemand bisher auf diese Stelle aufmerksam geworden zu sein. Es ist die gesuchte
Stätte von Skillus [vgl. Olympia I S. 10]. Der niedrige, oben flache Hügel erhebt sich
oberhalb des Flusses, der hier eine Mühle treibt, und erstreckt sich von Norden
nach Süden. An der Nordostseite fällt er in steilen Kalkfelsen ab. Teilweise scheinen
die Felsstücke künstlich geordnet zu sein. Auf der Höhe ist von einigen riesigen
Blöcken eine ebene Terrasse gebildet, auf der sich wohl einst ein Gebäude erhob.
Sicherer noch, als durch diese geringen Reste, die auf die älteste Periode der
Stadt zurückgehen mögen, erkennen wir die antike Niederlassung durch die zahl-
reichen Tonscherben, die unten von den Bauern auf Haufen zusammengeworfen
sind; sie gehörten der zweiten Periode der Stadt, ihrer Wiederbesiedelung durch
die Lakedämonier an. Es sind meist schwarz gefirnißte Ziegel, wie sie in Athen
und Olympia der gutgriechischen Zeit angehören; auch Gefäßfragmente mit
schwarzem Firniß aus dem vierten oder dritten Jahrhundert vor Christus.
In unmittelbarer Nähe steht noch ein herrlicher Pinienwald von der schönsten
hochstämmigen Art — vielleicht noch aus der Pflege des Xenophon, der, von Athen
verbannt, hier sein Leben in Ruhe beschloß, wo ihm die Lakedämonier festen
Wohnsitz gegeben hatten. — Gleichwohl muß auch dieses Tal sich seit Xeno-
phons Zeiten beträchtlich verändert haben durch teilweise Entwaldung; denn der
alte Wildreichtum ist geschwunden und die Talsohle reich mit Korinthen be-
pflanzt; der wasserreiche Bach wird an mehreren Stellen zu Mühlen benutzt.
Von seinem Reichtum an Fischen, den das Altertum rühmt, wissen indeß wenigstens
die heutigen Umwohner nichts; wobei man freilich zu bedenken hat, daß die
modernen Griechen überhaupt so gut wie gar nicht fischen; selbst am Meere
sind es fast nur Italiener, die dies tun. — Daß der Fluß einen großen Teil seiner
Umgebung versumpft, die nun von hohen Rohrgewächsen bestanden ist, mag
auch im Altertum der Fall gewesen sein; wenigstens ist gerade dieser Umstand
sehr passend für die Anlage eines Artemis-Heiligtums. Hier am untern Laufe
Aus der Umgebung Olympias. 231
des Selinus, nördlich von Skillus, müssen wir uns den großen Park denken, den
Xenophon für die Ephesische Artemis gekauft und ihr geweiht hatte; der kleine
Tempel mit dem Schnitzbilde der Göttin darin war ganz dem Vorbilde in Ephesos
nachgeahmt; in den bewaldeten Hügeln der Umgebung ward die Göttin durch
Jagd gefeiert. Der üppige Wiesengrund, den Xenophon rühmt, ist jetzt noch
hier am Ausgange des Selinustales erhalten; von hier ist offenbar auch die An-
gabe der Entfernung vom Olympischen Zeustempel bei Xenophon auf 20 Stadien,
d. h. eine kleine Wegstunde gerechnet.1
Andere interessante Stätten berührte ich auf einem Ausfluge zu Ostern dieses
Jahres; er führt uns zunächst aufwärts im Flußtale des Alpheios. — Es war
Karfreitag und die Sonne brannte bereits recht kräftig, als wir aufbrachen; wir
waren Zweie und ohne Führer, was zwar viel Angenehmes hatte, aber sich doch
manchmal rächen sollte. Wir ritten nun, die Pferde mit Essen für mehrere Tage
wohl bepackt, aufwärts, dem Flusse entlang, der hier von mäßigen, pinien-
bewachsenen Höhen umsäumt wird. Alle Felder waren dicht von dem hoch-
aufgeschossenen, weißviolett blühenden Asphodelos bedeckt (jetzt von den Griechen
„sphendükli" genannt). So dachte sich Homer die Wiesen der Unterwelt be-
wachsen, und man versteht dies wohl bei der fahlen Farbe der Blüten und den
dunkeln langen Blätterbüscheln; namentlich, da diese Felder in der Regel allein
diese und keine anderen Blumen und kein frisches Gras tragen. In angenehmem
Gegensatze standen rechts die zahlreichen kleinen Inseln des Alpheios, die, im
Winter meist überschwemmt, jetzt ein dichtes, frischgrünes Platanengebüsch
zeigten. Es begegneten uns Kinder und Weiber, die mühsam auf dem Rücken
Reisig einherschleppten — die Männer saßen im Cham' (Wirtshause) an der
Straße und feierten den Tag mit Kartenspiel.
Bald ward das Tal enger und die Berge höher; schon sah man drüben am 43
felsigen Gebirge Triphyliens das nächste Ziel unserer Reise, die Felsburg von
Platianä. Aber der Fluß war hier nicht zu überschreiten. Eine Barke existierte
nicht in der Gegend und es war wenig ermunternd, einen Haufen Leute am
Wasser sich abmühen zu sehen, um die Ladung eines Pferdes zu retten, das
mit dem Reiter hier eben im Flusse gestürzt war. Um den Übergang zu er-
möglichen, mußten wir, das Ufer verlassend, noch ein paar Stunden an steiler
Berglehne entlang reiten, bis zur Grenze von Elis und Arkadien, wo der Grab-
hügel des ersten olympischen Siegers, des Koröbos, noch heute steht und wo
die Hauptflüsse Arkadiens und des Peloponneses zusammentreffen. Wir über-
schritten glücklich erst den Erymanthos, dann in vielen Armen den Ladon und
endlich den nun ungefährlichen Alpheios. Drüben verloren wir zwar bald den Weg,
gelangten aber auf eine freie Höhe, die uns durch einen prächtigen Rundblick
1 Xenophon Anab. V. 3,u ff. Die Angabe ist nicht auf Skillus, sondern auf die
Anlage des Artemis-Heiligtums zu beziehen.
Aus der Umgebung Olympias.
lohnte. Das ganze Dreistromgebiet, das wir durchritten und das unten wenig
Übersicht und wenig Reize bot, lag jetzt klar vor uns und gleichsam motiviert
und vorständlich gemacht durch das dahinter allmählich sich aufbauende Hoch-
gebirge. Ein alter Hirte brachte uns wieder auf den richtigen Pfad, der nun
durch ein reizendes Tal aufwärts führte; rechts steile, von Pinien bewachsene
Abhänge, im Rücken der Blick gerade auf das noch schneebedeckte Erymanthos-
gebirge. Eine mittelalterliche Ruine auf einem Hügel und eine große, ziemlich
wohl erhaltene (türkische?) Brücke über den Bach deuteten auch hier auf eine
vergangene höhere Kultur des vereinsamten Tales. Der Pfad führt heute nicht
mehr über die Brücke, sondern abseits durch den Bach.
Der Weg steigt, man erblickt in der Ferne auch die schneeige Spitze des
Kyllenegebirges. Im Walde holte mich ein junger Bursche ein und geleitete
mich bis zum Dorfe. Er war von großer Gesprächigkeit und Naivität. Als er
von mir hörte, daß ich nicht aus der Gegend sei und eigentlich eine andere
Sprache spreche, meinte er, es werde also wohl Albanesisch sein — von einer
andern nicht-griechischen Sprache hatte er keine Ahnung. Große Heiterkeit er-
regte es gar bei ihm, als ich meinem zurückgebliebenen Gefährten mich durch
Ruf bemerklich zu machen suchte. Er konnte durchaus nicht verstehen, warum
ich ihn nicht bei seinem Namen rufe. Die Griechen sind übrigens vorzügliche
Rufer; sie verständigen sich auf merkwürdig weite Entfernungen völlig deutlich
in längeren Sätzen.
Das Dorf (Platianä) ergab sich leider als nur aus ärmlichen Hütten bestehend.
Wir waren zwar sofort von Männern und Weibern umringt, die uns neugierig
begafften; aber keine Hand rührte sich, um uns beim Absatteln der Pferde zu
helfen; es war ihnen etwas zu Ungewöhnliches, daß Fremde zu Pferde ohne
vermittelnden Führer ankamen; auch die fremdartigen Sättel mochten ihr Erstaunen
erwecken. Denn böswillig sind die Leute eigentlich nirgends in Griechenland
und man fühlt sich auch in dem verkommensten Dorfe viel sicherer und gemüt-
licher als etwa in den Dörfern Mittel- und Unteritaliens. Einen Gastfreund findet
man immer, der sein Haus und was er hat zur Verfügung stellt. Nur in ganz
albanesischen Dörfern trifft man manchmal finstre Mienen und gleichgiltig grobes
Verweigern.
Am Abend dieses Karfreitags sahen wir noch ein seltsames Schauspiel.
.trömte alles zur Kirche, auch unser Gastfreund verschloß das Haus und wir
mußten mit. Die Kirche lag über dem Dorfe am felsigen Abhang; sie war ge-
drängt voll. Der Eingang war an der einen Langseite und der Innenraum durch
einen Bretterverschlag der Quere nach in zwei ungleiche Teile geschieden; in
dem kleinem hintern waren die Frauen und Kinder zusammengedrängt; sie mußten
stehen, während die Männer im Mittelraume zum Teil auf hohen Stühlen an der
Wand saßen. In der Mitte dieses Raumes stand eine Bahre mit einem Baldachin
aus hölzernen Rundbogen, ganz überdeckt mit jenen prächtigen feuerroten
Aus der Umgebung Olympias. 233
Anemonen, wie sie das griechische Frühjahr in Menge bringt. Auf der Bahre
lag ein hölzernes häßliches Kruzifix, das nach längerm Singen und Beten weg-
genommen und entfernt wurde, als Zeichen für den Tod Christi. Nun wurde
die Bahre von vier Männern über den geöffneten Eingang emporgehoben und
die ganze Gemeinde begab sich je zu zweien ins Freie; ein jeder mußte, sich
bückend, unter der Bahre durchschreiten. Dies ging nicht ab ohne mancherlei
Scherze, wie man denn überhaupt bei den Griechen feierliche Handlungen ohne
Intermezzos, die nach unsern Begriffen Störungen sind, gar nicht zu sehen be-
kommt; bei einer Trauung in einer Kirche z. B. sah ich einmal Kinder ruhig ihr
Spiel treiben mitten im feierlichen Kreise; das heilige Brod in der Kirche wird
ungefähr ebenso verteilt, wie es draußen im Bäckerladen geschieht. Diese bequeme
Formlosigkeit, die ein straffes Sichzusammennehmen nicht kennt und die alles
mit jenem Lieblingsworte der Griechen mit „dhen pirasi", d. h. „es macht nichts",
entschuldigt, sie durchdringt die ganze griechische Gesellschaft. Sie hat freilich
auch wieder das Angenehme im Gefolge, daß es ein steifes Abschließen einzelner
Kreise nicht gibt, daß Titel gar nichts gelten und Hoch und Nieder auf einem
fast gleichen Fuße verkehren. Im Altertum scheint es übrigens nicht viel anders
gewesen zu sein.
Gleichwohl war die oben geschilderte Szene wohl geeignet, einen tiefern
Eindruck zu machen. Ich stand abseits im Dunkel; der Himmel war bewölkt
und finster; dreimal zogen die Leute um die Kirche, dann ging's wieder unter
der Bahre durch ins Innere. Die Gesichter der kräftigen Männer, von den flackern-
den Kerzen erleuchtet, die sie in den Händen trugen, Typen der echtgriechischen
Art, mit vollen schwarzen Barten und zum Teil mit langen lockigen Haaren,
erinnerten, zusammen mit der Einsamkeit des kleinen Dorfes, gewaltig an die
Macht des Christentums, das an diesem Tage über so zahllos verschiedene und
sich fremde Elemente triumphiert durch den gleichen Glauben an den Gekreuzigten.
— Auch für den Maler wären derartige Szenen gewiß fruchtbar, wie man über-
haupt schwerlich irgendwo mehr interessante und zugleich wirklich schöne Männer-
typen finden kann als in Griechenland; dazu das Seltsame der Nationaltracht,
die nur allmählich in den größern Städten der europäischen weicht. Die Frauen
bieten dem gegenüber weniger; die häufig sehr schönen Züge haben fast immer
etwas durch niedere Arbeit Gedrücktes; auch ist ihre Tracht im Peloponnese
wenigstens am Werktage wenig charakteristisch; nur in den mehr albanesischen
Gegenden tragen sie über dem Hemde den langen, vorne offenen, weißwollenen
Überrock ohne Ärmel, der mit schwarzen Verzierungen reich besetzt ist.
Die Rückkehr ins Quartier riß uns bald aus unseren Betrachtungen; eine
Katze, die sich ebensowenig um die Fasten kümmerte wie wir, hatte aus unserem
offenen Reisesacke eines der gebratenen Hühner erwischt und bereits zum größern
Teile verspeist. Wir hängten nun den Sack vorsichtig an einem der rußigen
Balken des offenen Daches auf. Unsere Hütte war ein echtes griechisches
Aus der Umgebung Olympias.
Baoerngenuch der geringem Art, d. h. vier niedere steinerne Wände und ein
Holzdach darüber; von Fenster keine Rede; eine niedere Türe mußte außer den
Bewohnern auch Licht herein und Rauch heraus lassen. Noch weniger existierten
natürlich Tische, Stühle oder gar ein Bett. Die Einrichtung bestand lediglich
aus einigen niedern kofferartigen Kasten und mehreren riesigen Tongefäßen, die
zur Aufbewahrung von Öl und Wein u. dgl. dienten. Einige Decken wurden
uns für die Nacht auf den Erdboden gelegt und wir sahen den Nachthimmel
über uns durch die zahllosen Ritzen und Löcher des Daches. Unangenehm
ward dies jedoch, als während der Nacht ein furchtbarer Sturm losbrach und so
durch jene Spalten fegte, daß der Staub vom Erdboden des Hauses in Wirbeln
herumflog. Es war Scirocco, und als wir des Morgens heraustraten, war der
44 Himmel wie die Erde, ein einförmiges Grau und die weite Aussicht aller Reize
entkleidet. Dieser häßliche Wind ist in Olympia sehr häufig und macht sich
noch mit viel größerer Intensität fühlbar als in Italien.
Den hinter dem Dorfe sich steil erhebenden langgestreckten Felsrücken er-
stiegen wir nun, von der Nordseite, im Geleite unseres alten Gastfreundes, der
so rüstig den verwachsenen steilen Pfad hinaufschritt, daß wir ihm keuchend
kaum nachfolgen konnten. Auf der Kammhöhe oben sahen wir die Reste der
Stadtmauer sich hinziehen. Man erwartet dahinter ein breites Plateau für die
Stadt und ist überrascht, nur eine ganz schmale, nicht mehr als 30—40 Schritte
breite, aber langgezogene Hochfläche zu finden, die sich nach der Mitte etwas
einsenkt und von welcher der Berg nach Süden kaum weniger steil abfällt als
nach Norden. An diesem schroffen südlichen Abhänge nun sind die Reste der
eigentlichen Stadt und ihrer Häuser, noch unten von der Ringmauer umgeben.
Die Schwierigkeit und Unbequemlichkeit des Verkehrs bei solcher Lage kam ja
zur Zeit der Gründung dieser und ähnlicher Städte nicht in Betracht gegenüber der
Sicherheit, die sie gewährte. Oben auf der Hochfläche jedoch sind die wichtigsten
Ruinen, die zwar in den Verhältnissen sehr klein, doch zu den besterhaltenen Städte-
resten in ganz Griechenland gehören. Wahrscheinlich war es die alte Minyerstadt
Aipion, deren öffentliche Gebäude hier auf der Hochfläche verteilt gewesen zu
sein scheinen [vgl. Olympia I S. 9]. Fünf verschiedene Plateaus sind sowohl unter
sich als gegen die Unterstadt von besondern Mauern umgeben. Soviel sich
erkennen läßt, enthielten dieselben nicht bloß kleine Tempelzellen, sondern auch
kleine feste Häuser, die man für öffentliche Zwecke dienend oder als Wohnungen
der vornehmsten Geschlechter fassen kann. Die Hauptruine dieser Art heißt bei
den Leuten der Gegend „Der Königspalast". Die Bauart wechselt ab von roherer
zu scharfer polygoner Fügung, bis zum akkuratesten Quaderbau. Das Material
lusschließlich der harte graurötliche Kalkstein, aus dem der Berg selbst besteht.
Der interessanteste Teil der Ruinen ist das kleine, aber relativ sehr wohl
• rhaltene Theater, das merkwürdigerweise nicht an den Bergabhang gelehnt,
dem auf der Hochfläche selbst errichtet ist. Seine kleinen Dimensionen
Aus der Umgebung Olympias. 235
erlaubten indeß die Kreise der Zuschauer ohne Unterbauten einfach einzugraben.
Da das Theater der Griechen zu den öffentlichen Gebäuden und sogar zu den
mit dem Kulte eng verknüpften geheiligten gehörte, so erklärt es sich, weshalb
man es in diesem Falle mit in den Kreis der auf der Burghöhe angebrachten
und besonders gesicherten Anlagen gezogen hat. Unter den Fragmenten der
neun Sitzreihen befindet sich noch ein trefflich erhaltener bequemer Kalkstein-
sessel, der einst einer ganzen Reihe ähnlicher für die Vornehmsten bestimmter
Sitze angehört zu haben scheint, ebenso wie der Marmorsessel im Theater von
Athen, von welch letzterem sich jener indeß durch die Form wesentlich unter-
scheidet, denn nicht der elegant geschweifte attische Holzstuhl, sondern die
ältere schwerere Thronsesselform diente als Vorbild. — Der Grundriß dieses
Theaters, der sich auf dem nach Boutan bei Bursian, Geographie Griechenlands II
Taf. 7 gegebenen Plane der Burg findet, ist unrichtig, wie der ganze Plan in
allen Einzelheiten völlig unzuverlässig ist. Das Theater gehörte seinem Grund-
risse nach dem von Strack, Das altgriechische Theatergebäude S. 1 als a be-
zeichneten Typus an.
Selten findet man die antiken Stadtreste unberührt von späteren Nieder-
lassungen. So sind denn auch hier deutliche Spuren von einer byzantinischen
Ansiedelung. Die vielen Ziegel, die am Boden liegen, scheinen ihrer Beschaffen-
heit nach alle von einer solchen herzurühren; auch findet sich die Ruine einer
byzantinischen Kirche, die noch jetzt dem Volke bekannt ist als dem heiligen
Elias, dem Bewohner aller Berggipfel geweiht; auch die völlig zerstörten Kirchen
bleiben dem Volke heilig. An der Apsis der Kirche sind profilierte Blöcke, wie
es scheint, von einem antiken Rundbau verwendet.
Unterdessen hatte der Himmel sich geklärt und ein frischerer Wind reinigte
die Luft, so daß wir der großartigsten Rundsicht genießen konnten, die sich vom
Meere bis tief nach Arkadien hinein erstreckte.
Unten im Dorfe erwartete uns bereits der Papas (Pfarrer), der uns, wie dies 50
Sitte zu sein pflegt, seinen Ehrenbesuch abstattete. Es war ein schon halb-
ergrauter Alter, der uns in seinem heutigen gewöhnlichen Gewände fast etwas
reinlicher vorkam als gestern Abend in der Kirche mit den seidenen Lappen oder
dem Festornate. Indeß entpuppte er sich im Verlaufe des Gesprächs, das er
auf dem Boden sitzend eifrig mit uns, während wir frühstückten, führte, als ein
höchst vernünftig denkender Mann. Er war zwar in seinem ganzen Leben noch
nicht aus der nähern Umgegend herausgekommen, wußte aber doch etwas von
den Unterschieden der griechischen und der römischen oder „westlichen" Kirche,
hatte sich indeß die Überzeugung verschafft, daß sowohl diese als überhaupt
alle Religionsunterschiede ohne wesentliche Bedeutung seien und daß es nur
auf die Gerechtigkeit des Menschen ankomme. — Es ist nicht selten, unter den
Pfarrern der griechischen Dörfer solche freidenkende Männer zu finden; denn
die Kirche verlangt hier überhaupt keine Gesinnung, sondern nur die Kenntnis
Als der Umgebung Olympias.
r Formeln von dem Priester. Dieses Fehlen jedes religiösen Fanatismus,
ferner die unlösbare Verbindung, in der der Priester mit dem Volke steht, welchem
ch nicht als fremdes und höheres Wesen gegenüberstellt, sondern dem er
sich völlig gleichordnet — unterscheiden sich ja die meisten Dorfpfarrer am
Werktage kaum vom gemeinen Bauer — dies sind offenbare Vorzüge der griechi-
schen Priesterschaft, welche sie der antik hellenischen verwandt machen.
Unser Gesprich wandte sich indeß bald auf das jedem geborenen Griechen
von Jugend auf liebste Thema, die Politik; die Bewunderung der Größe und
.Macht Deutschlands und Klagen über das arme kleine Griechenland pflegen der
Schluß davon zu sein. So auch diesmal, nur zeichnete sich unser Papäs aus
durch eine ihm eigene kräftige Bildersprache, wie, wenn er die Lage Griechen-
lands schilderte, das jetzt mitten in einem reißenden Strome stehe und ohne Hilfe
nicht ans andere Ufer gelangen könne, oder gar, daß es jetzt in der Luft aufgehängt
sei und mit den Füßen keinen festen Boden zu erreichen vermöge, u. dgl.
Von unserem Frühstück rührte er nichts an, wegen der strengen Fasten, die
in den letzten Tagen vor Ostern geradezu fast alle Nahrung verbieten (nur Brot,
Wasser und einige Oliven werden genommen); selbst den Wein schlug er aus,
der übrigens an diesem Orte von ganz vorzüglicher Qualität war, vorausgesetzt,
daß man seine Kehle an den starken Beigeschmack des Harzes gewöhnt hatte.
Freilich gestand der Papäs, so streng wie es sein sollte, halte er die Fasten auch
nicht, und dabei fragte er uns mit schlauer Miene: Haltet ihr denn alles, was
euch geboten ist?
Endlich brachen wir auf, hatten aber nicht geringe Mühe, um über die von
zahllosen trockenen Bächen („rewmata") durchrissenen Hügel hinüber auf die
>ße Straße" nach Andritzena zu gelangen. Diese von den Leuten sogenannte
große Gemeindestraße, war freilich, wie gewöhnlich in Griechenland, nichts
anderes als ein erbärmlicher Saumpfad. In der Nähe des Dorfes Longos bei
einer einzelstehenden Kirche hielten wir Mittagsruhe unter dem Schatten einer
i^en dunkeln Stacheleiche (heute purnäri genannt), die dazu noch ganz
von einer lang herabhängenden Efeuart zur luftigen kühlen Laube gestaltet
ward. Solche einzelne prächtige große Bäume sind in Griechenland neben den
Kirchen häufig, ganz wie es bei den antiken Heiligtümern zu sein pflegte. —
Iter kamen wir in einem Tale mit üppigster Vegetation zu einer Quelle, die
mit zu den schönsten gehört, die ich in Griechenland gesehen, wo die Quellen
die Perlen der Landschaft zu sein pflegen. Das Wasser ergoß sich in mehreren
'rnen aus dem Felsen, umschattet von einer Reihe feierlich alter Riesenplatanen.
i noch so eiliger Grieche geht an einer solchen Stelle vorüber, ohne wenigstens
einen Augenblick zu rasten; er glaubt die Quelle von Geistern bewohnt und
:ht mit einer gewissen Ehrfurcht und Verehrung von ihr, ganz wie es das
Ein weniger feierliches als anmutiges Bild gewähren solche
Quellen in di der Dorfer, wo man häufig die sämtlichen Frauen und
Aus der Umgebung Olympias. 237
Mädchen des Dorfes sieht, wie sie mit der Wäsche beschäftigt, die einen am
Kessel mit dem kochenden Wasser stehen, die andern die Kleider reiben und
klopfen und auswinden, alle die Gewänder hochgeschürzt und mit bloßen Füßen,
dazu singend und scherzend.
Auf unserm Wege hörte indeß bald die reiche Bewachsung auf und wir
durchritten eine Hochebene und dann immer steigend trockene, nur von Büschen
bewachsene Höhen, bis wir abends das in dieser Bergeinsamkeit auffallend statt-
liche Städtchen Andritzena erreichten. Der Ort war mir bereits bekannt von
einer Tour im vorigen Jahre, die ich von hier nach dem bekannten Tempel von
Phigalia gemacht hatte. Ich kehrte also in demselben Cham' wie damals ein,
dessen Wirt sich freilich nicht sehr edel erwies, denn er verlangte den andern
Morgen nicht weniger als elf Francs nur für ein erbärmliches enges Zimmerchen
mit zwei Holzpritschen, auf die einige Decken gelegt waren! So ist der Grieche,
sobald er etwas von Kultur beleckt wird. — Das Städtchen besitzt übrigens ein
großes Schulgebäude mit einer altern Bibliothek, die nicht ohne Wert sein soll,
ferner mehrere fast europäisch aussehende neue Häuser, während die alten in
der engen Hauptstraße mit ihren weit vorladenden Holzlauben und Holzgallerien
den echten Typus der bessern griechischen Wohnung wiedergeben, die auch
meist mit einem Oberstock versehen ist. Was mir indeß am meisten für einen
relativ hohen Kulturgrad des Ortes zeugte, waren frei in den Höfen angebrachte
kleine und niedere gewölbte Nischen, deren geschlossene Wand gegen die Straße,
die offene gegen das Haus gerichtet war; ihre Bedeutung ergab sich leicht schon
durch den Geruch.
Die Nacht war die Osternacht der Griechen; aber nicht nur für dieses Fest,
sondern noch mehr für unsern Plan, den folgenden Tag das Lykaion zu besteigen,
war ein um Mitternacht ausbrechender und andauernder Regen höchst fatal.
Am Ostermorgen ordneten wir denn zunächst an, daß für uns auch ein Fest-
lamm gebraten würde, um wenigstens das mitzumachen; denn an diesem Tage
denkt und tut der Grieche nichts anderes als Lämmer braten und Lämmer ver-
tilgen. Überall, wo man eintritt, wird man gezwungen, etwas mitzuhalten. Das
Lamm wird ganz mit Kopf und Schwanz aufgetragen und dann einfach mit den
Händen zerrissen. Als Vorkost werden die in einen Zopf geflochtenen und ge- 51
bratenen Eingeweide genossen.
Unter den Sachen, die uns der Kunsthändler anbot, der an solchen Orten
nicht zu fehlen pflegt, waren, wie dies leider gerade in Arkadien gewöhnlich
ist, nicht wenige gefälschte Münzen und Bronzefiguren. Marmorsachen werden
in diesen Gegenden sehr wenig, bemalte Vasen gar nicht und gute Bronzen
doch recht selten gefunden. Gleichwohl bekamen wir eben hier eine treffliche
Bronzestatuette zu sehen, etwa aus dem vierten Jahrhundert v. Chr.; es war der
jugendliche und ganz menschlich gebildete Pan, der Hauptgott der Arkader; er
hat das rechte Bein auf eine Erhöhung gestellt und blickt in die Ferne; nur in
238 - der Umgebung Olympias.
der autfallend zurückweichenden Stirn mit den kleinen heraussprießenden Hörn-
chen suchte der Künstler das Tierische, das der Mythus dem Gotte gab, an-
leuten.1 Solche kloine Götterbilder wurden zahlreich in die Heiligtümer ge-
it. und /war hlufig gerade ein Gott in das Heiligtum eines andern.
Als der {limine! sich gegen elf Uhr etwas geklärt hatte, nahmen wir endlich
Abschied von Andritzena, um ostwärts auf dem Wege nach Karytäna weiter zu
ien. Wir hatten beim Wegreiten noch einen reizenden Rückblick auf das
höchst malerisch in die Bergmulde heraufgebaute Städtchen; die Höhen, die un-
mittelbar dahinter aufsteigen, sind kahl, aber das darunter sich herabziehende
Tal ist fruchtbar und grün mit Weinbergen und schattigen Bäumen. Diese An-
lage der Dörfer in der Höhe an der Grenze des fruchtbaren und des steinig
kahlen Landes findet man gerade in Arkadien sehr häufig.
Es dauerte indeß nicht lange, so begann der Regen von neuem und be-
gleitete uns mit Unterbrechungen den ganzen fünfstündigen Weg bis Karytäna.
Doch zwischenein zerriß der Sturm häufig die Wolken und zeigte uns die herr-
liche Landschaft im Sonnenlichte. Zur Rechten hatten wir beständig in wechseln-
den Bildern das majestätische Lykaiongebirge mit dem breiten Felsenhaupte,
und man begriff wie die Naturreligion der ersten Ansiedler diesen Berg zum
Mittelpunkte ihrer Ehrfurcht vor dem Göttlichen machen mußte und wie er dies
bleiben konnte durch die Jahrhunderte hindurch, bis Christentum und fremde
Einwanderer auch ihm die Ehre nahmen.
Wir überschritten den Fluß, der hier vom Gebirge herabkommt und nordwestlich
dem Alpheios zuströmt, erstiegen darauf die jenseitige Höhe, mußten nun zwar
die Ruine der Stadt Lykoa (beim Dorfe Lavda) links liegen lassen, fanden aber
am Wege eine verfallene Kirche und dabei Reste eines zerstörten Dorfes; in der
ersten waren zahlreiche antike Kalksteinstufen mit hübscher Profilierung, gleich
der an den Hallenstufen Olympias gewöhnlichen, nebst andern schönen Quadern,
die auf die einstige Existenz eines einzelnen Heiligtums in der Nähe schließen
ließen.
Später durchkreuzten wir noch einmal ein herrliches Engtal mit schäumendem
Bache; das Dorf lag rechts in erstaunlicher Höhe an der Bergwand, unten weideten
die Herden, Schafe und Ziegen; die Hirten waren ein junger Mann und ein
Ichen, beide in ihren Festkleidern aus reiner weißer Wolle mit den schwarzen
aufgesetzten Arabesken. Man wird sonst wohl nie in Versuchung kommen,
arkadisches Hirtenleben zu beneiden, denn so schmucke Paare gehören sehr zu
den Ausnahmen. Im weiten Bogen ging es nun hinab, dem Alpheios zu,
nach dem schwer zugänglichen Karytäna.
gibt im Peloponnese kaum einen überraschenderen und großartigeren
Blick als der sich uns an der Stelle eröffnete, wo der Alpheios die hügelige
1 (Athc n. .Min. 1878 S. 294 Anm. Wernickc in Festschrift für Bcnndorf S. 153 ff.]
Aus der Umgebung Olympias. 239
grüne Ebene von Megalopolis verläßt und zusammengeengt sich durch das Fels-
gebirge eine Bahn bricht. Der kühne zackige Berg drüben rechts trägt auf seiner
breiten Spitze die stattlichen Türme und Mauern des großen fränkischen Schlosses,
das Hugues von Bruyeres einst zu Anfang des 13. Jahrhunderts hier errichtete;
darunter am grünen Abhänge das heutige Städtchen und im Vordergrunde unten
die malerische mittelalterliche Brücke von fünf hohen Bogen von einem Felsen
zum andern über das gelbliche Wasser des schäumenden Flusses.
Bald darauf ritten wir durch die engen und steilen schmutzigen Gassen des
alten Städtchens, bis uns einer aus der gaffenden sonntäglich gekleideten Menge
einen würdigen Alten wies, der sich bereit erklärte, unsern Wirt zu machen. Im
großen Zimmer der Familie waren bald die besten Teppiche für uns bereit gelegt
und die Alte mit ihren zwei erwachsenen Töchtern sorgte für unsere durchnäßten
Kleider. Bei unserem Mahle steuerte der Wirt zu dem von uns mitgebrachten
Vorrat noch weiteren Lammsbraten, Salat und Sauermilch bei; letztere wird als
Nachkost gegessen. Er selbst mit seinem Sohne, einem hübschen, lebhaften
jungen Manne, setzte sich zu uns; die Frauen blieben nach griechischer Sitte in
der Ferne. Als das übliche Ausfragen und die Politik glücklich abgemacht war,
begannen wir mit dem jungen Manne — derselbe war Hufschmied — einen
Disput über die beste Art der Hufe; er ließ sich nicht überzeugen, daß unsere
Hufeisen besser sein müssen als die platten Eisen, mit denen in der Türkei wie in
Griechenland die ganze Fläche des Hufes beschlagen wird. Die Mädchen zeigten
uns mit großem Stolze einen riesigen Stoß von Teppichen als Werk ihrer Hände;
es ist eine Gattung sehr starker, aus Schafwolle in bunten, grellen Farben ge-
wobener Teppiche, auf denen man sowohl schläft als sitzt und reitet; sie bilden
einen Hauptteil der Aussteuer, wie bei uns das Linnenzeug. Die Dekoration
derselben zeigt im allgemeinen den orientalischen Stil, doch mit größeren und
einfacheren Ornamentmotiven, die rein geometrisch ohne alles Pflanzliche sind.
Leider ist diese Industrie eine rein häusliche und private; die Sachen kommen
gar nicht in den Handel; jede Familie macht ihren Bedarf. Von eigentlicher
Industrie ist ja im inneren Griechenland noch nirgends die Rede.
Der andere Morgen überraschte uns mit einem ganz herrlich klaren Himmel.
Es war Ostermontag, aber nicht das Osterfest, sondern das Panigyri,1 welches
heute dem Schutzheiligen in der kleinen Kapelle oben in den Vorwerken des
Schlosses gefeiert werden sollte, brachte das ganze Karytäna auf die Beine. Von
Sonnenaufgang an strömte alles auf dem steilen Wege zu der Burg hinauf, alles
in den besten Festtagskleidern, meist natürlich der nationalen Art, doch auch
für das Umsichgreifen „europäischer" Kultur (die Griechen rechnen sich nämlich
nicht zu „Europa") waren Anzeichen vorhanden, ja an einer Frau bemerkte ich
sogar Glacehandschuhe. — Oben in der kleinen kuppelgewölbten Kapelle, die
1 Bezeichnung der religiösen Volksfeste; altgriechisch = panegyris.
HQ Ars der Umgebung Olympias.
allein noch unversehrt bei den Schloßruinen stand, drängten sich die Ein- und
.nenden. Ein jeder will wenigstens eine brennende Kerze weihen und
die heiligen Bilder abküssen.
ist bekannt, daß diese Feste oder Panigyrien sich hauptsächlich um
Kapellen konzentrieren, welche etwas außerhalb der Stadt im Freien liegen. So
:i hier; und es war offenbar für die meisten ein nicht unwichtiger Teil des
:es, die Burg wieder einmal zu besteigen und sich der herrlichen Aussicht
zu freuen. Die Jungen konnten sich nicht halten, bereits am hellen Tage Raketen
und Schwärmer loszulassen. Die Ruinen des Schlosses sind ausgedehnt und
wohl erhalten, denn erst König Otto hatte die Burg schleifen lassen zum großen
Wrdrusse der Einwohner Karytänas, die es noch jetzt nicht begreifen wollten,
daß die Burg, die im Freiheitskampfe unter Kolokotroni ein Bollwerk gegen die
Türken gewesen war, nun nutzlos geworden sein könne. Erstaunen erregen die
riesigen Zisternen aus der fränkischen Zeit, als hier eine Baronie mit 22 Ritter-
lehen ihren Herrensitz hatte. Die Bauart der altern Teile stimmt ganz mit dem
Schlosse Yillehardouins bei Kalamata überein. Von antiken Werkstücken, die
nach einigen verbaut sein sollen, konnten wir nichts auffinden. — Der Aussicht
von oben läßt sich weniges vergleichen; der Burgfelsen fällt gegen den Fluß
unmittelbar und schroff ab; drüben erheben sich über den grünen Abhängen
und den hoch oben klebenden Dörfern die rötlichen Felsen der breiten Lykaion-
Spitzen mit bläulichen Schatten, dann die grüne Ebene von Megalopolis und gen
rden die massigen kahlen Höhen, auf denen man uns hoch oben die Dächer
des Städtchens Dimitzana zeigte, nicht ohne Äußerungen des Neides, denn
Dimitzana war Vorort des Gaues geworden, wozu Karytäna mehr Recht zu haben
glaubte, vermöge seiner bessern Lage nahe der fruchtbaren Ebene. Wir waren
immer von Haufen Neugieriger umdrängt, namentlich als wir die große franzö-
che Karte ausbreiteten; charakteristisch war es, als einer mich nach einem der
umliegenden Dörfer fragte, ob das wohl auch verzeichnet sei; er wurde alsbald
von einem andern, der sich europäisch kleidete, zurechtgewiesen, wie er glauben
könne, daß so gemeine Namen in der Karte ständen.
r schwer trennten wir uns im Weggehen von dem malerischen Anblicke
■ an den schroffen Felsen und auf den Zinnen der Ringmauer zerstreuten
mit ihren roten Fessi's. Auf die Fortsetzung des Festes deuteten bereits
Im Freien am Spieße bratenden Lämmer; den Schmauß und Tanz mußten
wir den andern überlassen, wir besuchten nur noch eine alte Kirche der Unter-
!t mit einem in französisch-romanischem Stile erbauten Glockenturme, einer
rnheil in Griechenland, und ritten weg gen Nordwesten, um die Ruinen der
aufzusuchen.
Id hatten wir das enge Tal des Gortynios erreicht, eines munteren Flusses
klarem Wasser, der in seinem obereren Laufe bei den Alten Lusios
genannt wurde, angeblich weil das Zeuskind darin gebadet sein sollte; nach
Aus der Umgebung Olympias. 241
Pausanias hatte er das kühlste Wasser von allen Flüssen, wenigstens in Klein-
asien und Griechenland; doch ist zu bezweifeln, daß sich Pausanias hiezu eines
Thermometers bedient habe. Eine alte Brücke, wohl noch aus fränkischer Zeit,
führt hinüber; wir erstiegen nun die jenseitige Höhe, gerieten aber etwas zu
hoch und kamen ins Dorf Atzikolo, das wir links oben hätten liegen lassen sollen.
Wir trafen die Leute alle auf dem Platze um die Kirche versammelt und sollten
nun einen seltsamen Überfall durch Gastfreundschaft erleben. Ein älterer Mann,
dem sich bald noch zwei jüngere anschlössen, kam auf uns zu; auf meine
Fragen nach dem Wege zu den Ruinen antwortete er nicht, sondern mit still-
schweigender und unheimlicher Entschlossenheit faßte er mein Pferd beim Zügel
und führte es, ohne auf meine Remonstrationen eine Silbe zu antworten, nach
seinem Hause; hier endlich fragte er, ob mir Kaffee oder wenigstens ein Rhaki
(Schnaps) gefällig sei; da ich ärgerlich geworden war und wir gar keine Zeit
zu verlieren hatten, schlug ich alles aus; wir betraten das Haus nicht, aber auf
dem Wege zu den Ruinen hinunter begleitete uns der Mann doch mit seinen
beiden Söhnen, welche dann die Sorge für die Pferde übernahmen, während er
uns ein ganz vortrefflicher kundiger Führer durch alle Reste des alten Gortys
wurde und uns nachher noch ein großes Stück des Weges begleitete. Das alles
tat er, wie sich dann deutlich zeigte, nicht aus Eigennutz, sondern nur aus Ehr-
geiz, vor allem hätte er gerne die Fremden in seinem Hause gesehen.
Die Abhänge vom Dorfe zur alten Stadt herab und letztere selbst waren
ganz bedeckt von grünen Weinbergen und Getreidefeldern. Hier erhebt sich der
Stadthügel nur wenig, aber nach der andern Seite (Osten), wo tief unten der
Fluß strömt, fällt er in steilen Wänden ab. Gleichwohl finden sich an diesem
Abhänge außerhalb der Burgmauer mehrfache alte Terrassenmauern. — Die Aus-
sicht ist rings durch das kahle hohe Kalkgebirge begrenzt; großartig ist der Blick
in die Schlucht des Gortynios, die sich nördlich hinaufzieht bis nach Dimitzana,
noch wilder und voll losgerissener Felsblöcke ist die Schlucht des östlich herab-
kommenden Nebenflusses; an ihren schroffen Wänden brachte der südliche
Himmel die wunderbarsten Reflexe hervor. Hoch droben sah man hier bereits
in dem völlig kahlen und felsigen Gebiete das nicht unbedeutende Städtchen
Stemnitza. Es ist dies einer der wenigen Punkte, wo etwas Industrie getrieben
wird, hier indeß leider von bedenklicher Art; denn von hier kommen jene zahl-
reichen falschen Bronzestatuetten, die dem Fremden namentlich im Peloponnese
angeboten werden und die teils recht gute Nachahmungen antiker Sachen, teils
recht schlechte Neuschöpfungen sind.
Die Burgmauern von Gortys1 sind meist noch sehr gut erhalten; die Bauart
im allgemeinen ist die polygone, doch auf derjenigen Stufe der Entwickelung,
wo die Blöcke alle scharf gefügt werden und eine horizontale Schichtung
1 Frazer zu Paus. VIII, 28.
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. 16
S der Umgebung Olympias.
-cht wird. Am großen Tore an der nordöstlichen Seite sind die größten
und unregelmäßigsten Blöcke angewendet, zum Teil von einem Meter Höhe und
Meter Länge. Dies Tor, jetzt reich von Efeu umrankt, macht in der Tat
einen großartigen und malerischen Eindruck, auch ist die Anlage interessant, indem
sehen die an beiden Seiten schräg vorspringenden Mauern eingesenkt ist,
d. h. die Mauerfortsätze stoßen in stumpfem Winkel auf den Tordurchgang,
welcher eine Breite von 3,50 Meter (d. h. 1 1 olympische Fuß) hat. Die Stärke
der Mauern beträgt 2,60 Meter (=8 olympische Fuß). Das Hauptheiligtum von
Gortys war der reiche und berühmte Tempel des Asklepios, der zwar jedenfalls
nicht, wie man aus einer falsch interpungierten Stelle des Pausanias [VIII, 28, 1]
blossen hat, aus pentelischem Marmor erbaut war — denn dies wäre ein im
Peloponnese ganz beispielloser Luxus gewesen — wohl aber die Bilder des hier
verehrten jugendlichen Asklepios nebst der Hygieia aus' jenem Marmor und von
der berühmten Hand des Skopas besaß. Der Tempel ist völlig zerstört und nur
die Fundamente aus Kalkstein haben sich südwestlich außerhalb der Burgmauer
erhalten; sie lagen in einem Kornfelde, als dessen Besitzer sich unser Führer
ergab, der uns denn auch erlaubte, sie genau zu messen. Die Größe des
Tempels war danach ungefähr derjenigen des Metroons in Olympia gleich, das
dem Pausanias als ein an Maßen großer Tempel erschien.
Von Gortys schlugen wir die Richtung zurück nach Olympia ein; der Pfad
führt in reicher Abwechselung durch meist unbebautes Bergland voll üppiger
Vegetation, teilweise im ausgetrockneten und verwachsenen Bette früherer Bäche,
bis wir bei Sonnenuntergang sanfteres Hügelland erreichten; aber die Nacht war
hereingebrochen, die Pferde stolperten auf dem steinigen Pfade, den wir nur
mit Anstrengung festzuhalten vermochten, das wütende Gebell der Schäferhunde
begleitete uns und übertönte das einförmige Quaken der Frösche, das unten vom
Flusse heraufdrang. Das nächste Dorf war noch weit, ein paar Hütten, die wir
unterwegs fanden, waren so erbärmlich, daß wir lieber im Freien kampiert hätten;
endlich waren wir so glücklich, einen Menschen zu finden, der uns auf dem
nächsten Wege zum ersehnten Dorfe Agianni führte, das jetzt die Stelle der alten
arkadischen Stadt Heraia einnimmt.
Hier fanden wir treffliches Quartier bei einem alten Bauer, dessen schöne
Tochter uns bald von dem vortrefflichen Weine brachte, für den die Gegend schon
im Altertum bekannt war. Der Oberstock des Hauses bestand in einem großen
Saale mit offenem Holzdache, an dessen Balken zahllose Ziegenschläuche und Felle
aufgehängt waren. Wir wurden auf einige neue Decken am Boden gebettet; uns
enüber legten sich, worin die griechische Sitte nichts Anstößiges findet, die Fa-
• Vater und Töchter, nieder; der Jüngste, der Liebling des Vaters, ein derber
chlief bereits längst auf einer Holzkiste in eine besondere Decke gewickelt.
dem auf di<s nachtliche Idyll folgenden prächtigen Morgen rüsteten und
imückten sich die beiden Töchter schon zeitig zum „Panigyri", das unten am
Aus der Umgebung Olympias. 243
Flusse bei einer einsamen Kapelle stattfinden sollte und wo man den ganzen
Tag zu tanzen und zu schmausen dachte. Wir aber durchforschten die geringen
Reste der alten Stadt, die an der Grenze des kahlen Hochgebirges und der
niederen grünen Bergzüge in herrlich freier Lage am Hügel über dem Flusse
sich ausbreitete, welcher hier aber aus dem engenden Gebirge ein offenes Tal-
bett betritt. Außer einigen schönen Quaderfundamenten, die in den Getreide-
feldern versteckt liegen, ist nichts erhalten; aber wie viel die Bauern zerstört
haben, läßt sich daraus abnehmen, daß das ganze große Dorf aus zerschlagenen
antiken Werkstücken erbaut ist. Auch die ganz neue große Kirche ist so her-
gestellt. — Eine neue und geräumige Kirche gehört übrigens gegenwärtig zum
Typus der größeren Dörfer im Peloponnes; wo der Wohlstand sich etwas hebt,
verwendet man ihn dazu, die ohne Ausnahme kleinen Kirchen der früheren Zeit
zu ersetzen. Außerdem drängt die Neuzeit auch hier auf Konzentration; die
zahlreichen, im Felde zerstreuten Kapellen der altern Zeit verfallen meist, ohne
hergestellt zu werden, und der Kultus sammelt sich mehr in der neuen und
großen Dorfkirche. — Antike Fundstücke, Skulpturen oder Inschriften werden bei
solchen Bauten selten geschont, und während man sie früher wenigstens so ein-
mauerte, daß sie noch betrachtet werden können, ist es jetzt nicht selten, daß
man die Dinge zerschlägt oder mit der Kehrseite nach außen vermauert, und
zwar weil man fürchtet, es könne der Regierung zu Ohren kommen, die das
Vermauern von Antiken überhaupt verbietet. Leider haben ja überhaupt die
Gesetze des neuen Griechenland fast nur größere Zerstörung der Antiken zur
Folge gehabt als früher, da die zur Ausführung nötigen Beamten fehlen. Wären
die der Regierung verhaßten Kunsthändler nicht, so würde es gar schlimm aus-
sehen. — Einige gutgesinnte Leute gibt es übrigens in den meisten Dörfern;
wie weit deren Dummheit aber geht, zeigte der Lehrer unseres Dorfes, der mit
Eifer uns alle Reste von Heraia zusammensuchte und gleich zuerst als Haupt-
sache uns vor einen großen festlich aufgepflanzten Stein hinführte — es war
ein Sandstein, vom Wasser zu einer etwas wunderlichen Form gebildet; den
Leuten galt er für ein Hauptwerk der Skulptur und auf Veranlassung des Lehrers
war beschlossen worden, den Stein in den nächsten Tagen in das Museum von
Dimitzana (dem Hauptorte des Gaues) wandern zu lassen; unsere Autorität be-
freite indeß den Rücken eines Maulesels von dem Schicksale, das eben so harm-
lose als schwere Naturgebilde hinauf in jene Bergstadt schleppen zu müssen. —
Die Autorität der Fremden pflegt überhaupt bei den Griechen eine sehr große
zu sein; man ist fast allenthalben im Volke überzeugt, daß wir mit Hilfe unserer
Bücher ganz genau wüßten, wo jeweils die Tempel und Schätze vergraben liegen.
Als wir endlich auch die paar im Dorfe verbauten Inschriften, die Wasser-
leitungsreste, die Gräber usw. gründlich besichtigt hatten, traten wir den Rück-
weg nach Olympia an, der von der Mündung des Ladon an derselbe war, wie
der Hinweg am ersten Tage. In den Dörfern fanden wir heute, als am Oster-
16*
>4j Aus der Umgebung Olympias.
die- los auf den freien Plätzen zum Tanzen versammelt, die Mädchen und
Minner in gesonderten Reigen; denn nur selten sieht man beide Geschlechter
immen tanzen, und dann hält man sich nicht an der Hand selbst, sondern
einem an den Zipfeln ergriffenen Taschentuche. Man wollte durchaus, daß
wir auch in den Reigen träten, der indeß bekanntlich nur einfache langsame
Schritte macht, während der Vortänzer in den kühnsten Sprüngen zu glänzen
sucht. Einen leidenschaftlichen Charakter sah ich den griechischen Tanz nur an-
nehmen, wenn, was seltener geschieht, sich zweie allein gegenüber tanzen; dann
kann er sich zu unheimlicher Aufregung, ja Raserei steigern, während man in
Italien den lustigen und heitern Charakter nie verleugnet sehen wird.
Je näher wir Olympia kamen, desto häufiger wurden wir von Leuten aufs freund-
lichste begrüßt, die zu unsern Arbeitern gehörten, oder von Bauern, die von einer
»ichtigung Olympias zurückkehrten. Denn Hunderte von den Umwohnern pflegen
in den Ostertagen nach den wieder erstandenen Tempeln zu wallfahrten; selbst
das Museum der Statuen beginnt populär zu werden unter den Griechen. Dafür
te damals namentlich der mit der Bewachung des Museums betraute griechische
Aufseher, der durch seine volkstümlichen Erklärungen den Leuten die Sache an-
zupassen wußte. Einigen Frauen erläuterte er z. B. den Hermes mit dem Bacchus-
kinde von Praxiteles einmal so: Hermes sei der König der Nereiden (der noch
vom Volke geglaubten, unsern Nixen und Elfen entsprechenden Wesen, die auch
Kinder lieben); der habe hier eben eine Frau mit einem Kinde getroffen, habe
ein Gewand auf einen Ölbaum nebenbei gelegt und das Kind auf den Arm
nommen, um ihm eine Traube zu schenken.
Vom hohem Gebirge kommend, fanden wir jetzt, je mehr wir uns Olympia
näherten, desto eindringlicher, wie sehr doch die Gegend hier an bedeutender
Haltung abnimmt; der ruhige Zug der pinienbewachsenen Höhen hüben und
drüben ist nicht mit Unrecht mit dem deutschen Mittelgebirge verglichen worden.
die Mündung des Kladeostales und der steile Kronionhügel machen bei der
»lympias selbst einen bedeutsamen Abschnitt. Da die Anlage eines Stadions
und dann eines Hippodroms für den Festplatz Haupterfordernis war, so war eben
kaum eine andere passendere Ebene am Alpheios zu finden. Indeß wird
{dingen, alle Grunde zu erkennen, weshalb Olympia gerade hier gegründet
und '^roß geworden ist.
EINE AUSGABE DER FUNDE VON OLYMPIA
IN EINEM BANDE
(PREUSSISCHE JAHRBÜCHER 1882 BAND 51.)
egrabner Schatz, verborgner Sinn ist Verlust ohne Gewinn" — diesem 369
alten Spruche folgend hat die Direktion der Ausgrabung Olympias nach
Abschluß jedes Ausgrabungsjahres einen Band mit vorläufigen Mit-
teilungen über die wichtigsten Resultate herausgegeben. Und jetzt wieder, nach-
dem die Arbeit abgeschlossen ist und der Spaten ruht, nachdem fünf jener statt-
lichen Bände vorliegen, die doch zum großen Teile nur provisorisches Stückwerk,
nur die einzelnen Steinchen bieten, aus denen der Kundige sich ein Bild zu-
sammensetzen mag, jetzt da alle Freunde des Altertums einen Überblick über das
Gewonnene, eine kurze Zusammenfassung des Wichtigsten wünschen mochten,
erhalten wir wieder einen neuen Band, der jenem Bedürfnisse entspricht, so weit
es eben bis jetzt möglich ist, und für den wir den Herausgebern wie dem Ver-
leger gleich dankbar sein müssen.1
Den letzten Anstoß dazu hat indeß, soviel wir wissen, ein zufälliger äußerer
Umstand gegeben; als nämlich im Frühjahre vorigen Jahres die griechische Re-
gierung uns die sogenannten Dubletten der Funde Olympias zuerkannt hatte,
fehlten diesseits augenblicklich die Mittel, um dieselben rasch nach Deutschland
zu befördern; die vorliegende Publikation hat dies indeß sofort möglich gemacht,
so daß schon seit Januar dieses Jahres wenigstens die Abteilung der kleineren
Fundstücke provisorisch im Antiquarium der königlichen Museen dem allgemeinen
Studium zugänglich ausgestellt werden konnte.
Es ist ein Band von vierzig Tafeln und kurzem erläuternden Texte, der von
Curtius und Adler, sowie zwei Architekten, den Herren Borrmann und Gräber,
verfaßt ist. Die Mehrzahl der Tafeln wiederholt, freilich mit mancherlei Ver-
besserungen, die wichtigsten der Denkmäler, die bereits in jenen fünf einzelnen,
in demselben Verlage seit 1876 erschienenen Bänden veröffentlicht waren; doch 370
sind auch nicht weniger als elf Tafeln ganz neu hinzugefügt, die fast das Inter-
essanteste und Bedeutendste des Bandes enthalten. Es konnte nämlich bereits
ein Teil der Resultate benutzt werden, die sich aus den Vorarbeiten ergaben, die
1 Die Funde von Olympia, Ausgabe in einem Bande, herausgegeben von dem Di-
rektorium der Ausgrabungen zu Olympia, XXXX Tafeln, Berlin, E. Wasmuth 1882.
|£ Eine Ausgabe der Funde von Olympia in einem Bande.
vnwartig EU einer abschließenden wissenschaftlichen Verarbeitung des ganzen
:npischen Materials gemacht werden. Dahin gehört vor allem die Restauration
der großen Giebelgruppen des Zeustempels, die jetzt auf Anregung und unter
der Leitung von E. Curtius im Werke ist. Dieselbe hat damit begonnen, zunächst
in genauen verkleinerten Modellen das Ganze wiederherzustellen. So war es
möglich, bereits in unserem Bande photographische Ansichten des in jenen
Modellen vollständig restaurierten Ostgiebels des Zeustempels sowie einiger
Hauptgruppen vom Westgiebel l zu geben. Natürlich hofft man nach Beendigung
dieser Modelle die Restauration auch im großen ausführen zu können; doch soll
diese Arbeit noch etwa zwei Jahre beanspruchen. Hoffentlich können wir also
binnen kurzem endlich einmal den durch keine Lücke getrübten Totaleindruck
zweier großartigen monumentalen Schöpfungen empfangen, zweier Giebelgruppen,
die ohne Zweifel im griechischen Altertame selbst zu den ersten und bedeutendsten
Werken der Art gehörten.
Man pflegt heutzutage gegen Restauration antiker Bildwerke etwas mißtrauisch
zu sein, da man nur allzu deutlich sieht, wie viel frühere Zeiten darin gesündigt
haben; es weiß jetzt jeder, daß selbst die von einem Manne wie Thorwaldsen
ausgeführte Restauration der Giebelgruppen von Ägina in München eine verfehlte
war, daß die Anordnung der Figuren eine mehr als zweifelhafte, daß der Stil des
Ergänzten, besonders der Köpfe, ein vielfach mißverstandener ist. Doch bei den
olympischen Giebeln liegt die Sache anders: erstlich sollen nicht die Originale,
die ja in Olympia selbst geblieben sind, sondern nur die Abgüsse restauriert
werden, und dann ist durch den Reichtum des Erhaltenen die Basis für den
Ergänzer eine so gesicherte, daß er, wie wir zuversichtlich sagen dürfen, in
keinem Hauptpunkte, nur in unwesentlicheren Nebendingen fehlzugehen Gefahr
läuft. Unter diesen Umständen wird die Forderung, die wir als eine ideale gewiß
allen uns trümmerhaft überkommenen antiken Meisterwerken entgegenbringen, zu
einer Forderung der Pflicht: wenn es so sicher und leicht zu erreichen ist, aus
dem Stückwerk ein Ganzes zu machen, so muß es auch geschehen.
Indeß bezwingen wir unsere Ungeduld und freuen uns an dem, was bereits
•istet ist. Schon die Ausführung der Modelle hat natürlich sehr viele Resultate
371 gebracht. Gar mancher Torso, mancher trümmerhafte Rest, der vordem unver-
ständlich war, ist jetzt, nachdem ihn das geübte Auge und die Sorgfalt des
Künstlers richtig erkannt hat,2 bedeutsam, ja zuweilen entscheidend für die Auf-
fassung ganzer Gruppen geworden.
Die beschleunigte Publikation eines Teiles der Restauration gewährt indeß
leich die Sicherheit, daß etwaige begründete Ausstellungen an einzelnen Punkten
der Ausführung im großen berücksichtigt werden können.
Tafel VI, VII, X; gegenwärtig sind die beiden Giebel in den Modellen (im Maßstäbe
von 1 10) fertig "nd sind Abgüsse der letzteren käuflich.
1 Herr QrBUBcr, ein Schüler Schapcrs, hat sich der mühevollen Aufgabe unterzogen.
Eine Ausgabe der Funde von Olympia in einem Bande. 247
Die schwankende Auffassung und das doch immer wachsende Verständnis
der in Olympia zu Tage gekommenen Kunstwerke bildet schon jetzt ein eigenes
und besonders interessantes Kapitel in der Geschichte der Archäologie. Selbst
der Praxitelische Hermes ist ja von diesem Wellenschlage ergriffen worden; auch
er mußte eine erste kurze Periode durchmachen, in welcher er von manchen
Kennern nicht für ein Werk des großen Praxiteles, sondern nur für eines aus
seiner Schule oder für das eines spätem Namensvettern gehalten wurde. Ich
selbst gestehe, daß ich, als ich den Hermes zum ersten Male sah — es war in
Olympia, gerade ein Jahr nach der Auffindung — , daß ich während der Be-
trachtung selbst zwar nur ergriffen war von dem überwältigenden Eindrucke eines
Meisterwerkes, wie ich es noch nie gesehen, daß aber nachher, als bei der
Rückfahrt auf ruhiger See sich die gewissenhafte Überlegung einstellte, ich das
Geschaute mit dem Bilde, das ich bis dahin von Praxiteles erlernt oder mir zu-
rechtgemacht hatte, gar nicht in Übereinstimmung bringen konnte; erst allmählich
lernte ich — umzulernen. — Und die Giebelskulpturen? Sie schienen, als sie
einzeln zu Tage kamen, manchen Forschern so untereinander widersprechend, daß
man sie zum Teil für unmöglich zu einem Ganzen gehörig oder einzelnes —
wie den Greis auf Tafel IX — um wenigstens ein Jahrhundert später als das
übrige entstanden hielt. Man hatte erwartet, Skulpturen im Stile der Parthenon-
giebel zu finden, und war nun überrascht, etwas ganz anderes vor sich zu sehen;
die einen waren enttäuscht und wandten ihr Interesse gleichgültig von dem
Ganzen ab, die andern waren um so eifriger in Hypothesen über die Herkunft
des Stiles, für die nun fast in sämtlichen von Griechen bewohnten Landschaften
gesucht wurde, indem man in der Freude über das im Originale Gewonnene den
sichern Anhalt, den die alte Tradition an die Hand gab, meist verschmähte.
Es gibt wohl kein beredteres Zeugnis für die eminente Bedeutung der olym-
pischen Funde als dieses, daß sie so wenig sich in die bisherigen Schemata 372
unserer kunstgeschichtlichen Weisheit einfügen wollten, daß sie so energisch zum
„Umlernen" zwangen.
Noch sind wir mitten im Schwanken darin. Die Herausgeber der Publikation,
das Direktorium der Ausgrabungen bewahrt indeß auch im vorliegenden Bande
wie in den früheren seine ruhige und vorsichtige Haltung, nur das möglichst
Gesicherte gebend. Wenn ich jedoch jetzt die wichtigsten Tafeln des Bandes
dem geneigten Leser etwas näher zu charakterisieren unternehme, so wird sich
wohl manche individuelle Anschauung beimischen, die wenigstens den einen
Vorzug haben mag, allmählich im Umgang mit den Objekten selbst entstanden
zu sein.
Die Tafelreihe wird eröffnet durch umfassende Ansichten des Ausgrabungs-
feldes selbst (Tafel I— V); wir betrachten diese besser später mit dem Plane
zusammen. Es folgt dann gleich (Tafel VI, VII) jene vollständig restaurierte und
vom Rahmen des Gesimses eingeschlossene Ansicht -des Ostgiebels. Man hat
AUSGABE DER FUNDE VON OLYMPIA IN EINEM BANDE.
diese Komposition früher steif und leer genannt, als man nur die einzelnen Stücke
kannte. Die Rekonstruktion widerlegt jenen Vorwurf glänzend. Die starren Torsen
haben durch Arme und Beine und Wendung des Kopfes Leben und Bewegung
erhalten; der Raum ist vollständig gefüllt und in leicht faßlicher, dem suchenden
Sich einprägender Harmonie rollen die Linien von der Mitte nach den
beiden linden.
Die völlige und zwanglos schöne Füllung jedes gegebenen Raumes ist ein
Vorzug, den die Antike bekanntlich in besonders hohem Maße besitzt; er konnte
sich leicht da bilden, wo die Plastik figürlicher Gruppen überhaupt nur dekorativen
Zwecken diente, wie es im Altertum eigentlich bis nach Alexander der Fall war,
und wo sich figürliche Gruppenbildung überhaupt nur entwickelte im Anschlüsse
an das Ziel gefälliger Raumfüllung.
Es sind fünf Stellen jener Giebelkomposition, die das Auge zuerst festhalten:
die mächtige, genau in der vertikalen Mittellinie stehende gerade Gestalt des
Zeus; dann die Gruppe der Rosse rechts und links mit ihren gestreckten Leibern,
die beiden Giebelschrägen bezeichnend; und endlich die lagernden Figuren der
Ecken, deren Unterteile ruhig den Linien der Architektur folgen und gleichsam
in sie übergehen. Dies sind die Angelpunkte, es ist das feste Knochengerüste
der Komposition: das übrige legt sich bekleidend und füllend dazwischen.
Aber fragen wir nicht besser erst, welcher Moment der Handlung eigentlich
dargestellt ist? Ein Versuch, diese Frage zu beantworten, würde uns gleich lehren,
wie sehr die rein künstlerischen Forderungen unserem Künstler das erste waren
und das Streben nach genauem Ausdrucke des Stoffes zunächst etwas zurück-
stand. Man mußte die zu Grunde liegende Fabel schon kennen, um seine Dar-
stellung zu verstehen; einen einzelnen sofort faßlichen Moment derselben hat er
überhaupt nicht gegeben; er hat in einem idealen Gesamtbilde vereinigt, was die
e, in einzelne Handlungen zerlegt, bot; er folgte frei und ganz den Gesetzen
der eigenen, der bildenden Kunst. — Die Sage ist bekanntlich die vom Wett-
rennen des Pelops und Önomaos, das in Olympia als das älteste und denk-
würdigste galt und in welchem Pelops siegend sich die schöne Braut Hippo-
dameia, des Önomaos Tochter, erwarb.
In der Mitte zwischen den beiden Parteien steht Zeus, nicht als Schiedsrichter
urteilend, wie man gemeint hat, noch etwa das Opfer jener beiden entgegen-
nehmend, sondern einfach als der göttliche Mittelpunkt des Ganzen, nach dessen
Ratschlüsse die Verwickelung sich löste, zu dessen Ehren dies alles, das Wett-
•ien der Sage wie das der wirklichen Feste geschieht, zu dessen Ehren der
Tempel selbst erbaut ist. So steht Athena in den äginetischen Giebeln unsichtbar
waltend inmitten der Kämpfenden. Nur durch die Wendung des Kopfes deutete
un- Her an, daß Zeus sich dem Pelops geneigt. In den beiden Paaren der
die man als leblos und steif getadelt hat, entwickelt der Künstler
Imehr eine einfache, aber feine Schilderung des ethischen Charakters wie der
Eine Ausgabe der Funde von Olympia in einem Bande. 249
Stimmung, und symbolisiert hiedurch Verlauf und Ausgang des ganzen Ereignisses:
auf Seiten des Pelops bescheidene Festigkeit und Freude, dort bei Önomaos
trotzige Unruhe und trübes Sinnen. Selbst auf die Wagenlenker erstreckt sich
dieser Gegensatz; jener jugendliche, zarte des Pelops ist fröhlich zugewandt;
abgewandt kniet der treulose Myrtilos drüben. Die Rosse sind nicht angeschirrt,
denn keine Wagen sind da; ein lebloses Objekt wie einen leeren Wagen konnte der
Künstler nicht brauchen ; auch sind ja die Pferde allein das Wesentliche [Anders
Archäol. Jahrb. 1891 S. 76 ff.]. Solche Abstraktionen gehören ja zur Eigenart der
griechischen Kunst, die den Ballast banaler Deutlichkeit nie schleppen wollte. Da
aber die Rosse nur am Zügel gehalten werden, müssen selbstverständlich die Lenker
vor denselben sich befinden; sie füllen hier trefflich den Raum aus, ohne durch zu
starre Symmetrie zu stören. — Hinter den Rossen ist ein Einschnitt der Komposition;
eine neue kleinere Abteilung beginnt, um sich dann in den Ecken zu verlieren. Zu-
nächst lagern da an der Erde zwei merkwürdige Gestalten, ältere Männer, verschieden
bewegt; auch hier der auf Pelops' Seite in freudiger Erregung emporblickend,
und der andere drüben, ein Greis, in finsterem Sinnen umwölkten Blickes nach
der Mitte schauend. Auch hier wie bei den Wagenlenkern ist durch die ab-
weichende Richtung die sonst allzu strenge Symmetrie gemildert, doch ist diese
Richtung hier natürlich die umgekehrte von der der Wagenlenker, so daß ein an-
genehmer Chiasmus entsteht; zugleich war es so möglich, auf die Seite des 374
Pelops die stärkere Bewegung, auf die andere die Ruhe des dumpfen Brütens
zu bringen. — Diese beiden Figuren wurden vom Künstler geschaffen im An-
schlüsse an einen Typus, der für verwandte Szenen bereits feststand. Zu allen
wichtigen Unternehmungen, Kriegszügen und dergleichen gehörte bei den Alten
der Seher, und was Sage und Poesie so vielfach verwendeten, das ließ auch die
Kunst sich nicht entgehen, das schöne Motiv des weisen Sehers, der das Unheil
heraufziehen sieht, ohne es abwehren zu können. Altertümliche Vasenbilder zeigen
oft bei Szenen kriegerischen Auszuges und besonders bei jenem verhängnisvollen
des Amphiaraos einen Greis vor den Pferden des Wagens, meist an der Erde
sitzend, der mit der Gebärde der Trauer sich an den Kopf greift. Halimedes wird er
auf einer sehr alten Vase * genannt, und der Halitherses, den noch spätere Künstler
dem Auszuge des Amphiaraos zufügten, war gewiß dieselbe Figur; Halitherses heißt
auch in der Odyssee ein greiser weiser Vogelschauer auf Ithaka, der des Odysseus
Ankunft prophezeit und das Unheil der Freier vorausgesehen hat. Der Name,
vielleicht mit den alten mythologischen Vorstellungen vom weisen Seegreise zu-
sammenhängend, war eben typisch für jene typische Figur. Wir wissen nicht, ob man
auch Namen hatte für die Seher des Pelops und Önomaos, doch ist dies ohne Belang.
Der Rahmen, den die vier Eckfiguren nun um diese Komposition bilden, ist
einem Rahmen aus frischem Grüne zu vergleichen; es sind Wesen der Natur, die
[Berlin 1655. Furtwängler-Reichhold-Hauser, Griechische Vasenmalerei 121.]
l-isr Ausgabe der Funde von Olympia in einem Bande.
lebendigen Vertreter der lokalen Umgebung; hier links der Fluß Alpheios, dessen
Wellen nur wenige Schritte von da flössen, eine Nymphe neben ihm, die vielleicht
Mumenlesende gedacht Ist; und drüben der muntere, jugendlich neugierige
ch Klldeos nebst einem knabenhaften Gesellen, der in unbekümmerter Unschuld
: Natürlichkeit, als ob er am Bache säße, die Nägel der Zehen sich reinigt
Vchäol. Jahrb. 1891 S. 87].
Um sich die Wirkung dieser Idee auf die Zeitgenossen zu vergegenwärtigen,
muß man bedenken, daß sie, die so viel nachgeahmte, damals eine völlig neue
war. Jene Dämonen, welche die Natur selbst darstellen sollen, begann man damals
■ einzuführen in die Kunst, und welch glücklicher Gedanke war es, die so
spröden Ecken des Giebeldreiecks mit solchen behaglich gelagerten Gestalten des
Lokales zu füllen! Phidias an den Giebeln des Parthenon konnte nichts Besseres
tun als- wiederholen; die Ecken seines Westgiebels mit ihren Flußgöttern werden
unter unmittelbarem Einflüsse unseres olympischen Ostgiebels entstanden sein;
denn auch jenen Knaben auf der rechten Seite wiederholte er dort sehr ähnlich.
Derselbe ist in unserem Giebel auch eine vorzüglich passende Figur als Übergang
375 zwischen seinen beiden ins Profil gewendeten Nachbarn. Seine Stellung zeigt ihn
nimlidi von vorne,1 wodurch sich die Ecke zugleich sondert und doch ein ge-
fälliger Übergang erzielt wird, den wir auf der andern Seite des Giebels vermissen
[Anders Archäol. Jahrb. 1891 S. 79].
Also eine durchaus fein abgewogene, bis ins einzelne überlegte Komposition
haben wir vor uns, die sich aufs natürlichste in den Rahmen des Giebelfeldes
einordnet.
Diese ließ sich indeß erst nach der im vorliegenden Bande publizierten Re-
stauration und Anordnung der einzelnen Figuren richtig beurteilen. Es ist freilich
schon vorher in einigen im Publikum weiter verbreiteten Büchern eine andere
Aufstellung, die einigen Figuren einen andern Platz anweist, publiziert und ganz
neuerdings von ihrem Urheber, G. Treu, in der Archäologischen Zeitung 2 ausführlich
■rteidigt worden; ich muß dieselbe jedoch für verfehlt halten.
Von dem westlichen Giebel konnte noch keine vollständige Restitution
/eben werden; nur zwei der kühnsten und originellsten Gruppen sind ver-
ntlicht nebst einigen der schönsten Köpfe und Torsen (Tafel X ff.). Der
genstand ist ein wilder Kampf der Kentauren, der Pferdemenschen, mit Peirithoos
is und deren jugendlichen Genossen bei der Hochzeit des ersteren.
b herrscht hier das gleiche Kompositionsprinzip wie dort; auch hier steht
-'•n^erade eine Göttergestalt in der Mitte; Apollo ist es, an dem sich hier wie
• m festen Riffe die von beiden Seiten heranstürmenden Wellen brechen.
'ichtung ge^en die Mitte in den beiden Hauptgruppen zu Seiten des Apoll
II dürfte noch etwas mehr in die Vorderansicht gedreht werden, als es auf
der Tafel geschehen i
* ( '1.1 ff. Tafel 12]
Eine Ausgabe der Funde von Olympia in einem Bande. 251
wird dann unterbrochen und es folgen als Vermittlung zunächst zwei kleinere
aus dem Hintergrunde herausspringende Gruppen, dann aber in Wendung nach
den Giebelecken die Kentaurengruppen der Tafel X. Den Schluß bilden gegen
die Mitte gewandte weibliche Gestalten, die etwas einförmig hintereinander liegen,
so daß wir hier die wohltuende rhythmische Abwechslung des Ostgiebels vermissen.
Die Eckfiguren dienen indeß auch hier zur lokalen Fixierung und Umrahmung
durch die Natur; es sind die Nymphen der feuchten Täler am Pelion, wo man
den Kampf geschehen dachte [Anders Archäol. Jahrb. 1891 S. 87].
Es ist nun überliefert, und wir haben bis jetzt, wie ich glaube, keinerlei
Recht, es zu leugnen, daß das östliche Giebelfeld von Päonios, das westliche
von Alkamenes herrühre. Aber wir lernen jetzt aus den Funden, daß diese beiden
Künstler sich überaus nahe gestanden haben müssen. Das Kompositionsprinzip
ist an beiden Giebeln dasselbe; die große Verschiedenheit rührt von dem ver-
schiedenen Stoffe her; und wenn wir am Westgiebel die Gruppen zuweilen etwas
hart und gezwungen, die Symmetrie etwas zu starr finden, so könnte dies eben- 376
sosehr dem schwierigen Stoffe als der Individualität des Künstlers zur Last fallen.
Die Übereinstimmung in der Ausführung der beiden Giebel aber ist noch evidenter
für denjenigen, der die Stücke alle einzeln in den Originalen kennt. Von den
vorhandenen Differenzen sind die zwischen einzelnen Figuren des Westgiebels
selbst (vergleiche zum Beispiel Tafel XIV, A und B) entschieden stärker als die
zwischen den beiden Giebelfeldern. Die beiden Künstler müssen also eng ver-
bunden gewesen sein, etwa als Lehrer und Schüler. Nun rühmt sich aber der
eine derselben, Päonios, wie es scheint, in der Inschrift eines anderen Werkes,
der Nike, daß er den ganzen Schmuck des Giebeldaches gemacht habe. Vielleicht
also war Päonios der Meister, dem das Ganze zugeteilt war, und Alkamenes sein
Schüler, dem jener den Westgiebel insbesondere anvertraute? Gewisse Ungleich-
heiten des letzteren, einerseits das Haften an altertümlicher Strenge, andererseits
der, besonders in den Nymphen der Ecken fühlbare, bedeutend freiere Charakter,
würden vielleicht für jene Annahme sich verwenden lassen, da sie den jungen
Künstler zu verraten scheinen. Jedenfalls ist der Ostgiebel gleichmäßiger und
harmonischer auch in der Ausführung, denn jene gewisse Starrheit, die namentlich
in den Mittelfiguren herrscht und mit dem sonstigen Streben nach Natürlichkeit
und Weichheit kämpft, sie gehört zu dem Stile der Tempelskulpturen überhaupt,
der Giebel wie der Metopen.
Von den letzteren, den Metopen, geben Tafel XXI und XXII die besten
Proben; es sind neue Aufnahmen nach den durch die letzten Funde vervollständigten
Abgüssen. Man hat die Metopen stilistisch teils ganz von den Giebeln trennen,
teils sie in zwei durchaus verschiedene Gruppen teilen wollen; beides fälschlich.
Vor zu subtilen Unterscheidungen und zu raschen allgemeinen Folgerungen aus
einzelnen Differenzen kann man sich nicht genug hüten; haben doch die an-
fänglichen Versuche, die Figuren nach stilistischen Beobachtungen dem einen
Kim Ausgabe der Funde von Olympia in einea\ Bande.
H dem andern Giebel zuzuweisen, zu den falschesten Resultaten geführt.
Die Metopen bilden mit den Giebeln eine unzertrennliche Gruppe und ihr Stil
derselbe, den wir als den des Päonios bezeichnen dürfen. Ihre Ausführung
Indefi etwas straffer und sorgsamer als die der Giebel. Besonders anziehend
\tkismetope Tafel XXI mit der edlen Ruhe ihrer Gestalten. Die originellste
der Metopen konnte leider nicht mitgegeben werden; es ist die des Herakles mit
dem Xemeischen Löwen; ganz abweichend von aller Tradition nämlich zeigt da
der Künstler den Heros, der bei dieser seiner ersten Großtat allein noch in un-
bärtiger Jugendlichkeit dargestellt ist, nicht im Kampfe, sondern in schwermütiger
Ruhe nach dem Siege; er setzt den Fuß auf das erlegte Tier und stützt den
müden Kopf in die Hand; es ist, als ob sein trüber Blick all die Mühe und Not
prophetisch voraus erkenne, die ihm noch bevorstehen. Gewiß kein geringer
Künstler, kein „Steinmetze von Elis" war es, der es wagen durfte, so kühn mit
einem durch Jahrhunderte feststehenden Typus zu brechen und ein Stimmungs-
bild an Stelle der Handlung zu setzen. Ich erkenne hier eben Päonios.
Der Zeustempel wurde, wie wir jetzt sicher wissen, für einen so großartigen
Bau sehr rasch und in einem Zuge errichtet; die Metopentafeln mußten während
Aufbaues selbst eingefügt werden; die Giebelfiguren aber sind von jenen
nicht zu trennen. So stand der ganze Tempel schon etwa um 460 fertig da.
Der zweite größte Tempelbau des damaligen Griechenland, der Parthenon in
Athen, wurde erst zirka zwölf Jahre später begonnen. Das Früheste an dem so
len Bildschmucke des Parthenon sind unstreitig die Metopen, die also nicht
lange nach Vollendung der olympischen Skulpturen entstanden. Es ist nun überaus
interessant - - namentlich da auch ihr Hauptgegenstand, Kentaurenkämpfe, sich
mit Olympia berührt — , hier Vergleiche anzustellen; sie führen tief ein in das
damalige Kunstleben. Der große Gegensatz, der zuerst zwischen den olympischen
und jenen attischen Werken zu bestehen scheint und den ich bei meinem ersten
suche in Olympia selbst sehr lebhaft empfand, verschwand mir bei näherem
Studium immer mehr. Abgesehen von einigen wenigen sich leicht ausscheidenden
topen steht die Überzahl derselben am Parthenon unter dem evidenten Ein-
flüsse derselben Kunstweise, die wir in Olympia erkennen. Der durchgehende
iiied ist nur der: was dort, in Olympia, einem mächtigen breiten Strome
hbar hinrauscht, das fließt hier, in schmäleres Bette gedämmt, ruhiger,
- meist auch klarer. Die breite Fülle sucht man in magere Straffheit zu
ideln und da* Ungebundene zu regeln. Nicht immer ist die Wirkung günstig;
matt und abgeschwächt erscheint namentlich die Wiederholung jener zwei mächtigen
;ppen der frauenraubenden Kentauren zu beiden Seiten des Apollon.' Die Ent-
lehnung ist ganz zweifellos; wie im Giebel hat der Metopenkünstler die beiden
ippen gegenübergestellt und nur durch eine getrennt, welche dem Apollon
1 (Michaeli . PsfttMDOfl Tafd3. X, XII.]
Eine Ausgabe der Funde von Olympia in einem Bande. 253
dort entspricht, also eine ganz für die Bedingungen der Giebelfelder erfundene
Komposition in die Metopen übertragen. Wohl sind nun in letzteren die Glieder
der Frauen klarer, die dort noch, unter der schweren Hülle des Gewandes ver-
steckt, nur zu erraten sind; wohl sind die Reste des Altertümlichen in den Falten
beseitigt; — aber die Energie, das Feuer der Bewegungen, die Prägnanz der
Motive ist, hier wenigstens, verloren gegangen. — Die Abhängigkeit der meisten
Parthenonmetopen von der in Olympia repräsentierten Kunsttradition ist aber
auch in den rein formalen Dingen deutlich. Man liebt es hier wie dort, die 378
Haare plastisch nur als glatte Masse zu bilden und das übrige der Malerei zu
überlassen; auch an den Roßschweifen geschieht dies. In den Gewändern erkennt
man hier wie dort dieselbe Art von dicken Stoffen, die, wo sie aufliegen oder
sonst zusammengedrückt werden, sich in weiche Falten mit rundlichen welligen
Brüchen legen; besonders an verborgeneren Stellen der Metopen entdeckt man
überraschende Übereinstimmungen mit den olympischen Gewändern; selbst die
eigene Art, wie zum Beispiel auf dem linken Schenkel des hockenden Knaben
im Ostgiebel der Mantelrand aufliegt, kehrt dort wieder. In den Köpfen ist
besonders eine jüngst erst vervollständigte Metope frappant ähnlich.
Wie erklärt sich dieses Verhältnis? Sind die olympischen Skulpturen vielleicht
selbst nur aus attischer Schule hervorgegangen? — Nein; die Kunstweise, die
uns ein nicht genug zu preisendes Geschick in Olympia erhalten hat, war viel-
mehr eine Lehrerin und eine der Hauptquellen für die attische, aus denen diese
sich kräftigte, um dann durch das Genie des Phidias jene ihre einzige Höhe zu
erreichen. Und jene Kunstweise ist keine andere als die ionische.
Eine allzu einseitige Voreingenommenheit für die Originalität attischer Kunst
hat es bisher verhindert, daß man die noch im ganzen fünften Jahrhundert eminente
Bedeutung der ionischen Kunst richtig würdigte; freilich hat man auch, was von
letzterer erhalten ist, zum Teile nicht als solches erkannt. Der Charakter, der uns
in den verschiedenen lokalen Gruppen der altionischen Kunst — in Kleinasien, auf
den Inseln, den nördlichen und westlichen Kolonien — ziemlich übereinstimmend
entgegentritt, ist der einer eigenen Vollsaftigkeit, einer ungeniert derben Ursprüng-
lichkeit und einer reichen Phantasie; Schöpfungen wie die ihr durchaus eigenen
pferdehufigen stumpfnasigen Silene sind sprechendes Zeugnis dafür. Aber diese
Kunst mit ihrer breiten Fülle, sie geht vom Äußerlichen aus, vom bunten Reize
der Erscheinung, sie dringt nicht in die Tiefe, sie ergründet nicht die Gesetze
der Organismen, sie begnügt sich, den äußern Schein des Natürlichen zu geben
und tut dies mit sinnlichem Feuer und Energie, aber sie fragt nicht nach gesetz-
mäßiger Begründung von innen heraus. Daher denn ihr vorwiegend malerischer
Charakter; auch ist neben der Malerei selbst die dekorative Skulptur ihre Haupt-
tätigkeit; sie bedeckt gern alles, Geräte und Bauten, mit bunt bemaltem figür-
lichem Schmucke. Ihr Stil war schon in der archaischen Periode weniger herb
und streng als der im übrigen Griechenland; sie gelangte zuerst dazu, an Stelle
1'iM AUSGABE der Funde von Olympia in einem Bande.
konventioneller steifer Faltenzüge eine weiche natürliche Gewandbildung zu setzen;
Leben und Ausdruck, zunächst mehr sinnlicher, dann auch geistiger Art sah man
zuerst an ihren Köpfen. Als Athen nach den Perserkriegen sich so glänzend
erhob und die materiellen und geistigen Kräfte der ionischen Welt in sich zu
vereineil strebte, da war es epochemachend für die Kunst, als ein Genius ersten
Ranges wie der große ionische Maler Polygnot, und ihm folgend manche Ge-
nossen ionischer Abkunft, sich in Athen niederließen. Ihre Kunst hatte eine
mächtige Wirkung hier, die wir noch aus dem Umschwünge teilweise erkennen
können, der selbst die handwerksmäßige Gefäßmalerei damals betraf. — Als
aber der olympische Tempel gebaut ward, da galten gewiß noch die ionischen
Künstler für die ersten in der dekorativen Tempelskulptur; in der Konkurrenz
ward Päonios, gebürtig aus Mende, einer nördlichen ionischen Kolonie, der
Sieger;1 sein Genosse Alkamenes aber stammte von Lemnos, einer Insel im
Gebiete ionischer Kunstweise. Echt ionisch aber sind an ihren Skulpturen alle
ihre wichtigsten Eigenschaften: zunächst der gesamte malerische Charakter der-
selben; im einzelnen die Behandlung der Haare, auch die Hauben und bunten
Binden der Frauen, die auch Polygnot so sehr liebte; das Gewand mit den
weichlichen Falten, die Körper, die, obwohl in der Anlage noch etwas altertümlich
gebunden, doch schon durch weiche Hautfalten das Natürliche erstreben und von
der straffen attischen Magerkeit weit entfernt sind; dann die Köpfe mit ihren
weichen Partien um die Augen und jenen Falten, die innere und äußere Erregung
widerspiegeln; vor allem aber die so überraschend naturwahren Typen des Greises
und der alten Frauen; so wußte auch Polygnot die Lebensalter vorzüglich zu
unterscheiden, und die einzigen Analogien für jene olympischen Bildungen finden
wir auf gleichzeitigen ionischen Tonreliefs, die nach einem Hauptfundorte „melische"
genannt zu werden pflegen, und auf jenen attischen Vasen, die eben unter Polygnots
Einflüsse stehen und die auch sonst die überraschendsten Analogien mit den
olympischen Skulpturen aufweisen. Echt ionisch ist ferner jene ungeschminkte
Natürlichkeit der Motive, die sich trotz einer gewissen Gebundenheit überall
durchringt und besonders deutlich ist in dem Knaben, der sich an den Zehen
kraut, oder selbst der feierlichen Gestalt des Zeus, der mit der Rechten so
natürlich und unbewußt in den Rand seines Mantels greift. Und als ionisch
dürfen wir schließlich auch die feurige Bewegung und die Kühnheit der Gruppen-
bildung im Westgiebel ansprechen, vielleicht auch den Gedanken, durch Dämonen
der Natur und des Lokales das Ganze zu umrahmen.
schichtliche Bedeutung dieser Tradition hat zuerst H.Brunn erkannt;
die unzweifelhaft richtige Bahn gewiesen, ist man ihm bis jetzt nicht gefolgt.
seine feine stilistische Würdigung der olympischen Skulpturen ist trotz mancher
wir bis jetzt nach dieser Seite besitzen. [Sitzungsbcr. der Bayer.
Akadcm: nsdl. phJlof.-phllol. Klasse 1877, I S. 1—28 und 1878 I S. 442—471 =
Kleine Schriften II S. 201 ff. und 217 ff.]
Eine Ausgabe der Funde von Olympia in einem Bande. 255
Die Malerei und die mit ihr immer Hand in Hand gehende Reliefskulptur 380
haben die Gruppenbildung bei den Alten entwickelt. Die olympischen Giebel-
figuren, obwohl fast ringsum ausgeführt, sind doch nur als Hochreliefs zu fassen,
ja als sehr malerische, wie am besten die zwei Kentauren zeigen, die nur mit
den Vorderkörpern aus der Giebelwand herausspringen, während ihre größere
hintere Hälfte der Phantasie zu ergänzen überlassen ist. Die dorische Giebel-
plastik, wie sie vom äginetischen Tempel vorliegt, gibt freilich den Figuren ganz
statuarische Abrundung, kennt aber die verschlungene Gruppenbildung ionischer
Kunstart nicht. Phidias erscheint später auch hierin als Vermittler der beiden
Richtungen.
Verweilen wir einen Augenblick bei Phidias. Er war bekanntlich der Schöpfer
jenes mächtigen Zeusbildes, welches das Großartigste war, das Olympia je be-
sessen, das, später nach Byzanz geschleppt, leider nur die steinerne Basis zurück-
ließ, die wir — und auch diese zerstückt und in alle Winde zerstreut — wieder-
auffanden. Der Zeitpunkt der Ausführung jenes Werkes ist in neuester Zeit eine
brennende Frage geworden. Auch ich glaube indeß bestimmt, daß sich die
Errichtung des Zeuskolosses unmittelbar an den Tempelbau anschloß und die
Eleier nicht mit dem Wichtigsten über zwanzig Jahre, gerade bis Phidias zu-
fällig aus Athen fliehen mußte, warteten. Es ist jetzt wenigstens nachgewiesen
worden, daß der Parthenon erst 447 begonnen wurde und Phidias sehr wohl
vorher in Olympia sein konnte1 [Anders Meisterwerke S. 58 ff. Melanges Perrot
S. 109 ff.] Man wird, als der Bau seiner Vollendung nahte, für das Zeusbild
ebenso wie einst für die Tempelskulpturen eine Konkurrenz eröffnet haben.
An ihr beteiligte sich, wie ich eine Andeutung des Pausanias verstehe, und
wie es ja sehr natürlich war, der dort anwesende Alkamenes; aber Phidias
siegte. Er ließ sich gleich vor den Mauern der heiligen Altis eine Werkstatt
bauen und muß nun eine Reihe von Jahren im Tale des Alpheios an jenem
einzigen Werke gearbeitet haben. Alkamenes aber, weit entfernt, sich durch jene
Niederlage gekränkt zu fühlen, schloß sich wohl von nun an eng an den über-
legenen Genius des Phidias an, und letzterer wird begierig aufgenommen haben,
was ihm die ionische Kunstweise, die er bis dahin mehr aus der Malerei kennen
mochte, die er selbst in der Jugend getrieben hatte, auch in der Skulptur entgegen-
brachte. Die letzten Figuren seines Westgiebels machte Alkamenes vielleicht erst, als
Phidias bereits anwesend war; sie sind die einzigen, die aus attischem Marmor vom
Pentelikon gefertigt sind, dessen Brüche man damals in Athen selbst erst begann
in größerem Maßstabe für Skulptur zu benutzen [vgl. Olympia III S. 93 ff.].
Um 447 also fing man mit dem Bau des Parthenon an, von dessen plastischem 381
Schmucke die Metopen der älteste Teil sind, der eine so große Abhängigkeit von
1 Durch G. Löschcke in „Historische Untersuchungen", Festschrift für A. Schäfer,
Bonn 1882.
i)C£ AUSGABE DER FUNDE VON OLYMPIA IN EINEM BANDE.
und Vortagen ionischer Kunst und speziell Olympias zeigt. Phidias selbst
wird an ihnen nicht viel Teil haben, da er zu sehr mit dem Bilde der Parthenos
selbst und dann mit Fries und Giebeln beschäftigt sein mußte; nach der Vollendung
Hildes aber wurde er angeklagt und gefangen gesetzt; doch er entfloh, und
u wandte er sich nach der Stätte, wo er solange geweilt, wo sein größtes
Werk sich befand und er Freunde und Verehrer genug haben mußte, wo seine
Nachkommen in der Folgezeit einen ständigen Ehrenposten bekleideten, nach Elis.
Vielleicht arbeitete er hier noch ein oder das andere Werk, wie die goldelfen-
beinerne Aphrodite in der Stadt Elis und vielleicht die Siegerstatue des schönen
Knaben Pantarkes, dessen Name er als den seines Lieblings am Finger jener Liebes-
:in anbrachte [Meisterwerke S. 62]. Der Greis scheint in Elis ruhig gestorben zu
sein. So wenigstens glaube ich mir diese vielumstrittenen Dinge zurechtlegen zu
müssen. - - In Athen aber, wo die Friese des Theseion, die zwar bedeutend freier
und gewiß später als die Parthenonmetopen sind, doch auch noch den ionischen
Einfluß deutlich zeigen, hat Phidias in den Giebeln und dem Fries des Parthenon
uns Werke hinterlassen, welche durch die geniale Vereinigung der verschiedensten
Elemente und den eigenartigen attischen Geist ein Höchstes darstellen.
Dies letztere würde uns aber immer ein Rätsel geblieben sein, wenn nicht
Olympia wieder erstanden wäre. Nicht einen Ausläufer der phidiasischen Kunst,
wie man vor der Ausgrabung vermutet hatte, etwas viel Wichtigeres haben wir
inden, den Schlüssel zu jener, die Blüte einer anderen älteren Kunstweise, die
Quelle und Vorbedingung der attischen.
Ich brauche es schließlich kaum zu betonen, wie unrichtig es nach unserer
chauung sein muß, wenn man, wie dies vielfach geschehen ist, den eigen-
tümlichen Stil der olympischen Bildwerke einer lokalen „Steinmetzenzunft" von
Klis zuschreibt und die Entwürfe von attischen Meistern herrühren läßt. Abgesehen
davon, daß eine Bildhauerschule von Elis mit einem bestimmten Stile niemals
stiert hat, so ist jene Trennung von Ausführung und Entwurf auch ganz un-
erlaubt, es ist eine Trennung von Seele und Leib, die aufs innigste verbunden
id; denn der Stil und um diesen handelt es sich, um einen sehr bestimmten
und überall festgehaltenen Stil, nicht um den Grad der Ausführung — der Stil
ist der volle Ausdruck und Ausfluß des künstlerischen Gedankens selbst.
- mit wenigen Worten kann ich das viele andere berühren, das uns Olympia
382 geliefert und von dem der vorliegende Band eine Auslese gibt. Da ist zunächst
die Nike des P&Ollios (Tafel XVI), ein glänzendes Zeugnis von dem Fortbestehen
und der Weiterbildung der ionischen Kunst auch nach und trotz der phidiasischen.
Hoffentlich wird uns bald die in Arbeit begriffene Restauration dieses prächtigen
l vollen Genuß desselben verschaffen; große Partien des vom Winde
hten wallenden Gewandes sind nebst dem größten Teile der Arme verloren
&V sich jedoch fast mit Sicherheit wieder herstellen. Es ist die
ur der großen Plastik, die ich überhaupt kenne, der ich das Schweben
Eine Ausgabe der Funde von Olympia in einem Bande. 257
wirklich glaube, die wirklich keiner körperlichen Stütze bedürftig sich von oben
herabzusenken scheint, ein Werk von einer Kühnheit und einem malerischen Wurfe,
wie er der strengeren attischen Kunst nicht eigen war. Zwei Gruppen von ähn-
lichem Charakter, aus derselben Epoche und ebenfalls ionischer Kunstart, glaube
ich jüngst unter den von den Franzosen auf Delos gefundenen Skulpturen er-
kannt zu haben.1
Von dem reichen Schatze altertümlicher Skulpturen bietet der Band wenigstens
einiges; worunter ich freilich ungern den Kolossalkopf der Hera vermisse, die einst
im Heraion stand und in welchem wir wohl den merkwürdigsten hochaltertümlichen
Götterkopf überhaupt besitzen [Olympia III, Tafel 1]. Der Marmorkopf eines Kriegers
auf Tafel XXII ist vielleicht ein Teil einer sehr interessanten Gruppe gewesen;
G. Treu wollte ihn zwar dem Waffenläufer Eperastos zuschreiben; er gehört jedoch
wohl zusammen mit einem anderen behelmten Kopfe, dem eines Besiegten, und
mag einer Gruppe des Phormis angehört haben, der einen Gegner niederstößt,
einer der drei von Pausanias erwähnten [Furtwängler, Ägina, Das Heiligtum der
Aphaia S. 347 ff.].
Praxiteles' Kunst ist vertreten durch einen reizenden kleinen Aphroditekopf
und natürlich vor allem durch den Hermes, dessen von dem Originale genommene
Photographien auf Tafel XVIII auch jetzt nach der großen Verbreitung der Abgüsse
noch einen eigenen Wert haben.
Auch aus der reichen Fülle der Bronzen enthält der Band charakteristische
Beispiele. Sie gehören meist jener alten und ältesten Zeit Olympias an, da der
heilige Hain noch kaum Gebäude trug und die Bäume, besonders dicht in der
Umgebung der Altäre, mit ehernen Weihgeschenken reich behangen waren und
rings in großer Zahl die bronzenen Kessel und Dreifüße standen.
Aus dem topographisch-architektonischen Teile will ich nur besonders hervor-
heben die ganz neuen Blätter, die den Zeustempel betreffen: Tafel XXXII gibt zum
ersten Male den Grundriß, wie er nach den eindringenden letzten Forschungen
W. Dörpfelds sich gestaltet hat; man sieht die Basis des Zeusbildes, den hypäthralen 383
Raum davor, die Schranken usw. Die bemalten architektonischen Terrakotten,
eine Gattung welche durch die Funde Olympias eine ungeahnte allgemeine Be-
deutung erhalten hat, indem wir die äußere Bekleidung alter Steinbauten mit
großen bunten Tontafeln durch sie erst kennen lernten, bilden den Schluß des
reichen Bandes.
Bevor wir Abschied nehmen, blicken wir noch auf den Situationsplan mit
seiner Fülle von Gebäuden verschiedenster Art und auf die neu publizierte große
photographische Ansicht des ganzen Ausgrabungsfeldes (Tafel I— III). Rings um-
rahmt von sanften pinienbewachsenen Höhen liegt hier in furchtbarer Zerstörung,
aufgelöst, zerfallen und in Stücke zerrissen jenes einst so stolze Ganze. Schwer
1 Siehe Archäologische Zeitung 1882 S. 335 ff.
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. 17
liNi Ausgabe der Funde von Olympia in einem Bande.
findet sich der Blick zurcctit; allmählich unterscheidet er an der erhöhten Lage
und der Mächtigkeit der Trümmer den Tempel des Zeus. Von der Art seines
Zusan1menstur7.es gibt Tafel XXXI ein vortreffliches Bild; der erläuternde Text
1 (von Herrn Gräber) ist eine kurzgefaßte äußerst lichtvolle Darstellung der
allmählichen Zerstörung Olympias überhaupt und des Zeustempels insbesondere l
und dann der immer tiefer alles begrabenden Überschwemmung. Welche Ge-
schichte haben diese Trümmer! was können sie dem erzählen, der lauschen und
verstehen kann!
Wir hoffen hierin auf die endliche Gesamtpublikation über Olympia, die der
würdige Abschluß des nationalen Unternehmens werden soll. Wir wissen, daß
alles bisher Publizierte nur ein kleiner Teil des Vorhandenen ist, daß eine Fülle
von Material, das sich nur im großen Zusammenhange geben läßt, im olympischen
Archive und in Geist und Erinnerung der an der Ausgrabung Beteiligten auf-
gestapelt liegt. Die Aufgabe der architektonischen wie der archäologischen Teile
jenes Werkes wird aber die sein, Olympias Geschichte zu rekonstruieren, ganz
und nach allen Seiten, von dem einfachen Haine und Altare mit den primitiven
Weihegaben an bis zum Höhepunkte edelsten Tempelbaues und reichster Plastik,
bis zu den roheren Prachtwerken der Römer und endlich bis zur Hütte des späten
verkommenen Bewohners — eine selten reiche monumentale Geschichte fröhlichen
Wachsens, erhebender Größe und traurigen Verfallens, und diese an einem Orte,
dessen Name uns allen, die wir auf klassischer Bildung fußen, von Jugend an
lieb und teuer ist — in Olympia.
1 Darin eine besonders schlagende tatsächliche Bestätigung der oben [S. 248] be-
schriebenen von E. Curtius herrührenden Aufstellung des Ostgiebels.
ZUM BATHRON
DES ANATHEMS DES PRAXITELES
[ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 37, 1879]
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eber die Zusammengehörigkeit der Inschriften Nr. 5 und 6 (Archäologische 43
Zeitung 1876 S.47L; Tafel 6, 1.2) und Nr. 220 (1878 S. 181) ist schon
zu letzterer die Rede gewesen. Ein später von mir angestellter Versuch,
die zerstreuten Blöcke wieder zusammenzustellen und zwar auf einem erst in
diesem Jahre völlig ausgegrabenen Porosbathron, das seiner Gestalt und Lage
nach als das ursprüngliche vermutet werden durfte, hatte den günstigsten Erfolg 44
und führte zu folgenden nicht unwesentlichen Resultaten [Olympia II Tafel 92, 9
S. 144. V S. 389 und S. 643 ff.].
Die Archäologische Zeitung 1878 S. 182 angenommene Sechszahl der Marmor-
blöcke erwies sich als unrichtig, indem sich der angeblich inschriftlose Stein als
hintere genau anpassende Hälfte des zweiten ergab (siehe den vorstehenden
Grundriß). Es folgt demnach auf die Inschrift des Athanodoros und Asopodoros
unmittelbar die Weihung des Praxiteles. Die Zusammengehörigkeit der Blöcke
in dieser Reihenfolge ist jetzt auch durch das genaue Anpassen der Klammerspuren
erwiesen. Der Porosunterbau ferner, der in den Maßen überraschend genau zu
den fünf Marmorblöcken stimmt und ebenfalls in seinen beiden Stufen aus je
fünf Stücken besteht (vergleiche Vorder- und Seitenansicht), beweist definitiv, daß
uns kein Inschriftstein fehlt. — Die unterste Porosstufe ist als nicht sichtbares
Fundament behandelt, die zweite dagegen ist sorgfältig geglättet und von feinem
weißem Marmorstucke bedeckt. Hierauf erheben sich die Inschriftsteine aus
17*
260 Zum Bathron des Anathems des Praxiteles.
schein Marmor,1 auf denen jedoch, wie der oben umlaufende Falz (siehe
Durchschnitt) und die symmetrisch angebrachten vier kleinen Klammerlöcher
cn. ehedem sich noch die die Statuen selbst aufnehmende Stufe befand.
Noch wichtiger sind indess die Schlüsse, die sich aus der Lage des neuen
Bathrons ziehen hissen, wie sich dieselbe nach den letzten Ausgrabungen darstellt.
Rings um den Tempel erkennt man in einer gewissen Tiefe, sich von jenem
llich weit erstreckend, eine Schicht aus Porosbrocken und gelbem Sande, die
ohne Zweifel den Bauschutt des Tempels darstellt. Über ihr ist der antike
Fußboden deutlich, unter ihr aber ist eine neue schwarze Schicht, die sich
namentlich durch den Mangel aller Ziegelbrocken unterscheidet und nur Bronzen
altertümlichen Charakters zu Tage gefördert hat: es ist der Altisboden vor Erbauung
des großen Tempels. Es versteht sich, daß diese älteste Schicht, die gerade im
Süden und Südosten des Tempels bei den diesjährigen Ausgrabungen deutlich
zu Tage getreten ist, ein besonderes Interesse in Anspruch nimmt, namentlich da
außer den angedeuteten kleineren Funden auch noch mehrfache Gründungen
aufweist. Wahrend zwar natürlicherweise die meisten Basen dem spätem Fußboden
prechend auf jener Schuttschicht stehen,2 finden sich doch auch einige unter
ihr innerhalb des ältesten Altisbodens.3 Aber nirgends ist das letztere deutlicher
1 Auch andere ältere Basen der Altis sind aus parischem Marmor, so z. B. die des
Stieres der Eretrier, die auch sonst, in ihrem niederen zweistufigen Porosunterbau, ganz
mit dem Praxitelesbathron übereinstimmt.
1 Ebenso wie auch die südliche Zeus-Terrassenmauer, unter welcher der Bauschutt durch-
geht, um außerhalb derselben an ihrer Südseite zur Bildung der Straße benutzt zu werden.
1 Ich hebe nur zwei Beispiele hervor: vor allen belehrend ist eine nur fünf Meter vom
Praxitelesbathron östlich liegende Anlage, nämlich ein auf dem Bauschutte befindliches
;es Porosbathron, dessen einer Block weggerissen ist; unter der Stelle des letzteren
lien nun unter dem hier 0,28 starken Bauschutte eine alte Porosbasis mit wohl
Itcnen scharfen Kanten und dem Reste eines hier eingelassenen und «verbleiten kreis-
runden Anathems aus parischem Marmor von 0,24 Durchmesser (vielleicht von einem
vieus hier an der alten Straße). — Nicht weniger interessant ist es, daß das
fünfzehn Meter östlich der Südostecke des Tempels befindliche etwas gerundete große
:';iron sich unter dem Bauschutte befindet. Denn es ist höchst wahrscheinlich, daß
clbe das bei Paus. V 25, 8 genannte Werk des Onatas trug, das also auch vor die
•' mpels fallt. Der Lose schüttelnde Nestor stand auf dem gegenüber-
nden Rundbathron, das mit jenem in seinem Niveau, der gesamten Technik und
Qualität des Materials völlig übereinstimmt. Seine Lage wird indess erst erklärt, wenn
lie fehlenden Blöcke der großen Basis nach Norden hin, wo Anschlußfläche darauf
hinv. zen. Um Platz für die neun wohl ungefähr lebensgroßen Helden zu ge-
winnen, mtisscn wir nämlich gerade noch vier Meter nach Norden zusetzen; und dann
auch dp Nestor gleich weit entfernt von den beiden Enden der großen
freilich nicht im Mittelpunkte des Kreises, dessen Segment die letztere
iher gerückt aus leicht ersichtlichen Gründen. — Die übrigen unter
ndlichen Bathren sind nur dadurch bemerkenswert, daß sie sich in
unmitlel Tempels befinden, also gerade da, wo sie am tiefsten unter dem
ren Fufibodetl lagen.
Zum Bathron des Anathems des Praxiteles. 261
als an dem vorliegenden Bathron des Praxiteles. Dasselbe erstreckt sich in geringer
Entfernung von der Südostecke des Zeustempels von Norden nach Süden.
Unmittelbar westlich, nur einen Meter davon entfernt, befindet sich ein anderes
Porosfundament einer Basis, das, innerhalb des späteren Fußbodens liegend, auf
dem hier sehr deutlichen Bauschutte aufsteht. Die Unterkante dieses Poros-
fundamentes liegt aber selbst noch etwas höher als die Unterkante der marmornen
Inschriftsteine unseres Praxitelesbathrons. Der größere Teil des zweistufigen 45
Porosfundamentes des letzteren liegt direkt unter dem Tempelbauschutte, der
selbst erst in der Höhe der Mitte der oberen Porosstufe beginnt. Nach Erbauung
des Tempels ragte also nur der obere Teil der marmornen Inschriftbasis aus dem
Boden, und zu Pausanias Zeit wird auch dieser nicht mehr sichtbar gewesen sein,
wie denn damals auch das Kunstwerk vermutlich schon verschwunden war. Es
stimmt zu den angeführten Tatsachen, daß die Kanten der oberen stuckbekleideten
Porosstufe noch in voller Schärfe erhalten sind, wie es nur möglich war, wenn
sie nicht lange nach der Errichtung gegen ihre ursprüngliche Bestimmung unter
die Erde kam.
Es ist somit als sicher zu betrachten, daß unser Bathron und damit das
Weihgeschenk des Praxiteles bereits vor Erbauung des Zeustempels stand, und
zwar parallel an der Straße, die wahrscheinlich von dem vorauszusetzenden alten
nicht fernen Festtore im Süden hier vorbei zum großen Altare führte. Hiemit
wird auch die Frage nach dem Alter der an dem Gruppenwerke beteiligten vier
Künstler definitiv entschieden. Sie arbeiteten vor dem Baue des Zeustempels,
den man gegen die Mitte des fünften Jahrhunderts anzusetzen pflegt. Da die
Inschriften (ebenso wie das in Anmerkung 3 [auf S. 260] behandelte Bathron des
Onatas) schwerlich vor das fünfte Jahrhundert gesetzt werden können, so wird
hiemit auch jene Ansetzung des Tempelbaues bestätigt.
INSCHRIFTEN AUS OLYMPIA
[ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 37, 1879]
221.
Der eine der beiden letzten in der 226. Olympiade errichteten Zanes [Olympia IIS. 153]
und zwar der zur Linken des Eingangs in das Stadion stand auf einem Blocke blauschwarzen
Kalksteines, der sich als ein zum zweiten Male verwendetes älteres Bathron durch die an der
rechten Nebenseite auf dem Kopfe stehende Künstlerinschrift in den besten Zügen vom
Anfange des vierten Jahrhunderts kundgab. Auf ihrer alten oberen Fläche zeigt die Basis
die Fußspuren einer großen Statue ' und zwischen denselben die Spuren einer Bronzetafel,2
welche den Anlaß der sehr ansehnlichen Stiftung gemeldet haben wird. Der erhaltene
Block ist nämlich nur ein Teil des ursprünglichen Bathrons, denn an der rechten Nebenseite
Anschlußfläche. Die Breitseite, wo die Künstlerinschrift in der linken Ecke oben sich
befindet, war die Vorderseite; bei der späteren Verwendung stand die linke Nebenseite in
der Front. Auf den beiden genannten Seiten ist in der Mitte je ein Versatzbossen stehen
geblieben. Das Material, blauschwarzer Kalkstein, ist ein in Olympia gerade im vierten
Jahrhundert für Basen häufiges. Die Höhe beträgt 0,255, die Länge 1,505, die Dicke 0,80.
Ursprünglich diente der Basis ohne Zweifel zur Unterlage eine andere größere aus Porös
oder Kalkstein. [Olympia V Nr. 635.]
AAlAAAOlEPOHCEPATPOkAFor
| I K Y ANIO * cu<t
Pausanias nennt nicht weniger wie fünf Werke des Daidalos in Olympia; das
durch unsere Inschrift bezeugte muß, da seine Basis anderweitig verwendet worden
war, schon entfernt oder zerstört gewesen sein. Nicht minder lehrreich für die
chichte der Denkmäler Olympias ist ein zweites in derselben Olympiade er-
richtetes zur Rechten des gewölbten Stadioneingangs befindliches Zeusbild; denn
auch dies stand auf einer bereits benutzten Basis. Es ist ein Block von weißem
Kalkstein, der in den Maßen sowie allen Details vollständig denjenigen Blöcken
pricht, die den sechs in Olympiade 112 errichteten Zanes dienen: auf einem
indamente liegend nehmen diese das eigentliche Bathron aus Konglomerat-
) auf, in welches die Bronzefigur eingelassen war. Eben dieser Block fehlt
nun bei dem letzten jener sechs Zanes und ist ersetzt durch eine schlechte Platte
ndstein, die für das nun unmittelbar aufsitzende Konglomeratbathron zu
1 Unge der linken Fußspur 0,28.
0,06 breit; an beiden Seiten die Reste von je zwei Klammern.
Inschriften aus Olympia. 263
klein ist und vorn um 0,15 zurücksteht. Dazu kommt, daß die bei allen voran-
gehenden Zanes genau eingehaltene Richtung der Basis verschoben ist. Es kann
demnach kaum einem Zweifel unterliegen, daß man sich bereits zu Pausanias Zeit 46
nicht scheute, einer noch stehenden Zeusstatue einen Teil ihrer Basis zu entziehen,
um damit ein notdürftiges Bathron für eine neu zu errichtende zu gewinnen.
Sohn des Patrokles nennt sich Dädalos auch in einer zweiten Inschrift auf einer
Basis in Ephesos (C. I. G. 2984 [Löwy 88]) und Sikyonier wird er konstant von
Pausanias genannt. Die Inschrift seines Bruders Naukydes (Archäologische Zeitung
1878 S. 84, Nr. 129 [Olympia V Nr. 159]) steht ebenfalls auf einem blauschwarzen
Kalksteinblock und die Buchstabenformen sind in allem Wesentlichen gleich.
Während Naukydes jedoch die Form IlaTQoxXrjog gebraucht, schreibt Dädalos
die gewöhnliche ITarQoxXeovg, hier wie auf der ephesischen Basis; auch ejtö^oe,
während der Bruder ejzohjoe hat.
Daß der Naukydes der olympischen Inschrift derselbe ist, den Pausanias in
der schwierigen Stelle II 22, 7: ... rö jukv IloXvxXsirog iiwitjoe, rö de ädeXcpög
IJoXvxXeiJov Navxvdrjg Mö&covog nennt, darf nicht bezweifelt werden. Die Vaters-
angabe (Mö&covog) ist dort schon an und für sich wenig angebracht1 und auch
ohne die olympische Inschrift mußte hier ein Verderbnis angenommen werden.
Dagegen verlangt sowohl Überlieferung als Zusammenhang der Stelle HoXvxXütov
beizubehalten. Ich vermute daher, daß in Mö&covog das Ethnikon des Naukydes,
etwa Me&covatog, steckt.2
Ein Polyklet wäre also ädeXcpög dieses Naukydes, der, nach unserer Ver-
mutung, in jener kleinen Stadt des trözenischen Gebietes das Bürgerrecht erlangt
hatte. Es gibt nun zwei Möglichkeiten: entweder ist jener Polyklet der bekannte
jüngere, der von Pausanias als Schüler des Naukydes und Argiver bezeichnet
wird; doch steht das Bedenken entgegen, daß er etwa achtundzwanzig Jahre
jünger sein müßte als seine Brüder Naukydes und Dädalos.3 Oder es ist der
ältere Polyklet — daß das in jener Pausaniasstelle genannte Hekatebild von
diesem herrühren könnte, wird schwerlich mit zwingenden Gründen zu bestreiten
sein — ; dann müßte aber bei Pausanias etwa ädelcpiöovg verbessert werden;
dadurch entstände ein Verhältnis, gegen das sich kaum Bedenken erheben lassen.
Ein leichteres Mittel wenigstens, die Schwierigkeiten jener Pausaniasstelle zu heben,
scheint sich nicht zu bieten.
1 Vgl. Hirschfeld, Tit. statuar. S. 36. Seine Verbesserung der Stelle beruht indess auf
der schon durch das unmittelbar Vorhergehende widerlegten Annahme, daß unter yalxä
"Exanje dydkftara ein dreigestaltiges Hekatebild zu verstehen sei.
2 Daß Naukydes Argeier gewesen, darf man aus der Inschrift der Akropolis in Athen
('Ey. dgX. 3389 [C. I.A. 11,3 1624]) nicht mehr schließen, da man richtig bemerkt hat, daß
der Buchstabenrest zu Anfang einem N nicht angehören kann.
3 Zur Chronologie des jüngeren Polyklet vgl. G. Löschcke, Archäologische Zeitung
1878 S. 10 ff. [Meisterwerke S. 414].
26 \
Inschriften aus Olympia.
286.
144 Bathron aus demselben schwarzen Kalkstein wie die des Naukydes, Dädalos und
Kic. 18 hoch, 0,49 breit, 0,57 tief. Die vier Seiten sind rings je von einem glatten
Rande umgeben. Auf der Oberflaehe die bleivergossene Einlassung für den rechten Fuß,
der lmke war zurück gesetzt. Außerdem mehrere Löcher von unklarer Bestimmung. —
den beiden ursprünglichen Inschriften (a, b) steht a auf der (durch die Richtung der
Fußspur als solche gekennzeichneten) vertikalen Vorderseite, die Künstlerinschrift b (ganz
wie die des Xenokles) auf dem linken Rande der horizontalen Oberfläche, rechts
auf derselben 1 lache die viel jüngere Wiederholung beider Inschriften (c). — Gefunden
am 4. Juni 1879 südöstlich vom Heraion, zwischen diesem und dem Pelopion. [Olympia V
Nr. 162. 163. Meisterwerke S. 471 ff.]
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\H')).\ry.).mi)^ inota Agyeloe.
Inschriften aus Olympia. 265
Die Künstlerinschrift b des Polykleitos unterscheidet sich von a nicht nur
durch das quadratische Omikron 1 und das verschiedene Ypsilon, sondern vor
allem durch das speziell argivische Lambda. Der Künstler war also nicht nur
argivischer Bürger, wie sowohl Pausanias als die Inschrift c lehrt, sondern, da er
in argivischem Alphabete schreibt, auch von da gebürtig. Unter den erhaltenen
Inschriften des jüngeren Polyklet — denn der ältere ist auch hier wohl aus-
geschlossen — ist die vorliegende ohne Zweifel die älteste; das argivische Lambda
scheint auch sonst noch in der Zeit bald nach dem peloponnesischen Kriege vor-
zukommen (Kirchhoff, Studien 3 S. 87). Auf der Basis des Xenokles schreibt er
zwar noch Epsilon für et,2 doch bereits A und E mit kürzerem Mittelstrich; auf
der thebanischen endlich, die auch durch das gemeinsame Arbeiten mit Lysipp
in seine spätere Lebenszeit gerückt wird, schreibt er auch El in seinem Namen.
Die Datierung des Künstlers durch Löschcke, Archäologische Zeitung 1878 S. 12,
dürfte etwas nach oben zu verschieben sein.
In späterer Zeit, doch wie es scheint noch im ersten Jahrhundert vor Christus,
erneuerte man die Inschriften des Bathron, indem man sie rechts auf der horizon-
talen Oberfläche wiederholte, vermutlich weil durch Aufstellung einer oder mehrerer
Statuen in unmittelbarer Nähe die älteren Inschriften nicht mehr gut sichtbar waren
(vgl. Nr. 291.292). Derselben Zeit mag das ebenfalls auf der Oberfläche befind-
liche Zeichen IB angehören. Da nach der Stelle, an welcher die Statue bei Pau-
sanias erwähnt wird, sich dieselbe wahrscheinlich vor der Ostfront des Zeustempels
befand, so ist die Basis nach ihrem gegenwärtigen Fundorte offenbar verschleppt
worden und zwar wahrscheinlich schon vor dem Bau der byzantinischen Mauer.
287.
Zwei Fragmente von weißgelbem Kalkstein, a gefunden am 9. März 1878 (heraus-
gegeben oben unter Nr. 222) enthält die linke untere Ecke; auf der abgeschlagenen linken
Hälfte haben gerade zehn Buchstaben bequem Platz. — b rechte obere Ecke, gefunden
am 2. Mai 1879. Zwischen Zeile 4 und 5 freier Raum von einer Zeile [Olympia V Nr. 161].
(A IKXYOaUON
U/////////////APISA
\ ll'UnOflOI
a x^EY?
) IHCEPATPOKAl\ ^\' I r\ <
145
/
1 Dasselbe, ebenso l und <$> , begegnet als Marke auf den aus parischem Marmor
bestehenden Ziegeln des Zeustempels, die nach verschiedenen Indizien in die erste Hälfte
des vierten Jahrhunderts gesetzt werden dürfen. [Olympia V Nr. 681.]
2 Die Publikation in der Archäologischen Zeitung (Nr. 128) gibt □, doch besteht der
zweite vertikale Strich nur in einer zufälligen Verwitterung des Steines. [Olympia V Nr. 164.]
Inschriften aus Olympia.
Die Zusammenstellung der beiden Fragmente beruht auf einer Vermutung von
mir. Beide sind sich in allem Äußeren und namentlich im Materiale gleich, welch
teres bisher noch an keinem andern Bathron der Altis vorgekommen ist. Daß
letzte Zeile vom Fragment b zu der Künstlerinschrift gehört, wird auch durch
den zwischen ihr und Zeile 4 gelassenen Zwischenraum bestätigt. Da jedoch
le Fragmente nicht unmittelbar zusammenpassen, kann nicht ITaxgoyJJ[ov<;]
ergänzt werden; andererseits wird ein Vers, worauf vhk zunächst wiese (vgl.
CI.G. 2984 [Löwy 88]), durch die gegebenen Raumverhältnisse kaum gestattet. Ich
Inze deshalb [ \aidaXog fai\oir)oe IIatQoxXi[ovs /ua&)]r}]<; xal] viog; vielleicht war
links unten als sechste Zeile noch hinzugefügt Ziy.vwviog. Zeile 4 wird dann gelautet
haben (als Pentameter): [ \aimohov vfdg1 Nagvxidag &Ha]kevs', denn es kann
kaum ein anderes Werk des Daidalos gewesen sein als die von Pausanias VI 6, 1
genannte Statue des Narykidas von Phigalia, dessen zum Teil auf b erhaltenes
Ethnikon die von Weil, Archäologische Zeitung 1879 S. 46, unabhängig von mir aus
dem Fundorte des Fragmentes a über dasselbe geäußerte Vermutung bestätigt.3
Fragment b fand sich indess weit verschleppt in eine sogenannte Slavenmauer in
der Südosthalle verbaut. Ebendahin von der Ostfront des Tempels verschleppt
war ja auch die Basis des Kritodamos (Nr. 289). — Dädalos schreibt hier wie in
seinen andern beiden Inschriften HaxQOxXeo{v)g, nicht TTaTooxkrjog wie Naukydes.
Die Maße des Bathrons bei obiger Zusammenstellung würden sein: Höhe
3, Breite etwa 0,70, also ein der wohl nicht viel jüngeren Basis des Kritodamos
>4 zu 0,77) entsprechendes Verhältnis.
288.
Bronzeplatte, 0,005 dick, auf der Unterseite mit zwei Klammern versehen, um auf dem
Steinbathron horizontal befestigt zu werden. Dieser Umstand, sowie die übrige Technik
stimmen überein mit der Inschrift des Siegers Philippos. Die Buchstaben sind zwar ziemlich
tief graviert, die Oberfläche jedoch so zerfressen von festem Oxyde, daß die Reinigung
große Schwierigkeiten verursachte. Gefunden am 6. Juni 1879 im nördlichen Teil des
aneion. Faksimile auf 2/» [hier auf :ri] verkleinert. [Olympia V Nr. 166.]
EAA HNnH'rlpvO^T OTEOAY/^ri/AlHMIKAMOIZLErS
'rro\f. y | o^HrsitPAiAOlA^Klr^00
- vgl. Nr. 288. C. I. Att. III, 124.) [Zusatz von W. Dittenberger.)
lieh war auch Fragment a in die byzantinische Ostmauer verbaut, wie auch die
alliasba«ls nicht in situ gefunden ist, was wir gegenüber der früheren irrtümlichen An-
gabe ausdrücklich hervorheben.
Inschriften aus Olympia. 267
eElXr]V(ov r\Qiov xöx 'OXvjuniq, r\vixa jlioi Zevg
öcbxev vixrjoai tcqöjxov 'Olvjumdda.
innoig ä&koqoogoig' xö de öevxegov avxig i(pe£fjg 146
Xnnoig. vlög 6' r\v Tgonlog "AXxivoov.
Die Inschrift gehört zu der von Pausanias VI, 1,4 erwähnten Statue. Nach
Pausanias könnte es scheinen, als ob Troilos seine beiden Siege Olympiade 102
errungen hätte. Dies wird jedoch durch die Inschrift ausgeschlossen; Olympiade 102
ist offenbar das Datum des ersten Sieges, den er noch als Hellanodike erfocht,
was er bei dem später, vermutlich in der nächstfolgenden Olympiade, erfolgten
zweiten nicht mehr war.
Das Porträt des Troilos war von Lysippos, der seine Urheberschaft vermutlich
auf dem Steinbathron selbst, das noch nicht gefunden ist, angegeben hat. Pau-
sanias erwähnt die Statue in der Reihe der von ihm ev defiä rov vaov xfjg "Hgag
gesehenen. Die im nördlichen Teil des Prytaneion gefundene Inschrift wird nicht
weit verschleppt sein; denn unter der rechten Seite des Heraion ist offenbar die
Südseite (von dem nach Osten Sehenden aus) gemeint; Troilos ist die sechste
Statue in der gewiß von Osten nach Westen gehenden Reihe, also nicht sehr fern
dem Prytaneion.
289.
Bathronaus schwarzem Kalkstein, 0,264 hoch, 0,77 breit, 0,36 tief. Buchstabenhöhe 0,012,
unten für die Einlassung in einen andren Basisblock zugerichtet, oben keinerlei Spuren.
Gefunden am 26. April 1879 östlich der römischen Pompike vor der Front der Südosthalle.
[Olympia V Nr. 167.]
KPIToAAMO£
AIXAKAEIToPlcs:
KAE&NEnoHSE
Z I K Y ß N I O i
{
Kgnoöafxog \ Al^a Kleixogiog.
Kteoov ijioi] os \ JZixvwvtog.
Die Statue ist erwähnt von Pausanias VI, 8,5: KQixööajuog ex KXeixoQog im
jivy/ufj xal ovxog ävayogev&elg naidwv rijv de xov Aafxoxqixov (elxöva)
KXeoov (exoirjoe), im weiteren Zusammenhange mit Statuen (Hellanikos 7, 8 und
Xenokles 9, 2), deren Standort im Osten des Zeustempels sicher ist. Der Schrift-
charakter entspricht der Periode, in die Kleon zu setzen ist, nämlich der Mitte
des vierten Jahrhunderts. Der schwarze Kalkstein ist für Bathren in dieser Zeit
sehr beliebt; auch die beiden Zanes, die Kleon arbeitete, hatten solche. Die In-
schrift gibt ebenso wie Nr. 129 (Eukles) nur den Namen des Siegers.
268
Inschriften aus Olympia.
290.
(alkstdnbasis, liegend beim zweiten Fundamente (von Westen) der Zanes-
b.uhr.1. Oben Fußspuren. Höhe 0,342, Breite 0,805. Buchstabenhöhe 0,010. [Olympia V
KAE.nNs:iKYjnNlo£
KkeoiV —iy.r(i>nog.
Die Inschrift steht auf der Basis eines der ersten sechs Zanes, die in Olym-
piade 98 gestiftet wurden. Nach Pausanias V, 21, 3 hatte die ersten beiden Kleon
rbeitet, die Künstler der folgenden vier waren unbekannt. Kleon hat seinen
Namen mit kleinen Buchstaben an der Vorderseite angebracht, und zwar ohne
jeden Beisatz; denn es kann trotz der Verwitterung des Steines versichert werden,
daß nichts mehr folgte.
291. 292.
Großes Bathron aus pentelischem Marmor, 0,29 hoch, 0,895 breit, 2,075 tief. Die
Inschriften sind auf den beiden Schmalseiten angebracht. Die Basis ist vermutlich zweimal
verwendet worden, denn ihre Unterfläche zeigt zwei große runde Löcher. — Buchstaben-
böhe Nr. 291 durchweg 0,030; Nr. 292 Zeile 1: 0,038, in den folgenden Zeilen 0,032.
Gefunden am 7. April 1879 in der byzantinischen Ostmauer dem Buleuterion gegenüber.
[Olympia V Nr. 278. 279.]
(291.)
AEYKICSM-MMI -CAEYKlOYYlO*
£ T P A T HT C £YTTATC£PfiMAir2N
A I I 3 A Y M TT I ft I
(292.)
A
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V
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M
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M I O
2
A
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[ fi N
A
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1 O A Y M
TT
I
Q
i
Inschriften aus Olympia. 269
Der Buchstabencharakter von 292 ist entschieden später als der von 291,
wo er der Zeit des Mummius entspricht, obwohl bereits TT geschrieben ist.
Leider gestattet bei der Mummiusinschrift Nr. 131 [Olympia V Nr. 319] die sehr
schlechte Erhaltung nicht, die Form des Pi vollkommen sicher zu konstatieren;
mir scheint sie n zu sein. Wir besitzen die, ebenfalls der Ostmauer ent-
stammenden Fragmente eines zweiten ganz gleichen Bathrons mit den-
selben zwei Inschriften in denselben älteren und jüngeren Charakteren: Nr. 11
[Olympia V Nr. 280] mit älteren, 132 [Olympia V Nr. 281] mit jüngeren Schriftzügen.
Auch das Material ist dasselbe. Die Höhe ist nicht meßbar, da sämtliche Frag-
mente unten gebrochen sind; doch stimmt die Buchstabenhöhe, mit dem Unter-
schied, daß Nr. 132, weil die erste Zeile vom oberen Rande mehr nach unten
gerückt ist, die zweite Zeile mehr verkleinert gibt. Aus demselben Grunde ist
dort die dritte Zeile weggelassen und All ohne 'OXvjujzio) noch in die zweite
gesetzt. Die Oberfläche des neuen vollständigen Bathrons zeigt die unzweifel-
haften Spuren einer Reiterfigur (Einlassung für vier Hufe); eine gleiche wird das
fragmentierte Bathron getragen haben. Die Annahme (Weil, Mitteilungen des
Athenischen Institutes III S. 227), es handle sich um von Mummius gestiftete Altäre,
erweist sich damit als unrichtig. Die Doppeltheit der Inschrift führt zu der Ver-
mutung, daß man in späterer Zeit aus irgend welchem Grunde, etwa wegen Ver-
legung der Straße, es für passend fand, die Inschrift auch auf der Rückseite der
beiden gleichen Bathren anzubringen. Eines der von Pausanias erwähnten Anatheme
des Mummius scheinen sie nicht getragen zu haben. In Nr. 292 sind die beiden
zwischen der zweiten und dritten Zeile stehenden Buchstaben später eingefügt.
293.
Vorderes Plinthenstück von pentelischem Marmor, auf dessen rechter Nebenseite die
Inschrift. Das Stück paßt an eine beim Heraion gefundene gut gearbeitete weibliche Figur
ohne Kopf (Inventar Marm. Nr. 583). Höhe der Plinthe 0,10. Buchstabenhöhe 0,010.
[Olympia V Nr. 646.]
A I O N Y £ I O £
ATTOAAßNIOY
A 0 H N A I O £
E TT O I E I
Aiovvmog \ 'AitoXXaiviov \ A&rjvdiog \ ijioiet.
Dionysios gehört offenbar der athenischen, um die augusteische Zeit blühenden
Künstlerfamilie an, in welcher der Name Apollonios nicht selten gewesen zu sein
scheint. Er kann sehr wohl der Sohn des Apollonios sein, von dem uns die
Bronzebüste des Doryphoros in Neapel erhalten ist (vgl. zu ihm C. I. Att. III 420
mit den Addenda S. 495); vielleicht aber auch desjenigen, der den Torso im
Belvedere machte. Daß er noch der früheren Kaiserzeit angehörte, scheinen
sowohl der Schriftcharakter als die treffliche Arbeit der Statue zu lehren.
Inschriften aus Olympia.
294.
Hinfaches viereckiges Marmorbathron, oben mit einem kleinen profilierten Rande vorn,
links und hinten; rechts ist Anschlußfläche; auf dem hier anstoßenden Blocke fand die
Künstlerinschrift ihr Ende. Höhe 0,395, Breite 1,275, Tiefe 0,57. Buchstabenhöhe 0,03, in
der Künstlerinschrift 0,02. Gefunden am 30. April 1879, verbaut im nördlichen Teile des
Buleuterion. [Olympia V Nr. 399.]
HTT-AIZHTflNHAEIflN
MAAiAAANXAlPOAAHAEION
APETHZENEKENKAlEYNolAZ
HIEXP. NAIATF* EIEIZEAYTHN
ATIAZAPIZTOMENE
11 .t'i/.u- ij T(7>y 'HAeicov | Muhädav XaiQÖXa 'HXeiov \ ägexfjg evexev xal
ebroiac, | JJc >'/'">' ducreXei fk iavzijv. — 'Aytag 'AQiozojueve[og inoirjoe].
Der Künstler Agias, Sohn des Aristomenes, ist unbekannt; hingegen kennen
wir aus zwei olympischen Inschriften (Nr. 61 [Olympia V Nr. 398], 105 [Olympia V
Nr. 400]) Aristomenes, Sohn des Agias, und Pyrilampos, Sohn des Agias, beide
aus Messene, offenbar Glieder einer Künstlerfamilie. Da jene beiden Inschriften
dem Schriftcharakter nach schwerlich gleichzeitig, also Aristomenes und Pyrilampos
nicht Brüder sein werden, so empfiehlt sich am meisten folgende Genealogie:
Agias
Aristomenes (Nr. 61)
Agias (Nr. 294)
Pyrilampos (Nr. 105).
Die Zeit der Künstler wird die zweite Hälfte des ersten Jahrhunderts vor
Christus und die augusteische Epoche gewesen sein.
295.
Südöstlich des Zeustempels am 1. Januar 1879 gefunden. Höhe 0,10, Breite 0,065,
Dicke 0,01. Hinten abgebrochen. Buchstabenhöhe bis 22 Millimeter. Panscher Marmor.
UE
Inschriften aus Olympia.
271
Die dritte Zeile war (bustrophedon) nach links geschrieben; denn wegen der
Interpunktion könnte sonst der erste Buchstabe nicht B sein; auch der Rest des
zweiten Buchstabens stimmt dazu. Der letzte Buchstabe der zweiten Zeile war
ebenfalls B.
296.
Gefunden 2. Januar 1879 unter Fragmenten im Südosten des Zeustempels. Buch-
stabenhöhe bis 0,045. Fragment (Höhe 0,13, Breite 0,12, Dicke 0,085) von einem Rund-
bathron. Oben läuft ein erhöhter Rand herum. — Feinkörniger, weißbläulicher Marmor.
[Olympia V Nr. 495.]
297.
Die Inschrift ist auf einen großen Schild (ehemaliger Durchmesser ein Meter) von
dünnem Bronzeblech eingeschlagen; derselbe ward im Stadiongraben den 1. Januar 1879
in großer Tiefe gefunden. Da er unter dem südlichen Stadionwalle sich befand, muß er
vor oder bei Aufschüttung des letzteren dahin gekommen sein. Die Inschrift, der Rundung
des Schildes folgend, befindet sich 0,05 vom inneren, 0,10 vom äußeren Rande entfernt,
die unteren Enden der Buchstaben diesem zugewendet. Der Rand ist mit feinen gepreßten
Flechtornamenten verziert. Der dritte Buchstabe ist durch ein größeres rundes Loch zerstört.
[Olympia IV S. 163. V Nr. 251.]
T
El
149
Tägyeioi ä[ve&ev.
Die nächste Analogie bietet die bekannte Aufschrift des Helmes aus Olympia
C. L G. 29; Add. S. 885 [Olympia V Nr. 250]: T&Qy[et\oi äveftev reo AiFl rä>v
^oqiv&ö&ev, mit dem unser Schild trotz den etwas verschiedenen Formen des
Alpha und Gamma in näherer Beziehung gestanden haben könnte.
298.
Gefäß, gefunden am 24. Februar 1879 innerhalb des Prytaneions und zwar tief unter
dem Fußboden römischer Zeit. Die Inschrift ist eingekratzt. Der Ton ist mit dem der
korinthischen Vasen verwandt; die Oberfläche ist ganz zerstört und zeigt keinerlei Farben-
reste mehr. Das Gefäß ist auf ein Viertel verkleinert; die Inschrift in Originalgröße.
[Olympia IV Nr. 1297. V Nr. 722.]
Inschriften aus Olympia.
r
° Pio\
rr> U6g.
299.
Hohle vierkantige Lanzenspitze aus Bronze, die Inschrift ist auf drei Seiten verteilt
eingraviert Gefunden 7. Juni 1879 im nördlichen Teile des Prytaneion. Faksimile auf
; Drittel verkleinert. [Olympia V Nr. 254.]
a
ZxvXa änd Sovquov Taoavxivot nriihjxav Ad "OXvfxnicp dexuxav.
Offenbar bezieht sich das Weihgeschenk auf die Kämpfe, die Thurii bald
nach der Gründung mit Tarent bestand (Antiochos bei Strabon VI p. 264) und
stammt aus der Zeit zwischen Olympiade 85 und 90.
300.
fanden 20. Mai 1879 südlich der Südostecke des Heraion. Parischer Marmor,
i '.reite 0,98, Tiefe 0,755. Rechts und links Stoßfläche. Verkleinerung auf ein
Sechstel, [hier auf ein Achtel. Olympia V Nr. 267 und 269].
a
^lOiCOlKEO/v
E H
T E
C E E 1
* k A 1 © E A 1 2 TA
2 A
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AI 4, £ E ^ATONH
O 2
2 A
COinvE I2TA E( E
A7
,eOA/EPEI TA
E V
4- AM E N
Inschriften aus Olympia. 273
Die Inschrift ist eine Wiederholung (ß) der bereits in der Archäologischen
Zeitung 1878 Tafel 17, 1 (Nr. 175) publizierten (A) [Olympia V Nr. 268]. Der neue
Stein ist zwar vollständig erhalten; doch ist auch hier der Anfang der Inschrift in
dem links fehlenden Block verloren; auf dem rechts anschließenden setzte sich nur
die dritte Zeile fort. Dennoch bringt uns der neue Fund bedeutend weiter. Wir
haben einen Block von der Basis der Weihgeschenke des Smikythos vor uns und
die erste Zeile wird zu ergänzen sein: Zfxixvdog Xoiqov 'Prjylvog xal Meoorj\viog
Foixeoiv iv Teyer\ nach Paus. V 26,5: rd de im rolg dvad-rjuaoiv imyodujuara
xal jiarega Mixvdco XoToov xal 'Ekh]vidag avrw nöXeig 'Pijyiövre jiaroida xal
xr\v im xa> nooftjjiöj Meoo>)vyv öiömoiv' oixüv de (codd. xal) rd /uev imyQa/jL-
juara iv Teyea qprjolv avröv (mit offenbarem Unrecht hat Schubart dem Vorschlage
von Siebeiis folgend ov vor (pqoiv eingesetzt), rd de dva^juara dve&rjxev ig
'OXvfimav tvyr\v nva ixrelwv im ocorrjgia Jiaidog voorjoavrog vöoov qp&ivdda.
Das Alphabet unseres Steines ist das chalkidische, also vollkommen entsprechend
dem Stifter aus Rhegion; auch die ionische Form Teyerj paßt dazu. — Pausanias
nennt eine ganze Anzahl von Gottheiten als von Smikythos geweiht; diese An-
gabe läßt sich mit den Resten der zweiten Zeile vereinigen, wenn man ergänzt
ßeoTg jiäoi]v xal &eaig jidoatg. Ursprünglich mag nämlich in der Tat ein relativ
vollständiger Götterverein dargestellt gewesen sein; Pausanias aber sah nicht mehr
alles, da eine unbestimmte Anzahl der Statuen schon Nero entführt hatte. — Die
dritte und vierte Zeile scheinen die Veranlassung der Weihung enthalten zu haben.
Von dem links fehlenden Blocke haben sich nur einige kleine Splitter erhalten,
die schon in den früheren Jahren zerstreut um den Zeustempel zu Tage gekommen
sind. In b stammt das . . . og ohne Zweifel von Zpiixvftog oder Tqylvog der ersten
Zeile, darunter der Rest von ä\ve&[t]xe der zweiten Zeile; in e rührt K/ von x[al
Meocnjviog der ersten Zeile her.
Die Gestalt des Lambda A in dem Fragment / zeigt, daß dieses sowie wohl
auch die übrigen Splitter von dem an den früher bekannten Stein (A) links an-
schließenden Blocke herstammen. Denn obwohl A und B Repliken geradezu von
derselben Hand sind,1 hat doch A das nichtchalkidische Lambda A und entbehrt
der Aspiration in öooa der dritten Zeile, wo B eine als Übergang von B zu H
interessante Form des Spiritus zeigt. Die beiden Steine differieren also etwas in
Dialekt und Alphabet. Daß sie indess zu demselben Bathron gehörten, beweist 151
1 Auch die Verteilung der Buchstaben ist dieselbe mit Ausnahme von Zeile 2. wo B
einen Buchstaben mehr zu Anfang hat als A.
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. 18
Inschriften aus Olympia.
Identität der Maße, der Bearbeitung und des Marmors. Bei einer Basis von
' sdehnung, wie sie zu den Statuen des Smikythos nötig war, ist es sehr
natürlich, daß die Weihinschrift an zwei Orten wiederholt angebracht wurde.
redet dementsprechend im Plural von tu kmyo&fifjuna. War die Inschrift
eine Mal mit Rücksicht auf die alte Heimat des Dedikanten chalkidisch, das
andere Mal wegen der neuen arkadisch?
Pen ursprünglichen Standort der großen Statuenreihe vermute ich in einem
der Nordfront des Zeustempels ungefähr parallel laufenden langgestreckten, jetzt
noch zwölf Meter langen Basenfundamente aus Porös. Seine Lage entspricht
vollkommen der Angabe des Pausanias. — Auf dem 1,55 tiefen Fundamente ist
nach Analogie der Basen des Praxiteles und der Eretrier eine weitere Porosstufe
zu denken, die zirka 0,20 zurücktrat, darauf die Marmorbasis in gleichem Abstände,
deren Tiefe von 0,755 dann gerade zu dem Maße des Fundamentes paßt. — Das
letztere steht auf dem Bauschutte des Zeustempels, ist also später als die Er-
bauung desselben. Wenn Smikythos Olympiade 78 Rhegion verließ,1 so wird
die Aufstellung der Statuen in Olympia keinenfalls vor Olympiade 80 erfolgt sein.
Im diese Zeit war der Zeustempel aber ohne Zweifel schon so weit fertig, daß
ein Bathron in seiner Nähe auf seinen Bauschutt zu stehen kam. Die Basis des
Smikythos tritt also in interessanten Gegensatz zu der des Praxiteles, insofern
diese noch unter dem Bauschutte liegt und vor die Erbauung des Tempels fällt,
womit ja auch der ältere Charakter des Alphabetes stimmt.
Noch ist zu erwähnen, daß ein zweiter vollständiger Block, und zwar der
linken Ecke, ganz nahe bei B gefunden wurde;2 er scheint jedoch nie eine
alte Inschrift getragen zu haben; in späterer römischer Zeit, nachdem die darauf
ndliche Statue geraubt worden war, ist er umgekehrt und zur Basis einer
Porträtfigur gemacht worden. Auf der ehemaligen Unterseite nämlich sind jetzt
f-'ußspuren einer Statue und vorne die Inschrift Nr. 265 [Olympia V Nr. 357].
Block sowie B sind ziemlich weit nördlich verschleppt, während A näher
dem ursprünglichen Standorte in beträchtlicher Tiefe gefunden ward.
301.
Rundbasis aus schwarzem Kalkstein, von der ungefähr ein Drittel erhalten ist, gefunden
am 11. ; i nicht in situ im nordlichen Teile des Prytaneion. Höhe 0,342; Durch-
war ungefähr ein Meter; bis 0,49 Tiefe erhalten. Oben hinter dem Epigramm Rest
lot 7, 170: 6 dt Mix I IXeto, hthgonot 'Pfjylov xaxBXiXuitxo,
•■■i y.m tTJV 'Aqx6A(0V oltcffOat lUf'ihjXf : i (hinrin tOV(
ntlicher äußerer Kennzeichen beweist die Zugehörigkeit. Interessant
daß da Block als linke Kcke genommen (a) vorne eine 0,68 breite Stoflfllche zeigt;
m den Enden nach vorn je ein schmaler Block als Abschluß vor; oder
ch hinten, wenn wir, wa> weniger wahrscheinlich, jenen Stein als rechte Hckc nehmen.
Inschriften aus Olympia. 275
eines Fußeinsatzes; die Künstlerinschrift steht auf der vertikalen Seite. Faksimile auf zwei
Drittel verkleinert. [Olympia V Nr. 160.]
£PApTA<£.rAE
PATEPE£KAIAAEA4>oi
N/k-TLlAVOTMlLK AE}ycoNATAN4EVrr*<£ ^Ao/sA
^EME^A/Ainr/vAlK-^EAAAAo*; ERPAC A1T6,
* E A ABENO"E<{> A N <vv
ArEA aea £l< aAaIKaeo^ Er oh te
Das aus drei Hexametern und einem Pentameter bestehende Epigramm ist 152
uns vollständiger erhalten in der Anthologie XIII 16, wonach die Inschrift sich
so ergänzt:
Znägzag juev [ßaoüfjeg ijuol] Tiazegeg xal ädeXcpoi.
u[gjiiaoi ö' <hxv7i6d(ov l-tttoi] vixwoa Kvvioxa
elxova zävö' ecrcaae' /iör[av] de jus (pafxl yvvaix&v
'EXXddos hc ndoag To[r]öe laßelv ozicpavov.
In der dritten Zeile haben die Handschriften zn'jvd' eotrjoe; die Inschrift zeigt,
daß ruvö' eoraoe zu lesen ist; der Wechsel der ersten und dritten Person in Zeile 1
und 3 hat nichts Auffallendes. — Das Epigramm ist in der Anthologie als äöio-
tiotov bezeichnet, wie auch Pausanias, der, ohne es ausdrücklich zu sagen, sich
III 8,2 auf dasselbe bezieht (ausdrücklich erwähnt er es VI 1,6), es einem un-
bekannten Dichter (oozig ö/j) zuschreibt. Kyniska scheint mehrere Wagensiege
errungen zu haben, wie das ägfxaoi der Inschrift und Pausanias VI 1,6 im zeug
"Okvi-imxoÄg vixaig schließen läßt.
Das vorliegende Rundbathron trug, wie auch das Epigramm angibt, Kyniskas
eigenes Porträt, welches Pausanias in der Altis neben der Statue des Troilos sah,
dessen Inschrifttafel in der Tat auch ganz in der Nähe zu Tage kam. Auf einem
mehrstufigen Steinbathron (Udov xo}]mg) stand das Viergespann mit dem Wagen-
lenker; daneben und zwar auf besonderer Rundbasis1 Kyniskas Bild. — Der
Künstler war Apelleas, wie er sich in unkontrahierter Form schreibt. Die In-
schrift lehrt uns seinen Vater kennen. Kallikles ist Sohn des Theokosmos, der
von Pausanias als Megarer bezeichnet wird; der letztere arbeitete noch zu Ende
des peloponnesischen Krieges am delphischen Weihgeschenke der Lakedämonier.
1 Da indessen die ganze hintere Hälfte des Steines fehlt, so ist möglich, daß es nur
ein halbkreisförmiger Vorsprung war, auf dem Kyniska stand.
18*
Inschriften aus Olympia.
Dl Kvniska so lange gelebt haben kann wie ihr Bruder Agesilaos und die Statue
I m höherem Alter gesetzt haben wird, so braucht das Werk des Enkels des
Theokosmos nicht viel vor Olympiade 105 zu fallen. In das erste Drittel des
vierten Jahrhunderts wird es indess jedenfalls gewiesen durch das O für ov und
durch die Formen des Ny, bei dem bald der erste, bald der letzte, bald beide
Schenkel etwas geneigt stehen.
Über das Motiv der Statue der Kyniska glaube ich eine Vermutung äußern
zu dürfen: sie war, wie uns dies auch von anderen Siegerstatuen in Olympia
berichtet wird, als Betende, um den Sieg Flehende dargestellt. Es würde nämlich
vortrefflich zu der Manier des Plinius, wie ich sie an einem anderen Orte nach-
gewiesen habe, passen, wenn er aus der Beschreibung des Porträts der Kyniska
bei seinem Quellenschriftsteller nur das Motiv exzerpierte und dies zu einer
Statuenrubrik machte, das heißt wenn die so seltsamen „feminae adorantes" des
Apelleas nur aus einer Beschreibung der Kyniska entstanden wären.
Was Apelleas betrifft, so ist wahrscheinlich, daß er auch Kunstschriftsteller
war. Die ganz einzig dastehende Genauigkeit und Ausführlichkeit der Angaben
über die Statue des Diagoras in Olympia von Kallikles würde sich wenigstens
am besten erklären, wenn dieselben vom Sohne des Künstlers herrührten, das
heißt wenn der beim Schol. Pind. p. 158 Böckh neben Aristoteles als Quelle ge-
nannte 'AnoXläs eben unser Künstler wäre.1
Kyniska hatte als Andenken ihrer Siege noch ein zweites Werk gestiftet,
unterlebensgroße Pferde im Pronaos des Zeustempels, dem Eintretenden zur
Rechten (Pausanias V 12,5). Auch dieses Anathem war von Apelleas gearbeitet,
wie uns die an der noch erhaltenen Basis angebrachte Künstlerinschrift lehrt. Ich
meine das genau an der von Pausanias bezeichneten Stelle im Pronaos rechts,
da wo das Mosaik einen Ausschnitt freiläßt, gefundene Bathron mit der schon
früher veröffentlichten Inschrift (Archäologische Zeitung 1876 S. 95, Nr. 58 mit
Nachtrag ebenda S. 195 [Olympia V Nr. 634]), die ich nach neuer Abschrift gebe:
I '' \AEA£kAAAIKAEO£
Die Ergfnzung der Inschrift, die sich auf den ersten Blick als aus der ersten
Ifte des vierten Jahrhunderts stammend zu erkennen gibt, ist unzweifelhaft.
besteht aus parischem Marmor; sie ist viereckig, vorn 0,42, an den
1 richtig vermutet Bockh, Pr.if. zu Schol. Pind. p. 23, daß es derselbe ist, dessen
Wtfr / von Athenäus IX p. 369A zitiert wird.
Inschriften aus Olympia. 277
Seiten 0,48 breit, jetzt noch einen Meter hoch und unten abgebrochen. An allen
vier Seiten geht oben ein doppelter feiner Rand herum. Auf der Oberfläche sieht
man noch drei Klammerlöcher zur Befestigung der Plinthe des Werkes. Die Pferde
müssen nach den Dimensionen der Basis ziemlich klein gewesen sein. Noch hebe
ich hervor, daß die Basis uns einen sicheren terminus post quem für die Datierung
des Pronaosmosaiks bietet: dasselbe muß später als das Werk des Apelleas sein,
da der Ausschnitt in der nordwestlichen Ecke des Mosaiks offenbar wegen des
älteren Anathemes gemacht ist.
[ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 37, 1879]
Zu Nr. 56 und 177.
1. Archäologische Zeitung 1877 Tafel 4, 2 [Olympia V Nr. 5]. Der Anfang der 165
zweiten Zeile zeigt nach einer von mir vorgenommenen neuen Reinigung nicht o OS,
sondern IYOS. Ferner ist in Zeile 5 Buchstaben 7 von links vollkommen erhalten:
T (statt I). — Die Platte ist unten und oben vollständig.
2. Archäologische Zeitung 1878 Tafel 17, 3 [Olympia V Nr. 30]. Die linke
obere Ecke zeigte bei sorgfältigerer Reinigung zu Anfang der zweiten Zeile
statt M vollkommen deutlich Aib . . ., mithin Aiqpdov, nicht ITa\jH(pikov. Das
Delta hat also auf derselben Inschrift die Form A und >. Zu Ende der ersten
Zeile ist nur l und keinerlei weiterer sicherer Buchstabenrest vorhanden.
[ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 38, 1880]
Zu Nr. 91.
Zu den Beispielen, daß eine ältere Inschrift später an demselben Bathron 70
durch eine Wiederholung ersetzt wird, gesellt sich die Basis des Tellon. Die Nr. 91
[Olympia V Nr. 147. 148] publizierte Inschrift scheint dem ersten Jahrhundert vor
Christus anzugehören; doch an der links davon befindlichen Seite des Bathrons
sind, ebenfalls auf der oberen horizontalen Fläche, die Reste einer verlöschten
Inschrift des fünften Jahrhunderts zu erkennen, von denen ich las:
////SOASIOSP////
'Ogelofidoiog n . . .
1
■
[ 3 j
OLYMPIA
(BERLINER PHILOLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 1888 Nr. 48) »
ier konnte ich mich überzeugen, daß ich früher (vergleiche den Sitzungs-
bericht der archäologischen Gesellschaft vom Januar dieses Jahres
[Archäologischer Anzeiger 1889 S. 57]) mit Unrecht in Zweifel zog,
was Treu damals vortrug und seitdem im Jahrbuch des Instituts III S. 184 ff.
ausführlich dargelegt hat, daß die beiden alten Frauen und die Nymphe links
spätere Kopien der verlorenen Originale seien. Die Abweichungen der Ausführung
im einzelnen sind in der Tat viel zu stark, um, wie ich es früher tat, sie nur als
eine Stilentwicklung während der Bauzeit des Tempels zu fassen. Namentlich
1515 entscheidend schienen mir die kleinen Querfältchen, durch welche der Verfertiger
jener Figuren die großen Flächen des Gewandes zu beleben versucht, eine Eigen-
tümlichkeit, die im fünften Jahrhundert überhaupt nicht sicher nachzuweisen ist,
erst mit dem vierten Jahrhundert auftritt und dann rasch beliebt wird. Natürlich
hat Treu jene Figuren mit Recht als Kopien bezeichnet und nicht die Ansicht
derjenigen gebilligt, welche die alten Weiber für freie spätere Zusätze erklären.
Nicht nur, daß dieselben der Erfindung nach ins fünfte Jahrhundert passen, ihr
Typus kann sogar nach unserer kunsthistorischen Kenntnis nur eben in der Zeit
des olympischen Tempelbaues erfunden sein. Die letztere ist aber keineswegs so
unsicher, wie diejenigen zu glauben scheinen, die neuerdings dieselbe in den
ersten Anfang des fünften oder gar ins sechste Jahrhundert hinaufschieben wollen.
Zu den bekannten historischen, zu den .Bronzefundevon Olympia' S. 4 f. zusammen-
heilten und zu den kunstgeschichtlichen Gründen füge ich hier noch ein Moment
hinzu, auf das ich bei diesem letzten Besuche in Olympia aufmerksam ward. Ich
habe früher einmal (Bronzefunde S. 5 Anm. 1) angegeben, das Marmordach des
Tempels scheine erst einige Zeit nach der Erbauung des Tempels zugefügt zu
■ . Ich glaubte dies aus den von mir damals (187879) gesammelten Versetzungs-
marken der Marmorziegel schließen zu müssen; denn die älteren Ziegel und Simen-
stücke, die zum ursprünglichen Tempeldach gehörten und aus parischem Marmor
l zum Unterschiede von den pentelischen der späteren Restauration, tragen
als -iingsmarken nur Buchstaben eines völlig entwickelten Alphabetes der
• n der Reise' iibcrscliricbencn Reihe kleiner Aufsätze teilen wir diesen
iilichcn Gründen schon hier mit.]
Olympia. 279
ersten (blauen) Kirchhoffschen Reihe und zeigen keine Spur mehr von archaischem
Charakter.1 Jener Schluß forderte aber nicht nur etwas an und für sich sehr
Unwahrscheinliches, sondern war auch nachweislich falsch. Denn die Löwenköpfe
der Sima, die zu eben jenen ursprünglichen Ziegeln von parischem Marmor ge-
hören, stimmen in Typus und Arbeit so sehr mit dem Kopfe des nemeischen
Löwen der Metope überein, daß man sie in dieselbe Zeit wie die Tempelskulpturen
setzen, ja derselben Künstlergruppe zuschreiben muß wie diese. Nun gewinnen
jene Marken aber die Bedeutung eines sicheren Dammes gegen das Bestreben,
die Skulpturen zu hoch heraufzurücken; zugleich sind sie ein bedeutsamer Finger-
zeig für die Herkunft jener in parischem Marmor arbeitenden Künstler und ihrer
Steinmetzen. Elischer Ursprung ist jedenfalls ausgeschlossen; aber auch Argos
(wegen A für X) und die Inseln (wegen B) kommen nicht in Betracht und Ionien
oder Nordgriechenland sind am wahrscheinlichsten.
1 Daß BQOP<P mit eckigen statt runden Linien geschrieben werden, weist zwar auf
relativ ältere Zeit (5. Jahrhundert), ist aber nicht archaisch. E und N haben nie schräge
Striche; leider fehlt A, das dafür — mit geradem Querstrich — auf einem Porosblock des
Tempels erhalten ist, vgl. Bronzefunde a. a. O. Häufig sind I mit Vertikalstrich und //;
dagegen fehlen Q und 'F. — Die Weiterführung meiner Sammlung durch K. Purgold hat,
wie mir derselbe freundlichst mitteilt, nichts wesentlich Neues gebracht. [Vgl. jetzt Olympia V
S. 695 und 706 f.] — Zuweilen kommen sicher späte Buchstaben auch auf parischen Frag-
menten vor, was nicht irre machen darf: bei einer größeren Restauration konnten einige
von den vorhandenen parischen Ziegeln in anderer Folge wieder verwendet werden.
C
D E F G H I K O M
Der Ostglebel nach Furtwänglers Aufstellung.
N
ZUM OSTGIEBEL VON OLYMPIA
(JAHRBUCH DES DEUTSCHEN ARCHÄOLOGISCHEN INSTITUTS VI 1891)
iAv^/TS'
Bindern ich mich anschicke, in dieser vielbesprochnen Frage auch noch
ein Wort zu sagen, bin ich mir wohl bewußt, daß die geneigten Leser
das Recht haben, vor allem die möglichste Kürze und dann nur solche
Vorschläge zu erwarten, deren Ausführbarkeit mit allem gegenwärtig vorhandenen
Materiale geprüft ist, die also nicht durch den einfachen Nachweis der Tatsachen
widerlegt werden können. Ich darf daher vorausschicken, daß ich den Vorzug
gehabt habe, meine Vermutung unter der Beihilfe der ersten Autorität in diesen
Fragen zu prüfen; Georg Treu in Dresden gestattete mir mit liebenswürdigster
Bereitwilligkeit, Umstellungsversuche an den dortigen Gipsen zu machen, nach
welchen photographische Aufnahmen gemacht wurden, und unterstützte mich mit
sachkundigster Auskunft auf alle meine Fragen. Ich habe mich nun in Dresden
redlich bemüht, etwas zu finden, das meine Vermutung unmöglich machte; da
ich nichts derart gefunden, darf ich sie nun dem Urteile anderer zur Erwägung
egen.
Die von Six und Sauer gemachten Versuche, die Handlung des Anschirrens der
( jespanne dargestellt sein zu lassen, sind durch Treu [Jahrbuch 1891 S. 63] vollständig
widerlegt worden. Es ist jetzt durchaus gesichert, daß die Pferde in gleichmäßigen
Abständen neben einander stehend an die Wagen angeschirrt waren.1 Aber auch die
1 Die Beweise Treus sind, wie ich mich überzeugt habe, absolut zwingend. [Vgl.
:ipia 111 S. 53.] — Ich bemerke übrigens, daß es falsch ist, wenn man gewöhnlich be-
hauptet, die verdeckten Reliefpferde seien gleich vollkommen ausgeführt wie die Vorder-
vielmehr fehlt eine Menge feinen lebendigen Details, das der Künstler an letzteren
bracht hat, an jenen völlig; auch sind jene Reliefpfcrde an Bauch und Schenkeln so
rlich flach gebildet, wie es sich nur erklärt, wenn etwas vor ihnen gestanden hat.
- nicht richtig, dieselben als völlig verdeckt zu bezeichnen, da von unten ein
Teil ihres Bauches sichtbar war; es ist demnach, da Kopf, Hals, Brust, Unterteil des Bauches,
ikel, Hinterteil zu sehen waren und ausgeführt werden mußten, recht wenig, was der
litt schenken können; doch um jenes andere auszuführen, konnte
M unausgeführt lassen. Sein Verfahren, die Viergespanne je in
iten, war abei jedenfalls eine enorme Ersparnis an Kosten und Arbeit
■.dichkeit, sie je aus einem einzigen Blocke herzustellen.
Zum Ostgiebel von Olympia. 281
von Sauer (Jahrbuch 1891 S. 16) selbst bestätigte Tatsache, daß alle Pferde den Zug-
riemen um die Brust haben,1 sowie das von Sauer S. 12 f. beigebrachte Vergleichs-
material berechtigt nur zu einem methodischen Schlüsse, nämlich daß die Anschirrung
nicht dargestellt sein kann, daß vielmehr die Pferde schon fertig angeschirrt sind.
Dies muß Sauer auch eigentlich zugeben, er möchte nur einen letzten Rest der
Anschirrungshandlung retten und konstruiert dazu eine Situation, die ohne alle
Analogie und von äußerster Unwahrscheinlichkeit ist; das eine Beipferd, obwohl
völlig angeschirrt, soll doch am Leitriemen herangezogen werden. An fertig
angeschirrten Wagenpferden kommt aber niemals das Leitseil vor; es wurde gewiß
beim Anlegen von Gebiß und Zügel als weiter unnötig entfernt. Nur unangeschirrte 77
Wagenpferde werden am Leitseil herangeführt.
Eine weitere Tatsache, die auch Sauer bestätigt, ist die, daß die Zügel nach
hinten gehen und hier hinter den Pferden irgendwie gehalten werden müssen.
Es ist dies die notwendige Folge des bereits konstatierten Umstands, daß die
Pferde eben fertig angeschirrt sind. Außer diesem unumgänglichen Gezügeltwerden
von hinten wäre es an und für sich auch möglich, freilich unnütz und ungewöhnlich,
daß die Pferde überdies von vorne festgehalten würden. Es könnte dies aber
nur dadurch geschehen, daß eine Person in die Zügel nahe am Gebisse faßte,
eine solche Person müßte notwendig aufrecht stehen; ein unter den Köpfen der
angeschirrten Rosse sitzender oder kniender Mensch kann dieselben nicht wirklich
festhalten. Die Zügel liefen ja nach hinten und die Leitseile waren abgenommen;
aber selbst wenn letzteres nicht der Fall wäre, hätte ein kniender oder sitzender
Mann mit den Leitseilen in der Hand keine Gewalt über die gezügelten Rosse.
Stehende Personen, welche die Pferde wirklich an den Köpfen halten konnten,
gibt es nun aber unter den Figuren des Ostgiebels nicht und die Pferde desselben
waren also in der Tat nur von hinten gehalten, wohin die Zügel liefen. Auch
die gleichmäßige ruhige, der Längenachse der Körper folgende Haltung der
Pferdeköpfe zeigt ja schon deutlich an, daß die Tiere nur von hinten gezügelt
und nicht von vorne gehalten werden.
Mir erscheinen diese Erwägungen durchaus zwingend und ich komme nicht
über dieselben hinaus; ich kann deshalb keine der bisherigen Aufstellungen für
richtig halten. Im Jahrbuch 1889 Tafel 8 9 sind die drei Arten zusammengestellt,
wie man die Figuren unter der von Treu nun als richtig erwiesenen Annahme,
daß die vier Pferde je auf einer Linie standen, angeordnet hat. Die Aufstellung
Nr. III, welche ich selbst früher verteidigt habe,2 bevor die Tatsache bekannt war,
daß die Pferde mit den Zugriemen fertig an den Wagen angeschirrt waren und
die Zügel nach hinten liefen, kann nicht die richtige sein, da sie eben dieser
Tatsache widerspricht; sie nimmt an, daß die Pferde noch gar nicht angeschirrt
1 [Vgl. Olympia III S. 53. 55. 57.]
2 Preußische Jahrbücher 1882 S. 372 ff. [oben S. 248].
.\ Ostgii bei \o\ Olympia.
jetzt nachgewiesen ist — , und daß sie deshalb von vorne an den
Zügeln gehalten werden die doch nach hinten liefen — und zwar von Personen,
die sich dazu seltsamer Weise auf die Knie niedergelassen haben. Diese Personen
en überdies keine passenden Gegenstücke, indem sie nach der gleichen Seite
hin bewegt und indem sie von ungleicher Höhe sind; diese ihre Höhendifferenz
ist aber gerade eine solche, wie sie durch ihre Aufstellung hinter einander unter
der Giebelschräge ihre natürlichste Erklärung fände, weshalb es von vorne herein
das Wahrscheinlichste ist, daß jene Figuren in die linke Giebelecke gehören.
Die Aufstellung Nr. I kann ich nicht billigen, weil hier zwar das Gespann der
linken Seite nur von hinten gezügelt wird, das der rechten aber von vorne ge-
halten werden soll. Gegenüber der Tatsache, daß die Stellung und Haltung der
Pferde sowie die Spuren der Anschirrung und der nach hinten laufenden Zügel
an beiden Gespannen vollkommen gleich, dieselben also genau symmetrisch ge-
arbeitet sind, halte ich eine so starke Verletzung der Symmetrie, daß das eine
Gespann von hinten, das andere von vorne gehalten werden soll, für unmöglich.
Wir sahen ferner bereits, daß eine vor den angeschirrten Pferden an der Erde
sitzende Person überhaupt nichts mit deren Zügeln zu tun haben kann; Leitseile
aber hatten die Pferde nicht mehr und das Halten derselben durch den sitzenden
Mann wäre, selbst wenn man ihre Möglichkeit zugäbe, etwas völlig Zweckloses.
Endlich ist die Haltung des Mannes für die vorausgesetzte Handlung so ungeeignet
wie nur möglich. Der Versuch am lebenden Modell lehrt, daß dieser Mann, wenn
er mit beiden Händen wollte die Zügel oder Leitseile halten, um nicht zu fallen
an denselben so heftig reißen müßte, daß die Pferde, namentlich die hinteren,
unmöglich die ruhige gerade Haltung ihrer Köpfe bewahren könnten, die sie jetzt
zeigen. Will man den sitzenden Mann vor den Pferden aufstellen, so darf man
ihn doch nicht mit diesen sich beschäftigen lassen; man muß ihm einen Stock in
die linke Hand geben, auf den er sich stützt, da er sich sonst überhaupt nicht
aufrecht erhalten kann. Doch auch nach dieser Verbesserung besteht ein schweres
'enken gegen den Platz der Figur L: sie ist kein passendes Gegenstück zu E,
der sie entsprechen soll, indem sie nicht unwesentlich höher ist als letztere Figur,
lebel aber lehrt — ebenso wie die Ägineten — , daß wir für die sich
entsprechenden Figuren beider Giebelhälften auch möglichst gleiche Kopfhöhen
en müssen,1 jedenfalls nicht ohne Not eine beträchtliche Differenz in
tgiebcl vorkommenden I lühendifferenzcn scheinen ganz gering; am
beträchtlich der Unterschied der beiden Frauen H' und O', der aber keineswegs,
iubt, darauf weist, daß O' weiter von der Mitte entfernt war, sondern dadurch
as vom Boden gehoben, ()' dagegen weit ausschreitend dar-
-ri^ens entsprechen sich hier nicht Kinzclfigur und Eitizelflgur, sondern
und Gruppe: jene Differenz wird dadurch ausgeglichen, daß der Kentaur N'
i höher / . Der letztere zieht den Schwanz ein, nicht weil er naher .111 die
Schmer/, über die Wunde.
Zum Ostgiebel von Olympia. 283
dieser Beziehung zulassen dürfen. Ferner sind jene beiden Gestalten in ver-
schiedenen Proportionen gebildet, denn der sitzende Mann müßte, wenn er die-
selben Verhältnisse hätte wie der halbwüchsige Junge, noch wesentlich größer
sein als er ist; nun lehren aber wieder die Analogien anderer Giebel, daß die sich
entsprechenden Einzelfiguren immer in gleichen Proportionen gebildet wurden; so
starke Altersdifferenzen wie die jener beiden Gestalten wird man also bei Gegen- 79
stücken sicher vermieden haben. Der sitzende Mann muß seiner kleineren Pro-
portion nach mehr gegen die Giebelecke hin gehören. Endlich kommt noch ein
technisches Detail hinzu, das gegen den Platz vor den Rossen spricht: die linke
Kopfhälfte dieses sitzenden Mannes ist vernachlässigt, ja das linke Ohr ist voll-
ständig roh gelassen. Nach der richtigen Haltung des Kopfes, die Treu jetzt
nachgewiesen hat (Jahrbuch 1889 S. 294 [Olympia III S. 60]), war diese schlechte
Stelle, wenn der Mann vor den Pferden saß, von unten sehr deutlich zu erkennen;
es gibt aber kein Beispiel an beiden Giebeln, wo sich eine so auffallende Ver-
nachlässigung an so sichtbarer Stelle fände,1 und dazu an einem Kopfe, der sonst
vortrefflich ausgearbeitet ist. Der sitzende Mann kann sich also nicht an der ihm
von Treu gegebenen Stelle befunden haben.
Dagegen halte ich es für eines der sichersten Resultate von Treus Forschungen,
daß der hockende Knabe E wirklich links vor den Pferden gesessen hat. Die
Bestimmtheit, mit der man früher auf die Fundumstände der Figur baute, ist durch
Treus Nachweis, wie ich nach meiner Kenntnis der Verhältnisse des olympischen
Ausgrabungsfeldes zugestehen muß, zerstört worden. Andererseits sprechen die
eigentümliche Bearbeitung der Rückseite und der dreieckige Grundriß der Figur
entschieden für jenen Platz vor den Pferden, wo sie sich so vortrefflich einfügt,
wie die Oberansicht in Nr. I zeigt. Jener Grundriß ist nicht durch die Anlage der
Figur selbst, sondern künstlich dadurch hervorgerufen, daß ein Stück des Rückens
mit dem ganzen rechten Glutäus (vergleiche Jahrbuch 1889 S. 287) abgemeißelt ist.
Dies kann nur seinen Grund in der Aufstellung der Figur haben, und die einzig
passende Erklärung bietet der Platz vor der schrägen Linie der Pferdebeine des
linken Gespannes. — Da Treu auch für seine Aufstellung des sitzenden Mannes L
die Grundrißform desselben geltend gemacht hat, sei bemerkt, daß der Fall hier
ein ganz anderer ist: die ungefähr dreieckige Form des Grundrisses von L ist
lediglich durch die Anlage der Figur selbst begründet und beruht keineswegs wie
dort auf einer Abarbeitung zum Zwecke der Aufstellung, läßt also auf diese auch
keinen Schluß zu; übrigens ist die gestreckte Grundform des L überhaupt recht
verschieden von der des E.
1 Wenn Treu sich darauf berufen wollte, daß von E in seiner Aufstellung auch etwas
vom Rande des abgearbeiteten Gesäßes und Rückens, wenn man ganz auf die Seite trat,
sichtbar sein konnte, so ist dies, zugegeben daß es überhaupt der Fall war, doch ganz
etwas anderes; hier eine durch die Aufstellung notwendig gewordene Abarbeitung, dort
die willkürliche Vernachlässigung eines sichtbaren Teiles.
Zum Ostgiebel von Olympia.
Die Aufstellung Nr. II im Jahrbuch 1889 Tafel 89 entspricht unserer Haupt-
tadem sie annimmt, daß die beiden Gespanne nur von hinten gehalten
worden. Doch setzt sie links vor die Pferde eine Figur, deren Anordnung wir
nicht billigen, weil die Bewegung ihrer Arme, die hier mit den Pferden nichts zu
tun haben kann (vergleiche Treu, Jahrbuch 1889 S. 293), ganz unverständlich wäre;
auch ist dieser Platz, wie wir soeben bemerkt haben, schon von dem hockenden
Knaben besetzt. Dagegen scheint es mir ein vortrefflicher Gedanke Kekules, das
kniende .Mädchen rechts vor den Pferden zu den Füßen der Sterope anzuordnen
ind als deren Dienerin zu erklären.1 Dem steht nicht nur nichts im Wege, sondern
spricht alles dafür: vor allem gewinnen wir jetzt ein wirkliches, überaus passendes
genstfick zu dem bereits eingeordneten hockenden Jungen. Der beste Beweis
dafür ist, daß nur diese beiden Figuren die gleiche Größe haben. Scheinbar ist
allerdings der kniende Jüngling B ein besseres Gegenstück zu dem Mädchen, weil
die Bewegung ihrer Beine sich genauer entspricht. Aber die Größe dieser Figuren
ist eine nicht unbeträchtlich verschiedene; der Jüngling B — der keineswegs ein
unerwachsener Knabe ist! — hat eine wesentlich größere Höhe als das Mädchen.
Wenn aber der Giebel Figuren enthält, die sich mit jenen beiden zu gleich großen
Paaren vereinigen lassen, so werden wir, wenn nicht triftige Gründe dagegen
sprechen, sicherlich diese als die richtigen ansehen und nicht jene von ungleicher
Größe. Wie vortrefflich nun aber der hockende Junge zu dem knienden Mädchen
paßt, ist unmittelbar einleuchtend. Hier haben wir zwei Gestalten von gleichen
Proportionen und ungefähr gleicher Altersstufe — das Mädchen wird etwas älter
sein und scheint auch ein' wenig größer — ; vor allem aber zwei Personen gleicher
Bedeutung. Mit Recht hat Kekule den Jungen wie das Mädchen für Diener erklärt.
Jener Hockende gehört ja einem bestimmten festen Typus an, den die griechische
Kunst seit der Zeit des strengen Stiles speziell für wartende Sklavenjungen gern
und häufig anwandte; das Charakteristische desselben ist namentlich das Aufstellen
des einen und Unterschlagen des anderen Beines sowie die völlige Untätigkeit,
die nicht selten zur Darstellung des Schlummerns gesteigert wird. Der Typus des
knienden Mädchens ist nicht so speziell charakteristisch für die Dienerin, doch für
diese ja auch nachgewiesen. Die Tracht des Mädchens ist dieselbe, welche im
tgiebel die alten Dienerinnen von den Herrinnen unterscheidet.- Die gesenkte
Haltung der Arme, die freilich im einzelnen nicht mehr sicher zu ergänzen sind,
paßt sehr gut zu der Annahme, daß das Mädchen bereit war, das Schuhwerk der
1 Vgl. auch neuerdings Studniczka, Zeitschrift für österreichische Gymnasien 1890
W.is den Kopf des Mädchens betrifft, so hatte ich früher (.50. Berliner Winckel-
mannsprogramm, 1890, S. 129) Bedenken an seiner Weiblichkeit und somit an der Zugehörig-
!i habe diese inzwischen aufgegeben und habe Beispiele konstatiert, wo auch an
»ichcr weiblichen Köpfen kürzere Löckchen vorne mit der Haarrolle hinten zusammen
Der den mannlichen Typen immerhin sehr ähnliche Kopf des Mädchens
huldigung des Pau bei
/ • lirift fur österreichische Gymnasien 1890 S. 74').
Zum Ostgiebel von Olympia. 285
Herrin fertig in Ordnung zu bringen. Es ist ein äußerlich wie innerlich vortreffliches
Gegenstück zu dem Sklavenjungen der anderen Seite.
Von diesem festen Punkte aus ergibt sich das Übrige leicht. Die Zügel der
Gespanne liefen nach hinten und mußten hier irgendwie gehalten werden. Das
Vorhandensein der Wagen hat Treu mit Sicherheit aus Jochnägeln, Brustriemen
und Deichsellöchern der Pferde erschlossen. Daß dieselben aber von Marmor
waren, ist sehr unwahrscheinlich.1 Marmorwagen mußten beim Herabstürzen in
eine Menge Stücke zersplittern ; daß man gerade diese ohne Ausnahme alle sorg-
fältigst aus der Altis und der Umgebung, die wir ausgegraben haben, heraus-
geschleppt haben sollte, ist fast undenkbar. Wie der Panzer des Pelops aus 81
Metall angesetzt war, werden auch die Wagen aus Bronze bestanden haben. —
Die Lenker der Gespanne mußten, da sie auf den Wagen keinen Platz hatten,
gegen den Gebrauch hinter denselben auf der Erde kauernd oder sitzend gebildet
werden. Der sitzende Mann L, der von den Aufstellungen Nr. II und III sowie der
neuen Sauerschen hinter dem linken Gespanne an erster oder zweiter Stelle an-
geordnet wird, kann überhaupt unmöglich in der linken Giebelhälfte gestanden
haben; denn hier wendete er dem Beschauer ja gerade seine ungünstigste und
ganz vernachlässigte Seite zu und kehrte die gut gearbeitete ab; nicht nur die
linke Kopfhälfte, auch die nach rechts sehende Seite des über den Arm fallenden
Mantels ist vernachlässigt und bietet eine überaus ungünstige Ansicht. Dieser
Umstand ist entscheidend dafür, daß L in die rechte Giebelhälfte muß. Hinter
das Gespann der linken Seite kann als Lenker nur der kniende Mann C und
hinter diesem der kniende Jüngling B angeordnet werden. Die Armhaltung beider
eignet sich vortrefflich dazu, um sie die Zügel fassen und anziehen zu lassen
(vergleiche Treu, Jahrbuch 1 889 S. 290. 299) ; diese Handlung, das Ordnen und Halten
der Zügel, war offenbar auf die beiden so gleichartig bewegten Gestalten verteilt.
Das Resultat, das sich nun für die rechte Giebelhälfte ergibt, ist zunächst ein
überraschendes, bei genauerer Prüfung, wie ich glaube, aber sehr einleuchtendes:
der sitzende Mann L saß hinter dem sogenannten Greis. Gleich die erste Haupt-
sache stimmt vortrefflich: L hat genau die gleiche Höhe wie B, sein Gegenstück.
Alle anderen Aufstellungen dagegen geben L ein Pendant von wesentlich ver-
schiedener Höhe. — Es stimmen ferner die technischen Hinweise: erst an diesem
Platze wird die Vernachlässigung der linken Kopfseite und des Mantels erklärt,
da diese Teile der Giebelecke zugewandt und kaum sichtbar waren. Und die von
Treu beobachtete eigentümliche Abarbeitung der Unterseite, die davon herrührt,
daß die Figur für ihren Standort im Giebel ein wenig zu groß geraten war und
unten etwas verkürzt werden mußte, erklärt sich doch offenbar nur, wenn sie
unmittelbar unter der Giebelschräge saß,2 also, da sie in der linken Giebelhälfte
1 Über die angeblichen Deichselfragmente Sauers vgl. Treu, Jahrbuch 1891, S. 74.
2 Die Pferdeköpfe, an die Treu denkt, würden ja lange nicht bis zu der Figur hinunter-
reichen.
Zum Ostgiebel von Olympia.
mc sein kann, aus dem ihr von uns angewiesenen Platze. Endlich ist
tark< anziehen des rechten Beines, das Treu mit Recht aus den er-
haltenen Faltenzügen folgert, eben hier in dem beschränkten Räume besonders
eh.
Bei der früheren falschen Ergänzung der Figur war es freilich unmöglich, sie
an diesen Platz zu stellen. Jetzt wissen wir durch Treu, Jahrbuch 1889 S. 294, daß
ihr Kopf keineswegs so sehr nach der Seite und in die Höhe blickte und der
linke Oberarm lange nicht so hoch erhoben war, als man früher angenommen
hatte.1 Von den Vorderarmen ist leider nichts erhalten; die linke Hand, die ihm
Sauer zuteilt, gehört vielmehr nach Treus überzeugendem Nachweis dem sitzenden
Greis. Ein linkes Handgelenk aber, das Treu für den Mann in Anspruch nimmt -
82 und zu Gunsten seiner Vermutung verwendet, daß er die Pferde halte, ist von
durchaus zweifelhafter Zugehörigkeit; ich vermute, daß es dem knienden Lenker C
angehört, der die Zügel mit beiden Händen in verschiedener Weise anzog, wie
das beim Lenken zu geschehen pflegt. Das Motiv des linken Armes des sitzenden
Mannes muß, wie schon oben bemerkt, notwendig das Aufstützen eines Stockes
gewesen sein, denn ohne eine solche Stütze kann er sich gar nicht aufrecht
erhalten, und zwar wird er, wie der Versuch am Modell lehrt, diesen Stock, um
sich bequem und sicher zu stützen, nicht hoch, sondern ziemlich niedrig, etwa
in der Höhe seines Halses oder Kinnes, fassen. Der rechte Oberarm war etwas
angepreßt an die Brust, doch der Unterarm konnte sich freier herausbewegen.
Wenn man die Dresdener Restauration des Mannes, an der übrigens die Arme
beträchtlich zu dick geraten sind, in dieser Weise noch etwas modifiziert, ergibt
sich, daß die Figur trefflich an die von uns angenommene Stelle paßt. Es ergeben
sich dann jedoch noch einige weitere Änderungen der Dresdener Aufstellung, die
aber lediglich Verbesserungen sein dürften: die meisten übrigen Figuren müssen
nämlich mehr nach der Mitte geschoben werden. Die Dresdener Aufstellung, welche
den Greis mit dem Scheitel an die Giebelschräge stoßen läßt, schiebt den ganzen
toten Hügel wesentlich mehr in die Ecke als den linken (vergleiche Jahrbuch 1889
Tafe! •*'». 1); es ist das die Folge davon, daß zwei so ungleich hohe Figuren
wie H und O hier als Gegenstücke fungieren. Setzen wir das richtige Gegenstück
/i, die gleich hohe Figur L, ein, so ist jener Fehler unmöglich gemacht; wir
erhalten Eckabschlüsse, welche die erste Hauptforderung symmetrischer Anordnung
erfüllen, nämlich gleiche Distanzen der sich entsprechenden Figuren von der Mitte
_'en.
lachst müssen die liegenden Eckfiguren näher herangeschoben werden,
!urch sie nur lebendiger wirken, als wenn man sie ganz in die Ecke zwängt.
haben allerdings sehr reichlich Raum und der Übergang von ihnen zu der
1 Auch Sauer hat in semer Skizze, Jahrbuch 1891 S. 10, noch die falsche Ergänzung.
1890 s. 60. [Olympia III S. 60, 1.83.]
Zum Ostgiebel von Olympia. 287
nächsten Figur ist etwas hart, eher härter zwischen A und B als zwischen L und P,
wo der linke Arm des Mannes füllend in die Lücke zwischen den beiden Figuren
eingreift. Am Westgiebel sind diese Härten vermieden, indem erstens die liegende
Eckfigur verdoppelt ist und so den Raum besser füllt, und dann indem die Haltung
der nächsten Figur jederseits sich der Giebelschräge besser anschließt.
Vor allem aber müssen die beiden Gespanne nebst den Wagen ein Stück nach
der Mitte zu geschoben werden — in der Dresdener Aufstellung um gut 25 cm — ,
was wiederum sehr günstig wirkt, indem nun die Mittelgruppe 1 etwas zusammen-
rückt und die Pferdeköpfe nicht durch das unmittelbar über ihnen einschneidende 83
Gesimse getrennt erscheinen. Die Frauen rücken dicht an die Männer heran und
der Kopf des hintersten Reliefpferdes folgt, wenigstens an der rechten Seite, wo
die Figuren breiter und voller gebildet sind, unmittelbar auf die Frau; links ist
mehr Luft und ist hier der spitze Winkel der Basis des hockenden Knaben zwischen
die Frau und die Pferde eingeschoben, während rechts vor der Frau und den
Pferden eben nur Platz für das kauernde Mädchen ist; so erklärt sich nun auch
die Verschiedenheit des Grundrisses dieser beiden Gegenstücke.
Der Greis hinter dem Wagen muß ein beträchtliches Stück vorrücken. Den
Ausschnitt an seinem rechten Fuße hat Treu (Jahrbuch 1889 S. 285) gewiß richtig
erklärt, indem er hier die Wagenplinthe eingreifen läßt. Eine Plinthe von genau
derselben Dicke wie die der Pferdegespanne mußten nämlich die Wagen in jedem
Falle haben, ob sie nun von Marmor oder, wie ich annehme, von Bronze waren.
Treu denkt sich diese Wagenplinthen als Rechtecke, deren Langseiten der Giebel-
rückwand parallel waren; da indeß nur für die Stelle der Peripherie der Räder,
mit welcher sie aufstanden, eine Unterlage nötig war, werden die Plinthen wahr-
scheinlicher schmale Rechtecke gewesen sein, deren Langseiten rechtwinklig zur
Giebelwand liefen ; für das vordere Ende einer solchen Plinthe wird das Stück am
rechten Fuß des Greises ausgeschnitten sein; dasselbe bezeichnet dann ungefähr
die Mitte des Rades. Indem wir also nicht nur das Gespann nebst Wagen nach
1 In der Aufstellung dieser schließe ich mich ganz an Treu-Studniczka an. Die
Unmöglichkeit von Brunn-Six-Sauers Umstellung hat Treu dargetan. — In Bezug auf die
Frauen ist übrigens nicht die Tracht als solche das Entscheidende, denn die Tracht von K
in Jahrbuch 1889 Tafel 8/9, 1 ist gerade für Köre und y.ögm nachzuweisen. Entscheidend
sind die künstlerischen Gründe: das Zusammenstoßen des rechten Armes von Pelops mit
dem linken von A'wäre unerträglich, während sich jetzt alles aufs beste zusammenschiebt
(vgl. Löschcke, Dorpater Programm 1885 S. 5); und ferner paßt das breite stolze Auftreten
von K sehr gut zur Gattin des Önomaos, nicht aber zu Hippodameia. — Auch im West-
giebel scheint mir ein bisher nicht hervorgehobener künstlerischer Grund die Frage nach
der Bedeutung der beiden Frauen zu entscheiden: während die übrigen Frauen fast wie
Männer mit den Kentauren ringen, faßt /' die Frau an der Brust; offenbar ist dies der
geile Eurytion und die Frau die Braut, nach der sich Apollon wenden muß. Das vollere
ionische Kostüm, Chiton und Mantel, charakterisiert die Mutter, der offene Peplos die
Tochter (vgl. Treu, Archäologischer Anzeiger 1890 S. 60 f.); die Treusche Umstellung der
Mittelgruppe wird durch diese Erwägungen also nur bestätigt.
js> ZUM OSTGIEBH VON OLYMPIA.
der Mitte zu rücken, sondern auch den Greis so weit vor den Wagen schieben, daß
die Achse desselben auf jenen Ausschnitt trifft, erhalten wir völlig ausreichenden
Platz, hinter ihm den sitzenden Mann anzuordnen. Es ist aber einleuchtend, wie
viel angenehmer es in künstlerischer Beziehung wirkt, wenn die Beine des sitzenden
- etwas vor den Wagen rücken, als wenn er ganz hinter denselben ge-
schoben wird.
Wer hielt aber die Zügel des Gespannes rechts, die doch, wie wir sahen,
nach hinten gingen? Der Greis stützte, was Treu nachweist, in der Linken
einen Stab auf, der sich als Kentron fassen läßt; die Rechte legt er an den Bart;
sie ist durchhöhlt gebildet, so daß es möglich wäre, die Zügel hindurchzuführen;
doch weist nichts in der Arbeit darauf hin, daß wirklich ein Gegenstand hindurch-
ging. Vor allem aber scheint es mir sehr unwahrscheinlich und unnatürlich, daß
ein Mann, der mit der Rechten die Zügel eines Gespannes hält, gleichzeitig diese
Hand an den Bart legen sollte. Ich nehme daher an, daß die Zügel einfach um
den Wagenrand geschlungen waren. Wenn ein Kutscher von seinem Wagen ab-
gestiegen ist und das ruhigstehende Gespann warten läßt, ist es allzeit das Natür-
lichste, daß er die Zügel am Wagen befestigt. Das griechische Gefährt war aller-
dings sehr leicht, bot aber doch einen gewissen Halt; auch sitzt hier der Kutscher
ja unmittelbar neben seinem Wagen, den Blick auf die Pferde gerichtet; sowie er
sie unruhig werden sieht, kann er sofort eingreifen.
84 Die Betrachtung des Äußerlichen der Anordnung und Ergänzung der Figuren
zu beschließen, vergleichen wir nun die beiden Ecken. Wir haben links zwei
Figuren in wesentlich dem gleichen Motive und ebenso rechts; die Asymmetrie,
die in der Entsprechung des knienden C und des sitzenden N liegt, wird hinter
diesen einfach noch einmal wiederholt. Die Wiederholung des Kniens und Zügeins
links verlangt in der Tat auch die Wiederholung des Sitz- und Stockaufstützmotives
rechts. Die beiden Paare entsprechen sich durchaus, nur daß sie eben verschiedene
Motive zeigen. Diese müssen aber in der Bedeutung der Darstellung ihren Grund
haben.
Treu hat (Jahrbuch 1889 S. 298) darauf hingewiesen, daß nach literarischer wie
monumentaler Tradition Önomaos später abfuhr als Pelops, also diesem beim
Wettrennen einen Vorsprung gewährte. Mit Recht suchte er eine Andeutung davon
im Giebel, wenn auch seine Aufstellung ihm dieselbe kaum gewährte. Ganz anders
klar und deutlich finden wir nun durch unsre Anordnung jene Sage ausgesprochen.
beiden Gespanne stehen angeschirrt zur Wettfahrt bereit. Doch während links
eine rege, auf den unmittelbaren Beginn des Rennens gerichtete Tätigkeit herrscht
und die jugendlichen Genossen des Pelops die Zügel erfassen und ordnen, so
sehen wir rechts nichts als ein ruhiges Zuwarten; die Zügel sind noch um den
Wa. chlungen und die beiden Männer im Dienste des Önomaos, die jenen
knienden drüben entsprechen, haben sich ruhig auf die Erde niedergelassen und
ihre Stabe auf. Der vordere, der die Pferde im Auge behält, sitzt in bequem
Zum Ostgiebel von Olympia. 289
zuwartender Haltung und stützt den Kopf dabei auf die rechte Hand. Mit Recht
hat Flasch bemerkt (Baumeisters Denkmäler II S. 1104AA), daß diese Figur kein
Greis ist, wie er gewöhnlich genannt wird. Der Typus des Greises ist ein ganz anderer
in der den Giebeln zeitgenössischen Kunst; ihm sind Hakennase, eingefallene
Wangen und vor allem schwaches Untergesicht mit kümmerlichen Bartstoppeln
charakteristisch, im vollen Gegensatz zu dem überaus sinnlichkräftigen vollbärtigen
Untergesichte unseres Mannes. Die Glatze desselben ist keine andere, als welche
die jugendkräftigsten Silene im fünften Jahrhundert immer haben. Auch gehört
auf attischen Vasen des strengen Stiles der glatzköpfige Mann, der mit Jünglingen
in Gelage und Komos schwärmt und aufgeregt den Flötenbläserinnen nachstellt,
zu den beliebteren Typen. Noch näher liegt in Olympia aber der Hinweis auf
die Kentauren des Westgiebels; jene kühnen Freier schöner Frauen haben im
wesentlichen dieselben Köpfe, die nur weniger edel sind. Die Beschuhung paßt
ebenfalls sehr gut zur Charakterisierung des sinnlichen Schlemmers. Kein Zweifel,
daß die Figur, wie Kekule zuerst gesehen hat, Myrtilos zu benennen ist,1 den
es nach der schönen Hippodameia gelüstet und der Verrat im Sinne führt.
Sein hinter ihm sitzender Genosse, der augenblicklich nichts zu tun hat,
indem ja jener andere die Pferde im Auge behält, wendet sich um und blickt
heraus, etwas nach oben. Seine Miene scheint, soweit das Erhaltene des Gesichtes
mit seinen Falten urteilen läßt, Besorgnis auszusprechen. Ich glaube, es ist eine
wirklich antik und im Sinne der älteren Zeit gedachte Erklärung, wenn ich an- 85
nehme, daß dieser Mann ein unerwartetes Vogelzeichen erblickt, das ihm zur
Linken unheilverkündend erscheint. So erst scheint mir seine Bewegung natürlich,
und voll verständlich zu sein, während sie bei allen bisherigen Erklärungsversuchen
gezwungen und unklar erschien. Den rechten Unterarm des Mannes denke ich
mir mit einer das Staunen begleitenden Gebärde erhoben. Ich sehe keinen Mantis
von Profession in ihm, er ist nur ein Genosse des Myrtilos, Dienstmann des
Önomaos wie dieser, genau entsprechend dem zweiten der Pelops Wagen bei-
gegebenen Leute. Er befindet sich ja auch nicht an einem Oionoskopeion; der
Vogelflug war für einen jeden vor einem Unternehmen bedeutsam. Die lebhafte
und unbequeme Wendung, welche der Mann nach seiner Linken macht, der besorgte
Blick, mit dem er heraus an den Himmel schaut, und die zu ergänzende Geste
der Rechten mochten dem antiken Beschauer keinen Zweifel an der Absicht des
Künstlers lassen. Der Mann ist neben dem »sinnenden Greis« ohne Zweifel seine
beste Schöpfung im Giebel; beide sind in durchaus eigenartigem, ausdrucksvollem,
nur für diesen Fall erfundenem aj^fia dargestellt. Durch die Wendung des Ober-
körpers an unserem Vogelschauer hat der Künstler eine wirksame Abwechslung
und einen viel lebendigeren Rhythmus in diese rechte Giebelecke gebracht, als
1 Der Taraxippos Pausanias VI, 20, 17 ist immerhin ein Zeugnis für die Myrtiloslegende
in Olympia, wenn auch ungewisser Zeit (vgl. Löschcke, Dorpater Programm 1885 S. 14).
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. 19
29Q Zum Ostgiebel von Olympia.
tut der anderen Seite vermochte. Doch hat er für die äußere Symmetrie
der Hauptlinien nachdrücklich gesorgt. Man beachte nur, wie sämtliche nicht
enden oder Hegenden Figuren der rechten Giebelhälfte ihr rechtes Bein im
Knie gebogen aufstellen und ebenso die entsprechenden Gestalten der linken
HUfte je ihr linkes Bein.
Dennoch besteht allerdings eine deutlich fühlbare Ungleichheit zwischen den
beiden Giebelhälften, indem rechts alles breiter und massiger ist als links. Dies
findet aber seine vollständige Erklärung in dem Streben des Künstlers, zu charak-
terisieren. Wie vortrefflich ist ihm der Gegensatz des breitspurigen trotzigen Auf-
tretens des Önomaos gegenüber der Bescheidenheit des Pelops gelungen; und
ganz gleichartig \$t der Gegensatz in der breiten, sich pomphaft entfaltenden
Erscheinung der Sterope und der schmalen, sich in sich zusammenschließenden
Figur der Hippodameia. Es ist aber nur eine Weiterführung des in der Mitte
angeschlagenen Grundtones, wenn nun auch hinter den Rossen hier größere
Breite und Fülle, dort schmälere schlankere Erscheinung herrscht. Der Künstler
charakterisiert weiter, indem er hier als Gefolge des Önomaos zwei ältere Leute
darstellt, die wartend an der Erde sitzen, weil ihr Herr dem Gegner einen Vor-
sprung gönnen will; drüben knien die jüngeren Genossen des jugendlichen Pelops
in voller Tätigkeit.
Das faktische Übergewicht der Seite des Önomaos wird übrigens für die
Phantasie dadurch wieder ausgeglichen, daß Zeus, die überragende Hauptfigur,
den Kopf nach Pelops Seite wendet.
Der Künstler hat, wie mir scheint, den wesentlichen Inhalt der Sage völlig
deutlich wiedergegeben. In polygnotischer Weise stellt er nicht den Höhepunkt
der äußeren Aktion dar, sondern läßt die Personen in bedeutungs- und ausdrucks-
vollen Stellungen noch ruhig versammelt sein. Das Opfer des Önomaos hat er
86 als unwesentlich nicht dargestellt;1 aber er hat ihn und seine Partei, sein Zögern
und namentlich die Person des Myrtilos charakterisiert. Und zwei besonders
bedeutungsvolle Motive sind es, daß eben der eine unbeschäftigte Geleitsmann
des Önomaos das unheilverkündende Vogelzeichen erblickt und in demselben
Augenblicke Zeus, der es gesendet, bestätigend und entscheidend das Haupt dem
gner zuwendet. Auch der Verrat des Myrtilos erscheint so als durch den
Ratschluß des Zeus gewollt.
Noch sei auf einen feinen Zug aufmerksam gemacht, den ich hier darin sehe,
daß die vor den Pferden hockenden Gestalten nur unbedeutende Nebenfiguren
sind, welche die Aufmerksamkeit in keiner Weise von den in der Mitte ver-
sammelten Hauptpersonen abziehen. Diesen Vorzug hat nur unsere Aufstellung;
auch empfinden wir jetzt, wie gerade an dieser Stelle durch ungleiche Höhe
dbft konnte es darbringen und dieser tut es evident nicht. Treu
hat auch völlig Recht, indem er den Altar bestreitet.
Zum Ostgiebel von Olympia. 291
unsymmetrisch wirkende Figuren unerträglich störend wären, während es kaum
bemerkt wird, daß hinter den Pferden der zurückgelehnt sitzende » Greis etwas
niedriger ist als der kniende Mann links.
Anderer Ansicht war allerdings die antike Erklärung, die uns bei Pausanias
vorliegt; denn sie sieht Hauptfiguren in jenen Gestalten vor den Pferden. Offenbar
suchte der antike Erklärer unter den jederseits außer den Haupthelden vorhandenen
vier Figuren vor allem die aus der Sage bekannten beiden Wagenlenker zu finden;
als solche sofort kenntlich war aber keine der Statuen; denn hinter den Pferden
sah man jederseits ein gleichartiges Paar, nicht aber, was man suchte, je einen
einzelnen distinguierten Wagenlenker; daher nahm man denn die Einzelfiguren
vor den Pferden für diese; jene Paare aber wußte man nur als mit der Wartung
der Pferde betraute dienende Männer anzusehen. So konnte man aber wenigstens
die ganze Mittelgruppe bis zu den Pferden mit mythologischen Namen belegen;
die vornehmen Wagenlenker, so dachte man offenbar, müssen in nächster Nähe
der Haupthelden sein; sie warten, bevor das Rennen beginnt, ruhig vor den
Pferden, mit deren Beaufsichtigung sie das Gefolge beauftragt haben. Das an
die Wagenlenkertracht erinnernde lange Gewand des Mädchens und seine der
männlichen gleiche Haartracht erleichterte diese falsche Deutung, welche in ihrer
Oberflächlichkeit nicht nur die Weiblichkeit des einen »Lenkers«, sondern auch
das für den anderen doch sehr unpassende knabenhafte Alter völlig übersah.1
Den Gedankengang aber, der zu diesem falschen Resultate führte, haben wir
noch vollständig nachweisen können. Dies ist alles, was man von uns verlangen
kann. Denn durchaus unmethodisch wäre es, zu verlangen, daß wir statt der
erhaltenen Skulpturen selbst die Erklärung bei Pausanias zur Grundlage für die
Anordnung der strittigen Figuren um die Pferde machten; wer glaubt, von vorn-
herein wissen zu können, welche der betreffenden Figuren von dem antiken 87
Erklärer für die Wagenlenker angesehen wurden, folgt nur seiner willkürlich vor-
gefaßten Meinung.
Die namengebende Erklärung der Alten, die bei den Figuren hinter den
Pferden innehielt, setzt wieder ein bei den Eckfiguren. Wir dürfen diese nicht
ganz übergehen; es sind zwei Jünglinge, die an der Erde liegen und mit lebhafter
Teilnahme nach der Mitte blicken. Pausanias nennt sie Kladeos und Alpheios;
aber wie oberflächlich seine Deutung des Giebels war, haben wir bereits bemerkt,
und im Westgiebel benennt er den Apollon Peirithoos. Die Zweifel an Alpheios
und Kladeos, die zuerst Kekule geäußert hat, sind mir zur Gewißheit geworden.
Jene Deutung auf die Flußgötter entspringt ja lediglich hellenistisch-römischer
1 Diese beiden Versehen des antiken Erklärers bleiben bei jeder Anordnung bestehen;
denn Pausanias nennt außer den beiden Wagenlenkern jederseits hinter den Pferden zwei
ävÖQeg, also ist der Knabe ebensowenig erkannt worden wie das Mädchen. — Daß das
Versehen mit dem Mädchen sich bei der Anordnung desselben vor den Pferden am
ehesten erklärt, ist schon von Kekule bemerkt worden.
19*
Zum Ostgiebel von Olympia.
ichauung. Seltsam ist es, wie man sie neuerdings zu begründen gesucht hat,
nämlich aus dem Westgiebel des Parthenon, während umgekehrt für die Erklärer
Parthenon die einzige feste Basis jene Pausaniassche Deutung der olympischen
iren ist. Die UnStatthaftigkeit der Flußgötter am Parthenon habe ich kürzlich
hervorgehoben und eine neue Deutung jener Figuren versucht.1 In den liegenden
Jünglingen von Olympia konnte kein Zeitgenosse des Künstlers Flußgötter er-
kennen; er sah in ihnen gewiß nur das, was sie sind, müßige Zuschauer, die
indeß durch ihre Neugierde das Gefühl der Bedeutung des Vorgangs im Betrachter
verstärken. Der untätige Zuschauer gehört bekanntlich gerade in der älteren
griechischen Kunst zum Vorrat der beliebten Typen, wenn er auch nicht die hohe
künstlerische Bedeutung erlangt hat wie in der italienischen Kunst des Quattro-
cento. Für unsere Jünglinge wird der Künstler sich die Vorbilder von den Wällen
des Stadions und Hippodroms zu Olympia geholt haben, wo genug der Zu-
schauer so im Grase liegen mochten, um dem Schauspiele der Wettkämpfe mit
neugieriger Teilnahme zu folgen.
Aber die Eckfiguren des Westgiebels sind doch sichere Nymphen? — Auch
sie sind ja nur so genannt, weil man die Flußgötter des Ostgiebels für sicher
hielt und zu ihnen Gegenstücke wünschte. — Aber ihre »Idealtracht«? — Da
antworte ich mit der Frage: für welche göttlichen Frauen ist denn um die Mitte
des fünften Jahrhunderts die Halbnacktheit die ihnen zukommende »Idealtracht«?
Nicht einmal für Aphrodite und ihr Gefolge, und ebenso wenig für die Nymphen,
welche das ganze fünfte Jahrhundert nur vollbekleidet kennt. — Und ferner muß
man Löschcke zugeben, daß, wer die Eckfiguren als Nymphen deutet, auch die
aufs engste mit ihnen verbundenen alten Frauen für gleichartige göttliche Wesen
halten muß. Die sind aber, wie die Pfühle des Hochzeitssaales, auf denen sie
liegen, unwiderleglich zeigen, sichere Dienerinnen. Dann sind auch die Mädchen
der Ecken nichts anderes, und ihre Hauben passen jedenfalls sehr gut dazu.
Mich dünkt, daß, wie jene alten Frauen den Typus der greisen Schaffnerin im
ionischen Epos, den Typus der Eurykleia wiedergeben, so die jungen Mädchen
der Ecken den losen Mägden entsprechen, welche dem Fremdenbesuch im Herren-
hause leicht gewogen sind; und für die scheint mir die nachlässige Kleidung eben
charakteristisch zu sein.
1 März-Sitzung der Archäologischen Gesellschaft; siehe unten im Anzeiger [1891 S.70.
cruerke S. 2i2J.
Zum Ostgiebel von Olympia. 293
ANHANG
(ARCHÄOLOGISCHER ANZEIGER 1891)
aß Treus Anordnung des sitzenden Mannes im olympischen Ost- 93
giebel vor den Rossen nicht richtig sein kann, geht aus seinem neuen
Versuche einer Erklärung der Figur (Jahrbuch 1891 S. 102 f.), wie mir
scheint, besonders deutlich hervor. Treu muß jetzt zugeben, daß das linke Handgelenk,
auf welches er früher bei seiner Deutung des Mannes als Rosselenker entscheidendes
Gewicht legte, diesem nicht angehören kann, und daß er sich vielmehr auf einen
Stock gestützt haben muß. Die Zügel soll er nun »frei und leicht« nur mit der
Rechten gehalten haben, und zwar nur die Zügel des einen Beipferdes, während
die der anderen drei Rosse »am Wagenrand oder Joch« befestigt waren. Ein
unklarer, dem wirklichen Brauche völlig widersprechender und deshalb unmöglicher
Fall. Wenn die Rosse angeschirrt waren — und dies ist eine sichere Tatsache — , 94
so müssen sämtliche Zügel, um den Jochnagel geschlungen, nach hinten geführt
sein. Wäre das eine Beipferd, wie Treu annehmen muß, noch nicht angeschirrt,
so könnte es auch nicht so wie angeschirrt neben den anderen Rossen stehen,
und es müßte ferner eine Person da sein, die für seine Anschirrung sorgt, aber
nicht ein untätig sitzender Mann, der zwar eine unbequeme Wendung macht, doch
nicht um nach den Pferden, sondern um aus dem Giebel ins Freie heraus zu sehen.1
Indem ich L den Stock ziemlich niedrig fassen lasse, wird seine Haltung
dadurch nicht mehr »gezwungen« (S. 99), im Gegenteil, sie wird mit jedem Zoll,
um den man L den Stock höher fassen läßt, unbequemer und unsicherer.
An meiner Annahme betreffend des Einschnitts am Fuße von N halte ich
fest. Es griff ja nicht das Stück der Wagenplinthe, das von der Radperipherie
berührt ward, ein — oder sollte Treu dies annehmen, so würde er eben die Figur
so weit vorrücken, als ich es wünsche — , sondern eine Verlängerung der Plinthe,
die ebensogut nach der vorderen Giebelwand als nach der Giebelecke zu sich
erstreckt haben kann. Bei meiner Annahme, wo N vor den Wagen gerückt wird, ist
auch das Abnehmen seines Fußes eher noch verständlich als bei Treus Anordnung.
S. 103. B ist keineswegs ein »Knabe« wie E, sondern ein Jüngling.
1 Er sieht lediglich an den Himmel heraus. Bei seiner Bemerkung über die »Wasser-
nase des Giebelgeisons« S. 100 vergißt Treu, daß die Figuren doch nicht von oben, sondern
recht tief von unten gesehen wurden.
m Ostgiebel von Olympia.
106. Die die Flußgötter charakterisierenden Abzeichen % welche Hypsas
und Sefinus auf sizilischen Münzen halten und die in die Hände der olympischen
reu ergSnzt werden sollen, möchte ich genauer bezeichnet wünschen. Nur
die Hörner und die Beischriften machen sie auf jenen Münzen kenntlich; diese
len Dinge waren in Olympia aber gerade nicht vorhanden.
Ich kann kaum annehmen, daß Treu sich der zahlreichen halb- und ganz-
nackten menschlichen Frauen in der älteren griechischen Kunst gar nicht erinnern
sollte.1 Auf den Nachweis halbentkleideter Nymphen aus dieser Epoche muß ich
noch warten.
1 Vergleiche zu den Westgiebelmädchen in bloßem Mantel und Haube nur zum Beispiel
Philologus XXVI, Tafel 2, 1 = Klein, Kuphronios- S. 110 [= Furtwängler-Reichhold, Grie-
chische Vasenmalerei II Tafel 71 S. 63].
ZUM OSTGIEBEL DES ZEUSTEMPELS IN OLYMPIA
(BERLINER PHILOLOGISCHE WOCHENSCHRIFT 1892, Nr. 41 und 42)
ie eingehende neue Besprechung, welche G. Körte der Frage nach der 1282
Aufstellung der Ostgiebelfiguren in Olympia hat zu Teil werden lassen
[vergleiche Berliner Wochenschrift 1892 S. 983 ff. 1046 ff.], macht es mir
zur Pflicht, die Ansichten, die ich früher in dieser Sache geäußert habe (Jahrbuch des
archäologischen Instituts VI, 1891, S. 76 ff. [oben S.280]; Archäologischer Anzeiger
1891, S. 93 f. [oben S. 293]), nicht im Stiche zu lassen, sondern, soweit es in aller
Kürze geschehen kann, wenigstens die Punkte hervorzuheben, die für mich in der
Frage entscheidend sind. Ich tue dies nicht ohne Widerstreben und würde, wenn
es meine Überzeugung zuließe, weit lieber der warmen Verteidigung zustimmen,
welche die Aufstellung von Curtius durch Körte gefunden hat, indem ich mich
gerne auch in dieser Frage einig wüßte mit dem Begründer all unserer olympischen
Entdeckungen und Forschungen, dem Manne, dem mich Dankbarkeit und Ver-
ehrung in besonderem Maße verbinden.
Körte erwähnt mit keinem Worte einen Punkt, auf den ich besonderes Ge-
wicht gelegt habe und der mir von entscheidender Bedeutung ist. Die linke
Körperhälfte des an der Erde sitzenden Mannes (C bei Curtius, L bei Treu) ist
in der Ausführung vernachlässigt; sie kann nach dem in beiden Giebeln ganz
konstanten Gesetze, das auch Körte (S. 986) zugibt, nicht dem Beschauer zu-
gewendet gewesen sein. Die Aufstellung der Figur in der linken Giebelhälfte —
also wie bei Curtius und Kekule — ist dadurch völlig ausgeschlossen; denn er
würde dort die ganz vernachlässigte, roh gearbeitete und geradezu häßliche An-
sicht dem Beschauer zuwenden, dagegen die andere, sehr schön und sorgfältig
gearbeitete abkehren. Treu versetzt ihn nun in die rechte Giebelhälfte, aber an
den Platz vor die Pferde, unmittelbar neben der Mitte, wo bei der richtigen, von
Treu selbst nachgewiesenen Wendung des Kopfes die nur aus dem Rohen gehauene
linke Kopfhälfte noch in störendster Weise dem Beschauer in die Augen fallen
mußte. Schon deshalb muß die Figur weiter nach rechts rücken; da bleibt aber
natürlich einzig der Platz, den ich ihr angewiesen habe. Hier allein sind die
schlecht gearbeiteten Stellen kaum sichtbar, weil der Giebelecke zugekehrt; außer-
dem findet hier auch die Abarbeitung der Unterseite der Figur ihre volle Erklärung
(vergleiche Jahrbuch 1891 S. 81 [oben S. 285]).
296 ZUM Ostgiebel des Zeustempels in Olympia.
Diese meines Erachtens un umgängliche Umstellung der einen Figur hat
aber die notwendige Folge, daß auch die anderen Gestalten eben die Plätze er-
halten, die ich ihnen angewiesen habe; es bleibt dann gar keine Wahl mehr.
Eine zweite Betrachtung, die, ganz unabhängig von der ersten, doch genau
zu derselben Aufstellung führt, geht von der Frage aus, welche Figuren vor die
Pferde zu setzen sind. Die beiden Aufstellungen von Curtius und Treu sind zu
einer Zeit entstanden, als man noch annahm, die vier Pferde ständen jederseits
lose, unangeschirrt und ohne Wagen bereit. Es war dann nicht nur natürlich,
sondern notwendig, sie, wie Curtius es tat, von vorne an den Zügeln halten zu
lassen; und Treu ließ dies wenigstens auf der einen rechten Giebelhälfte so ge-
schehen. Später ist nun aber — von Treu selbst — der auf zahlreiche, früher
nicht beachtete tatsächliche Indizien gestützte Nachweis geliefert worden, daß die
Pferde vielmehr, und zwar auf beiden Seiten in genau derselben Weise, völlig
angeschirrt vor die Wagen gespannt waren, und daß demgemäß alle Zügel über
das Joch weg nach hinten liefen. Treu ist in Folge davon Schritt für Schritt von
seiner früheren Annahme zurückgewichen. Hatte er erst den sitzenden Mann,
den er vor die Pferde rechts stellt, alle Zügel derselben halten lassen, so be-
schränkte er dann dessen Tätigkeit auf das vordere Beipferd oder höchstens noch
ein Jochpferd (Jahrbuch 1 889 S. 292), deren Zügel er mit beiden gehobenen Händen
gehalten haben soll. Später mußte er zugeben, daß der Mann sich mit der Linken
auf einen Stock gestützt hat; er sollte nun mit der Rechten nur die Zügel des
vordersten Beipferdes gefaßt halten (Jahrbuch 1891 S. 102). Noch später gibt er zu,
daß auch diese Zügel nach hinten laufen, meint aber, daß der Mann doch herein-
greifen könne (Archäologischer Anzeiger 1891 S. 142): eine ganz verzwickte und
verzweifelte Annahme, wenn man sie sich lebendig macht; auch müßte dann doch
wenigstens der rechte Oberarm in die Höhe gehen, was die Haltung freilich noch
gequälter machen würde. Statt zurückzuweichen und zu modifizieren, hätte Treu
eben seinen ursprünglichen Gedanken aufgeben müssen. — In ähnlicher Weise
sieht sich nun Körte, indem er Curtius' Aufstellung verteidigt, genötigt, von deren
Grundgedanken zurückzugehen, kommt dabei aber nicht minder zu unmöglichen
Dingen. Er muß die völlige Anschirrung der Pferde an die Wagen zugeben; um
aber den knienden Figuren, die nach Curtius sich vor den Pferden befinden,
etwas zu tun zu geben, läßt er sie — nicht die Zügel, was, wie er zugibt, un-
möglich ist, sondern nur ein Leitseil und zwar nur eines Pferdes, je des linken
Beipferdes, halten, das dadurch als das beim Laufe wichtigste bezeichnet werden
sollte. Aber wenn es dies auch war, so bedurften doch die anderen ebensoviel
oder ebensowenig des Haltens. Die von Körte angenommene Handlung wäre
ollkommen zwecklose; er wird als Kundiger selbst zugeben müssen, daß
der Mann mit seinem Leitseil in der Hand nicht die geringste Gewalt über die
rde, nicht einmal über das eine Beipferd, an dem es angebracht ist, geschweige
denn über die anderen hat. Dann aber ist es auch an sich unwahrscheinlich und
Zum Ostgiebel des Zeustempels in Olympia. 297
'durch kein einziges Beispiel zu belegen, daß man den fertig angeschirrten Pferden
noch die Leitseile gelassen hätte. Das Leitseil kommt ausschließlich bei un-
angeschirrten Pferden vor. Die an den Wagen geschirrten Rosse konnten, sollten
sie von vorne gehalten werden, nur durch stehende Personen, welche nahe dem
Gebisse in die Zügel faßten, gehalten werden; solche existieren aber nicht unter
den Giebelfiguren. Der Versuch Körtes, die Aufstellung der knienden Figuren
vor den Pferden zu retten, führt ihn zu unannehmbaren Resultaten und beweist
nur, daß jene, die ursprünglich von der jetzt nicht mehr zutreffenden Annahme,
daß die Pferde unangeschirrt wären, ausging, nunmehr aufzugeben ist. Dazu
kommt noch vieles andere, wie daß die beiden knienden Jünglinge sich nicht 1284
als Gegenstücke eignen, weder nach Stellung noch nach ihrer Größe, daß der
Kopf des einen so gesenkt ist, wie es weder durch die vorausgesetzte Handlung
noch durch den Giebelplatz erklärt wird u. a.
Wir müssen vielmehr schließen: da die Zügel der Pferde alle nach hinten
gehen, und da unter allen Figuren des Giebels keine existieren, welche die so
angeschirrten Pferde von vorne gehalten haben können, so müssen die Plätze
vor den Pferden durch Figuren besetzt werden, die nichts mit denselben zu tun
haben. Die unmittelbare Nähe der in strengster Symmetrie gehaltenen Mittel-
gruppe verlangt zugleich auch hier möglichst symmetrische, namentlich gleich
hohe Gestalten. Diese Bedingungen erfüllt nur der hockende Knabe und das
kniende Mädchen. Setzen wir aber diese vor die Pferde, so ergibt sich genau
dieselbe Aufstellung, die wir vorhin, von ganz anderem Ausgangspunkte her,
gefunden haben. Es bleibt auch hier keine weitere Wahl. Der sitzende Mann
kommt auch auf diese Weise mit Notwendigkeit an die Stelle, die wir ihm oben
angewiesen. Daß er sich an dieser Stelle neben dem so ähnlichen sitzenden
»Greis« besonders schön ausnehme, behaupte ich nicht, ebensowenig wie auf
der anderen Giebelhälfte die Wiederholung desselben Motivs bei den Knienden
schön ist. Aber die Forderungen unseres subjektiven Geschmacks dürfen doch
erst dann bei der Aufstellung in Frage kommen, wenn allen objektiven Indizien
Genüge geschehen ist.
Meine Aufstellung hat nun aber noch zwei wichtige Vorzüge, die keiner 1314
anderen zukommen und die auch den, der ihr mißtrauisch gegenübersteht, ge-
neigter machen müssen. Erstlich erreichen wir nur durch sie die größte Gleichheit
in der Höhe der sich entsprechenden Figurenpaare, die mit den vorhandenen
Statuen überhaupt zu erreichen ist; dabei differiert nämlich nur die Höhe eines
einzigen Paares — die zunächst hinter den Wagen befindlichen Personen — um
ein weniges. Bei den übrigen Aufstellungen differieren teils alle drei in Betracht
kommenden Paare (so bei Treu und Kekule), teils zwei (bei Curtius) recht wesentlich.
Zweitens erhält man durch sie die beste Erklärung der Worte, mit denen 1315
Pausanias die strittigen Figuren beschreibt, und seines Irrtums in Bezug auf das
Mädchen. Pausanias sieht in den zwei Einzelfiguren vor den Pferden die aus
1 1 des Zeustempels in Olympia.
der Sage bekannten beiden Wagenlenker; hinter den Gespannen aber faßt er die
hen diesen und den Eckfiguien befindlichen Figuren auf jeder Seite
ein Paar, als je eine Gruppe von dvo ävdgeg zusammen und erklärt dieses
.: von zwei .Männern jederseits als Pferdewärter, als Hippokomen der beiden
Helden. Nur unsere Aufstellung bietet nun hinter beiden Gespannen wirklich
jederseits ein durch Gleichartigkeit der Erscheinung eng verbundenes Paar von
Männern, die sich auf die Pferdewartung beziehen ließen. Alle anderen Auf-
stellungen stellen starke Ansprüche an Pausanias' Gedankenlosigkeit, die stärksten
die von Curtius, bei der es kaum faßlich ist, wie Pausanias die zwei betreffenden
Figuren der linken Seite — wo das Mädchen sich nach der Ecke wendet — sollte
als ein Paar von Männern zusammengefaßt und auf die Pferdewartung bezogen
haben. Die Einzelfiguren der Wagenlenker der Sage suchte Pausanias oder sein
Gewährsmann eben deshalb vor den Pferden, weil er hinter denselben nur zwei
Paare zweier gleichartiger Figuren fand, und dann wohl auch, weil er sie zunächst
den Helden vermutete. Vor allem aber wird der lange Chiton des Mädchens
Anlaß gewesen sein, hier einen Wagenlenker anzunehmen. Daß die von ihm für
die Lenker gehaltenen Figuren irgend etwas mit den Pferden zu tun hatten, sagt
Pausanias nicht, und die Forderung von Körte, daß dies der Fall war, ist hinfällig,
da wir andere ausreichende Gründe für Pausanias' Irrtum nachgewiesen haben.
Indess Körte sieht mit Curtius dessen Aufstellung als schon durch die Fund-
umstände1 gesichert an. Allein dieses kann ich so wenig zugeben, wie es
die Augenzeugen dieser Fundumstände selbst behaupten wollen (vergl. Jahrbuch
1891 S. 98). Wenn nach dem Zeugnisse dieser und anderer mit den örtlichen
Verhältnissen genau Vertrauter auch nur die Möglichkeit besteht, daß die vor
der Nordostecke gefundenen drei Statuen sich nicht in unberührter Fall-Lage be-
fanden, sondern ganz oder teilweise aus derselben entfernt und verbaut waren, so
kann von einem sicheren Fundamente, auf dem jede Aufstellung der Figuren zu
ruhen habe, offenbar nicht die Rede sein. Jene Möglichkeit kann aber niemand
leugnen. Insbesondere ist die Möglichkeit, daß der relativ kleine Torso des
hockenden Knaben, der in zwei Stücken gefunden ward, eine Strecke weit ver-
schleppt ist, eine unleugbare. Es ist hierbei gleichgültig, ob wir, wie ich es tue,
diese Verschleppung und die Verbauung mit Treu für wahrscheinlich halten;
die vorhandene und durch nichts zu beseitigende Möglichkeit genügt allein,
um den Fundumständen den Charakter als sichere Grundlage der Aufstellung
zu nehmen.
Körte ist auch auf die Deutung näher eingegangen. Hier zeigt sich ein neuer
rzug meiner Aufstellung; allein durch sie lassen sich die Figuren leicht und
ungezwungen erklären: die vor den Pferden Hockenden sind sichtlich dienende
:1ten; die Paare jederseits hinter den Wagen sind das Geleite der Helden,
Bemerkungen Wochenschrift Nr. 38 S. 1154.
Zum Ostgiebel des Zeustempels in Olympia. 299
und die Eckfiguren die neugierigen Zuschauer des sich vorbereitenden Rennens.
Bei Treus Aufstellung ist das Mädchen ganz unerklärlich, bei Curtius und Kekule
sind die beiden vorletzten Figuren unverständlich, und die bisherigen Deutungen
sind doch nur ein Raten.
Körte schließt sich im übrigen zumeist an Löschcke an. Auch er ist der 1316
Meinung, daß die Version dargestellt sei, wonach Pelops durch die ihm von
Poseidon geschenkten Flügelrosse gesiegt habe. Allein der Giebel stellt ja ganz
unzweifelhaft dar, daß Pelops durch die Gunst und den Willen des Zeus siegen
wird, und seine Rosse unterscheiden sich in nichts von denen des Gegners.
Damit ist aber die herrschende Legende vom Verrate des Myrtilos sehr wohl
vereinbar: auch dieser Verrat, so müssen wir denken, liegt im Ratschluß des
Zeus, er ist das Mittel, durch das er Önomaos verderben, Pelops erhöhen will
(vergl. Jahrbuch 1891 S. 86 [oben S. 290]). Die Charakterfigur des kahlen Mannes
auf der Seite des Önomaos verlangt eine Deutung aus der Sage heraus: hier
paßt nur Myrtilos. Er wird natürlich nicht mitfahren; denn, wie Körte mit
Recht bemerkt (S. 1048), fahren die Helden allein, nur Pelops mit Hippodameia;
deshalb ist Myrtilos auch nicht in der Wagenlenkertracht. Die übrigen Neben-
figuren sind nicht so individualisiert und die Sage bietet uns auch keine Namen
für sie. Auf Götter zu raten, wie auch Körte es tut, ist ein verfehltes Beginnen.
Wie die Sage dargestellt ist, hat hier kein anderer Gott neben Zeus etwas zu
tun. Die einzigen, die sonst der Sage nach erwartet werden könnten, Pelops'
Beschützer Poseidon und etwa noch Önomaos' Vater Ares sind hier durch Zeus'
entscheidendes Auftreten ausgeschlossen. Gottheiten aber, die nur zur Lokal-
bezeichnung eingeführt wären, wie die, die man hier vermutet hat, gibt es in
der Kunst des fünften Jahrhunderts nicht; wenigstens sehe ich nicht, daß sie
irgendwo sicher nachgewiesen wären.
Wenn Körte S. 1050 sich Treu anschließt und meint, es stehe nicht fest, ob
die Jünglinge in den Ecken nicht Abzeichen hielten, welche sie als Flußgötter
charakterisierten, so übersieht er dabei wohl, was ich Archäologischer Anzeiger
1891 S. 94 [oben S. 294] gegen Treu bemerkt habe: die jugendlichen Fluß-
götter Hypsas und Selinus der sizilischen Münzen, auf die man sich beruft,
werden nur durch die Hörner oder die Beischriften als solche kenntlich; und
diese beiden Dinge waren an den olympischen Figuren sicher nicht vorhanden.
Treu hat darauf ebenda S. 142 freilich gemeint, die Abzeichen der Flußgötter in
Olympia könnten Schilfstengel« gewesen sein, »wie sie der gleichzeitige Selinus
bei P. Gardner, Types of Greek CoinsTaf.2,15— 16, hält«. Allein dies ist ein offen-
barer Irrtum von Treu. Der Zweig, den Selinus und Hypsas auf jenen Münztypen
halten, ist ja bekanntlich ein Lorbeerzweig, der zu dem Opfer gehört, das sie
darbringen und der deshalb auch richtig als Lustrationszweig bezeichnet wird;
mit der Bedeutung als Flußgott hat er gar nichts zu schaffen; diese wird nur
durch Hörner oder Inschrift oder beides kenntlich gemacht. Es bleibt dabei, daß
300 ZUM Ostgiebel des Zeustempels in Olympia.
Eckfiguren in Olympia nach unserer Kenntnis der Kunst des fünften Jahr-
hunderts von niemand in jener Zeit als Flußgötter erkannt werden konnten; da-
cti genügte der Spätzeit allerdings das bloße Motiv des Liegens zu jener
Deutung. Gegen meine Erklärung der Figuren als typische Vertreter der Zu-
schauer bei den Spielen bemerkt Körte (S. 1051), daß ihr formloses Benehmen der
Heiligkeit des Ortes und der Handlung nicht entsprechend sei. Allein er bedenke
die Primitivität des olympischen Stadions, das keine festen Sitze hatte und wo
die Zuschauer einfach auf den mit Rasen bewachsenen Wällen < Platz nahmen
(Borrmann in Olympia, Textband II, 1 S. 64). Da mag gewiß mancher oben auf
dem Wall im Grase gelegen haben. Daß natürliche und bequeme Körperhaltungen
den Alten selbst bei feierlichen Vorgängen nicht anstößig erschienen, zeigt ja zum
Beispiel der Parthenonfries deutlich genug.
DER OSTQIEBEL
DES OLYMPISCHEN ZEUSTEMPELS
(SITZUNGSBERICHTE DER PHILOS.-PHILOL. KLASSE DER
KGL. BAYER. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 1903)
eit einem Vierteljahrhundert bildet die Aufstellung der Statuen des Ost- 421
giebels von Olympia ein Problem, an dessen Lösung von den ver-
schiedensten Seiten und mit der größten Anstrengung fast unablässig
gearbeitet worden ist. Groß ist die Zahl der Gelehrten, die mutig in die Arena
gestiegen sind und den Kampf mit dem dunkeln Rätsel aufgenommen haben. Ich
selbst habe zu verschiedenen Malen mich unter die Streiter gemischt.1
Die monumentale Publikation der Ergebnisse der Ausgrabungen von Olympia,
der 1897 erschienene dritte Band „Olympia", schloß mit einer Dissonanz, mit dem
Gegensatze der zwei Aufstellungen von Ernst Curtius und Georg Treu, die
beide ihre von Anfang an eingenommenen gegensätzlichen Stellungen unverrückt
festhielten. Kurz darauf erschien die ausführliche Begründung einer neuen An-
ordnung von K. Wernicke im Jahrbuch des Archäologischen Instituts Band XII,
1897, S. 169—194, die in Comparetti einen Anhänger fand (Strena Helbigiana 422
S. 44 ff.). In dem 1901 erschienenen dritten Bande der großen kommentierten
Ausgabe des Pausanias von Hitzig und Blümner findet man die verschiedenen
Aufstellungen und Deutungen am übersichtlichsten zusammengestellt (S. 322 ff.,
Tafel 3. 4); die beigegebenen Tafeln sind aus dem Jahrbuch 1897 wiederholt, aber
die Figuren sind hier in einheitlicher Weise mit Buchstaben bezeichnet, was die
Benutzbarkeit erhöht. Wir gebrauchen im Folgenden der Kürze halber dieselben
Buchstaben für die Figuren und wiederholen auf S. 424 [S. 302] die Abbildungen der
drei letzten und wichtigsten Aufstellungen von Treu, Curtius und Wernicke.
Sicher ist bis jetzt nur eines, nämlich daß alle bisherigen Anordnungen des
Giebels nicht befriedigen. Darum dürfen wir das Suchen nach dem Richtigen
1 Ich habe zuerst in den Preußischen Jahrbüchern Band 51 (1882) S. 372 ff. [oben S. 247 ff.]
die Aufstellung von E. Curtius näher zu begründen und zu verteidigen gesucht. Später
habe ich im Jahrbuch des Instituts Band VI (1891) S. 76-87 [oben S. 280 ff.] eine eigene neue
Anordnung versucht und im Archäologischen Anzeiger 1891 S. 93 f. [oben S. 293] sowie in
der Berliner Philologischen Wochenschrift 1892 S. 1282 ff. und 1314 ff. [oben S. 295 ff.] gegen
Einwürfe verteidigt.
Der Ostgiebel des olympischen Zeustempels.
nicl Am «renigsten darf es derjenige, der selbst eine Anordnung
Wagen hat und die Unzulänglichkeit eben dieser nun lebhaft empfindet.
L'nd dies ist mein Fall; ich fühle die Pflicht, an der Frage weiter zu arbeiten.
.Weine frühere Aufstellung war die, wie ich jetzt glaube, falsch gezogene
Konsequenz eines an sich gewiß zweifellos richtigen Grundsatzes, von dem wir
A B l
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E Curtiua 1896
E F O B J K L
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Olympia III Taf 18-
BKOHJFC M NE P
Olympia III Textbd. Taf. I,
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Neue Aufstellung.
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durchaus nicht abgehen dürfen, der aber bei allen anderen Aufstellungen mehr
oder weniger verletzt wird, des Grundsatzes, daß diejenigen Figuren sich auf den
•n des Giebels entsprechen müssen, welche die gleiche oder die nächst
gleiche Höhe haben. Die Richtigkeit dieser Forderung liegt in der Natur der
symmetrischen Komposition der Giebelfelder und wird insbesondere erhärtet durch
lue Befolgung derselben, die wir an den Ägineten nicht nur, sondern vor
: arn westlichen Giebelfelde des Zeustempels selbst konstatieren können.
Der Ostgiebel des olympischen Zeustempels. 303
Ich muß daher an den in meiner früheren Abhandlung geforderten Paaren im
Ostgiebel festhalten, da sie allein der genannten Bedingung genügen, daß die sich
entsprechenden Figuren der beiden Seiten die gleiche oder die möglichst annähernd
gleiche Höhe haben müssen. Indess jene Paare habe ich damals falsch verteilt.
Erinnern wir uns zunächst der jener Grundforderung allein entsprechenden Paare 423
unter den Figuren, deren Anordnung am meisten strittig ist. Wie ich im Jahrbuch
des Instituts 1891 S. 80 [oben S. 284] hervorgehoben habe, sind der hockende Knabe E
und das kniende Mädchen O von gleicher Größe. Diese beiden Figuren müssen
einst sich entsprochen haben. Sobald man einer derselben ein anderes Gegenstück
geben will, verstößt man gegen jene Grundforderung; man muß dann Gegenstücke
bilden aus Figuren von wesentlich verschiedener Höhe, wie Treu, der den hockenden
Mann L als Gegenstück zu E und den knienden Jüngling B als solches zu O
ansetzt, oder wie Wernicke, der umgekehrt B und E sowie L und O zusammen-
ordnet. Während ein Paar von in der Höhe völlig übereinstimmenden und überdies
noch in Altersstufe und Bewegung vortrefflich zu einander passenden Figuren vor-
handen ist, reißt man dieses evident gegebene Paar auseinander und verbindet
die einzelnen Glieder mit Figuren, die wesentlich andere Größe haben.
Auch an dem zweiten Paare strittiger Figuren, das ich damals aufstellte,
muß ich durchaus festhalten: durch die übereinstimmende Größe werden der
hockende Mann L und der kniende Jüngling B als Gegenstücke erwiesen (vergleiche
Jahrbuch 1891 S. 81 [oben S. 285]). Jede andere Zusammenstellung, wie die von L
und N bei Curtius, von L und E bei Treu, von L und O bei Wernicke, sowie
ferner die von B mit C bei Curtius, B mit O bei Treu und B mit E bei Wernicke
vereinigt Figuren von wesentlich verschiedener Höhe.1
Also die Gegenstücke, die ich damals aufstellte, müssen bleiben. Allein ihre 425
Anordnung muß eine andere werden. Der sitzende Mann L kann nicht, wie ich
damals vorschlug, rechts neben N gestellt werden ; schon deshalb nicht, weil die
starre gerade Linie des von der linken Schulter herabfallenden Mantels abscheulich
und unmöglich wirkt, wenn sie nicht durch andere anschließende parallele Linien
gedeckt wird. Auch die Gründe, die Treu, Olympia III S. 123, anführt, sind durch-
aus zutreffend. Die Zuspitzung des Grundrisses der Statue nach ihrer rechten Seite,
1 Treu gibt im Olympiawerke die vermutlichen ursprünglichen Höhen der Figuren an.
Danach differieren die von Curtius, Treu und Wernicke als Gegenstücke angenommenen
Figuren um 10, 15, 20 und 25 cm in der Höhe (nur L und TV bei Curtius differieren etwas
weniger, nach Treu um 8 cm). Dagegen differieren die von mir aufgestellten Gegenstücke
nach Treus Maßen nur um je 5 cm, und auch diese 5 cm fielen vermutlich noch weg;
denn bei B hat Treu offenbar eine zu gesenkte Kopfhaltung angenommen, so daß die
ursprüngliche Höhe der von L (130 cm) noch näher stand; und der fehlende Kopf von E
mag ein wenig zu niedrig veranschlagt sein, so daß auch die Höhe von E der von O
noch genauer entsprochen haben wird. Aber auch wenn wir die 5 cm Differenz, die Treus
Berechnungen geben, beibehalten, bleibt immer ein starker Unterschied dieser von den
10—25 cm, um welche die von den anderen angenommenen Gegenstücke differieren.
3Q4 Der Ostgiebel des olympischen Zeustempels.
sowie die gedrehte Körperhaltung wären an jener Stelle unverständlich; auch ist es
richtig, daü die Figui dort „den Umriß des Greises daneben in störender Weise
wiederholte"; nur durfte Treu diesen Grund eigentlich nicht anführen, weil er selbst,
worin ich ihm früher irriger Weise gefolgt bin, durch das Hintereinandersetzen der
knienden Figuren B und C in der linken Giebelecke eben den Fehler wiederholt
hat, den er an meiner früheren Aufstellung der rechten Ecke mit Recht tadelte.
Hin ganz untrügliches Mittel, um die Stellung der Figuren im Giebel zu
bestimmen, gibt uns der Grad der Ausführung ihrer einzelnen Teile: in der Arbeit
vernachlässigte, unausgeführte Partien können unmöglich der Hauptansicht der
Figuren ausgesetzt gewesen sein. Aus diesem Grunde ist die Möglichkeit, den
sitzenden Mann L in die linke Giebelhälfte zu stellen, einfach ausgeschlossen, da
er hier gerade seine unausgeführte linke Kopfseite dem Beschauer zu- und die
sorgfältig vollendete rechte von ihm abkehren würde. Man hat dagegen sagen
wollen, bei der Höhe der Aufstellung würde dies dem unbewaffneten Auge von
unten kaum aufgefallen sein. Allein darüber zu streiten ist unnütz. Die gesamte
Arbeit der beiden Giebelgruppen lehrt es als unumstößliche Tatsache, daß die
Künstler in der sorgfältigen Ausführung überall eben so weit gingen, wie die
Figuren von unten gut sichtbar waren, dagegen die Ausführung sich ersparten,
wo immer sie annehmen durften, daß dies nicht der Fall sei. Danach muß es
als einer der sichersten Punkte der Ostgiebelaufstellung gelten, daß L nicht links
hinter dem Wagen gesessen haben kann, wo er das unbearbeitete Ohr und die
vernachlässigten häßlichen Falten unter dem linken Arme dem Beschauer zu-, die
fein ausgeführten Teile aber abwendet (vergleiche auch Treu, Olympia III S. 122).
Da L nun nicht hinter dem Greis N gesessen haben kann, so bleibt für ihn
nur der ihm von Treu angewiesene Platz vor den Rossen der rechten Hälfte.
Und hier paßt er in der Tat vortrefflich her. Nur hier findet seine verdrehte
auffallende Haltung eine befriedigende Erklärung: er sitzt vor den Pferden, die
Beine von ihnen abgekehrt, und dreht nun den Oberkörper nach ihnen um. Hier
findet ferner jene gerade Linie seines herabfallenden Mantels an den parallel
daneben stehenden Pferdebeinen jenen Hintergrund, dessen sie notwendig bedarf.
Daß die Figur ganz vorne an den Geisonrand herangerückt war, wie sie es eben
an jenem Platze sein mußte, hat Treu (Olympia III S. 123) aus der Abmeißelung
der Unterseite und der geradlinig abgeschnittenen Vorderfläche des linken Ober-
schenkels mit Recht geschlossen.
Da nun das Gegenstück von L der Größe nach, wie wir sahen, B gewesen
o muß der kniende Jüngling B vor die Pferde links. Doch bevor wir zu
dieser Figur übergehen, beenden wir die Betrachtung der rechten Giebelhälfte.
gibt noch einen festen untrüglichen Halt für die Aufstellung der Giebel-
gruppe: das ist der Fundort der Figuren der rechten Ecke.
Seit in der Publikation des großen Olympiawerkes mit der ihm beigegebenen
idkarte der Giebelfiguren alles Material zur Beurteilung vorliegt, kann meines
Der Ostgiebel des olympischen Zeustempels. 305
Erachtens kein Zweifel mehr sein, daß zwischen der Auffindung der Figuren N, E, P
vor der Nordostecke und der Auffindung der übrigen Stücke ein fundamentaler
Unterschied besteht. Jene Figuren lagen unverbaut unmittelbar unterhalb der
Nordostecke; alle anderen Stücke sind weit entfernt und nicht in der Fall-Lage,
sondern verschleppt und in Hüttenmauern verbaut gefunden worden. Von jenen
drei unterhalb der Nordostecke liegenden Figuren gehörten zwei, N und P,
zweifellos in die Giebelecke darüber, und zwar in derselben Reihenfolge, wie sie
unten lagen, P rechts und N weiter links. Der Schluß aus diesen Tatsachen ist
ganz unabweislich: die zwischen N und P in zwei Stücke gebrochen gefundene
Figur des hockenden Knaben £ muß auch im Giebel oben zwischen M und P
gesessen haben.
Das durch die Größe gegebene Gegenstück von E ist aber, wie wir sahen,
das kniende Mädchen O; also wird nun auch dessen Platz bestimmt: es muß
an die zweite Stelle der südlichen Giebelhälfte von links rücken, da wo bereits
E. Curtius es eingeordnet hat.
Außer den stehenden Mittel- und den liegenden Eckfiguren bleiben jetzt nur
noch der sitzende Greis N und der kniende Mann C übrig; ihre Plätze können
nur die einzig noch freien hinter den Rossen sein. Sie differieren etwas in der
Höhe (N 138 cm; C wird von Treu auf 150 cm berechnet); allein dies ist hier
notwendig motiviert dadurch, daß bei der Haltung mit nach der Giebelmitte hin
ausgestreckten Beinen der Kopf von N wesentlich näher der Giebelecke rückt,
also niedriger sein mußte als der Kopf des Mannes C, der bei seiner nicht am
Boden sitzenden, sondern knienden Stellung näher nach der Giebelmitte zu fiel.
Hierdurch ward die Höhendifferenz der beiden entsprechenden Figuren und damit 428
eine kleine Abweichung von der Regel notwendig.
Während die Differenz von C und N in der Haltung begründet ist, so wäre
die von L und N ganz unerklärlich, wenn diese Figuren Gegenstücke wären;
L würde ja dann die Beine von der Mitte Wegstrecken, während N sie der Mitte
zustreckt, also könnte die Figurenhöhe von L, da der Kopf der Giebelmitte näher
gerückt wäre, doch nur höher sein, nicht aber, wie es tatsächlich der Fall ist,
niedriger als N, und die nachträgliche Abmeißelung der Unterfläche von L, welche
die Figur niedriger machte, wäre ganz unerklärlich, während sie leicht verständlich
ist, wenn L und B die Gegenstücke sind.
Endlich sei noch hervorgehoben, daß an C der Rücken unausgearbeitet, an O
aber sorgfältig ausgeführt ist, was sich bei unserer Aufstellung durch die Rück-
sicht auf den unten vor der Mitte stehenden Beschauer erklärt und sie bestätigt.
So ist denn die Aufstellung der strittigen Figuren fixiert. Auf der S. 425 [oben
S. 302] gegebenen Skizze, die ich K. Reichhold verdanke, ist das Resultat deutlich
gemacht. Zu derselben sei bemerkt, daß die Figuren der beiden Giebelhälften streng
symmetrisch angeordnet sind, das heißt daß alle sich entsprechenden Hauptpunkte
der beiden Seiten in gleicher Distanz von der Mitte liegen. Dies scheint uns eine
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. 20
3QC DER OSIV.IEBEL DES OLYMPISCHEN ZEUSTEMPELS.
ge künstlerische Forderung, gegen die Treu verstößt, indem er in der
rechten Giebelhälfte alles mehr nach der Ecke, in der linken alles mehr nach der
ii schiebt. Die Punkte, deren Symmetrie so augenfällig ist wie die stehenden
Gestalten neben Zeus, die Gespanne und Wagen, die Eckfiguren, müssen unter
allen Umständen beiderseits in genau gleichem Abstände von der Mitte angeordnet
werden. Allerdings erscheint die linke Hälfte etwas lockerer und leerer als die
vollere rechte; allein dies macht man nicht besser dadurch, daß man die Figuren
links aus ihren durch die Symmetrie gegebenen Plätzen, wie Treu tut, mehr nach
der Mitte schiebt. Der Unterschied der beiden Seiten ist, wie wir sehen werden,
die notwendige Folge der verschiedenen Charakteristik der beiden Helden und
ihres Gefolges.
Bevor wir unser Resultat näher betrachten, müssen wir über die Fragen klar
werden, welche die Aufstellung der Mittelgruppe betreffen. Diese hat Wernicke
von neuem angeregt, indem er die beiden Gruppen zu den Seiten des Zeus
umstellte. Er glaubte dies auf Grund des Textes des Pausanias tun zu müssen.
Mit Unrecht. Wernicke meint, h de£iq tot Aiog bedeute nicht „rechts vom
Zeus" vom Beschauer aus, sondern „zur rechten Hand des Zeus"; Önomaos müsse
also zur Rechten von Zeus, links vom Beschauer, aufgestellt werden. Wir wollen
nun den Nachweis von Michaelis (Archäologische Zeitung 1876 S. 162 f.), daß
Pausanias rechts und links regelmäßig vom Beschauer gebrauche, nicht benützen,
indem Wernicke — obwohl mit Unrecht — ihn anzuzweifeln versucht. Allein das
folgende tu di Ig ägunega u.-iö rov .\iog spricht durch das änd doch deutlich
gegen Wernicke: „zur Linken von der Figur des Zeus ab" setzt zweifellos den
Beschauer als bestimmenden voraus: der Beschauer betrachtet von der Figur des
Zeus aus die Figuren nach rechts und nach links. Wenn nach des Zeus eigener
Rechten oder Linken orientiert würde, dürfte nicht änö stehen. Den endgiltigen
Entscheid in der Frage aber geben die Namen, welche Pausanias den liegenden
Jünglingen der beiden Giebelecken gibt. Er bezeichnet den auf der Seite b>
• n rov \tbs als Kladeos, den & ägioteod utto tov Aiog aber als Alpheios.
Wer je vor der Front des olympischen Tempels gestanden hat oder sich die
Situation durch einen Lageplan vergegenwärtigt, weiß, wie völlig unmöglich es
ist, die Figur links, da wo wenige Schritte vom Beschauer der Alpheios in breitem
tte dahinrollt, für eine Personifikation des Kladeos, die der entgegengesetzten
Seite rechts aber für Alpheios zu erklären. Das ist einfach undenkbar, weil absolut
unsinnig. Damit aber ist entschieden, daß man, wie man es bisher auch fast
allgemein getan hat, den Önomaos vom Beschauer rechts neben Zeus, den Pelops
links neben ihn aufzustellen hat.
Alle anderen Umstände aber passen vorzüglich zu diesem Resultat. Vor allem
die künstlerischen Forderungen. Die gehobenen Arme des Pelops und Önomaos
430 mit ihren Lanzen wären unmittelbar neben Zeus schwer erträglich. Die ganze
Wirkung der majestätischen Ruhe in der Haltung des Zeus würde verloren gehen.
Der Ostgiebel des olympischen Zeustempels. 307
Ferner würden zwar die drei Männer zusammen eine Gruppe bilden; aber die
Frauen würden dann in unerträglicher Weise isoliert stehen; ja Pelops und Hippo-
dameia würden sich direkt von einander abwenden. Nun ist es aber offenbar
sachlich notwendig, daß Pelops und Önomaos mit den zu ihnen gehörigen Frauen
Gruppe bilden, nicht aber mit Zeus, der nichts direkt mit beiden zu tun hat,
sondern offenbar, den Sterblichen unsichtbar, nur in ihrer Mitte weilt. Bei der
Aufstellung von Treu gewinnen wir künstlerisch abgerundete Gruppen für Pelops
mit Hippodameia (F, G), sowie für Önomaos mit Sterope (7, K)\ Zeus steht dann
isoliert in der Mitte, rechts und links von ihm bildet sich eine Lücke. Die lässige
Ruhe seiner Haltung wirkt erst jetzt majestätisch. Man empfindet, er ist der Gott,
der, den Sterblichen unsichtbar, hier in ihre Mitte getreten und deshalb von ihnen
isoliert ist.
Die beiden Helden sind ganz vom Gedanken an die bevorstehende Wettfahrt
erfüllt. Echt polygnotisches Ethos spricht aus ihren Stellungen: ruhig und völlig
handlungslos, sprechen sie in der Art der Haltung ihren inneren Charakter aus:
bescheiden und gottergeben ist Pelops — trotzig, auf die eigene Kraft bauend,
Önomaos. Doch Zeus wendet sich leise, von den Sterblichen unbemerkt, dem
Pelops zu; denn nach dem göttlichen Ratschlüsse soll dieser der Sieger bleiben.
Die von mehreren Gelehrten, zuletzt von Wernicke, wieder versuchte Einführung
einer Opferhandlung und eines Altares neben Zeus würde die ganze Absicht des
Künstlers, wie wir sie fassen, zerstören.
Auch die Frauen sind den Helden entsprechend charakterisiert: die Haltung
der Hippodameia (F) ist ganz Bescheidenheit, ebenso wie die von Sterope (K)
ganz Stolz.
Doch der Unterschied erstreckt sich noch weiter auf die beiden Giebelhälften:
„auf Seiten des Pelops bescheidene Festigkeit und Freude, dort bei Önomaos
trotzige Unruhe und trübes Sinnen". Diese von mir früher (Preußische Jahrbücher
1882, Band 51, S. 373 [oben S. 249]) gegebene Charakteristik passt bei der neuen 431
Aufstellung erst recht. Der vor den Rossen sitzende Mann L mit seiner gewalt-
samen Bewegung drückt Unruhe, der Greis K hinter den Rossen trübes Ahnen
aus. Beide Gestalten, L wie N, sind bärtige bejahrtere Männer, entsprechend
ihrem Herrn, dem bärtigen Önomaos. Dagegen erscheinen auf Pelops' Seite zwei
jugendliche Gestalten, von denen die eine (B) sicher, die andere (C) wahrscheinlich
unbärtig war,1 wie ihr Herr. Beide Figuren sind ganz schlicht und einfach mit
ihrer nächsten Aufgabe, der Wartung der Pferde, beschäftigt: „bescheidene Festig-
keit", ruhige frohe Tätigkeit charakterisiert die beiden. Der hinter dem Wagen
kniende jugendliche Mann hält, wie die erhaltenen Reste der Arme beweisen
(vergleiche Treu, Olympia III S. 122), die nach hinten geführten Zügel der an-
1 Der Bart, den Treu C gibt, ist durch nichts indiziert; Curtius und Grüttner restau-
rierten ihn unbärtig.
20*
kQg Der Ostgiebel des olympischen Zeustempels.
►chirrten Rosse. Sein jüngerer Genosse, der vor den Rossen kniende Jüngling B,
wie sein Gegenüber L, mit der Aufsicht über die Pferde beschäftigt. Wie die
Vernachlässigung seiner linken Kopf- und Gesäßseite beweist, waren diese Teile
dem Beschauer ab-, die Figur also nach rechts gewandt. Doch ist der Rücken
vollständig ausgeführt; die Figur war also nicht wie C, an welcher der Rücken
zur größeren Hälfte unausgeführt ist (Olympia III S. 62), in scharfem Profil nach
rechts gestellt, sondern schräg, so daß der Rücken sichtbar war.1 Auch schließt
Treu (Olympia III S. 63) mit Recht, daß die Figur „weiter von der Rückwand des
Giebels abgerückt war als die meisten übrigen", was eben zu unserer Ansetzung
nahe dem Geisonrande vor den Rossen paßt. Wie ihr Gegenüber L, so wird auch B
einen Stab, ein Kentron aufgestützt haben, wofür die erhaltenen Reste der Arme
sehr gut passen. Was den Kopf betrifft, so nehmen wir natürlich nicht die stark
432 geduckte Haltung desselben an, die Treu (Olympia III S. 62) wegen der von ihm
der Figur im Giebel angewiesenen Stelle ihr gegeben hat, sondern wenigstens
die aufrechtere, die Treu selbst früher (Athenische Mitteilungen XIV, 1889, S. 297)
mit Benutzung der vorhandenen Dübelspuren dem Kopfe anwies. Das ruhige
Yorsichhinblicken in stiller Tätigkeit, wie dies die Figur nun zeigt, ist so recht in
Übereinstimmung mit der Art des Pelops, wie sie uns der Künstler schildert.
Die Rosse sind beiderseits an die Wagen schon fertig angeschirrt, wie aus
den erhaltenen Resten bewiesen worden ist. Die Zügel liefen nach hinten. Ein
Mann, der die Rosse wirksam von vorne beaufsichtigen sollte, müßte vor ihnen
stehen. Dies ging hier aus künstlerischen Gründen nicht; denn neben den stehenden
Hauptfiguren war kein Raum mehr für eine stehende Nebenfigur. Hier vor den
Pferden konnte der Künstler nur am Boden sitzende oder kniende Gestalten
brauchen. Diese konnten aber immerhin auch in dieser Stellung die Pferde
beaufsichtigend gedacht werden. Beide Figuren stützten, wie bemerkt, einen Stab
auf, der zum Regieren der Pferde gehörte; vermutlich hielten sie aber ferner auch
die herabhängenden Leitseile von einem oder mehreren Pferden in den Händen.
Wie der Leitriemen häufig an fertig aufgezäumten Reitpferden zur Führung an
der Hand vorkommt (vergleiche Archäologische Zeitung 1880 S. 124, 1), so mochte
er hier den angeschirrten Wagenpferden zum Teil belassen sein, weil der Künstler
ihn hier brauchte. Man hat mit Recht darauf hingewiesen, daß das linke Beipferd
das vornehmste und wichtigste beim Rennen war. Es wäre gewiß ganz passend,
wenn der Künstler eben das linke Beipferd jederseits dadurch ausgezeichnet hätte,
daß es besonders am Leitseil gehalten würde. G. Körte hat dies schon vermutet
und zwar bei Gelegenheit einer Verteidigung der Aufstellung von E. Curtius
'hilologischc Wochenschrift 1892 S. 988). Diese Vermutung erscheint
aber ganz anders passend, ja sie erscheint als evidente Erklärung der eigentüm-
Aufsteflttng bd Curtius, wo die unbearbeitete linke Kopfseite sich präsentiert,
rlich falsch und wirkt durch die verkürzte Ansicht der Glieder auch künstlerisch
Richtij lie von Six und Sauer der Figur gegebene Stellung.
Der Ostgiebel des olympischen Zeustempels. 309
liehen Haltung der Figuren bei unserer neuen Aufstellung! Jetzt erst wird die
verschiedene Bewegung der beiden Figuren klar: L wendet sich herum zu seinem 433
linken Beipferd, unter dessen Kopf gerade seine Hände zu stehen kommen und
dessen Leitseil er hält; B kniet deshalb so schräg nach der Giebelwand hin und
zeigt einen Teil seines Rückens, weil er eben das Leitseil seines linken Beipferdes,
welches das hinterste an der Giebelwand ist, hält.
Die von Pausanias wiedergegebene Erklärung der olympischen Exegeten sah
in dem sitzenden Manne L den Wagenlenker des Önomaos Myrtilos. Daß
Pausanias' Worte xd&rjzai noo rwv Xnnmv so genau auf L passen, und nur auf
diese Figur — denn bei keiner anderen Aufstellung kommt ein sitzender Mann
an dieser Stelle vor die Rosse — ist eine gewichtige Bestätigung der Richtigkeit
dieser Aufstellung. In seinem Gegenüber sah die olympische Exegese Killas,
den Lenker des Pelops. Ob diese Namen der Absicht des Künstlers entsprachen,
lassen wir am besten dahingestellt; sicher ist, daß der Künstler auf beiden Seiten
die gewichtigere ältere Figur an den vornehmeren Platz hinter den Wagen, die
weniger bedeutende vor die Rosse gestellt hat.
Hinter den zu den Wagen gehörigen Gestalten C und N folgt beiderseits ein
Abschnitt in der Komposition. Es kommen Figuren, die mit der Szene in der
Mitte nichts direkt zu tun haben. Auch hier wirkt aber noch der Unterschied der
beiden Giebelhälften nach: rechts stärkere Bewegung und gebrochene Linien, links
Ruhe und einfache Schlichtheit. Der Jüngling in der Ecke links (A) stützt ruhig
den Kopf in die Hand und läßt den anderen Arm auf dem Körper ruhen. Ihm
ist ein Mädchen (O) zugewandt, das die Hände gehalten haben muß, als ob es
an seinem Fuße spiele; der Künstler ließ dies wohl absichtlich unbestimmt. Der
Rücken der Figur ist besonders sorgfältig ausgeführt, viel mehr als die Brustseite,
was zur Bestätigung unserer Aufstellung dient, weil bei dieser der Beschauer von
der Mitte her eben den Rücken der Figur sah.
Bei dem Gegenstücke, dem hockenden Knaben E, ist die vom Künstler wieder
absichtlich unbestimmt gehaltene bedeutungslose, wie spielende Gebärde der an
den Fuß greifenden einen Hand vollkommen erhalten. Es ist eine Haltung von 434
der Art wie die der Rechten des Zeus. Etwas Analoges haben wir bei dem
Mädchen O vorauszusetzen. Der Knabe E bildet durch sein Motiv einen vorzüg-
lichen Übergang zu der Eckfigur, wie oft mit Recht hervorgehoben worden ist.
Seine vordere, rechte und linke Körperseite sind vollkommen gleichmäßig aus-
gearbeitet; dagegen ist sein Rücken ganz roh gelassen, ja es ist ein Teil des
unteren Rückens und des Gesäßes einfach weggelassen (vergleiche die Abbildungen
Olympia III S. 59), indem der aufs äußerste ausgenutzte, aber zu knappe Marmor-
block diese Teile nicht mehr hergab. Aus der Vernachlässigung des Rückens geht
mit Sicherheit hervor, daß diese Seite parallel der Giebelrückwand gestanden hat.
Dann zeigte sich der Körper der Figur gerade von vorne; der Kopf war etwas
nach der linken Schulter gewendet. Nur in dieser Stellung des Körpers in voller
.^10 Der Ostgiebel des olympischen Zeustempels.
iiisicht wirkt die Figur aucli künstlerisch richtig; sie ist ganz offenbar für
diese Ansicht angelegt; ihre Wirkung ist dagegen eine schlechte und verkehrte,
tld man sie schräg aufstellt, wie es Treu tut, der sie vor die Rosse setzt.
Wie bemerkt, sind die rechte wie die linke Körperseite voll ausgeführt, weil sie
beide zu sehen waren; nur der ganze Rücken ist roh, weil er parallel der Rück-
wand aufgestellt war. Treu - und ihm folgend ich selbst früher — hatte sich
tauschen lassen dadurch, daß der unbearbeitete Rücken vor die Pferde links zu
passen schien.1
435 Die beiden Figuren, der Knabe E und das Mädchen O, bilden je eine lebendige
Gruppe mit den Jünglingen in den Ecken. Es ist einleuchtend, wie sehr die
Komposition dadurch künstlerisch gewinnt, ja wie sie allein bei dieser Anordnung
Rhythmus und Leben erhält und nur bei ihr die Linien sich gefällig aneinander-
schließen; während die Rückenlinie von B neben A unerträglich wirkt, ebenso
wie die starre Wiederholung des Motives, wenn B und C hintereinander knien,
unerträglich ist.
Es ist klar, daß es ein überaus feiner Zug der Komposition ist, daß die drei
Figuren der Ecken nicht gleichmäßig alle nach der Mitte schauen, was gar ein-
förmig wirkt, wie man bei Treus Anordnung sehen kann;2 sondern daß hier ein
Knick, eine Unterbrechung in der Mitte der drei angebracht ist. Die langgestreckten
symmetrischen Linien der liegenden Eckfiguren A und P wirken um so kräftiger
die Komposition zusammenfassend und einschließend, wenn die nächstfolgende
Figur jederseits nicht die gleiche Richtung hat. Der künstlerische Gewinn, das
reiche rhythmische Leben, das die Komposition durch die zunächst nur aus äußeren
Tatsachen (Fundstelle und Figurenhöhe) erschlossene Aufstellung gewinnt, ist
ohne Zweifel eine schöne Bestätigung derselben.
Ich habe den Gedanken erwogen, ob A und O sowie E und P nicht durch
irgend eine gemeinsame Handlung (etwa eine Art von Lose- oder Würfelwerfen
oder dergleichen) verbunden gewesen sein könnten; allein nähere Überlegung
zeigte mir, daß dies nicht angeht. Der erhaltene Kopf von P blickt zweifellos
nach der Mitte zu, und dasselbe ist für A vorauszusetzen. Auch ist dies nach
der Mitte Blicken für die Komposition notwendig; ließe man A mit O, P mit E
' \>iv Einwendungen von G. Körte dagegen in der Berliner Philologischen Wochen-
schrift 1892 S. 1046 waren durchaus richtig. — Nicht die „rechte Seite", wie Treu
(Olympia IM S. 122) sagt, sondern nur der Rücken ist vernachlässigt; wäre es jene, so
würde dies ja bei der Treu'schen schrägen Aufstellung, wo die rechte Körperseitc vor-
gedreht • recht sichtbar geworden sein. Aus der Art der Bearbeitung der Statue
ler nicht, wie Treu will, auf Stellung in rechter oder linker Giebclhälfte, sondern nur
auf die Art der Stellung vor der Giebelrückwand ein zwingender Schluß zu ziehen. —
ung der I i^ur habe ich übrigens bereits in dem Aufsatze in den Preußischen
Jahrbuchern Band öl, 1882, S. 375 Anm. [oben S. 250] verlangt.
n i'kes Aufstellung Ist der Widerspruch der beiden Seiten auffällig: links
:ch der Mitte wie bei Treu, rechts Knick.
Der Ostgiebel des olympischen Zeustempels. 31 1
sich beschäftigen, so fielen die Figuren aus dem geschlossenen Ganzen als
selbständig sich abtrennende Gruppen heraus. Ferner ist E seinen vollständig
erhaltenen Gliedern nach unbeschäftigt, und das gleiche ist für das Gegenstück
anzunehmen.
Was nun die Bedeutung der Figuren anlangt, so gingen die olympischen 436
Exegeten, denen Pausanias folgte, entsprechend dem gemeinen Laieninteresse, in
ihrer Erklärung nur auf Namen aus. Diesem Streben verdanken die Eckfiguren
ihre, wie jetzt wohl allgemein anerkannt wird, falschen Benennungen, wodurch sie
zu Naturpersonifikationen wurden, dergleichen das fünfte Jahrhundert ja überhaupt
noch gar nicht kannte. Wir deuteten ferner oben an, daß die Deutung der Figuren
vor den Rossen als Hauptwagenlenker bei Pausanias wahrscheinlich irrig ist, indem
die zu dem Wagen gehörige Hauptfigur jederseits hinter demselben angeordnet
ist. Die olympischen Exegeten, die Pausanias' Quelle waren, fuhren in der Namen-
gebung von der Mitte aus einfach fort: nach den Haupthelden mußten ihre Wagen-
lenker kommen; für diese wußten sie noch Namen anzugeben; dann aber stockten
sie; für die zwei Figuren, die jederseits folgten, fiel ihnen nichts ein; nur für die
Eckfiguren hatten sie ihre schlechte Erklärung als Alpheios und Kladeos parat, die
ihrem an liegende Flußgötter allüberall gewöhnten Publikum gar sehr einleuchten
mochte. Die Figuren aber, die sie nicht benennen konnten, waren ihnen ganz
gleichgültig; sie werden bei Pausanias beiderseits zusammengefaßt als ovo ävdgeg,
und es heißt von ihnen einfach, sie werden eben bmoxößioi gewesen sein. Bei
dieser gleichgültigen nachlässigen Behandlung jener zwei Figuren jederseits kann
es nicht auffallen, daß sich grobe Irrtümer in ihr verbergen: das Mädchen ward
als Mann und der Knabe mit dem Greis als ävdgeg ovo bezeichnet, und es sind
beiderseits zwei Figuren zusammengenommen, die gar nichts miteinander zu tun
haben. Das war die natürliche Folge einer Exegese, die nur auf Namen ausging. —
Doch schlimmer und willkürlicher noch haben die modernen Exegeten gehaust,
die jenen Figuren die abenteuerlichsten Namen verliehen haben. Sah man doch
allzulange geradezu eine Hauptaufgabe der Archäologie darin, eben denjenigen
Figuren gelehrte Namen zu geben, welche die alten Künstler offenbar selbst
unbenannt sehen wollten.1
Zu diesen letzteren gehörten, wie wir glauben, auch die vier Eckfiguren des 437
olympischen Ostgiebels. Sie sind zu beurteilen wie die vier Eckfiguren des West-
giebels. Diese aber sind begleitendes Gesinde der Helden, nichts weiter; es sind
greise Schaffnerinnen und lose Mägde,2 namenlose Gestalten, bestimmt, als füllender
Rahmen für die Haupthandlung zu dienen. Gleicher Art sind die entsprechenden,
1 Vergleiche Furtwängler-Reichhold, Griechische Vasenmalerei I S. 117. 184.
- Vergleiche meine Ausführungen im Jahrbuch des Instituts VI, 1891, S. 87 [oben S. 292]
und Archäologischer Anzeiger 1891 S. 94 [oben S. 294]. Treu ist neuerdings, Olympia III
S. 136 dieser meiner Auffassung beigetreten; nur zieht er für die jungen Mädchen den Aus-
druck „Lapithenfrauen" vor, der mir weniger passend erscheint; doch ist dies unwesentlich.
312 Her Ostgiebel des olympischen Zeustempels.
nur viel schöner komponierten Eckgruppen des Ostgiebels. Es ist Gesinde, Ge-
folge der Herren, die in der Mitte dargestellt sind.
Wie wir oben schon andeuteten, hat der Künstler den verschiedenen Grundton
im Charakter der beiden Haupthelden je auf ihrer ganzen Giebelseite weiter klingen
lassen. Wir vernehmen ihn noch leise darin, wenn links, auf Pelops' Seite, ein
Mädchen erscheint, voll schlichter bescheidener Anmut und in gefaßter Haltung;
während rechts ein Bursche hockt, in unbekümmert derb sich gehen lassendem
Gebaren. Und selbst von den Jünglingen in der Ecke ist der rechts (P) lebhaft
unruhig, der linke (A) gehalten still.
Eine Folge der durchgeführten Charakteristik in den Figuren und ihren
Haltungen auf beiden Giebelseiten war allerdings, wie wir oben schon andeuteten
(S.428) [oben S. 306], eine gewisse Ungleichheit, indem die linke Seite lockerer,
die rechte voller wurde, eine Ungleichheit, die sich der Künstler aber bei der
sonst festgehaltenen strengen Symmetrie und den gleichen Abständen, die alle
Hauptpunkte von der Mitte zeigten, wohl gestatten durfte.
Die gleichzeitigen Vasenbilder geben uns Hunderte von Beispielen davon,
daß namenlose, wesentlich künstlerischem Bedürfnis entsprungene Figuren als
Rahmen um die durch die Sage gegebenen Helden- und Göttergestalten herum
438 angeordnet werden. Es war eine falsche Richtung unserer Wissenschaft, wenn
man auch da früher überall nach individuellen Namen gesucht hat.
Ich scheide von der Betrachtung des östlichen Giebels in Olympia mit dem
Gefühle der Erleichterung und der Befriedigung. Endlich, glaube ich, ist die
Anordnung gefunden, bei der man sich wird beruhigen dürfen, bei der alle
inneren wie äußeren Momente, alle Grundlagen berücksichtigt sind, welche durch
äußere Indizien wie durch innere künstlerische Forderungen gegeben werden.
Endlich eine Anordnung, die dem Meister des Giebels, mag er geheißen haben,
wie er wolle, alle Ehre macht und uns reine Freude an seinem Werke gestattet.1
1 [Vergleiche die neuesten Arbeiten über den olympischen Ostgiebel von E. Pfuhl,
Archäologisches Jahrbuch 1906 S. 152 ff. Quaatz, Wie sind die Figuren im Ostgiebel des
tempels zu Olympia anzuordnen? Berlin 1908. A. Trendelenburg, Qavraolcu (Berlin
1910) S. 25.]
ZU DEN OLYMPISCHEN SKULPTUREN
(ARCHÄOLOGISCHE STUDIEN HEINRICH BRUNN DARGEBRACHT
AM 20. MÄRZ 1893)
[Tafel 11. 12]
ür die Frage nach der Heimat des Stiles der olympischen Tempel- 69
Skulpturen muß es natürlich von entscheidender Bedeutung sein, wenn
es gelingt, andere lokal fixierbare Skulpturwerke nachzuweisen, die
nicht bloß mehr oder weniger ähnlich — denn das sind ja schließlich die sämt-
lichen Arbeiten derselben Epoche — sondern so gleichartig sind, daß man sie
derselben Künstlergruppe wie jene zuzuweisen genötigt ist.
Ein Werk, das diese Bedingungen zu erfüllen scheint, ist auf der Taf. II [Taf. 11]
nach dem Originale abgebildet. Es ist ein von einem phönikischen Sarkophag
herrührender überlebensgroßer Kopf von parischem Marmor in der ägyptischen
Sammlung des Berliner Museums.1
Schon vor Jahren hatte ich Gelegenheit, die Verwandtschaft, welche diesen
Kopf und andere zu derselben Klasse gehörige Werke mit den olympischen
Skulpturen verbindet, zu erwähnen.2 Seine Schönheit und Bedeutung wird die 70
Veröffentlichung in einer der Ehre des Mannes gewidmeten Schrift wohl recht-
fertigen, der zuerst die Frage nach der Heimat des olympischen Stiles zu be-
antworten unternommen und so beantwortet hat, daß dies neue Denkmal sich
als Bestätigung in den Kreis des Wesentlichen seiner Anschauung einreihen läßt.
Der Kopf schmückte einst das obere Ende eines Sarkophagdeckels. Er ist
in Hochrelief auf demselben ausgearbeitet. An der Unterseite des Deckelrandes
sieht man den Falz,3 mit welchem er auf den Sarkophag selbst aufpaßte. Oben
ist an der Außenseite des Randes eine Bosse stehen geblieben, welche dazu
diente, eine Beschädigung der Skulptur zu verhindern, wenn der Deckel ab-
gehoben oder aufgesetzt wurde.
In dem Sarge muß einst ein vornehmer Phöniker bestattet gewesen sein.
Die an dem Stück hinter den Ohren sichtbare Kürze des vorn ungescheitelten
1 Nr. 2123, von Lepsius erworben, ohne jede Fundangabe; wahrscheinlich stammt
er von der syrischen Küste. Gesichtslänge 22\/s cm; ganze Höhe 40, Breite 45 cm.
2 Archäolog. Zeitung 1882, S. 334 mit Anm. 31.
3 Ein entsprechender Falz des Sarkophags ist sichtbar in der Abbildung bei Perrot
et Chipiez, Hist. de l'art III, S. 187, Fig. 132.
314 ZU DEN OLYMPISCHEN SKULPTUREN.
Haares dafl es ein Mann, ein Jüngling war, der hier lag. Daß er ein
Phöniker war. geht daraus hervor, daß sich die Sarkophage von der Gattung,
. .her unser Fragment gehört, nur in Phönikien und in einigen phönikischen
Kolonialstädten gefunden haben. Sie sind mit Recht von Perrot, welcher die
Gattung zuletzt eingehend besprochen hat,1 als ein charakteristischer speziell
phönikischer Typus bezeichnet worden, der sich im engen Anschlüsse an die
ptischen Mumiensarge gebildet hatte. Nach Perrot kommen solche, wie Renan
bezeichnet hat, „anthropoide" Sarkophage in allen Nekropolen Phönikiens
vor, nur bis jetzt nicht in Tyrus; in Sidon sind sie besonders häufig. Es fanden
sich ferner solche auf Cypern in den phönikischen Städten Kition und Amathus,3
auf Sizilien im Gebiete des phönikischen Solus und, wie es scheint, auch auf
Corsica.8 Die vollkommene Übereinstimmung der vereinzelten an Küstenplätzen
Cyperns und Siziliens gefundenen Exemplare mit den zahlreichen aus Phönikien
selbst macht es sehr wahrscheinlich, daß jene fertig aus den Werkstätten in Syrien
mittels des billigen Seetransportes in die Kolonialstädte verschifft wurden. Das
Material aller dieser steinernen Särge ist weißer griechischer Marmor, und zwar
in allen Fällen, die ich selbst kenne, parischer. So ist auch das Berliner Frag-
71 ment aus schönem parischem Steine gefertigt.4 Nur ein Exemplar aus Tortosa
ist in einem lokalen syrischen, einem rötlichen granit- oder basaltartigen Materiale
gearbeitet' Da der Stil dieses Exemplares mit dem der anderen durchaus überein-
stimmt,* so wird hierdurch bewiesen, daß eben an der syrischen Küste selbst
in diesem Stile gearbeitet worden ist.
Der Stil der menschlichen Gestalten dieser Sarkophage ist aber ein rein
griechischer. Der Typus der Särge als solcher ist aus Ägypten entlehnt; aber
das Figürliche daran ist griechisch ohne fremde Beimischung. Dies sind keine
phönikischen Produkte in Anlehnung an griechischen Stil, sondern hier haben
einfach Griechen im Auftrage für Phöniker gearbeitet. Wie jener andere Fall
aussieht, wenn ein Phöniker nach griechischem Vorbild arbeitete, das lehrt das
1 Perrot et Chipicz, Histoire de l'art 111, S. 177 ff. Von älterer Literatur ist namentlich
Renan, Mission de Phenicie S. 403 ff. Taf. 59. 60. 6,3 und Longperier, Musee Napoleon III,
Text zu Taf. 16. 17 zu vergleichen.
* Cesnola-Stern, Cypern Taf. 2, 3 (Kition) ; S. 57. Cesnola, Atlas of Cypriote antiquities I,
Taf I (Kition), 590 (Amathus).
* Vgl Perrot a. a. O.
1 Von einer leicht bläulichen Qualität, wie sie auch unter den Proben vertreten ist,
ich in den Brüchen von Paros gesammelt habe. Im übrigen sind mir die Kollektion
im Louvrc und die Kxemplare in Palermo in den Originalen bekannt. Der Marmor ist
immer parisch, meist von geringer Qualität.
- ,Lave brune de Safita" nach Renan und Perrot a.a.O. S. 183. Das Stück befindet
uvre, WO es die Nr. 24 trägt.
dem eines Sarkophagl von Sidon bei Perrot S. 178 Fig. 124 nahe. Das
Stück j; ; der älteren Serie seiner Gattung.
ZU DEN OLYMPISCHEN SKULPTUREN. 315
Fragment eines tönernen Sarkophags von Amrit im Louvre;1 es ist eine bar-
barische rohe Nachahmung; der Inhaber des Sargs war wohl ein ärmerer Mann,
für den nur Terrakotta und ein einheimischer Künstler verwendet wurde. Die
vornehmeren Phönikier düngen sich mit ihrem Gelde einen Griechen, der in dem
schönen Marmor von Paros arbeitete. Der kümmerte sich nun freilich in der
Bildung der menschlichen Gestalt nichts um den Phönikier: jene Köpfe sind von
rein griechischem Typus und haben nicht die Spur von Orientalischem; selbst
die Gewandung, wo sie vorkommt, ist durchaus griechisch; ebenso sind es Haar-
und Barttracht fast ausnahmslos.2
Die Zeit dieser Sarkophage ist eine relativ beschränkte;3 sie läßt sich nach
den stilistischen Kriterien — Inschriften fehlen durchaus — ziemlich genau be-
stimmen. Keiner reicht ins 6. Jahrhundert herauf. Erst im 5. Jahrhundert, und
zwar erst in der Zeit nach den Perserkriegen, fangen die von den Griechen
gearbeiteten Sarkophage an.4 Dies erklärt nun auch das stolze Selbstbewußtsein,
das diese Künstler erfüllt. Der Grieche nimmt zwar das phönikische Geld und
bequemt sich dem phönikischen Schema des Mumiensarges an, aber von seinen
eigentlichen künstlerischen Grundsätzen opfert er nichts. So war der Grieche der
älteren Zeit vor den Perserkriegen nicht. Je höher wir heraufgehen, desto be-
scheidener und demütiger ist er dem Orientalen gegenüber. Schon früh wird
sein künstlerisches Geschick vom Oriente ausgenutzt, aber nur allmählich wächst
ihm das Selbstgefühl.6 Auch die Salbgefässe in Form von Aphroditestatuetten,
welche in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts für den Salbenexport von Phöni- 72
kien durch Griechen gefertigt wurden," haben noch einen leicht orientalischen
Beigeschmack, der den Sarkophagen fehlt.
Die ältesten unter diesen sind eben diejenigen, die einen den olympischen
Skulpturen direkt verwandten Stil zeigen. Das schönste und am feinsten aus-
geführte Stück dieser älteren Reihe ist unser Berliner Fragment. Im ganzen
schließen sich diese älteren Sarkophage genauer an das ägyptische Vorbild an,
indem die Köpfe mehr maskenhaft behandelt und allmählich in die tektonische
Deckelform übergeführt sind, was bei den späteren nicht so der Fall ist. Auch
an unserem Stücke dient die Verbreiterung des Kopfes nach hinten dazu, den
Übergang zum Deckelrande zu gewinnen. Es gehört ferner zu dieser älteren Serie
1 Perrot a. a. O. S. 184, Fig. 130.
2 Nur ein Beispiel im Louvre ägyptisiert etwas (Perrot S. 181 Fig. 127); es ist ein
geringeres Werk des 4. Jahrhunderts.
3 Perrot hätte S. 182 f. die Zeitgrenze noch enger stecken dürfen als er es tat.
4 Die ägyptischen Sarkophage des Eschmunazar und Tabnit sind „antiquarisch" aus
Ägypten erworben worden und werden jetzt sehr spät datiert (vgl. Th. Reinach, Gaz. des
beaux-arts 1892, I, S. 99).
5 Vgl. in Roschers Lexikon der Myth. I, S. 1755 ff.
6 Vgl. Arch. Ztg. 1882, S. 334; in Roschers Lexikon I, S. 409, Z. 14 ff. Perrot a. a. O.
S. 201, Fig. 142.
316
Zu DEN OLYMPISCHEN SKULPTUREN.
73
der oben S. 71 [S. 314] genannte Sarkophag von lokal syrischem Materiale;
der Typus des Kopfes ist der olympische; die Haare sind vorn durch parallele
Wellenlinien gegliedert Ein sehr gutes Stück von parischem Marmor, bei
Tortosa gefunden,1 zeigt den olympischen Typus aufs schönste ausgeprägt;
Augen und Mund sind ganz so wie an den
strengeren unter den olympischen Köpfen; die
Haare enden nach vorne in Ringeln wie am
olympischen Apollo, nur sind sie noch etwas
altertümlicher behandelt. Auf die Brust fallen
jederseits zwei Locken herab. Nächstdem ist
der Sarkophag eines bärtigen Mannes aus Sidon
zu nennen.2 Das Auge ist vollkommen so ge-
bildet wie an den strengeren olympischen Giebel-
köpfen, der Bart gleicht völlig dem des „Greises"
im Ostgiebel. Besonders interessant ist dann
der eine der beiden Sarkophage von Solus,3
weil er zum Kopfe die ganze Figur mit Ge-
wand hinzufügt. Hier ist der olympische Stil
nicht nur im Kopfe, sondern ebenso im Gewände
deutlich. Der Stoff ist in genau derselben charak-
teristischen Weise behandelt; die wenig einge-
tieften Faltenkanäle, das Wulstige, Schwere des
Stoffes, die Tracht — der dorische Peplos mit
Überschlag — die charakteristische Falte am
oberen Rande zwischen den Brüsten und der
symmetrische Fall des Überschlags, alles dies
ist uns von den olympischen Figuren ganz
ebenso bekannt. Auch der Sarkophag von
Kition gehört hierher; er ist eine derbe, plumpe
Arbeit; doch zeigen das Ganze und vom Ein-
zelnen besonders Augen und Mund die olym-
pische Manier sehr deutlich.
Auf diese ältere Serie von Sarkophagen folgen dann solche, welche den
jüngeren Stil des 5. Jahrhunderts, den der phidiasischen Epoche, zeigen4 und später
solche, die stilistisch mit den attischen Grabreliefs der ersten Hälfte des 4. Jahr-
4
JggfeMP^
1 Im I.ouvrc Nr. 22; nicht bei Perrot.
1 Im I.ouvrc, Perrot S. 181, lig. 128. Die Abbildung ist stilistisch nicht genügend.
I ill. dclla commiss. in Sicilia 1864, Tai I, 2. Perrot S. 189 Fig. 134. Danach
nd.
rrotS. 180 H^. 126. Auch der von Amatlius gehört liierher; ferner Renan,
ZU DEN OLYMPISCHEN SKULPTUREN. 317
hunderts übereinstimmen.1 Sarkophage, die wesentlich jünger sein müßten, sind
mir nicht bekannt; die ganze Gattung scheint mit der Alexanderepoche aufzuhören.
Das schönste Stück der älteren Serie ist, wie schon bemerkt, das Berliner
Fragment. Die stilistische Übereinstimmung mit den Skulpturen von Olympia
braucht angesichts unserer Tafel kaum hervorgehoben zu werden; sie ist in die
Augen fallend. Wir haben oben über dem Texte einen Kopf aus dem West-
giebel von Olympia zu bequemerer Vergleichung wiedergeben lassen.2 Die ge-
samte Anlage des Kopfes mit dem ansteigenden Schädel, dem charakteristischen
Gesichtsprofile, dem breiten Kinn, der Stellung und Form der großen und weiten
Ohren ist hier wie dort. Die Augen haben dieselben wulstigen stark vor-
springenden Lider, die nur hier etwas schärfer und feiner ausgearbeitet sind als
dort. Nach der Schläfe hin ist dieselbe Erscheinung zu beobachten, die jüngst
Magnus an den olympischen Köpfen treffend beobachtet hat.3 Das obere Lid
erscheint nach der Schläfe zu auffallend breit, weil der vorspringende Wulst noch
nicht angegeben ist, welcher in der Natur zwischen dem temporalen Ende des
Lids und dem oberen Augenhöhlenrande liegt. Der letztere ist etwas flacher
und weniger vorspringend gebildet als in Olympia; dies macht unseren Kopf ein
wenig altertümlicher als die olympischen Skulpturen. Unter den letzteren sind
a auch einige Köpfe — sie gehören alle dem Ostgiebel an4 — , die den zwi-
schen oberem Augenhöhlenrand und Oberlid liegenden Raum nach der Schläfe
zu schon als vortretenden weichen Wulst bilden.5 So gehen die olympischen
Skulpturen zu einem Teile schon über die Stilstufe hinaus, die an unserem Kopfe 74
noch ganz fest gehalten ist. Vergleichen wir weiter, so ist die Stirne und ihre
Begrenzung durch das Haar — man vergleiche den Apollon des Westgiebels —
ganz olympisch. Die Haare sind, wie auch in Olympia mehrfach, nur als Masse
angegeben; diese ist aber hier — und darin zeigt sich die erhöhte Sorgfalt un-
seres Kopfes — fein gekrönelt, um rauh zu erscheinen; das Haar tritt hierdurch
in lebendigen Gegensatz gegen das geglättete Fleisch;6 auch haftete die Farbe,
die wir natürlich hinzudenken müssen, auf dem rauhen Grunde besser; am Ge-
sichte werden nur Einzelheiten gemalt gewesen sein; die gemalten Augensterne
sind noch deutlich zu erkennen. Ganz olympisch sind ferner die charakteristische
1 Ein schönes Beispiel ist das bei Perrot S. 182 Fig. 129; die meisten sind viel
geringere Arbeiten.
2 Mit Erlaubnis des Verlegers aus dem noch nicht erschienenen dritten Bande von
„Olympia" reproduziert. [Vgl. jetzt dort Tat. 27, 1. 2, darnach hier Taf. 11.]
3 Hugo Magnus, Die Darstellung des Auges in der antiken Plastik (1892) S. 63 f.
4 Die drei in pentelischem Marmor ergänzten Figuren des Westgiebels kommen
natürlich nicht in Betracht (vgl. Jahrb. d. Inst. III, 184 ff.; Berliner philol. Wochenschr. 1888,
S. 1514 [oben S. 278]).
5 Besonders der Kopf des „Greises" und der des sitzenden Mannes; weniger gut
(mehr nur in der Mitte) am Kopfe des Önomaos.
6 Vgl. den archaischen Kopf Sammlung Sabouroff Taf. 3. 4.
ZU DIN Ol Y.M1USCHEN SKULPTUREN.
breite starke Nase und der Mund mit den sehr vollen und lebhaft geschwungenen
Lippen nebst dein schon erwähnten breiten Kinn; auch hierzu ist besonders der
i zu vergleichen.
Die Obereinstimmung erstreckt sich aber nicht bloß auf den Stil, sondern
auf die ganze Mache, das Technische und Äusserliche. Man vergleiche nur die
wie die Nasenlöcher gebohrt, wie die Nasenflügel und wie die Rinne von
der Nase zum Munde gebildet sind. Kein Zweifel, wir haben hier wie dort
Arbeiten desselben Künstlerkreises und derselben Werkstatt-Tradition vor uns.
Die Tatsache, die wir hierdurch ermittelt haben, dass die Künstler der olympi-
schen Skulpturen demselben heimatlichen Kreise angehören, wie diejenigen, welche
um dieselbe Zeit im Auftrage von Phönikiern an der syrischen Küste Sarkophage
arbeiteten, klärt uns zwar über jene Heimat selbst noch nicht unmittelbar auf.
Denn die in Phönikien einzelne Aufträge ausführenden Künstler waren dort natür-
lich Fremde. Allein wir sind bei diesen viel eher in der Lage, einen wahr-
scheinlichen Rückschluß auf ihre Heimat zu machen, als bei jenen in Olympia
arbeitenden. In Olympia strömten, wie uns Pausanias' Beschreibung zeigt und
die gemachten Kleinfunde bestätigt haben,1 Künstler und Werke aus dem ganzen
Umkreise antiker Kultur zusammen. Was wir dagegen an griechischen Kunst-
werken der älteren Zeit in Phönikien finden, verrät seine künstlerische Heimat
deutlich: es sind, wie dies auch in der Natur der Verhältnisse liegt, Arbeiten,
die auf die kleinasiatische Küste oder die Inseln weisen, und deren Stil als ionisch
zu bezeichnen ist. So die schon erwähnten für den phönikischen Salbenexport
gefertigten Gefäße in Gestalt der Aphrodite und andere mit ihnen in Stil und
Technik völlig übereinstimmende, sowohl stehende, als thronende Göttinnen
von Terrakotta.2 Gleiche Figuren wurden namentlich auf Rhodos und auch an
der kleinasiatischen Küste gefunden;3 sie wurden aber auch nach dem Westen
75 exportiert.1 Die Qualität des Tones weist auf Ionien als ihre Heimat und damit
stimmt auch der Stil überein. Die in Phönikien und seinen Kolonien häufigen
1 Olympia, Bd. IV, Die Bronzen und die übrigen kleineren Funde, passim.
Vgl die bei Perrot a. a. O. III, S. 64 Fig. 20; 201 Fig. 142; 472 Fig. 344; 473
\'> abgebildeten Beispiele und Longperier, Musee Napol. III Taf. 24, 2. 3; 25, 2.
2 An der ionischen Küste und in Karien. Die Terrakotten von Assos haben andere
Typen.
interessant ist die in den sizilischen Museen zu beobachtende Tatsache,
daß solche ionische Terrakotten nach Sizilien importiert und dann dort nachgeahmt
len sind, z.T. wie es scheint durch direktes Abformen. Der von dem sizilischrn
:k Ton laßt Original und Nachbildung leicht erkennen. Einige Typen
.< i hYkuK, Terr. v. Sizilien S. <J, Fig. 3; S. 12, Fig. 16; S. 18, Fig. 34. Audi
der liegende Mann und der hockende Dämon kommen in dem klcinasiatischcn Tone vor.
it i-t eme original-ionische archaische Terrakotte der Samml. Navarra
in Terranov (inen dickbäuchigen Bogenschützen mit hoher skythischcr Mutze
darstellt. Auch nach Etrurien kamen die ionischen Terrakotten.
ZU DEN OLYMPISCHEN SKULPTUREN. 319
— und von dort auch exportierten — Skarabäen von grünem Jaspis1 sind zu-
weilen sicher von Griechen für Phönikier gemacht; die ionischen Typen lassen
auch hier die Heimat dieser Griechen erkennen.
In unserem Falle können wir indess noch bestimmter urteilen. An den großen
schweren Sarkophagen spielt das Material eine besonders wichtige Rolle. Die
künstlerische Arbeit pflegt sich auf einen menschlichen Kopf zu beschränken;
alles andere ist reine Steinmetzenarbeit. Die meisten dieser Sarkophage sind
denn auch handwerksmäßige geringe Leistungen; unser Berliner Fragment ragt
durch seine feine Ausführung hervor.
Wo wird aber die Heimat dieser Steinmetzen gewesen sein? Gewiß da wo
auch der Stein herkam — also auf Paros. Die Phönikier waren schon zu ge-
wandte Geschäftsleute als daß sie, wenn sie etwas direkt von der Quelle be-
ziehen konnten, sich erst an einen Vermittler gewandt hätten. Sie bestellten
sich vielmehr sicherlich die großen Blöcke, die sie zu ihren Sarkophagen brauchten,
direkt auf Paros. Die Steinmetzen oder Bildhauer, wie man sie nennen will,
begleiteten die Fracht und machten sich, am Bestimmungsorte angekommen, an
die Arbeit nach Weisung des phönikischen Bestellers, und fuhren nach erfolgter
Bezahlung wohl in der Regel wieder nach Hause; ausnahmsweise übernahm es
einer dort, auch in dem ihm fremden Materiale des Landes zu arbeiten.2
Und Genossen dieser selben parischen Bildhauer, die Aufträge in Syrien
annahmen, sind nach Olympia zur Ausschmückung des Zeustempels berufen
worden. Die entwickelten Tatsachen zwingen zu diesem Schlüsse. Doch wird
es uns als Bestätigung willkommen sein, wenn wir auf einem anderen Wege,
unabhängig von dem Bisherigen, zu demselben Resultate gelangen.
Dies ist der Fall durch folgende Erwägung. Die Metopen und Giebelfiguren
bildeten nur einen Teil des Auftrags, der den mit der Ausschmückung des Zeus-
tempels betrauten Künstlern ward; der zugehörige zweite Teil war das Marmor-
dach mit allen seinen Ziegeln, seiner Sima und seiner Menge kolossaler Löwen-
köpfe. Daß dieses Dach von denselben Werkmeistern hergestellt wurde wie
die Skulpturen, geht aus der Übereinstimmung des Haupttypus der Löwenköpfe
der Sima mit dem Kopfe des nemeischen Löwen der Metope hervor.3 Beide 76
Teile, Metopen und Giebel sowie das Dach, bestanden aus parischem Marmor.4
Es war ein ganz gewaltiger Auftrag, der damals von der Tempelbehörde nach
den Brüchen von Paros ging, ein im Peloponnes bis dahin unerhörter Vorgang.
1 Beispiele im Gemmen-Katalog des Britischen Museums Tat. C. [Furtwängler, Antike
Gemmen IIIS. 108 ff.]
2 Vgl. S. 71 [S.314] oben.
8 Wie ich Berliner philol. Wochenschrift 1888, S. 1515 [oben S. 279] betont habe.
Vgl. jetzt Treu und B. Graf in Olympia, Textband II, die Baudenkmäler, S. 24 f.
4 Erst die Ergänzungen des Daches wurden in pentelischem Marmor ausgeführt.
Vgl. Olympia a. a. O. S. 22.
320 Zu DEN OLYMPISCHEN SKULPTUREN.
In Flis gab es überhaupt keine einheimische Kunstschule — wie Überlieferung
und Funde gleichermaßen lehren — jedenfalls keine in Marmorarbeit geübte, da
dies Material bis dahin in Elis kaum zur Anwendung gekommen war. In Argos
blühte die berühmte Schule des Hagelaidas; allein auch hier fehlte jede Praxis
in der .Marmorarbeit; die Leute waren Erzgießer, Künstler von selbständigen
Rundwerken, die dekorativen Steinarbeiten völlig fern standen. Was war natür-
licher, als daß man sich von Olympia aus mit dem Materiale auch gleich die
geübten Werkmeister von Paros kommen ließ, ebenso wie es die phönikischen
Auftraggeber machten. Da tatsächlich, wie wir sahen, auch der rein technische
handwerksmäßige Teil des olympischen Auftrags, das Dach mit der Sima, bei
dem das Material die Hauptsache war, denselben Leuten anvertraut war wie der
mehr künstlerische Teil, so ist jene Annahme die einzig wahrscheinliche: parische
Bildhauer nahmen Materiallieferung und Ausarbeitung des ganzen Marmor-
schmuckes des Zeustempels in Akkord.
Auf den zu dem ursprünglichen Dach gehörigen parischen Ziegeln befinden
sich Buchstaben als Versetzungsmarken,1 die für die Bestimmung der Heimat der
\ 'erfertiger von Wichtigkeit sind. Durch diese wird zunächst, unsere bisherigen
Erwägungen bestätigend, sowohl elischer als argivischer Ursprung mit Bestimmt-
heit ausgeschlossen; elischer dadurch, daß das Alphabet, welches den Buchstaben
E hat, einer anderen Reihe angehört als das in Elis im 5. Jahrhundert herrschende;
Argos wird durch das A ausgeschlossen, indem das Lambda im 5. Jahrhundert
in Argos mit H bezeichnet wurde. Das Alphabet ist, soweit es auf den Ziegeln
vorkommt, ein rein ionisches. Ich glaubte früher, daß hierdurch auch die Ky-
kladen ausgeschlossen würden, indem wir von Paros und seiner Kolonie Thasos
sowie Naxos, Delos und Keos wissen,2 daß man dort in alter Zeit statt B, welches
die Ziegel (und zwar in eckiger Gestalt) bieten, vielmehr C schrieb; allein dieser
Schluß ist nicht aufrecht zu erhalten. Denn alle Beispiele des C für B auf den
77 Inschriften der genannten Inseln gehören in viel ältere Zeit als das Dach des
Zeustempels; sie sind rein archaische, während die Marken des letzteren nichts
von archaischem Charakter mehr haben.3 Es ist höchst wahrscheinlich anzu-
nehmen und jedenfalls bis jetzt durch nichts zu widerlegen — , daß man in
1 Ich habe 1H77 78 dieselben gesammelt und die alten parischen von den ergänzten
pentelischen geschieden. Purgold hat meine Sammlung weitergeführt und hatte die
-, mir von dem Resultate Mitteilung zu machen, das aber nichts Wesentliches hinzu-
brachte; einzelne Buchstaben wie A und f2 fehlen auch nach Purgolds letzter Sammlung
in dem Alphabet der alten Serie. Ks kommen indess auch auf parischen Ziegeln ganz
späte Buchstaben vor; wahrscheinlich sind dies ältere Stücke, die bei späterer Restauration
in anderer Anordnung verwendet wurden. Vgl. die kurze Angabe des Wesentlichen in
Berliner philo!. Wochenschrift 1888, S. 1515 [oben S. 279].
(X A. 400 ff.; Thasos 378 ff. ; Naxos 407 ff.; Keos 393; Delos vgl. Kirchhoff,
Studien '
rl. philol. Wochenschr. a. a. O. [oben S. 278].
ZU DEN OLYMPISCHEN SKULPTUREN. 321
Paros um die Zeit des olympischen Tempelbaues das altmodische C aufgegeben
und das ionische B angenommen hatte; mit dem archaischen Charakter der Schrift
überhaupt wird man auch diesen absonderlichen Buchstaben haben fahren lassen.
Von Keos wenigstens ist uns eine Inschrift erhalten, die lehrt, daß man hier in
der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts nicht mehr C und überhaupt, bis auf einen
besonderen Gebrauch des H, völlig ionisch schrieb.1 Das gleiche dürfen wir
für Paros in der Zeit des olympischen Baues voraussetzen. Die Marken der
parischen Dachziegel bestätigen also unsere bisherigen negativen Resultate über
die Heimat der Künstler des Tempels und stehen dem positiven nicht entgegen.
Wir dürfen es also als hinlänglich gesichert ansehen, daß mit dem Marmor-
schmucke des Zeustempels eine Anzahl parischer Bildhauer und Steinmetzen be-
auftragt worden ist. Die Tradition bei Pausanias, welche Paionios als den Künstler
des Ostgiebels, Alkamenes als den des Westgiebels nennt — für die Metopen
liegt keine Überlieferung vor — kommt hiergegen nicht in Betracht. Sie würde
nur dann für uns Bedeutung haben, wenn sich beweisen oder auch nur wahr-
scheinlich machen ließe, daß sie auf echter Künstlersignatur beruht.2 Da dies
nicht der Fall ist, so treten die schweren Bedenken, die sich gegen sie erheben,
in ihr volles Recht. Alles Sichere, was wir von jenen beiden Künstlern wissen,
weist sie in eine um etwa ein Menschenalter jüngere Periode als den Zeustempel.
Ferner steht die Nachricht, die zwei verschiedene hervorragende und selbständige
Künstler für die beiden Giebel nennt und die Metopen nicht berücksichtigt, im
Widerspruche mit der durch die Funde sich ergebenden Tatsache, daß Giebel,
Metopen und Tempeldach von einer einheitlich geleiteten Werkstatt ausgeführt
worden sind. Endlich ist die Tradition, was Paionios anlangt, offenbar, wie man
längst erkannt hat, nur aus einem Mißverständnis der Nike-Inschrift entstanden;
in dieser rühmt sich aber der Künstler nur des Firstschmucks, nicht der Giebel-
figuren; hätte er letztere gemacht, hätte er sie sicher auch genannt; die nicht
sehr viel jüngere Bauinschrift von Epidauros3 hat es jetzt außer allen Zweifel
gestellt, daß man äxocon'JQia und haiena bestimmt unterschied. Lassen wir den
Paionios als eine schlechte antike Vermutung fallen, so ist es unmethodisch, den
Alkamenes allein aufrecht zu erhalten4 und ihm nun alles zuzuschreiben. Wir
wissen aber Sicheres auch nur von einem Alkamenes, dem Schüler des Phidias, 78
dem Künstler vom Ende des 5. Jahrhunderts, der für den Zeustempel nicht in
Frage kommen kann.6 Die Nachricht des Pausanias, daß Alkamenes ein — un-
1 U. Köhler, Athen. Mitt. I, S. 139 ff.; über die Zeit S. 147. I. G. A. 395. Dittenberger,
Sylloge 468. [2 877. I. G. XII, 5 593.]
2 Vgl. Robert in Deutsche Literaturzeitung 1888, S. 603.
3 'Ecpw. äex- 1886, S. 145 ff. Bull, de corr. hell. 1890, S.590. [I. G. IV, 1484. Jahrb. d. Inst.
XXIV, 1909 S. 186.]
1 Wie schon Kekule, Arch. Ztg. 1883, S. 243 mit Recht betonte.
5 [Anders Glyptothek2 Nr. 200.]
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. 21
322 ZU DEN OLYMPISCHEN SKULPTUREN.
glücklicher • Nebenbuhler des Phidias gewesen sei, die auch bei Plinius an
einer Stelle erscheint,1 ist, wie man bisher nicht bemerkt hat, mir aber offenbar
zu sein scheint,-' nur aus der bekannten Anekdote erschlossen, die über beide
Künstler im Schwange war, wo Alkamenes als der durch die höhere Weisheit
des Phidias besiegte Nebenbuhler im Wettstreite mit einer Athenastatue erscheint.
Die Tradition, daß er den Westgiebel gemacht, ist durch Alkamenes Verhältnis
zu Phidias vollständig zu erklären: man schloß, daß die Umgebung des Künst-
lers des Tempelbildes auch an dem Tempelschmuck beteiligt gewesen sein werde.
Die Tradition des Pausanias kann also gegen unser auf tatsächlichem Boden
erlangtes Resultat nicht aufkommen. Die Künstler der olympischen Skulpturen
bleiben nun zwar namenlos, aber wir haben ihre Heimat und ihre Art erkannt.
Es sind technisch geschickte Leute, die große Aufträge in Marmordekoration
übernahmen.
In der Tat weisen die olympischen Skulpturen ja auch gar nicht auf eine
und noch weniger auf mehrere — eigenartige starke Individualitäten. Sie
sind gewiß nicht Werke einer mächtigen und kühn vordringenden Persönlichkeit.
Sie sind Durchschnittsleistungen ihrer Zeit, sie sind Schul- und Werkstattarbeiten,
nicht solche von Künstlern ersten Ranges. Sie stehen weder geistig noch im
Grade der Ausführung verhältnismäßig höher als ein gutes Vasenbild oder ein
sog. melisches Tonrelief ihrer Epoche. Von dem Ehrgeize, der die Künstler des
äginetischen Tempels und des Parthenon beseelte, findet sich in Olympia keine
Spur. Diese Parier tun keinen Meißelhieb mehr als sie eben kontraktlich zu tun
sich verpflichtet glauben; sie sind befriedigt, wenn die Figuren in der Haupt-
ansicht genügend ausgearbeitet sind; wo sie können sparen sie sich Arbeit; so
namentlich auch an Haaren und Barten. In die Giebelkomposition haben sie
kein neues Prinzip eingeführt; sie folgen dem älteren uns durch die Ägineten
bekannten Typus, der in die Mitte eine ruhig stehende Götterfigur, in die Ecken
liegende Gestalten setzt. Es macht ihrer Erfindungs- und Kompositionsgabe keine
besondere Ehre, wenn sie an die Enden des Westgiebels jederseits in einförmiger
Weise zwei liegende Weiber gesetzt, im Ostgiebel — wie die einzige mit den
Tatsachen vereinbare Aufstellung desselben lehrt3 — jederseits in zwei hinter-
einander befindlichen Figuren ungefähr dasselbe Motiv wiederholt haben. Und
illenthalben stößt man auf Dinge, die sich durch andere Denkmäler der Zeit
eben als typisch nachweisen lassen. Selbst das schöne Motiv des Herakles in
1 Paus. V, 10, 8. Plin. 34, 49 wo Alkamenes als acmulus des Phidias genannt wird.
1 Wie ich demnächst an anderem Orte auszuführen gedenke. [Meisterwerke S. 35.)
1 Jafafb. d. Inst. VI (1891) S. 77 ff. [oben S. 281 ff.]. Aren. Anzeiger 1891, S. 93 f. [oben
•ind meine letzte eingehendere Begründung in Berliner philol. Wochenschrift 1892,
I ff. [oben S. 295 ff.). - - Durch unrichtige Aufstellung verleitet, bat man im
Ri gungen partbenoniseber Kompositionsweise zu verspüren ge-
gjl d ; mit Uni 'Ivmpia gebt nirgends wesentlich über Ägina hinaus, dei Parthenon
aber betritt :<./. neue Halm. [Aegina, Das Heiligtum der Apbaia S. 32(i ff.)
ZU DEN OLYMPISCHEN SKULPTUREN. 323
der Löwenmetope, der ermattet das Haupt auf die Hand stützt, ist nicht etwa
hierfür neu erfunden; der Künstler fand es, wie Skarabäen strengen Stiles lehren,
bereits vor und hat es nur, in nicht sonderlich passender Weise, auf das Löwen-
abenteuer angewendet.1 So sind wir also gar nicht berechtigt, bei den olympi-
schen Skulpturen nach Künstlernamen ersten Ranges zu fragen.
Daß auf Paros ebenso wie auf Naxos seit alter Zeit das Steinmetz- und
Bildhauergewerbe blühte, ist allgemein anerkannt; auch steht es durch einige
Zeugnisse fest, daß schon seit dem 6. Jahrhundert Künstler von dort nach an-
deren Gegenden Griechenlands wanderten. Diese Insulaner waren ja darauf an-
gewiesen, ihren schönen Marmor und ihre Geschicklichkeit weit herum bekannt
zu machen, da sie auf der Insel selbst nicht genug Absatz finden konnten. So
begegnen wir im 6. Jahrhundert dem Parier Aristion in Athen; und Kritonides,
ein anderer Parier dieser Epoche, arbeitete ebenfalls außerhalb des Vaterlandes.2
Die Naxier hat man neuerdings als im 7. und 6. Jahrhundert für den Export sehr
tätige Leute erkannt;3 sie haben zuerst Ziegel von Marmor hergestellt. Noch
im 5. Jahrhundert begegnen wir dem Alxenor von Naxos in Böotien, der sich
mit dem Stolze einer herabgekommenen Größe auf einer Stele lokal böotischen
Materiales verewigte. Der Ruhm des Marmors und der Kunst von Naxos war
damals aber längst von der Nachbarinsel Paros überflügelt.
Auf Paros selbst ist wenigstens ein Denkmal erhalten, das der Stilstufe der
olympischen Skulpturen angehört und große Verwandtschaft mit ihnen wie mit
den parischen Sarkophagen Phönikiens zu haben scheint.4 Es ist die Statue
einer schwebenden Nike, leider ohne Kopf. Der dorische Peplos hat in der
Faltengebung — man beachte namentlich die Anordnung des Überschlags; auch
die Falte am oberen Rande zwischen den Brüsten scheint nicht zu fehlen — und
in der Wiedergabe des schweren Wollstoffes große Verwandtschaft mit Olympia.
Man vergleiche auch das von dem linken gehobenen Oberarm herabfallende Stück
des Peplos mit dem entsprechenden Teile der Hesperide der olympischen Metope.
Der Gegenstand, eine fliegende Nike, war von Archermos bis auf Paionios ein
Problem, an dem sich die ionische Marmorskulptur mit Vorliebe versuchte. Die
parische Nike steht in der Mitte zwischen dem archaischen Typus und dem des
Paionios; sie kann lehren, wie die Nike der Messenier aussehen würde, wenn
sie von dem Künstler des Ostgiebels herrührte. — Noch ein zweites Werk darf 80
hier genannt werden, das wenigstens höchst wahrscheinlich parischen Ursprungs
1 Vgl. in Roschers Lexikon der Mythol. I. S. 2160.
2 Löwy, Inschr. gr. Bildh. Nr. 6 schließt mit Recht aus der Nennung der Heimat,
daß der Mann in der Fremde arbeitete. Nach Paciaudi stammt die Inschrift aus dem
Peloponnes oder dessen Nachbarschaft.
3 Sauer, Athen. Mitt. XVII, S. 37 ff.
4 Ich kenne es leider nur durch Löwy in den Arch. epigr. Mitt. aus Österreich XI,
Taf. 6, 2, S. 162 ff.; zur Zeit meiner Anwesenheit auf Paros scheint es noch nicht aus-
gegraben gewesen zu sein. [Roschers Lexikon der Myth. III S. 333.]
ZU DEN OLYMPISCHEN SKULPTUREN.
die justinianische Stde eines Mädchens in Venedig.1 Sie steht der pari-
schen Nike ebenso nahe wie den olympischen Skulpturen; sie ist nur von un-
gleich feinerer delikaterer Ausführung als letztere. Auch hier ist die Behandlung
wollenen Peplos, die Anordnung des Überschlags, die Falte auf der Brust
• olympisch; dann vergleiche man auch hier die Faltenzüge am linken Arm
mit denen an der Hesperide; man vergleiche die Stellung, die Art wie das ent-
lastete Bein herauskommt, die Führung des Gesichtsprofiles und die Anordnung
1 laares mit der Sphendone; all dies findet sich an den olympischen Skulpturen
völlig gleichartig. Selbst die ruhige feine Stimmung der Stele klingt wenigstens
in der Hesperidenmetope wieder.
Nahe Analogien zu den olympischen Skulpturen bietet auch eine Gattung
von kleineren handwerklichen Denkmälern, die der Kunstübung auf den Kykladen
zuzuschreiben sind, die sog. melischen Reliefs;2 man vergleiche z. B. das Pferd
des Elektrareliefs 3 mit dem Ostgiebel und die alte Amme dort mit den Weibern
des Westgiebels. Die Palmette der Grabstele auf eben diesem Relief kehrt in
ihrer absonderlichen Form in jener Zeit einzig an der venezianischen Stele wieder.4
Mit Recht hat J. Six nach Brunns Vorgang auf die nahe Verwandtschaft hin-
gewiesen, welche zwischen einigen Münzen von Thasos mit dem eine Nymphe
raubenden Silen und dem Westgiebel von Olympia besteht.5 Thasos stand als
Kolonie von Paros mit diesem auch künstlerisch gewiß in engster Beziehung. Ein
auf Thasos gefundener männlicher nackter Torso von parischem Marmor6 gehört
zu den nächsten Verwandten der olympischen Skulpturen; er steht besonders dem
Apollon des Westgiebels nahe.7 Wahrscheinlich ist auch er parische Arbeit.
Es ist ferner in diesem Zusammenhange von Bedeutung, daß der Kopftypus
des Apollon im Westgiebel gerade auf Münzen von Siphnos wiederkehrt8 und
1 Friederichs-Woltcrs, Gipsabg. 241. Samml. Sabouroffl, Skulpturen, Einl. S. 6 Anm.6,
S. 7 (mit Abbild.); hier sind die Gründe entwickelt, weshalb die Stele sicher auf die
ionischen Inseln, höchst wahrscheinlich auf Paros gehört; auch ist auf die Verwandt-
schaft mit Olympia schon hingewiesen; auf die mit der parischen Nike hat Löwy a. a. O.
S. 164 aufmerksam gemacht. [Jetzt in Berlin. Kekule, Die griech. Skulptur S. 175.]
r diese vgl. zuletzt Pottier in Dumont-Chaplain, Ceram. gr. II, S. 226 ff. Über den
ionischen Charakter vgl. Arch. Ztg. 1882, S. 350; Samml. Sabouroff I, Skulpturen, Einl. S. 8.
» Mon. d. Inst. VI, 57. Fröhncr, Coli. Lecuyer Taf. 30.
4 Samml. Sabouroff, Skulpturen, Einl. S. 8.
1 Six im Journ. of Hell. Stud. X, 114. Vgl. Head, Hist. num. S.227; Guide Taf. 12,6;
Gardner, Types Taf. 3, 28. Berliner Catal. II, Taf. 4, 38.
' Im Louvre, Saal des Achill Borghesc, von Miller mitgebracht. Der Tors ist sehr
beschädigt; das linke scheint Standbein gewesen zu sein; der linke Arm war in die
/t 'vgl. den Onomaos), der rechte Oberarm seitwärts horizontal erhoben und
wa: lieh auf I.anzi- od« Szepter gestützt.
7 Auch d : zdgl die dort charakteristische Bildung. Die Pubes fehlt leider.
in HiM. u. phil. Aufsitze I'.. Curtius gew. Taf. III, 1, 2. British Museum, Catal.
27, 11. 1. rbeck, Apollon, Münztaf. II, 1.
ZU DEN OLYMPISCHEN SKULPTUREN. 325
von keinem anderen Orte ein dem olympischen entfernt so ähnlicher Apollokopf 81
bekannt ist.1 Das kleine, aber reiche Siphnos war künstlerisch gewiß von der
Nachbarinsel Paros abhängig;2 schon im 6. Jahrhundert hatten die Siphnier sich
den Marktplatz und das Prytaneion mit parischem Marmor geschmückt,3 den
parische Steinmetzen werden bearbeitet haben. Die Übereinstimmung des siph-
nischen und des olympischen Apollokopfes ist also durch die gemeinsame parische
Herkunft zu erklären.
Endlich seien noch einige zerstreute Denkmäler genannt, die ich wegen der
Übereinstimmung von Stil und Material als parische Arbeiten der Zeit der olym-
pischen Skulpturen betrachten zu dürfen glaube.4 Zunächst drei weibliche Torse
von Xanthos;5 sie tragen den dorischen Peplos mit Überschlag; die Charakte-
risierung des schweren Stoffes, die dicken wulstigen wenig tiefen Falten sind
völlig olympisch. An dem besterhaltenen Torso6 stimmt der Oberkörper völlig
mit der Hesperide von Olympia überein, der Unterkörper — die Rechte faßt das
Gewand an — ist der parischen Nike nah verwandt. Die Küste von Lykien war
eine Station für die parischen Bildhauer, die nach Syrien fuhren; so erklärt sich
das Vorkommen dieser Statuen in Xanthos leicht. Sie hatten vermutlich dekora-
tiven Zweck und gehörten so recht eigentlich in das Gebiet parischer Marmorkunst.7
Auch eine zweite schwebende Nike haben wir zu erwähnen. Sie ward zwar
in Rom gefunden,8 ist aber ein griechisches Originalwerk. Nike ist mit ge-
schlossenen Füssen herabschwebend gedacht; vermutlich war die Figur der First-
schmuck eines Giebels.9 Sie trägt den dorischen Peplos mit Überschlag, dessen
Enden sie — ein echt dekoratives Motiv — mit beiden Händen faßt. Die Arbeit
ist derb und nicht sonderlich sorgfältig, der Stil mit den wulstigen rundlichen
Faltenrücken völlig olympisch. — Noch ein zweites parisches Originalwerk, den
olympischen Skulpturen in Stil und Ausführung völlig gleich, kam in Rom zu
Tage: ein Athenatorso, mit großer schräger Ägis, sonst fast genau der Athena
der Augiasmetope entsprechend;10 sie ist sicher von demselben Künstlerkreise aus-
geführt wie jene.
1 Der von Kolophon, den Weil a. a. O. Nr. 3 abbildet, ist zwar auch verwandt, doch
lange nicht so wie der siphnische.
1 [Vgl. Berl. philol. Wochenschrift 1894 S. 1278.]
3 Herod. III, 57.
4 [Vgl. Ecp. ägX. 1901 S. 144.]
5 A. H. Smith, Catal. of sculpt, British Mus., I 96—98. Der Marmor ist parisch.
6 Ebenda 96.
7 Die das Gewand mit der rechten und die es mit der linken Hand anfaßt (Nr. 96. 98)
waren wahrscheinlich Gegenstücke. Das Motiv ist das alte der Kunst des 6. Jahrhunderts.
8 Befindet sich im Konservatoren-Palast, im Saale der Funde vom Esquilin. Der
Marmor ist parisch. Unterlebensgroß. [Heibig, Führer 2I, 612.]
9 Zu dieser Annahme paßt auch die Art der Verwitterung.
10 Im Museo delle Terme zu Rom, neuerer Fund (Rom. Mitt. 1891, S. 239); parischer
Marmor; der linke Unterarm war vorgestreckt, der rechte gesenkt [Heibig, Führer »II, 1070.
ZU DEN OLYMPISCHEN SKULPTUREN.
Fin Werk dieser Art haben endlich auch die Ausgrabungen von Pergamon
:.' Jas wohl schon vor der Attalidenzeit dahin kam, da es nicht bedeutend
genug erscheint, um zu deren Kunstsammlung gehört zu haben. Es ist ein in
der Art des alten Niketypus lebhaft schreitendes sich umblickendes Mädchen
(leider nur Torso), das mit der Rechten wieder das Gewand anfaßt. Der Über-
schlag des Peplos, an dem auch die Falte am oberen Rande zwischen den
Brüsten nicht fehlt, sowie die ganze Gewandbehandlung stehen den olympischen
Bildwerken nahe. Wahrscheinlich hatte auch diese Statue einst, etwa als First-
chmuck, eine dekorative Bestimmung.
Durch die weite Verbreitung der parischen Werke wird es zu erklären sein,
daß auch in Etrurien bei einigen einheimischen Skulpturen eine nicht zu leugnende
Verwandtschaft mit dem olympischen Stile begegnet. Als Beispiel nenfTe ich
die für ein etruskisches Werk schöne und stattliche Grabgruppe aus Cittä della
Pieve im Museum zu Florenz;2 hier ist namentlich der Kopf der Frau, dann
aber auch die ganze Gewandbehandlung an beiden Figuren Olympia verwandt.3
Wir haben die Heimat der Künstler der olympischen Tempelskulpturen fest-
zustellen gesucht und sie auf Paros gefunden, das in jener Zeit für die dekorative
Marmorarbeit weithin berühmt gewesen sein muß. Eine andere Frage ist nun
aber, wie dieser parische Stil sich gebildet hat, aus welchen Elementen er er-
wachsen ist. Eine vollständige Behandlung derselben würde hier viel zu weit
führen; doch glaube ich andeuten zu sollen, wie ich mir ihre Lösung vorstelle.
Diese parische Kunst ist keine einfache; sie hat Mischungen erfahren. Ihr
Grundstock aber ist als ionisch zu bezeichnen;4 ein Wort das einen weiten und
doch sehr präzisen Begriff in sich schließt, der sich auf eine Fülle von Denk-
mälern gründet. Zu den ionischen Grundeigenschaften gehört vor allem was
Brunn gleich nach dem ersten Bekanntwerden der olympischen Skulpturen5 er-
kannt und festgestellt hat: jene unbefangen natürliche Auffassung, eine Natürlich-
keit, die aber „nicht eine künstlerisch geläuterte ideale, sondern ein Abbild der
ungeschminkten Wirklichkeit" ist; dann jener Naturalismus, der in dem Kahlkopf
mit dem faltigen dicken Bauche und in den alten Weibern zu Tage tritt; ferner
aber auch die Wildheit und das Feuer der Bewegung, die kühne verschlungene
Furtwän^lcr, Meisterwerke S. 27). — Naheverwandt ist auch der Torso Ludovisi, Schreiber,
Villa Ludov. 29; Heibig, Führer '-'II 934, ein griechisches Original von parischem Marmor,
wahrscheinlich auch parischcr Arbeit; interessant ist die realistische Wiedergabe der Naht
an der rechten Seite des Peplos.
•rlin, Pergamonmuseum. Parischcr Marmor. Überlebensgroß. [Altertümer von
■KM VII Taf. I Nr. 20.)
. 1888, Taf. 14; im Musco ctrusco zu Florenz.
Vgl. zum Gewand besonders die sitzende Athcna der Vögcl-Mctope.
Ztg. 1882, S. 36a Preußische Jahrb. LI (1883), S. 378 f. [oben S. 253 ff.)
- Akad. 1877 S. 1 ff., 1878 S. 442 ff. [Kleine Schriften II S. 201 ff.
und 217 If.l
ZU DEN OLYMPISCHEN SKULPTUREN. 327
Gruppenbildung im Westgiebel, und die Typen der Kentauren selbst sowie ihr
„breiter pastoser Vortrag"; bei den aufrecht stehenden Männern die Art des
freien kühnen Auftretens. Andrerseits aber das Weichliche, Unakkurate, Saloppe, 83
aller knappen Präzision Entbehrende, jener Mangel aller „Strenge spezifisch
plastischer Stilisierung"; auch der sog. malerische Faltenstil, der Versuch das
Zufällige in den sich zusammenschiebenden wulstigen Falten wiederzugeben;
und die verwandte Manier der Körperbildung, die sich zum Teil schon mit Haut-
falten abgibt, ohne das Hauptgerüste des Körpers in Biegungen und Streckungen
richtig bilden zu können. Überhaupt die ganze Richtung, die nur auf einen
dekorativen Gesamteffekt zielt und sich mit diesem zufrieden gibt.
Indeß auf diesen Stamm ist ein fremdes Reis gepfropft. Auch dies hat
niemand schärfer und richtiger sogleich nach der Entdeckung empfunden als
Brunn. Der inneren Wahrheit dessen, was er feststellte, konnte es keinen Ein-
trag tun, wenn er, bevor die Originale genauer bekannt waren, einen äußerlichen
Irrtum beging. Er erkannte in der Hesperidenmetope einen von den Giebel-
figuren total verschiedenen Stil und „ein Meisterstück peloponnesischer Skulptur",1
derselben, der er auch eine stehende Frauengestalt des Ostgiebels zuschrieb, deren
Zugehörigkeit zum Giebel damals noch nicht bekannt war.2 In der Tat prägt
sich gerade in diesen Stücken der starke peloponnesische oder genauer argivische
Einfluß deutlich aus, welchen die parische Marmorskulptur jener Epoche in sich
aufgenommen hatte.3 Die Schule für Bronzeguß in Argos hat in der Zeit um 500
für die ruhigstehende menschliche Gestalt Typen geschaffen, die geradezu epoche-
machend waren und deren Einfluß sich in einem großen Umkreise durch die
ganze erste Hälfte des fünften Jahrhunderts verfolgen läßt. Den männlichen
Typus habe ich in einer früheren Abhandlung festzustellen versucht.4 Seine
Einwirkung ist in Olympia namentlich in der Hesperidenmetope an dem Atlas
fühlbar, der ganz wie die Profilansicht einer Statue aus dem Kreise des Hagelaidas
wirkt. Die stehenden Männer der Giebel haben weniger davon; in der Art ihres
freieren kraftvollen Auftretens und in der Wiedergabe der Muskulatur stehen sie
vielmehr dem sog. Omphalos-Apollon nahe, der einen scharfen Gegensatz zu
dem argivischen Ideale bezeichnet.5 Den weiblichen Typus des argivischen
Kreises kennen wir durch zahlreiche peloponnesische Bronzen.6 Er hat auf die
parischen Künstler stark gewirkt. Die ganze dorische Tracht des Gewands und
zum Teil auch der Haare, und dazu jener charakteristische symmetrische Falten-
1 Sitzungsber. d. bayr. Akad. 1877 S. 14.
2 Ebenda S. 16; die Sterope, die erst „Hestia", dann Hippodameia genannt ward.
3 Vgl. 50. Berliner Winckelmannsprogr. (1890) S. 152.
4 50. Berliner Winckelmannsprogr. (1890) S. 125 ff. „Eine argivische Bronze".
6 Vgl. ebenda S. 150 und Athen. Mitt. V, S. 39.
• Z. B. Athen. Mitt. III, Tat. 1, 1; Arch. Ztg. 1881, Tat. 2, 2; Olympia Bd. IV, Die
Bronzen Nr. 56; Bull, de corr. hell. 1891, Taf. 9. 10; die vielen korinthischen Spiegelstützen
des Typus Arch. Ztg. 1879, Taf. 12 u. a.
ZU DEN OLYMPISCHEN SKULPTUREN.
fall, in dem Brunn den Zauber strenger Gesetzmäßigkeit und das Walten eines
mathematischen Prinzips empfand,1 und den wir durch die panschen Künstler
bis eu den pliönikischen Särgen verbreitet fanden, er stammt von dem argivischen
Typus. Hier war er für bronzene Einzelstatuen geschaffen; jene Parier haben
ihn durch ihre dekorativen Marmorarbeiten gleichsam popularisiert. In Olympia
ist seine Wirkung bei allen ruhig aufrechtstehenden Frauen, am reinsten an der
Hesperide zu bemerken. Der malerische ionische Faltenstil der bewegten Gestalten
dieser selben Skulpturen steht in unversöhntem scharfem Gegensatze dazu. Diese
Künstler vermochten nicht das angelernte Fremde mit dem Eigenen ganz zu ver-
schmelzen. Schon hierin zeigt sich, daß sie keine führenden Geister ersten Ranges waren.
Aber auch von dem Geiste der Strenge und des Ernstes und von der reinen
Formenklarheit jener argivischen Schöpfungen ist etwas in die Köpfe der olym-
pischen Figuren übergegangen; auch dies ist im Kopfe des Atlas besonders deut-
lich, den Brunn mit Recht als eine Vorstufe Polyklets bezeichnet hat;2 der Kopf
des „Greises" vom Ostgiebel steht in seinem weichlich ionischen Realismus aber
wieder im vollstem Gegensatze dazu.
Die argivische Beeinflussung ihres Stiles, welche die Parier schon nach Olympia
mitbrachten, mochte hier durch die Eindrücke der Umgebung wohl noch etwas
gesteigert werden. Einen direkten Einfluß der Auftraggeber erkennen wir dagegen
in dem äußerlichen Typus des Herakles, der, entgegen der sonst in jener Zeit herr-
schenden Bildungsweise, ganz absichtlich der altpeloponnesischen Tradition folgt.3
Auch in Athen hat die benachbarte Schule von Argos seit der Zeit um 500
einen mächtigen Einfluß ausgeübt,4 der sich in kleinen wie großen Kunstwerken
zeigt. Da andererseits hier auch die ionische Einwirkung eine starke war, so
müssen wir notwendig den parischen Werken von Olympia sehr verwandten
:heinungen begegnen. Attische Bronzen und Terrakotten, welche den argivi-
schen Einfluß ähnlich wie die olympischen Skulpturen verarbeiten, sind denn
auch nicht selten;6 er ist selbst auf den Vasen zu beobachten;0 aber auch Marmor-
-runn a.a.O. S. 14.
Brunn a. a. O. S. 14.
* VgL in Roschcrs Lexikon der Myth. I, S. 2154, Z. 28 ff.
* VgL auch B. Graf, Athen. Mitt. XV S. 32; 50. Berl. Winckelmannsprogr. (1890) S. 151
Anm. 89.
1 Bronzen: z. B. Athenastatuette des Akropolis-Museums, ohne Kopf; Peplos nach
argivischem Schema [A. de Riddcr II, Nr. 788]. Athena von der Akropolis, in Berlin, Arcli.
Ztg. 1873, Taf. 10. — Terrakotten: einige auf der Akropolis gefundene Statuetten und
Köpfchen; von publizierten vgl. Dumont-Chaplain, Ceram. gr. II, Taf. 4 (Originale in Berlin).
* In der Zeit zwischen den älteren und jüngeren mit „Euphronios" signierten Werken
- durch den argivischen Einfluß — eine bedeutende Umgestaltung in der Profil-
bildung statt, die sich bei allen Malern der Zeit mehr oder weniger deutlich zeigt. Das
Kinn wird bedeutend kräftiger härter und höher, und der Mund liegt nicht mehr drin
»ondern springt vor. Vgl. auch B. Qlif, Athen. Mitt. XV, S. 28 f., der die Erscheinung zu
eng begrenzt.
ZU DEN OLYMPISCHEN SKULPTUREN. 329
werke bekunden ihn. Zwar ein schöner Jünglingskopf von der Akropolis scheint 85
direkt aus Hagelaidas Schule zu stammen;1 aber ein Athenatorso von ebendort
ist ein echt attisches Werk, das den fremden Einfluß ungleich selbständiger als
die Parier es taten verarbeitet. a Andererseits finden wir in Attika auch zuweilen
den weichlichen ionischen Faltenstil sehr ähnlich wie in Olympia (besonders an
einem Relief von Ikaria);3 ja dieser wurde die Basis der phidiasischen Falten-
behandlung am Parthenon.
Die Verwandtschaft der olympischen mit gewissen selinuntischen Skulpturen *
ist dagegen nur eine sehr entfernte. Ja die Kopftypen, die Gewand- und Körper-
bildung zeigen tiefgehende Verschiedenheiten. Jene selinuntischen Werke sind,
wie ihr Stil mir zu beweisen scheint, mit der attischen Schule des Kritios in
engere Verbindung zu bringen; zum parisch-olympischen Stile haben sie keine
nähere Beziehung.5
Wir haben bisher die Zeit der olympischen Skulpturen als feststehend voraus-
gesetzt; und sie ist dies auch wirklich. Doch wird es nicht unnütz sein, hier
im Anschlüsse an das, was ich selbst früher6 und was Dörpfeld7 jüngst darüber
zusammengefaßt hat, die Festigkeit dieser Datierung zu betonen und genauer
zu präzisieren. Der terminus ante quem ist die Schlacht von Tanagra 457 und
die gewiß unmittelbar auf diese folgende Weihung des Schildes auf dem Firste
des Tempels.8 Für den terminus post quem gibt es kein so präzises Datum;
doch wirken verschiedene Gründe zusammen, um auch ihn ziemlich genau zu
bestimmen. Die Tradition über die Stiftung weist nach L. v. Urlichs Vermutung
auf 01.77; allein da derartige Traditionen über den Anlaß der Stiftung von Denk-
mälern unsicher zu sein pflegen, so wäre dies allein nur eine sehr ungenügende
Basis. Wichtiger ist, daß die als Versatzmarken am Baue selbst sowohl,9 wie
die an den parischen Dachziegeln 10 vorkommenden Buchstaben keine Spur mehr
von archaischem Charakter haben, wodurch bewiesen wird, daß der Bau, der
1 'Eqnjfi. dgX. 1888, Taf. 2. Vgl. 50. Berl. Winckelmannsprogr. (1890) S. 141. 148.
151. 144.
2 'E<prni. üqx. 1887, Taf. 8. Den attischen Charakter und die Verschiedenheit von den
olympischen Statuen werde ich an anderem Orte nachweisen. [Meisterwerke S. 36 u. 40.]
3 American Journ. of archaeol. V (1889) Taf. 13; vgl. hierzu außer Olympia auch die
Penelope und die Philis von Thasos.
4 Arch. Ztg. 1883 S. 240 ff. (Kekule).
5 Dagegen ist die von mir im 50. Berl. Winckelmannsprogr. S. 130 und Anm. 22 er-
wähnte hochinteressante Terrakottastatue eines Mädchens in Catania wirklich dem olym-
pischen Stile sehr nahe verwandt.
6 Bronzefunde von Olympia (Abh. Berl. Akad. 1879) S. 5.
7 Olympia, Textband II (Baudenkmäler) S. 20.
8 Purgold in Arch. Ztg. 1882, S. 183. [Olympia V Nr. 253.]
9 Bronzefunde a. a. O. habe ich an einem Geisonblocke ein A notiert; Dörpfeld a. a. O.
fügt noch A und B hinzu. [Vgl. Olympia V Nr. 669.]
10 Vgl. Berl. philol. Wochenschr. 1888, S. 1515 [oben S. 278].
330 ^u DEN OLYMPISCHEN SKULPTUREN.
mit den Skulpturen aus einem Gusse ist, in der unmittelbar vor 457 liegenden
86 Zeit errichtet ward. Die Tatsache, daß das Weihgeschenk des Praxiteles, an dem
ein Sohn und Schüler des Hagelaidas arbeitete,1 und ein Werk des Onatas2 vor
den Beginn des Baues fallen/' stimmt sehr gut hierzu. Bestimmtere Fixierung
■.ittet der Stil der Skulpturen, insofern er nicht mit der jetzt durch die Aus-
grabungen der Akropolis um 480 datierten Stufe der Vasenmalerei, sondern mit
der jüngeren gegen 460 zu setzenden Reihe des sog. älteren schönen Stiles zu-
sammengeht.4 Endlich fällt auch das ins Gewicht, daß an den seit 447 ge-
arbeiteten Metopen des Parthenon sich noch viele Anklänge an den olympischen
Stil finden, ' der also nicht lange hinter ihnen liegt.
Da als Zeit der Skulpturen sonach die unmittelbar vor 457 liegenden Jahre
wir werden wenigstens etwa fünf annehmen müssen — feststehen, so fragen
wir uns schließlich, ob dieselben nicht auch mit den politischen Verhältnissen
der Zeit in Beziehung stehen. Die Weihung des Schildes nach der Schlacht bei
Tanagra als Akroterion des neuen Tempels über dessen Stirnseite beweist, daß
die elischen Behörden damals vollständig den Spartanern, ihrem Einflüsse und
ihrer Macht ergeben waren. Dies wird auch die letzten Jahre vorher nicht anders
gewesen sein. Um 462 61 kapitulierte nach hartnäckigem Kampfe das von den
aufständischen Messeniern und Heloten besetzte Ithome6 und damit war die
schwer gefährdete Macht Spartas über den Peloponnes wieder befestigt; zwar
Argos hatte sich mit Athen verbündet, aber Elis mit Olympia hielt noch fest zu
Sparta. Dies errichtete nach dem Falle von Ithome eine mächtige Kolossalfigur
des Zeus gerade vor dem im vollen Bau begriffenen Tempel Olympias,7 an
1 Löwy. Inschr. gr. Bildh. 30; Zusätze S. XVIII; vgl. Robert, Arch. Märchen S. 97.
(Olympia V Nr. 631.] Daß die doppelte Heimat des Praxiteles durch die Verpflanzung
der Kamarinäer nach Syrakus unter Gelon veranlaßt ward, bleibt doch immer das Wahr-
scheinlichste.
1 Das stolze Epigramm desselben (Paus. V, 15, 10) deutet darauf, daß das Werk nicht
zu den älteren sondern den späteren des Künstlers gehört, der noch 466 für Hieron-
Deinomenes arbeitete.
• Vgl. Arch. Ztg. 1879, S. 44. 151 (oben S. 259. 274]. Daß die Smikythos-Basis, die über
dem Hauschutt liegt, zur Datierung des Tempels nicht sicher verwendbar ist, hat Dörpfeld
a. a. O. S. 21 richtig hemerkt.
Vgl. Athen. MitL V, S. 41. — Natürlich kommen Analogien zu einzelnen Motiven
auch schon im strengen Vasenstile vor (vgl. was Six, Journ. of Hell. Stud. X, S. 114 ff.
anführt); die entscheidenden charakteristischen Elemente aber erscheinen nur im „älteren
-nen"; so die Art der Wiedergabe des Alters. Zu Motiven und Gewandung vgl.
. Monom, d. Inst I, 10; XI, 38/39 (der Herakles); Bull. Napol. n. s. VI, 5, 2 (Gewand-
motiv um das rechte Bein); zum Kentauren-Kampf natürlich Arch. Ztg. 1883, Tat. 17. [Vgl.
Forrwangler-Rdchhold-Hauser, Grlech. Vasenmalerei S. 312.)
dl« Einzelheiten, die ich Preuß. Jahrb. U (1883) S. 377 f. [oben S. 252 ff.] an-
geführt habe; auch B. Graf, Athen. Mitt. XV, S. 34.
D.itum vgl. Busolt, Gricch. Geschichte II, S. 475.
75. [Olympia V Nr. 252.]
ZU DEN OLYMPISCHEN SKULPTUREN. 331
dessen Skulpturen damals gearbeitet worden sein muß. Da könnte Sparta wohl
auch seinen Einfluß auf die Wahl der Gegenstände letzterer gehabt haben.
Dieser Gesichtspunkt scheint mir auf die Erklärung des bisher noch völlig
rätselhaften Westgiebels ein überraschendes Licht zu werfen. Die spartanische
Legende über die erste Ursache der Messenierkriege erzählte bekanntlich,1 daß 87
bei einem Opferfeste in dem Messeniern und Spartanern gemeinsamen Heilig-
tume der Artemis Limnatis die rohen Messenier sich an den anwesenden lakoni-
schen Jungfrauen vergriffen und sie geschändet hätten; die zu Hilfe eilenden
Spartaner und ihr König Teleklos werden getötet. Diese Missetat ward durch
die Messenierkriege gerächt; und wir dürfen hinzusetzen, daß nach der sparta-
nischen religiösen Auffassung ohne Zweifel Apollon es war, der die an seiner
Schwester und an den seinem Schutze befohlenen Lakedämoniern verübte Un-
bill strafen mußte. Sollte nicht der Kentaurenkampf im Westgiebel desjenigen
Tempels, der das gemeinsame Heiligtum aller unter der Vormacht Spartas ver-
einten Peloponnesier war, auf jene Legende und auf die soeben beendeten neuen
Messenierkämpfe Bezug nehmen? Historische Vorgänge durch analoge mythische
zu symbolisieren, war bei den Griechen ja beliebt. Und was stellt der West-
giebel denn dar? v. Wilamowitz hat zweifellos Recht, wenn er die thessalische
Kentauromachie der Lapithen bei der Hochzeit des Peirithoos für ausgeschlossen
und in Olympia unmöglich, also die überlieferte Deutung für falsch hält.'2 In
der Tat ist auch von einer Hochzeit und ihrem Hauptrequisit, einer Braut, keine
Spur zu erkennen;3 wir sehen vielmehr, daß vier gleichartige Weiber, von denen
keine den Brautschleier hat, von Kentauren angefallen werden. Auch von den
Helden, welche den Frauen zu Hilfe eilen, ist keiner als Hauptperson, als Bräutigam,
hervorgehoben. Nur daß die Szene bei einem Opferschmause spielt, wo die geilen
Kentauren plötzlich den Gottesfrieden brechen, ist angedeutet durch das Opfer-
beil in der Hand des einen Helden, auch durch den Opferdiener oder Mund-
schenk, den schönen Knaben, und durch die Pfühle,4 auf denen die alten Weiber,
1 Vgl. Paus. IV, 4, 2; Strabo VI p. 257; Müller, Fragm. hist. II S. 219 (Heraklides);
daraus, daß Ephoros bei Strabo VI p. 279 nur den Tod des Teleklos als die Hauptsache
erwähnt, ist nicht mit Busolt, Gr. Gesch. I, S. 153 zu schließen, daß er die Schändung der
Jungfrauen noch nicht gekannt habe.
2 v. Wilamowitz, Euripides Herakles I S. 305 Anm. 74.
3 Wirkliche Darstellungen der beim Hochzeitsmahle des Peirithoos entbrannten
Kentaurenschlacht der Lapithen hat die ionisch-attische Malerei der ersten Hälfte des
5. Jahrhunderts geschaffen; die attischen Vasen Arch. Ztg. 1883, Taf. 17, 18; Heydemann, Aus
Ober- und Mittelitalien Taf. 3, 1 sowie die Parthenonmetopen (vgl. Sauer im Jahrb. d.
Inst. VI, S. 91) weisen auf größere Gemälde jener Art als Vorbilder. Diese waren natürlich
auch den olympisch-parischen Künstlern bekannt und haben sie sicherlich bei Darstellung
der verwandten Sage beeinflußt.
4 Diese werden dem Einfluß der in der vorigen Anmerkung genannten Hochzeits-
festdarstellungen zuzuschreiben sein (vgl. Arch. Ztg. 1883 Taf. 18); sie paßten ja auch zum
Opferschmause.
ZU DEN OLYMPISCHEN SKULPTUREN.
vermutlich die Aminen der jungen Frauen — vergleiche die Amme hinter Elektra
auf dem „indischen" Relief , liegen. In der Mitte erscheint als der Hort der
Verletzten der Rächer Apoll,1 ohne Zweifel Apollon als Thesmios, d. h. als Schützer
des üottesfriedens des olympischen Festes, als welcher er hoher Verehrung in
88 der Altis genoß. J Genau dieselbe Sage ist nun aber in dem benachbarten Phi-
galia dargestellt.3 Auch hier ist es eine Reihe von Weibern, auf welche die
Kentauren ihre Angriffe machen; daß die Szene bei einem religiösen Feste vor
sich geht, ist durch das Idol einer Göttin angedeutet. Auch hier eilt Apollon,
und mit ihm Artemis, als Rächer herbei. Wir haben es in beiden Fällen offen-
bar mit einer lokalen, später vergessenen und nicht aufgezeichneten Sage aus
der Gegend des Alpheiostales zu tun. Diese aus den Denkmälern rekonstruierte
Sage aber entspricht genau jener Legende vom Messenierkrieg; ja letztere ist
vielleicht erst nach ersterer gebildet worden. Man begreift nun, wie nahe es
lag, diese Kentaurensage mit Anspielung auf die überwundenen Messenier im
Giebel des olympischen Tempels zur Darstellung zu bringen. Dieser sollte
weithin verkünden, daß mit Apollon's Schutze niedergeworfen wird, wer den
Frieden des unter Spartas Führung vereinten Peloponnes zu brechen wagt.
Die parischen Künstler haben den Auftrag aufs lebendigste durchgeführt.
Doch in der eigentümlich starren Gestalt des Apollon in der Mitte, der, den
Kopf scharf wendend, die Rechte wagerecht ausstreckt, die Linke gerade gesenkt
hält, scheint ihnen ein fremdes Vorbild vorgeschwebt zu haben: es ist schwer-
lich zufällig, daß diese Figur ganz übereinstimmt mit der des schützenden Sonnen-
gottes Horus, den die Griechen mit ihrem Apollon identifizierten,4 und des
Ammon auf ägyptischen und diese nachahmenden phönikischen Monumenten,
die den kämpfenden König darstellen.5 Wohl mag einer der in Olympia arbeiten-
den Parier schon in Syrien drüben gewesen sein, um dort einen Sarkophag aus-
zuhauen wie den, von dessen Fragmente unsere Betrachtung ausging; von dort
mag ihm jenes Bild des Horus-Apollon als Schirmers und Rächers im Sinne ge-
blieben sein.
Um aber mit einem anmutigen, freundlichen Werke zu schließen, sei dieser
Epilog einem kleinen Kopfe gewidmet, den ich früher einmal in eine falsche Be-
1 Gegen den letzten verunglückten Versuch von Sauer, die Mittelfigur als Peirithoos
zu deuten (Jahrb. d. Inst. VI, 1891 S. 91 ff.) vgl. was Treu (ebenda S. 108) bemerkte.
Ottfr. Muller, Dörfer »I, S. 254.
1 Worauf schon v. Wilamowitz a. a. O. hinweist.
HerodL II, l ;
IS, Denkm. III, 139a. 183. 184. 186. 195b. c. 204c u. a. Der Gott streckt
dem Konig immer das Sichelschwert hin. Der seit dem neuen Reiche sehr beliebte Typus
ward von den Phonikcrn natürlich nachgeahmt (vgl. die Bronzeschale Cesnola, Salaminia
i |Walters, Catalogue of Hronzcs in the British Mus. Nr. 186; aus dieser Beschreibung
I :dcrhaftigkcit der alteren Zeichnung)).
ZU DEN OLYMPISCHEN SKULPTUREN. 333
Ziehung zu den olympischen Skulpturen gebracht habe,1 und der deshalb hier
seine Stelle finden möge. Ich urteilte damals nur nach der Erinnerung an das
Stück, das ich einmal flüchtig gesehen hatte; dies und die geringe Übung, die
mein Auge damals hatte, mögen meinem Fehler als mildernde Umstände dienen.
Das Köpfchen sah ich zuerst 1878 in Gesellschaft von Lolling und Löschcke 89
auf der Stelle des alten Brauron, wo es kurz vorher gefunden worden war. Später
kam es in Privatbesitz nach Deutschland; Abgüße gibt es in Berlin und nach
einem solchen ist unsere Tafel III [hier Taf. 12] gemacht.2
Das Material ist pentelischer Marmor. Ergänzt sind der größere Teil der
Nase, ein Stück der Oberlippe und der rechten Augenbraue. Der Kopf ist von
einer Statuette von ein Drittel Lebensgröße abgebrochen (die Gesichtslänge beträgt
63 mm, die Kopfhöhe 83 mm). Er ist nach seiner Rechten gewendet; das Haar
an der rechten Nebenseite ist in der Gegend des Ohrs weniger sorgfältig ge-
arbeitet, woraus wohl zu schließen ist, daß der rechte Arm hoch erhoben war.
Es ist ein Knabe dargestellt mit kurzem Lockenhaar und einem Zopfe längs des
Scheitels. Die Ausführung ist nicht allzu sorgfältig, aber von großer Frische
und voll feiner Empfindung. An Hals und Wangen sind einige Raspelspuren
deutlich.
Durch Vergleiche ist es möglich, die Zeit der Ausführung dieses Kopfes
ziemlich genau zu bestimmen. Daß er ein köstliches Originalwerk und zwar
noch des 5. Jahrhunderts ist, sagt der erste Blick. Völlig beweisend dafür ist
der Schnitt der großen Augen, die Bildung der Lider und der Umgebung der-
selben, sowie der Stil des Haares. Dieses hatte mich damals lebhaft an die
Ringellocken des „Greises" im Ostgiebel von Olympia erinnert, und in der Tat
folgt diese Lockenbehandlung auch noch derselben dort in Olympia sichtbaren
Tradition, nur liegt etwa ein Lebensalter zwischen beiden Werken. Denn unser
Köpfchen muß in die Zeit um 420 gehören. Seine nächste Parallele ist der neu-
gefundene eben um diese Zeit datierbare schöne Kopf vom Heraion bei Argos.3
Dieser stellt ein junges Mädchen dar,4 das aber wie unser Knabe vorne auf dem
Scheitel einen Zopf hat;6 hinter der Binde setzt sich dieser indess nicht fort.
Einen ganz gleichartigen Scheitelzopf hat eine der Korai des Erechtheions, die
um dieselbe Zeit zu datieren sind. Auch die stark wellige Behandlung der
Haare ist an den verglichenen Skulpturen analog. Mit dem Kopfe vom Heraion
1 Athen. Mitt. V S. 40 Anm. 1.
2 [Das Original befindet sich jetzt in der Glyptothek Ny-Carlsberg in Kopenhagen.
Arndt, La Glyptotheque Ny-Carlsberg Taf. 64.]
3 Waldstein, Excav. at the Heraion of Argos I, Taf. 4, 5. [The Argive Heraeum I
Taf. 36. Furtwängler, Berl. phil. Wochenschr. 1904 S. 817.] In Abgüssen verbreitet.
4 Natürlich nicht Hera, wie Waldstein will; vielleicht Hebe.
5 Waldstein S. 12 erkennt nicht einmal den Zopf und macht einen unglaublichen
Vergleich mit dem charakteristischen Stirnhaar des polykletischen Doryphorostypus.
ZU DEN Ol VWI'ISCHEN SKULPTUREN.
der lustige noch besonders durch den Sclinitt der Augen, die Bildung der
Lider und der Tränenkarunkel, ferner durch den überaus lieblichen Mund und
das flache Kinngrübchen verbunden. Geringere derbere Werke, die aber den-
selben Stilcharakter tragen und in dieselbe Epoche gehören, sind der eine wohl-
erhaltene Kopf der Nikebalustrade und die Amazonenköpfe des Frieses von
PhigaHa. Unser Köpfchen von Brauron ist neben dem vom Heraion bei weitem
das feinste erhaltene Produkt dieser Stilrichtung.
Wir dürfen diese zweifellos als eine attische bezeichnen. Auch das im
kraion gefundene Stück ist attisch, wie es die meisten der mir bis jetzt be-
kannten Marmorskulpturen von jener Stelle sicherlich sind.1 Die zahlreichen
Fragmente kleinerer Figuren, die schon vor den neuen amerikanischen Aus-
grabungen gefunden sind und vom Schmucke des Tempels herrühren, sind von
pentelischeni Marmor und einer den Skulpturen des Niketempels und Erechtheions
nächst verwandten Arbeit. Auch einige Fragmente von parischem Marmor zeigen
durchaus denselben Stil. J Die Sima des Tempels, ebenfalls von pentelischem
Marmor, steht in der Arbeit der des Apollotempels auf Delos (der wahrscheinlich
in die Zeit gleich nach 425 fällt),3 besonders nahe. Alle diese Skulpturen haben
mit Polyklet und seiner Schule nicht das geringste zu tun.4 Sie sind vielmehr
ein interessanter Beleg dafür, daß man im Peloponnes, wenn es sich um de-
korative Marmorwerke handelte, selbst um 420 noch, ganz wie früher, sich nach
auswärts wandte; und zwar ist jetzt Athen, statt Paros, der Zentralplatz für der-
gleichen geworden. Auch drüben in Phönikien, an den Sarkophagen der Großen
von Sidon, erscheint von nun an nicht mehr lokal parische, sondern attische
Kunst, in welcher die parische aufgegangen ist.
Doch um zu unserem Köpfchen zurückzukehren: wen stellt es dar? Der
Zopf bezeichnet offenbar nur die Jugend des Knaben; er findet sich selten in
so früher Zeit an Knaben; doch kann ich eine Grabstele des 4. Jahrhunderts aus
os nennen, wo ein allein dargestellter stehender Knabe einen ebensolchen
Zopf hat.6 Ich möchte in dem brauronischen Kopfe einen Eros vermuten. Das
schmalwangige feine Gesicht, der Ernst sowohl wie die feine Anmut desselben
und sein Lockenhaar scheinen mir dazu am besten zu passen. Ein Eros wäre
1 VgL was ich früher in den Athen. Mitt. 111 (1878) S. 296 über diese bemerkte;
ic in einem Museum zu Argos aufgestellt worden waren, habe ich sie wieder-
hen und genauer untersucht. Die von den Amerikanern gefundnen Stücke kenne
ich noch nicht.
So die I ragmente einer prachtvollen schwebenden Nike. [The Argive Hcraeum I
:igler, Berl. phil. Wochenschr. 1904 S.813.]
Aren. Zig. 1882, S.363.
1 Was Waldstcin Bb« das Verhältnis des Kopfes zu Polyklet vorbringt ist nichts als
leere Phrase. |The Argive Heraeum 1 S. 162 ff.]
Im .Museum zu Argos Nr. 503, mit der Inschrift Kijtpioödcfot (erwähnt Arch. Anzeiger
G . . 667 abgab. Journ. Hell. Stud. 1890 S. 101.]
ZU DEN OLYMPISCHEN SKULPTUREN. 335
gewiß auch ein der Brauronia, der Göttin der Mädchen und Frauen, genehmes
Weihgeschenk gewesen. Ein bekannter Typus sogenannter melischer Reliefs stellt
eine Göttin mit Rehkalb, also wohl Artemis, in Begleitung von Eros auf einem
von Greifen gezogenen Wagen dar.1 Eros hatte in Phlya einen alten Kult; leicht
mochte eine Frau von dort der benachbarten Brauronia eine Erosstatuette stiften.
Ist unsere Vermutung richtig, so würde das brauronische Köpfchen eine inter-
essante Vorstufe der bekannten Erostypen des 4. Jahrhunderts darstellen. Der
palatinische Erostorso2 zeigt den Rest ähnlicher kurzer Locken wie unser Kopf; 91
der Eros von Centocelle hat den Zopf auf dem Scheitel und ebenso der lysip-
pische Bogenspanner;3 sie folgen dem in dem brauronischen Köpfchen vor-
gebildeten Typus. Dieses ragt indess über alles Spätere hervor durch jenen Reiz
der Strenge und durch jene stille Vornehmheit, welche alle Werke kennzeichnet,
die noch an Phidias Richtung anknüpfen.
1 Mon. d. Inst. I, 18, 1. Bull, de corr. hell. III S. 13. Vgl. Samml. Sabouroff, Vasen
Einl. S. 15f.
2 Roschers Lexikon d. Myth. I, S. 1360.
3 Ebenda S. 1362 f.
BRONZE AUS OLYMPIA
[ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 37, 1879]
(Tafel 15 [= Tafel 10])
|ie auf Tafel 15 [Tafel 10] von mehreren Seiten wiedergegebene Bronze
des Berliner Museums ' wurde nach Aussage des früheren Besitzers in
Olympia gefunden, bevor die deutschen Ausgrabungen dort begonnen
hatten. Diese Angabe wird jetzt bestätigt nicht nur durch die Art der Patinierung
der Bronze, sondern auch durch drei andere ganz ähnliche Figuren, die während
des vierten Ausgrabungsjahres in Olympia zu Tage gekommen sind, [Olympia IV
S. 115 ff. Bronzefunde aus Olympia S. 62], Sie dienten alle als Ansätze an große
Bronzeblechkessel, in der Art, daß der Rand der letztern mit dem oberen Rande
der Flügel und dem unteren des Brustbildes abschnitt, das nun darüber hinaus
nach dem Innern des Kessels blickte. Im Rücken befindet sich eine Öse, offenbar
um das Aufhängen des ganzen Kessels zu ermöglichen. Die Seitenansicht auf
unserer Tafel links zeigt sowohl die Öse, als auch die Lage, in welcher das
Ganze an dem bauchigen Kessel zu denken ist.
Die beschriebene Bestimmung wird über allen Zweifel erhoben durch zwei
weitere Exemplare des vorliegenden Typus, die noch angenagelt an zwei
gegenüberliegenden Stellen eines außerdem mit Greifenköpfen geschmückten
Kessels in jenem großen Grabe von Praeneste sich gefunden haben, dessen
Inhalt in den Mon. dell' Inst. 1876 und 1879 veröffentlicht ist ([X Taf. 31— 33. XI
Taf.2] der Kessel XI Taf. 2, 10).
Nicht weniger interessant ist eine Tatsache, die zu den Fundorten Olympia
und Praeneste das innere Asien gesellt: zwei fernere Exemplare sind in Armenien
gefunden worden, und zwar das eine in der Stadt Wan am gleichnamigen See
(jetzt im Museum zu Konstantinopel).2
Als den sämtlichen acht aufgezählten Stücken gemeinsam ist insbesondere
hervorzuheben, daß Flügel und Schwanz nicht von dem menschlichen Körper,
sondern von einem halbkreisförmigen Bande ausgehen, das durch den leeren
Seitenansicht des Kopfes rechts ist Originalgröße [jetzt ungefähr zwei Drittel];
zwei Drittel [jetzt ungefähr die Hälfte]. Bis auf das Loch in dem Kopfe und
die abgerieben spitze ist die Bronze unversehrt.
' Von dem andern wird der Fundort nicht genauer angegehen. Beide sind nach
- iphien abgebildet im Bull, de l'Academic des scicnccs de St. Petersbourg 1871
'. und besprochen von Brosset Den Hinweis auf diese Publikation verdanke ich
ru Dr. Treu. [Olympia IV s. 117. Fouilles de Delphes V S. 80.)
Bronze aus Olympia. 337
Zwischenraum zu beiden Seiten der Öse noch deutlicher hervortritt. Die Arme
sind immer ausgestreckt und an die Flügel angelegt, gleichsam um dieselben
fest an den Kessel zu drücken; zur Befestigung an den letzteren dienen konstant
drei Nägel durch die Flügel und den Schwanz. Das Brustbild ist immer be-
kleidet mit faltenlos anliegendem Gewände, das in feiner Gravierung mit Zickzack
oder auch Rosetten verziert zu sein pflegt. Ebenso ist in der Regel das Ge-
fieder mit Sorgfalt graviert, wie dies in besonderem Maße an dem vorliegenden
Exemplare geschehen ist.
Gemeinsam ist endlich allen Stücken, bis auf ein noch später zu erwähnen-
des, der Typus des Gesichtes, und gemeinsam, mit Ausnahme von zweien, auch 181
die Haartracht.1 Die starke, etwas gekrümmte Nase, die vollen dicken Lippen
und vor allem die großen, von dicken Wülsten umgebenen und ins Profil ge-
stellten Augen, kurz der ganze Gesichtstypus stimmt überein mit dem der assyri-
schen Kunst eigentümlichen. Ebenso ist die Haartracht im wesentlichen assyrisch;
es fehlt nur die Angabe der kleinen Löckchen am untern Ende der auf die
Schultern fallenden runden Wülste. Nur ein Exemplar (Ausgrabungen von Olym-
pia IV, Taf. 23, 7, [Olympia IV, 783]) zeigt einen Bart; auch dieser ist assyrisch
behandelt, d. h. nicht spitz und vorspringend wie der altgriechische, sondern
unten gerade abgeschnitten und ganz am Körper anliegend, dazu durch Quer-
streifen in drei Etagen gegliedert. Doch nicht nur diese Einzelheiten, zu denen
auch noch das faltenlose verzierte Gewand zu rechnen ist, sondern das Ganze,
die seltsame Kombination der von Mensch und Vogel genommenen Teile ist
assyrischen Ursprungs. Das Original ist nämlich jene in den assyrischen Reliefs
gewöhnliche Darstellungsweise des obersten Gottes „Asshur" als Brustbild inner-
halb eines Kreises, an welchen sich Vogelschwanz und Flügel anschließen (Raw-
linson, Five Great Monarchies 2 II, 4). Die Perser übernahmen dies Emblem für
ihre oberste Gottheit, und so sehen wir es unzählige Male auf persischen Reliefs
und babylonischen und persischen Zylindern.2 Nur eine geringe Umbildung
war nötig, um einen dekorativen Kesseiansatz daraus zu machen: das Brustbild
mußte seine Arme ausbreiten, um die Flügel an den Kessel zu drücken, und
statt des ganzen Kreises ward bloß der untere Halbkreis belassen.
Die Frage, wer diese ebenso einfache als geschickte dekorative Umbildung
gemacht, oder wo die Kessel mit solcher Verzierung fabriziert wurden, kann
vorerst nur sehr unbestimmt beantwortet werden. Obwohl die in Armenien ge-
fundenen Exemplare sowie der oben hervorgehobene speziell assyrische Typus
1 [Vgl. hierzu Furtwängler, Sitzungsber. der K. Bayer. Akademie 1906 S. 473.]
J S. Lajard, Rech, sur le culte de Mithra Taf. 1 ff. Im Gegensatze zur älteren assyri-
schen Darstellungsweise tritt hier das Brustbild meist oben über den Kreis heraus, und
zwischen Flügel und Schwanz werden Vogelbeine oder Bänder eingeschoben. — In
Phönikien kommt es mit der ägyptischen Uräusschlange verbunden vor, s. Renan, Mission
de Phenicie Taf. 9.
99
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. **
Bronze mjs Olympia.
darauf führen würden, die Assyrer selbst als Fabrikanten anzunehmen,1
spricht doch manches dagegen. Schwerlich werden diese selbst eine ihnen
Götterbildung rein dekorativ verwendet haben. Dasselbe gilt für die
Perser, zu welchen indess schon die Zeit nicht passen würde; denn jener Grab-
fund von Palestrina läßt sich kaum unter die erste Hälfte des sechsten Jahr-
hunderts herabdatieren.
Ks muß auch daran erinnert werden, daß wenigstens eines unserer Exemplare
isgrabungen von Olympia IV, Tafel 23, 8, [Olympia IV, 784]) einen Gesichts-
typiis zeigt, der völlig abweicht von dem der übrigen und dem assyrischen,
indem die Nase weit vorspringt und statt gekrümmt zu sein in einen Knollen
endet; an demselben Kopfe ist auch die Tracht der Haare etwas anders, indem
sie unten gerade abgeschnitten erscheinen. Interessanter ist die andere abweichende
1 [aartracht, die an einem der in Armenien gefundenen Exemplare vorkommt.
Die Haare fallen nämlich nach hinten in Gestalt von sechs kurzen, aber dicken
und sorgfältig gedrehten Locken auf die Schultern. Dieselbe Haartracht2 be-
gegnet uns auf assyrischen Reliefs nicht selten, aber niemals an Assyrern selbst,
sondern an ihren Feinden, den Gefangenen, den Gesandten und zwar offenbar
verschiedener umliegender Landschaften.3 Endlich muß erwähnt werden, daß die
Gewandung an einem der Exemplare (dem bärtigen aus Olympia), obwohl falten-
182 los anliegend, doch deutlich in einen Chiton und über die Schultern gelegten
Mantel geschieden ist. Auch dies weist von Assyrien weg.
Die Phöniker waren es ohne Zweifel, welche die in Praeneste gefundenen
Stücke dahin brachten; und wahrscheinlich ist dasselbe für die in Olympia, ja
auch für die in Armenien gefundenen. Ob aber die Phöniker auch als die Ver-
fertiger gelten dürfen, oder ob es nicht vielmehr die zunächst unter assyrischem
Einflüsse stehenden griechischen Ansiedler am östlichen Rande des Mittelmeeres
waren, kann vorerst noch nicht entschieden werden.4
1 Vgl. die tpogjla . . .'AaavQia, welche die Phöniker in ältesten Zeiten nach dem
;cn brachten Herod. I, 1).
J Irrig ist der vom Herausgeber im Bull. a. a. O. gezogene Vergleich mit der Haar-
tracht auf den Münzen der Arsakidcn und ältesten Sassaniden.
1 So in den Reliefs von Khorsabad, welche die in den verschiedensten Gegenden
geführten Kriege des Königs Sargon darstellen; s. Botta, Monum. de Niniveh Taf. 82;
L 19 Ms; 36ff.; 104; 106; 123—129; 131ff.; 31 ff. Aus Koyunjik s. Place, Niniv. et
lAssyr. Taf. 48; 58,2. 4; 60, 3.4; 64—66; fremde Musiker 59, 3. In einigen Fällen scheinen
/icll Babylonier gemeint (Rawlinson, Five Gr. Mon. 2II, 499), wozu ein altägyptisches
RdieJ ml fangen«] zu vergleichen ist (I.eemans, Mon. egypt. ä Lcyde I Taf. 33),
•iner jene Haartracht, die Frauen den Babylon eigentümlichen stufenförmigen
Chiton tragen.
* [An- imeu III S. 6S, 1 und Sitzungsberichte der Bayer. Akademie d. W. 1906
ler Sinope als Ursprungsort angenommen.)
DIE BRONZEFUNDE AUS OLYMPIA UND DEREN
KUNSTGESCHICHTLICHE BEDEUTUNG
(ABHANDLUNGEN DER KGL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU
BERLIN, 1879, PHILOS.-HISTOR. KL., ABH. IV)1
ie folgende Arbeit soll einen kurzen, aber ungefähr vollständigen Über- 3
blick über dasjenige geben, was bis Mitte Juni 1879 an Bronzegegen-
ständen durch die deutschen Ausgrabungen in Olympia zu Tage ge-
kommen ist. Der Verfasser möchte damit den Fachgenossen eine vorläufige
Vorstellung vermitteln von der Art und der historischen Bedeutung einer großen
Menge olympischer Funde, auf welche in den bisherigen Berichten und Publi-
kationen noch kaum Rücksicht genommen werden konnte.
Es lagen bis zu dem erwähnten Zeitpunkte nicht weniger als sieben ein halb
Tausend inventarisierte Bronzegegenstände vor, deren eine Hälfte allein dem
vierten Ausgrabungsjahre verdankt wird. Da mit dem letztern die Ausgrabung
der Altis selbst im wesentlichen beendet war und da ferner fast alle charak-
teristischen Erscheinungen unter den Bronzefunden nicht in vereinzelten Stücken
sondern bereits in einer Fülle von Exemplaren vorliegen, so darf der Versuch
eines Überblickes wenigstens nicht als verfrüht erscheinen.
Über die Art, wie und in welchen Schichten jene Menge von Bronzen ge-
funden wurde, sei vorläufig bemerkt, daß die oberste oder byzantinische und
spätrömische Fundschicht nur wenig und in der Regel Unbedeutendes enthält;
der Fund der großen Bronzetafel des Damokrates (Ausgrabungen von Olympia,2
Bd. I Taf. 21 [V, 39]) in dieser Schicht war eine zufällige Ausnahme. Von dem
ganzen großen Statuenvorrate der Altis, der eben in dieser Schicht liegen müßte,
hat uns jene bronzegierige Spätzeit gar nichts übrig gelassen. Die unteren 4
Schichten hingegen, welche aus den Ablagerungen der klassischen Periode selbst
entstanden sind, enthalten eine Fülle von Bronzen und zwar gewöhnlich in der
1 [Die auf der zugehörigen Tafel abgebildeten Stücke sind im vorliegenden Abdruck
im Text nach dem großen Olympiawerk wiedergegeben, nur 4 a. b. c, die nur schematische
Bilder des Ornamentsystems bieten, müssen nach der ursprünglichen Tafel wiederholt werden.]
2 [Zu den Zitaten dieser älteren Publikation ebenso auch tunlichst zu den nur mit
Inventarnummer angeführten Stücken sind die entsprechenden Verweise auf das endgültige
Olympiawerk durchgehend in eckigen Klammern hinzugefügt, wobei die römische Ziffer
den Band, die arabische die laufende Nummer angibt.]
22*
340 Dn Br NPI aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
untersten Lage das meiste. Offenbar waren diese Gegenstände bereits in alter
Zeit entweder zufällig in den Boden getreten oder als unbrauchbar weggeworfen
worden. Hieraus erklärt sich auch der im allgemeinen schlechte Erhaltungs-
zustand derselben. Die größeren Objekte treten fast nur in einzelnen Fragmenten
auf und ein Bild des Ganzen ist nur durch Kombination zu gewinnen. Ganz
im Gegensatze zu den Funden vollständiger, sorgfältig beigesetzter Gegenstände
in antiken Gräbern, besteht die Masse der Bronzen Olympias eigentlich nur in
den Abfällen der antiken Zeit, in kleinen, damals wertlosen Dingen oder einzelnen
Fragmenten größerer Gegenstände.
Die wichtigsten Rubriken, unter welche sich die gesamten Funde bringen
lassen, sind folgende. Zunächst Geräte aller Art, voran Gefäße, unter welchen
die Dreifüße mit ihren Füßen und Ringhenkeln, sowie die umfänglichen Blech-
kessel mit dem zugehörigen Schmucke weit überwiegen; dann Waffen, Helme,
Schilde, Beinschienen, Teile von Panzern, Lanzen- und Pfeilspitzen; ferner
Schmuckgegenstände, Armringe, Fibeln, Nadeln usw., allerlei kleineres Ge-
räte, auch Gewichte und Masken. Zahlreich sind ferner die Reste von Blech-
verkleidungen, teils durch getriebenes Relief, teils durch Gravierung ge-
schmückt. Von den Statuetten besteht weitaus das meiste in ganz primitiven
rohen Tier- und Menschenbildungen. — Um historische Gruppierung in diese
Funde zu bringen, benutzen wir als erste sichere Basis die Art der Fundschicht
selbst, in welcher sie zu Tage kamen. Diese bietet in der Tat für eine Reihe von
Gegenständen wenigstens einen sicheren terminus ante quem.
Die unterste, an Bronzen sehr reichhaltige Fundschicht, die sich rings um
den Zeustempel erstreckt, befindet sich nämlich unter einer beim Bau des
Tempels selbst aufgeschütteten Schicht, dem sog. Bauschutte desselben; dieselbe
gehört also der Periode vor der Erbauung des Tempels an. Die Zeit der
letzteren läßt sich aber hinreichend genau bestimmen: sie muß zwischen Ol. 75
und 80 fallen. Inwiefern sich dies Datum ergibt (mit Ausschluß ebenso von
5 historischen wie rein architektonischen Gründen), habe ich in der Arch. Zeitung
1879 S. 44 und 151 [oben S. 260 und 274] angedeutet: Die Basis des Weih-
geschenkes des Praxiteles liegt ebenso wie die des Werkes des Onatas noch
unter dem Tempelbauschutte; das Bathron der Anatheme des Smikythos (a. O.
S. 151 [oben S. 274]) befindet sich bereits über demselben. Die Anhäufung der
Schicht des Bauschuttes fällt also in die Zwischenzeit zwischen jene beiden
Gruppenwerke. Nun sind aber die Weihgeschenke des Smikythos sicher später
als OL 78, jedoch kaum viel über Ol. 80 zu setzen, und die Basis des Praxiteles
vohl wie die des Onatas verbieten andererseits Paläographie, historische Ver-
hältnisse (Praxiteles) und Künstlerchronologie (Onatas) viel vor Ol. 75 anzusetzen.
Schon hierdurch wird die Annahme unmöglich, daß der Tempelbau etwa schon
in viel früheren Zeiten begonnen und erst später vollendet worden sei; jetzt er-
kennen wir außerdem am Baue selbst, daß er vollkommen aus einem Gusse ist,
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 341
wie denn auch die Schicht des Bauschuttes eine durchaus einheitliche ist. Be-
stätigung erhält unser Schluß auf den terminus post quem, außerdem zunächst
durch ein Steinmetzzeichen 1 an einem Geisonblocke des Tempels, das die jüngere
Form des Alpha zeigt: 2 A [II, S.20. V, 669], und ferner durch die bekannten Tempel-
skulpturen; denn von diesen müssen wenigstens die Metopen bereits als fertige
Tafeln gleichzeitig mit der Erbauung des Ganzen eingelassen worden sein; da
die Giebelstatuen nicht nur in der gesamten technischen Ausführung, sondern
auch in wesentlichen Stilmerkmalen mit den Metopen übereinstimmen und also
zeitlich nicht viel verschieden sein können, so werden auch sie zugleich mit der
Erbauung des Giebeldaches gemacht sein [vgl. oben S. 319]. Nun läßt sich aber
der Stil dieser Skulpturen über Ol. 80 nicht wesentlich zurückdatieren, wohl aber
läßt er sich als gerade diesem Zeitpunkte zukommend erweisen, was auszuführen
indeß hier nicht der Ort ist.
Vereinigen sich also alle Momente zu der Datierung des Tempelbaues, so
gewinnen wir auch für alle unter dem Bauschutte gefundenen Gegenstände das 6
sichere Resultat, daß sie älter sind als Ol. 80. Ja wir können noch etwas weiter
gehen, indem wir dies letztere allgemeine Resultat auf die, übrigens wenig zahl-
reichen, Objekte beschränken, die zwischen den einzelnen Schichten des Bau-
schuttes gefunden sind, der an einigen Stellen die Stärke von 1 Meter und
darüber erreicht und abwechselnd aus Sand und Porosbrocken besteht. Doch
die Bildung der darunter befindlichen meist tiefschwarz gefärbten Schicht von
0,20— 0,60 Stärke erforderte wohl Jahrhunderte, da sie ohne alle Trümmeranhäufung,
lediglich durch Verwesung organischer Substanzen, entstanden scheint. So ist
es denn überwiegende Wahrscheinlichkeit, daß die in ihr bereits enthaltenen
Gegenstände nicht erst zu allerletzt hereingetreten wurden, sondern den voran-
gegangenen Jahrhunderten ihrer Bildung, also vom 6. Jahrhundert aufwärts bis
zu den Anfängen Olympias angehören.3
Diese unterste schwarze Schicht, mit den zahlreichen Bronzen, ist indess in
einem großen Teile der Altis zu verfolgen; ihre Gleichmäßigkeit und das Fehlen
1 Das einzige sichere das ich am Zeustempel bemerkt. Das Marmordach desselben,
mit sehr zahlreichen von mir gesammelten Versetzungsmarken, scheint, wie eben aus
diesen hervorgeht, erst einige Zeit nach der Erbauung des Tempels zugefügt und ist
später, in römischer Zeit, umfassend restauriert worden. [Vgl. oben S. 278.]
2 Höhe des Buchstabens 0,16.
3 Etwas anders liegen die Verhältnisse in einem sonst verwandten Falle, nämlich
den von Roß unter und in dem Bauschutte des Parthenon an dessen SOEcke ge-
machten Funden (s. Arch. Aufs. I, 104; 138 ff.); bei diesen ist namentlich den bekannten
rotfigurigen Vasenfragmenten (a. O. Taf. 9, 10) gegenüber aufs schärfste zu betonen, daß
dieselben, den Fundumständen nach, keineswegs wie gewöhnlich angenommen wird
(nach dem Vorgange von Roß a. O. 140), vor die Einäscherung der Burg durch die
Perser, sondern nur vor den Beginn des Perikleischen Neubaues fallen müssen, wodurch
sie denn alles Befremdliche verlieren. Vgl. indess Pervanoglu, Bull. d. Inst. 1867, 81, der
spätere Aufschüttung vermutet. [Furtwängler im 50. Berliner Winckelmannsprogramm S. 162.]
342 Die Bs nde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
brocken oder sonstigen Trümmern bieten hinlängliche Gewähr, daß
die Fundstücke aus ihr in der Regel sehr alter Zeit angehören. Es gibt daneben
freilich auch Stellen, die sich als schon im Altertume aufgewühlt erweisen und
daher Gegenstände sehr verschiedener Epochen enthalten. — Nur ein Fundort
sei hier noch besonders erwähnt: Zwischen der Westfront des Metroons und dem
davor befindlichen Altare lag die unterste tiefschwarze Schicht mit einer Unzahl
kleiner Votivgegenstände, nicht weniger als 1 Meter tiefer als die Unterkante
der Fundamente des Metroons; sie muß beträchtlich älter sein als der Bau dieses
Tempels; denn über ihr, doch immer noch tiefer als die Fundamente des letzteren,
lag zwischen dem gelben Sande noch eine zweite Humusschicht mit Votivgegen-
•.anden. Der Bau des Metroons scheint freilich seinen architektonischen Formen
nach kaum mehr ins 5. Jahrhundert zu gehören.1
Außer den besprochenen Fundumständen benützen wir als Basis für die
historische Betrachtung unserer Bronzen, die Vergleichung der ungefähr datier-
baren verwandten Funde anderer Orte.
Hier tritt uns vor allem die Tatsache entgegen, daß Reste derjenigen Kultur,
die wir sonst in Griechenland als die älteste kennen und die ich der Kürze
halber nach ihrem Hauptfundorte die „mykenische" nennen will, in Olympia
vollständig fehlen. Wir finden keine steinernen Geräte, keinen Obsidian, keinen
Bernstein, vor allem aber keine der verschiedenen Gattungen der so charak-
teristischen „mykenischen" Vasen fragmente, die an den alten Kulturstätten des
östlichen Griechenlands, Böotiens und der Inseln fast nirgends zu fehlen scheinen
und dort auch außer Gräbern zahlreich vorkommen.2 Noch wichtiger ist indess,
daß überhaupt die in den „mykenischen" Altertümern herrschenden Dekorations-
systeme in den olympischen Funden nicht vertreten sind.
Dagegen lassen sich in den ältesten Bronzen Olympias genau diejenigen
Dekorationssysteme erkennen, welche als die unmittelbar auf die „mykenischen"
folgenden nachgewiesen werden können. Der Nachweis dieses Satzes wird
uns im folgenden beschäftigen.
Die hierher gehörigen Bronzen zerfallen sofort in zwei scharf geschiedene
Gruppen, von denen die eine ausschließlich geometrisch lineare, die andere vor-
wiegend pflanzliche und sogenannte orientalische Tiermotive verwendet. Wir
betrachten zunächst die erste Gruppe.
Bei der Untersuchung über die „geometrische" Dekorationsweise in
Olympia gehen wir von der Überzeugung aus, daß man zu sicheren Resultaten
nur gelangen wird, wenn man bestimmte, an bestimmten Orten zu verfolgende
h auch unter den Fundamenten des viel älteren Heraions zieht sich eine erst
ganz neuerdings (im 5. Jahre) entdeckte Schicht mit Votivgcgenständcn hin. [Olympia IV S. 2.
ber. (1. bayer. Akad. d. W. 1906 S. 467.)
langen hierüber wird die von G. Löschcke und mir vorbereitete
.;abe .mykenisdicr ToageOfic enthalten. [Mykenische Vasen, 1886.]
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 343
Systeme derselben unterscheidet. Nur wo ein ausgesprochenes System nicht
nur in den ihm speziell eigentümlichen Elementen, sondern auch in deren be-
sonderer Zusammensetzung sich an mehreren Orten wiederfindet, darf eine Über- 8
tragung angenommen werden. Das genaue Konstatieren des Vorkommens und
der Verbreitung jeglichen Systems ist natürlich Grundbedingung.1
Das älteste auf griechischem Boden vorhandene geometrische System ist
in derjenigen Gruppe ältester „mykenischer" Tongefäße enthalten, welche sich
namentlich in den Gräbern der mykenischen Akropolis fand und sich matter
Farben bedient;2 eine wichtige Eigentümlichkeit desselben ist, daß es zwar die
Spirale liebt, aber die konzentrischen Kreise nicht verwendet.
Die so zahreichen cyprischen Vasen repräsentieren hauptsächlich zwei
geometrische Systeme, von denen das eine, einfachere, durch die gravierten Ge-
fäße, das andere durch die mit matter Farbe bemalten vertreten ist. Das letztere
liebt namentlich die konzentrischen Kreise, verbindet sie jedoch nicht durch
Tangenten. Das hohe Alter dieser cyprischen Gattung geht daraus hervor, daß
ein Exemplar derselben in den unter Bimsstein vergrabenen uralten Nieder-
lassungen auf Santorin gefunden wurde3 und zwar mit anderen Gefäßen, von
denen wenigstens ein Teil4 aus denselben Fabriken stammt wie die ältesten
mykenischen Vasen, d. h. die der Gräber der Burg. Ein indess offenbar späteres
Exemplar dieser selben cyprischen Gattung läßt durch die eingebrannte phöni-
kische Inschrift5 schließen, daß die Fabrikation derselben in den Händen der
Phöniker auf Cypern war.
Ein anderes geometrisches System erscheint auf einer (seltenen) Gattung
von Gefäßen aus Böotien,6 welche dort unmittelbar auf die „mykenische" zu
folgen scheint; wieder ein anderes auf einer alten Vasenklasse aus Apulien,
die namentlich in der Technik der cyprischen nahe steht, doch in Formen und 9
Dekoration einen durchaus eigenen Charakter trägt.7 — Bekannt ist endlich das
1 Diese Forderungen wurden schon von Conze in seinen grundlegenden Aufsätzen
Zur Gesch. d. Anfänge gr. Kunst, Wien 1870 und 1873, gestellt. [Furtwängler, Sitzungsber. der
K. Bayer. Akademie 1906 S. 480.]
2 Siehe MykenischeTongefäße, herausgegeben von A.Furtwängl er und G.Löschcke.
1879. S. 2 und die Nr. 1-7, 13, 16—18, 20, 24-27, 36, 47, 51-54.
3 Abgebildet bei Fouque, Santorin et ses eruptions. Paris 1879. Taf. 42, 6. Zu ver-
gleichen mit Archaeologia 45, I, Taf. 10, 2 aus Cypern.
4 Die hierher gehörigen, noch nirgends veröffentlichten Stücke befinden sich in der
Sammlung der Ecole Francaise zu Athen. [Vgl. Myken. Vasen S. 18.]
5 Cesnola-Stern, Cypern Taf. V, 2.
6 Exemplare in Athen und Karlsruhe; unpubliziert. [Arch. Jahrbuch 1888 S. 325.]
7 Die Gattung ist nicht häufig, doch sind einzelne (bisher unbeachtete) Exemplare in
den meisten Museen. [Berlin Nr. 248 ff. Rom. Mitt. 1897 S. 201. 1899 S. 13. 1904 S. 276.
1908 S. 167.] Aus ihr entwickelt sich mit Beibehaltung derselben Technik eine spätere
Gruppe, die zu den geometrischen auch Palmettenmotive aufnimmt und nicht älter als das
ö.Jahrh. sein kann; diese Gruppe ist es offenbar, die Fr. Lenormant in einem Reise-
; Da Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
in den nordi tauschen gravierten und gepreßten Tongefäßen (namentlich aus
den alten Nekropolen bei Chilis] und Bologna) herrschende System; ebenso wie
ä freilich sehr ärmliche der gravierten Tongegenstände aus Troja.
soll hiermit indess keineswegs behauptet werden, daß diese Systeme alle
völlig spontan entstanden wären; daß dieselben zum Teil von einander abhängen,
ist sehr wahrscheinlich, wenn auch schwer zu beweisen. Es soll nur das Vor-
handensein tatsächlich ganz verschieden entwickelter Systeme geometrischer
Dekoration konstatiert werden.
Das innerhalb Griechenlands weitaus bedeutendste dieser Systeme tritt uns
indess in jener stattlichen Vasengattung entgegen, welche durch die Publikationen
Conzes(Zur Gesch. der Anfänge griech. Kunst. 1870 — 73) und Hirschfelds (Mon.
d. Inst. IX Taf. 39. 40. Ann. d. Inst. 1872 S. 131) einigermaßen zugänglich gemacht ist
und die wir nach einem Hauptfundorte „Dipylon-Vasen" nennen wollen. Eines der
am meisten charakteristischen Elemente dieses Systems, das wir in keinem der anderen
bisher genannten wiederfinden, sind nun konzentrische, mit einem Zentralpunkte
versehene Kreise, welche unter sich durch Tangenten zu fortlaufenden Reihen ver-
bunden sind, die wohl zu unterscheiden sind von der Spirale, welche hier gar keine
Verwendung findet. Genau dasselbe Motiv, verbunden mit den dort ebenfalls
gewöhnlichen Zickzackreihen, ist aber das Hauptelement der im folgenden zu be-
sprechenden olympischen Bronzedekoration, die demnach demselben Systeme wie
jene Vasen angehört. Der Ursprung jenes Motivs der Kreise lag wahrscheinlich
in der Gravierung knöcherner Gegenstände; in dieser waren an allen Orten und
durch alle Jahrhunderte hindurch konzentrische Kreise mit Zentralpunkt besonders
10 beliebt; so sind denn auch die ältesten Beispiele, welche dieselben bereits durch
Tangenten zu einer Reihe verbunden zeigen, zwei Elfenbeinbänder, von denen
das eine im Grabe bei Spata (Bull, de corr. hell. 1878 Taf. 13, 1), das andere in
der derselben jüngeren „mykenischen" Epoche angehörigen Tholos bei Menidi J
gefunden wurde. Die olympische Bronzedekoration setzt indess nicht nur diese
bescheidenen Anfänge, sondern, wie die mit jenem verbundenen übrigen Motive
und auch die zu besprechenden Tierbildungen zeigen, das voll entwickelte System
>raus, wie es die genannte Vasengruppe enthält.
Diese ist jedoch, wie sich aus den Tatsachen der Funde mit Sicherheit
ergibt, jünger als die Blüte der „mykenischen" Vasenmalerei, der sie indess
unmittelbar gefolgt zu sein scheint.- Damit erhalten auch die jetzt im einzelnen
zu nennenden olympischen Bronzen ihre allgemeine historische Stellung.
chtc aus Apulien erwlhnt als in Canosa in denselben Gräbern mit schwarz- und rot-
rigen griechischen Vasen gefunden (Academy, Jan. 3, 1880 S. 14 [Gazette arch. 1881
7. Pottler, Catalogue des vases antiques II S. 372 ff.]; eine ähnliche die
ebend • alabrlen erwähnte). [Vgl. Rom. Mltt. 1910 S. 168.)
1 [Kuppelgrab bei Menldl Taf. 6, 15.]
■ wird die erwähnte vorbereitete Publikation von G. Löschcke und mir
da1
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 345
Am deutlichsten tritt die besprochene Dekoration in einer großen Anzahl von
1 — 2 Millimeter starken und 4 — 10 Centimeter breiten Bronzestreifen zu Tage,
welche in sorgfältiger Gravierung jene Kreise durch Tangenten verbunden
zeigen. Umsäumt werden diese Reihen gewöhnlich durch kleine runde Zäckchen
oder ein ganz einfaches Flechtmotiv. Die gewöhnlichste und einfachste Gattung
dieser Streifen hat sich ganz identisch wie in Olympia so in Dodona gefunden
(Carapanos, Dodone Taf. 49, 16. 17. 18. 21), während sie mir von anderen Orten
nicht bekannt sind. Die reicheren, von denen Fig. 1 [= IV Taf. 31 Nr. 589] ein
Beispiel gibt, zeigen mehrere Reihen von Kreisen durch Zickzackmotive getrennt.
Seltener sind Modifikationen, wie die, daß zwei sich kreuzende Tangenten die
Kreise verbinden [IV, 585], oder kleinere Kreise mit ihren Tangenten die Haupt-
reihe schräg durchschneiden (z. B. Inv. Nr. 4634 [IV, 602]), oder der Saum als
kleine liegende Dreiecke
(Inv. Nr. 2511 [IV, 619]),
oder einer Blattreihe ähn-
lich (Inv. Nr. 6247) * ge-
bildet ist. Ganz vereinzelt
steht das schöne, unter
Fig.2[=IVTaf.32Nr.621]
abgebildete Stück, wo die
großen Kreise durch Drei-
ecke verbunden und von
strengen Rosetten gefüllt
sind, die übrigens schon
in den ältesten mykenischen
Vasen erscheinen und auch
unserer geometrischen Dekoration nicht ganz fremd sind (vgl. Mon. d. Inst. IX, 39; 11
Conze, Zur Gesch. der Anfänge griech. Kunst, 1870, Taf. 9, 2; Schliemann,
Mykenae Taf. 21 Nr. 203, von „Dipylon-Vasen").
Die Verwendung dieser gravierten Streifen wird uns leider durch kein voll-
ständig erhaltenes Ensemble klar. Offenbar dienten sie indess im allgemeinen
als Beschlag und Verkleidung an größeren Geräten; sie erreichen manchmal
eine Länge bis gegen einen Meter. Die breiteren pflegen entweder am Rande
oder mitten im Ornamente (s. Fig. 1) in regelmäßigen Abständen sorgfältig
gebohrte Nagellöcher zu haben; andere zeigen an der einen Seite einen über-
greifenden Rand, dienten also als Randbeschlag (z.B. Inv. Nr. 2511 [IV, 619]).
Von den schmäleren Streifen haben viele an der einen Seite ganz kleine, regel-
mäßig wiederkehrende Ansätze, die wahrscheinlich bestimmt waren, den in eine
Holzplatte eingelegten Streifen darin festzuhalten. Eine Verwendung dieser
1 [Inv. 6247 ist = IV, 589 = Fig. 1, kann also mit Recht hier nicht genannt sein. Es
ist wohl Inv. 6925 = IV, 620 gemeint.]
Fig. 1.
us Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
Streifen etwa zu Gürteln oder dergl. ist wegen ihrer Dicke unmöglich; daß ein
: derselben wahrscheinlich zu Dreifüßen gehörte, werden wir weiter
unten sehen.
Da sich diese schönen und starken Bronzestreifen für mancherlei Verwendung
wohl eignen, so erklärt es sich, daß man nicht selten Spuren einer doppelten
Benutzung findet. In der Regel charakterisiert sich die spätere Verwendung da-
durch, daß die Stücke umgedreht und von der un verzierten Rückseite aus
von plumpen, teilweise viereckigen Nägeln durchschlagen sind. Das Interessante
dabei ist, daß dies keineswegs bloß in späterer Zeit; sondern nachweislich schon
in sehr alter geschah; denn ich selbst konnte dies an zweien unter dem Bau-
schutte des Zeustempels ausgegrabenen Stücken konstatieren (Inv. Nr. 4334 und
4719), gewiß der beste Beweis für das hohe Alter derselben. — Auch zerschnitt
Fig. 2.
man jene Streifen in Stücke; so kommen kleine achteckige Ausschnitte aus den-
selben vor, die von großen Nagellöchern durchbohrt sind und offenbar nur diesen
Nigeln als eine Art Nagelkopf dienten (Inv. Nr. 2124. 5084 [IV, 611]), ja einmal
(Inv. Nr. 6026 [IV, 680]) sind zwei kleine geometrisch dekorierte Ausschnitte mit
einem Nagel zu einem Runde vereinigt.
Hauptsächlich interessant sind indess einige dieser Bronzestreifen, die auf der
einen Seite jene geometrischen Ornamente, auf der anderen aber alte In-
chriften zeigen. Es sind bisher drei Stücke bekannt, von denen jedes eine
besondere Beurteilung verlangt. In dem einen (Arch. Ztg. 1877 S. 48, Inschr.
aus Olympia Nr. 56 [V, 5]) ist von der Ornamentseite aus eines jener plumpen,
rohen, viereckigen Nagellöcher eingeschlagen, die wir als Zeichen späterer Ver-
wendung erkannt haben; ohne Zweifel ist das Loch nicht nur später als die In-
schrift, sondern auch später als die Ornamente. Anders ist es mit Arch. Ztg.
141, Nr. 185 [V, 8]; denn hier ist das Loch klein, rund, sorgiältig ge-
bohrt und völlig übereinstimmend mit den obwohl ebenfalls mitten im Zickzack-
ornament angebrachten, doch ohne Zweifel ursprünglichen Nagellöchern der
1 abgebildeten Platte; dagegen wird die Inschrift offenbar ein wenig verletzt.
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 347
Noch deutlicher wird uns das hieraus zu ziehende Resultat durch Arch. Ztg.
1879 S. 47, Nr. 223 [V, 3]; denn hier kann bei genauer Untersuchung kein
Zweifel sein, daß das hier ebenfalls kleine, runde, sorgfältige Loch von der
Ornamentseite eingebohrt ist und daß die Inschrift durch dasselbe etwas ver-
letzt wird. Also war die Inschrift bereits vorhanden, als die Rückseite mit Orna-
menten versehen wurde, mit denen das Loch gleichzeitig ist. Die Inschriften
sind also in beiden letzteren Fällen älter als die Ornamente.1 Leider läßt sich
die Zeit dieser Inschriften nicht genauer bestimmen, obwohl sie wahrscheinlich
ins sechste Jahrhundert gehören; ebensowenig ist uns die Zeit bekannt, nach
welcher derartige Urkunden in Olympia kassiert werden konnten. Doch wenn
wir auch letztere Frist in Anbetracht des im allgemeinen nicht zu bezweifelnden
hohen Alters jener geometrisch verzierten Streifen uns als eine möglichst kurze
denken wollen, so ginge aus jener Tatsache doch immer hervor, daß diese
Dekoration in Olympia mindestens noch zu Ende des sechsten oder Anfang des
fünften Jahrhunderts üblich war, was auch keinerlei Bedenken haben würde; ja
wir würden ein noch längeres lokales Fortdauern dieser für die Technik des
Gravierens auf Bronze so ungemein geeigneten Dekorationsweise für sehr möglich
halten, doch erweisen läßt es sich nicht.
Eine der hervorragendsten Stellen unter den Bronzefunden von Olympia
nehmen indess die außerordentlich zahlreichen Stücke von Dreifüßen ein, die
ich hier anschließe, weil ihre Dekoration vollständig auf demselben geometrischen 13
System beruht wie die der eben besprochenen gravierten Streifen und Platten
[IV S. 72 ff.].
Es ist hier natürlich nur von der Gattung der äva&rjfiartHol rgmodeg die
Rede. Bekanntlich waren solche Dreifüße, die keinerlei praktischem Zwecke
dienten, ein in der älteren Zeit ungemein beliebtes und angesehenes Weihgeschenk
in allen Heiligtümern des Apollon, vor allem aber des delphischen und ismeni-
schen, und des Dionysos; ja im attischen Kulte des letzteren erhielt es sich auch
bis in spätrömische Zeit. Doch Dreifüße, und zwar in großer Anzahl, in der
olympischen Altis zu finden, muß in der Tat zunächst auffallend erscheinen.
Hat doch K. O. Müller (Kunstarchäol. Werke I, 50) sie auf Grund der Über-
lieferung nur dem Apollon und Dionysos als heilig zuerkannt; freilich verwirft
er dabei mit Unrecht das einzige Zeugnis, wo Dreifüße dem Zeus geweiht vor-
kommen, nämlich den bei Pausan. IV, 12, 7 erhaltenen pythischen Orakelspruch,
der dem Zeus Ithomatas 100 Dreifüße2 zu weihen befiehlt (im zweiten messeni-
schen Kriege). Auf dem Ithome selbst fand ich eine große Dreifußbasis ein-
1 Hiernach sind meine Bemerkungen in der Arch. Ztg. 1879, S. 47 zu Nr. 223 zu be-
richtigen. [Vgl. dagegen Olympia IV, 591.]
2 Es ist gar kein Grund vorhanden, mit Müller mensas tripedes statt der gewöhn-
lichen Weihedreifüße zu verstehen; Dreifüße aus Ton sind schon unter den mykenischen
Gefäßen sehr häufig.
- Mi Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
mauert Auch die tönenden Dreifüße im dodonäischen Heiligtum darf man
heiziehen (Carapanos, Dodone S. 166 Anm. 6).1 Die olympischen Dreifüße er-
halten Indess ihre Erklärung ohne Zweifel durch das in Olympia offenbar nicht
unbedeutende Orakel aus den Opferticren; nach Strabo (VIII, 353) verdankte
mpia seine Bedeutung zuerst nur diesem fjuxvxeiov] mit Unrecht läßt er das-
delbe darauf eingehen, denn noch zur Zeit der Perserkriege zählte es mit unter
die hervorragenderen Orakelstätten Griechenlands (Herod. VIII, 134 ff.); daß es
noch in der Kaiserzeit bestand, zeigen die in den inschriftlichen Priesterverzeich-
nissen immer aufgeführten pdvtetg aus den alten Geschlechtern der Iamiden und
Klytiaden. Die Dreifüße standen aber immer in Beziehung zu Orakel und Weis-
l-l sagung; so ohne Zweifel auch in Olympia. — Dieselben wurden hier indess nur
in älterer Zeit, etwa bis zum fünften Jahrhundert herab, geweiht; dies ergibt
sich zunächst daraus, daß trotz der Fülle der erhaltenen Stücke nur ein einziger
Dreifußtypus in Olympia vorhanden ist, der seine Dekoration dem oben be-
sprochenen geometrischen Systeme entlehnt. Ferner weisen die Fundumstände
durchaus auf ein hohes Alter hin. Es ist uns jener eine Dreifußtypus in Olympia
nämlich in zwei Arten erhalten: in ganz kleinen, aber vollständigen Exemplaren
aus Blech; diese werden nur in der untersten Schicht gefunden; sie traten
namentlich auf bei den Fundamenten des Altares an der Südseite des Heraions
und dann in der oben erwähnten tiefsten Schicht beim Altare vor der Westfront
des iMetroons; endlich auch unter dem Bauschutte des Zeustempels. Die zweite
häufigere Art sind die einzelnen Stücke der großen Dreifüße; sie kommen überall
zerstreut in der Altis vor; doch auch bei ihnen konnte ich von einer Reihe von
Stücken konstatieren, daß sie in den untersten Schichten, einige auch unter dem
Bauschutte des Zeustempels gefunden wurden, also schon in sehr alter Zeit
bereits zerstört sein mußten.
Zu dem höheren Alter stimmt endlich auch die Technik insofern, als sämt-
liche Teile nur durch Nägel verbunden vorkommen.2
Betrachten wir nun die einzelnen Teile der großen Dreifüße; denn voll-
ständige Exemplare der letzteren sind leider nicht aufgefunden worden. Doch
unterliegt die Zusammengehörigkeit der Teile durch die ganz übereinstimmenden,
vollständig erhaltenen kleineren Exemplare keinen Zweifeln.
Wir überblicken zuerst die weitaus zahlreichste Gattung, deren Füße und
Henkel gegossen sind; die Füße, die zum Teil bis zur Höhe von einem Meter
sich erhalten haben, sind oben mit einem breiten Ansätze versehen, mit Hülfe
dessen sie an dem immer aus Blech dünn getriebenen Kessel, von dem sich
Weniger wichtig ist der eherne Dreifuß im Olymp ieion zu Athen, der auf drei
m Marmor ruhte (Pausan. 1, 18, 8), da dieser des letzteren Materials
wegen wahrscheinlich erst aus hadrianischer Zeit stammte.
* Vgl. die Drcifii! Ucphaistos, II. 18, 378 oöara ... rrf </ ffßtvt, *■■"■■ di
• ■
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 349
Fig. 4 a.
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indess immer nur sehr zerstörte Reste fanden, angenagelt wurden. Die Füße
reichen immer bis zum oberen Rande des halbkreisförmigen Kessels, wo sie sich
verbreitern, während sie nach unten sich konstant verjüngen und schmäler werden.
Nach unten laufen die Stäbe einfach aus; sie standen auf ohne jegliche Ver-
mittelung, ohne Wulst, Löwenfuß oder dergl.1 — Nach dem Durchschnitte und 15
der Dekoration kann man zwei Gruppen von Füßen unterscheiden: die einfacheren
sind massive Stäbe von dreieckigem oder polygonem Durch-
schnitte, wo häufig einige Seiten nach innen ausgeschweift sind
in einer Art von Kannelierung. Reicher ist die andere Gattung,
wo der Durchschnitt den in unserer modernen Eisenkonstruktion
angewendeten Schienen gleicht (vgl. Fig. 4a).
Hier pflegen nun sowohl die breite Vorder- als die Neben-
seiten in Relief verziert zu sein. Ein Hauptmotiv sind wie bei
den oben besprochenen gravierten Platten jene konzentrischen
durch Tangenten verbundenen Kreise (vgl. Fig. 4b) und daneben
die rein textilen Mustern entnommenen verschiedenen Zickzack-
motive (Fig. 4c). — In ganz ähnlicher Weise sind die großen
gegossenen Henkel behandelt. Sie bestehen aus einem un-
beweglichen, aufrechtstehenden Ringe, der unten mittelst eines
breiten Ansatzes an den oberen Kesselrand genagelt ist, mit
welch letzterem er außerdem durch einen von seinem unteren
Rande nach dem Kesselbauche herabgebogenen Henkel ver-
bunden ist (vgl. Fig. 3). Sowohl der Ring als der letztgenannte
Henkel im engeren Sinne pflegen verziert zu sein. Entweder
sind es auch hier die Kreise mit den Tangenten in Relief
oder der Ring ist in durchbrochener Arbeit mit Kreisen und
Zickzack in zwei bis drei Reihen übereinander geschmückt
(so das eine der von mir in den Annali d. Inst. [1880 Taf. F]
veröffentlichten Exemplare in Athen), oder endlich es sind Relief
und Durchbrochenes verbunden (so z. B. Inventar Nr. 6019 [IV
S. 93]). Die einfacheren massiven Ringe sind entweder nur in
von innen nach außen abnehmende Streifen gestuft, oder mit als geflochtene
Stricke gebildeten Bändern verziert, oder ganz als solche Stricke gebildet. Nicht
selten wird der Ring ganz zu oberst von einem primitiv gebildeten kleinen Tiere
bekrönt: entweder von einem Pferde (Inv. Nr. 5050. 6100 [IV S. 91 zu Nr. 624];
ferner Fig. 3 [= Olympia IV Taf . 30 Nr. 574] und die beiden in den Annali [1880
Taf. F]) oder einem kleinen Vogel (Inv. Nr. 5629. 6838) oder einem Ochsen köpfe
(Inv. Nr. 5449 [IV, 572]). Von den auf späteren Darstellungen von Dreifüßen (auf
Münzen und Vasen) so häufigen Stäben, welche die Ringhenkel unter sich ver-
1 Ich schließe dies aus einer Reihe von Exemplaren, wo das untere Ende sicher
erhalten ist.
Fig. 4 b.
m
V/Ax
Fig. 4 c.
i \rs Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
16 binden, von ihren oberen Aufsätzen oder den kreuzweisen Stäben innerhalb der
Rir .'. Wieseler, Delph. Dreifuß, Tafel) ist in Olympia nie eine Spur ge-
funden worden.
Viel spärlicher sind die Reste der anderen Gattung, wo auch Füße und
Henkel gehämmert, nicht gegossen waren; doch ist ein treffliches, wohl-
erhlltenes Beispiel eines Ringhenkels dieser Art der vor der deutschen Ausgrabung
indene und im Kultusministerium zu Athen aufbewahrte (abgebildet Annali
JO Taf. F). Auf beiden Seiten sind die üblichen geometrischen Muster ein-
graviert, das Ganze ist von einem Pferdchen bekrönt.
Das Fragment eines gleichen Henkels wurde in Do-
dona gefunden (Carapanos Taf. 49, 21). — Diese
Gattung stimmt in Technik und Ornamentik auf's
Genaueste mit den oben besprochenen gravierten
Bronzestreifen überein; ich vermute daher, daß ein
großer Teil derselben nichts anderes als Füße dieser
Dreifußgattung sind; in der Tat zeigt auch ein Exemplar
(Inv. Nr. 1742 [IV, 584]) diese Verbreiterung nach oben
wie die ganz erhaltenen gegossenen Füße;1 offenbar
waren die Bronzestreifen, um als Dreifußbeine zu
dienen, auf hölzerne Stäbe genagelt.- Vermutlich war
der Typus dieser gehämmerten Dreifüße mit teilweise
hölzernem Kerne der ältere.
Die zahlreichen, ganz kleinen, aber vollständigen
Dreifüße geben uns Aufschluß über das Ensemble
der großen. Von jenen sind einige gegossen, ja auch
geometrisch verziert (so zeigt Inv. Nr. 6838 [IV S. 73 zu Nr. 539] auf den Beinen
Zickzack und oben auf den Ringhenkeln je einen kleinen Vogel), doch die meisten
sind bloß aus Blech geschnitten und zusammengenietet, ja bei den kleinsten be-
stehen Kessel, Füße und Henkel nur aus einem einzigen ausgeschnittenen Stücke
Blech, das dann zurechtgebogen wurde. Diese sind natürlich ohne alle Verzierung.
Zunächst geben diese kleinen Exemplare in ihren immer wiederkehrenden
Proportionen wohl ein richtiges Bild von denen der großen. An jenen fand
ich nämlich fast immer den Durchmesser des Kessels gleich der Länge der Füße,
gedrückte und schwere Verhältnis ist ohne Zweifel auch ein Zeichen des
Fig. 3.
i ist zu erwähnen, dafl einer jener Bronzestreifen (0,50 lang) bei einem grollen
Bronzefunde In Prytaneion zusammen mit zerdrückten BIcchkessseln und gegossenen
■inen gefunden wurde.
1 Wahrscheinlich bezeichnete man diese Technik mit inlx<tXxo{ ; ein alt« rgütovi
Ich im Zeustempcl, doch war es ein Dreifuflttsch einst praktischen
Dafl man aus Geldmangel auch ganz hölzerne Dreifüße
IV, 12, H.
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 351
hohen Alters dieser Dreifüße; die uns sonst aus Abbildungen bekannten Dreifüße
älterer Zeit sind bereits schlanker und werden später immer noch schlanker.
Ein anderer Unterschied von den gewöhnlich bekannten Dreifußtypen jedoch
besteht darin, daß die olympischen Exemplare nicht drei, sondern immer nur
zwei Henkel haben. Dieselben sind an zwei sich genau gegenüberliegenden
Stellen des Kesselrandes, also in ungleichen Abständen von den ebenfalls bis
zum oberen Kesselrande reichenden Füßen angebracht. Diese Anordnung ist
konstant in der ganzen Serie jener kleinen Dreifüße und wird außerdem für die
großen Exemplare besonders bestätigt durch einen zu Ende des vierten Aus-
grabungsjahres im Prytaneion in der tieferen, unter der römischen belegenen
Schicht gemachten Fund mehrerer auf einen Haufen geworfener Bronzekessel
u. dergl. Darunter war ein großer Kessel mit dem bei der Auffindung noch
daran befindlichen Ringhenkel; genau gegenüber war noch der Ansatz
des zweiten (verlorenen) Henkels erhalten, woraus hervorgeht, daß nie mehr als
zwei an dem Kessel waren. Bisher nahm man als allgemeine Regel drei Henkel
(wra) beim Dreifuße an (s. Wieseler, Delph. Dreifuß S. 291 ff.), wie denn diese
Zahl nicht nur durchweg auf späteren, sondern auf recht alten Darstellungen, wie
namentlich den zahlreichen, sicher noch ins sechste Jahrhundert gehörigen Silber-
münzen von Kroton, deutlich ist, wo über jedem Fuße immer ein Henkel
steht.1 Der zweihenklige Typus erscheint indeß nicht nur auf einer demselben
geometrischen Systeme wie unsere Dreifüße angehörigen Dipylon-Vase (Mon.
d. Inst. IX, 39, 2), sondern ist auch auf den altattischen Gefäßen noch bis zur
Zeit des freien Stils gewöhnlich.2 Stehen also hierin die olympischen Dreifüße 18
nicht vereinzelt, so ist dies anders mit einer zweiten Eigentümlichkeit derselben:
ihre Füße enden, wie schon erwähnt, immer einfach ohne Löwenklauen; so auch
jene ältesten Darstellungen auf der geometrischen Vase Mon. IX, 39, 2, dagegen
die übrigen Vasen,3 auch die mit dem zweihenkeligen Typus und die Münzen
fast nie unterlassen, Löwenklauen anzugeben. Die Löwenklauen gehören ein-
fach nicht in das System der geometrischen Dekoration.
Ein den olympischen indess vollkommen gleicher und fast vollständig er-
haltener Bronzedreifuß wurde in Mykene, außerhalb der Gräber, auf der Akropolis
gefunden und ist also jedenfalls älter als die Zerstörung der Stadt oder die Mitte des
5. Jahrhunderts. Leider gehört er dem einfachsten Typus, der keine Ornamente
1 Dasselbe scheint auch der Fall auf einer altkorinthischen Vase (Mon. d. Inst. X, 4, 5).
2 Vgl. als besonders deutliche Beispiele die Francois-Vase, die panathenäische aus
Camirus bei Salzmann Tai 57 [A. de Ridder, Vases peints de la Bibl. nat. I Nr. 243], ferner
Duc deLuynes, Descr. de vases Taf. 4 [ebenda Nr. 251] und als streng rotfigurig Ger-
hard, Auserl. Vasenb. Taf. 126 [Reinach, Rep. des vases II S. 68]. Die Henkel stehen immer
zwischen den Füßen, während sie beim Dreihenkeltypus gewöhnlich je über jedem
Fuße angebracht sind.
3 Seltene Ausnahmen, wie z.B. die schon genannte Vase strengen Stiles, Gerhard,
Auserl. Vasen 126, fallen dabei nicht ins Gewicht
m s Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
verwendet, an. Der Durchmesser des Kessels beträgt 0,42. Die Füße sind
sechsseitig und von der einfachsten Gattung; der eine erhaltene und vom Kessel
löste Ringhenkel zeigt die strickfönnige Verzierung. [Vgl. Olympia IV S. 78.]
here Heispiele des olympischen Typus von noch anderen Orten sind
nicht bekannt;1 doch genügt das in Mykene und Dodona Konstatierte, um zu er-
kennen, daß der Typus nicht auf Olympia beschränkt war.
Ein interessantes kleines Monument von Idalion auf Cypern scheint zu be-
sen, daß der geometrisch verzierte, olympische Typus auch in Cypern
wenigstens nicht unbekannt war, was bei den so äußerst spärlichen cyprischen
Bronzefunden um so schätzbarer ist. Ich meine einen kleinen, vollständig er-
haltenen Dreifuß (ohne Henkel) aus graugrünem Steine, im Museum zu Berlin
befindlich.2 Auf der breiten Vorderseite der kurzen, nach unten sich verengernden
Füße sind Verzierungen graviert, die demselben geometrischen Systeme an-
zugehören scheinen wie die olympischen Stücke, nur durch die Kleinheit etwas
modifiziert: es sind Zickzackmotive und konzentrische Kreise mit Zentralpunkt.
19 Die Frage nach der Herkunft jenes „geometrischen" Dreifußtypus ist ab-
hängig von der nach der Herkunft der „Dipylon-Vasen". Beide Fragen lassen
sich vorerst nicht lösen. Negativ sei nur erwähnt, daß z. B. Cypern nicht der
Ort sein kann; denn das dort einheimische geometrische System ist ein ganz
verschiedenes und die Vasen des „Dipylon"-Typus kommen dort nur sehr ver-
einzelt vor; deren Hauptfundorte sind dagegen die Inseln des ägäischen Meeres
(besonders Thera) und die Ostküste Griechenlands, wahrscheinlich auch die
Kleinasiens und Nordafrikas.3 Sehr wichtig ist jedoch, daß das hier besprochene
geometrische System weder auf Vasen, noch auf Bronzegegenständen jemals den
Weg nach Italien gemacht hat. Nur Vasen, die sich als späte Ausläufer jener
Gattung betrachten lassen, haben sich in Cumae und der Etruria marittima gefunden,
und die so zahlreichen altetruskischen Bronzen zeigen nirgends jenes System.4
Eine nicht unwichtige Rolle in dem hier besprochenen Dekorationssysteme
spielen gewisse Tierfiguren, vor allem das Pferd, das Rind und der Vogel.
Wir fanden diese Tiere bereits auf den Dreifußhenkeln als krönende Verzierung
aufsitzen. Es gibt indess noch eine ganze Serie kleiner, selbständiger Bronze-
tiere in Olympia, die in direkter Verbindung mit jenem speziellen Systeme stehen
und sich scharf absondern aus der großen Menge der gewöhnlichen kleinen
Tierfiguren Olympias [IV S. 34 ff.].
1 Unter den Bronzeresten der athenischen Akropolis finden sich meines Wissens
überhaupt keine Stücke von Dreifüßen, wie denn auch die inschriftlich erhaltenen Inventare
des Parthenon keine solchen anführen. Über ein angeblich aus Chalkis stammendes Stück vgl.
meinen Aufsatz in Annali d. Inst. 1880 S. 119. [Jüngere Funde: Pauly-Wissowa R.E. V S. 1670.]
• Nr. 205 der cyprischen Sammlung.
1 Daher sollen die Gefälle in Leiden stammen.
4 Die hieraus zu ziehenden Schlüsse sprechen jedenfalls nicht zu Gunsten einer
H , welche die Phoniker als Träger jenes speziellen Systems setzen würde.
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 353
Dieselben stehen nämlich auf einer gegossenen Basis, die ganz ebenso
behandelt ist wie die Dreifußbeine oder Henkel, d. h. sie zeigt dieselben ver-
schiedenen Zickzackmotive, die wie dort entweder in Relief und zwar auf der
Unterseite, oder in durchbrochener Arbeit, oder in einer beides ver-
einigenden Weise angebracht sind.
Die auf diesen Basen stehenden Tiere sind zum weitaus größten Teile
Pferde; sie zeigen immer eine besondere Körperbildung, die ihr Analogon nur
findet in der auf den Vasen des geometrischen Systems denselben Tieren ge-
gebenen. Es ist ein ganz bestimmter Stil; einige wesentliche Körpereigen-
schaften sind übermäßig prononciert und alles in möglichst schematische Flächen 20
gebracht. Der Bauch ist langgezogen und ganz dünn, der Hals dagegen eine an
den Seiten überbreite Fläche, die Hinterschenkel sind groß und meist von unten
unterhöhlt, der Kopf langgestreckt und die Ohren vertikal spitz aufgerichtet.
Außer einfachen Pferden kommen auf jenen „geometrischen" Basen auch
vereinzelt Stuten mit Füllen vor (so Ausgrab. Bd. II, Taf. 31 1. unten [IV, 220]),
ferner sehr primitiv und schematisch gebildete Vögel, die sich wieder nur ver-
gleichen lassen mit den auf den „geometrischen" Vasen dargestellten. — Seltsam
ist ein, auf jener Basisgattung vorkommender, sechsbeiniger Käfer, in wenigen
Exemplaren zwischen Philippeion und Prytaneion gefunden; in einfach schema-
tischer Bildung ist ein nicht liegender, sondern gehender Scarabäus dargestellt.
Eine Beziehung auf einen etwaigen lokalen Kult in Olympia, einen dem IJagvömog
verwandten Apollon oder gar etwa Zevg 'Anöjuvtog ist sicher nicht zu suchen;
doch hiervon später. — Endlich ist ein interessantes Stück dieser Gattung ein
kleiner menschenbeiniger Kentaur (Ausgrab. Bd. IV, Taf. 21,2 [IV, 215]) auf
mit Halbkreisen in Relief verzierter Basis. Sein vogelartiger Kopf ist wieder
ganz so gebildet wie die menschlichen Köpfe jener „Dipylon"-Vasen. Daß der
menschenbeinige Kentaur zu den in dem vorliegenden geometrischen Systeme1
nicht ungewöhnlichen Motiven gehört, zeigt ein interessantes, graviertes Bronze-
blechfragment aus Dodona, das einen solchen in ebenfalls höchst primitiver
Zeichnung umgeben von der gewöhnlichen geometrischen Dekoration der gra-
vierten Platten darstellt (Carapanos, Dod. Taf. 19, 5); derselbe erscheint ferner
auf einem, den geometrischen Vasen sehr nahe stehenden Fragmente von Camirus
(Salzmann, Necr. de Cam. Taf. 39).
Soviel über diese Tierfiguren insofern sie mit jenem selben Dekorations-
systeme im Zusammenhange stehen, dem wir die bisher besprochenen Gegen-
1 Doch auch in dem sog. orientalischen Stile kommt er früh vor, so auf einem
alten rhodischen Goldbleche (Salz mann, Camirus Taf. I), daneben die sog. persische
Artemis; auf der silbernen Dolchscheide des großen Pränestiner Grabes Mon. d. Inst.
X,31, 5 und einem Bronzegefäß ebenfalls aus Präneste (Archaeologia 41, Taf. 6), beidemale
in Tierfries. Auf solchen Vorbildern beruhen dann Buccherovasen, wie Inghirami, Mus.
Chiusino I, 52, 2.
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. 2o
\m aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
de, Dreifüße usf., verdanken. Ich füge nur noch hinzu, daß dieselben sich
bis jetzt an keinem anderen Orte, auch nicht in Dodona nachweisen lassen.1
Ob« die sachliche Bedeutung der olympischen Tierfiguren als Weihgeschenke
soll spater die Rede sein; vorerst betrachten wir dieselben nur insofern sie einem
stimmten Dekorationsstile angehören. Wir werden noch des genaueren sehen,
daß in Olympia außer dem bisher besprochenen speziellen geometrischen
steine noch ein anderes solches existiert, das in wesentlich gleicher Weise
über Italien verbreitet ist und von da dem Norden überliefert wurde. Diesem
weiteren Systeme, dessen eigentlichstes Gebiet die Bronzeindustrie ist, gehört
die Verwendung primitiver Tierfiguren in großem Umfange an.
Bevor wir die Spuren der letzteren verfolgen, betrachten wir die Menge der
olympischen Bronzetiere nach ihrem Stile. Nahezu ein Drittel derselben zeigt
noch mehr oder minder verflacht die Formgebung der oben beschriebenen Pferde
und Vögel mit geometrischer Basis; an den hierher gehörigen Rindern pflegt
die Wamme am Halse sehr prononciert zu sein und eine breite Fläche zu bilden.
Mitunter sind Pferde oder Rinder mit feiner Gravierung versehen, die jedoch nie-
mals die Natur nachahmen will, sondern nur geometrisch dekorativ ist. So ist
ein Pferd (luv. Nr. 6647 [IV, 176], beim Metroon) ganz mit Zickzack, ein anderes
ganz mit konzentrischen Kreisen bedeckt (Inv. Nr. 6770 [IV, 200a]). — Ein Bei-
spiel s. Ausgrab. Bd. II, Taf. 31 r. unten [IV, 953]. Derselbe Stil erscheint an
Pferdchen aus einer der ältesten Nekropolen bei Bologna (Gozzadini, Sepolcr.
etrusco scop. pr. a Bologna Taf. V, 9, 11) und an dem Reiter des Bronzewagens
von Judenburg (Mitt. hist. Ver. f. Steiermark III Taf. 1).
Bei der übrigen Menge der kleinen Tiere läßt sich von Stil nicht mehr
sprechen; sie sind ganz plump und roh und willkürlich in den Formen. Die
dargestellten Tiere sind fast ausschließlich Pferde3 und Rinder, wie sich
aus kritischer Sichtung der großen Menge ergibt; nur die oberflächlichere Be-
trachtung von einzelnen Zufälligkeiten läßt auch Esel, Hunde, Schweine u. dgl.
22 erkennen. An Zahl sind Pferde und Rinder ziemlich gleich vertreten; nur einige
wenige Schafe sind sicher.
Dieselben Tiere sind die der geometrischen Dekoration in Italien und dem
Norden. Leider ist in Olympia von dekorativen Ensembles nur sehr wenig er-
halten. Doch ist folgendes zu erwähnen: auf den zwei angenieteten Henkeln
eines altertümlichen Napfes3 befindet sich als Krönung je ein primitives Pferdchen
1 Ein kleines Pferd, mit der geometrischen Basis, im Museum von Dimitsana ist
.unbekannter Herkunft", doch sehr wahrscheinlich aus Olympia.
' Vielleicht sind manche .Pferde" der sehr langen Ohren wegen als Maulesel
zu fassen.
Form stimmt fast völlig überein mit der einer Tonvase aus einem Grabe der
n liiirg (s. Myken. Tongeflße, Berl. 1879, Taf. X, Nr. 49); dieselbe Form kommt
auch ohne jenen Schmuck in Olympia vor.
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 355
[IV, 671]. Auf einem großen Gefäßrande (?) sind schwimmende primitive Wasser-
vögel aufgenagelt (Ausgrab. Bd. II, Taf. 31 ,4, 3 [IV, 685]). An der Henkelattache
einer umfangreichen Schüssel ist ein primitives Rind so angebracht, daß es in
das Gefäß hineinsieht (Inv. Nr. 2884 [IV, 642]). Fast genau dasselbe Motiv finden
wir an einem Bronzekessel der Nekropolis von Hallstatt (v. Sacken, Grabf.
v. Hallst., Taf. 23, 6); ebenda kommen auch die aufgenagelten Wasservögel nicht
nur in derselben Verwendung, sondern auch derselben Stilisierung vor (s. a. O.
Taf. 22, 3), ja dieselben sind überhaupt den „geometrischen" Bronzen Italiens
und des Nordens eigentümlich; um nur einiges zu nennen, vergleiche man das
seltsame Hängegerät aus Campanien (Archaeologia 36, Taf. 27, 1), den Kessel-
wagen aus Vei (ebenda 41, Taf. 4, 2), die Fibel aus der alten Nekropole bei Bo-
logna (Gozzadini, Sepolcr. etr. Taf. 8, 15). Einzelne Vögel dieser Art, losgerissen
von dem Gegenstande, den sie schmückten, haben sich mehrfach gefunden in
Olympia.
Ein längerer, spitzer Stab, vermutlich eine ungeheure Haarnadel, bekrönt
von einem primitiven Widder, findet ihre Analogie bereits in einer ebenfalls
widderbekrönten, goldenen Nadel eines der mykenischen Gräber (Schliemann,
Mykenae, S. 288). Eines der primitiven Rinder Olympias (Inv. Nr. 5518 [IV, 475])
zeigt unten in der Basis die Einlassung für den viereckigen Stab einer größeren
Nadel; vollständig erhalten ist eine solche mit einem Rinde gezierte, in der
Länge von nicht weniger als 0,52, aus Unteritalien stammend, im Museum der
piccoli bronzi Neapels. Sehr verwandte Exemplare wurden in Sardinien gefunden
(Bull. arch. Sardo III, Taf. E, 7), ähnliches auch im Norden.1
Die Bekrönung einer großen Nadel war wahrscheinlich auch ein kleiner 23
Doppelwidder in Olympia (Inv. Nr. 5120 [IV, 477]), d. h. die Vorderkörper zweier
mit dem Rücken verbundener Widder, in der Mitte ein Loch zum Durchstecken
der Nadel. Sehr ähnliche kleine Doppelhirsche auf Nadeln fanden sich in Sar-
dinien (s. Fiorelli, Notizie degli scavi 1878, Taf. 7, 1 — 3). Völlig die gleiche
Bildung und Stilisierung wie die olympischen Tiere zeigen ferner einige Doppel-
tiere aus italischen Fundorten, welche in der Mitte mit einem Ringe versehen sind,
also ohne Zweifel, an Kettchen befestigt, einen Teil der bei den „geometrisch"-
italischen Bronzen so beliebten Schmuckgehänge bildeten; ich meine ein aus
Schaf und Rind zusammengesetztes Doppeltier aus Cerveteri (Archaeologia 42,
Taf. 2) und Doppelstiere vom Lago di Fucino (Archaeologia 43, p.559), mehrere
aus Italien im Berliner Museum, ebenso im British Museum (Archaeologia 36,
S. 361, Nr. 6, Taf. 26, 15) und in dem zu Perugia, wo ein Exemplar in offenbar
nicht ursprünglicher Verwendung an einer Hängewage befestigt ist.
Auch einfache primitive Rinder und Pferde aus italischen Fundorten, die
sonst den olympischen völlig gleichen, zeigen häufig einen Ring oben am
1 Z. B. eine von primitivem Bronzetiere bekrönte Eisennadel aus Kleinwinternheim
in Mainz.
23*
356 r>IK Bronzbfundb AUS Olympia und deren kunstgeschichtlichf. Bedeutung.
Rücken,1 w.is ich in Olympia nie beobachtet. Die ursprüngliche Verwendung
derselben wird vollkommen deutlich aus einer großen Fibel von Praeneste,
.in der die Pferdchen im Vereine mit runden Klapperblechen u.dgl. an Kettchen
herabhängen (Archaeologia 42, Taf.27), vollkommen im italischen Geschmacke, der
sich Indess auch nach dem Norden verbreitete.-
Einem nicht ganz klaren, doch ohne Zweifel dekorativen, Zwecke dienten
in Olympia eine Reihe von Pferden und Rindern, mit einem stabförmigen
Ansätze auf dem Rücken (z.B.Inv. Nr. 4849, 6165, 6186,6725,7163 [IV S. 37]).
Ein in Mykene (Schliemann S. 296) gefundener Hirsch, aus Blei und Silber,
zeigt denselben Ansatz; denselben hat ferner ein, den olympischen völlig gleichendes
24 Pferdchen der alten, nur Dinge des dortigen „geometrischen" Stils enthaltenden,
Nekropolis bei Bologna (Gozzadini, Sepolcr. etr., Taf. V, 9).
Die dekorative Verwendung des bloßen Halses und Kopfes von Pferd oder
Stier ist eine uralte und ist an ägyptischen, wie assyrischen Geräten und mykeni-
schen Gefäßen zu beobachten. Die betreffenden olympischen Bronzen indess
geben ihren Zusammenhang mit der „geometrischen" Dekorationsweise deutlich
kund; ein Pferdekopf zum Aufnageln3 ist ein Muster jener schematischen Körper-
auffassung, außerdem mit gravierten Kreisen verziert. — Mehrere prächtige Ge-
fäßhenkelattachen zeigen Stierköpfe, welche in das Innere der Schüssel (?) blicken
(Inv. Nr. 5101, 4789 [IV, 789]). Sehr ähnlich sind Henkel aus Cypern (Cesnola-
Stern, Cypern, Tafel 71) und Praeneste (Mon. d. Inst. X, 32, 4); rohe Pferde-
köpfe mit langen Hälsen sind nicht selten an den altetruskischen, genieteten
Blechgefäßen.*
Aus dieser Reihe tritt heraus ein großer Kalbskopf von getriebenem Bronze-
blech (Ausgrab. Bd. II, Taf. 31 unten in der Mitte [IV, 801]); derselbe ist im Stile
auffallend verwandt den Kalbsköpfen desselben Materials an den oberen Enden
eines, dem neunten Jahrhundert zugeschriebenen, großen Thronsessels von Niniveh
(NW Palast Nimrud; s. Photographs of the British Mus. Nr. 583; Layard, Dis-
coveries 1853, S. 199); die Verwendung des olympischen Exemplars dürfen wir
uns ähnlich denken.''
Indem wir von der dekorativen Verwendung der primitiven Tierfiguren
sprechen, müssen wir notwendig auch einiger menschlicher Bildungen ge-
So die bei Caylus, Rec. d'ant. II, 92, 5. Ein solcher Widder im Museo Santangclo
in NeapeL Aus Obcritalicn soll stammen das im Anzeiger f. Schweiz. Altertumsk. 1869,
2, Taf. V, 8a abgebildete Pferdchen.
/ B. in Karlsruhe Pferdchen aus Pforzheim. [Schumacher, Beschr. der Sammlung
antiker Bronzen Nr. 843.]
1 Inv. Nr. 977 [IV, 686]. Zwei andere Pferdeköpfe (Inv. Nr. 5579, 896a [IV, 878])
wurden beide unter dem Bauschuttc des Zeustcmpels, bei der Philesiosbasis, gefunden.
0 aus Chiusi in Berlin. Vgl. auch Archaeologia 36, Taf. 27, 10.
* K fe an dieser Stelle von Tronsesseln sind in Niniveh nicht selten; vgl.
Rawlinson, live gr. monarch. * I, S. 394.
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 357
denken, welche dieselbe Art der Auffassung, denselben Grad von Rohheit und
Primitivität zur Schau tragen, wie die große Menge jener, Vor allem zu nennen
ist ein Ring, auf welchem sieben nackte, doch geschlechtslose Figuren im Kreise
stehen, mit verschlungenen Armen [IV, 263]; vier gleiche Figuren stehen auf
einem anderen solchen Ringe und hier ist durch einen oben angebrachten Knopf 25
die dekorative Verwendung des Ganzen außer Zweifel gestellt; das Fragment
eines dritten Exemplares (Inv. Nr. 4823 [IV S. 42]) zeigt eine deutlich männliche
Figur auf dem Ringe und beweist somit wie falsch es wäre, die ersteren etwa
als „Nymphenchor" auf die Verehrung der Nymphen in Olympia zu beziehen.
Dagegen waltet eine entschiedene Verwandtschaft dieser Dinge ob mit einigen
seltsamen Gegenständen italischen Fundortes, die ebenfalls aus einem, indess viel
breiteren Reifen bestehen, auf welchem nicht nur primitive nackte Menschen,
sondern auch Tiere jener Art, Ochsen, Pferde und Vögel angeordnet sind.1 Da
in Olympia alle Bestandteile dieser ursprünglich zum Aufhängen bestimmten
Gegenstände gefunden sind, so dürfen wir uns vielleicht einen Teil unserer ver-
einzelten primitiven Menschen- und Tierfiguren zu ähnlichen Ensembles zu-
sammendenken.
Obwohl wir nun für einen guten Teil der olympischen Tiere eine ursprüng-
lich dekorative Verwendung nachgewiesen haben, so läßt sich damit doch nicht
die ganze große Masse derselben erklären, die in der untersten schwarzen Aschen-
schicht um die großen Altäre gefunden wurde. Diese müssen selbständige kleine
Weihgeschenke sein; sie mochten in Menge auf den Stufen der Altäre liegen,
oder an Schnüren gereiht an den Ästen der umgebenden Bäume hängen, wie ja
Bäume mit daran hängenden Votiven nicht selten auf Monumenten vorkommen;2
auf die Bestimmung des Aufhängens weist namentlich die oben an der streng
„geometrischen" Gattung beobachtete Eigentümlichkeit der an der Unterseite
in Relief verzierten Basis hin. Zum Aufhängen war wohl namentlich auch die 26
primitivste Gattung unserer Tiere, die, wie die oben genannten kleinen Dreifüße,
bloß aus dünnem Bleche ausgeschnitten ist.3
1 Aus einem Grabe in Campanien: Archaeologia 36, Taf. 27, 1 ; aus Lucera:
Archaeologia 41, Taf. 14 ist auf drei Doppelräder gestellt, war aber wegen der nach oben
gehenden Stäbe wohl auch zum Aufhängen bestimmt; aus Sammlung Borgia: Gerhard,
Etr. Spieg., Taf. 18 =- Archaeol. 36, Taf. 27, 7. — Auch der bekannte Bronzewagen von
Judenburg (Mitt. hist. Ver. f. Steierm. III, Taf. 1) ist zu vergleichen. Primitive menschliche
Bronzefiguren dieser Art bemerkt Co nze, Zu den Anfängen 1873, S. 30 (248), nament-
lich in den Museen Tirols.
2 Vgl. was über diese sehr allgemeine Sitte zusammengestellt ist bei Hermann-
Stark, Gottesdienstl. Altert. §20, 9; Bötticher, Baumkultus S. 56 ff. Taf. I ff .
5 Sie stellen entweder bloß die eine Hälfte der Figur dar (ein solches Pferd unter
dem Bauschutt des Zeustempels, Inv. Nr. 4899 [IV, 732]), oder die aus den beiden Hälften
zusammengebogene ganze; von der letzteren Art besitzt Berlin einen sorgfältigen größeren
Stier unbekannten Fundortes (s. Friederichs, Berlins ant. Bildw. II, Nr. 1822), auch von
der ersteren Art einige Exemplare (aus Italien? s. a.a.O. Nr. 2388a— c).
g Die Bron iüs Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
Man sollte nun erwarten, daß diese Votivtiere in einer bestimmten Beziehung
nden zu der Gottheit, der sie dargebracht wurden, wie dies z. B. bei den
[nschriftlich einem üotte geweihten Bronzetieren anderer Fundorte sicher der
Fall ist (ein Bock an Apollo Maleatas im Varvakion zu Athen,1 ein Hase C. I. G.
BUS Samos geweiht np 'AndkXcovi t<}> TlQitjXfji). Jener Erwartung ent-
sprechen die Tatsachen nicht ganz. Zunächst muß es Befremden erregen, daß
unterschiedslos dieselben Tiergattungen sind, d. h. dieselben Rinder und
Pferde, welche die Masse der Funde bei sicher ganz verschiedenen Gottheiten
geweihten Altären ausmachen. Die Massenfunde dieser Tiere fanden nämlich
vor allem an fünf Altarplätzen statt: 1. östlich vom Pelopion im ganzen Um-
kreise der Reste des großen Zeusaltares, 2. bei dem großen Altarfundament
östlich vom Heraion, das wohl ohne Zweifel dem Aschenaltare der Hera Olympia
(Paus. V, 14, 8) angehörte, 3. bei dem Altare vor der Westseite des Metroons,
wie früher erwähnt, in besonders tiefer Schicht; es ist der Altar Mijzgög deco%>
(Paus. V, 14, 9), ferner 4. bei dem Altarfundamente an der Südseite des Heraions
(und neuerdings auch in der Schicht unter den Fundamenten des letzteren),
endlich 5. bei dem unter dem Bauschutte des Zeustempels befindlichen Altar-
fundamente vor der vierten Säule der Südfront desselben (von O.). An all diesen
Stätten ganz verschiedener Kulte waren die Funde im wesentlichen doch völlig
gleich,3 namentlich überall eine Menge von ziemlich ebensoviel Rindern als
Pferden. Weshalb fanden sich nicht die dem Zeus heiligen Adler? wie doch in
Dodona die Taube (Carapanos, Dodone 21, 4. 5), in Athen die Eule (unter
dem Bauschutte des Parthenon; Roß, Arch. Aufs. I, 107) sich fanden. Weshalb
beim Altar der Rhea nicht die ihr heiligen Löwen? Wir haben allerdings einige
sehr primitive kleine Löwen gefunden, aber gerade weit weg vom Metroon (Inv.
Nr. .-J972 [IV, 947] südöstlich vom Zeustempel, Nr. 4213 [IV, 947] auf dem süd-
lichen Stadionwall); und merkwürdigerweise gehören dieselben einem ganz be-
sonderen Stile an, der einer kleinen Gruppe von Tierfiguren eigen ist; äußer-
lich scheiden sich dieselben schon dadurch, daß ihre Beine vorn und hinten
durch eine kleine Querbasis verbunden sind; die Körper sind immer langgestreckt,
aber die Formen weich und rund, im vollen Gegensatze zu den Tieren des
.geometrischen" Stils; die Hinterbeine pflegen weit nach hinten gestellt zu sein,
der Kopf blickt manchmal um.* In dieser Gattung nun kommen sowohl Löwen
' [A. de kidder, Bronzcs de la Societe arch. d'Athenes Nr. 1018.]
1 (II. B. Watten, Bronzcs in tlie British Museum Nr. 237.]
' I.inc Unterscheidung der Tiere nach dem Geschlechte, wie sie Weil (Mitt. d.
Athen. Inst. III, 225) versucht hat, ist sowohl an und für sich abzuweisen, da die Tiere
einfach geschlechtslos und die sorgfaltigeren männlich gebildet sind, als namentlich
für Bestimmung der Altäre gar nicht zu brauchen. — Die ebenda von Weil erwähnten
:nd vielmehr die oben genannten einzelnen primitiven Menschen.
4 Der Hindi atu I->odona(CarapanosTai.20,!J) kann hierher gerechnet werden, obwohl
« ' : I weniger primitiven Charakter zeigt als die entsprechenden olympischen Tiere.
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 359
vor als Ziegen und Hirsche (letztere mit feiner, doch nicht „geometrischer"
Gravierung), auch Rinder, doch keine Pferde. Sie waren vermutlich alle dekorativ
verwendet. — Der soeben bemerkte Zusammenhang der Stilarten mit der Aus-
wahl der Tiere muß uns überhaupt bedenklich machen gegen die Annahme einer
näheren Beziehung der Votivtiere zu dem speziellen Kultus; die dem „Dipylon-
stil" entsprechende Gruppe mit den verzierten Basen kennt nur die in jener
Dekoration üblichen Pferde und Vögel und keine Rinder; ebenso sind die ge-
wöhnlichen Pferde, Rinder und Vögel die dem weiteren „geometrischen" Stile
eigentümlichen Tiere und als solche ebenso in Italien1 verbreitet; ja selbst in
Hallstätter Gräbern fanden sich den olympischen entsprechende Rinder ohne
Spuren der Verwendung (Sacken, Grabfeld von Hallstatt Taf. 18, 31, 33; S. 86).
Hierzu tritt nun aber auch die zeitliche Beschränkung, welcher die be-
trachteten olympischen Tierfiguren unterworfen sind. Es spricht nämlich alles
dafür, daß nicht nur die dekorativ verwendeten, sondern auch alle übrigen nur
derjenigen älteren Zeit angehören, während welcher überhaupt auch die be- 28
sprochenen „geometrischen" Systeme unter den Bronzen üblich waren. Wenn
auch Exemplare überall und auch in den oberen Schichten der Altis vorkommen,
so gehören die massenhaften Funde doch ausschließlich den tiefsten und ältesten
Lagen in der Umgebung der Altäre an. Was hier von den Bronzetieren gesagt
ist, gilt aber ebenso für die aus Terrakotta, die in Olympia an Zahl jenen
weit nachstehen und fast noch ausschließlicher nur den tiefsten Fundschichten
angehören;2 sie stellen nur Pferde und Rinder dar; fast alle zeigen Spuren eines
braunroten oder braunschwarzen Firnisses, der meines Wissens nur Terrakotten
alter Zeit eigen ist; es wird kaum nötig sein anzuführen, daß auch sonst die
Ausgrabungen in Griechenland überall lehren, daß die primitiven Idole und Tier-
figuren aus Ton nur älterer Zeit, etwa bis ins fünfte Jahrhundert herab angehören.
Die meisten jener Terrakotta-Tiere sind ganz roh; nur wenige zeigen einen dem
„geometrischen" entsprechenden Stil und sind teilweise mit aufgemaltem Zickzack
verziert.
Eine zeitliche Verschiedenheit der besprochenen verschiedenen Gruppen von
Bronzetieren ist nicht zu erweisen, denn Exemplare aller jener Gattungen wurden
in tiefster Schicht, z. B. auch unter dem Bauschutte des Zeustempels gefunden.
Auch lassen sich dieselben keineswegs untereinander zu einer Entwicklung ver-
knüpfen, sondern ihre Unterschiede sind derart, daß sie sich nur durch die An-
1 Der gemeinen olympischen Gattung gleiche Tiere von mir notiert in den Museen
von Neapel, Perugia, Florenz und Bologna.
2 Sie waren besonders in der Gegend südöstlich vom Heraion häufig. — Nach
Angabe von G. Treu wurde im dritten Ausgrabungsjahre 0,30 unter dem Fußboden des
Heraions das Fragment eines Terrakottapferdes gefunden; demselben verdanke ich die
Mitteilung, daß ganz neuerdings unter den Fundamenten des Heraions außerordent-
lich zahlreiche Terrakotta-Tiere sich fanden [IV S. 43].
0 Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichti.iche Bedeutung.
nähme verschiedener Fabrikorte erklären. Die große Masse mag am Orte ent-
nden sein, aber jene Gattung mit den verzierten „geometrischen" Basen ist
\ iß importiert und zwar von ebenda, woher die Dreifüße stammen. Und eine
mdere Entstehung wird die Gruppe haben, in welcher die Löwen vor-
kommen. Die lokale Fabrikation scheint vorwiegend angeregt von importierter,
mit geometrischem System in Beziehung stehender Ware. Wer etwa die Im-
portation so geringer Dinge überhaupt bezweifeln wollte, dem ist entgegen-
29 zuhalten, daß die sämtlichen Idole und Tierfiguren aus bemalter Terrakotta in
Mykene zusammen mit den Tongefäßen dahin importierte Ware sind.
Schließlich sei nur noch einer kleinen Gruppe von Tierfiguren gedacht,
nämlich einiger Stiere, deren treffliche, naturtreue Bildung sie bedeutend von
jenen primitiven Dingen unterscheidet [IV S. 151]. Sie stehen immer auf einer
einfachen Basis. Ein Exemplar derselben stammt aus Dodona (Carapanos
Taf. 20,4), die Bildung stimmt aber auch wesentlich überein mit derjenigen der
Stiere auf der großen Steinvase von Amathus (Musee Napoleon III Taf. 33, 1. 2)
auf cyprischen Münzen (ebenda 3) und solchen von Lykien (s. Fellows, Lyc.
coins Taf. 11,4) wahrscheinlich des sechsten Jahrhunderts.
Nach den bisherigen Resultaten dürfen wir also nicht nach mythologischen
Beziehungen zwischen unsern Rindern und Pferden einer- und den in der Altis
verehrten Göttern andrerseits suchen. Der jenen der älteren Zeit eigentümlichen,
massenhaften Votiven innewohnende Gedanke kann vielmehr nur der sein, daß
man die für das eigene Leben unentbehrlichsten und weitaus wichtigsten Tiere
den waltenden Gottheiten im Abbilde darbrachte.
Es ist dies dieselbe Anschauungssphäre, aus welcher die Votive hervor-
gegangen sind, die wir hier anschließen, nämlich die kleinen primitiven Wagen -
lenker-, Reiter- und Kriegerfiguren, welche, vermengt mit jenen massen-
haften Tieren, in denselben tiefsten Schichten um die Altäre sich fanden
[IV S. 3!) ff.]. - Man dürfte nach der Analogie anderer alter Kultstätten erwarten,
in diesen Schichten zahlreiche Idole der am Orte verehrten Gottheit zu finden,
so wie z. B. in Mykene, der athenischen Akropolis, Tegea und Megara. In
Olympia ist kein einziges altes Götteridol gefunden, selbst nicht des Zeus oder
der Hera. Die nackten, rohen, männlichen Figuren sind (soweit sie nicht schon
oben als dekorativ Erwähnung fanden) nur wirkliche Menschen, und zwar erst-
lich: Wagen lenker. Von diesen sind zwei wohlerhaltene Exemplare Ausgrab.
Bd. IV, Taf. 21, \. 5 [IV, 257 u. 249] abgebildet;1 die Pferde des Gespanns fehlen,
1 Min bloßer Wagen ohne den Lenker ist abgebildet Ausgrab. Bd. II, Taf. 31 rechts
unten (IV S. 10]. Die nur aus Stabwerk gebildeten Wagen ohne alle Seitenwandung ent-
nau den altägyptischen (Rossellini, Mon. d'Egitto 11,92,2; Wilkinson,
Manners and customs I ,). während die assyrischen volle Wandungen haben. Der
Vttnk in Griechenland allgemein rezipiert, wie altkorinthische und alt-
attische Vasenbild n.
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 361
doch sind unter den in derselben Schicht gefundenen Pferden mehrere, an welchen 30
die durch den Kopf gesteckten Zügel aus Draht oder der sie mit dem Joch ver-
bindende Halsgurt angedeutet ist. Die seltsamen Kopfbedeckungen und die
Armhaltung weisen auch einzelne Statuetten, wie Ausgrab. Bd. III, Taf. 24ß, 1
[IV, 251], dieser Reihe zu.1 Zahlreicher sind die Wagenlenker in Terrakotta;
auch sie haben meist eine spitze Mütze als Kopfbedeckung; durch letztere oder
durch den vorn anstoßenden Wagenrand lassen sich viele fragmentierte er-
kennen. — In Bronze ist ferner ein noch auf dem Pferde sitzender Reiter er-
halten, einem anderen (abgebildet Ausgrab. Bd. IV, Taf. 21, 4 [IV, 257]) fehlt nur
das Pferd. — Sehr nahe liegt die Vermutung, daß diese Figuren zu den Kampf-
spielen in Beziehung stehen, wonach denn die Wagenlenker nicht älter als Ol. 25,
die Reiter nicht älter als Ol. 33 sein würden [vgl. Hermes 39 S. 229] ; gleichwohl ist
diese Vermutung abzuweisen, denn, da es sich nachweisen läßt, daß es auch sonst
vorkommende Sitte alter Zeit war, sich in kleinem Abbilde zu Wagen oder zu Pferde
dem Gotte zu weihen, fällt auch für Olympia die notwendige Beziehung zu den
Festspielen weg. Bestätigt wird dies jetzt überdies durch die Funde von Wagen-
lenkern unter den Fundamenten des Heraions, dessen erste Anlage sicher älter
ist als Ol. 25. Vor allem ist uns als Analogie wichtig, daß sich an der durch
eine dicke Aschenschicht bezeichneten Altarstelle in dem bei Golgoi auf Cypern
entdeckten Heiligtume primitive Reiter aus Terrakotta fanden (s. Cesnola-
Stern, Cypern S. 125); dasselbe wird von dem bei Idalion von Lang ent-
deckten Tempel berichtet (s. Transact. of the Roy. Soc. of Literature XI ser. 2 S. 60);
ferner fanden sich sowohl die primitiven Reiter als die Wagen mit Lenkern in
cyprischen Gräbern (bei Alambra, s. Cesnola-Stern, Cypern S. 82 ff.) und
zwar so, daß kein Zweifel daran sein kann, daß wirkliche Menschen gemeint
sind.2 Dieselbe Erscheinung finden wir innerhalb Griechenlands bekanntlich in 31
den Gräbern Böotiens, wo namentlich die primitiven Reiter sehr zahlreich sind;
dieselben verbreiteten sich an die attische Grenze; in den älteren Gräbern
Dekeleias kommen die Reiter neben böotischen Tonvasen vor und bei Menidi
(Acharnae) fanden sich Pferdegespanne [Jahrbuch des arch. Inst. 1899 S. 122] ; in
den eigentlich attischen Gräbern sind diese Dinge unbekannt.
Der Auffassung jener Figuren als beziehungsloser Darstellungen der Per-
sonen selbst schließen sich sehr gut die primitiven Krieger Statuetten an, die
1 Dagegen hat Inv. Nr. 7042 [IV, 240] zwar die hohe spitze Mütze, erhebt jedoch die
Arme wie zum Beten und war eine selbständige Figur.
2 Wie namentlich der Wagen- und Reiterzug beweist, der a. a. O. S. 84 beschrieben
wird. — Die Reiter sollen auch in rhodischen Gräbern vorkommen. — Nach Mitteilung
von G. Treu fand sich ganz neuerdings in der Schicht unter den Fundamenten des
Heraions auch ein „nacktes Weib mit Kopfbinde und rima" [IV, 262], also eine Figur der
Art, wie sie in jenen selben cyprischen Gräbern, welche die Reiter und Wagen enthalten,
auch vorkommen (Archaeologia 45 Taf. 10, 4). Die Analogie der anderen Figuren verbietet
auch hier eine Göttin zu sehen.
2 Die I m's Olympia und deren kunstgesuiioiiuche Bedeutung.
nichts mit dem Hoplitodromos zu tun haben, der auch erst Ol. 65 in
Olympia eingeführt wurde. Auch diesen entsprechende Figuren finden wir in
Cypern neben den oben gedachten (in Gräbern, Cesnola-Stern S. 82 ff.;
haeologia 45 Taf. 10, 3). Die olympischen Krieger sind nackt oder höch-
stens mit Leibgurt versehen wie jene Wagenlenker und Reiter; wie für letztere
der Hut oder die spitze Mütze, so ist für diese der Helm mit hoher Crista
charakteristisch; der rechte Arm pflegt mit der Lanze erhoben zu sein, am linken
wird der Schild gesessen haben (s. Ausgrab. Bd. III, Taf. 24ß, 3 und 6; Bd. IV.
Taf. 21, 1 [IV, 247. 243.245]); ein sehr rohes Exemplar streckt die Arme einfach
seitwärts aus (Inv. Nr. 5630 [zu IV, 241]). *
Wir dürfen in diesen Figuren ohne Zweifel lokale Erzeugnisse erkennen;
32 trotz aller Rohheit tragen dieselben auch einen gemeinsamen Typus, indem das
Untergesicht mit den mächtigen, vom Halse scharf abgegrenzten Kinnbacken
bedeutend hervortritt, während die Augen teilweise überhaupt gar nicht oder nur
ganz flach angedeutet sind. Hierin wesentlich übereinstimmende Figuren anderer
Fundorte sind mir nicht bekannt; rein lokal ist gewiß auch die Tracht der Reiter
und Wagenlenker.
Dies ist also der hauptsächlichste Inhalt der ältesten Schichten um die Altäre:
nicht die dem Gotte heiligen und charakteristischen Tiere, nicht Idole, die ein
Bild der Gottheit sein sollen, sondern die eigene Person und die ihr unentbehr-
lichen Tiere weihte man hier den Gottheiten, den verschiedenen ohne Unter-
schied. Es war ein bildloser Kultus, der Jahrhunderte gedauert haben mag.
Hier ist offenbar die Wurzel der in Olympia so früh auftretenden Sitte, daß der
einzelne nach errungenem Siege sein eigenes Bildnis, nicht das des Gottes
weihte; diese Sitte erscheint jetzt nur als eine spätere Beschränkung eines früher
viel allgemeineren Gebrauches. In seiner ganzen Allgemeinheit erhielt sich der
letztere aber in Cypern: die beiden dort aufgefundenen Heiligtümer bei Golgoi
(durch Cesnola) und Idalion (durch Lang) ergaben so gut wie gar keine
Götterfiguren, dagegen viele Hunderte von Statuen, die meist nicht Priester
sondern einfach solche Private darzustellen scheinen, welche hier geopfert und
1 Line derartige menschliche Votivstatue als Krieger mag der bei Paus. V, 17, 1 er-
wähnte unbekannte bärtige Mann mit Helm gewesen sein; bei einem Gotte hätte sich
schwerlich jede Tradition so verlieren können. Er stand neben dem Hauptbilde der Hera,
wahrscheinlich nur zufällig, wie die alten Werke im Heraion überhaupt fast planlos durch-
einander standen zu Pausanias' Zeit. Lr war vermutlich aus Mergelkalk wie die Hera
und wird mit ihr den folgenden (joldelfenbeinwcrken von Pausanias als inXä igya ent-
t. Was die unbestreitbare Lücke nach dem vorangehenden dtöe angeht, so
Mute ich jetzt, datt hier ausgefallen ist I"-- [SyaXfia /<_"<■'■< v 09 vQTfXatw dvdfrrjfM
denn diese hochberühmte Statue, die nach AgaklytOI (Müller,
h im HeraiOIl befand, und die Pausanias (V, 2, 3) kennt, konnte
hen. Danach nehme ich an, dafi das grofie Bathron im Heraion
nur das Kultbild d ra tru^, d< len Kopf wir besitzen (vgl. Arch. Ztg. 1879, S. 40).
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 363
nun dem Gotte ihr Abbild weihen, ein Gebrauch, der von Kennern als aus echt semi-
tischer Anschauung hervorgegangen betrachtet wird.1 Die vereinzelten Beispiele, die
wir aus älterer Zeit sonst in Griechenland kennen, weisen auf fremde Einflüsse hin : ein
Kreter ist Cheirisophos mit seinem eigenen Bild und Magneten sind die Arbeiter des
Bathykles; ebenso kleinasiatisch sind die Porträtstatuen am heiligen Wege bei Milet.
Mit den besprochenen Eigentümlichkeiten mag es in Olympia auch zu-
sammenhängen, daß Votivreliefs absolut fehlen; denn seit wir die archaischen
Skulpturen aus dem trefflichen Kalkmergel besitzen, kann dafür der Mangel an
passendem Material nicht mehr angeführt werden. — Jedenfalls sehen wir, daß
die in Olympia wirkenden Elemente nicht diejenigen waren, aus denen die
griechischen Götterideale entstanden; denn diese setzen die Versuche der Götter- 33
bildung wenigstens in primitiven Idolen voraus, wenn dieselben auch anfänglich
so allgemeiner Natur sind, daß dasselbe kleine, durch den Handel bezogene weib-
liche Tonbild den Verehrern der Hera(?) in Mykene und denen der Pallas (?)
auf der Burg in Athen genügt.2
Das einzige, das die Aschenschichten olympischer Altäre für bestimmte Kulte
Charakteristisches geliefert haben, sei indess hier erwähnt: nahe dem Altare an
der Westseite des Metroons wurden in der tiefsten Schicht mehrere wohl er-
haltene Kymbala gefunden, die ohne Zweifel dem Kulte der /<>/t?/o dscöv zu-
zuschreiben sind, für welchen ihr Gebrauch schon durch ein Zeugnis Pindars
(Fragm. 48 Böckh) feststeht [IV S. 70]; sie sind aus dünnem Blech gehämmert
und stimmen hierin wie in den Dimensionen (Durchm. 0,13) mit einem in Dodona
gefundenen (Carapanos Taf. 54, 4) überein.3 An einem der olympischen ist in
der Mitte der gewölbten Außenseite noch ein schön profilierter, großer, ge-
gossener Griff erhalten; gleiche Griffe fanden sich mehrfach in der Altis zerstreut.
Die besondere Wichtigkeit dieser Kymbala besteht darin, daß sie das hohe Alter
des Kultes der Rhea in der Altis bestätigen und die Richtigkeit derjenigen zahl-
reichen Fingerzeige bekräftigen, durch welche die Tradition uns für die Herkunft
der ganzen Gruppe der Hauptkulte Olympias auf Kreta weist.
Nicht minder interessant ist uns eine Reihe kleiner Votivdoppelbeile aus
Blech, die in tiefster Schicht sowohl beim Altar an der Westseite des Metroons
als bei dem an der Südseite des Heraions und endlich im Nordwesten des Zeus-
tempels sich fanden [IV S. 71]; einige sind mit gravierten konzentrischen Kreisen
1 Es ist dies die von Renan (Revue archeol. 1879, S. 321 ff.) und Chanot (Gaz.
archeol. 1879, S. 187 ff.) vertretene Auffassung.
2 Idole aus derselben Fabrik wie die Mehrzahl der mykenischen Vasen wurden in
Mykene wie auf der Akropolis in Athen gefunden.
3 Zu vergleichen sind ferner die zwei alten gegossenen Bronzekymbala, die
M. Fränkel (Arch. Ztg. 1876. Taf. 5) als solche erkannt und einem Kulte der Köre in
Thessalien und dem der Artemis Limnatis am Taygetos zugewiesen hat. Dieselben zeigen
ebenfalls Löcher für einen Griff. Die Form der altägyptischen und assyrischen Cymbeln
war übrigens dieselbe.
| Die i ws Olympia und deren kunstgeschichti.iche Bedeutung.
oder Flechtornamenl verziert. Sie können nur als geweihtes Symbol gefaßt
34 werden und weisen als solches auf den Orient. Bekannt ist die Rolle, welche
Doppelaxt als heiliges Symbol in Kleinasien spielt, hauptsächlich in Karien
in Verbindung mit dem Zeus Labrandeus, in Lydien als königliches Attribut, in
Ciliden in Händen des Sandon von Tarsos (R. Rochette, Mein, d'arch. comp.
Tat. IV. (\ 7), auf Tenedos als Münzwappen. Einflüssen von dort ist wahrschein-
lich ihr Erscheinen anderwärts zuzuschreiben, so namentlich in Mykene, wo sie
aus Goldblech bereits in den Gräbern der Akropolis einzeln und mit einem Stier-
kopfe zusammen, sowie in geschnittenen Steinen erscheint. In der Sammlung
Cesnola hat Doli (Nr. 7685 — 7697) dreizehn kleine Doppelbeile aus Bronze,
wahrscheinlich aus den Gräbern von Alambra stammend, notiert (woher auch
die oben erwähnten Reiter).1 Daß dieselben als Symbol auch der Fabrik der
geometrischen Vasen des Dipylonstils bekannt waren, zeigt die Vase aus Curium
(Cesnola-Stern, Cypern Taf. 68). In Griechenland ward die Doppelaxt in der
klassischen Zeit mit dem Kulte des Dionysos verknüpft (vgl. Daremberg et
Saglio, Dict. des ant. IS. 711 ff.).
Doch kehren wir zurück zu der geometrischen Dekoration und zwar zu dem
-weiteren" Systeme, welchem die dem erstbesprochenen charakteristischen Kreise
mit Tangenten fast gar nicht bekannt sind.
Eine Hauptklasse wird hier gebildet von einer Serie dünner Blechbänder
mit getriebenen Ornamenten [IV S. 45 ff.]. Die einfachsten enthalten nur Reihen
von gestanzten Buckeln, die zuweilen auch die Gestalt konzentrischer
Kreise annehmen. Eine bestimmte Art dieser Buckelreihen, die völlig Nagel-
köpfen gleichen, scheint der altkorinthischen Metallware besonders eigentüm-
lich gewesen zu sein.-' -- Den olympischen sehr ähnliche Blechstreifen haben die
35 ältesten Gräber Italiens geliefert.8 — Komplizierter ist es schon, wenn die ein-
zelnen oder konzentrischen Kreise aus kleinen gestanzten Punkten zusammen-
gesetzt werden, die nicht selten von der größten Feinheit sind. Dieselbe
Technik kommt in Italien und dem Norden vor.4 Ganz vereinzelt zeigt ein
' Hinfache Äxte in Miniaturform als Votivgaben kamen indess auch in Dodona
vor (Carapanos Taf. 54, 6. 7. 9. 10 und Texte S. 100). Verwandt sind auch die Miniatur-
äxte in Gräbern von Hallstatt (Sacken Taf. 8, 1—4 und S. 42).
Her Toreut Apelles bei Asklepiades (Athen. XI p. 488c) bemerkt derartige Buckeln
de an korinthischen Werken und will damit die „Nägel" an Nestors Becher erklären.
Wie zur Krläuterung dessen hat sich in einem alten Grabe zu Korinth ein in Gold-
blech getriebener seltsamer Gegenstand gefunden, der mit Buckelreihcn geschmückt ist,
die völlig die Gestalt von Nagelköpfen, wie wir sie z. B. in Olympia zahlreich finden,
haben (im Um Vre; abgebildet I.indcnschmit, Altert, heidn. Vorz. I, 10 Taf. 4, 2). [Stammt
nehr aus Avanton.)
■imcntlich bei Bologna in den Gräbern des Typus der von Gozzadini, Sepolcr.
pr. a BoL veröffentlichten.
I. I' d is Blechrund n mark bei Conestabile, Sovra due dischi in
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 365
Blech dieser Art in Olympia (Inv. Nr. 7145 [zu IV, 313]) die durch Tangenten ver-
bundenen Kreise.
Am reichsten ist diejenige Gattung, welche die Buckeln mit diesen getriebenen
Punkten verbindet. Der Art ist das in unserer Fig. 6 [= Olympia IV Taf. 20 Nr. 327]
gegebene Stück. Auf den kleineren und feineren Exemplaren pflegen die Punkte
indess nicht gestanzt, sondern nur mit dem Grabstichel graviert zu sein. Genau
dieselbe Technik und teilweise dieselben Motive finden wir auf den Gürtelblechen
von Hallstatt (s. namentlich v. Sacken Taf. 9, 1.6. 7), nur daß die olympischen
durchschnittlich einfacher sind. Nur sehr wenig differiert in der Technik das schöne,
alte, geometrische Bronzeblech ausEuboea bei Bröndsted, Bronzen von Siris,
Taf. VII; die Buckeln sind durch Liniengravierung mit
Tangenten verbunden und von Zäckchenreihen umgeben.
Von der Gattung endlich, welche die Buckeln auf
das geringste Maß reduziert und Kreise und Zickzack
nur durch gravierte Punktierung gibt, bietet Fig. 5 £"'
[= Olympia IV Taf. 19 Nr. 324] ein Beispiel.
Nicht selten werden die Zickzackstreifen durch
den sogen. Tremolierstich gegeben. Auch dies ist
eine in dem weiteren geometrischen Bronzestil durchweg
verbreitete Technik. Wir finden sie immer an Stücken
von hohem Alter, auch in Dodona,1 in Etrurien2
und dem Norden.3 Gefunden wurden die erwähnten
Blechstreifen Olympias hauptsächlich in der Umgebung des großen Zeusaltars
und zwar durchweg in tiefster Schicht. Was die Verwendung derselben be-
trifft, so vermute ich, daß ein großer Teil zur Verkleidung kleiner Holz-
kästchen diente, welche zur Aufnahme der in derselben Altargegend zahlreich
Fig. 5.
1 Siehe das Kymbalon (Carapanos Taf. 54, 4) und die Axt (dort 10).
2 Blechrund aus Perugia bei Conestabile, Sovra due dischi Taf. 1,1.
3 Namentlich in Hallstatt (Sacken Taf. 8, 2; 12, 1), in der Schweiz (Mitt. antiqu.
Ges. Zürich I, Taf. 2, 6 S. 33 in einem Grabe mit sicher etruskischen Dingen zusammen).
6 Da Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
Fig. 7a.
gefundenen, gleich zu besprechenden, kleinen Toilettengegenstände bestimmt waren.
Kästchen mit ähnlichen Geräten werden bekanntlich in den Inventaren des Heka-
tompedos zu Athen als Weihgeschenke von Frauen genannt.1 — Bei den längeren
jener Blechstreifen kann man indess auch an den Be-
schlag lederner Gürtel und Schwertriemen denken
(t&Uz/xcöv), deren Bekleidung mit Metallblech uralter
Gebrauch war. Dies ist auch die Verwendung der
in Hallstatt gefundenen, so sehr verwandten Streifen
(Sacken a.a.O. S. 47 ff.).
Von den genannten, ohne Zweifel von Frauen ge-
weihten Schmuckgegenständen, die meist in der
Altargegend in tiefster Lage sich fanden, betrachten
wir zuerst die Fibeln [IV S. 51 ff.].
Die interessanteste Fibel Olympias ist die in unserer
Fig. 7a und b [= Olympia IV Taf. 22 Nr. 365 u. 365a]
abgebildete.- Das viereckige Blech, das den Hauptteil
derselben ausmacht, ist aufs feinste graviert und zwar
auf beiden Seiten. Der große Bügel ist gegenwärtig
verbogen; seine richtige Lage zeigt die einzige Fibel
genau desselben Typus, die bis jetzt bekannt zu sein
scheint, nämlich die in einem Grabe zu Theben in
Böotien gefundene, leider fragmentierte, welche in den
Annali d. Inst. 1880 Taf. G veröffentlicht und dort von
mir besprochen ist. Die Dekorationsweise steht offenbar
in nahem Verhältnis zu dem durch die „Dipylonvasen"
repräsentierten System. Namentlich ist dies an dem auf
dem thebanischen Exemplare dargestellten Pferde deut-
lich; weniger ist dies bei dem olympischen der Fall;
die vier auf der einen Seite dargestellten Fische3 und
der Vogel mit umgewendetem Halse auf der anderen Seite sind durch linear-
schematische Zeichnung bis zur Unkenntlichkeit entstellt; der Vogel findet die
meiste Analogie in gewissen cyprischen Vasen;4 das Motiv des langen um-
37 gewendeten Halses ist ein auf mykenischen Gefäßen der späteren Gruppe be-
liebtes. — Der Rand ist mit feiner Punktierung und Tremolierstich graviert. —
1 Kleine Blechkästchcn in genauer Nachahmung von hölzernen haben sich als Votive
in Dodona gefunden (Carapanos Taf. 54, 8).
Ocfundcn vor der Westfront des Zeustcmpels. — Von einer anderen dieser Art
hat sich nur der Bflge] (im Prytaneion; Inv. Nr. 7392 [zu IV, 366]) gefunden, der genau
übereinstimmt mit dem Bügel des oben zu nennenden thebanischen Exemplars.
onders der Raumfüllung dienend, sind nicht selten in den „Dipylon-
vasen*, doch sind sie niemals ähnlich reihenweise schematisch aufgestellt.
■ Wie 7.. B. Archacologia 45 Taf. 12,5.
Fig. 7 b.
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 367
Daß indess ein direkt verwandter Typus ganz vereinzelt auch in Italien, ja in
Pannonien vorkommt, darüber vergleiche das in den Annali a. a. O. Gesagte.
Gehört diese Fibel einer besonderen, wie es scheint, kaum nach Westen,
über Griechenland hinaus exportierten Gruppe geometrischer Bronzen an, so
stimmen dagegen die übrigen Fibeln Olympias vollkommen mit denen des
Westens und Nordens überein. Da finden wir zunächst in einem vorzüglich
erhaltenen und mehreren fragmentierten Exemplaren den großen aus vier Draht-
spiralen zusammengesetzten Typus. Derselbe wurde in Italien in etwa dem
sechsten Jahrhundert angehörigen Gräbern gefunden1 und kommt ebenso im
Norden- vor. Ob man in Olympia auch den sonst gewöhnlicheren3 Typus mit
zwei Spiralen kannte, wird durch kein vollständiges Exemplar sichergestellt.
Was die bügeiförmigen Fibeln betrifft, so kommt in Olympia die Gattung
mit dem breiten, segelartig ausgebauchten Bügel mehrfach vor und zwar verziert
mit gravierten Zickzackmotiven. Die Form, der offenbar zum Vorbilde eine Muschel-
art gedient hat, ist von hohem Alter, obgleich wohl später als die mykenischen Alter-
tümer, denen sie noch fremd ist. Ohne Verzierung kommt sie inTroja vor (S ch He-
rn an n, Atlas trojan. Altert. Taf.26Nr. 713 [Hubert Schmidt, Schliemanns Sammlung
Nr. 6432]); in Dodona mit der gewöhnlichen linearen Gravierung; besonders große
Exemplare in Megara, wie es scheint in einem Grabe etwa des siebenten Jahrhunderts.*
In Italien findet sie sich bereits in der Nekropole von Alba Longa (Visconti, Lett.
sopra alc. vasi sep. = Inghirami, Mon. etr. VI, C. 4; vgl. Heibig, Italiker in der
Po-Ebene S. 89 ff.), dann in der Gräberreihe, wo der geometrische Stil herrscht, in
Menge; ebenso im Norden. Die geometrische Verzierung dieser ohne Zweifel vom
Osten überkommenen Form scheint in Etrurien eine besondere Ausbildung erfahren 38
zu haben, der gegenüber die griechischen Exemplare einfach erscheinen.5
Auch die Gattung mit einfachem rundem Bügel6 mit Zickzackgravierung
kommt in Olympia und zwar in einem Exempla* von nicht weniger als 0,12
Länge vor (Inv. Nr. 5705 [IV, 342]). Daß besonders große Fibeln noch zu Herodots
Zeit wenigstens in Aegina und Argos üblich waren, lernen wir aus Herod. V,
87—89; ebendaher entnehmen wir das Zeugnis, daß die Frauen Fibeln zu weihen
pflegten, sowie daß die Frauentracht mit Fibeln als die dorische galt und daß
1 So in Suessula (s. Fiorelli, Notizie degli scavi 1878, Taf. VI, 2, 4, 5 ; v. Duhn
im Bull. d. Inst. 1878, S. 154).
2 So in Hallstatt (Sacken Taf. 13, 10; sonst Lindenschmit, Altert. I, 9 Taf. 2, 8. III,
Beilage zu Heft 1 S. 12. — Sadowsky, Handelstr. der Griechen und Römer, Tafel
Nr. 35—40.
3 In Hallstatt allein durch über 400 Exemplare vertreten (Sacken S. 60).
4 Siehe Gazette archeol. 1879 S. 50, Fr. Lenormant. [Zu dem hier gefundenen
Schmuckstück mit Kopf s. Furtwängler, Sitzungsber. der K, B. Akad. 1906 S. 470.]
5 Den olympischen ähnlich ist z. B. Gozzadini, Sepolcr. etr. Taf. VIII, 11.
8 Der Art wie Lindenschmit a.a.O. 1,9 Taf. 2, 5; Sacken, Grabfeld von Hallstatt
Taf. 13,11.
368 I1 us Olympia und deri n kunstgbschichtliche Bedeutung.
Athen die letztere, wie es scheint, im sechsten Jahrhundert mit der jonischen,
oder nach Herodot ursprünglich karischen, vertauschte, die ohne Fibeln getragen
wurde. Sicher scheint demnach, daß die Fibeln im dorischen Peloponnes länger
im Gebrauch waren, als im Bereiche attischer Kultur. — Endlich wurden in
Olympia auch einfache Drahtfibeln gefunden, genau des auch im Norden vor-
kommenden Typus bei Lindenschmit, Altert. II, 11 Taf. 2, 3 [IV S. 52].
Es haben sich indess in den oberen Schichten auch einzelne Fibeln ge-
funden, die mit den allenthalben verbreiteten, sicher römischen Typen überein-
stimmen [IV & 1S3].1
Der älteste und häufigste Typus der Armringe in Olympia stimmt eben-
falls im wesentlichen überein mit dem in den älteren Gräbern Italiens und nament-
lich des Nordens gewöhnlichen [IV S. 56 ff.]. Es ist der Typus des getriebenen
offenen Hohlringes, an beiden Enden mit einem Knopfe versehen und mit ein-
fachen, gravierten Motiven verziert;2 nur pflegt in Olympia die Außenseite nicht
39 rund gewölbt, sondern dachartig abgeschrägt zu sein; Exemplare wurden in den
tiefsten Schichten gefunden. — Dasselbe ist der Fall bei einigen der aus einem
einfachen Bande bestehenden Ringe, die entweder mit Schuppen und an den
Enden mit angedeuteten Schlangenköpfen oder mit geometrischer Gravierung
geschmückt sind. - Nicht immer leicht zu scheiden hiervon sind die Armringe
spätrömischer, ja byzantinischer Zeit, da hier ebenfalls feine gravierte Punktierung,
Striche und Kreise für kleine Schmuckgegenstände sehr in Mode war; der Typus
im allgemeinen ist der bei Lindenschmit, Altert. I, 12 Taf. 6, 5. 11, aus fränkisch-
alamannischen Gräbern publizierte.
Auch Ohrringe haben sich gefunden, in der Form von nach unten ge-
richteten Pyramiden aus kleinen Kugeln, gleich denen, welche mitunter den Hera-
kopf elischer oder den Pallaskopf korinthischer Silbermünzen des fünften Jahr-
hunderts schmücken [IV S. 185]. Von den besonders durch die südrussischen Aus-
grabungen bekannten Typen attischen Schmuckes des vierten Jahrhunderts hat
sich nie etwas in Olympia gefunden.
Mehrfach kommen auch kleine, gewöhnlich dreifach gewundene Ringe aus
Draht vor, die offenbar wie die ähnlichen der altetruskischen Gräber als Schmuck
der Haarlocken zu betrachten sind. Doch auch ganz einfache, schmucklose,
massive Ringe fanden sich ziemlich zahlreich, besonders in der großen Altargegend
in tiefster Schicht, gewöhnlich von 2—5 cm Durchmesser [IV S. 63]. Ihre Bestim-
Namentlich der Typus bei Sadowsky, Handelstr. der Griechen und Römer, Tafel
X) (derselbe Typus mit lateinischer Inschrift Caylus, Rec. d'ant. I, 94, 8) und der
bei Carapanos, I)odonc Tat 51, 3.
■ l.ine Zusammenstellung desselben aus den ältesten Funden der sogenannten
in Revue archeol. 1867, Taf. 6, 7. Vgl. auch Lindenschmit,
Altert. 1.6 Taf. 4; Mttt antiqu. Ges. Zürich XIV, 6, Taf. 16,3.4.8.24; Caylus, Rec. d'iint.
VII, 61,1.
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 369
mung kann nur die des Schmuckes gewesen sein ; die Gräber von Hallstatt geben auch
hier Aufschluß durch die zahlreichen Funde analoger massiver Bronzeringe besonders
unter dem Kopfe, also für die Haare bestimmt, auch auf der Brust oder am Halse, wo
sie wohl an einer Schnur gereiht getragen wurden ; J ganz gleiche Ringe wurden auch
in altetruskischen Gräbern mit Gegenständen geometrischen Stils gefunden.2
Plump und schwer wie diese Schmuckringe sind auch die Reste der Hals-
ketten aus Bronze [IV S. 62]. Es finden sich in Olympia zunächst die meisten
derjenigen Formen in größerem Formate und aus Bronze wieder, die wir in Glas
bereits aus den Grabkammern von Spata und Menidi kennen. Auch die Formen
der aus Niniveh stammenden Halsbandteile von Achat bei Place (Ninive et 40
l'Assyrie Taf. 75) fanden sich zum Teil ganz gleich in Olympia. Besonders be-
liebt ist hier die Form, die im wesentlichen übereinstimmt mit jenen zahllosen,
kleinen, in Troja und auch in den ältesten italischen Niederlassungen gefundenen
Terrakottagegenständen,3 die ohne Zweifel auch nur als Teile von Schmuck-
ketten aufzufassen sind. Noch genauer stimmen mit den olympischen einige in
Hallstatt gefundene Stücke aus Bronze überein (wie Sacken Taf. 17, 23 — 25),
auch die goldenen aus Vulci im Mus. Greg. I, 79, 3. Der Durchmesser der
Öffnung für die durchzuziehende Schnur variiert in Olympia von 5 — 14 mm; die
Größe ist dem entsprechend. Nur selten sind diese Halskettenglieder verziert,
z. B. mit konzentrischen Kreisen (Inv. Nr. 7080 [IV, 451]. 7153 [IV, 442]).
Zu den hauptsächlich der großen Altargegend eigenen Funden gehören auch
die Schmucknadeln, gewöhnlich 12 — 14 cm lang und von reich profilierten,
gleichsam gedrechselten Knöpfen bekrönt [IV S. 66 ff]. Auch hier finden wir
fast genau dieselben Formen in dem oft genannten Hallstatt (Sacken Taf. 15, 9 ff.
und S. 67). — Diesen alten Typen gegenüber gehören die mit würfelförmigen
oder polygonen Knöpfen, die auch in Hörn vorkommen, indess nur den oberen
Schichten und später Zeit an.4
In diesem Zusammenhange müssen auch die in der Altis nicht seltenen ein-
zelnen Bronzeräder besprochen werden [IV S. 65]. Ein Teil derselben hat
ohne Zweifel zu den oben erwähnten primitiven Wagen und Gespannen gehört;
vielleicht gehörte ein Teil auch zu jener Gattung alter, auf Räder gesetzter Blech-
gefäße, die in Italien wie im Norden gerade zusammen mit anderen, den olym-
pischen völlig entsprechenden Bronzen gefunden werden; die einzelnen Stücke,
um solche Kesselwagen zusammenzusetzen, würden in Olympia nicht fehlen.
Daß der Typus, der schon Homer bekannt ist,5 vom Osten und zuerst wohl
1 Sacken, Grabfeld von Hallstatt S. 74.
2 So in der tomba del guerriero in Corneto (Mon. d. Inst. X, 10*, 26—29).
3 Die beiden Haupttypen von Troja s. bei Schliemann, Atlas trojan. Altert. Taf. 16
u. 13. Sonst Heibig, Italiker in der Po-Ebene Taf. I, 11. 12; II, 10.
4 Ein Exemplar in einem christlichen Grabe; vgl. unten.
5 II. 18, 372 ff. Dreifüße auf Rädern. Od. 4, 131 Ttüagog vnmevxXog.
A. Furtwäneler. Kleine Schriften t. ^4
370 r>'E Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
durch Phöniker1 nach dem Westen sich verbreitete, ist anerkannt. — Uralt ist
ferner die Verwendung des Rades und zwar des einfachen mit vier Speichen
41 als Schmuckgerlt; schon in den ältesten Gräbern Mykenes haben sich ge-
triebene Goldbleche gefunden, welche diese Verwendung des Rades zeigen
(Schliemann, Mykenae S. 234, Nr. 316). In Olympia ist sie nicht minder sicher.
Teils haben die Räder eine einseitige Achsenbüchse in der Mitte zum Durch-
cken eines Stabes oder einer Nadel; dergleichen kamen auch in Mykene vor
Schliemann S. 83 Nr. 120 die kleinen unten); der Typus stimmt in allem
Wesentlichen überein mit den als Krönungen von Haarnadeln gefaßten Rädern
der italischen Pfahldörfer.- Ein solches Rad mit in Relief aufgesetztem Zickzack,
also der Gruppe der „geometrischen" Dreifüße usw. entsprechend, fand sich unter
dem Bauschutte des Zeustempels in Olympia (Inv. Nr. 4799 [IV, 508]). — Die
noch zahlreicheren Räder ohne jede Achsenbüchse waren ohne Zweifel zum An-
hängen bestimmt; ein Prachtexemplar der Art von 0,12 Durchmesser wurde in
der großen Altargegend in tiefster Schicht gefunden; es ist ganz mit Zickzack
im feinsten Tremolierstich bedeckt. Dieser Typus, jedoch mit mannigfachen
Variationen, welche die einfachen olympischen Räder nie zeigen, ist ebenfalls
ein in den ältesten Niederlassungen in Italien und dem Norden gewöhnlicher,3
wo der Zweck des Anhängens nicht selten durch eine Öse unzweifelhaft wird.4
Hin kleines Rad aus Blei mit eigener Öse zum Anhängen in Olympia [IV, 470] ist
völlig gleich mit in Mykene gefundenen aus Bronze (Schliemann S. 83 Nr. 120,
vgl. S. 125).6
Am Schlüsse der Betrachtung der Schmuckgegenstände, deren Analogien
42 wir jedesmal in den ältesten Funden des Westens und Nordens fanden, bemerken
wir indess, daß eine der Hauptrubriken unter den letzteren sich in Olympia gar
nicht findet: das dort so beliebte Kettengehänge mit kleinen Klapperblechen
u. dgl.a scheint in der Altis unbekannt gewesen zu sein. Es gehört mit zu den
mannigfaltigen näheren Analogien der alttrojanischen — von der des südlichen
1 Die Becken auf Rädern vor dem Tempel Salomos. [Sitzungsber. d. bayer. Akad.
d.W. 1899 S. 411 ff.]
* II eibig, Italiker in der Po-Ebene, S. 89 und Taf. 1, 6. II, 6. Mitt. ant. Ges. Zürich
XIV, 6, Taf. 2, 12. 13.
* Siehe die reiche Zusammenstellung von H. de Longperier in Revue archcol.
r, II, S. 313 ff., 397 ff., Taf. 24. 25. — Corneto, Tomba del guerriero, Mon. d. Inst. X,
10b, 24. 25. — Vgl. auch Lindenschmit, Altert. 111,4 Taf. 1.
1 Vgl. außer Revue arch. a. O. Sophus Müller, Bronzezeit S. 120; Troyon, Habit,
lacustr. Taf. XI, 8.
hin einfaches Rad aus Dodona mit Weihinschrift an Aphrodite aus etwa dem
4. Jahrhundert (Carapanos, Dodone Taf. 26, 1) ist wahrscheinlich nicht als Schmuckgcr.it,
lern als Symbol zu fassen; ganz sicher gehörte es nicht zu einem der alten Wagcn-
gefäL Heuzey a. O. S. 230 vermutet.
* Vgl. z. B. v. Sacken, Hallst.itt Taf. 13
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 371
ägäischen Meeres ganz verschiedenen — Kultur mit der altitalischen, daß auch
dort jene Gehänge erscheinen.1
Wenn ferner auch eine Reihe kleiner Verschiedenheiten einzelner Details'2
beweist, daß die gemeinsamen Typen an den verschiedenen Orten eine teilweise
verschiedene Ausgestaltung erhielten, so bleibt doch eine Fülle des Übereinstim-
menden übrig, welche den ursprünglich gleichen Ausgangspunkt der genannten
Bronzegegenstände in Griechenland, Italien und dem Norden erweist.
Es ist charakteristisch, daß dieses Gemeinsame der Formen und der De-
koration hauptsächlich im Gebiete der kleinen Schmuckgegenstände oder der ge-
triebenen Gürtel und Kästchenbeschläge herrscht, also in Dingen, die sich gerade
zu weitverzweigtem Handel eignen.
Indem wir bis jetzt nur die mit der geometrischen Dekoration zusammen-
hängenden Funde Olympias überblickten, haben wir dennoch einige Rubriken
wie die der alten Schmuckgegenstände und die der Dreifüße bereits ganz er-
ledigt. Eine Reihe anderer Gefäßgattungen und manche getriebene und gestanzte
Blechverkleidungen bleiben uns indess noch, an denen jenes ganz verschiedene
Dekorationssystem zur Anwendung gekommen ist, das man als „orientalisch"
dem „geometrischen" entgegenzusetzen gewöhnt ist. Pflanzliches Ornament und
die Einführung von wilden und fabelhaften Tieren unterscheiden diesen Stil in der
Tat scharf von dem vorigen, der sich, was die Tiere betrifft, fast nur auf Pferd,
Rind und Vogel beschränkt, welche ihn in derselben Formgebung und Ver-
wendung auf seiner Wanderung begleiten; denn daß jene Tiergattungen den 43
wirklich in Italien und dem Norden vorhandenen am besten entsprachen, muß
nur als Zufall betrachtet werden, der jene Verbreitung begünstigt, nicht aber
hervorgerufen haben kann; vielmehr sahen wir, daß jene Tiere durchaus nur zu
dem bestimmten Formenvorrate gehören, der eben von Osten her übertragen
wurde. — Eine wesentlich geringere Ausbreitung hat der „orientalische" Stil,
zu dem wir uns jetzt wenden, gefunden, indem er sowohl nördlich jenseits des
Apennin, als noch mehr jenseits der Alpen, also da wo das „geometrische"
System früh Fuß gefaßt und eigene Wurzeln geschlagen hatte, fast gar nicht
erscheint, wohingegen Etrurien südlich des Apennins uns die schätzbarsten,
direktesten Analogien für die olympischen Funde jenes Stiles geliefert hat.
Unsere erste Aufgabe muß sein, die in Olympia vorhandene älteste Gruppe
der Werke des neu zu betrachtenden Stils zu suchen, und deren historische
Stellung im Verhältnis zu dem anderwärts Erhaltenen zu fixieren [IV S. 98 ff.].
Wenn man bisher wohl allgemein eine natürliche Aufeinanderfolge des geo-
metrischen Stiles als ersten und des „orientalischen" als zweiten in Griechen-
1 Schliemann, Atlas Trojan. Altert. Taf. 206. 209 [Hubert Schmidt, Schliemanns Samm-
lung Nr. 5876]. Die ursprüngliche Idolform der kleinen Bleche ist noch deutlicher in Hall-
stadt (v. Sacken, Taf. 13,8).
2 Deren Nachweis nur im Verein mit umfänglicher Publikation geschehen könnte.
24*
nde mjs Olympia und deren kunsi geschichtliche Bedeutung.
Luid annahm, so wurde diese Auffassuno- neuerdings durch die Ausgrabung der
ältesten Graber von Mykene völlig widerlegt, indem dieselben zeigten, daß der
dort namentlich in den üoldfunden herrschende Stil nur eine beträchtlich ältere
Stute desjenigen ist, der bis dahin als der „orientalische" bezeichnet wurde; und
dazu kommt, daß, wie wir bereits oben (S. 8[S.343]) bemerkten, schon jene ältesten
Griber eine besondere Gruppe geometrischer Tonvasen enthält gegenüber der
freilich viel bedeutenderen Klasse mit rein vegetabilischen Ornamenten. Wir
haben also von der ältesten bis jetzt in Griechenland bekannten Epoche an, die
zwei Dekorationsweisen als zwei nebeneinanderlaufende Serien zu verfolgen. Die
eine derselben, die „geometrische", haben wir bereits in Olympia betrachtet, wo
wir namentlich speziellen Anschluß fanden an ein System (das der „Dipylonvasen"),
das, wie aus den Gräberfunden her-
vorgeht, sicher später ist als die
„mykenische" Kulturepoche. [Vgl.
Furtwängler, Deutsche Rundschau 34
(1908) S. 245 ff.]
Wenden wir uns nun zu der andern,
der vegetabilisch - „orientalischen"
Serie in Olympia, so werden wir hier
vergeblich suchen nach der Fülle der
aus einigen Grundmotiven sich in
immer neuenVarianten entwickelnden
44 vegetabilischen Ornamentik, die uns in den zahllosen, auf Jahrhunderte zu verteilenden
„mykenischen" Tongefäßen (der Gattung mit glänzendem Firnis) erhalten ist.
Gleichwohl läßt sich in Olympia wenigstens ein Anschluß an dieselbe nach-
weisen, der völlig demjenigen entspricht, den wir in einer gewissen Vasengattung
begegnen, die wir auch sonst durchaus als Fortsatz „mykenischer" Tradition zu
betrachten haben.
Fig. 8 [= Olympia IV Taf. 42 Nr. 738] gibt den Teil eines getriebenen Bronze-
blechbandes wieder, das ehemals auf einen leicht gerundeten Gegenstand mit kleinen
ein befestigt war;1 dasselbe Ornament erscheint wenig modifiziert auch auf
anderen Exemplaren. a Dasselbe zeigt uns aber in fast identischer Weise die
Gattung der melischen Tongefäße Conzes (s. Conze Taf. 1,4). Das Ornament
ist indess direkt entnommen dem der „mykenischen" Dekoration eigenen Formen-
vorrate; es erscheint, Ffeublättern ähnlich, in Reihen auf firnisbemalten Tongefäßen
nicht selten und zwar schon in dem Tholosgrabe beim Heraion ;8 und es kehrt
Fig. 8.
' Inv. Nr. 3222, vor dem 6. Thesaur gefunden.
0 namentlich Inv. Nr. 4495; 7146 und 7228 [zu IV, 738] beide aus der tiefsten
Schicht im östlichen Teil des Pelopion.
Siehe Myk. Tongettfle, herausgegeben von A. Purtwingier und G. I.öschckc, 1879,
Taf - .<ment von außerhalb der Grübet s. S c h 1 i c m a n n , Mykenac Taf. 1 2, Nr. 58.
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 373
ferner einzeln in Glasverzierungen derselben Epoche wieder, die in Attika sowohl
in dem Grabe bei Spata,1 als in dem bei Menidi gefunden wurden. Die einzige
Abweichung von diesem Typus, nämlich die Füllung des Innern mit kleinen Blätt-
chen ist den melischen Vasen und den olympischen Bronzebändern gemeinsam.
Diese Gemeinsamkeit ist auch noch an einigen anderen Ornamenten zu be-
obachten: so kommt das, Conze, Mel. Tongefäße Taf. 1,7 unten erscheinende,
dem eben besprochenen sehr verwandte Ornament in Olympia in gereihter Wieder-
holung (eins über dem andern) mehrfach vor.2 Hierher gehört endlich auch das in
unserer Fig. 9 [= Olympia IV Taf. 42 Nr. 740] dargestellte getriebene Bronzeband,
das offenbar zusammenhängt mit einem ebenfalls auf melischen Vasen (Conze, 45
Taf. 1,7) vorkommenden Ornamente.3 — Endlich kommt auch das aus einzelnen
Spiralen zusammengesetzte Band der
■*■ r r f> y ^f»p-f~f~ V./« 1*
melischen Vase bei Conze, Taf. I, 2,
ebenso in Olympia vor.4
Andererseits lassen sich noch
eine Reihe von Motiven nachweisen,
welche jene melischen Vasen der spä-
teren „mykenischen" Malerei entlehnt
haben (so die Vertikalbänder mit den
seitlichen Ansätzen Taf. III und die
meisten der kleinen Füllmotive), eine
bedeutsameTatsache,dasie zeigt, daß
die „mykenische" Ornamenttradition zur Zeit der melischen Vasen noch nicht ganz
erstorben war. Zum Teil dieselben kleinen Füllmotive „mykenischen" Ursprungs
finden wir aber auch in der der melischen nahe verwandten, doch wohl etwas
späteren Vasengruppe, die vorwiegend in Camirus auf Rhodus gefunden wurde.
Unter diese gehört nun aber auch die bekannte Schale mit den Beischriften des
Hektor, Menelaos und Euphorbos (Salzmann, Camirus Taf. 53) und mit demselben
Ornamentapparat. Hierher gehört aber auch die in Caere gefundene Vase des Aristo-
nophos [Wiener Vorlegeblätter 1888 Taf. 1,8], deren Eigenart sich unmittelbar an
die „mykenische" Tradition anschließt, vor allem in Technik, Form,5 Zeichnung der
1 Abgebildet 'A&jvcuov 1877, Taf. 3, 34. Bull, de corr. hell. 1878, Taf. 15, 3.
2 So Inv. Nr. 3737 [IV, 744], 2970, 781 [zu IV, 743].
3 Ein der olympischen Form völlig entsprechendes Beispiel kann ich bis jetzt nicht
nachweisen; die auf der melischen Vase erscheinende Form (mit Füllung von Blättchen
und Fehlen der Lotosblüten) ist indess eine auf Produkten sicher phönikischer Herkunft
sehr gewöhnliche (vgl. nur z. B. Musee Napol. III, Taf. 18, 3. 4).
4 Inv. Nr. 3182 [IV, 750].
5 Der helle Ton, die geglättete gelbe Oberfläche, der braunrote Firnis, mit breitem
Pinsel aufgetragen, die für einiges Detail aufgesetzte weiße Farbe, die Vasenform (mit
Ausnahme des höheren Fußes), Behandlung des Randes usw. ist alles dem „Mykenischen"
auf das Allernächste verwandt. Die einzige Vase ungefähr derselben Art, die ich kenne,
ist die aus Griechenland stammende in München, Nr. 171 [771].
Fig. 9.
; Dn : <vs Olympia und deren kunstgeschichtuche Bedeutung.
menschlichen Figur und (bis auf d;is Pentagramm) selbst der Füllornamente. Der
offenbar In ionischem Alphabete geschriebene Künstlername zeigt bereits das stehende
ma mit vier Strichen, das über das sechste Jahrhundert hinaus noch nicht nach-
lesen ist; doch da dieser Umstand zufällig sein kann, so dürfte die Vase des
sonstigen alten Charakters wegen noch ins siebente Jahrhundert gehören. Die Schale
von CamilUS darf dagegen mit Sicherheit vor 01.47 gesetzt werden.1 Einen be-
16 stimmteren terminus post quem vermissen wir allerdings, doch dürften auch die
Dielischen : Gefäße schwerlich weit über das siebente Jahrhundert hinausreichen. -
Die erwähnten Vasen, die gerade auch in der Darstellungsweise menschlicher
Figuren ebensosehr von den „geometrischen" abweichen, als sich an die „my-
kenischen" anschließen, bieten uns die ältesten Darstellungen griechischer Sage,
die wir besitzen; auf sie folgen dann gleich die altkorinthischen Produkte. Dieser
Strom also, der von der mykenischen Fabrikation ausgehend zu der sogen,
.orientalischen" Dekoration führt, dieser selbe Strom führt auch zu der rein helleni-
schen Kunstentwickelung selbst. Fremd steht ihm das geometrische System der
..Dipylonvasen" gegenüber, in denen zwar kein spezifisch hellenischer Zug zu
erkennen ist, obgleich sie im Allgemeinen den obgedachten Vasen gleichzeitig
sind und mannigfaltigen Einfluss auf sie geübt haben. So enthalten namentlich
die melischen Gefäße Motive, die sie sicher von jenen Dipylonvasen entlehnt
haben; die Annahme, daß die ersteren später als die letzteren und der regel-
mäßige Übergang vom geometrischen zum orientalischen Stile seien, widerlegt
sich jetzt schon dadurch, daß jene ja auch an die „mykenische" Gruppe an-
knüpft, die den „Dipylonvasen" sicher vorangeht. Daß die letzteren gerade im
siebenten Jahrhundert sicher verbreitet waren, habe ich von einem einzelnen
Punkte ausgehend, in den Annali dell' Inst. 1880 zu zeigen gesucht; wahrscheinlich
waren ihre Ausläufer in Attika noch im sechsten Jahrhundert geläufig.8 Ihre
Einwirkungen sind also die einer gleichzeitigen Erscheinung; sie lassen sich
außer in den melischen auch in anderen Vasengruppen nachweisen, die eigen-
tümliche Zwischenstellungen zwischen den beiden dekorativen Systemen ein-
nehmen und offenbar dem siebenten und sechsten Jahrhundert angehören; das
geometrische System wiegt vor bei einer besonders im Phaleron gefundenen
Klasse,* wogegen eine andere direkte Beziehungen zur korinthischen hat und als
1 Siehe Kirchhoff, Studien !, S. 42.
Dei für diese von anderen angenommene terminus post quem in der siebensaitigen
Lyra (Conze, Taf. IV), die Terpander erfunden haben soll, ist wohl hinfällig, da gleiche
Lyren mit sieben Saiten und mit Plektron gespielt, schon auf altägyptischen Monumenten
17. und 18. Dynastie erscheinen (s. Possei lini, Mon. d'F.g. I, 28; Prisse d' Avenues,
l'art egypt. II, Abteil, „dessin", Taf. „musiciens et danseuses"; auch Wilklnson,
■ ms II, S. 2'Jl).
' Vgl. 0. Löachcke, Annali d. Inst. 1878, S. 30G ff.
Nur kleine Qefäfie; es sind namentlich: Collignon [et Couve], Cat. des vases peints
Nr. 119 [407]; 121 [408] mit Flügelpferd; 122-125 [411. 415. 410]; ferner Vasen-
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 375
deren Vorstufe erscheint,1 während eine dritte2 geradezu Form und Dekoration der
Dipylonvasen mit Figurenzeichnung der korinthischen verbindet. Erst zu Ende
des sechsten und sicher im fünften Jahrhundert ward die griechische Dekoration
ausschließlich auf die aus Lotos und Palmette entwickelten Motive beschränkt.
Derselben Entwicklungsstufe, die wir an den oben besprochenen Bronze-
bändern Olympias erkannten, begegnen wir nun aber auch bei den übrigen
Haupterscheinungen der „orientalischen" Dekoration in Olympia, d. h. der Stufe
und dem Kreise, aus welchem im achten und siebenten Jahrhundert jene indi-
schen und rhodischen Vasen hervorgegangen sind, d. h. es erscheinen die
„orientalischen" Motive in ihrer ersten nachweisbar hellenischen Umbildung.
Wir können diesen Satz erweisen, indem wir die Geschichte eines Haupt-
motives etwas im Detail verfolgen; es ist die Geschichte des Greifes, der, wie
wir sehen werden, in den olympischen Bronzen eine der wichtigsten Rollen spielt.
[Vgl. Furtwängler in Roschers Myth. Lex. Art. Gryps und Gemmen III S. 43.]
Trotz des zahlreichen Vorkommens erscheint der Greif in Olympia im wesent-
lichen nur in einer Bildung, das ist mit einem Adlerkopfe, doch mit zwei
emporstehenden Ohren und einem hornartigen Auswüchse in der Mitte, dazu
mit weit aufgerissenem Schnabel. Genau dieselbe Bildung erscheint aber
zuerst auf der oben charakterisierten Gruppe rhodischer Vasen,3 während in der
vorangehenden Epoche weder in Griechenland (Mykene), noch im Orient trotz 48
verschiedener vorhandener Bildungen sich doch jene durchaus nicht findet.
Die ägyptischen Monumente haben uns eine Reihe ältester Darstellungen
des Greifs aus c. 1600—1200 v. Chr. (18. bis 20. Dynastie) erhalten, die alle
einen Typus zeigen (Typus Ä), indem der Adlerkopf oben einen Kamm trägt,
der aus drei bis vier (selten mehr) oben gekrümmten Linien besteht und offen-
bar dem Vorbilde einer anderen Vogelgattung, etwa, wie Sachverständige mir
mitteilen, vom Pfauenkranich entlehnt ist. Schon zu Thuthmes III. Zeit sehen
wir einen solchen Greifenkopf als Gefäßdeckel verwendet;4 derselbe zeigt auch
bereits den in der ganzen nun folgenden Entwicklung bis zum fünfzehnten
inventar des Varvakions (nicht bei Collignon), Nr. 28 mit vier primitiven Gespannen;
Nr. 46 mit Vogel. Auch die Amphora mit den Psychen (?) Collignon Nr. 116 [469]. Auch
das Münchener Gefäß bei Lau, Griech. Vasen, Taf. VII, 1 [1352] mit Sphinx gehört hierher.
Die Zeichnung des Figürlichen weicht durchaus von den „geometrischen" ab. [Archäol.
Jahrb. 1887 S. 44 ff.]
1 Es ist dieselbe, die Heibig, Die Italiker in der Po-Ebene, S. 84 ff., bespricht. [„Proto-
korinthische" Gattung, vgl. Furtwängler, Arch. Zeitung 1883 S. 153.]
2 Nur in wenigen Beispielen erhalten; hierher ein von Aegina stammendes Fragment im
Berliner Museum mit Inschrift ('Agsnvla), deren Formen sowohl zu Athen als zu Aegina
passen. [Berlin 1682. Furtwängler, Arch. Zeitung 1882 S. 197.]
3 Longperier, Mus. Napol. III, Taf. 8 = Salzmann, Necr. de Cam., Taf. 32; Mon.d.
Inst. VIII, 5, 1. 2 „von den Inseln".
4 Prisse d'Avennes, Hist. de l'art egypt. d'apres les monuments. II, „art industriel",
„vases du pays de Kafa".
j Du I unde aus Olympia und deren kunstüeschichtliche Bedeutung.
Jahrhundert herab meist festgehaltenen, später häufig verdoppelten, lockenartigen
Zierat, der an den Seiten des Halses herabläuft, doch von keinem natürlichen
Vorbilde entnommen scheint. Es folgt aus der neunzehnten Dynastie die Dar-
stellung eines Gefäßes, mit zwei ebensolchen Greifenköpfen zu den Seiten eines
Patäkenkopfes als Deckel;1 ferner aus der zwanzigsten Dynastie und zwar unter
den im Grabe Ramses III. dargestellten Geräten ein goldenes Kästchen mit der
offenbar in flachem Relief zu denkenden Darstellung eines laufenden Greifes in
ganzer Figur,- ferner in demselben Grabe ein Schild (?) mit zwei dem vorigen
genau entsprechenden Greifen gegenüber, :1 endlich dieselbe Bildung an anderen
Gefäßen und Schmuckgeräten derselben Zeit.4
49 Es sprechen verschiedene Anzeichen dafür, daß diese greifengeschmückten,
meist goldenen Geräte nicht von ägyptischer, sondern phönikischer Hand ge-
fertigt waren. Gerade das älteste der genannten Beispiele ist ein aus dem Lande
Kefa gebrachtes Beutestück, das allgemein für Phönikien angesehen wird;0 auch
anderes weist auf fremden Ursprung hin;6 vor allem aber ist ein feines Bronze-
relief im Louvre,7 das nicht nur in der Bildung des (einen Löwen zerfleischenden)
Greifes, sondern auch in der überaus charakteristischen Füllung des Raumes mit
eigenen Blütenstengeln vollkommen mit dem Goldkästchen im Grabe Ramses III.
übereinstimmt und noch viel deutlicher als das letztere einen vom ägyptischen
durchaus verschiedenen Stil erkennen läßt; dazu kommt die Gruppe des den
Stier zerfleischenden Löwen, die ebenfalls auf Phönikien weist; wir besitzen hier
also ein phönikisches Originalrelief aus c. 1200 v. Chr. Wohl etwas späterer
Zeit gehört ferner ein Steinrelief aus Phönikien selbst, aus Arados, an (Longperier,
Mus. Nap. III, Taf. 18, 3), das uns jenen selben Greifentypus zeigt; genau die-
selbe Gruppe dieses Reliefs, nämlich zwei Greife zu den Seiten eines sicher von
1 Ebenda: „offrandes de Seti I et de Ramses II".
Ivbenda: .vases du tombeau de Ramses III" ; schlechter und kleiner bei Wilkinson,
Manners and customs III, S. 226 und S. 23, aus welch beiden Abbildungen die bei Ger-
hard, Akad. Abhandl. Taf. IX, 1, zusammengesetzt ist.
* Rossellini, Mon. d'Egitto, II, 121, 27; (ebenda Taf. 90, 6 sind sicher keine Greife).
4 Prisse d'Avennes, a. a. O. „coli, de vases du regne de Ramses III" ; ebenda „choix
de bijoux de div. epoches" Nr. 14 und „vases en or emaille, 19. 20 dyn." Nr. 4 = Ros-
sellini 11,58,1 -- Wilkinson II, S. 348. — Ich füge noch hinzu, daß nach Mit-
teilung des Hrn. Dr. Stern, in einer Inschrift der 19. Dynastie, der Greif als hiero-
glyphisches Zeichen (für .Schnelligkeit") vorkommt.
* Vgl. B r u g s c h - B e y , Gesch. Ägyptens, S. 208. [Dagegen Keftiu = Kreter : Furtwängler,
men Iil S. 17.)
So in dem zweiten der obigen Beispiele die Verbindung mit dem ebenfalls ur-
nglich wahrscheinlich phönikischen Patäkenkopf; unter diesen selben „offrandes de
S<tl I et de Ramses II- befindet sich auch eine ebenfalls in Ägypten fremde Flflgelsphinx.
' Lajard, Culte de Mittire Taf. 47, 1 ohne Provenienzangabe; dasselbe abgebildet
bei Longperier, Mus. N.ipol. III, Taf. 21, 4 als aus der (ägyptischen) Sammlung Salt
$Ummt :h mit richtigem Takte als „phönikisch" bezeichnet.
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 377
der phönikischen Kunst, doch völlig nach ägyptischen Motiven entwickelten,
ornamentalen „Baumes",1 kehrt in einer cyprischen Silberschale2 wieder, doch
so, daß (falls die Abbildung genau ist) nur der eine Greif den Kamm unseres
Typus A zeigt, der andere ohne Kamm dem Typus C angehört. Endlich erwähne 50
ich, daß eine ohne Zweifel phönikische Elfenbeinarbeit aus Niniveh3 ebenfalls
Greife des Typus A zeigt.
Aus letzterem entwickelt ist offenbar der den assyrischen Werken selbst
eigene Typus (B), wo der Kamm zu einer den Nacken herauflaufenden Mähne
aus kurzen, stehenden Federn geworden ist, die keinem Naturvorbilde mehr ent-
spricht.*
Andererseits tritt schon früh auch im Bereiche phönikischer Arbeiten der
Typus C auf, der jeglichen Kopfaufsatzes entbehrt und einen einfachen Adler-
kopf zeigt. Hier sind voranzustellen die, in einem der Gräber der Akropolis
Mykenes gefundenen, in Gold gepreßten Greife (Schliemann S. 205 und 211)
und der rohe Greif eines der Tongefäße dieser Gräber; ferner die ohne Zweifel
phönikischen Bronzeschalen von Niniveh, die nach ihren Fundumständen ins
neunte Jahrhundert gesetzt werden (Layard, Mon. of Nineveh II Taf. 60; mit
ägyptischer Krone Taf. 63), denen sich eine der etwas späteren cyprischen Silber-
schalen anschließt (Mus. Napol. III, Taf. 11); die gleiche Bildung zeigen dann
einige geschnittene Steine phönikischer Art aus Cypern 5 und mehrere Metall-
arbeiten durchaus phönikischen Charakters, aus Gräbern in Italien, die dem siebenten
Jahrhundert anzugehören scheinen: so im Grabe Regulini Galassi von Caere6 und
1 Derselbe ist häufig auf den cyprischen Silberschalen und anderen cyprisch-phöni-
kischen Monumenten; da er gewöhnlich (so namentlich von Hei big, in der Besprechung
jener Schalen, Ann. d. Inst. 1876) einfach mit dem „heiligen Baume" der assyrischen
Reliefs identifiziert wird, so betone ich hier, daß er ornamental mit demselben gar
nichts zu tun hat, sondern rein ägyptischen Motiven entsprungen, eine phönikische
Komposition ist; genauerer Nachweis würde hier zu weit führen.
2 Cesnola-Stern, Cypern Taf. 66.
3 Layard, Mon. of Nin. I, Taf. 90, 23.
4 So schon auf den ältesten assyrischen Reliefs von Nimrud unter den Verzierungen
der Gewänder: Layard, Mon. of Nin. I, Taf. 8; 43, 7; 46, 2. In Bronze an der Thron-
verzierung von Nimrud: Layard, Discov. at Nin. 1853, S. 200. Ferner auf assyrischen
Zylindern, z. B. Lajard, Culte de Mithre Taf. 545, 6; 56,6; mit aramäischer Inschrift bei
Levy, Siegel und Gemmen Taf. I, 12, p. 15.
5 Siehe Cesnola-Stern, Cypern, Taf. 81, 29; 80, 15. 17. 18. 19 zum Teil mit ägyp-
tischen Kronen. — Eine sonst nicht vorkommende Art von Kamm zeigt der Stein des
mehr assyrischen Stiles, ebenda Taf. 75, 9. Der sehr an die oben citierte cyprische
Silberschale erinnernde Scarabäus bei King, Antique gems a. rings I, S. 123, 2 (offenbar
derselbe viel schlechter bei Micali, Storia Taf. 46, 8), scheint einen Rest des Kammes von
Typus A zu enthalten, sicher ist es nicht Typus D; letzteres gilt auch von dem Greifen-
kopf aus Elfenbein von Nimrud bei Layard, Discov. at Nin. 1853, S. 362, dessen Aus-
wuchs hinter den Augen nichts mit den Ohren von D zu tun hat.
6 Mus. Greg. I, 62, 11 Silberverkleidung; 11,1 großer Bronzeuntersatz.
g Du : ms Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
in zwei pränestinischen; l in allen drei Gräbern waren zugleich Exemplare jener
cyprisch-phOnildschen Silberschalen.
51 Den letztgenannten phönikischen Produkten gleichzeitig tritt nun auf
etfellos griechischen Monumenten zuerst jener neue Typus (D) auf, der zu
dem Adlerkopfe die ihm bisher ganz fremde Zutat großer Ohren fügt und den
Schnabel nicht wie bisher geschlossen oder halb geöffnet, sondern weit auf-
gesperrt zeigt; dazu kommt noch der, meist von streng profiliertem Knopfe be-
krönte, Aufsatz in der Mitte; beibehalten werden, die am Halse herabgehenden
Locken. Fs ist dieser ebenso strenge als schöne, ebenso kühn von der Natur
abweichende als von allem Phantastischen entfernte Typus, den wir so glücklich
sind als griechisch nachweisen zu können, geradezu eine künstlerische Tat,
eines der ältesten und deutlichsten Zeugnisse davon, wie die griechische ideali-
sierende Gestaltungskraft den vom Orient überkommenen Formen gegenübertrat.
Während ihn die melischen Vasen 2 noch nicht zu kennen scheinen, tritt der
Typus, wie bemerkt, zuerst in jener rhodischen Gruppe auf; dann auch in der
oben erwähnten Gruppe kleiner Gefäße, über die Hei big (Die Italiker S.84) einiges
zusammengestellt hat,3 endlich in den ältesten der korinthische Fabrikation.4
Natürlich ging der phönikische Typus C eine Zeit lang her neben dem
griechischen; einige Grabfunde Italiens sind uns treffliche Zeugnisse für die Art,
wie sich die griechische Kunstindustrie im siebenten Jahrhundert neben der
phönikischen aufarbeitete. In einem Pränestiner Grabe wurde ein Bronzekrater
mit einem Greifenkopfe D, wie scheint ganz der olympischen Art gefunden,5
daneben aber ein oben [S. 353, 1] genanntes Bronzegefäß mit einem Greif des Typus C
52 und eine der cyprisch-phönikischen Silberschalen.6 Auch das neue große Prä-
nestiner Grab zeigt einen Krater mit Greifen D neben jenen Silberschalen und
Bronzereliefs phönikischen Charakters,7 die, wenn sie den Greif enthielten, sicher
1 Aus dem einen das Bronzegefäß, Archaeologia 41, Taf. 6; aus dem andern die Silber-
cista, .Mon. d. Inst. VIII, 26; zum übrigen Grabesinhalt vgl. Archaeologia 41 S. 203 ff.
: Der Greifenkopf, Conze, Mel. Tongefäße, Taf. 4, hat sicher noch keine Ohren, sondern
nur einfachen kammartigen Aufsatz von einer sonst genau so nicht wiederkehrenden Form.
1 Diese innerhalb Griechenlands besonders in Korinth und Aegina gefundenen [„proto-
konrithischen*] Oefaßc zeigen gewöhnlich nur laufende Hunde und Hasen, in seltenen
len auch Sphinx und Greif. — Vgl. oben S. 46 [S. 374].
4 Z. B. kleine Alabastren im Berliner Museum. (Vasenkatalog 1022. 1023.]
4 Archaeologia 41, S. 200; aus der Bezeichnung „griffin or homed snake" ist auf
den Typus mit Ohren zu schließen, was bestätigt wird durch den abgebildeten Löwen-
kopf desselben Kraters von völlig griechischem Typus.
'■ Vgl. Annali 1876, 203, Nr. 10. - Der Annahme Hclbigs, daß diese Schalen
karthagische Produkte seien, kann ich nicht beistimmen; die völlige Gleichheit in
allen technischen Details, Stil und Kompositionsmotiven der in Italien und der in Cypcrn
nen Fxemplarc zeigt, daß sie alle einer Fabrik entstammen; sicherlich sind sie
aber nicht von Karthago nach Cypern importiert worden.
'on. d. Inst. XI, Taf. 2; über den Krater weiter unten.
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 379
Typus C verwendeten. Aus wie verschiedenen Fabrikationszentren die Gegen-
stände dieser Gräber stammen, zeigt das Faktum, daß auch die geometrische
Dekoration hier vorkommt.1 In dem unmittelbar folgenden Gräbertypus herrscht
die griechische Fabrikation schon vor, wie ein Grabfund von Chiusi (Mon. d.
Inst. X, 39a; Ann. 1877, Taf. UV) lehrt, der nicht nur bereits griechische Gefäße
enthält, sondern auch ein reiches Elfenbeinkästchen, das, wie der Greifentypus D
und die Darstellung griechischer Sage2 zeigt, von griechischer Arbeit etwa
auf der Stufe jener rhodischen Vasen ist.
Die älteste griechische Münzprägung zeigt nur den Typus D; so namentlich
die Goldmünzen von Teos, die zu den ältesten nach phokäischem Fuße ge-
prägten gehören;3 auch noch von den (erst nach 544 fallenden) Silbermünzen
Abderas zeigt die ältere Reihe jenen Typus, ebenso die älteren lykischen
Münzen4 (Fellows, Coins of Lycia 1,6; X, 5. 6). Was Vasen betrifft, so er- 53
scheint er nur noch auf altattischen des sechsten Jahrhunderts (namentlich der
Francoisvase) und einigen altetruskischen.5
Im fünften Jahrhundert ist unser Typus bereits erloschen und es entsteht ein
neuer und letzter, welcher die Ohren beibehält, den mittleren Kopfaufsatz und
die Seitenlocken wegnimmt, dafür aber die den Nacken krönende Strahlenmähne
einführt. Letztere erscheint, dem sonst noch alten Typus beigegeben, schon auf
der älteren Serie der Silbermünzen von Teos; die jüngere zeigt den vollen
späteren Typus,6 den ebenso die jüngeren Reihen der abderitischen Stücke auf-
weisen.7 Dieser spätere Typus, der namentlich aus Südrußland durch zahlreiche
1 Vgl. das von mir in Annali 1880 Bemerkte; ferner das Pränestiner Grab, Annali
1866, Taf. GH und Archaeologia 41, S. 2C3; ferner aus einem Veienter Grabe dieser Art
ein rein geometrisch dekorierter Bronzewagen (Archaeol. 41, Taf. 4, 2) des Typus wie er
sonst nur mit „orientalischer" Dekoration vorkommt (Mus. Greg. I, 15; auch das aus dem
großen Pränestiner Grab stammende Fragment, Mon. d. Inst. XI, 2, 9 gehörte wahrschein-
lich zu einem solchen). — Der unmittelbar folgende Grabtypus Etruriens zeigt geometrisch
dekorierte Tongefäße neben altkorinthischen: so in Vei, s. Canina, Veio, Taf. 32. 30; in
Corneto nach Bull. d. Inst. 1877,58. — Ebenso sehen wir in Cypern die lokalen geo-
metrischen Vasen mit jenen phönikischen Silberschalen in demselben Grabe (Cesnola-
Stern, Cypern, S. 235; ebenso die Bronzeschale von Idalion, S. 74).
2 Aus der Odyssee schöpft, wie dieses Monument so auch die, wohl ungefähr gleich-
zeitige Aristonophos-Vase.
3 Siehe Brandis, Münz-, Maß- und Gewichtswesen, S. 181 und die S. 397 auf-
gezählten der älteren Reihe.
4 Brandis a. O. S. 517; Friedländer und v. Sallet, Kgl. Münzkab.2, Nr. 283.
5 L u y n e s , Descr. de vases peints 6. 7 [A. de Ridder, Vases peints de la Bibl. Nat. Nr. 1 7 1 .
Furtwängler, Gemmen III S.85: altionisch]; Canina, Veio Taf. 35 = Campanari, Vasi di
Veio Taf. l;2;Gerhard, Auserl. Vasenbilder 127. [British Mus. B, 57. Furtwängler in Roschers
Lexikon I S. 2221. Dümmler, Kleine Schriften III S. 254.]
6 Brandis a. O. S. 398 ff.
7 Brandis a. O. S. 517 ff.; Friedländer und v. Sallet a. O. Nr. 293— 298.
- ) Pie Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichti.iche Bedeutung.
Monumente dos vierten Jahrhunderts erhalten ist, bleibt nun derselbe durch die
ganze Folgezeil der Kunst.1
Mit dem Auftreten jenes altgriechischen Typus D ist übrigens noch eine
Eigentümlichkeit verbunden, die indess alle Flügelwesen betrifft. Die melischen
und jene rhodischen Vasen sind wiederum die ersten Produkte, welche jene
schöne streng ornamentale und von der Natur abweichende Bildung der Flügel
zeigen, deren Enden nach oben umgebogen sind.2 Nur ein schwacher Anfang
dazu läßt sich auf den oben genannten Gruppen phönikischer Arbeiten (nament-
lich den Metallschalen) erkennen und niemals kommen Flügel jener Art an einem
Greife der Typen A — C vor. Auch hier haben wir eine der ersten Taten des
idealisierenden und streng stilisierenden griechischen Kunsthandwerks.
Als gegen Ende des sechsten Jahrhunderts die persische Kunst auftrat,
lehnte sie sich bekanntlich hauptsächlich an die assyrische an, übernahm aber
dazu die wesentlichsten Errungenschaften, welche die griechische Kunst in Klein-
asien damals gemacht hatte. Dahin gehörte außer dem Prinzip der Faltengebung
54 u. a. auch jene neue Flügelbildung und der Greifentypus D, von dem wenigstens
die Ohren entlehnt und dem assyrischen zugefügt wurden.3
Bevor wir uns nun zu der genaueren Betrachtung der olympischen Greife
und der mit ihnen zusammenhängenden Erscheinungen griechischer, aus den
orientalischen Motiven hervorgegangener Dekoration wenden, erinnern wir daran,
daß wir neben den Anfängen der letzteren in italischen Gräbern noch des
siebenten Jahrhunderts ein Überwiegen rein phönikischer Metallindustrie be-
obachtet haben. In Olympia scheint es nicht wesentlich anders gewesen zu sein,
nur daß letztere wohl weniger mächtig war und etwas früher verschwand. Es wurde
hier zwar keins jener Silbergefäße gefunden, aber doch eine mit diesen direkt zu-
sammenhängende Bronzeschale, deren phönikischer Ursprung, außer durch den
Charakter der Darstellung, durch eine Inschrift außer Zweifel gesetzt wird. Es ist eine
jetzt [im Nationalmuseum, früher] im Varvakion zu Athen befindliche Schale, die,
freilich sehr ungenügend, abgebildet ist bei Euting, Punische Steine (in Mem. de
l'Acad. de St. Petersb. XVII) Taf. 40 S. 33;* daß sie, was in Athen als unsicher be-
zeichnet wurde (Euting a. a. O.), wirklich aus Olympia stammt, kann ich auf das
Sicherste bestätigen, da mir der Mann persönlich bekannt ist, der dieselbe einst etwa
! Die für die Verwendung des Greifs in späterer Zeit sehr reichhaltigen Zusammen-
stellungen Stcphanis (im Compte rendu etc. 1864, S. 51 ff.) ergeben für die hier be-
sprochenen Gesichtspunkte und den ganzen älteren Typus nichts.
/.. B. Conze, Md. TongefSfle, Taf. 4 an den Flügelpferden.
Lajard, .Mitlira Taf. 80; auf Cylindcrn persischen Ursprungs ebenda Taf. 56, 5;
[Ing, Ami. gern« and rings I, S. 135; R. Rochettc, Mem. d'arch. comp. Taf. VI, 16;
atNinlv. 18 ti mit phönikischer (?) Inschrift — Zu den aufgebogenen
1'.. auch den Propylaea-Stter, Rawlinson, Fivc monarch. 8 III, 298.
4 (Olympia IV Taf. 52 S. 141. A. de Ridder, Broiizcs de !a Soc. Arch. 66.]
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 381
eine Viertelstunde unterhalb Olympia l aus dem Schlamme des Alpheios gezogen hat.
Die Inschrift in fein gravierten phönikischen Charakteren übersetzt Euting „dem 55
Nagid, Sohne des Mephac", und faßt sie als Name des Besitzers oder Weihenden;
sie ist ein völliges Gegenstück zu der phönikischen Inschrift der Silberschale
von Praeneste (Mon. d. Inst. X, 32), die ebenfalls Name mit Angabe des Vaters
enthält. Die olympische Schale schließt sich indess weniger an jene Silbergefäße
an, von denen sie schon durch höheres Relief und weniger zierliche, plumpere
Formgebung abweicht. Dafür steht sie in direktester Beziehung zu einer Reihe
längst als phönikisch erkannter Bronzeschalen aus den Ruinen Ninivehs,2 wo
wir denselben Stil, auch dieselbe Art der Einteilung in vier Abteilungen3 und
dasselbe Ornament des Zentrums wiederfinden, d. h. den Stern, dessen Strahlen
sich an einen Kreis schließen,4 ein in den semitisch-orientalischen Monumenten
äußerst häufiges Symbol. Für die in den vier Feldern dargestellten Gegen-
stände, deren genauere Deutung indess Kundigeren überlassen sei, bietet sehr
nahe Analogien die diesem selben Kreise angehörende Bronzeschale von Idalion;5
denn hier wie dort finden wir eine sitzende weibliche Gottheit und einen Altar
davor, ferner eine Priesterin und darauf weiter je eine Doppelflötenbläserin, eine
Harfenspielerin und eine (auf der olympischen Schale tanzende) Tympanon-
schlägerin. Dagegen ist der Stil beider Schalen sehr verschieden; denn während
die unsrige, wie es weitaus die meisten dieser phönikischen Produkte tun, sich
an ägyptische Stilisierung anlehnt, so zeigt die von Idalion einen durchaus
eigenartigen, freilich roheren Stil.
Einer wohl verschiedenen phönikischen Fabrik gehören nun jene zahlreichen,
meist vergoldeten Silbergefäße an, die auf Cypern und in Italien gefunden
wurden; davon sind die letzteren uns namentlich dadurch wichtig, daß sie meist
zu großen Grabfunden gehören, die sich ungefähr ins siebente Jahrhundert
1 In der Nähe des Dorfes Makrysia. Die zufälligen Bronzefunde im Alpheios-
schlamme haben bekanntlich schon die Aufmerksamkeit der ersten Reisenden auf sich
gezogen. Die zum Teil sehr bedeutenden Stücke sind auch meist durch eine weit bessere
Erhaltung ausgezeichnet, als sie den in unserer Ausgrabung der Altis gefundenen eigen
ist. Die Annahme, daß diese Bronzen aus am Alpheios angelegten Gräbern herrühren
(F.Adler in Ausgrab. Bd. I, S. 19), ist völlig abzuweisen; die hier befindlichen Gräber
gehören der byzantinischen Spätzeit an und einige der betreffenden Bronzen sind inschrift-
liche Votive an Zeus, stammen also aus der Altis; endlich sind es meist Waffen, die in
griechischen Gräbern der klassischen Zeit sehr ungewöhnlich sind. Durch die Abzugs-
kanäle mochte vieles nach dem Alpheios geschwemmt worden sein, der überdies ja den
ganzen Hippodrom weggerissen hat. Es ist sehr zu bedauern, daß es der deutschen
Ausgrabung nicht vergönnt sein wird, jene Schätze zu heben.
2 Ihre Auffindung beschrieben bei Layard, Disc. at Nin. 1853, S. 176 ff.
3 Layard, Mon. of Nineveh II Taf. 63.
4 Ebendas. Taf. 61/4.
5 Revue archeol. 1872, Taf. 24 = Cesnola-Stern, Cypern Taf. 9, nach S. 74 in
einem Grabe mit cyprisch geometrischen Vasen.
2 Die I unde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
datieren lassen. Zu den von Heibig (Annali d. Inst. 1876, 199 ff.) aufgezählten
cemplaren sind sowohl neuerdings noch einige aus Cypern gekommen,1 als
auch einige aus alteren Funden in Italien hinzuzufügen; so eine aus Praenestea
und vor allem zwei sehr interessante Gefäße aus Chiusi, von wo dieselben bisher
nicht bekannt waren. Es kann nämlich gar keinem Zweifel unterliegen, daß das
vergoldete, hydrienähnliche Silbergefäß nebst zugehöriger Schale der üblichen
Form bei Inghirami, Mon. etr. III, 19. 20 völlig zu der hier besprochenen Gruppe
gehört, wenn auch wohl als jüngstes Glied derselben. Technik und Stil sind
offenbar dieselben und ebenso stimmen die Darstellungen der drei Zonen
der Schale3 völlig mit denen der übrigen Schalen überein; dagegen weicht
die Komposition des oberen Streifen des größeren Gefäßes insofern etwas ab,
als sie in zwei Hälften zerfällt, die wieder aus zwei sich streng symmetrisch
entsprechenden Teilen bestehen; ferner ist der Gegenstand, der sich auf ein
Üpferfest zu beziehen scheint, und sind namentlich die Faustkämpfer neu, so
daß die Annahme griechischen Einflusses hier sehr nahe liegt; die dargestellte
.-rinnt'-/)] oder jigvXtg scheint in Cypern wie Kreta ursprünglich heimisch gewesen
zu sein. Was die Tracht betrifft, so sehen wir neben einander die ägyptische
Schürze und mit griechischem Helm und Rundschild Bewaffnete; die letzteren
treten indess ebenso an einer der cyprischen Schalen (bei Heibig a.a.O. Nr. III)
unter den Belagerern einer Festung und an einem der praenestiner Gefäße (Mon.
d. Inst. X, 33) auf;4 nimmt man, was durchaus das Wahrscheinlichste, Cypern als
Entstehungsort all dieser Silbergefäße an, so erklärt sich der steigende griechische
Einfluß sehr wohl. Ein weiteres Interesse gewährt jenes chiusiner Gefäß da-
durch, daß es in Etrurien eine etruskische Inschrift erhielt, wie denn ja auch
bereits im Grabe Regulini-Galassi etruskische Inschriften auf Gefäßen vorkommen.
Auch eine andere Gruppe phönikischer Produkte, die in Italien in den-
selben Gräbern mit jenen Silberschalen erscheinen, nämlich die in edlen Metallen
mit Stempeln gepreßten Reliefs mit Reihen bestimmter, sich immer wieder-
holender, geflügelter Tiere, Löwen u. dgl., ist in Olympia vertreten durch ein
schönes Silberrelief, ■ dessen Darstellungen, und zwar sowohl die Löwen8 und
1 Abgebildet bei Cesnola-Stern, Taf. 19. 56,4. 69,4.
-' Kine tiefe Silberschale im Innern mit ägyptisierender Darstellung (Isiskopf), ab-
gebildet Annali d. Inst. 1866, Taf. GH, 4 — Archaeologia 41, Taf. 12.
* Zu den Tierreilien vgl. besonders die Bronzeschalen von Nimrud (L«iyard, Mon.
of Nineveh II Taf. 60. 61). Die Reiter und Fußgänger wie auf den Silberschalen.
1 Dafl die hier dargestellten Helme Griechen charakterisieren sollen, kann nicht be-
zweifelt werden; die späteren assyrischen Helme sind zwar verwandt, doch noch be-
trächtlich verschieden. - Sehr interessant ist in dieser Hinsicht ein persischer Zylinder
(abgebildet Ant. du Bo^phore Taf. 16, 23), der einen persischen Großkönig zeigt im Kampfe
mit einem Griechen in eben jener Bewaffnung. [Furtwängler, Gemmen III S. 121.)
1 Abgebildet in der Abhandlung von F. Curtius, D. arch. Bronzerelief S. 12. [Olympia
IV, 683.]
|Of. 1,84 und 85, 2; 83.
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 383
Sphingen,1 als die einzelnen kleinen Palmetten2 und endlich das geflochtene Band
nebst den konzentrischen Kreisen, einem der gleichzeitigen geometrischen Dekoration
entnommenen Motive,3 sich fast ebenso unter den gepreßten Gold- und Silber-
blechen des Grabes Regulini-Galassi in Caere finden.
In diesen Kreis ist auch ein Bronzerelief mit zwei wappenartig gegenüber-
stehenden Sphingen zu setzen [Olympia IV, 692]. Das die beiden trennende Orna-
ment zeigt die strenge ägyptische Form des Lotos ebenso wie einige der phöni-
kischen Elfenbeinplättchen des großen praenestiner Grabes (Mon. d. Inst. XI, 2,6);
stilistisch steht das Relief namentlich durch den seltsam barbarischen Gesichts-
typus4 der oben genannten Bronzeschale von Idalion 5 am nächsten; die mir
sonsther nicht bekannte Haartour bezeichnet auf einem Relief von Kujundschik 6
gefangene, wahrscheinlich „syrische" Weiber. Endlich füge ich hinzu, daß die
Flügel noch nicht den oben als griechisch erkannten Typus zeigen.
Wir können uns nicht von der Betrachtung dieser phönikischen Gruppe
wenden, ohne der „homerischen" Kunst mit einigen Worten zu gedenken.7
Insofern nämlich die Andeutungen der homerischen Gedichte überhaupt genauere
Vorstellungen zulassen,8 so scheint die denselben vorschwebende Kunststufe die
der Herrschaft einer phönikischen Industrie zu sein, die der in den oben er- 58
wähnten italischen Gräbern (Typus Regulini-Galassi) vertretenen viel näher steht
als der der mykenischen Gräber, jedoch noch vor den Beginn des eigenen, um-
bildenden Schaffens griechischer Arbeit fällt. Gegen letztere Annahme scheint
freilich manches zu sprechen; was indess den „Schild" anbetrifft, so ist schon
von anderen hervorgehoben, daß dessen Beschreibung ohne Zweifel auf der
Anschauung von Werken beruht, die in Komposition und Darstellungen den be-
sprochenen cyprischen Silbergefäßen und Bronzeschalen von Nimrud äußerst
nahe stehen mußten. Ich füge hinzu, daß eine der am meisten charakteristischen
Erscheinungen in den Darstellungen dieser Gefäße sich auch auf dem Schilde
wiederholt. Daß das Bild des den Stier zerfleischenden Löwen zu dem Vorrate
alter semitischer Symbole gehört und als solches meist einzeln wappenartig
erscheint, ist bekannt;9 der Schild zeigt uns dasselbe (II. 18, 573 ff.), aber als
Teil einer lebendigen Szene aus dem täglichen Leben. Ganz dasselbe tut indess
1 Ebendas. I, 83.
2 Ebendas. I, 84 u. 85, 7 die einzeln angehängten Palmetten; ebenso Taf . 64, 10.
3 Ebendas. I, 62, 5 = Grifi, Mon. di Cere Taf. 4, 1.
4 Vgl. auch die Haarbehandlung am Oberkopte.
5 Cesnola-Stern, Cypern Taf. IX.
6 Layard, Mon. of Nineveh II Taf. 19.
7 [Vgl. Furtwängler, Berl. phil. Wochenschr. 1902 S. 451.]
8 Ein großer Teil derselben ist indess so allgemein, daß sie mit gleichem Recht auf so
verschiedene Epochen wie die der Gräber Mykenes und der Italiens vom Typus Regulini-
Galassi bezogen wurden.
9 Vgl. namentlich Usener, De Iliadis carmine quodam Phocaico. Bonnae 1875.
g | DIE Bronzefunde als Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
der Süberkratei von Praeneste (Mon. d. Inst. X, 33); außerdem sehen wir sowohl
ebenda, als auf einer der Schalen von Caere (Mus. Gregor. I, 66) die ursprüng-
lich ebenso symbolische, wappenhafte Gruppe des den aufrechtstehenden Löwen
enden Mannes in die alltägliche Jagddarstellung1 gezogen; ganz dasselbe ist
der Fall mit der zu eben jenem Vorrate gehörenden Gruppe des Löwen, der
eine niedergeworfene menschliche Figur unter seinen Klauen hat, denn auch sie
erscheint als Teil einer gewöhnlichen Jagddarstellung (caeretaner Schale, Mus.
Gregor. I, 66\ von Nimrud, Layard a. a. O. Taf. 65). Man könnte nun versucht
sein, in dieser Umdeutung der, übrigens auf denselben Gefäßen an anderen
Stellen in ihrer symbolisch wappenhaften Vereinzelung vorkommenden Gruppen,
speziell griechischen Einfluß zu erkennen; da jedoch dieselbe Erscheinung sich
bereits an den Kleiderverzierungen der ältesten Reliefs von Niniveh 2 nachweisen
59 läßt, so kann sie nicht erst griechischen Ursprungs sein. — Daß indess in der
Ausschmückung des Einzelnen bei der Beschreibung des Schildes der dichterischen
Phantasie ein großer Anteil zufällt, ist nicht zu bezweifeln; es muß dies, wenn
man anders einen starken Anachronismus beseitigen will, namentlich angenommen
werden bei der Erwähnung von Pallas Athene nebst Ares (v. 516) und von Eris
Kydoimos und Ker (v. 535 ff.); für den Dichter lag es zu nahe, die ihm ge-
läufigen mythischen Personen in die Beschreibung des Kampfes zu fügen. —
An anderen Orten scheiden sich leicht späte Zudichtungen aus. Noch leichter
lösen sich einige andere Punkte, die man gegen den noch rein phönikischen
Charakter homerischer Kunst anführen kann: Interpolationen haben sowohl bei
der Schilderung des reXa/MOV des Herakles,3 als bei der des Schildes des Aga-
memnon stattgefunden, wo namentlich das Medusenhaupt eine spätere Zutat ist;4
eine andere Stelle (die Schilderung der Aegis der Athena), wo jenes erwähnt
wird, läßt bei richtiger Auffassung durchaus nicht den Schluß zu, daß dem Dichter
eine Darstellung des Medusenhauptes in der Kunst bereits vorgeschwebt hätte.5
1 Ein besonders schönes Beispiel fortlaufender Jagdszenen, in denen immer dieselbe
Figur die Hauptrolle spielt, gibt die praenestiner Schale (Mon. d. Inst. X, 31) nach der
von Clermont-Ganneau gegebenen, in dieser Beziehung sicher richtigen Deutung im
Journal asiatique 1878, I, 232 ff., 444 ff.
Layard, Mon. of. Nin. I, 49, 1 (Palast Assurnazirpals): der den stehenden Löwen
•• nde Mann als Teil einer Jagdszene wie auf jenen Schalen.
1 Der Vers Od. XI, 612 bofdrcU it . . . folgt völlig unpassend auf die mit der Kunst
ganz übereinstimmende Schilderung des Tierfrieses; der Vers stammt aus Hes. theog. 228,
wo er, Geborten der L;ris aufzählend, völlig an seiner Stelle ist.
4 In die einem Vorbilde der Wirklichkeit offenbar genau entsprechende, stoffliche und
technische Beschreibung dieses Schildes (IL XI, 32 ff.) sind als völlig heterogener Bestandteil
die u. 37 eingeschoben, welche Gorgo, Deimos und Phobos anführen, ohne den Stoff,
den Ort, das Wie und Wo ihrer Darstellung mit einem Worte anzudeuten, während letztere
Punkte im übrigen mit peinlicher Sorgfalt angegeben sind. [Roseben Myth. Lex. I, S. 1702.)
Schilderung der Aegis (UV, 738 ff.) ist zusammenzustellen mit der desKestoi
;: beiden werden eine Reihe von Kräften als innewohnend aufgezählt, deren
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 385
Es würde hier zu weit abführen und soll an anderem Orte entwickelt werden,
daß der Kunsttypus des Gorgoneion überhaupt kaum über das siebente Jahr-
hundert hinausgeht und daß seine Schöpfung durchaus in gleicher Weise und
ungefähr zur selben Zeit aus einem phönikischen Typus durch griechische Hand
geschah, wie wir dies an dem griechischen Greifentypus oben nachgewiesen haben. 60
Wir wenden uns zur genaueren Betrachtung der Verwendung des letzteren
unter den olympischen Bronzen, indem wir damit das Gebiet der rein griechi-
schen Industrie betreten.1 — Sehr zahlreich haben sich hier die Greifenköpfe
(oder eigentlich Greifenprotomen) gefunden, deren Mehrzahl ohne Zweifel zum
Schmucke von Gefäßen diente [IV S. 119 ff.]. Schon jene auf altägyptischen
Denkmälern dargestellten, wahrscheinlich phönikischen Greifenköpfe sind meist
Gefäßschmuck; doch sitzen sie als Deckel auf und sind unten gerade abgeschnitten,
wogegen die Ansätze der olympischen, wo immer sie erhalten sind, in der Art
schräg abschneiden, daß sie offenbar bestimmt waren, am oberen Rande von
Kesseln zu sitzen, deren Umriß etwa einen Dreiviertelkreis beschrieb. Schon
dadurch wird es unmöglich, sie mit dem oben behandelten Dreifußtypus
Olympias- zu verbinden, wo der Kessel nur einen Halbkreis bildet; abgesehen
davon, daß, bei der Stellung der Henkel an jenen Dreifüßen zwischen den bis
zum Kesselrande gehenden Füßen, es unmöglich wäre, auch noch Greifenköpfe
symmetrisch anzubringen und abgesehen davon, daß letztere dem geometrischen
Systeme jener direkt widersprechen würden. Sie gehörten vielmehr offenbar zu
dem Typus der y.Qarfjgeg oder XeßrjTtg, bauchiger Kessel oben erwähnter Form,
die zum Aufhängen oder für einen Untersatz bestimmt waren und die in alter Zeit
in die Heiligtümer der verschiedensten Gottheiten geweiht zu werden pflegten.3
künstlerische Darstellung dem Dichter natürlich keineswegs im Sinne lag; dasselbe ist
demnach von der in dieser Reihe aufgeführten rogyetq xeipaXrj zu urteilen: die Existenz
derselben im Volksglauben und ihre Verbindung mit der Aegis fällt natürlich weit früher
als die künstlerische Darstellung. Noch weniger schwebt eine solche dem Dichter vor
an der schönen alten Stelle der Odyssee XI, 634.
1 Der hesiodische Schild setzt bereits die Anschauung derjenigen völlig griechi-
schen Stufe voraus, die uns durch die altkorinthischen Gefäße repräsentiert wird.
2 Der oben S. 17 [S.351] erwähnte große Bronzefund im Prytaneion zeigte allerdings
an demselben Kessel, an welchem noch einer der großen Dreifußringhenkel sich in situ
befand, den von oben hereingedrückten und durch eine mächtige Oxydmasse mit jenem
verbundenen oberen Teil eines großen Greifenkopfes der aus Blech getriebenen Art. Er
wird zu einem der anderen Kessel gehört haben, von denen zahlreiche Fragmente umher
gefunden wurden.
3 In das Heraion zu Samos (Herod. IV, 152); nach Delphi waren der berühmte von
Alyattes, von Gyges sechs, von Krösos zwei gestiftet (Herod. I, 25; 14; 51); den Göttern
am thrakischen Bosporos war der große Krater des Pausanias geweiht (Athen. XII, 536 a;
Herod. IV, 81); ein Epigramm der Anyte (Anth. Pal. VI, 153) geht auf einen von einem
Tegeaten der Athena geweihten Xeßijg; zwei solche auf Säulen aufgestellt, als Votive an
Athena zeigt die alte panathenäische Vase bei Salzmann, Camirus Taf. 57.
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. 25
386 Die Bronchi unde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
öl Die olympischen Funde sind die deutlichsten Illustrationen des bekannten, von
den Samiern geweihten Kraters (Herod. IV, 152), l der überdies ein sicheres Zeugnis
für die Existenz des greifengeschmückten Typus griechischer Fabrikation in der
zweiten Hälfte des siebenten Jahrhunderts ist.
Wir unterscheiden zwei Arten unter den Greifenköpfen Olympias; die eine
seltnere, aber offenbar altertümlichere ist ganz aus Blech getrieben über einen
verschwundenen, wahrscheinlich hölzernen Kern. Zu ihr gehört auch der größte
der überhaupt bisher bekannten Greifenköpfe (von 0,65 Höhe): Inv. Nr. 3177
[IV, 797]; die übrigen sind Nr. 1323. 1324. 3822. 5074. 5322. 5485. 1221 [IV S. 119
u. 120]. Die sie von der folgenden Gattung der gegossenen unterscheidenden
Eigentümlichkeiten deuten fast durchweg auf höhere Altertümlichkeit, wenn auch
einiges auf Rechnung der verschiedenen Technik kommen mag. Die maßvolle
Strenge und Hoheit des folgenden Typus ist noch nicht erreicht: die Augen
sind weit hervorquellend und das Stirnbein verschwindet fast ganz; meist fehlt
auch die nach abwärts gebogene, scharfe Spitze des unteren Schnabels; die
Biegung des Halses entbehrt des Schwunges der folgenden Gattung; der dort
als Knopf profilierte mittlere Stirnaufsatz pflegt hier nur als einfacher kurzer
Zylinder gebildet zu sein, ja manchmal sind selbst die Ohren nicht lang und
spitz, sondern niedrig und stumpf. Zu dieser letzteren speziellen Art gehört
auch ein im Piraeus in den Kunsthandel gekommenes Exemplar ungewissen
Fundortes;2 vor allem aber gehören zu ihr die fünf Exemplare des großen
praenestiner Grabes,3 von denen zwei noch an ihrer ursprünglichen Stelle an
dem Kessel sitzen und so definitiv bestätigen, was oben über die Greifenköpfe
gesagt wurde. Sehr auffallend ist nur der Umstand, daß die praenestiner
Exemplare, während sie im übrigen vollkommen mit den letztgeschilderten
olympischen übereinstimmen, nach dem Innern des Kessels zu gerichtet sind,*
62 was in Olympia niemals der Fall gewesen zu sein scheint. Die einzige Ana-
logie ist ein Krater des Grabes Regulini-Galassi (Mus. Greg. I, 16, 1) wo Löwen-
köpfe ebenso ins Innere blickend angebracht sind. Daß indess diese Anordnung
an dem praenestiner Krater nicht die ursprünglich in der (griechischen) Fabrik
beabsichtigte und vielleicht durch lokale Zufälle veranlaßt war, glaube ich daraus
schließen zu dürfen, daß die hinter den Ohren ansetzenden (auch auf der Ab-
bildung kenntlichen) zwei gewöhnlichen gravierten „Locken" bei der jetzigen
1 Auf Greifen-, vielleicht auch Schlangen- oder Löwenköpfe bezieht sich offenbar
auch die Beschreibung des von den Lakedämoniern für Krösos gemachten Kraters bei
Herod. I, 70.
7 Gegenwärtig befindd sich dasselbe im großherzogl. Museum zu Karlsruhe. [Schu-
macher, Bronzen von Karlsruhe 446.]
' Abgebildet in Mon. d. Inst. XI, Taf. 2, 10.
' M licht, daß moderne Restauration diese Anordnung verschuldet habe, wurde
mir von W. Heibig, der so gutig war, auf meine Bitte den Krater von neuem genau zu
untersuchen, auf das bestimmteste verneint.
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 387
Anordnung und den viel zu kurzen Hälsen einfach in der Mitte abgeschnitten
werden, ohne in das ihnen eigentümliche spiralförmige Ende auslaufen zu können.
In einem anderen völlig gleichzeitigen praenestiner Grabe wurde denn auch ein
großer Kessel mit zwei getriebenen Löwen- und einem Greifenkopfe gefunden,1
bei denen ausdrücklich angegeben wird, daß sie nach außen blickten; einen
Krater mit sehr ähnlichen nach außen blickenden Löwenköpfen enthielt auch das
Grab Regulini-Galassi (Mus. Greg. I, 15, 1); in Olympia gefundene Fragmente
gleicher aus Blech getriebener Löwen köpfe mit geöffnetem Rachen werden zum
Teil auch zu jenen Krateren gehört haben. — Daß endlich die Richtung dieser
Köpfe nach außen schon in ältester Zeit die in ähnlichen Fällen einzig übliche
war, zeigen die zahlreichen, besonders unter den Tributen syrischer Völker er-
scheinenden, Gefäße der altägyptischen Gemälde der 18. — 20. Dynastie, die in
ganz analoger (doch keineswegs gleicher) Weise mit mannigfachen immer nach
außen blickenden Tierköpfen geschmückt sind.
Das bedeutendste Interesse des oben genannten Kraters des großen prae-
nestiner Grabes besteht indess darin, daß er außer den Greifen noch zwei ge-
gossene Henkelfiguren in situ angenagelt zeigt, zu denen völlig übereinstim-
mende Exemplare in Olympia zu Tage gekommen sind, deren Verwendung erst
durch jenen Grabfund völlig klar wird. Es scheinen jeweils zweie an zwei
gegenüberliegenden Stellen des Kraters angenagelt gewesen zu sein, und zwar
bestimmt um denselben aufhängen zu können an Ketten oder Stricken, welche
durch die im Rücken der Figuren befindlichen Ösen zu ziehen waren. Ich habe
ein hervorragendes Exemplar aus Olympia in der Archäologischen Zeitung 1879, 63
S. 180 ff. [oben S. 336] publiziert und besprochen; es ist genau derselbe Typus wie
der der praenestiner Exemplare (Mon. d. Inst. XI, 2, 10 a. b), drei andere olympische
sind photographiert in Ausgrab. Bd. IV, Taf. 22. 23. 24 [IVTaf.44]; daß endlich
zwei andere im wesentlichen gleiche Stücke im innern Asien, in Armenien
gefunden wurden,2 habe ich a. a. O. bemerkt und hervorgehoben, daß der Typus
nur die direkte Verwendung eines assyrischen Motives in dekorativem Sinne
ist. — Der praenestiner Fund, sowie die im Verhältnis zu den Greifenköpfen
sehr geringe Anzahl dieser Figuren in Olympia, machen es wahrscheinlich, daß
dieselben nur der älteren Gattung der Kratere mit aus Blech getriebenen Greifen
angehören. Sie mögen hier ein von griechischer Industrie unverändert über-
nommener Rest des ganzen ursprünglich ohne Zweifel phönikischen Kratertypus
sein. Daß die in Armenien gefundenen Exemplare3 auch phönikische Arbeit
sind, wird sich kaum bezweifeln lassen. Andererseits ist unter den olympischen
1 Archaeologia 41 S. 200 Nr. 1, der Löwenkopf von trefflichem, offenbar griechischem
Typus ebendas. abgebildet.
2 Abgebildet in Bull, de l'acad. d. sc. de St. Petersb. 1871, S. 462 ff.
3 Von denen eines eine wie scheint speziell „syrische" Haartracht zeigt, s. Arcb.
Ztg. a. a. O. [oben S. 338].
25
388 11" Bronzi i i mm als Olympia und deren kunstgeschichtliciie Bedeutung.
wenigstens eines, das durch ganz veränderten Gesichtstypus und Haartracht griechische
Umbildung bekundet.' Wir erkennen aus diesen Figuren also, wie enge sich das
beginnende griechische Kunsthandwerk, auch als es schon jenen Schritt der Neu-
schöpfung des Greifentypus getan hatte, noch an die orientalischen Vorbilder anschloß.
Die zweite zahlreicher vertretene Gattung der Greifenköpfe ist gegossen
und das Detail, die Schuppen und die den Hals herabgehenden „Locken" fein
viert; einige Male sind letztere in Relief aufgesetzt. Mit Ausnahme unwesent-
licher Differenzen, wie z. B. im Schwünge des Halses, Angabe oder Weglassung
einiger Details sind die Exemplare alle gleich (Inv. Nr. 1172; 2550; 2575; 3884;
5042; 4159; 5099, 5598; 5843; 5986; 6300; 7200; 7400 [IV S. 122 u. 123];
zwei besonders schöne sind photographiert in Ausgrab. Bd. III, 24 [IV, 806] und
Bd. IV 20 [IV, 805] auch Bd. II, 31 unten r. [IV, 807]). Die Augen waren meist
eingesetzt; bei zweien haben sich darin noch Reste einer weichen weißen Masse,
das eine Mal mit Spuren blauer Farbe erhalten [IV S. 123, vgl. dort Nr. 804]. -
Eine interessante Zutat zeigt ein im Pelopion gefundenes Exemplar (Inv. Nr. 7400
[IV, 791]), nämlich einen oben am Kopfe angebrachten Ring. Während bei der
vorigen Gattung jene Henkelfiguren dazu dienten den Krater aufzuhängen, so war
hier an dem Greifenkopfe selbst die Vorrichtung zu diesem Zwecke.
Mit dieser Gattung genau übereinstimmende Exemplare, und zwar mit dem-
selben Ansätze an den Kessel, fanden sich, ohne Zweifel aus griechischen Fa-
briken importiert, in Etrurien. Leider ist nur ein Grabfund bekannt, der aber
lehrreich genug ist, da sie mit altkorinthischen Tongefäßen sich zusammenfanden, a
also in der unmittelbar der des obigen praenestiner Grabes folgenden Gräber-
schicht. Von den übrigen Exemplaren, die ich mir als mit den olympischen
völlig übereinstimmend notierte, befinden sich zwei im Museum von Perugia,
drei in dem etruskischen Museum zu Florenz (Suppl. Nr. 662; 598; 599), zwei
1 VgL Arch. Ztg. a.a.O. [oben S. 337]. — An demselben Exemplare ist auch hervor-
zuheben, daß die Rückseite des halbkreisförmigen Ringes eine Reihe fein gravierter durch
Tangenten verbundener Kreise zeigt, also eine Berührung mit dem oben besprochenen
geometrischen Systeme, dessen Einwirkung wir gerade auch in anderen Produkten be-
ginnender griechischer Industrie (wie den melischen Vasen usw.) bemerkten. — Eine andere
Eigentümlichkeit eines der olympischen Exemplare, nämlich die rasierte Oberlippe bei
vollem Hackenbartc gesellt sich zu den Abweichungen vom assyrischen Typus, wahrend
sie für die Frage ob phönikisch oder altgriechisch nichts ergibt, weil sie diesen beiden
Kulturbereichen gemeinsam ist. Vgl. Heibig, Im neuen Reich 1875, S. 19 ff., Daremberg
iglio, Dict. des ant. I S. 667 ff. Ich füge nur als besonders lehrreiche Beispiele hinzu
den Elfenbeinkopf von Spata (Bull, de corr. hell. II, Taf. 18, 2) und einige altspartanische
Werke, wie den Krieger (Mitt. d. athen. Inst. III Taf. 1), das Tonrelicf (Lebas, Mon. fig.
Taf. 106) und wohl d;is Rettet von Chrysapha (Mitt. d. athen. Inst. II, Taf. 20. 21), das, wenn
hart her ohne Schnurrbart ist.
3 Hill. d. Inst. 1874, S. 238 aus Corncto; ich habe die Exemplare nicht selbst gesehen,
doch nach der Beschreibung offenbar hierher. Vgl. außerdem Heibig,
lll d. In
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 389
im Antiquarium zu München (Br. Nr. 531; 532) und eins (aus Corneto) in
Berlin (Friederichs, Berl. ant. Bildw. II. Nr. 1442a).
Was die Fundumstände in Olympia betrifft, so fanden sich die Greifenköpfe
besonders in nächster Umgebung des Zeustempels, dann in und beim Prytaneion,1
Buleuterion, Metroon und Pelopion, zum Teil in sehr tiefer Schicht; von zwei, 65
den beiden verschiedenen Gattungen angehörigen Exemplaren, konnte ich kon-
statieren, daß sie unter dem Bauschutte des Zeustempels zu Tage kamen.
In gleicher Weise scheinen an den Krateren mitunter auch Schlangen-
protomen angebracht gewesen zu sein [IV S. 121]; ein phönikisches Vorbild ist
uns in dem Silberkrater des großen praenestiner Grabes erhalten (Mon. d. Inst.
X, 33); in Olympia fanden sich, doch immer fragmentiert und ohne Kesselansatz,
mehrere ähnliche Schlangenstücke (vgl. besonders Inv. Nr. 2071). Über Löwenköpfe
vgl. oben S. 62 [S. 387].
Wurden die Kratere nicht wirklich aufgehängt, so mußten sie auf einen
Untersatz2 gestellt werden. Es dienten wahrscheinlich hierzu die niedern ring-
förmigen und von drei Löwenklauen getragenen Untersätze, die sich einige Male
in der Altis (besonders Inv. Nr. 4336 [IV S. 136]) und in übereinstimmenden
Exemplaren in Dodona gefunden haben (Carapanos, Dod. Taf. 41, 1. 2; 23, 2).
Die Form und Stilisierung der Löwenklauen stimmt überein mit den in Niniveh
gefundenen (Layard, Mon. of Nin. I, Taf. 96, 2. 3).
Ein hoher, nach oben sich verengernder, kunstvoller Untersatz war der be-
rühmte des Glaukos. Derartige werden indess auch einfacher aus einem nach
alter Weise mit Blech überzogenen Holzkerne gemacht worden sein. Ich ver-
mute, daß wir einen der letzteren Art besitzen in dem 0,90 hohen Geräte aus
Bronzeblech im großen praenestiner Grabe:3 Mon. d. Inst. XI, 2, 7. Es ist ein nach
oben sich stark verengender Zylinder, bekrönt von einer Art von Blätterkapitell.
Genau dasselbe Kapitell, nur mit feinerer und schönerer Ausführung der Blätter
'in derselben Technik und derselben Größe, hat sich in Olympia gefunden,4 offenbar
der Teil eines gleichen alten Krateruntersatzes.
Nicht alle Greifenköpfe, um zu diesen zurückzukehren, befanden sich indess
an den Krateren; sie dienten auch anderen dekorativen Zwecken. Sicheres
Zeugnis dafür ist uns ein kleines (H. 0,12) gegossenes Exemplar, das noch an 66
einem hohlen Zylinder sitzt, durch den offenbar einst ein Stab ging.5 — Von
einem Kästchen oder dgl. stammen die kleinen Elfenbeingreife des praenestiner
1 Phanodikos des bekannten Monuments von Sigeion (C. I. G. 8) stiftet einen Krater
ins Prytaneion von Sigeion.
1 v^oxg?ji)'jgiov und Imaxaxov in der Inschrift von Sigeion (C. I. G. 8), 0.-roy.o>]T?joidior
bei Herod. I, 25.
3 Von Heibig als Kandelaber erklärt, mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit.
4 Abgebildet in Ausgrab, von Olympia Bd. II, Taf. 31 [IV, 810].
5 Abgebildet Ausgrab. Bd. II, Taf. 31 1. unten [IV, 815]; der Zylinder ist auseinander-
gesprengt.
390 r»E Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
Grabes (Mon. d. Inst. X, 32, 6). - Die sich entwickelnde etruskische Industrie
verwendet dann den alten Greifenkopftypus ebenfalls mannigfach: ein Exemplar
im Museum von Neapel (große Bronzen Nr. 7646), eines in Florenz (Etr. Mus.
Suppl. Nr. tHK)), beide von c. 0,10 Höhe und geringer Arbeit zeigen durch die
Form des unteren Ansatzes, daß sie auf horizontaler Fläche aufsaßen, etwa wie
die Greife auf der Schulter der Buccherovase bei Micali, Mon. inediti Taf. 33. An
einem großen wohl etruskischen Bronzehenkel in zwei fast gleichen Exemplaren
in Neapel (picc. br. Nr. 4707) erscheint am einen Ende ein Stier-, am andern ein
Greifenkopf. - In rohe Verflachung endlich geht derselbe altgriechische Greifen-
typus über in einer Reihe von etruskischen Bucchero- und Bronzevasen.1
Aber nicht nur als Protome,2 sondern auch als ganze Statuette finden wir
den Greif in Olympia verwendet: eine Anzahl an verschiedenen Stellen der
Altis gefundener, aber unter sich fast ganz gleicher Figuren zeigt den Greif
langsam ausschreitend mit emporgeringeltem Schwänze, mit den oben be-
sprochenen, ornamental aufgebogenen Flügeln und mit dem meist nach der einen
Seite umgewendeten, genau mit den obigen Protomen stimmenden Kopfe.8 Auch
diese Figuren wurden in Etrurien nachgeahmt.4 — Da überhaupt, wie wir sahen,
der Greifenschmuck ein in der alten Zeit allgemein beliebter war und von phöni-
67 kischen Vorbildern entnommen scheint, so ist es durchaus nicht nötig zur Er-
klärung des häufigen Vorkommens desselben in der Altis die besondere Be-
ziehung des Greifs zu Zeus heranzuziehen, die von Aeschylus deutlich aus-
gesprochen wird,5 sich offenbar aber erst entwickelte als die künstlerische Ver-
wendung des Greifs längst feststand.
Die genannten Statuetten haben keine Basis und können auch nicht stehen
auf den in einer Linie gerade vor einander gesetzten Beinen. Sie waren also
offenbar bestimmt als Zierrat aufgelötet auf einem dünnen Streifen aufzusitzen.
Durchaus dieselben Eigentümlichkeiten zeigt eine schöne Sphinxstatuette (ab-
gebildet Ausgrab. IV, Taf. 22, 1 [IV, 819]) mit denselben Flügeln, demselben»
Schwänze, derselben Stellung, nur daß ihr Kopf nicht nur nach der einen, sondern
ebenso auch nach der andern Seite umgewendet ist, d. h. daß sie zwei nach den
entgegengesetzten Seiten blickende Gesichter hat, was offenbar nur der dekora-
1 Vgl. namentlich ein großes zusammengenietetes Blechgefäß (der Form wie Mus.
im Kircherianum zu Rom mit je zwei rohen Greifenköpfen als Henkel.
Sehr ähnlich ist die sicher etruskische Bronzeschüssel aus Lüneburg (Lindcnschmit.
Altert. II, 3 Taf. 5, 1).
1 Vgl. d »// der Inventare des Parthenon in Athen: C. I.A. I, p. 73 sqq.,
15.
1 Ein Exemplar ist abgebildet Ausgrab. Bd. II, Taf. 31 unten 1. [IV, 818).
1 Offenbar etruskische Arbeit ist die Statuette aus Cerveteri in Berlin (Antiqu. Bronz.
Inv. Nr. 73!
1 At scii. Prom. 803 nennt die Greife Zrjvd* dxgayei xvras, wie der Adler Prom. 1021
i. Ag. 1
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 391
tiven Verwendung zuzuschreiben ist, wie denn ein kleiner auf einem Gefäßrande
aufsitzender Löwe ebenfalls einen doppelten Kopf hat.1
Jene Sphinxstatuette ist indess noch besonders interessant durch den sehr
bestimmt ausgesprochenen Formcharakter des Gesichtes. Der hochaltertümliche
Typus desselben entspricht nämlich mit den großen, doch ganz flachen Augen,
der kurzen Nase, dem dünnen breiten Mund, der Magerkeit des Ganzen auf-
fallend dem ebenfalls im IV. Bande der Ausgrabungspublikation veröffentlichten
Oberteil einer weiblichen Statuette, die aus lakonischem Marmor2 und wohl von
lakonischem Künstler gefertigt ist. [Olympia III Taf. 5 Nr. 4 u. 5.]
In den Kreis dieser Statuetten von unbestimmter, indess sicher dekorativer
Verwendung gehören auch einige liegende, doch mit den Vorderbeinen auf-
gerichtete3 Löwen, von denen der größte Ausgrab. Bd. IV Taf. 22, 3 [IV, 967] ab- 68
gebildet ist.4 Die schöne strenge Stilisierung stellt sie der Sphinx und jenen
Greifen gleich. Auch dieser Typus fand in Etrurien Nachahmung.5
Ein dekoratives Ensemble mit diesen Löwenstatuetten bietet Olympia leider
nicht; dafür werden wir etwas entschädigt durch ein vorzügliches altgriechisches
Werk, das freilich weitab im Lande der Barbaren gefunden wurde: ich meine die
bekannte Bronzehydria von Grächwyl in der Schweiz mit ihrem reichverzierten
Henkel,6 die mit Unrecht gewöhnlich für etruskisch gehalten wird, während sie
nicht das geringste speziell Etruskische zeigt, wohl aber in allem Detail mit alt-
griechischen Bronzen übereinstimmt; die vier Löwen im besondern sind den
olympischen fast völlig gleich 7 und geben Aufschluß über die Verwendung der-
selben und wohl auch der Greifen- und Sphinxstatuetten.
Wahrscheinlichen Aufschluß hierüber gibt uns auch ein anderes reiches und
wohlerhaltenes Ensemble, nämlich der Dreifuß vonMetapont in Berlin (Friederichs,
1 Abgebildet in Ausgrab. Bd. I, Taf. 21, Nr. 1 unten 1. [IV, 820].
2 Vgl. was ich über dieselbe Arch. Ztg. 1879, S. 40 bemerkte. Die Bestimmung des
Marmors ward mir von Prof. Siegel aus Athen bestätigt.
3 Hierdurch namentlich, sowie durch den immer emporgeringelten Schwanz u. A.,
unterscheiden sie sich von den sonst verwandten Bronzelöwen aus Niniveh (Layard,
Mon. of Nin. I, Taf. 96, 1.17).
4 Ein anderer, Inv. Nr. 4415, zeigt deutliche Spur irgendwo aufgesessen zu haben;
er ward unter dem Bauschutte des Zeustempels gefunden.
1 Vgl. den Löwen im Antiqu. v. München, Br. Nr. 546.
6 Mitt. d. ant. Ges. in Zürich VII, 5, Taf. 2. 3, S. 111; der Henkel allein bei Linden -
schmit, Altert. II, 5 Taf. 2, 2; Abguß desselben in Berlin [Nr. 237].
7 Vgl. namentlich die Stilisierung von Vorderbeinen, Schwanz und Mähne. — Ein
griechisches Werk des sechsten Jahrhunderts in der Schweiz darf nicht auffallen, da z. B.
in Bayern selbst zwei kleine Tongefäße derjenigen, der korinthischen vorangehenden,
altgriechischen Gattung gefunden wurden, welche selbst in Italien die älteste des grie-
chischen Importes ist (s. Heibig, Italiker in der Po-Ebene, S. 84); es sind die von
Lindenschmit, Altert. III, 7 Taf. 1, 3 u. 4 publizierten, die ich in genauen Nachbildungen
in Mainz prüfen konnte. [Fundort bei Straubing zweifelhaft, s. Lindenschmit a. a. O. Er-
gänzungsheft zu I— IV S. 4.]
is Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
Bronzen Nr. 768), dessen Arbeit keineswegs etruskischen Charakter verrät und wohl
unteritalisch-griechisch ist. Er zeigt nicht weniger als sechs liegende Löwen-
statuetten verwendet, außerdem wie an der Hydria von Grächwyl Schlangen,
schreitende Kühe und Pferdeprotomen, endlich Palmetten und unten Löwen-
klauen. Das ganze Gerüste ist bloß aus Stabwerk hergestellt. Daß dieser Dreifuß-
typus, der allerdings in Etrurien im fünften Jahrhundert besondere Ausbildung
69 erhielt und dagegen auf griechischen Monumenten (Vasen u. dgl.) nie dargestellt
zu sein scheint, gleichwohl ein alter vom Orient überkommener ist und auch in
Griechenland nicht ganz ungebräuchlich war, können wir verschiedenen Tatsachen
entnehmen; wie denn die Grundform bereits an einem altbabylonischen Dreifuß
erscheint (Longperier, Mus. Nap. III, Taf. 1) und offenbar importierte Exemplare
des Typus in dem großen praenestiner (Mon. d. Inst. X, 31 a, 2) und dem Grabe
Regulini-Galassi (Mus. Greg. I, 57) erscheinen und endlich Cypern ein Exemplar
von freilich späterem griechischem Charakter (Cesnola-Stern, Cypern Taf. 70)
geliefert hat.1 Da wir in Olympia fast alle die einzelnen Teile2 besitzen, um
einen Dreifuß etwa wie den von Metapont zusammenzusetzen [vgl. IV Taf. 49c],
so ist alle Wahrscheinlichkeit, daß der Typus auch in der Altis existierte.
Noch mehr als der Greif ist bekanntlich der Löwe das Lieblingstier der
hier besprochenen „orientalischen" Dekoration.3 Reste von sehr altertümlichen
aus Blech getriebenen Köpfen wurden schon oben [S. 387] erwähnt und vermutet,
daß sie teilweise als Schmuck der Kratere dienten; erhaltener Rand und darin
befindliche Nagellöcher an einem Exemplare zeigen indess, daß auch die auf eine
Fläche befestigten getriebenen Löwenmasken in der Altis bekannt waren, be-
kanntlich ein ebenso altes als beliebtes Motiv.* — Auch in getriebenen
alten Reliefs erscheint der Löwe mehrfach; so namentlich in dem Ausgrab.
Bd. II, Taf. 31 [IV, 695] abgebildeten, das den Vorderteil eines Löwen nebst
einem vegetabilischen Ornamente'1 zeigt; fast genau dasselbe Ornament und
dasselbe Motiv des auf den Hinterbeinen aufrecht stehenden Löwen finden wir
auf einem getriebenen Bronzerund des Grabes Regulini-Galassi, nur daß sich
hier zwei Löwen gegenüberstehen (Mus. Greg. I, 15, 3. 4); auch andere Bronze-
70 bleche desselben und gleichzeitiger Gräber zeigen jenen stehenden Löwen.6
' (Vgl. dagegen Furtwflngler, Sitzungsber. der K. Bayer. Akad. 1899 S. 422.]
1 Auch von Rundstaben und Ähnlichen Palmetten sind Reste erhalten.
' Vgl I-.. Curtius, Über Wappengcbr. 1874, S. 99.
' Vgl die Löwenmaske aus Goldblech von Mykene(Schliemann S. 244, Nr. 326);
ferner die Löwenmaske in der Mitte von Metallschilden, welche im Tempel der Stadt
in Armenien als Anathcme aufgehängt sind, dargestellt in einem assyrischen
Relief vom Ende des achten Jahrhunderts, die Einnahme jener Stadt durch König
Sargon enthaltend (Botta, Mon. de Ninivch, Taf. 140. 141; ; endlich die Löwenköpfe in
dekorativen Rundschildcn am 'irakischen (inibern (z.B. Mus. Greg. I, 38, 3— 5).
Wich von Q. Hirschfeld a.a.O. S. 12, Nr. 5 .Thymiaterion" genannt.
1,15,6 und < Ion. d. Inst. XI, 2,9; Mus. üreg. I, 17, 1 ; 38, 7.
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 393
Die Altis lieferte ferner noch einige feine Blechstreifen mit flachgetriebenem
Relief, das Reihen schreitender Löwen nach rechts in sorgfältiger Ausführung,
doch in etwas jüngerem Stile als das vorige Stück, zeigt [IV, 697]. — Als Ge-
fäßschmuck diente ein trefflicher gegossener Löwe mit platter, etwas konkaver
Rückseite (abgebild. Ausgrab. Bd. IV, Taf. 24, 2 [IV, 969]), der in vollendet alt-
griechischem Stile ein ursprünglich ebenfalls orientalisch-phönikisches Motiv wieder-
holt, nämlich den aufgerichtet umblickenden Löwen.1
Das vegetabilische Hauptmotiv, das die besprochene, innerhalb der Vasen-
malerei zuerst durch jene melischen und rhodischen Vasen repräsentierte, alt-
griechische Kunst vom Orient aufnahm, ist der ägyptische Lotos. Olympia hat
namentlich ein prächtiges Bronzeblechband geliefert mit einer Lotosblüten- und
Knospenreihe (von 0,08 Höhe) der Art, wie sie die altkorinthischen Vasen zeigen
[IV, 755]. Zu erwähnen sind hier auch mehrere gegossene Henkel (z. B. Inv.
Nr. 490; 6884 [zu IV, 911]), die von einer Lilien- oder Lotosblüte bekrönt sind;
ein ganz gleicher Henkel stammt aus Curium auf Cypern (Cesnola-Stern,
Taf. 71; wenig verschieden Taf. 66, 2) und cyprisch ist auch eine Steinschale
mit ebenso verziertem Henkel in Berlin (Cypr. Nr. 257) ; ein Henkel des großen
praenestiner Grabes fügt zu der Blüte noch zwei Stierköpfe (Mon. d. Inst. X, 32, 4).
Eine gewöhnlich weniger beachtete Tatsache ist es, daß zu den Haupt-
motiven der hier betrachteten Dekoration auch menschliche Köpfe und nament-
lich Masken gehören. Absehend von einigen sehr alten Beispielen wie dem
maskengezierten babylonischen Dreifuße im Louvre (Longperier, Mus. Nap. III,
Taf. 1,3) oder der Maske an einem mykenischen Tongefäße (Schliemann, Myk.
S. 77 Nr. 81) u. a., will ich hier nur hervorheben, was mir das Interessanteste
dünkt, daß eine unbärtige menschliche Maske nicht nur in der phönikischen,
sondern auch der sich anschließenden altgriechischen Metallindustrie bis gegen 71
das sechste Jahrhundert durchaus herrscht und die Stelle der später erst auf-
tretenden Medusenmaske vertritt.2 Der Grabtypus Regulini-Galassi kennt die
letztere noch nicht, wohl aber die menschliche Maske und ganz kleine Köpfe.3
Etwas weiter zurückgreifend erwähne ich die Masken an einer der phönikischen
Bronzeschalen von Nimrud:4 der an diesen erscheinende spezielle Typus mit
seiner ägyptisierenden Haartour ward nun von der ältesten griechischen Metall-
arbeit übernommen und erscheint mit geringen Modifikationen an dekorativen
1 Die Bronzeschale von Nimrud (bei Layard, Mon. of Nineveh II Taf. 64) zeigt einen
Mann zwischen zwei solchen Löwen; die griechische Münze bei Mionnet, Taf. 41,6. 7,
zeigt das Motiv als einen im Fliehen umblickenden Löwen, welche Auffassung auch für
die olympische Bronze möglich wäre.
2 [Roschers Lexikon der Myth. I S. 1702.]
3 Maske in Goldschmuck, Mus. Greg. I, 85, 6; auch die der praenestiner Silbercista,
Mon. d. Inst. VIII, 26, ist noch keineswegs Gorgonenmaske; ganze Köpfe in Gold Mus.
Greg. I, 76 und Mon. d. Inst. X, 31, 6. 7; 31a, 1.
4 Layard, Mon. of Nineveh II Taf. 61 B.
1 Die : i nüe aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
trieben« Gegenständen, wie scheint vorwiegend des siebenten Jahrhunderts,
Rhodos, ' in Megara,1 Lydien,' ferner dem großen praenestiner Grabe* und
an dem völlig in diese Reihe gehörenden Prachtstücke von Tegea im Berliner
Museum (Benndorf, Gesichtshelme und Masken, Taf. 17), das nichts anderes
als ein von jener typischen Maske gefüllter dekorativer Rundschild ist, endlich
in Dodona* und in Olympia, wo zwei derartige aus Bronzeblech gehämmerte
Masken zu Tage kamen, die nur in der Haartour etwas vom ursprünglichen Typus
abweichen;'1 zu einer dritten von noch selbständiger archaisch-griechischem Typus
haben wir die gegossene Bronzeform gefunden, deren Ausguß Ausgrab. Bd. IV,
I [IV, 88], abgebildet ist. Als Gefäßschmuck blieben diese weiblichen Masken,
besonders in Etrurien an Bronzehenkeln " und Buccherovasen, lange beliebt.
Auch kleine vollständige unbärtige Köpfe dekorativen Zweckes, unten mit
zapfenartigem Einsätze und von sehr altertümlich roher Bildung kommen in
Olympia vor;8 auch aus Mergelkalk wurde ein derartiges weibliches Köpfchen
gefunden (erwähnt Archäol. Ztg. 1879, S. 41 [IV, 89]).
Indem wir hier die Betrachtung der ältesten sicher griechischen Metall-
industrie in ihrem Anschlüsse an die orientalische verlassen, fügen wir noch
einiges hinzu über Reste von Bronzegefäßen in Olympia, die der Zeit der
selbständig entwickelten griechischen Kunst anzugehören scheinen. — Trotz der
zahlreichen gegossenen Henkel fehlt doch in Olympia fast ganz die namentlich
in Etrurien zahlreich vertretene Gattung von archaischen, figürlich reich ver-
zierten Henkeln, die zu einhenkligen Ausgußgefäßen gehörten. Dieselben
scheinen in Etrurien nach den Funden erst ins fünfte Jahrhundert zu gehören
und repräsentieren mit den gleichzeitigen archaischen Kandelabern die selbständig
entwickelte etruskische Bronzeindustrie. Das beliebteste Motiv jener etruskischen
Henkel, die vorspringenden Köpfe oder ganze Vorderteile von Löwen, kommt
indess auch an einigen olympischen Henkeln vor (z. B. Inv. Nr. 7226 [IV, 895]).
Häufiger ist in Olympia eine streng stilisierte Palmette am Ansatz der
Henkel. Namentlich gehört hierher eine in der Altis ungemein häufig gefundene
1 (joldschmuck aus Camirus: Revue archeol. 1863, Taf. 10; Daremberg et Saglio,
Dict. des ant. I S. 789.
•Idcnes .Medaillon aus einem Grabe: Daremberg et Saglio a.a.O. S.788, Fig.934.
1 Bull, de corr. hell. 1879, Taf. 4.
\n zwei Bronzeschalen: Annali d. Inst. 1879, Taf. C, 1.2.
4 Carapanos, Dod. Taf. 11, 2 an einem durchgehenden Stabe; etwas später und mit
anderer Haartour Taf. 44, 1. 2.
' Die eine (Inv. Nr. 3202 [IV, 690]) zeigt noch das Stück eines über dem Kopfe an-
n Blcchhcnkels, die andere ist abgebildet in Ausgrab. Bd. IV, Taf. 24, 3 [IV, 691 j;
der federartige Kopfschmuck ist zu vergleichen mit dem sehr ähnlichen, den die Frauen
der melischen Vasen (Conze. Mel. Thongcf. Taf. IV, Vign. S. V) tragen.
altes Beispiel in Berlin (Friederichs, Bronz. Nr. 1408).
Inv. Nr. 5781 und 7378 |IV, 87); der Kopftypus verwandt der Ausgrab.
'. 21 rechts oben abgebildeten li^ur |1V, 949], die vielleicht auch hierher zu ziehen ist.
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 395
Gattung von Attachen, die unten in eine Palmette auslaufen und oben mit einer
Öse versehen sind, in welcher sich ein besonders gearbeiteter Griff bewegt. Ein
der olympischen Gattung vollkommen gleiches, nur sehr geringes, fast rohes
Exemplar ist in Dodo na gefunden und abgebildet bei Carapanos, Dod. Taf.47, 6.
Das relative Alter dieser Attachen erhellt daraus, daß sie immer angenagelt, nicht
angelötet waren, wie einige besser erhaltene Stücke zeigen, befanden sie sich an
großen, aus Blech getriebenen Kesseln oder Schüsseln. Wir bekommen somit neben
den Dreifüßen und Krateren den dritten Typus von Bronzekesseln in Olympia.
Auch die Henkelansätze in Gestalt eines einfachen Efeublattes mit drei 73
Nietlöchern (z. B. Inv. Nr. 4288) scheinen noch alter Zeit anzugehören.
Ebenso einige vollständige Schlangen, die offenbar als Henkel dienten
und ins Gefäß blickten (Inv. Nr. 5047 [IV, 907] u. 5165 [IV, 906]); auch mehrere
Fragmente von Schlangen, namentlich Köpfe können zu Henkeln gehört haben.
Das Antiquarium in München besitzt einen altetruskischen Henkel, an dessen
beiden gegenüberliegenden Enden je ein Schlangenhals herausspringt; der Henkel
selbst ist spiralförmig gedreht; derartige gewundene Henkel sind an altetruskischen
gehämmerten Blechgefäßen auch sonst zu beobachten; auch manche im Norden
gefundenen Gefäße zeigen dieselben (z. B. Archaeologia 36. II. Taf. 26, 1 aus
Mecklenburg; v. Sacken, Grabf. von Hallstatt, Taf. 23, 7). In Olympia kommen
zwar ebenfalls Stücke vor, die sich hierherziehen lassen, häufiger ist daselbst
jedoch eine Art ebenso gewundener doch gerader Stäbe mit nach den entgegen-
gesetzten Seiten ausgebogenen und mit Nietlöchern versehenen Enden; ein mit
den olympischen identisches Stück ist, als in Dodona gefunden, bei Carapanos,
Dod. Taf. 53, 13 abgebildet. Über die ungefähre Art der Verwendung derselben
und ihr relatives Alter ist ein primitiver Sessel aus einem alten Grabe bei Chiusi
(Annali d. Inst. 1878, Taf. Q) und der Untersatz eines Gefäßes aus Hallstatt
(v. Sacken, Grabf. Taf. 24, 2) belehrend.
Unter den unverzierten Henkeln, deren Ansätze durch Nieten befestigt sind,
nenne ich noch die zahlreichen beweglichen Schüsselhenkel, die ebenso bereits
in Niniveh (Nimrud, s. Layard, Discoveries in the ruins of Nin. and Bab., Lond.
1853, S. 183) ferner in Dodona (Carapanos, Taf. 46, 9) und sehr ähnlich in alt-
chiusinischen Gräbern, wahrscheinlich vom Ende des siebenten Jahrhunderts (Mon.
d. Inst. X, 39a, 6; Annali 1878 Taf. Q, 2), gefunden wurden.
Ferner ist aus Olympia zu erwähnen ein vortrefflich erhaltener Eimer mit
schmucklosem, aber sehr praktisch zum Anfassen, Aufhängen und Umlegen ein-
gerichteten Bügelhenkel [IV, 868]; zahlreiche Fragmente zeigen, daß diese Eimer-
gattung, die sich von den aus andern Funden römischer Zeit bekannten wesent-
lich unterscheidet, einst häufig war in der Altis. Ganz gleiche Henkel (un- 74
bekannten Fundorts) befinden sich übrigens im Museum in Neapel.
Aus getriebenem Blech und mit genieteten Henkeln hat Olympia endlich
noch einige kleinere Gefäße, Lekythen und Näpfe, geliefert.
u s Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
ihlreich sind ferner gewisse Formen von zum Anlöten bestimmten
Henkeln; es herrschen darunter einige auch in Dodona (Carapanos Taf. 45, 5
und 47, 8) gefundene Formen vor. — Ziemlich selten ist in Olympia eine
hierher gehörige Henkelart, die indess dadurch interessant ist, daß sie in ganz
ungewöhnlicher Menge auf der Akropolis in Athen gefunden wurde;1 es ist ein
.■heiliger schmuckloser, nieist oben mit einem Knopfe versehener Horizontal-
henkel, der auch an älteren Tongefäßen sich findet (so an der korinthischen
Schale, Mon. d. Inst. X, 52, 6 und an dem altetruskischen Gefäße, Annali 1878,
Taf. R, 1 [IV, 926]).
Endlich ist hervorzuheben, daß jene primitive Gattung von Bronzeblech-
gefäßen, deren Bauch selbst aus zwei oder mehreren Teilen zusammengenietet
ist (z. B. Mon. d. Inst. X, 39a, 4a), und welche in Etrurien wenigstens in den
Gräbern des siebenten und sechsten Jahrhunderts durchaus üblich sind und von
da auch nach dem nördlicheren Europa gelangten (z. B. v. Sacken, Grabf. von
Hallst., Taf. 23, 1. 2), daß diese weder in Olympia, noch sonst in Griechenland
vorkommen. Selbst die Bronzegefäße der ältesten mykenischen Gräber bieten
keine Analogien und sind schon viel weiter in der Technik (vgl. besonders
Schliemann, Myk. S.314, Nr. 436). Es erhellt hieraus, wie langsam die ein-
heimische etruskische Bronzeindustrie sich entwickelte, eine Bestätigung dafür,
daß wir die vor das fünfte Jahrhundert fallenden Bronzen Etruriens, sofern sie
sich nicht unzweifelhaft, wie jene Gefäße, als etruskisch kennzeichnen, für phöni-
kischen oder griechischen Import ansehen dürfen.
In der Tat scheint Etrurien erst im fünften Jahrhundert eine selbständige
Blüte in der Bronzeindustrie entwickelt zu haben. Hierher gehören als Haupt-
erzeugnisse jene prächtigen Kandelaber (vgl. Friederichs, Berlins ant. Bildw. II,
S. 169 ff.), die ohne Zweifel unter den Tyrrhenischen Ivyrnu zu verstehen sind,
die bereits Pherekrates erwähnt (Athenaeus 15, p. 700, c) und die also nach
Athen exportiert wurden (wie die Trompeten nach Soph. Ai. 17). Daß dieser
Export indess nur in geringem Maße stattgefunden haben kann, lehren die Funde,
He bis jetzt noch keine etruskische Bronze auf griechischem Boden gebracht
haben. Eine merkwürdige Tatsache ist indess, daß in Olympia überhaupt gar
keine Kandelaber oder Leuchter zu Tage gekommen sind; dieselben können
also nur in vereinzelten Exemplaren in der Altis existiert haben. Aus Dodona
ist nur ein kleiner Leuchter mit Weihinschrift aus dem vierten oder dritten Jahr-
hundert v. Chr. bekannt (Carapanos Taf. 25,3), der vom etruskischen Typus völlig
abweicht; naher steht letzterem ein cyprischer von Curium (Cesnola-Stern,
Cypern, Taf. 70, 3).
Auf jene Frage nach dem Verhältnisse der etruskischen zur griechischen
nzeindustrie werden wir zurückgeführt, wenn wir, die Betrachtung der Ge-
1 I «Wer, Bronze« trouvei sur l'Acropole Nr. 203.]
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 397
fäße in Olympia fortsetzend, uns zu gewissen Figuren wenden, die als Griffe
von Pfannen dienten. Es sind nackte Jünglinge mit erhobenen Armen und
lang in den Nacken fallenden Haaren; zwei derselben sind abgebildet Ausgrab.
Bd. IV, Taf. 22, 2. 3 [IV, 83 ff.]; an dem einen ist noch der ganze Ansatz an die
Pfanne in Palmettenform erhalten. Außerdem ist noch der Oberkörper eines
gleichen (Inv. Nr. 5195 [zu IV, 86]) und das Fragment eines vierten gefunden
worden, an dem der Pfannenansatz mit zwei Schafen verziert ist (Inv. Nr. 4868
[IV, 85]). — Zunächst bemerke ich, daß diese Figuren ohne Zweifel aus einer
Fabrik stammen, obwohl die genauere Betrachtung kleine stilistische Verschieden-
heiten unschwer erkennen läßt. Sicher derselben Fabrik entstammt ferner ein
vollkommen übereinstimmendes Exemplar aus Dodona (Carapanos Taf. 12, 3).1
Genau dieselben Figuren finden wir aber auch in Italien: mehrere Exemplare
sind in Neapel, darunter eines mit den Schafen am oberen Ansätze (abgebildet
bei Inghirami, Mon. etr. VI, Taf. O), ein weiteres ist im etruskischen Museum
zu Florenz, und aus Italien stammen ein Exemplar in Karlsruhe [Schumacher,
Bronzen 489], eins im Haag (abgebildet Berichte der sächs. Gesellsch. 1860,
Taf. I) und eines im Berliner Museum (Friederichs, Berl. ant. Bildw. II, Nr. 584 d),
die letzteren drei alle mit den beiden Schafen oben; an einem zweiten Berliner
Exemplare stimmt dagegen die Gravierung der Palmette ganz mit dem einen 76
olympischen überein; doch da, wie ich mich überzeugt habe, die Patina modern
ist,'2 so ist es nur als eine genaue Kopie eines antiken Originals zu betrachten,
dessen Aufbewahrungsort mir unbekannt ist.
Diese in Italien gefundenen Exemplare unterscheiden sich von den aus
Griechenland stammenden nicht mehr, als die letzteren unter sich verschieden
sind. Namentlich ist nirgends die Einmischung von etwas speziell Etruskischem
zu bemerken.3 Für die Datierung dieser Figuren ist wichtig, daß ein Exemplar,
das ich zwar nicht selbst gesehen, das aber der Beschreibung nach offenbar
hierher gehört, in der Schicht des Bauschuttes des Parthenon gefunden wurde
(Roß, Arch. Aufs. I, 111), mithin älter ist als Ol. 80; gleichwohl werden dieselben
dem Stile nach kaum viel vor das fünfte Jahrhundert fallen und wir konstatieren
damit die Tatsache der Importation griechischen Bronzegerätes nach Italien in
der angedeuteten Zeit.
Wenn Friederichs, a. a. O. S. 141, jegliche nicht rein dekorative Bedeutung
der vorliegenden Figuren ablehnt, so kann ich ihm nicht beistimmen; die den
1 Abweichend durch die kurzen Hosen und die breiteren Formen ist die sonst ebenfalls
hierher gehörige Figur a.a.O. Taf. 12, 1. — Mit ihr ist wegen der Hosen zu vergleichen
die Pfannenfigur aus Olympia, Ausgrab. Bd. III, Taf. 24, 7 [IV, 86].
2 Auch Friederichs, Berlins ant. Bildw. II, Nr. 1478, bezeichnet dieselbe als ver-
dächtig.
3 Dagegen darf eine andere Berliner Figur (Friederichs a. a. O., Nr. 1479) als sicher
etruskische Umbildung des vorliegenden Typus angesehen werden.
398 DO mh us Oiymiua i\d deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
meisten Exemplaren eigentümlichen Schafe lassen sich unmöglich als rein
ornamental fassen; dazu kommt, daß der Jüngling immer unbärtig und mit langen
Haaren und einer Binde versehen ist. Der Typus ist ohne Zweifel für Apollo
schaffen und zwar als Beschützer der Heerden, als Karneios oder Nomios, und
der Fabrikationsort wird eine der Kultusstätten dieses Gottes gewesen sein.
Unter den Griffen von pfannenförmigen Gefäßen in Olympia, erwähne ich
noch einen mit feingravierten Palmetten (Inv. Nr. 7094 [zu IV, 925]), da er in
einem fast ganz gleichen Exemplare in Dodona vorgekommen ist (Carapanos
Taf. 46, 1); endlich hat Olympia auch den wohl späterer Zeit angehörigen kan-
nelierten, in einen Widderkopf auslaufenden Typus (vgl. Caylus, Rec. d'ant. I,
4) geliefert [IV, 1280], der ebenso in Italien, ja auch im Norden gefunden
wird (z. B. Friederichs a. O., Nr. 1475 aus Potsdam).1
Wir schließen an den Überblick der Gefäße den der Waffenfunde in der
Altis [IV, S. 153 ff.].
Voran ist eine größere Anzahl wohlerhaltener Helme zu nennen [IV S. 166 ff.],
die zu einem guten Teile indess nicht in den deutschen Ausgrabungen, sondern
im Alpheiosschlamme von den Bauern gefunden wurden.'- Dieselben gehören
alle der sog. korinthischen Art mit festen Backenschirmen an; auffallend ist,
daß bei keinem derselben die Spur eines Helmbügels erhalten ist, wie sich denn
auch nie Fragmente gefunden haben, die sich Helmbügeln zuschreiben ließen.
Im übrigen sind auch Fragmente dieser Helme sehr zahlreich; sie lassen häufig
eine eigentümliche Technik erkennen, indem über eine mittlere Schicht außen
und innen je eine feinere geschmiedet ist; am Prorrhinidion pflegen diese
Schichten ihre größte Dicke zu erreichen (bis 9 mm).
Daß in Olympia indess auch die andere Helmgattung mit beweglichen Backen-
schirmen existierte, beweisen mehrere Paragnathiden der Form, wie die in Dodona
gefundenen, bei Carapanos Taf. 55, 5. 6.
Ganz singulär scheint bisher ein im Prytaneion gefundener Helm zu sein
(Inv. Nr. 6935 [IV, 1030]), der spitz zulaufende feste Backenschirme, doch kein
Prorrhinidion zeigt; oben laufen zwei erhöhte Streifen hin, wofür ich nur einen
Helm aus Hallstatt (v. Sacken, Grabf. Taf. 8, 5) vergleichen kann.3
Ungemein zahlreich sind ferner die ehernen Lanzenspitzen [IV S. 173 ff.],
und zwar herrscht unter ihnen merkwürdigerweise eine sonst ungewöhnliche Form,
nämlich die vierkantige vor; dieselbe läßt sich indess durch einige Inschriften als
im fünften Jahrhundert in Lakedämon (Arch. Ztg. 1875 S. 181,3 [V, 247]), in Sikyon
(ebendas. 1 878 S. 1 40, 1 81 [ V, 245]), wahrscheinlich in Korinth (ebendas. 1879 S. 1 60,
1 [VgJ. Zahn im Arch. Anzeiger 1909 S. 559.]
1 Vgl. Dodwell, Class. tour 11,330, wo zwei Exemplare abgebildet sind; ferner
Aus i I, Taf. 21 (V, 249. 2.501.
Nach v. Sacken a. a. O. S. 43, Anm. 1, soll ein ähnlicher Helm im Museo Gre-
rcn.
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 399
310 [V, 699]) und endlich inThurioi(ebendas. 1879 S. 149, 299 [V, 254 ff., oben S.272])
gebräuchlich, nachweisen. Vier Blätter pflegen den runden Schaft in das Viereck der
Spitze überzuleiten (Ausgrab. Bd. I, Taf. 21 [IV, 1052]). — Doch auch die gewöhn-
liche zweikantige blattförmige Lanzenspitze ist nicht selten; sie ist die von den 78
ältesten Zeiten her gebräuchliche (Ägypten, mykenische Gräber, Assyrien usw.) und
nur sie kann bei dem homerischen Epitheton djucpiyvog vorgeschwebt haben. Auch
bei den Etruskern scheint nur sie gebräuchlich gewesen zu sein, und dasselbe gilt vom
ganzen nördlichen Europa (vgl. Sophus Müller, Die nordische Bronzezeit S.21).
Häufig sind auch die Saurotere, meist von einer bestimmten, durch einfache
Schönheit ausgezeichneten Form (s. Ausgrab. Bd. II, Taf. 31 ; die einfachere Form
auch in Etrurien: tomba del guerriero Mon. d. Inst. X, 10,5 [IV, S. 176 ff.]).
Pfeilspitzen aus Bronze sind ebenfalls sehr zahlreich und zwar sowohl
dreikantige, als blattförmige, die letzteren meist mit Widerhaken versehen (vgl.
Friederichs a.a.O. S. 238 [IV, S. 177 ff.]).
Merkwürdig ist indess, daß Olympia bis jetzt noch fast gar kein Schwert
geliefert hat,1 während in Dodona solche sowohl aus Bronze als aus Eisen ge-
funden wurden (Carapanos Taf. 57, 1 — 3). Auch von Messern sind nur zweie
bis jetzt gefunden.2
Von Panzern wurden mancherlei kleinere Stücke, namentlich aber ein gut-
erhaltener Rückenteil gefunden, wo indess nur der Kontur der Schulterblätter von
erhöhten Streifen umgeben ist, ohne sonstige Angabe von Muskulatur [IV, 979;
vgl. S. 153 ff.].
Streng und fein pflegt die letztere an den ziemlich häufigen Beinschienen
ausgedrückt zu sein [IV S. 159 ff.], unter denen die mit Inschrift versehene (Arch.
Ztg. 1879, S. 160 Nr. 309 [IV, 990. V, 703]), nach Fundstelle und Paläographie in
die erste Hälfte des fünften Jahrhunderts gehörige, besonders hervorragt; die mit
feinem Geschmacke in Relief angebrachte Verzierung einer Schlange mit auf-
gesperrtem Rachen wiederholt sich an einem andern fragmentierten Exemplare.
Hier ist zu erwähnen, daß aus der Sammlung Komnos sich in Berlin ein 79
angeblich in Olympia gefundenes Stück befindet, das nicht wohl etwas anderes
als eine Armschiene3 gewesen sein kann; dieselbe ist am oberen Ende mit einer
getriebenen archaischen Medusenmaske,4 an den beiden unteren Enden mit
Pantherköpfen geziert [IV zu 1001 ]. Zum Vergleiche läßt sich eine ebenfalls in Berlin
1 Durch G. Treu erfahre ich von einem Eisenschwerte aus dem dritten Jahre,
0,47 lang [vgl. IV S. 72. 179].
2 Das eine ward beim Zeusaltare in großer Tiefe gefunden; es ist 0,32 lang, doch
nur aus dünnem Bronzeblech geschnitten, also nur zum Gebrauche als Votiv bestimmt;
es ist einfach zweischneidig; das andere, von dem ich durch G. Treu erfahre, ist eben-
falls zweischneidig mit Rippe in der Mitte: der Griff endet in einen als vierseitige Pyra-
mide gestalteten Knauf; Länge nur 0,135 [IV S. 179].
3 Als solche von G. Treu erkannt.
4 Ein ähnliches Stück aus der Krim: Ant. du Bosph. Cim. Taf. 28, 7.
S Ol YMPIA UND DEREN KUNSTGESCH1CHTLICHE BEDEUTUNG.
(Friederichs a. a. O., Nr. 2164) befindliche archaische Bronzestatuette heran-
hen, ein Krieger, der am rechten Unterarme eine unzweifelhafte Armschiene
gt Her Stil der Figur ist keineswegs direkt etruskisch, er dürfte eher unter-
italisch-griechisch sein. Ebenso erinnert der Stil jener olympischen Armschiene
auffallend an die aus Unteritalien stammende Pferdebrustrüstung mit Gorgonen-
maske im Museum von Neapel (Armi greche Nr. 52. 53). *
Eine Anzahl vortrefflicher Schilde aus dem fünften Jahrhundert v. Chr.
wurde uns durch einen merkwürdigen Fund im Januar 1879 gebracht [IV S. 162ff.J.
Als wir nämlich den antik aufgeschütteten, das Stadion im Süden begrenzenden
und einst den Zuschauern dienenden Wall mittelst eines Grabens durchschnitten,
fanden sich unter der Spitze des Walles, in der größten Tiefe nahe beieinander,
nicht weniger als sieben zum Teil vollständig erhaltene Schilde.2 Dieselben be-
standen jedoch leider aus ganz dünnem Blech, das durch Oxydation völlig
bröckelig geworden war; in Folge dessen und bei dem Mangel geeigneter tech-
nischer Maßnahmen zerfielen die Schilde sämtlich beim Herausnehmen in winzige
Stückchen. Sie erschienen kreisrund, zeigten sich jedoch bei genauerer Messung
als leicht elliptisch und hatten c. 0,80 — 1,00 Durchmesser. Im übrigen entsprach
die Form genau den Rundschilden der griechischen Vasenbilder und dem in
einem Volcenter Grabe gefundenen im Museo Gregoriano 1,21; die Schild-
wölbung war einfach glatt, und erhob sich 1 — 2 cm über den umgebenden
Rand, welcher mit feinem gepreßtem Flechtornamente verziert war, genau dem-
selben das wir an einigen später zu besprechenden feinen Reliefs (Ausgrab. Bd. IV,
80 Taf. 25b [IVTaf. 39]) bemerken; nur einmal zeigte der Rand statt jenes Flechtwerks
feine gepreßte Punkte. Das Stück eines ganz gleichen Schildrandes mit Flecht-
werk wurde in Dodona gefunden (Carapanos Taf. 49, 20, von Heuzey S. 234
richtig erkannt), ein anderes im Berliner Museum stammt aus Platää. — Die
teilweise erhaltenen Handhaben entsprechen denen des oben genannten etrus-
kischen Schildes (Mus. Greg. I, 21, 3).
Der eine der, offenbar derselben Zeit angehörigen, Schilde trägt nun die In-
schrift TägyeToi <\\vnhr ... in dem fünften Jahrhundert angehörigen Schriftzügen
(Arch. Ztg. 1879 S. 149 Nr. 297 [oben S. 271]). Da diese Schilde der extremen
Dünnheit des Bleches und der Feinheit der Ornamentation wegen gewiß keine
wirkliche Kriegsbeute der Argiver, sondern für den Votivzweck gearbeitete Stücke
sind, so werden sie auch in Argos gemacht sein. Argos war aber bekanntlich be-
rühmt gerade durch die Fabrikation der kreisrunden Schilde, und zwar, da man
den Argivern sogar die Erfindung derselben zuschrieb, offenbar von Alters her.
Kleinere Fragmente solcher argivischer Schilde, namentlich von dem mit
I lechtwerk verzierten Rande, sind noch zahlreich in der Altis zerstreut zu Tage
dem neuerdings stattgehabten Funde zweier Knüchelschienen erfahre ich
durch O. Treu [IV S. II
1 Vgl Arch. Zt« 1879, S. 41.
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 401
gekommen. Von einigen dieser Stücke konnte ich konstatieren, daß sie unter
dem Bauschutte des Zeustempels gefunden wurden. Die Fabrikation jener
argivischen Schilde war also vor der Mitte des fünften Jahrhunderts bereits im
Gange- Sie scheinen nach den Funden (Olympia, Dodona, Platää) in Griechen-
land weitverbreitet gewesen zu sein.
Wie diese Schilde, so sind ohne Zweifel auch die übrigen in Olympia ge-
fundenen Waffen im Ganzen als Weihgeschenke aufzufassen. Auch sie scheinen
im allgemeinen nur der älteren Zeit anzugehören.
Im Anschlüsse an die Waffen erwähne ich, daß jene ebenso bekannten als
unerklärten, mit Vorsprüngen versehenen Ringe oder hohlen Zylinder, die überall
in Italien und dem Norden Europas vorkommen (bei Friederichs, Berl. ant.
Bildw. II, S. 247 als „Streitkolben" aufgeführt; vgl. Lindenschmit, Altert. I, 8
Taf. 2), auch in Olympia nicht selten sind (ebenso in Dodona ein Exemplar dieser
Art: Carapanos Taf. 50, 24 [IV, 1246 ff.]).
Athletisches Gerät ist nur in geringer Zahl in Olympia zu Tage gekommen;
es sind einige Strigeln und einige Bronzedisken; letztere sind nach dem allgemeinen
Brauche in der Mitte am dicksten [IV S 179]. Die älteren Disken Olympias 81
waren wohl in der Regel aus Stein, wie einige noch erhaltene Exemplare zeigen,
die aus einem rötlichen oder grünlichen granitartigen Materiale bestehen, das in
der Gegend Olympias unbekannt ist. Aus ähnlichem Steine sind zwei Haltere
erhalten, wovon der eine die alte in der Arch. Ztg. 1879, S. 158 Nr. 305 publizierte
Inschrift trägt; es ist der Name des Weihenden [IV zu HOL V, 720].
Ganz vereinzelt ist eine durch die Inschrift als Eigentum des Zeus be-
zeichnete Feuerzange aus Bronze, die dem allgemeinen Schriftcharakter nach
noch in ältere Zeit gehört (Inv. Nr. 5895 [IV, 1196], Inschrift AlO = Jt6[g).
Eine aus inschriftlichen Tempelinventaren wohlbekannte Gattung von Weih-
geschenken sind die Fingerringe [IV S. 186 ff.]. Auch solche fanden sich in der
Altis, indess nur aus Bronze. Hervorragend ist darunter ein unter dem Bauschutte
des Zeustempels zu Tage gekommener Ring mit auf beiden Seiten eingegrabener
feiner archaischer Zeichnung, einen Eber und einen Löwen darstellend [IV, 1191].
Außerdem sind noch etwa sechs Ringe mit gravierten Darstellungen, wovon einer
mit dem thronenden Zeus [IV, 1185] und zahlreiche ohne Gravierung erhalten.
Eine besondere Untersuchung, die von bedeutendem metrologischem Inter-
esse sein dürfte, beanspruchen die zahlreichen (etwa 60—70) in der Altis ge-
fundenen Gewichtsstücke aus Bronze oder Kupfer, da sie großenteils älter zu
sein scheinen, als die bisher aus Griechenland bekannten [V S. 801 ff.]. Dieselben
sind in der Regel als dem Zeusheiligtume gehörig bezeichnet mit Aiög; diese
Inschrift ist meist graviert, in späterer Zeit auch in Relief gegossen; die ältesten
zeigen MOS, die große Mehrzahl AlO£, mitunter mit Beifügung einzelner Buch-
stabenzeichen, wie A oder X oder O. Seltsam und wie es scheint weder als
Zahlzeichen noch sonst leicht zu erklären ist der auf fünf Exemplaren vor-
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. 26
402 Pu" fündb aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
kommende Beisatz KAA und der auf anderen fünf vorhandene KAA. (Zwei Gewichte
abgebildet Ausgrab. Bd. I, Taf. 21, 4. 7 [V S. 815 ff.].) — Einige wenige Gewichte
relativ späterer Zeit zeigen einen Adler mit einer Schlange in Relief; hier dringt
auch erst der Rhotacisuuis ein in der Beischrift AIOP OAYMnin (Inv. Nr. 3150
[Y S, B22 Nr. 214]). Diese Gattung entspricht in ihrem Äußern den in Mon. d. Inst.
s2 IY. Taf. 45 und bei Schillbach (Zur griech. Gewichtskunde, Winckelm.-Progr.
1S77) zusammengestellten, mit Beischrift und Wappen in Relief versehenen, haupt-
chlich athenischen Bleigewichten.
Hier erwähne ich auch die zahlreichen Marken aus Bronzeblech, die meist
mit einem Loche zum Anhängen versehen sind; die Beischriften sind auf wenigen
eingraviert, auf den meisten in Relief angebracht und zwar auf der einen Seite
fa, d. h. FaXelwv und auf der andern AI, d. h. /kog, neben einem kleinen Blitze.
Die Marken und damit ihre Träger sind also ebenso mit der Stadt Elis wie mit
dem Zeusheiligtume verknüpft. Es kann kein Zweifel sein, daß jene Träger die
Mitglieder der 'OXvfumxr) ßovXrj waren. Bestätigt wird dies vor allem dadurch,
daß weitaus die meisten jener Marken in der Nähe oder in jenem großen Ge-
bäude gefunden wurden, das sich als das Buleuterion herausgestellt hat. Zwei
verschiedene Mitgliederzahlen, doch aus der Zeit nicht vor dem zweiten Jahr-
hundert v. Chr., lernen wir aus zwei besonders sorgfältigen Stücken mit in Silber
eingelegten Buchstaben kennen; das eine ist von Weil in der Arch. Ztg. 1878, S. 180
Nr. 213 [Y, 713] veröffentlicht, mit der Zahl 175, das andere, im Buleuterion selbst
PP
gefundene (Inv. Nr. 5686) zeigt auf dem Avers FA, auf dem Revers 1 , also
die Zahl 181. Das Schwanken der Buchstabenform A und A sowie die Form P
weisen dies Exemplar wohl noch dem zweiten Jahrhundert v. Chr. zu.
Ich füge noch bei, daß auch die Gewichte in besonderer Anzahl in der
Nähe des Buleuterions zu Tage gekommen sind.
Der Vollständigkeit wegen überblicken wir hier auch die unbedeutenden
kleinen Geräte, die uns noch übrig sind und die zum Teil wenigstens wohl auch
Weihgeschenke waren. Sie stammen, soweit ich es beobachten konnte, fast
nur aus den oberen Schichten und gehören daher wohl größtenteils der
späteren Zeit an [IV S. 180 ff.].
Zum Teil noch sehr alt können die Pincetten sein, die in ziemlich un-
veränderter Form von den ältesten Zeiten bis in die spätesten gebräuchlich waren
(IY 181]. Schon in einem Grabe der mykenischen Burg erscheint eine solche
aus Silber (Schliemann, Myk. S.352); in Nordeuropa erscheinen sie in Pfahlbauten
83 und den Funden der sogenannten Bronzezeit.1 Einige der olympischen sind mit
punktierten geometrischen Verzierungen bedeckt. Sie fanden sich übrigens auch in
I cB.lfl Pfahlbauten von Neufchätel aus der sogen. Eisenzeit: Desor, Lcs
paF -.; in einem Grabe von Hallstatt (v. Sacken, Taf. 19, 17) im
Trer in Schweden sogar aus Qold: Monteliut, Mus. von Stockholm,
0F lOtt, S. .'55, Nr. 43.
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 403
Dodona (Carapanos Taf.51, 20. 21). — Ferner erscheinen in Olympia die wohl
medizinischen Zwecken dienenden Spateln [IV S. 182] wie in Dodona (Cara-
panos Taf.51, 18. 19; vgl. Friederichs a.a.O. S.260). Ferner Angelhaken und
Netznadeln als Doppelgabeln gestaltet, wie sie sich ebenso in Italien und
Deutschland finden.1 Mehrere Sporen ferner [IV S. 180], von der Form wie sie
nicht nur aus Dodona (Carapan os Taf. 52, 1—4), sondern auch aus Italien und dem
Norden in Funden „römischer" Zeit vorliegt (vgl. Friederichs a. a. O. Nr. 1276 bis
1278; Lindenschmit, Altert, uns. heidn. Vorz. II, 1 Taf. 7, 4; Caylus, Rec. d'ant.
III, 69, 5). Nur in den obersten spätesten Schichten kommen ferner Knöpfe u. dgl.
mit Email vor [IV zu 1357]; ferner ein eigentümliches Gerät, das in Olympia sehr
häufig, indess nur fragmentiert vorkam, zu dem jedoch ein in Dodona gefundenes
besser erhaltenes Exemplar auch keine Erklärung gibt: es ist das bei Carapanos
Taf. 54, 1 abgebildete Büchschen aus Bronzeblech mit gezahnten Rändern. Das in
dem Exemplar von Dodona erhaltene Knochenstück scheint nicht zugehörig. Aus
anderen Fundorten ist mir das Gerät völlig unbekannt.2 — Amulette sind selten; es
sind zu erwähnen ein Phallos und ein Medaillon mit einem Frosch in Relief, beide
zum Anhängen [IV, 1167. 1168]. — Ferner scheinen der Spätzeit anzugehören
die zahlreichen Ohrlöff eichen der gleichen Form wie anderwärts in römischen
Funden;3 eines derselben wurde sogar in einem der gleich zu erwähnenden
Plattengräber gefunden. Auch Nadeln und Armringe, die der Spätzeit an-
gehören, kommen vor in den oberen Schichten, und sind oft von den früher er-
wähnten alten nicht leicht zu unterscheiden; die frühbyzantinische Zeit liebt für
derartige Gegenstände gerade die geometrische Verzierung durch Punktierung 84
und die konzentrischen Kreise,* wie die älteste Zeit. Genauere Betrachtung läßt
freilich auch hier die Unterschiede feststellen.
Die Bewohner Olympias während seiner letzten Jahrhunderte waren, wie die
große byzantinische Kirche zeigt, Christen. Die wenigen speziell christlichen
Bronzereste [IV S. 208 ff.] bestehen in Fingerringen und kleinen Plättchen mit
graviertem Kreuze, einer großen Bronzelampe mit dem Kreuze als Griff (mit kon-
zentrischen Kreisen verziert), in einigen Weihrauchgefäßen mit eisernen Kettchen,6
1 [IV S. 190. 182.] Auch schon in Pfahlbauten des sogen. Bronzezeitalters, z. B. Troyon,
Habitations lacustres Taf. 12, 11 ; Mitt. d. ant. Ges. zu Zürich XII, 3, Taf. 2, 25. — Aus einem
Grabe von Idalion auf Cypern, s. Cesnola-Stern, Cypern, Taf. 10.
2 [Vgl. IV S. 14, wo die richtige Deutung auf die Wimpern eingesetzter Statuen-Augen
gegeben wird und andere Beispiele nachgewiesen sind.]
3 [IV S. 181.] Ein älterer Typus scheint derjenige zu sein, der z. B. in einem Hallstätter
Grabe erscheint (v. Sacken, Taf. 19, 16), mit gewundenem Stabe.
4 Dieselbe Verzierungsweise herrscht in den sogen, fränkischen Gräbern in Deutschland.
5 Interessant ist ein Weihrauchgefäß in Becherform, wie solche heutzutage noch in den
kleinen Landkirchen Griechenlands üblich* sind; dasselbe ist nämlich von jenen späten Be-
wohnern zusammengesetzt worden aus zwei alten Stücken, deren sie eine große Anzahl in der
Altis finden konnten, nämlich aus einem Nagelkopfdeckel wie Carapanos, Dodone Taf. 43, 9
als Fuß und einem der kleinen Blechdreifußkesselchen als eigentlichem Gefäß [IV, 1370).
26*
404 Dn Bkonzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
endlich In Amuletten im Kreuzesform, zum Teil mit kleinen gravierten Kreisen
verziert; das Kreuz hat an diesen Amuletten die Gestalt unserer Ordenskreuze;
Kreuze derselben Form fanden sich in Gräbern Frankreichs und Englands vom
elften und zwölften Jahrhundert (s. Archaeologia 36, S. 266 u. Taf. 21,2).
Vor allem wichtig sind indess die ungemein zahlreichen Gräber Olympias
|IV S. 208 ff.]. Ich schicke voraus, daß die Ausgrabungen antike d. h. vorchristliche
Gräber selbstverständlich nicht in der Altis, aber auch nicht außerhalb derselben
geliefert haben. Die anfangs bei manchen aufgetauchte Vermutung, daß ein Teil
der in Olympia gefundenen kleinen Gegenstände aus Gräbern stammen könne, ist
vollkommen abzuweisen. Die vorhandenen Gräber stammen alle aus der Zeit, als
ein christliches Dorf die Ruinenstätte der Altis bedeckte. Es sind zwei Gruppen
zu unterscheiden, indem die einen aus großen Steinplatten, die andern aus ge-
rundeten großen Ziegeln hergestellt sind.
In Exemplaren der beiden Gruppen wurden Kreuze als Amulette gefunden;
sie gehören also im allgemeinen derselben Epoche an; einmal indess habe ich
beobachtet, daß ein Ziegelgrab sich über einem aus Steinplatten befand; und
85 wieder über jenes weg ging der Mauerzug eines der späten Häuser. Die
meisten der Gräber enthalten gar nichts als die Skelette; die kleinen Funde, die
in andern gemacht wurden, umfassen folgende Rubriken: Ohrringe von antiker
Form. Haarnadeln zum Teil aus versilberter Bronze, meist mit polygonen
Knöpfen, Arm- und Fingerringe, Ohrlöffelchen, Schnallen, endlich auch eine
Glocke und manche kleine rohe Tonkrüge. Der Inhalt schließt sich also ganz
an den Brauch vorchristlicher Gräber an.
Zum Schlüsse bemerke ich noch, daß wir auch durch ihre Form interessante
Bronzegefäße besitzen, die durch die Fundumstände diesen christlichen Bewohnern
zufallen [IV S. 212].
Da die erwähnten Gräber sich nach Anlage wie Inhalt durchaus an sonstige
spätgriechische Gräber anschließen, so ist kein Grund vorhanden, sie einem
andern Volke als den zu Christen gewordenen alten Einwohnern zuzuschreiben.
Überdies waren die Slaven als sie zuerst in den Peloponnes einbrachen noch
nicht zum Christentume bekehrt. Freilich muß zugestanden werden, daß die jene
Gräber anlegende Bevölkerung in Olympia nicht die letzte vor der großen Ver-
schüttung gewesen sein muß; denn, wie ich selbst an mehreren Stellen kon-
statieren konnte, fanden sich späte Mauerzüge, die quer über Gräber jener Art
wegzogen, also später als die letzteren waren. Vielleicht konnten sie einer
andern Bevölkerung angehören; ebensogut aber derselben, indem nur einige Zeit
zwischen der Anlage jener Gräber und der Hausmauern verstrichen zu sein
brauch; lenfalls muß betont werden, daß die Funde bis jetzt keinerlei
alt bieten für die Annahme, daß eine fremde, etwa slavische Bevölkerung
• mpia in der letzten Zeit vor seiner gänzlichen Überschwemmung bewohnt habe.
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 405
Nach dem Überblicke über die lediglich unter den weiteren Begriff der
Geräte fallenden Gegenstände, wenden wir uns zu dem was die darstellende
Kunst uns in den Bronzefunden von Olympia hinterlassen hat.
Am zahlreichsten sind uns Statuetten erhalten, von denen die Gruppe der 86
ganz rohen und primitiven bereits oben [S. 357 u. 360 ff.] besprochen wurde.
Wir gehen deshalb gleich zu den Statuetten des geschulten Archaismus
über. Obwohl uns hier relativ nur sehr weniges erhalten ist, so begegnen wir
darunter doch mehreren so verschiedenen Stilrichtungen, daß wir, was auch an
und für sich das Wahrscheinlichste ist, die Produkte sehr verschiedener Orte vor
uns zu haben glauben dürfen.
Die griechische Kunst noch in Anlehnung an die phönikisch-orientalische
darf man wohl in der Aphroditestatuette, Ausgrab. Bd. III Taf. 24B, 5 [IV, 74],
erkennen. Das Motiv, die Hände an die Brust und vor den Schoß zu legen,
scheint direkt von der phönikischen Göttin entnommen (vgl. E. Curtius, Arch.
Ztg. 1869, S. 62); das Zusammenfassen des Gewandes vor dem Schöße findet
sich ebenso an zwei weiblichen hocharchaischen Marmortorsen der Akropolis in
Athen (unpubliziert). Einen dem seltsamen übergroßen Kopfe direkt ent-
sprechenden Typus wüßte ich sonst nicht nachzuweisen. Da ein eiserner Stab
durch die ganze Figur geht, so dient der Wulst auf dem Kopfe wohl nur tektoni-
schem Zwecke, als vermittelndes Glied.
Die hier vorliegende älteste Stufe der statuarischen Kunst, wo die Beine
enggeschlossen nebeneinander gebildet werden, ist in Olympia noch in mehreren
fragmentierten Statuetten erhalten (so namentlich der untere Teil einer weib-
lichen Figur in enganliegendem Gewände, Inv. Nr. 5600 [IV, 75]). Die nächste
Stufe, wo die Beine etwas getrennt erscheinen, ist besonders durch einige bart-
lose nackte Jünglingsstatuetten vertreten, von denen wenigstens zwei durch die
langen Haare und den Kopfschmuck sich als Apollo kundgeben (Ausgrab. Bd. IV,
Taf. 25 A, 2 u. 3 [IV, 48 u. 49]).
Wenn auch der allgemeine Typus der beiden Statuetten übereinstimmt und
sie zeitlich nicht weit getrennt sein mögen, so gehören sie doch offenbar ganz
verschiedenen Kunstrichtungen an; die schiefgestellten Augen, das stark vor-
springende Mittelgesicht und der volle Mund der größeren Figur finden in dem
breiten Gesichtstypus der kleineren, der an altspartanische Reliefs erinnert (Mitt.
d. athen. Inst. II, Taf. 21) ihren Gegensatz. Wiederum einen ganz verschiedenen
Typus zeigt die im übrigen sehr verwandte Apollostatuette aus Naxos (Arch.
Ztg. 1879, Taf. 7); die ungleich entwickelteren Formen machen indess wahrschein-
lich, daß dieselbe später ist als die olympischen Figuren; noch später scheinen 87
dann die übrigen Statuetten dieses Typus zu fallen, soweit sie bekannt sind.
Die beiden, Ausgrab. Bd. IV, Taf. 23, 5 u. 6 [IV, 51 u. 52], abgebildeten Jüng-
lingsstatuetten mit kurzen Haaren sind offenbar keine Götter, sondern sollen
menschliche Personen darstellen; merkwürdig ist die Basis von Nr. 5, die eine
406 DlE Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
mzudeuten scheint, nach der alten Sitte, Anatheme auf hohen oder niederen
;len aufzustellen, welche, wie namentlich einige sehr alte Beispiele auf der
Akropolis in Athen lehren, von den kanonischen Formen der Architektur meist
beträchtlich abwichen. — Nr. 6 scheint schon dem späteren Archaismus an-
zugehören; die Figur weicht auch dadurch, daß sie das rechte Bein vorsetzt, von
dem bekannten in den älteren archaischen Werken fast durchweg befolgten Ge-
setze ab, wonach der linke Fuß vor den rechten gesetzt wird, ein Kanon der
übrigens mit dem der ägyptischen Statuen gewiß nicht nur zufällig überein-
stimmt. Zahlreiche Basen archaischer Bronzestatuetten, die Olympia geliefert,
zeigen immer den linken Fuß vorgesetzt.
Einen ebenso bestimmt ausgeprägten als von den bisherigen verschiedenen
künstlerischen Typus zeigt die feine Statuette eines Kriegers auf Taf. 25a, 1 und
23, 2 des IV. Bandes [IV, 42]. Gegenständlich bietet sich als nächster Vergleich die
vollgerüstete Figur aus Lakonien (Mitt. d. athen. Inst. III, Taf. 1, 2), die der Inschrift
zufolge dem Apollo Maleatas geweiht war; ferner die von zwei Personen dem
ismenischen Apollo geweihte Statuette eines lanzenschwingenden Mannes aus
Chalkis (Mitt. d. athen. Inst. I, Taf. 5 [I. G. VII, 2455]). Die einzig wahrscheinliche
Annahme scheint mir die, daß auch diese Statuetten eigentlich die Persönlichkeit des
Weihenden selbst darstellen sollen; in dem letzteren Falle mußte die eine Figur
zwei Persönlichkeiten bei dem Gotte vertreten, was ich bei der Allgemeinheit
der Auffassung dieser von eigentlichem Porträt noch weit entfernten Figuren
wohl für möglich halte. — Stilistisch zeigt die olympische Statuette einen nicht
nur sehr viel ausgeprägteren und sorgfältigeren, sondern auch von den beiden eben
verglichenen wesentlich verschiedenen Charakter. Am nächsten kommt ihr, so
viel ich sehe, der gleich zu erwähnende große Bronzekopf Olympias (Ausgrab.
Bd. III, Taf. 22 [IV, 1 ]) ; namentlich finden wir hier wie dort die auffallend kurze Nase
und den sehr breiten Mund mit den mageren Lippen; die letztere Eigenschaft
88 ist auf der Statuette noch viel ausgeprägter, wie sie denn auch noch magerere
Wangen, noch weiter vorspringenden Bart und in der Vorderansicht eine noch
viel mehr quadratische Gesamtanlage zeigt. Höchst interessant ist, daß eine auch
stilistisch genaue Replik dieser Figur existiert (in Kassel; Abguß in Berlin
Nr. 1 009 D [ Friederichs- Wolters 235]), welche indess durch Hinzufügung von Löwen-
fell über dem Panzer, Köcher auf dem Rücken und Keule in der Rechten Herakles
charakterisiert [Roschers Lexikon der Myth. I S. 2149].
Wiederum einen verschiedenen Charakter zeigt die mit aller Wahrscheinlich-
keit als Artemis zu bezeichnende Statuette im III. Bd., Taf. 24 b, 4 [IV, 55]; eigen-
tümlich ist ihr namentlich die ganz faltenlose Gewandung, die doch alle Körper-
-men völlig deutlich durchscheinen läßt.
:it mehr das ruhige Vorsetzen des einen Beines, sondern das Schema des
heftigen Ausschreitens zeigt uns die Figur des blitzschwingenden Zeus (Bd. IV,
Ttf.24.2pV, 45]). Eine Votivstatuette des Zeus in Olympia würde man gewiß
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 407
gerne als ein lokales Erzeugnis ansehen, namentlich wenn, wie hier, der Typus
ein auf den elischen Münzen bis in die Kaiserzeit ungemein gewöhnlicher ist.
Gleichwohl ist auch in diesem Falle eine Importation wahrscheinlicher; denn ein
offenbar derselben Fabrik entstammendes Exemplar desselben Typus ist in
Dodona gefunden worden (Carapanos Taf. 12, 4); die beiden Figuren sind zwar
nicht aus einer Form gegossen, stimmen aber in Motiv und Stil, ja auch in der
Größe (0,10) und der Befestigungsart durch Zapfen unter den Füßen genau
überein. Wie die von O. Jahn (Nuove memorie d. Inst, zu Taf. I) und Over-
beck (Kunstmythologie, Zeus, S. 24) zusammengestellten Münzen zeigen, war der
Typus dieses blitzschwingenden Zeus mit dem (indess mehrfach weggelassenen)
Adler auf der vorgestreckten Linken ein in den verschiedensten Gegenden ge-
bräuchlicher. Dem Stile nach scheinen unsere Figuren den oben besprochenen
Pfannengriffen in Apollogestalt gleichzeitig zu sein und vielleicht auch in den-
selben Fabrikationskreis zu gehören.
Es bleibt uns von bedeutenderen Statuetten nur noch die laufende Gorgone
(Bd. IV, Taf. 23, 3 [IV, 78]) zu erwähnen übrig; dieselbe gehört indess, da sie
wahrscheinlich als Stütze eines Gerätes diente, zur Rubrik der dekorativen
Arbeiten. Das Bruckstück eines zweiten sehr ähnlichen Exemplares, ebenda Nr. 4
[IV, 79], zeigt das eilige Laufen bereits in das Schema des Kniens gezwängt. Eine 89
sehr ähnliche Gorgone befindet sich im Varvakion in Athen; es fehlen nur die
Füße und die Basis, welch letztere indess wahrscheinlich nach unserer Nr. 4 zu
ergänzen ist.1 Dieser Basisstreif, mit Voluten an den Seiten, scheint übrigens
einer ganzen Gruppe verwandter Figuren eingentümlich zu sein: identisch zeigen
ihn ein in Dodona gefundener Hase (Carapanos Taf. 20, 3) und zwei in Italien
gefundene unter sich völlig gleiche Exemplare einer vorzüglichen archaischen
Sphinxstatuette, von denen das eine in Neapel (Bronzi Nr. 7424), das andere
in München (Antiquarium Nr. 529) sich befindet; dieselben sind von unzweifel-
haft griechischer Arbeit; die Sphinx sitzt nach rechts mit dem Beschauer zu-
gewendetem Kopfe nach dem bekannten alten Typus (vgl. Mitt. d. athen. Inst. IV,
Taf. 5). Ein weiteres völlig gleichartiges Werk derselben Fabrik ist ein vier-
flügliger Jüngling im Laufmotive der Gorgonen (in Berlin, s. Friederichs
Nr. 2172, Panofka, Mus. Pourtales Taf. 40). Auf dem Kopfe zeigen dieser Jüng-
ling, die Sphinxe und die Gorgone in Athen dieselbe Palmette und zwar deren
ursprüngliche assyrische Form mit einer Ranke darunter.2 — Wir haben also
wieder eine Gruppe dekorativer, etwa dem Anfang des fünften Jahrhunderts an-
gehöriger, Statuetten, die, über Italien und Griechenland verbreitet, doch auf
eine Fabrik weisen.
1 [A. de Ridder, Bronzes de la soc. Arch. d'Athenes Nr. 909.]
2 Ebenfalls auf dem Kopfe von Männern findet sich dasselbe Ornament an zwei be-
malten Schalen, welche der Fabrik der Arkesilasvase angehören (es sind die von Löschcke
im Dorpater Programm 1879, S. 13 als Nr. 6 und 9 angeführten [Arch. Zeitung 1881 S. 217]).
408 Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
Eine Statuette des freien Stiles haben die deutschen Ausgrabungen bis jetzt
nicht gebracht.1
Die Koste großer Bronzestatuen beschränken sich im wesentlichen auf
einige zum Teil sehr schöne Arme und Füße, unter welch letzteren besonders
90 einige archaische mit jenen unnatürlich langen, sorgfältig ausgeführten Zehen
hervorzuheben sind; ferner zahlreiche Stücke archaischer Haarlocken und endlich
allerlei Gewandfaltenstücke, auch Quasten und franzenbesetzte Panzerstreifen
u.dgl. ganz wie auch in Dodona (Carapanos Taf. 59 u. 60 [IV S. 9 ff.]).
Von Bedeutung, und zwar von der allergrößten, ist indess der im dritten
Jahre gefundene bärtige Kopf (Ausgrab. Bd. III, Taf. 22 [IV, 1]), den wir ohne Be-
denken Zeus nennen dürfen. Derselbe erhielt einen noch erhöhten Wert durch
den Fund eines zweiten Zeuskopfes im vierten Jahre, der zwar nicht in Bronze,
sondern in Terrakotta gearbeitet ist, jedoch in einer Technik, welche die Bronze
offenbar nachahmen soll, indem das Ganze mit schwarzem, glänzendem Firnisse
überzogen war [III, Taf. 7 Nr. 4]. Wir besitzen in diesen Köpfen die Repräsentanten
zweier vor Phidias fallender Stadien der Bildung des Zeus, die kurz aufeinander
folgten. Während der Bronzekopf noch der älteren Tradition mit den langen Haaren
und den auf die Schultern fallenden Locken folgt, so zeigt der tönerne bereits die
hinten kurz heraufgenommenen Haare, während er den Schmuck der Löckchen
über der Stirne noch beibehält; höchst lehrreich ist auch der Vergleich des Ein-
zelnen, wo sich namentlich zeigt, wie die Profillinie in der Terrakotta gemildert,
Auge und Mund in ganz neuem Sinne behandelt sind.
Indem wir zu den Darstellungen in Relief übergehen, und dabei absehen
von solchen, welche nur einfache Tierreihen, sei es die der „orientalischen"
Dekoration angehörigen Löwen, oder wie Inv. Nr. 2061 [IV, 295], Pferd, Rind und
den raumfüllenden Fisch in völlig dem „geometrischen" Stile eigener Weise
zeigen, werden wir als das Primitivste und vielleicht Älteste das (von E. Curtius,
Bronzerelief S. 11 abgebildete) Relief mit dem Stieropfer anerkennen müssen
[IV, 694]. Die Umrisse sind einfach eingeschlagen und keinerlei Detail ist graviert.
Die rohe Bildung des menschlichen Kopfes erinnert an die der primitiven lokalen
Terrakottafiguren. Der sitzende Mann ist offenbar im Begriffe den Stier, der vor
ihm auf die Knie gesunken ist und den er mit der Linken am Home packt, mit
dem in der Rechten erhobenen Opfermesser zu töten; daß die Handlung in einem
Haine vor sich gehe zeigt der Baum hinter dem Manne an. Da der letztere
durch nichts näher charakterisiert ist, so dürfen wir wohl ohne zu große Kühn-
Zetl gehört eine kleine Hermesfigur an (Inv. Nr. 2606 [IV S. 22]). — Im
■ Museum befindet sich eine nach Rhusopulos aus Olympia stammende Athena-
, verwandt der in Dodona (Carapanos Taf. 11, 4) gefundenen [IV
: erwähne ich, daß die mit Palmetten geschmückte Basis einer Statuette,
nutlich freien Stiles, in Dodona bei Carapanos Taf. 47, 10 in einem ganz gleichen
npia wiederkehrt [IV, 910).
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 409
heit in dem Relief die Darstellung eines beliebigen, in der Altis dem Zeus ge- 91
brachten Stieropfers sehen und so dasselbe jenen primitiven Figuren, jenen
Wagenlenkern, Reitern und Kriegern, an die Seite stellen als ein ebenso sicher
dem Lokale entsprungenes Produkt.
Höchst wahrscheinlich importiert ist indess die prächtige große Bronze-
platte (Ausgrab. Bd. III, Taf. 23 [IV, 696]), die wir hier nur kurz zu erwähnen
brauchen, da sie bereits von anderer Seite eine eingehende Behandlung erfahren
hat. Ich hebe nur hervor, daß die beiden Greife dem oben ausführlich be-
sprochenen altgriechischen Typus angehören. Wie diese Greife, so gehören
auch die darüber dargestellten Adler1 noch in den Kreis dekorativer Figuren,
offenbar ohne spezielle Beziehung zu Zeus.
An Altertümlichkeit zunächst stelle ich ein im Süden des Zeustempels
(17. Januar 1879) gefundenes Relieffragment, das zwei offenbar im Faust-
kampfe begriffene bärtige nackte Männer darstellt, von denen wenigstens der
eine sicher hinten lang herabfallendes Haar trägt [IV, 703]. Über der Darstellung
ist der Rest eines aus Voluten und Palmettenmotiven zusammengesetzten Orna-
mentes der Art wie die oben S. 44 [S. 372] besprochenen.
Die interessanteste Klasse der Reliefs ist jedoch diejenige, deren Haupt-
beispiele im vierten Bande der Ausgrabungen, Tafel 25 B, 1 — 4 [IV Taf. 39] und
von E. Curtius, Das arch. Bronzerelief S. 12 — 14, abgebildet sind. Dieselben ent-
stammen nämlich ohne Zweifel einer und derselben Fabrik; nicht nur sind die
gesamte Technik und der Stil völlig identisch, sondern auch die Umrahmung
der einzelnen Felder und die Dimensionen derselben; was die letzteren betrifft,
so läßt nämlich die genau meßbare 2 Höhe von Nr. 2 und die Breite von Nr. 3,
die beide gleich sind, mit aller Wahrscheinlichkeit schließen, daß die Felder
quadratisch und alle von denselben Dimensionen waren. Bestätigt wird dies
durch einige in Dodona gefundene Relieffragmente (Carapanos Taf. 16, 2. 3),
die ohne Zweifel dieser selben Fabrik entstammen und sowohl genau dieselbe
Umrahmung als dieselben Dimensionen der quadratischen Felder zeigen (0,048 92
bis 0,050). Daß die Publikation bei Carapanos stilistisch völlig falsch ist
und der Stil der Reliefs vielmehr dem der unsrigen entspricht, glaube ich diesen
Tatsachen gegenüber ohne Bedenken annehmen zu dürfen, da das Detail dieser
Reliefs ungemein schwer kenntlich zu sein pflegt und dem Zeichner große
Schwierigkeiten bereitet.
Wir sind so glücklich den Fabrikationsort dieser nach Dodona wie Olympia
verbreiteten Reliefs aufs genaueste bestimmen zu können: die auf Nr. 4 [IV, 699]
1 Adler kommen auch unter den Tierreihen altkorinthischer Vasen vor und zwar nicht
nur fliegend, sondern auch stehend wie hier; ein Adler als Krönung auf dem Kopfe der
sogen, persischen Artemis in der oben [S. 391] erwähnten altgriechischen Bronze von Grächwyl.
2 Die übrigen Dimensionen sind teils überhaupt unvollständig, teils durch Zu-
sammensetzung aus mehreren Fragmenten nicht mehr genau die ursprünglichen.
410 Dn Bkonzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
erhaltene Inschrift zeigt, daß es Argos ist. Zur Bequemlichkeit der Leser wieder-
hole ich hier meine Abschrift derselben [V, 693]:
O
<
d. h. u/.t(i)<K yiqoiv. Die Inschrift gehört dem ältesten der nachweisbaren Stadien
des argivischen Alphabets (s. Kirchhoff, Studien "'S. 85) an, wo außer dem älteren
Charakter der übrigen Buchstaben namentlich das O ohne Punkt und das alte
liegende Sigma hervorzuheben sind. Diese Stufe ist sicher beträchtlich vor Ol. 80,
wahrscheinlich noch ins sechste Jahrhundert zu setzen. Auf die letzte Hälfte des
letzteren weist uns wohl auch der Stil der Darstellungen. [Aegina, Das Heiligtum
der Aphaia S. 394.]
Auf einigen im dritten Ausgrabungsjahre gefundenen Fragmenten eines Relief-
bandes,1 das durch genaue Übereinstimmung der Technik, der Felderteilung und
Umrahmung sich als zu derselben hier behandelten Gruppe gehörig erweist,
habe ich zwei kleine Inschriftreste gefunden, die derselben Stufe des obigen
Alphabets angehören. Es sind [V S. 714]:
a) M Arilin
93 wie die obige Inschrift von oben herab zwischen dem seitlichen Rande und dem
Reste eines männlichen Beines geschrieben; zu Anfang unvollständig; zu er-
gänzen etwa Ät\Fag.
b) /// P I M
von unten nach oben neben dem linken seitlichen Rande geschrieben; rechts
davon unklarer Reliefrest, wie es scheint, das bekleidete Unterbein einer nach
rechts schreitenden Figur. Da nach dem Charakter dieser Reliefs nur eine
mythische Person erwartet werden darf, so liegt es am nächsten, den Namen
als Iris oder Eris zu ergänzen.
Leider sind die Reste dieses Reliefbandes sehr gering und bieten keine ver-
ständliche, der Beschreibung lohnende Darstellung. Nur das sei erwähnt, daß ein
Feld genau mit dem oberen von Nr. 4 auf Taf. 25b des vierten Bandes [IV, 699],
das eine nach rechts laufende Gorgone darstellt, übereinstimmt; erhalten ist das
linke Bein mit dem unteren Ende des linken Flügels der genau wie dort gebildeten
( iorgone.
Ich erinnere jetzt daran, daß wir auch die oben [S. 400] behandelten Schilde
als argivischen Ursprungs erkannt haben. Wir können jener Annahme jetzt eine
neue Stütze hinzufügen. Das Flechtornament das unsere Reliefs an den Seiten
einrahmt, ist nämlich genau dasselbe wie das an den Rändern jener Schilde,
1 Inv Nr. 2138 (IV, 700]. El lind mehrere kleine leider sehr schlecht erhaltene Frag-
mente, die keine Zusammensetzung erlauben.
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 41 1
nur daß es dort in mehreren Reihen erscheint. — Dieses selbe der argivischen
Fabrikation eigentümliche gestanzte Flechtband, das sich von andern ähnlichen
leicht unterscheidet, findet sich noch auf zahlreichen Fragmenten von Bronzeblech
in der Altis, die nicht zu Schildrändern gehörten und nur einfacher Verkleidung
gedient zu haben scheinen [IV S. 109]; einige derselben sind versilbert, ja ver-
goldet und mehrere haben sich unter dem Bauschutte des Zeustempels gefunden.
Daß jene argivischen Reliefs vereinzelt auch nach Italien exportiert wurden, ver-
mute ich, weil ein altetruskisches Bronzeblechband im Museum von Karlsruhe
(Inv. F 583 [Schumacher, Bronzen 268]) sich unverkennbar an derartige Vorbilder
anlehnt; es ist wie jene in quadratische, übereinander befindliche Felder geteilt,
zu Oberst die laufende Gorgone; darunter ein Reiter, ein Greif wie die olympischen
und ein Löwe(?). Völlig gleicher Art ist ein Fragment in Berlin aus Smlg. Bartholdy
(Chimaera, vom Flechtbande umgeben). Im Stile gröber, scheinen dies doch gute
Nachbildungen argivischer Vorlagen.
Die Gegenstände, die in den Feldern unserer argivischen Reliefstreifen dar- 94
gestellt erscheinen, sind, soweit sich erkennen läßt, fast ausschließlich mythisch;1
nur von dem Reiter auf Taf. 25ß, 1 [IV, 707] (= Curtius, Das arch. Bronzerelief,
S. 12 Nr. 4) wird dies nicht gelten.
In dem Fragmente ebend. Nr. 2 = Curtius S. 13 Nr. 5 (vgl. Ausgrab. Bd. IV,
S. 18 [IV, 701a]) wird ein völlig ruhig und friedlich stehender Jüngling, der mit
der Linken den Speer aufstützt, von einer langgewandeten Figur, die ebensogut
männlich als weiblich sein kann, angefleht und zwar offenbar wegen des getötet
am Boden liegenden Mannes. Da der letztere, der Haltung jenes Jünglings nach,
durchaus nicht etwa soeben erst im Kampfe gefallen ist und überhaupt keine
Kampfesszene vorliegen kann, so wird man am wahrscheinlichsten Priamos er-
kennen, welcher den Achilleus um den toten Hektor anfleht.2 Die Abweichung
von dem uns durch ältere Vasenbilder überlieferten Typus dieser Szene dürfte
sich genügend schon aus den engen Raumverhältnissen unseres quadratischen
Feldes erklären. Überdies scheint diese Kompositionsart, welche mit möglichster
Raumersparnis sich die handelnden Figuren wenig bewegt gerade gegenüber-
stellt, eine der alten besonders peloponnesischen Metallincrustation eigene ge-
wesen zu sein.3
Von den vier Feldern der beiden zusammengehörigen Stücke Nr. 3 u. 4
[IV, 699] (= Curtius S. 13 Nr. 6 u. 14 Nr. 7) stellen zweie sicher Taten des
1 Man vergleiche jeweils die von mir im vierten Bande der Ausgrab, gegebenen Be-
schreibungen der betr. Nummern [IV, 699 ff.].
2 [Vgl. Furtwängler in der Festschrift für E. Curtius (1884) S. 181 ff.]
3 Wir finden sie z. B. auf der bekannten spartanischen Stele, die ja deutlich nur in
Stein übersetzte Blechinkrustation ist; ferner namentlich auf den etruskischen gepreßten
Buccherovasen, deren Relieffriese ja keineswegs friesartig komponiert, sondern aus ein-
zelnen wie unter jenem Raumzwange entstandenen Stücken zusammengesetzt sind.
412 Dd efi nde \i s Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
Herakles dar. Der Held ist in beiden Fällen zwar ganz nackt, doch durch den
auf dem Rücken befindlichen Köcher unzweideutig charakterisiert; außerdem hat
Nr. A den Rest seiner Namensbeischrift erhalten. Auf Nr. 3 geht der Held mit
Köcher und Keule auf eine eiligst entweichende menschliche Figur los, deren
Kopf durch eine höchst ausgeprägte Hakennase und borstig gesträubte Haare
ausgezeichnet ist; im übrigen trägt dieselbe einen kurzen enganliegenden, mit
Schuppen verzierten Chiton; sie erscheint unbärtig und dürfte demnach eher
weiblich als männlich sein. In jedem Falle läßt sich sagen, daß sie keiner der
Riesen sein kann, die Herakles bekämpft, und an einen Giganten ist ebensowenig
zu denken;1 überhaupt aber gibt es, soviel ich sehe, kein Monument, das eine
der unserigen gleiche Darstellung zeigt, und auch von der literarischen Über-
lieferung scheint nichts unmittelbar auf sie zu passen.2 Nur für den künstlerischen
Typus der entfliehenden Figur vermag ich eine Analogie, von einer strengen
rotfigurigen Vase anzuführen: es ist die Adikia, auf welche Dike, wie hier
Herakles, mit geschwungener Waffe losgeht (Nuove Memorie d. Inst. Taf. 4, 4);
sowohl die Gesichtsbildung3 als die Kleidung und das Schema des Entweichens
sind jener Adikia und unserer Figur gemeinsam. Dieser Zusammenhang ist
gewiß nicht ganz zufällig; nicht nur dürfte unsere Figur den Typus von jener
Adikia entlehnt haben — denn deren Typus ist, da er offenbar schon auf dem
Kypseloskasten feststand, älter als unser Relief — sondern es wird auch eine
gewisse Wesensverwandtschaft der beiden Figuren zu Grunde liegen.
Von dem Fragmente der darüber befindlichen Darstellung läßt sich nur sagen,
daß die hockende nackte Figur ihren Verhältnissen nach (man vergleiche nament-
lich die Beine mit denen des Getöteten auf Nr. 2) ein Riese sein muß. Wollen
wir im Bereiche der Heraklestaten verbleiben, so dürfte demnach am ehesten an
den Riesen Alkyoneus zu denken sein, der im Schlafe liegend von Herakles
überfallen wird; daß jener weniger ausgestreckt erscheint als auf den Vasen
lahn, Sachs. Berichte 1853, Taf. 5 u. 7), dürften die engen Raumverhältnisse
verschuldet haben.
Die laufende Gorgone von Nr. 4 ward schon erwähnt; das Feld unter der-
selben ist weitaus das interessanteste dieser Reihe. Die erhaltenen Inschriften
en uns die Namen der beiden dargestellten Figuren. Es ist Herakles, wie
oben nackt, nur mit dem Köcher auf dem Rücken, der auf den Halios Geron
•ht, einen Greis mit langem geschupptem Fischleibe statt menschlichen Unter-
1 Einzelkampf des Herakles mit einem sonst unbekannten Giganten Thurios am
amykläiM Ihm Throne: Paus. III, 18, 11.
1 IRoschers Lexikon der Myth. I S. 2215.]
s Line IhnHche Gesichtsbildung ist in altetruskischer Kunst nicht so selten; vgl.
dgen Dflmon des Elfenbeinreliefs, Mon. d. Inst. VI, 46, 4 [Rom. Mitt. 1906,
i von Herakles angegriffenen Riesen der Vase Mus. Greg. II, 16, 2 (Alkyoneus
nach Jahn, S.idis. i l,143[Ro Lexikon IS. 2209]); in späterer Zeit dann Charon.
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 413
körpers. — Unser Relief ist keineswegs die erste oder einzige Darstellung dieser
Szene. Wir finden dieselbe und zwar mit genau denselben Motiven wie auf
unserem Relief, dem weitausschreitenden nur mit Köcher versehenen Heros und
dem umblickenden Meergreise, bereits auf einem geschnittenen Steine jener
ältest griechischen Gattung, jener auf den Inseln des Archipels gefundenen
Kiesel.1 Da diese Gattung sonst durchaus noch keine mythischen Darstellungen
zu enthalten pflegt und unter deutlichem orientalisch-phönikischem Einflüsse
steht, so ist das erste Vorkommen unserer Szene gerade hier um so bedeutungs-
voller. Wir finden dieselbe ferner auf dem alten Tempelfriese von Assos (Mon.
d. Inst. III, 34) und darauf endlich in zahlreichen schwarzfigurigen Vasen der ge-
wöhnlichen attischen Art,2 von denen einige den Meerdämon inschriftlich als
Triton bezeichnen. Von Nereus wird derselbe auf diesen Vasen scharf ge-
schieden, indem jener meist beim Kampfe als Zuschauer erscheint und zwar in
völlig menschlicher Gestalt3 und indem der Kampf des Nereus mit Herakles auf
denselben Vasen dargestellt wird, doch völlig anders als der mit Triton. —
Wie ist es nun zu erklären, daß derselbe Meerdämon derselben Darstellung auf
unserm Relief Halios Geron, auf den attischen Vasen Triton heißt?
Wir werden bald sehen, daß der Name „Halios Geron" für jenen fisch-
schwänzigen Dämon mit älterer, ursprünglicherer Tradition zusammenhängt als
der „Triton". Halios Geron als solcher, und keinesweges etwa Nereus, Proteus,
Glaukos oder dgl., hatte einen eigenen Kult in Byzanz,4 vielleicht deshalb auch
in der Mutterstadt Megara; er genoß, einfach als Geron, ferner Verehrung in
Gythion (Paus. III, 21, 9) und wie scheint auch bei den Iberern.5 Dieser Geron, 97
und nicht Proteus, scheint in der ursprünglichen Gestalt der die Irrfahrten des
Menelaos erzählenden Episode der Odyssee es gewesen zu sein, der dem
Menelaos verkündet,6 wie er seine Rückfahrt zu machen habe, derselbe zeigte
Jason und den Argonauten den Weg nach der Sage der Byzantier, und der-
selbe die Wahrheit verkündende Geron ist es ohne Zweifel, der im homerischen
Hymnus auf Hermes (187 ff.) im Haine des Poseidon von Onchestos weilt und
dem die Rinder suchenden Apollon den Sachverhalt enthüllt.7 — Daß dieser
1 Revue archeol. 1874, II, Taf. 12, 1, S. 1 ff. Fr. Lenormant. [Gemmen Taf. 5, 30.]
2 ZusammengestelltvonGerhard.Auserl.Vasenbilder.Bd.II, S.95, Anm.12. [Roschers
Lexikon der Myth. I S. 2193.]
3 Siehe Benndorf, Griech. u. sie. Vasenbilder, S. 63. — Die Vase bei Gerhard
a. a. O. Nr. n, zeigt Triton und Nereus inschriftlich. Dasselbe ist der Fall auf einer
streng-schönen rotfigurigen Schale von Kamiros wo NHPEY£ thront und TPITftN
fischschwänzig, doch als Greis und mit bekleidetem Oberkörper und Szepter gebildet ist
(s. Gardner im Journal of Philology VII, S. 215 ff. [Brit. Mus. Cat. E 73]).
4 Dionysios von Byzanz, De Bospori navig. ed. Wescher p. 20, 2; vgl. F. v.Duhn,
De Menelai itinere S. 18 ff.
5 F. v. Duhn 1. c. S. 19.
6 Wie F. v. Duhn a. O. sehr wahrscheinlich gemacht hat.
7 Den Hinweis auf diese Stelle und ihre Bedeutung verdanke ich H. Usener.
414 Dn Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
greise Dämon wenigstens in Byzanz unter dem Bilde eines unterwärts in einen
Fischschwanz ausgehenden Mannes verehrt ward, glaube ich aus folgendem
schließen zu können: nach Polemo (bei Athen. XI, p. 480«) befand sich im
E Bvtartkor, d. h. im Schatzhause der Byzantier zu Olympia, die Statue
eines T^xcav xxmagloaivog t/cor xomdriov ägyvQOVv, offenbar ein sehr altes
Holzbild; was ist wahrscheinlicher als daß es den von den Byzantiern verehrten
Halios Geron darstellte, dem Polemo oder die Exegetentradition Olympias wegen
der fischschwänzigen Bildung den geläufigen Namen Triton gab? — Die Vor-
stellung des fischschwänzigen, Wahrheit verkündenden Greises ist indess
vielleicht nicht ursprünglich griechisch, sondern semitisch-orientalisch. Eine
offenbare Parallelfigur unseres Geron, die indess in den Volksglauben nicht tiefer
eingedrungen scheint, ist Ophion, dessen phönikischer Ursprung unzweifelhaft
ist; auch er ist ein y&Qaw,1 wie es scheint in der Tiefe des Meeres2 und sein wahr-
sagendes Wesen zeigt sich in einer Tradition rein phönikischer Herkunft;3 zwischen
Schlangen- (worauf der Name weist) und Fischschwanz scheint nicht wesentlich
98 unterschieden worden zu sein; jedenfalls ist seine Gattin Eurynome, die nach
der Ilias (18, 398) in der Tiefe des Meeres wohnt, und die nach den Kosmogonen
mit Ophion vor Kronos und Rhea geherrscht haben soll (schol. Lyc. 1192), in
einem von den Hüften ab fischleibigen Bilde bei Phigalia verehrt worden (Paus.
VIII, 41, 4 ff.), also in der der phönikischen Göttin Derketo eigenen Bildung
(Luc. de Syr. dea p. 460), wie Ophion dem mit jener verehrten fischschwänzigen
Dagon zu entsprechen scheint. Die Monumente gereichen uns zu einer wesentlichen
Stütze, indem wir den fischschwänzigen Dämon, genau in der Bildung unseres Halios
Geron, ja häufig auf alten babylonischen und assyrischen Siegeln* und selbst
auf einem assyrischen Relief vom Ende des achten Jahrhunderts sehen;6 auch
auf Münzen persischer Könige mit phönikischen Inschriften erscheint er.6 — Ist
nun jedenfalls der künstlerische Typus, vielleicht auch das ganze Wesen des
Halios Geron semitisch-orientalischen Ursprungs, so dürfte für den Kampf des
Herakles mit ihm wohl dasselbe gelten und es würde sich sehr gut erklären, daß
Nonn. Dionys. 41, 352 ytowv . . . 'Oq>lan>\ Luc. Tragodop. 101 6 yiQcav . . . '0<p(cov.
Lucian a. a. O. wird er parallel mit Nereus und Tethys genannt.
N'onnus a. a. O. wo er auf sieben den Planeten entsprechenden nbaxts die Welt-
geschichte der Zukunft aufschreibt (vgl. Movers, Phöniz. I, S. 108); vgl. Müller, Frg.
IllStOr. III, 572 .muh Qoivücmp ii xal $agexvdt]e hißojv zag ur/oofiüg eüeolöytjOF. xfi/i rov ...
. Zu vgl. ist auch der babylonische Oannes, der alle Weisheit ge-
bracht haben soll und nach Berossos, fr. 1,3, mit dem aus assyrischen Monumenten
lbekannten Gotte mit dem übergestülpten Fische zu identifizieren ist.
4 Lajard, Rech, sur le eulte de Mithra Taf. 62, 1.2; 17,2; 31,5; Layard, Disc.
S. 343, zwei Steine wovon der eine = King, Ant. gems a. rings II, Taf. 3, 6.
'jtta, Monum. de Niniv. Taf. 32 u. 34, aus Sargons Palast.
n n et , Suppl. VIII, S. 427, Nr. 35. [Gemmen III S. 1 12. Goldfund von Vettcrsfelde
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 415
dieser gerade auf einem jener Inselsteine zuerst erscheint; dieser Kampf würde
dann eine völlige Parallele bilden zu dem Löwenkampfe des Herakles, dessen
Grundtypus ja als orientalisch anerkannt ist.1 In dem auf dem Relief bei-
geschriebenen Namen Halios Geron hat uns die argivische Kunst also einen
Rest derselben alten, an den Orient anknüpfenden Tradition bewahrt, von deren
Existenz im Kultus wir an einigen andern Orten wissen. Die attischen Vasen-
maler identifizierten den überkommenen fischschwänzigen Dämon mit dem, wie
es scheint, gerade in Böotien und Attika populären Triton.2 Den Halios Geron
hingegen, den bereits wenigstens die spätere Gestalt der homerischen Gesänge 99
mit Nereus (II. I, 556; 18, 141), Proteus (Od. 4, 365; 384) und Phorkys (Od.
13,96; 345) identifiziert, stellt der attische Vasenmaler Cholchos als völlig mensch-
liche Figur dar, indem er ihn offenbar als Nereus faßt und als solchen dem Poseidon
zugesellt (Gerhard, Auserlesene Vasenbilder 122 [Berlin 1732]). — Indem die
Darstellung des Kampfes mit dem fischschwänzigen Dämon in erster Linie, wie
wir vermuteten, nicht an eine griechische Sage, sondern an einen vom Orient
überkommenen Kunsttypus sich anschloß, woher es auch kommen wird, daß wir
nirgends von demselben durch die Literatur erfahren,3 so ist das Gegenteil hiervon
der Fall beim Kampfe mit Nereus, wo die allerdings erst mit den altattischen Vasen
(Gerhard, Auserlesene Vasenbilder 112 [A. de Ridder, Vases peints de la Bibl. Nat.
255] beginnenden Darstellungen ohne Zweifel frei aus der vorhandenen, auch lite-
rarisch bezeugten Sage geschaffen sind. Als charakteristisch ist dabei noch hervor-
zuheben, daß der Kampf mit dem Fischdämon, soviel mir bekannt, mit der schwarz-
figurigen Vasenmalerei verschwindet, der mit Nereus dagegen noch im frei rot-
figurigen Stile erscheint.
1 In der griechischen bereits völlig analoger Weise erscheint er auf einer der
cyprisch-phönikischen Silberschalen (Mus. Napol. III, Tat. 11).
2 Vgl. die Lokalsagen von Tanagra (Paus. IX, 20), die hesiodische Poesie (theog.
930 ff. FVQvßirjg . . . dsivo? -dsög) und Eurip. Cycl. 263 /m zov /.isyav Tgucova. — Zwei
fischschwänzige Dämonen, in der Weise assyrischer Steine gegenüber, sind auf einem
alten Terrakottaidol von Tanagra aufgemalt (Fröhner, Coli, de M. Alb. B(arre), Paris 1878,
S. 61 [Aren. Jahrbuch 1887 S. 116]). Da die angeführten älteren Stellen nur einen mächtigen
Triton kennen, so werden wir hier sowohl als in den von Pausanias am amykläischen
Throne erwähnten Tgucovss lieber andere Dämonen erkennen: letztere waren die Gegen-
stücke zu den offenbar fisch- oder schlangenschwänzigen Gestalten der Echidna und des
Typhon, einem der hesiodischen Theogonie (306) entnommenen Paare: waren jene ToUwveg
ein entsprechendes fischschwänziges hesiodisches Paar, nämlich Keto und Phorkys, die
Eltern der Echidna (theog. 270 ff.)?
3 Die allgemeinen Anführungen von Taten des Herakles im Meere bei Pindar (Nem.
I, 62; III, 23; Isthm. IV, 74), Sophokles (Trach. 1011) und Euripides (Herc. für. 225; 400 ff.)
können sich nicht auf den fischschwänzigen Dämon beziehen, da immer ausdrücklich
die Bezwingung wilder, dem Menschen und seiner Schiffahrt feindlicher Elemente hervor-
gehoben wird; dergleichen wäre z. B. die Besiegung der Skylla (Lykophr. AI. 44 und
Tzetzes dazu; schol. Od. 12, 85).
416 Die Bronzbfundh ms Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
Von den feinen argivischen Reliefs wenden wir uns zu einer anderen, sel-
teneren Technik der Bronzeblechverkleidung, die uns durch das große Relief mit
dem Bogenschützen (Ausgrab. Bd. IV, Taf. 20a [IV, 717]) hervorragend reprä-
sentiert ist. Her Grund ist ringsum ausgeschnitten und nur die Figur stehen
100 gelassen: eine Technik, von der Olympia auch einige andere Reste erhalten
hat;1 auch sie scheinen die Griechen zunächst im Anschluß an phönikische
Metallarbeit1 geübt zu haben. Der Bogenschütze unseres Reliefs, das wahr-
scheinlich zu einem größeren Ganzen gehörte (vgl. meinen Text in Ausgrab.
Bd. IV a. O. [IV, 717]) und das wir dem Stile nach etwa zu Ende des sechsten
Jahrhunderts ansetzen dürfen, ist aller Wahrscheinlichkeit nach Herakles, der
hier wie auf unseren anderen Bronzereliefs (Ausgrab. Bd. III, Taf. 23; IV, Taf. 25 ß
[IV Taf. 38 u. 39]), wie auf dem Friese von Assos und den altkorinthischen Vasen-
bildern3 noch ohne Löwenhaut erscheint, obwohl ihm dieselbe bereits um die
Mitte des siebenten Jahrhunderts in der Poesie des Rhodiers Peisandros ver-
liehen war, und obwohl er in Monumenten der kyprischen Kunst, die ziemlich
sicher ins siebente Jahrhundert gehören,4 ebenfalls schon mit dem Löwenfelle
bekleidet ist. Dies mit dem orientalischen Herakles zusammenhängende Attribut
scheint also in der Kunst des griechischen Festlandes bis tief ins sechste Jahrhundert
hinein Widerstand gefunden zu haben. [Roschers Lexikon der Myth. I S. 2139.]
Einen sehr vernachlässigten und flauen Stil ohne altertümliche Elemente
zeigt das Bronzeblech Ausgrab. IV, 25B, 5 [IV, 713a], das einfach durch ein-
geschlagene Umrisse den stehenden Zeus darstellt mit dem Blitze in der Rechten
und den Adler mit gehobenen Schwingen auf der Linken. Es ist offenbar die
Wiederholung eines statuarischen Typus, der in der Altis nicht selten gewesen
sein wird (vgl. den Zeus der Metapontiner, Paus. V, 22, 5 und den der drei
Leontiner 22, 7).
Auch ein gegossenes Bronzehochrelief fehlt uns nicht; es ist zugleich das
einzige Relief nicht archaischen Stiles in Olympia; ursprünglich vermutlich zum
Schmucke einer Panzerstatue gehörig, stellt es den Kampf des Theseus und
Minotauros dar (Ausgrab. Bd. IV, Taf. 24, 4 [IV, 36]). Die Szene ist hier völlig
Namentlich ein im Knie gebogenes großes nacktes Bein (Inv. Nr. 2178 [IV, 718]);
amer Hahnenkopf mit Lochern zum Aufnageln [IV, 725 ff.]; auch Palmetten und
Lotosblumen kommen so vor.
1 Vgl. die a jour gearbeiteten Bronzeverzicrungen eines „Thrones" aus Nimrud
..in), Discov. at Niniv. 1853 S. 198; 200); ferner die schon mehrmals genannte
likische Silbercista von Pracneste (Mon. d. Inst. VIII, 26).
• Vgl. Arcli. Ztg. 1859, Taf. 125 (das unzweifelhaft echte Original dieser vielfach
vcifi-lten Vase habe ich in der Sammlung der Ecole francaise zu Athen wieder-
;ndcn); Mon. d. Inst. III, 46,2.
* Relief von (iolgoi mit zugehöriger Statue bei Ccsnola-Stern, Cypcrn, Taf. 23. 24;
geschnittener Stein von Curium mit ägyptisch-assyrischen Elementen, ebenda Taf. 79, 3;
Silbcrschale von Larnaca (Mus.NapoI.III.Taf.il).
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 417
anders aufgefaßt als in den zahlreichen übrigen uns erhaltenen Darstellungen
derselben; doch sind die Motive keineswegs neu erfunden, sie sind vielmehr
nur von einem andern Kampfe des Theseus auf diesen mit dem Minotaur über-
tragen: es ist der Kampf mit Skiron, und zwar so wie er auf einer Metope
des Theseions in Athen (Mon. d. Inst. X, 44, 3) erscheint, der jeden einzelnen
wesentlichen Zug zu der Darstellung unseres Reliefs hergegeben hat. Wir
müssen annehmen, daß der Künstler unseres Reliefs — vermutlich im vierten
Jahrhundert v. Chr. — unter dem vermittelten oder unvermittelten Einflüsse jener
athenischen Metope stand, die eine eigene Schöpfung, nicht die Wiederholungeines
älteren Typus sein dürfte.
Wir beschließen hier diesen vorläufigen Überblick der Bronzefunde Olympias,
der wohl alles Bedeutende hervorgehoben hat, während freilich eine Fülle von
Detail erst bei einer umfassenden Publikation wird zur Sprache gebracht werden
können. Ist ja doch der Bronzereichtum der Altis ein ganz außerordentlicher:
wie anderwärts, z. B. auf der Akropolis von Mykene und der von Athen, die
Fundschichten, namentlich die unteren, dicht von Scherben bemalter Tongegen-
stände durchzogen sind, so sind sie es hier mit zahllosen Bronzeresten. Fast
alles, bis zum geringsten Votivgegenstande herab, war in der Altis aus Bronze
gefertigt; nur die allerälteste Schicht beim und unter dem Heraion zeigt die
kleinen Terrakottavotive in größerer Menge, bald herrscht auch unter diesen die
Bronze. Sehr charakteristisch ist auch, daß sich eine große Anzahl von Bronze-
nägeln in der Altis gefunden hat (der Art wie der aus Dodona bei Carapanos
Taf. 52, 13); doch gibt es natürlich auch Eisennägel, deren Kopf indess meist
durch einen schön profilierten deckelartigen Bronzeknopf verdeckt wurde; der-
artige Nägel scheinen die regelmäßige Verzierung von Holztüren gewesen zu 102
sein und fanden sich, in der Form genau übereinstimmend mit in Dodona ge-
fundenen (Carapanos Taf. 43, 8. 9) in großer Anzahl in der Altis zerstreut.
Überhaupt ist Eisen, so sehr die Bronze das herrschende Metall in der
Altis ist, keineswegs selten und erscheint namentlich bereits in den allertiefsten
Schichten, auch unter den Fundamenten des Heraions, was hier besonders hervor-
gehoben sei, weil ein großer Teil der Bronzen, wie wir oben zeigten, mit den-
jenigen Funden im mittleren und nördlichen Europa übereinstimmen, aus welchen
das sog. Bronzezeitalter konstruiert zu werden pflegt. Aus Eisen wurden in der
tiefsten Schicht beobachtet sowohl Lanzenspitzen, Haken, Stäbe unbekannter
Verwendung, Ringe, wahrscheinlich große Ringhenkel von Dreifüßen und wie
es scheint auch Dreifußbeine; ferner das Eisen bloß akzessorisch als Nagel oder
Draht, oder Kern eines Bronzegerätes; l in letzterer Weise fanden sich namentlich
1 Obige Angaben sind Mitteilungen von G. Treu entnommen, der die Güte hatte,
auf meine Bitte bei den neuesten Grabungen besondere Aufmerksamkeit auf das Vor-
kommen des Eisens zu richten.
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. 27
4 1 8 Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
einige als Löwentatzen gebildete Gerätfüße aus Bronzeguß um einen Eisenkern
[IV, Sil ff.]; dieselbe Technik an derselben Art von Gegenständen kommt vor in
dem Bronzefund von Nimrud.1
Daß die kostbareren Metalle fast ganz fehlen in der Altis, ist bei dem vor-
gefundenen Zustande derselben natürlich. Gleichwohl fanden sich wenigstens z. B.
einige schlagende Illustrationen zu dem homerischen Beiworte äQyvQÖvjkos in
Gesteh einiger einfacher, vielleicht von Ooövoi herrührender Bronzebeschläge, die
mit einer oder zwei dichten Reihen silberner Nägel besetzt sind,- welche nicht nur
an dem sichtbaren runden Knopfe, sondern an dem ganzen unsichtbaren Stifte von
gediegenem Silber sind. Statuen von vergoldeter Bronze müssen in der Altis, nach
den vorgefundenen zahlreichen kleinen Resten, sehr häufig gewesen sein, und zwar,
da solche teilweise auch in tieferen Schichten vorkamen, nicht bloß in späterer Zeit.
103 Daß nur eine verschwindende Minderheit all unserer Bronzefunde später als
das fünfte Jahrhundert fällt, ersahen wir schon in der Einleitung aus den all-
gemeinen Fundumständen, und fanden es im Laufe der Untersuchung durchweg
bestätigt. Der größere Teil derselben reicht ohne Zweifel in die Zeit hinauf, da
die Altis noch gar keine oder nur sehr wenige Statuen schmückten. Das Bild,
das wir so von der Altis gewinnen, stimmt vollständig mit der Schilderung, die
Theopomp von dem Aussehen des Apolloheiligtumes von Delphi in der älteren
Zeit entwirft: >/>• ydg t6 naAaidv tö legöv xexoofirjfA&vov %a/Lxoig ävcrdrjfiaoiv,
nix ärdgtaotf u/./.ü lißrjat xcu toittooi yaXy.ov 7Z€7ioir)/jih>oiG (Athenaeus VI,
p. 231 f.). Große Bronzedreifüße und Kratere, letztere auf kunstreichen mit Blech
inkrustierten Untersätzen, standen einst auch in Olympia zahlreich, bevor sich die
Gebäude und Statuen erhoben, überall im Haine zerstreut,3 und um die Altäre
herum waren ganze Massen kleiner bronzener Votive gehäuft.4 Aber dies alles
gehört alter Zeit an und von den archaischen Bronzen springen unsere Funde
fast unvermittelt zu spätrömischen Resten; aus der Zeit der höchsten Blüte
attischer Kunst findet sich so gut wie gar nichts in Olympia. Eine verwandte
1 Semper, Der Stil 'I.S.235; Layard, Discov. 1853, S. 178 ff.; auch eiserne Ringe,
nach Layard Teile von Kesseluntersätzen, waren unter diesem Bronzefund.
1 Inv. Nr. 4089; 4690 und 4691 [IV, 1226].
* Außer an den Altarstellen erschienen große Kessel- und Dreifußteile namentlich auch
im übrigen Altisbcrciche, so in der großen ehemals ohne Zweifel dicht von Bäumen be-
standenen Strecke zwischen der östl. Terrassenmauer des Zeustempels und den großen
Hallen im Osten, wo die unterste Schicht keineswegs tiefschwarz war, wie in den Altar-
gegenden, und die Bronzen nur vereinzelt und zerstreut sich fanden.
4 her großen Uniformität in den Funden der Altarschichten ward schon früher
icht. — Als ein Fundort bestimmteren Charakters sei hier noch hervorgehoben das
taneion, in dessen Innerem, und zwar tief unter den Fundamenten des römischen
•in Bronzen sehr reiche Fundschicht sich befand; besonders zahlreich waren
darunter (jefäßhenkel, Pfannengriffe u. dgl., dem hier ehemals vorhandenen ioriazögiov
prechend (auch Tonschüsseln und Teller fanden sich sehr viele); ferner aber auch
HC auffallende Anzahl von Waffenstücken, besonders Lanzenspitzen.
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 419
Erscheinung bemerken wir anderwärts im Peloponnese, nämlich in Sparta, selbst
unter den Resten der Skulptur (vgl. Mitt. athen. Inst. III, S. 297). Jener Bronzereich-
tum alter Zeit scheint indess allmählich weggeräumt worden zu sein, ja in späterer
römischer Zeit dürfte er bereits fast ganz vom Altisboden verschwunden gewesen
sein. Außer den Fundumständen (unter dem römischen Boden) spricht hierfür
die Erzählung des Pausanias (V, 20, 8), der mit nicht geringem Erstaunen bei
Fundamentierung einer Statuenbasis nahe dem Hause des Önomaos önXwv xal 104
yaXivwv xal yaUcov &oavo[*ara aus dem Boden kommen sieht; es waren natür-
lich nichts anderes als die von uns allenthalben in der tieferen Schicht ge-
fundenen Bronzereste; Pausanias würde dieselben gewiß nicht bemerkenswert
gefunden haben, noch, wie er es dem Zusammenhange nach deutlich tut, das
Pferdegeschirr1 mit den Rossen des Önomaos sich in Verbindung gedacht haben,
wenn unsere Bronzen noch zu seiner Zeit die Altis gefüllt hätten.
Was nun die Altersgrenze nach oben betrifft, so ergab sich uns, daß keines
der einigermaßen bestimmbaren Stücke unserer Bronzen mit Wahrscheinlichkeit
über das achte Jahrhundert hinausgerückt werden kann. Älter wird nur die-
jenige tiefste Schicht, namentlich unter dem Heraion, sein, die nur die Votiv-
tiere, besonders die aus Terrakotta, die primitiven Menschen uud dergleichen
Zeugnisse des ältesten Kultus enthält.2 Obwohl die letzteren ohne Zweifel zu-
nächst lokaler Entstehung und Arbeit sind, fanden wir doch merkwürdige Be-
ziehungen derselben zu Erscheinungen, welche uns die neueren cyprischen
Ausgrabungen geboten haben, Beziehungen, unter denen am wichtigsten ist der
Mangel von Götteridolen und deren Ersatz durch die Darstellungen der Weihenden
selbst, wodurch Olympia andererseits wieder in Gegensatz tritt zu anderen alten
Kultstätten des griechischen Festlandes. Vielleicht dient es zur Erklärung dieses
Umstandes wenn wir uns des durch die Tradition bestimmt angedeuteten kreti-
schen Einflusses auf die ältesten Kulte Olympias erinnern.3
1 Da wir meines Wissens überhaupt kein Pf erdegeschirr in der Altis gefunden haben, so wird
Pausanias beliebige Bronzereste falsch interpretiert haben, im Gedanken an Önomaos Rosse.
- [Vgl. Sitzungsber. der Bayer. Akad. d. W. 1906, III S. 467 ff.]
8 Schon das Zusammensein der Kulte des Kronos, Zeus und Rhea in Olympia weist
deutlich auf Kreta; noch bestimmter tun dies die Kulte der idäischen Daktylen und des
idäischen Herakles, und vor allem die Tradition von Klymenos, einem Abkömmlinge
des letzteren; derselbe sollte gekommen sein von Kydonia und dem Jardanos auf Kreta
und in Olympia sowohl die Altäre der Kureten und des Herakles als den der Hera,
ferner in der alten Nachbarstadt Phrixa das Heiligtum der Athena Kydonia gegründet
haben (vgl. Paus. V, 8, 1 ff. ; 14,8; VI, 21, 6). Unzweifelhaft wird das hohe Alter und
die Richtigkeit dieser Tradition aber durch Folgendes: der Jardanos bei Kydonia, den
auch die Odyssee (3, 291) kennt und von dem Klymenos gekommen sein soll, findet
sich gleichfalls mit demselben Namen bei dem Hafenorte der olympischen Ebene, bei
Pheia, und ist als solcher bereits der Ilias bekannt (7, 135; vgl. Strab. VIII, p. 342), die
kretische Einwanderung, welche jenen Namen brachte, ist also noch älter. Jardanos ist
aber ein rein semitischer Flußname und auch Pheia soll semitisch sein.
27*
MM- aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung.
Sobald sich dekorative Verwendung oder ein gewisser Stil in unseren Bronzen
scheiden sich verschiedene Gruppen; die eine derselben, welche haupt-
ilich die manchfaltigen Schimickgegenstände in sich begreift, nannten wir die
des weiteren geometrischen Stiles; wir fanden dieselbe in gleicher Weise ver-
breitet über Italien und Teile des nördlichen Europa; dieselben großen Fibeln
und plumpen Halsketten u. dgl. trugen die Frauen von Elis und die von Ober-
rreicli. Eine bestimmtere zeitliche wie örtliche Begrenzung ließ uns das
andere geometrische System in Olympia zu, welches wir als mit den sog. Dipylon-
vasen zusammenhängend erkannten; seine Wurzeln erkannten wir deutlich im
Osten des mittelländischen Meeres, während es westlich nicht über Griechenland
hinaus verbreitet und hauptsächlich im siebenten Jahrhundert geblüht zu haben
scheint; in Olympia gehören ihm vor allem die Dreifüße und eine Reihe gra-
vierter Inkrustationsplatten, endlich eine bestimmte Klasse primitiver Tiere an.
Die Importation wenn nicht aller Exemplare so doch der Typen, kann auch bei
dieser Gruppe nicht bezweifelt werden. Doch die Herkunft dieser beiden Gruppen
des geometrischen Stiles ließ sich noch nicht genauer definieren und nur negativ
dahin bestimmen, daß nichts an ihnen speziell griechischen Ursprung andeutet,
doch verschiedene Spuren auch hier auf den Ostrand des Mittelmeeres weisen.
Anders ist es mit dem sog. orientalischen Dekorationstile, welchen wir in Olympia
gleichzeitig mit dem geometrischen wirksam sehen, der uns jedoch sofort auf
derjenigen Stufe entgegentritt, wie sie von der beginnenden griechischen In-
dustrie in Anlehnung an die gleichzeitige phönikische, von der auch einige
wenige Proben in Olympia erhalten sind, geschaffen wurde, das charakteristische
dieser Stufe und die Art der Umbildung der überlieferten Typen konnten wir
deutlich an einigen Beispielen erkennen. Um den Gegensatz dieser Dekoration
und der geometrischen zu erklären, wird man mit einem ethnographischen Schlag-
worte nicht auskommen; es scheinen vielmehr beide nur auf zwei geographisch
106 und ethnographisch kaum viel verschiedene gleichzeitige doch nach getrennten
Prinzipien und Traditionen arbeitende Fabrikationszentren als Ursprung zu weisen.
Die älteste griechische Arbeit schloß sich weitaus vorwiegend an das sog. orien-
talische System an; in Olympia gehören demselben namentlich die geschmückten
Kratere und einige Blechverkleidungen an. Die anfangs ohne Zweifel von den
ichen Küsten und Inseln ausgehende Fabrikation, die bis nach Italien im-
portierte, mag sich bald auch nach dem Festlande gezogen haben. Leider ver-
mochten wir erst im sechsten und fünften Jahrhundert eine für Olympia wichtige
Bronzeindustrie in Argos zu konstatieren, der wir einen Typus von Rundschilden
und von feinen Reliefs mit mythischen Darstellungen zuweisen konnten. Er-
•üsse sicher lokal verschiedener Produktion konnten wir auch unter den
i darstellender Kunst in Olympia konstatieren, von denen einiges
ch bis nach Italien verbreitet erwies. Unter wesentlich denselben Einflüssen
wie Olympia scheint Dodona gestanden zu haben, dessen Ausgrabung uns an
Die Bronzefunde aus Olympia und deren kunstgeschichtliche Bedeutung. 421
einer großen Zahl von Gegenständen niederer und höherer Industrie dieselbe
Fabrikation wie an olympischen erkennen ließ, was bei der Lage beider Orte
nahe der Westküste nicht auffallen darf. Daß wir einer speziell eleischen In-
dustrie von künstlerisch bedeutenderen Dingen so gut wie gar nichts mit Wahr-
scheinlichkeit zuschreiben konnten, wird uns ebenfalls nicht wundern, wenn wir
uns erinnern, daß Elis überhaupt niemals etwas Selbständiges in der Kunst ge-
leistet zu haben scheint. Die zentrale Bedeutung Olympias veranlaßte gleich-
wohl, daß wir auch aus den bescheidenen Bronzeresten ein ungefähres Bild aller
Hauptströmungen von Kunst und Industrie etwa vom achten bis fünften Jahr-
hundert v. Chr. gewinnen können.
HEKTORS LÖSUNG
EIN RELIEF AUS OLYMPIA DURCH EINEN GRIECHISCHEN SPIEGEL
ERGÄNZT.
(HISTORISCHE UND PHILOLOGISCHE AUFSÄTZE,
ERNST CURTIUS AM 2. SEPTEMBER 1884 GEWIDMET)
SWie segensreichen Ausgrabungen von Olympia haben unter einer fast
unabsehbaren Fülle von altertümlichen Bronzegegenständen auch einige
wenige unscheinbare dünne Blechstreifen zu Tage gefördert, die nicht
wie die gewöhnliche Menge nur ornamental geziert sind, sondern bedeutungsvolle
Darstellungen aus der Sage enthalten.
Diese Reste, so spärlich und zerstückt sie auch sich fanden — denn nur
eine größere Platte gelang es vollständig aufzudecken — waren uns doch hoch
willkommen; denn sie boten uns erst eine Anschauung von Originalen der Art,
f wie wir sie uns immer ersehnt hatten, von den altpeloponnesischen Flachreliefs,
die der Zierde von Geräten dienten und deren hohe Bedeutung uns längst aus den
erhaltenen Beschreibungen des Kypseloskastens und des amykläischen Thrones
ie aus den schwarzfigurigen Vasendarstellungen klar geworden war, die uns
auf jene Gattung als ihre Vorbilder hinwiesen.
Unter diesen fragmentierten olympischen Reliefs befand sich eines, dessen
inders zu Vermutungen reizte. Es ist das in der Vignette am
chlusse nach einer Zeichnung wiederholte Stück, die nach Photographie und
Hektors Lösung. 423
Abguß und mit Hülfe meiner Notizen von dem sehr schwer kenntlichen Originale
hergestellt worden war.1
In meiner vorläufigen Behandlung der olympischen Bronzen 2 schloß ich aus
den erhaltenen Motiven, daß „am wahrscheinlichsten Priamos zu erkennen sei,
welcher den Achilleus um den toten Hektor anflehe". Anders glaubte später
Milchhöfer den Vorgang deuten zu müssen;3 er erkannte Theseus, welcher den
Minotauros hingestreckt hat und dem Ariadne einen Kranz zu reichen im Begriffe
ist. Durch einen Irrtum meiner Beschreibung hatte ich indess selbst Anlaß zu
dieser Deutung gegeben; ich hatte in der Linken der rechts zur Hälfte erhaltenen
Figur den „Rest eines Reifens oder Kranzes" zu erkennen geglaubt4 und die
Zeichnung dahin beeinflußt; dies war ein Sehfehler, denn es ist nur eine runde
geschlossene Faust vorhanden, die einen Stock aufstützt.
Ich bin jetzt in der glücklichen Lage, nicht nur diesen Fehler verbessern,
sondern meine frühere Deutung zur Gewißheit erheben und vor allem das Fehlende
des olympischen Reliefs vollständig ergänzen zu können.
Bei der Versteigerung der gewählten Sammlungen Alessandro Castellanis, die zu
Rom im Frühjahre dieses Jahres Statt hatte, kam unvermutet aus einer vergessenen
Lade ein Stück zum Vorschein, das der Besitzer augenscheinlich einst besonders
verschlossen hatte, über dessen Herkunft aber die Erben leider nichts mehr an-
zugeben wußten. Es erregte durch seinen ungewöhnlichen Charakter sofort die
Aufmerksamkeit der Kenner. Es wird nun hier in der Abbildung [S. 424] auf ein
Drittel verkleinert6 vergegenwärtigt, während sein wichtigster Bestandteil, das 183
Relief, in einer Radierung, die L. Otto den Beiträgen dieses festlichen Bandes
angereiht hat, die Tafel IV schmückt. [Darnach hier als Vignette S. 422; auch
Griech. Vasenmalerei II S. 120. Das Original jetzt in Berlin.]
Es ist ein Spiegel, und zwar ein griechischer. Letzteres ist unschwer
zu beweisen. Unter der Fülle von Metallspiegeln, welche Italien, namentlich
Etrurien und Latium (Praeneste) geliefert haben, hat sich meines Wissens niemals
einer gefunden, welcher der durch den unsern vertretenen Gattung angehörte.
Auch G. Körte, der das einschlägige Material gegenwärtig am besten übersieht,
wußte mir keinen nachzuweisen. Dagegen kann ich zwei Spiegel nennen, die
in allen Eigentümlichkeiten der Form und Technik mit dem vorliegenden über-
einstimmen, nur jedes Schmuckes entbehren; und beide stammen aus Griechen-
land, der eine aus Naupaktos, der andere aus Korinth; sie gehören beide dem
1 Ausgrabungen von Olympia Bd. IV Tafel XXV links unten; S. 18,2. E. Curtius,
Das arch. Bronzerelief aus Olympia (Abh. d. kgl. Akademie 1879) S. 13,5. Milchhöfer,
Anfänge der Kunst S. 187, c. [Olympia IV Nr. 701 Tafel 39.]
2 Bronzefunde von Olympia (Abh. d. kgl. Akademie 1879) S. 94 [oben S. 411].
3 Anfänge der Kunst S. 188.
4 Siehe Ausgrabungen von Olympia Bd. IV S. 18.
5 Gesamtlänge 0,36; Durchmesser der Scheibe 0,18; Grifflänge ebensoviel.
424
Hektors Lösung.
kj^l. Antiquarium zu Berlin,1 und vielleicht besitzen auch andere Sammlungen
.bischer Bronzen ähnliche noch nicht beachtete Stücke.
Das Charakteristische derselben ist, daß Griff und Scheibe aus einem Stücke
bestehen und beide sehr dünn und leicht
gearbeitet sind ; die italischen Spiegel sind
immer bedeutend dicker und schwerer.
Deshalb haben letztere auch regelmäßig
einen gekerbten oder sonst verzierten
äußeren Scheibenrand; im Gegensatze
dazu sind unsere griechischen Spiegel
gerade am Rande am dünnsten. Ferner
pflegen die italischen Spiegel mehr oder
weniger konvex und auf der konkaven
Rückseite mit gravierter Darstellung ge-
ziert zu sein; unsere griechischen zeigen
nur eine kaum bemerkbare Konvexität der
Hauptseite und keinerlei Gravierungen.
Am eigentümlichsten ist indess ihr Griff.
Der Übergang vom Scheibenrand zur
Griffzunge wird erst durch eine viereckige
breitere Fläche vermittelt; die Griffzunge
selbst ist relativ breit und flach und dünn
wie das Ganze; unten erweitert sie sich
noch einmal zu einem Rund, das dann in
eine kurze Spitze ausläuft.'2 Die Länge des
Griffes ist dem Durchmesser der Scheibe
gleich.
In all diesen Punkten stimmt unser
Spiegel mit jenen von gesicherter griechi-
scher Provenienz durchaus überein; doch
eines hat er vor jenen, die völlig unverziert
sind, voraus, den merkwürdigen Reliefschmuck. Auf seiner Hauptseite — die
durch eine ganz schwache Konvexität der Scheibe und die Vergoldung3 bezeichnet
ist der Griff nebst der viereckigen Fläche mit einer dünnen Schicht Blei
1 a) Inv. Nr. 7445 aus Naupaktos. Gesamtlänge 0,35; Durchmesser der Scheibe 0,175;
Llnge des Griffs ebensoviel. — b) Inv. Nr. 2818 = Friederichs, Kl. Kunst und Industrie
I Nr. 8. Linge 0,265. Aus Korinth, durch Roß. [Andere Exemplare, davon zwei aus
Korinth: Athen. Mttt 1886 S. 76, 2. 70,,/u. &qX. I898 S. 122.)
• Die an unserem Exemplare abgebrochen, aber an dem von Naupaktos erhalten, doch
•
1 Von der Vergoldung sind Reste unter dem Oxyd dieser Seite zu bemerken. Die
Rückseite zeigt die dunklere Metallfarbe unter grüner sowie blauer Oxydation.
Hektors Lösung. 425
belegt; dieselbe diente offenbar dazu, eine Bekleidung von dünnem Bronzeblech
zu befestigen. Die letztere ist von dem Griffe indess leider abgefallen ; auf jenem
Viereck jedoch sitzt noch in seiner ursprünglichen Lage auf dem Blei ein Relief
aus sehr dünnem Bronzeblech fest. Daß es nicht etwa erst in neueren Zeiten hier
aufgelegt worden sei, lehrt der Augenschein, wie dies denn auch die in Rom
anwesenden Kenner sofort erkannten. Und auch darüber, daß dieser Schmuck
gleich bei Anfertigung des Spiegels beabsichtigt war, werden wir vergewissert,
indem der Griff auf dieser Seite zwei etwas emporstehende Ränder zeigt, um die
Bleischicht einzufassen.
Das Relief ist vorzüglich erhalten, von Oxydation ziemlich frei und in allen
seinen Einzelheiten völlig deutlich. Man sieht sofort, daß es eine Wiederholung
des olympischen ist, aber keine mechanische, denn mancherlei Details sind ver-
schieden. Zunächst ist das Feld des olympischen etwas höher: es ist 0,049, das
unsrige nur 0,045 hoch; dagegen ist die Relieferhebung des olympischen Exemplars
beträchtlich geringer, es ist flacher als das vorliegende; deshalb ist dort das
einzelne, auch abgesehen von der viel stärkeren Oxydierung, so schwer zu er-
kennen. Das olympische war ferner Teil eines größeren Komplexes gleicher
Bildfelder, die durch Ornamentrahmen getrennt waren, wie dies an anderen gleich-
artigen olympischen Stücken deutlich ist; das unsrige ist an den Seiten nur durch
ein feines Rändchen eingefaßt, doch oben erscheint dasselbe Ornament wie an
den olympischen, nur etwas enger geordnet.
Die Komposition, die Bewegungen der Arme und Beine sind auf beiden
Stücken ganz gleich, doch ist auf dem olympischen alles mehr nach links zu-
sammengeschoben; die Kniee des an der Erde Liegenden erscheinen hier zwischen
den Beinen des Stehenden, dort rechts davon; auch die beiden stehenden Figuren
sind sich näher gerückt. Unser Relief ist indess auch etwas breiter als hoch, während
das olympische, wie sich mit Beihülfe der anderen zugehörigen Stücke erkennen
läßt, quadratisch war.1
Über die Deutung kann jetzt, nachdem die vollständige Komposition vorliegt,
kein Zweifel bestehen. Ein Greis, der einen jugendlichen Helden anfleht um den
Toten, der auf der Erde liegt, kann nur Priamos sein, der unglückliche Vater, der 185
zu dem grimmen Achilleus fleht, ihm die Leiche seines Hektor herauszugeben;
doch nicht allein konnte er das Zelt des Mörders so vieler seiner Söhne aufsuchen;
der geleitende Gott Hermes führte ihn sicher dahin; ihn erkennen wir in der bärtigen
Gestalt rechts mit dem Heroldstabe in der Linken. Zwar könnte man in derselben
auch den Herold Idaios sehen wollen, den Priamos in der Ilias als einzigen Be-
gleiter aus Troja mitnimmt. Doch dagegen spricht zunächst die Erscheinung der
Figur, die durchaus kein Greis ist wie Idaios (yegtor II. 24, 368), und ihre Nacktheit
1 Siehe Bronzefunde von Olympia S. 91 [oben S. 409. Ein drittes Exemplar von der
Akropolis in Athen siehe Athen. Mitt. 1895 S. 478. A. de Ridder, De ectypis quibusdam aeneis
S. 10].
Hektors Lösung.
paßt gewiß besser zu dem Gotte als dem Herold der Wirklichkeit. Eine genaue
Übereinstimmung mit Homer wird übrigens weder durch die Annahme des Hermes
noch durch die des Idaios erzielt; denn jener verläßt in der Ilias den Priamos,
nachdem er ihn sicher in den Hof des Achilleus geleitet hat (v. 468); Idaios aber
wird von Priamos im Hofe bei den Wagen zurückgelassen, während er das Zelt
betritt, und erst später nach erfolgter Gewährung wird er in das Zelt geführt (v. 577).
Es leuchtet indess ein, wie ungleich wichtiger dem Künstler, der auf möglichst
kleinem Räume den ganzen Inhalt der Handlung darzustellen hatte, die Figur des
Hermes sein mußte gegenüber der unwesentlichen Gestalt des Idaios; denn jener
repräsentiert die ganze göttliche Leitung des Vorganges, den Willen des Zeus, der
bereits Thetis zu Achill geschickt hat, um ihn zu erweichen, der Priamos auffordern
ließ und ihm Hermes als Geleiter und Beschützer sandte.
Und unserm Künstler ist es in der Tat gelungen, den wesentlichen Inhalt jener
einzig schönen Schilderung von Hektors Lösung im letzten Gesänge der Ilias,
deren Kenntnis wir bei ihm hier voraussetzen wollen, aufs engste zusammengezogen
wiederzugeben. Freilich mußte er sich hierzu von dem Detail der dichterischen
Schilderung emanzipieren und seine Darstellung deckt sich denn auch mit keinem
bestimmten Momente in jener. Zunächst sah er von jeder Andeutung des Lokales
als unwesentlich ab; den Achill läßt er nicht zu Hause in seinem Zelte nach
vollendetem Mahle sitzen, wie der Dichter, sondern er stellt ihn einfach als jugend-
lichen Helden nackt und mit dem Speere bewaffnet hin; die Lanze gehört zu seiner
kriegerischen Natur, nicht zur momentanen Situation. Der tote Hektor liegt zu
seinen Füßen, während er im Epos natürlich abseits gedacht wird, wo Achill ihn
y.nyi (v. 17) hat liegen lassen. Für Priamos hat der Künstler nicht ein stürmisches
Herankommen, Umfassen der Kniee, Küssen der Hände oder Wälzen vor den
Füßen des Achilleus, sondern das aus der einfachsten und dem Griechen doch
186 deutlichsten Bewegung des Anflehens bestehende Motiv, das Berühren des Kinns
gewählt Übrigens wird auch dieses im Epos erwähnt, da Priamos von sich sagt
- d' IXeeivöxegds neg lti\r\v ')' 6V ovtico zie im%&6vios [~1<j<>to^ äXXog, / ävdgds
7uudo<p6vou) Tim) nrö/Ki -/ho ög&yt nlhu. Der alte König ist als Greis deutlich
charakterisiert durch die Glatze und die gebeugte Haltung; er steht vorgebückt
und stützt die Linke fest auf einen Stock, wie ihn auch der Gesang des Epos
(v. 247) mit einem oxtjndviov ausgestattet denkt. Erträgt den langen Chiton wie
dem alten Manne und Könige geziemt; ein schalartiger schmaler Mantelstreif
fällt ihm über rechte Schulter und linken Unterarm herab. Ob auf dem olympischen
Relief auch dieses Detail der Gewandung, abgesehen von der durch das flachere
Relief mitgebrachten Verschiedenheit, übereinstimmte, ist bei dem Zustande des-
kaum mehr zu konstatieren.
Die Bewegung der nach unten ausgestreckten rechten Hand des Achilleus ist
wohl als Andeutung der Gewährung zu fassen, die er dem Flehen des Greises
läßt, als Ausdruck des Freigebens des vor ihm liegenden Leichnams.
Hektors Lösung. 427
Der Künstler, der die ganze Sage aufs kürzeste zusammengefaßt darstellen wollte,
durfte diesen wichtigsten Moment, den Höhepunkt und Kern der Handlung nicht
unangedeutet lassen. Zwar daß der Held gerührt wurde durch den Anblick des
gebeugten Greises — oiyrslgcov nohöv ts xagr) tioXiöv ts yevetov, wie der Dichter
von Achill sagt (v. 515) — dies konnte der Beschauer allein aus der Gegenüber-
stellung der beiden Figuren erraten; doch welchen Erfolg dies haben werde, mußte
zu sehen sein. An dem räumlichen Nebeneinander zeitlich verschiedener Momente
stieß sich die archaische Kunst bekanntlich gar nicht.1
Die erhobene Rechte des von rechts herankommenden Hermes werden wir
wohl als mahnende, auffordernde Bewegung fassen müssen; er ist der Bote des
Zeus, er erinnert, daß Achilleus nicht J/ös äXhrjzat e^perjudg. Natürlich ist auch
dieses Eintreten des Hermes nur zu erklären aus jenem Streben des Künstlers,
alles zu geben.
Unsere Darstellung der "Ey.xoooQ Xvxga ist ohne Zweifel die älteste, die wir
besitzen. Auf den attischen Vasen2 finden wir eine von derselben durchaus ver- 187
schiedene; sie erscheint jedoch erst in der letzten Phase der schwarzfigurigen
Technik, die nicht älter ist als der streng rotfigurige Stil, dem die bedeutendsten
Exemplare dieses Typus angehören. Von einem Zusammendrängen auf möglichst
engen Raum wird hier abgesehen; vielmehr wird die Andeutung des Epos, daß
Achill eben die Mahlzeit vollendet hatte, als Priamos eintrat, in malerischer Breite
zur Darstellung eines in seinem Zelte schmausenden Achill benutzt, unter dessen
Kline der Leichnam des Hektor liegt; es ist die befriedigte Rache des wilden
Helden, die hier zum Ausdrucke kommt. Priamos konnte nun erst heranschreitend
dargestellt werden; das Flehen, Erweichen und Gewähren kommt hier nicht zur
Vergegenwärtigung. Die Komposition geht von anderen Gesichtspunkten aus als
die unsrige; sie verzichtet auf Wiedergabe des Ganzen, malt aber einen bestimmten,
und zwar einen vorbereitenden Moment breiter aus; sie setzt die Kenntnis des
weiteren Verlaufes der Handlung bei dem Beschauer voraus und verweilt um so
ausführlicher bei der einleitenden Szene. Deshalb fügt sie auch allerlei Neben-
personen hinzu, die Begleitung des Priamos und die Umgebung Achills. Als
1 Vgl. Robert, Bild und Lied S. 14 ff.
2 Siehe das Verzeichnis von Benndorf (Annali d. Inst. 1866, S. 246 ff. [mit Nachträgen
von Pollak, Athen. Mitt. 1898 S. 170]); nur ein spät schwarzfiguriges Bild ist durch Abbildung
bekannt (Arch. Ztg. 1854, Tafel 72, 3); zwei andere sind sehr ungenügend beschrieben und
gehören vielleicht gar nicht hierher. Streng rotfigurig im Stile des epiktetschen Kreises ist
die Schale bei Overbeck, Gall. her. Bildw., Tafel 20,3 [Griech. Vasenmalerei II Taf. 83].
Ein Prachtstück ist der Skyphos in Wien (Monum. d. Inst. VIII, 27 [Griech. Vasenmalerei II
Taf. 84]), der, wenn mich nicht alles trügt, ein Werk des Brygos ist. Zwei etruskische Vasen
(eine etwas ältere Overbeck, Gall. Tafel 20, 2 ; eine späte Connestabile, Pitt. mur. di
Orvieto Taf. 16) befolgen eine abweichende Tradition, indem sie Achill sitzen lassen. —
Der Einfluß der Tragödie (Äschylos) ist erst in der Darstellungsweise der apulischen Vasen
nachweisbar. Vgl. Robert, Bild und Lied S. 18. 96. 142. Luckenbach im 11. Supplement-
bande d. Jahrb. f. Philol. S. 507 ff.
Hektors Lösung.
Vorlage für diesen Typus möchte man ein breiteres Gemälde vermuten, dessen
Bedingungen ja so andere waren als die der knappen, von engem Rahmen um-
nnten dekorativen Flachreliefs; seine Erfindung wird der Zeit angehören, da
die größere Wandmalerei sich ausbildete, während unsere Reliefkomposition in der
alteren Periode der noch ausschließlich dekorativen Kleinkunst entstanden ist.
Oberblicken wir das Bildwerk nun als Ganzes, so wird unser Auge von einer
überraschenden Klarheit und Strenge der Linienführung berührt; es ist nicht nötig,
in Worten diese zu entwickeln, da sie sich unmittelbar aufdrängen. Man beachte
nur zum Beispiel, daß die Spitze des Scheitels der Mittelfigur gerade in der vertikalen
Mittellinie des Feldes liegt; ferner, wie genau sich die beiden seitlichen Figuren
Achill und Hermes entsprechen, ohne doch eintönige Wiederholungen zu sein; sie
setzen beide den einen Fuß vor und erheben den einen Arm; sie sind beide gleich
hoch, und die straffen eckigen Linien ihrer aufrechten Figuren dienen als strenger
Rahmen zu der niedrigen Gestalt und den weicheren Umrissen des gebeugten
Priamos in der Mitte. In die Lücken des unteren Teiles des Bildes schiebt sich
die Gestalt des Hektor trefflich ein; seine emporgezogenen Kniee füllen den Raum
zwischen Achill und Priamos und seine Hand tritt wieder in den Zwischenraum
seiner Beine. Es wäre freilich natürlicher gewesen, die Leiche mit gestreckten
Beinen zu bilden, doch ist es einleuchtend, wie künstlerisch ungünstig dies gewirkt
hätte. Charakteristisch ist aber wieder, wie einfach klar und straff der Körper
gelegt ist, in rechtem Gegensatze zu den auf archaischen Vasen bei den Toten so
beliebten Verschränkungen.
Die Herkunft des olympischen Reliefs — bei welchem der Fundort schon
peloponnesischen Ursprung als das wahrscheinlichste bezeichnete — ist durch
eine Inschrift, die ich auf einem anderen, doch völlig gleichartigen Stücke entdeckte,
als argivisch ziemlich sicher gestellt.1 Dann ist es aber das wahrscheinlichste,
daß auch unser Spiegel mit seinem Relief in Argos gefertigt wurde. Indess müssen
wir zugeben, daß die Vorlagen, nach denen unsere Metallkünstler arbeiteten, weiter
verbreitet sein konnten und namentlich dürfen wir für die alten Zentren von Kunst-
industrie der Peloponnes, für das benachbarte Korinth und Sikyon, den Besitz
solcher Vorbilder annehmen. Nach Korinth deutet, wie es scheint, die eigentümliche
1 Siehe Bronzefunde von Olympia S. 92 [oben S. 410]; Ausgrabungen von Olympia IV,
S. 19 (Olympia IV, 699]; die Form des Lambda, auf dem die Zuteilung beruht, ist bis jetzt
bekanntlich nur in Argos und dem von dort kolonisierten Rhodos nachgewiesen. (Letzteres
jetzt aufgeben, vgl. Dümmler, Kleine Schriften III S. 212.) — Milchhöfers Angabe (Anfange
der KunM S. 184 Anm. 2), die Gattung dieser Reliefs fände sich in Etrurien wieder, beruht
auf der Notiz in meinen Bronzefunden von Olympia S. 93 (oben S.411], wo ein verwandtes,
i etruskisches Relicfband angeführt wird, das mir auf Vorbilder wie die argivischen
Reliefs zu deuten schien, die demnach auch nach Italien exportiert worden wären. (Vgl.
dazu Olympia IV S. 101 ] Ob die Reliefs von Dodona, die ich a.a.O. S. 91 f. [oben S. 409)
als .rmutete, dies wirklich sind, weiß ich nicht anzugeben, da ich sie
noch i lelegi nhelf hatte.
Hektors Lösung. 429
Form unseres Spiegels, die ich, wie erwähnt, bis jetzt nur in Korinth undNaupaktos
nachweisen kann; an letzteren Ort wird die Form indess gewiß von Korinth ge-
kommen sein, dessen Handel und Industrie ja jene Küsten beherrschte. In Athen
finden wir im fünften Jahrhundert, wie uns die Vasenbilder lehren, eine durchaus
verschiedene Spiegelform gebräuchlich.
Es lassen sich indess noch Erwägungen allgemeinerer Art anstellen, welche
geeignet sind, den Ursprung unseres Reliefs aus der Peloponnes, sei es aus Argos,
Korinth oder Sikyon, zu bestätigen.
Die oben geschilderte eigentümliche Kompositionsart, das Zusammendrängen
der Handlung auf engsten Raum und die Konzentration auf das Wesentlichste, der 189
streng symmetrische Aufbau der Gruppe, die möglichst einfachen abgemessenen
und eckigen Bewegungen der Figuren — alles dies scheinen, soweit unsere be-
schränkte Kenntnis ein Urteil zuläßt, Eigenschaften, welche jene alte dekorative
Reliefkunst der Peloponnes, die im Kypseloskasten ein uns durch Beschreibung
bekanntes Prachtstück schuf, in besonderem Maße ausgezeichnet haben. Während
die älteste dekorative Kunst nur lose, breite friesartige Kompositionen kennt,1 so
sind diese am Kypseloskasten bereits in der Minderzahl und auf gewisse Stellen be-
schränkt, wo sie den dekorativen Zweck fortlaufender Bänder erfüllen, während sich
anderwärts jener Reichtum von einzelnen Bildern entfaltet, welche in prägnantester
Fassung den Kern einer mythologischen Handlung darstellen; sie waren wahr-
scheinlich von ornamentalen Rahmen umspannt wie die argivischen Bronzereliefs.2
Daß ein guter Teil der Typen der altattischen Vasen auf Vorbilder dieses pelo-
ponnesischen Kunstkreises zurückgeht, hat man gewiß mit Recht erkannt; wir finden
in ihnen die geschilderte Kompositionsart häufig wieder; ich erinnere nur an jene
beliebten Typen der verschiedenen Heraklestaten, Peleus und Thetis, Menelaos
und Helena, Aias und Kassandra, Neoptolemos und Priamos, die Zweikampfsbilder,
den Rüstungs- und Abschiedstypus der Helden zwischen Vater und Mutter usw.
Es sind immer zwei oder drei Figuren, zwischen denen die Handlung sich abspielt;
eine vierte und fünfte werden zuweilen als nah beteiligte Zuschauer zugefügt.
Auch handlungslose Typen, wie Apoll zwischen Leto und Artemis, Dionysos
zwischen zwei Silenen oder Nymphen werden nach diesem Vorbilde gestaltet.
Im Gegensatze hierzu zeigen die chalkidisch-ionischen Vasen eine entschiedene
Vorliebe für die ältere breitere friesartige Behandlung der Stoffe, und auch wo ihre
Typen sich mit den oben geschilderten berühren, unterscheiden sie sich durch eine
lebendigere Auffassung, die sich nicht in so eng gemessene Grenzen einschnüren
läßt, die da zum Überquellen neigt, wo dort straffes Zusammenfassen herrscht.
Daneben aber sind als Gegensatz hier die wappenhaften Typen noch besonders
1 Vgl. den homerischen und hesiodischen Schild; die figürlichen Darstellungen der
„mykenischen", der „Dipylon" und anderer ältesten Vasengattungen; die von Löschcke,
Arch. Ztg. 1881, S. 49 besprochenen Typen, die alle „parataktisch" komponiert sind.
2 Vgl. was ich Arch. Ztg. 1882, S. 200 bemerkte. [Meisterwerke S. 728.]
430 Hektors Lösung.
beliebt, das heißt streng symmetrische Gegenüberstellungen, aber ohne Bedeutung
und Handlung; man kann diesen Wappenstil, der im Orient seine vollste Entwicklung
190 gefunden hatte und in der ionischen Kunst so fest saß, als eine Vorstufe zu der
oben geschilderten ansehen, die wir die metopenartige nennen möchten und die
Bedeutung mit der Strenge des Aufbaus vereinigt.
Besonders wichtig sind uns in diesem Zusammenhange einige in Korinth ge-
fundene Goldplättchen des Berliner Antiquariums; l die auf denselben erscheinende
Komposition von Theseus' Kampf mit dem Minotauros im Beisein der Ariadne
hat die größte Verwandtschaft mit der unseres Reliefs und zeigt dieselben wesent-
lichen Eigenschaften. Im Gegensatze zu dem von einer chalkidischen und alt-
attischen Vasen bekannten lebhaft bewegten Schema des Minotaur steht derselbe
hier gerade aufrecht, dem Theseus parallel; dieselbe gemessene Strenge der Be-
wegungen, dasselbe Konzentrieren der Handlung in dem quadratischen Felde wie
auf unseren Bronzereliefs. Dagegen ist der Stil jener Goldplättchen entschieden
älter als der der letzteren. Auf jenen finden sich nun- sowohl in der Tracht, als
besonders dem Gesichtstypus der Figuren, wie es scheint, Hinweise auf Kreta,
wenn nicht als Entstehungsort, so doch als den Platz, von dem die Vorbilder sich
nach Korinth verbreiteten. Diese Spuren würden aber vortrefflich mit der Tradition
stimmen, wonach die dädalische Kunst sich von Kreta nach der Peloponnes ver-
breitete und gerade bei Korinth in Sikyon eine Hauptstätte fand; nur von den
Künstlern, welche die alte Kunst des Holzschneidens und des getriebenen Metalles
auf Rundwerke übertrugen, sind uns einige namentlich überliefert; die Verbreitung
der dekorativen Reliefkunst knüpft sich an keine Namen, und doch hat auch sie
gewiß ihre bestimmte schulmäßige Entwickelung gehabt. Wir dürfen ihre Blüte
in den besprochenen Bronzereliefs erkennen, deren schönstes bis jetzt bekannte
Exemplar das von uns hier veröffentlichte ist
Daß in den uns erhaltenen archaischen sog. Apollostatuen lokal differenzierte
Übertragungen in Marmor nach einem von Kreta gekommenen Typus der sog.
Dädalidenschule zu erkennen sein möchten, ist früher von mir vermutet worden.3
Wie auffallend ähnlich ist aber der Stil gerade der zwischen Korinth und
Argos, bei Tenea gefundenen bekannten Statue jener Art und dem unseres
Bronzereliefs!4 Der Achill und Hermes stehen so da, wie jener „Apoll", mit
vorgesetztem linken Beine; ihre Proportionen stimmen ebenfalls mit dem letzteren
iberein; die Haare im Nacken sind hier und dort dieselben/' das Profil sehr ähnlich;
vor allem gleichartig ist aber die Behandlung der Beine mit der übertriebenen, aber
' Aren. Zt«. 1884, Tafel 8.
Ic ich in meiner Besprechung derselben (Arcli. Ztg. 1884 S. 106) erwähnt habe.
h. Ztg. \HH2, S.55. [Meisterwerke S.712.]
' [Beschreibung der Glyptothek Nr. 47.]
benden I laarspitzen des Achill sieht man oft in gleicher Weise aul
: und Plnakea auch auf altattischen zuweilen, wie auf der Francols- Vase.
Hektors Lösung. 432
richtigen Hervorhebung der Muskeln, den sorgfältigen dünnen Knieen und Knöcheln ;
daneben das relative Ungeschick in Wiedergabe desMittelkörpers, das namentlich in den
Wülsten auf dem Leibe des Hektor hervortritt. Dagegen ist die Charakteristik des Greises
an Priamos, sowie der lebendige Ausdruck seines Kopfes mit dem etwas geöffneten
Munde eine Leistung, die wirinnerhalb der Grenzen dieser Kunst kaum erwarten durften.
Das Interesse unseres Reliefs ist mit diesen Andeutungen natürlich nicht
erschöpft. Nur einen Punkt wollen wir noch berühren, das Verhältnis des Kunst-
werks zu seiner Quelle, der Sage. Wir haben bei unserer Beschreibung oben
ohne weiteres angenommen, daß der Darstellung die Ilias zu Grunde liege, so wie
wir dieselbe besitzen. Es fragt sich indess, ob der Künstler die Schilderung der
Ilias selbst kannte oder ihm nur der Hauptinhalt der Sage, die Lösung Hektors,
bekannt war. Es wäre dies zu wissen interessant für die Entscheidung der Frage,
ob dem Kunstkreise, dem wir unser Relief zugeschrieben haben, das homerische
Epos geläufig gewesen sei.1 Wir sahen oben, daß man eine genaue Kenntnis der
Ilias bei dem Künstler voraussetzen kann und alle Abweichungen von der Dichtung
sich leicht erklären aus künstlerischen Gründen, aus dem Haften der archaischen
Kunst an den ihr eigenen Typen, an ihrer eigenen Ausdrucksweise. Indess die
Notwendigkeit der direkten Abhängigkeit vom Epos können wir schwerlich be-
weisen, und es konnte auch die von der uns vorliegenden dichterischen Form
unabhängige Volkssage die vermittelnde sein. Allerdings erscheint mir letzteres
weniger wahrscheinlich; denn die Geschichte von der Lösung des Leichnams des
Hektor hat schon nichts von jenen drastischen Zügen, wie sie die Volkssage liebt
und überall verbreitet; sie scheint vielmehr ein individuell dichterisches Erzeugnis,
das auch nur in dem vom Dichter gegebenen Gewände fortlebt. Auch gehört ja
der Gesang der "Exxoqoq Xvroa zu den späteren Partien der Ilias. Dann weist
doch auch die Figur des Hermes unseres Reliefs auf Kenntnis des Epos; denn
die Kunstsitte Hermes allenthalben in die Darstellungen der Sage einzuführen,
nur um zu zeigen, daß Zeus' Wille geschehe, gehört erst der späteren Zeit an. —
Es sind uns meines Wissens noch zwei Bildwerke altkorinthischer Kunst bekannt, 192
die ihren Stoff der Ilias entnehmen; das eine ist die Szene des Kypseloskastens, wo
Agamemnon gegen Koon über Iphidamas kämpft nach der 'Ayaiiejuvovog äoiozela,
das andere ein leider fragmentierter korinthischer Pinax,'2 wo Diomedes, wie in der
JioLi)]dovg äoioTEia, unter Athenas Schutz kämpft über dem gefallenen Pandaros,
wahrscheinlich gegen Aineias.3 Die beiden Fälle schildern je eine Haupttat der
Helden von Argos und es konnte hier allerdings wohl die einheimische Sage,
nicht die Ilias die Quelle gewesen sein.
1 Vgl. Löschekeim Dorpater Universitäts-Programm 1880, S. 6.
2 Siehe meinen Berliner Vasenkatalog Nr. 764.
3 Daß am amykläischen Throne eine Szene vorkam, deren Stoff aus demselben letzten
Gesänge der Ilias genommen scheint, aus dem unser Relief stammt, nämlich die Tgäsg
em(pioovx£<; xoag "Ey.iooi, lassen wir hier unberücksichtigt, da der Künstler jenes berühmten
Werkes aus dem ionischen Kleinasien stammte.
Ml K TORS LÖSUNG.
Was uns die Entscheidung in diesen Fragen so schwer macht, ist die typische
Behandlungsweise der archaischen Kunst, die das Individuelle möglichst ausschließt.
In unserm Fall speziell haben wir gesehen, wie der Künstler einen ihm geläufigen alten
Typus zu den Gestalten des Achill und Hektor verwendet; dagegen läßt uns die spätere
Darstellungsweise, wo Achill beim Mahle liegt, keinen Zweifel an der genauen Ilias-
kenntnis ihres Schöpfers. Selbst das Hauptmotiv unserer Reliefs, das Anflehen einer
stehenden Figur durch Berühren des Kinns, war vielleicht ein schon fertiger Typus,
Acn der Künstler benutzte; der Henkel eines Buccherogefäßes ist mit dem Ausschnitt
einer alten Reliefkomposition geschmückt, die jenen Typus darstellte; ! ein bärtiger
Mann, der nach rechts steht, wird von einer anderen Gestalt durch Anfassen des Kinns
angefleht; da es der Raum des Henkels nicht erlaubt, wurde diese zweite Figur leider
\\ eggelassen. Wie eine andere auf Buccherogefäßen öfter wiederholte Gruppe eines
Mannes mit einer Frau den älteren allgemeinen Typus für mehrere späterhin indivi-
dualisierte mythologische Szenen zu enthalten scheint,'-' so könnte auch jener Typus
des Anflehens existiert haben, bevor er auf Priamos und Achill übertragen wurde.
Doch wie dem auch sei, die Betrachtung des griechischen Spiegels, den wir
hier veröffentlicht, war nicht ohne erfreuliche Ergebnisse; seine Gestalt und die
Art seines Schmuckes war uns neu und lehrte uns eine, wie es scheint namentlich
193 von Korinth aus verbreitete, altertümliche Spiegelgattung kennen; sein Relief bot
die willkommene Ergänzung eines interessanten Denkmales aus Olympia; es war
uns dies ferner durch Komposition und Stil ein hervorragend schönes Muster für die
Eigenart der archaischen Reliefkunst, wie sie sich in der nordöstlichen Peloponnes
ausgebildet hatte und welche die verschiedensten mythologischen Stoffe in ihren
Kreis zog, alle in verwandter Weise behandelnd, womöglich mit Benutzung alter
schon fertiger Typen. Wir lernten in dieser Kunstgattung neben aller naiven
Deutlichkeit und Lebendigkeit der Auffassung doch ernste Zucht und Strenge als
die Haupteigenschaft ihres Stiles kennen, wie diese es auch waren, die späterhin
die Werke der peloponnesischen Kunstschule vor allen auszeichneten.
1 Abgebildet bei Heibig, Das homerische Epos, 1884, S. 166 [1887 S.242]; beschrieben
in meinem Berliner Vasenkatalog Nr. 1615. Es ist ein Stück von gewöhnlicher Buccherotechnik,
durchaus ohne jenen .grünlichen Firnis", den ihm Heibig a. a. O. zuschreibt.
Siehe Milchhöfcr, Anfänge der griechischen Kunst S. 187. 189.
BRONZI ARCAICI PROVENIENTI DALLA QRECIA
(ANNALI DELL'INSTITUTO 52, 1880 TAV. D'AGG. F— I [= Taf. 13. 14 und
Fig. 1. 2].)
disegni riprodotti nelle tavole d'aggiunta F [hier Fig. 1 u. 2] e G 118
[Taf. 13] sono giä stati presentati ad un' adunanza del nostro Istituto
neu' anno 1875 dal eh. sig. Heibig, al quäle furono gentilmente re-
galati dal sig. Faccioli, architetto bolognese.1 A pubblicarli ed illustrarli adesso
m'induce la luce nuova che credo di potervi spargere applicando i resultati degli
seavi recentissimi d'Olimpia.
Parliamo in primo luogo dei due grandi cerchi della tav. F [Fig. 1. u. 2].
Essi non hanno a fare in verun modo con ornamenti da cavallo, come si era
supposto prima,2 perche gli seavi d'Olimpia del quarto anno (1878—79) hanno
reso indubitabile il fatto che codesti cerchi servivano da manubri a tripodi
votivi. Sono dunque quei grandi anelli che nelle rappresentanze antiche si
vedono alzati sopra l'orlo del vaso stesso, al quäle erano attaccati con un altro
manico, che alla parte inferiore dei nostri cerchi v'era fissato con chiodi.3
Parecchi esemplari d'Olimpia mostrano conservato benissimo anche quel secondo
manico, e ne ho fatto ineidere uno nella mia dissertazione sopra i bronzi d'Olimpia
inserita negli Atti della reale accademia delle scienze a Berlino dell'anno 1879.4
Siccome in quel luogo (p. 13 — 18 [oben S. 347 ff.]) ho parlato piü distesamente
sopra il tipo di quei tripodi olimpici, cosi mi limito qui al piü necessario. 119
II manubrio figurato a destra della nostra tavola (n. 2) [Fig. 2] ora si conserva
al ministero del eulto in Atene ed e stato trovato, prima chefossero cominciati i nostri
seavi, ad Olimpia.5 [Unter Fig. 2 wiederholt nach Olympia IV Taf. 33 Nr. 607a,
A. de Ridder, Bronzes de la Societe archeologique d'Athenes Nr. 5. Brunn, Griech.
Kunstgesch. S. 124.] E di bronzo battuto (di due millimetri di grossezza incirca),
1 V. Bull. 1875 p. 135 sg.
2 Bull. 1875 p. 136. Meno fondata ancora era la supposizione degli archeologi d'Atene,
i quali chiamavano specchi quegli oggetti.
3 E rotta la parte dell'attaccatura in uno dei nostri esemplari, e sull'altro le tracce
del secondo manico si vedono benissimo neH'originale, ma non sono riconoscibili nel
nostro disegno.
4 Fig. 3 della tavola annessavi [oben S. 350].
5 Ecco le principali misure: diametro esterno 0,35; interno 0,213; altezza del ca-
vallo 0,95.
A. Furtwängler. Kleine Schriften l. 28
434
BRONZl ARCA1CI PROVENIENTI DALLA GRECIA.
e da imbedue le parti vi sono graffiti degli ornamenti geometrici, fra i quali
piimeggiano due zone di cerchi Concentrin riuniti fra di loro con tangenti oblique.
Nel bd mezzo perö si trova una zona composta di quattro linee a zigzag, la
quäle vien divisa dalle altre per mezzo di due strisce minute con un ornamento
d'intrecdatura semplicissimo, identico a quello che in proporzioni un po' piü
grandi chiude di
sopra e di sotto la
composizione in-
tern. AI disopra del
cerchio e inchioda-
to un cavallo d'arte
primitiva, lecui for-
me sono disegnate
quasi geometrica-
mente, l del quäl
tipo del resto abbi-
amo trovato mol-
tissimiesemplariad
Olimpia.
Da un cavallo si-
mile e sormontato
anche l'altro nostro
manubrio2 (n. 1
[Fig. 1]), del quäle
perö la teenica e
molto diversa da
quella del primo,
essendo egli di
bronzo fuso e gli
ornamenti lavorati
a traforo. Anche
qui vediamo i me-
desimi cerchi con-
centrici, ma le tan-
genti formano fra di loro una linea a zigzag, il quäle ultimo ornamento e anche
quello della striscia superiore. La provenienza di questo pezzo, disegno in
gnndezzi metä del vero [hier ca. l/«]i pur troppo non si puö costatare; esso si
trova nel Museo della societä archeologica in Atene ove fu comprato presso im
inte d'antichitä [A. de Ridder Nr. 6). La supposta provenienza da Chalkis,
1 II quäl carattcre t piü evidente nell'originalc che non nel disegno da noi riprodotto.
;>lari d*Olimpia sono sormontati o da uccelli primitivi o da un capo dl bove.
I
Fig. 1.
BRONZI ARCA1CI PROVENIENTI DALLA GRECIA.
435
datagli (con punto interrogative» perö) nel Bull. 1. c, pare che non abbia aleun
fondamento.1
Un altro pezzo di quello stesso museo,- mentovato nel Bull. 1. c. p. 136, n. 2
come incrostazione con ornati a zigzag, la quäle avrebbe originalmente
coperto un pilastrino, in veritä non e altro che il piede di un tripode dello
stesso tipo al quäle ap-
partiene il manubrio ulti-
mamente descritto. E di
bronzo fuso 3 e corris-
ponde in tutte le parti-
colaritä a tanti esemplari
trovati ad Olimpia. Nella
sezione trasversale so-
miglia ad una T cui tutte
etrelefacciesonoadorne
di ornamenti a zigzag
sovrapposti in rilievo,
identici a quelli rappre-
sentati nella tavola della
sopramentovata mia dis-
sertazione sotto il n. 4c
[oben S. 349], presi da
un piede simile.
II concetto princi-
pale della decorazione
delle dette parti di tri-
podi, vale a dire i cer-
chi colle tangenti, e
sommamente caratteri-
stico anche per una
nota classe di vasi
geometrici della Grecia, trovata nelle isole del mare Egeo sulle coste adiacenti.*
Trovandosi quel concetto, almeno come elemento principale, in nessun altro
1 Sono queste le informazioni che il direttore di quel museo, il eh. sig. Kumanudis,
ha date al sig. Lolling.
2 Inventario dei bronzi del Varvakion n. 559 [A. de Ridder Nr. 4]; la provenienza qui
pure e ignota.
3 Secondo le notizie esattissime favoritemi dal sig. Lolling e lungo 0,44 ma rotto
almeno nella parte di sotto, largo 0,06, profondo 0,04. Anche queste misure sono le
medesime che si trovano negli esemplari d'Olimpia.
4 Esemplari pubblicati v. presso il Conze, Zu den Anfängen d. gr. Kunst. Wien 1870,
e Annali d. Inst. 1872 tav. d'agg. K.
28*
Fig. 2.
436 BRONZI ARCAICl PROVENIENT1 DALLA GRECIA.
tema di decorazione geometrica, vi doveva essere una relazione fra la fab-
bricaztone di quei vasi, propagati come pare da un centro solo, e quella dei
nostri tripodi. Disgraziatamente di quest'ultimi fino ad ora non possiamo sta-
bilire con certezza altri luoghi di ritrovamento se non il sacro recinto d'Olimpia
e quello di Dodona; giacche i! pezzo figurato nell'opera del eh. Carapanos sopra
i propri suoi seavi a Dodona, tav. 49, 21, pare sia un frammento di un manubrio
di bronzo battuto come il primo nostro, e credo i pezzi 1. c. 16 — 18, identici a
tanti altri d'Olimpia, provenienti dall'incrostazione dei piedi appartenenti alla
specie di tripodi con manubri non fusi ma battuti e graffiti.1
Ma come l'anzidetto gruppo di vasi dipinti non sitrovamaiin Italia, cosi anche
i bronzi appartenenti al medesimo sistema di decorazione sono ignoti all' Italia,2
mentre di un'altra gran classe di bronzi, decorati con altro sistema geometrico,
r.ppunto gli seavi d'Olimpia hanno mostrato che e stata comune all'Italia e alla Grecia.3
Quanto poi al tempo al quäle debbonsi ascrivere i nostri tripodi, non puossi
dir altro se non che i vasi corrispondenti fanno seguito immediatamente al fiore
della pittura vascolare propriamente detta di Micene, e che gli Ultimi stadii della
loro fabbrieazione paiono giungere fino al secolo sesto a. C.
Fra le due specie di tripodi crederei che quella coi manubri e piedi di
bronzo battuto e lavorato a punzone sia piü antica dell'altra di bronzo fuso:
di certo e la piü rara fra i ritrovamenti d'Olimpia.
122 L'altra tavola (G) [Taf. 13] rappresenta nella parte inferiore in grandezza naturale
una fibula, disgraziatamente frammentata a destra, ma del piü grandeinteresse. Fu
dessa trovata nella Beozia a Tebe ed ora si conserva nel Museo della societäarcheo-
logica d'Atene [A. de Ridder Nr. 228]. Quattro parti costituiscono questa strana
fibula;* l'arco gonfiato di sopra, il pezzo a sinistra che va restringendosi ingiü/'
ove finisce nella spilla stessa, la quäle vien ricevuta dalla parte infima rineurvata
di una grande lamina sottile, che originalmente doveva essere quadrangolare.
La decorazione e tutta eseguita a punzone con grandissima finezza. Sulla parte
rimanente di questa lamina si vede ancora la parte anteriore di un cavallo
disegnato in maniera molto affine a quella degli anzidetti vasi geometrici
della Grecia; anche il cordone disegnato a zigzag, che gli pende dalla bocca,
s'incontra su taluno fra i cavalli di quei vasi.'1 Tutto il corpo e coperto
1 V. la sopracitata mia dissertazione negli Atti dell'accademia di Bcrlino pag. 16
[oben S. 350].
2 I.a congettura esternata ncl Bull. 1875 p. 136, che quei cerchio di bronzo di Amelia
mentovata nel Bull. 1864 p. 57 appartenesse qui, non ha la menoma probabilit;).
1 V. la citata mia dibs. p. 31 sg. [oben S. 364 ff.].
• Li majore larghezza trasversale e di 44 millimctri.
>je tali pezzi identici, appartenenti senza dubbio a fibule di questo tipo, furono
'Mimpia.
l'Helbig nel Bull. I. c. ha confrontato il vaso presso il Conze, Zu den An-
Bronzi arcaici provenienti dalla grecia. 437
di linee orizzontali a zigzag, la quäle particolaritä si osserva pure in parecchi
piccoli cavalli di bronzo dello stesso stile geometrico ritrovati ad Olimp a.
La benda perö, che gli passa attraverso il petto, trova la sua analogia in quella
simile che si osserva spesse volte sui cavalli dei noti vasi d'argento con bas-
sirilievi di fabbrica fenicia, ritrovati in Cipro1 e nelle tombe di Cerea e Pale-
strina.3 Gli unici esemplari dello stesso tipo di fibula che, per quanto io sappia,
finora si siano trovati, sono tre di Olimpia, il piü interessante dei quali fu 123
pubblicato da me sulla tavola dell'anzidetta mia dissertazione n. 7 [oben S. 366.
Olympia IV Nr. 365]; vi e conservata quasi intera la lamina quadrangolare coi
graffiti finissimi, i quali ne coprono ambedue le parti. Benche strana assai —
giacche messa in uso non si poteva veder piü di una faccia di quella lamina —
la medesima particolaritä distingue la nostra fibula di Tebe. Nella quäle il signor
Lolling, pregato da me ad esaminarla di nuovo, scorse delle tracce, coperte si
dall'ossido ma ben sicure, di rappresentanza graffita dall'altra parte; il Lolling credette
di potervi ravvisare la poppa di una nave ed un oggetto poco chiaro al disotto.
Anche negli altri punti essenziali la tecnica di queH'esemplare d'Olimpia e
identica a quella dei tebano; stranamente perö vi manca la parte ricurva disotto
per ricevere la spilla; i quattro lati poi della lamina non sono uguali, quello a
sinistra (veduto dalla parte esterna) essendo un poco ricurvo. Finalmente l'orlo
circondante le rappresentazioni e molto piü ricco che non nella fibula tebana,
ma i triangoli che spuntano verso il mezzo ricorrono in ambedue gli esemplari.
Lo stile delle rappresentazioni pertanto in queH'esemplare d'Olimpia si scosta
di piü da quello dei vasi geometrici mentovati, mentre almeno la figura dell'
uccello mostra piü analogia con certi vasi di Cipro.4
Degli altri due esemplari ritrovati ad Olimpia,6 l'uno non mostra veruna decora-
zione, l'altro e graffito con meandri della specie di quelli dei detti vasi geometrici ed
inoltre mostra in un campo quadrangolare un cervo ferito con tre lancie nel collo.
II tipo di fibula in discorso finora dunque non lo conosciamo che da Tebe 124
e da Olimpia;6 ma forse anch'esso come gli altri tipi di fibule, trovati quasi
identici in Grecia (specialmente ad Olimpia), in Italia e nell'Europa settentrionale,
era una volta sparso piü lontano; e posso addurre come sostegno di questa
congettura una fibula trovata nell'antica Pannonia e conservata nel museo di
Agram, la quäle mostra le stesse quattro parti della nostra tebana, cioe l'arco
bipartito, decorato anche qui con linee a zigzag, la spilla ricevuta dalla lamina
1 Cosi sui cavalli della patera di Larnaca: Longperier, Mus. Nap. 111 tav. 10.
2 Tomba di Regulini-Galassi: Mus. Gregor. I 63. 64. 66.
3 Mon. d. Inst. X 31. 33; qui perö soltanto su pochi dei cavalli.
4 Cf. la sopracitata mia dissertazione sui bronzi olimpici p. 36 [oben S. 366].
5 I quali ritrovati dopo la mia partenza da Olimpia, non conosco che dalle notizie
favoritemi dal sig. Purgold.
6 Anche il eh. Heibig mi ha assicurato di non aver mai osservato codesto tipo fra
i ritrovamenti d'Italia.
438 BRONZI ARCAICl PROVENIENTI DALLA GRECIA.
ricurva al disotto. La sola differenza e che questa lamina non e quadrangolare
ma triangolare, ne mostra dei graffiti ma un bordo soltanto di puntini lavorati
a rilievo. Senz'alcun dubbio perö qui non abbiamo che una variazione leg-
m del tipo originale trovato nella Grecia. II eh. sig. Wylie, che ha reso pub-
blica codesta fibula nei Proceedings of the society of antiquaries of London
2 ser. VI. 1S75, p. 450, non seppe addurre altro esempio analogo se non uno
del Museo britannico che fa parte dell'antica collezione Temple e proviene dal-
l'Italia meridionale; esso avrebbela medesima forma e grandezza straordinaria.1
Forse queste fibule appartengono ad uno sviluppo piü recente del medesimo
tipo osservato in Grecia, ma in ogni caso e sicuro, che con quest'ultimo stanno
in relazione strettissima fibule d'Italia e di Pannonia.
I cinque frammenti pubblicati in grandezza naturale nella medesima tavola
125 d'agg. G [Taf. 13] n. 1 — 5 possono benissimo essere messi assieme, e allora
avendo tutti un'incurvatura continua, formano una specie di diadema, frammentato
soltanto dalla parte sinistra e destinato senza dubbio a girare intorno a qualche
oggetto circolare, forse la testa umana. Fu anch'esso trovato in una tomba antica di
Tebe e poi acquistato dal Museo della societä archeologica d'Atene [A. de Ridder
Nr. 308]. II bronzo sottile mostra a certe distanze delle bozze circolari, ma il resto
e graffito colla medesima finezza che abbiamo ammirata nella fibula anzidescritta;
tutto il fare teenico pare lo stesso; e quanto allo Stile corrisponde pure il cavallo
del diadema a quello della fibula, corrisponde poi quella particolaritä caratteristica
di riempire il corpo interno di quasi tutti gli oggetti con linee a zigzag, e la
maniera di disegnare i contorni di linee doppie si trova anche nei graffiti, se
non della fibula tebana, in quella d'Olimpia. I concetti della decorazione perö
non appartengono semplicemente ad un sistema geometrico, ma sono composti
da elementi diversi.
La croce, che pare d'aver distinto il bei mezzo della composizione, non
tanto per la forma generale, trovata anche altrove, quanto per la particolaritä
di essere riempita da linee oblique, si mostra come desunta proprio dal sistema
>metrico di quei vasi greci detti del Dipylon.
Da ambedue le parti di questa croce si stendono fregi di animali e di uomini,
in modo perö che la parte sinistra confrontata con quella a destra sta capo-
volta, la quäle stranezza forse si spiegava dall'uso dell'oggetto; perö, se era
realmente un diadema, non ne trovo spiegazione aleuna.
la composizione poi dei due fregi invano si cercherebbe la legge della
simmetria; anzi alla rinfusa vi sono posti gli animali, gli uomini ed il bastimento,
/a relazione visibile fra gli elementi diversi; cosl p.e. l'uomo a sinistra della
e, che vibra una lancia od un bastone, e isolato senza avere oggetto o
persona avversaria; lo stesso vale per l'altra figura umana, ed anche il leone
1 La lunghezza m dicc che sia di un piede Ingtett. [Athen. Mitt. 1887 S. 18,2.]
Bronzi arcaici provenienti dalla grecia. 439
non attacca per niente l'uccello che gli sta avanti, ma come i pesci di dietro, cosl
l'uccello davanti vi sono posti senza relazione, per mero caso, Con questa e con-
giunta l'altra particolaritä, che cioe dovunque il permetteva lo spazio, sono posti
due o tre animali, l'uno sopra l'altro, senza un suolo comune, ove starebbero tutti.
Fra gli animali non soltanto i cavalli, ma anche i pesci appartengono al
ciclo di animali prediletti negli anzidetti vasi geometrici, ove perö non apparis-
cono che per riempir lo spazio specialmente sotto i cavalli,1 non in fregi liberi,
come qui. Vi appartengono anche gli uccelli a colli lunghi, i quali perö non
in fila, come generalmente sopra quei vasi, ma sparsi qua e lä compariscono
per riempire gli spazi liberi; lo stesso tipo e posto in alto o in basso senz'
essere modificato, sieche molti paiono volare senza avere perö le ali aperte.
Anche il bastimento e un concetto favorito fra quei vasi, benche non vi
si trovi in senso meramente decorativo, come sul nostro diadema, e come pare
anche sul rovescio della nostra fibula tebana. Quanto alla forma giä l'Helbig2
aveva osservato che essa corrisponde in generale a quella delle navi sopra i
detti vasi (Mon. d. Inst. IX, tav. 40), 3 ma vi sono delle differenze, le quali sgra- 127
ziatamente sembrano sconosciute anche altrove. Giacche, mentre e indicato
anche qui un mezzo ponte attaccato alla prora, il prolungamento di quest'ultima
non ha ne la forma ricurva di quei vasi, ne quella di un palo retto, come sui
vasi attici a figure nere, ma una forma nuova angolare. Inoltre la poppa non
ha quella semplice forma semicircolare ovvia su tutti gli altri monumenti, ma
mostra un angolo acuto. Accordandosi perö tutte le particolaritä essenziali colle
navi dei vasi geometrici, crederei che quelle forme angolose sul nostro diadema
sono piuttosto cagionate dalla maniera stilistica del disegno che da diversitä reali
nella forma del bastimento.
Domandiamo ora, quäl sia il porto storico di questo tipo di navi. II monu-
mento piü antico che ci rappresenti il tipo generale della nostra nave, cioe una
nave la cui prora finisce in un rostro in forma di una punta semplice, e
un basso rilievo assiro del palazzo di Sennacherib a Kujundsshik (Layard, Mon.
of Nin. I, 71), cioe della fine dell' VIII o del prineipio del VII sec; con quei tipo
sono rappresentate senza dubbio navi fenicie, e sono mischiate con esse altre
navi del solito tipo assiro, cioe senza rostro colla prora piegata insu, il quäl tipo
ancora negli Ultimi tempi distingueva le navi propriamente assire (cf. la nave
d'Assurbanipal presso Rawlinson, Five gr. monarchies2 I, p. 361). * Quei medesimo
tipo fenicio rappresentano poi certe monete persiane con iscrizioni fenicie, pro-
1 Cf. p. e. Annali 1872 tav. d'agg. 1,1, ed il gran vaso trovato ad Argos, mentovato
Athen. Mitt. IV p. 159.
2 Bull. d. Inst. 1875 p. 136.
3 Cf. le osservazioni del sig. Graser sopra queste navi negli Annali 1872 p. 178 sg.
4 Cf. inoltre per il tempo di Sargon le barche nei rilievi di Khorsabad: Botta-Flandin,
Mon. de Nin. tav. 32 sg.
440 BRONZI ARCAIC1 PROVENIENTI DALLA GRECIA.
babilmente del VIsec1 II medesimo finalmente apparisce in uno dei due basti-
:nenti nemici rappresentati sul vaso d'Aristonofo (Mon. IX, 4) forse ancora del
\'1I secolo.'
Ma questo tipo, secondo ogni probabilitä prettamente fenicio, di certo era
l'originale pel nostro, il quäle ne differisce soltanto per quel prolungamento al
disopra della prora. Sappiamo peraltro, che un'altra forma di quello stesso pro-
lungamento, in guisa cioe di un palo retto, probabilmente si era sviluppata nel
settimo secolo e certo, nel sesto, si era sviluppata a Corinto, nella cittä che si
diceva essere stata la prima a costruir navi grandi da guerra (Thuc. I 13); giacche
quella forma si trova sopra certe tavolette votive di Corinto molto arcaiche;3
ivi stesso apparisce anche una forma piü vicina all'antica fenicia: al disopra del
rostro la prora stessa spunta assai infuori. Ma al principio del secolo quinto,
cioe sui vasi attici a figure nere, regna assolutamente quella forma col palo retto,
la quäle si vede anche sopra le piü antiche monete di Samo e Cnido.4
Pel tipo perö probabilmente piü antico dei nostri vasi geometrici e del dia-
dema tebano c'importa il fatto, che desso non e identico all'antico fenicio, ma
ne e derivato immediatamente, che dunque gli oggetti ove e rappresentato, non
provengono dalla Fenicia stessa, ma da una contrada che stava sotto la sua
influenza diretta. Quanto alla sua antichitä finalmente, ci e dato un limite un
129 po'vasto nel fatto, che verso il 1200 non esisteva ancora nemmeno il semplice
tipo fenicio,5 sieche quella variazione di esso dev'essere assai piü tarda.
Gli elementi della nostra composizione osservati finora tutti si mostravano
presi dal sistema geometrico dei vasi confrontati, benche l'uso che se ne faceva
nel nostro diadema ne differisca non poco. Ora perö veniamo ad elementi del
tutto differenti, quali sono in primo luogo quel leone camminante a sinistra, ed
i due cani ossia sciacali che vanno dietro ad un capriuolo.
1 V. specialmente Friedländcr-Sallet, Das kgl. Münzkabinet n. 809/10 = Graser, Alt.
Schiffsdarst. auf Münzen, tav. A n. 584 b.
2 Cf. le mie osservazioni sopra questo vaso nella dissertazione sopra i bronzi
d'Olimpia p. 45 (oben S. 373].
1 Ora esistenti nel museo di Berlino, ed appartenenti ad una grandissima serie di
tali tavolette recentemente acquistata dal detto museo. [Berliner Vasenkatalog Nr. 347 ff.)
4 Cf. Graser, Alt. Schiffsdarst. auf Münzen ed. Annali 1872, p. 178. La stessa forma
pare rappresentata nella nave di un arnese d'avorio di Chiusi (Mon. d. Inst. X 39a), del
quäle 1) ;iuto altrove l'origine greca (v. Bronzefunde aus Olympia p. 52 [oben
S. 37
■ I popoli venuti dal settentrione, dalle isole e coste del Mediterraneo, verso l'Egitto,
senz'altr vebbero serviti anche di quel lipo di navi, eccellente per la guerra, se
fosse allora esistito in quel mare. Le forme dei bastimenti usati da quei popoli veggonsi
ramente espressi stille sculture di Ramses III a Medinet Habu: Rossellini, Mon. reali
I 131; Chabas It. sur l'antiquite bist. tav. I e p. 319; le prore hanno forme diverse, ma
non si trova m;ii. (Per i bastimenti di mare degli stessi Lgiziani cf. Dümichen,
. ptian queen Lcipz. 1868).
Bronzi arcaici provenienti dalla grecia. 441
Fra i molti confronti che si presentano scegliamo soltanto i piü vicini e i
piü palpabili. Quel medesimo tipo dunque del leone che cammina, volto per
lo piü a sinistra, e mettendo le gambe una avanti l'altra, colla coda piegata insu
e la bocca aperta, dalla quäle per lo piü pende lunga la lingua, questo stesso
tipo e caratteristico per un certo e ben distinto gruppo di lavori in metallo.
Cito in primo luogo una lamina di sottil bronzo trovata ad Olimpia (A),1
che mostra in disegno graffito molto primitivo quel medesimo leone cammi-
nante a sinistra, ove pare che gli preceda un altro simile; disotto non e indicato
il suolo, ma come nel nostro diadema cammina nel campo libero; in fine linee 130
a zig-zag ornano almeno il collo. Irucontriamo quel tipo, parimenti graffito, sopra
un grande ornamento d'oro trovato a Vulci (B),2 ove i due leoni che vi cam-
minano senza suolo nel campo libero, hanno col nostro un'analogia sorprendente,
la quäle viene aumentata dagli uccelli, che vi volano attorno. In un altro orna-
mento d'oro di Vulci (C),3 fra altre figure da citarsi subito vediamo due di quelle
bestie con la lingua pendente e la coda rialzata; il lavoro e a globetti finissimi
sovrapposti. Due altre poi, camminanti pure senza suolo, troviamo in una lastra d'oro
a rilievo stampato con sovrapposti globetti, proveniente dalla gran tomba Bernardini
a Preneste (D).4 In lavoro semplice stampato troviamo il nostro tipo sopra una lastra
d'oro (E) importantissima per le nostre ricerche, giacche essa fu trovata in una tomba
d'Atene presso il Dipylon insieme con vasi geometrici di quel sistema
spesso mentovato, e reso conosciuto da Conze ed Hirschfeld;5 lo troviamo in-
oltre sopra un rilievo stampato d'argento, proveniente dalla citata tomba pre-
nestina (F),6 sopra un vaso di bronzo (G) da un'altra tomba prenestina del
medesimo tempo e genere (Archaeologia 41, tav. 6), poi in file sopra lo scudo
di bronzo, del resto decorato geometricamente, della tomba Regulini-Galassi 131
(H; Mus. greg. I, 20, 2), e fra altre bestie sul gran vaso da sostegno della
medesima tomba (I, Mus. greg. I, 11) finalmente (ma senza la lingua pendente)
suirornamento d'oro della stessa tomba (K, Mus. greg. I, 84) e sopra un pendaglio
d'oro in forma di Pateco (L).7
1 Nello strato piü profondo vicino al Metroon; l'ho descritta sotto il numero 7001
neH'inventario ufficiale dei bronzi [Olympia IV Nr. 688].
2 Micali, Mon. per serv. alla stör, degli ant. pop. ital. 2. ed. tav. 45, 3 [München, Anti-
quarium].
3 Micali, Op. cit. tav. 46, 14 [München, Antiquarium].
4 Mon. d. Inst. X 31, 2.
5 La detta lastra e pubblicata nel Daremberg et Saglio, Dictionn. des antiqu. p. 788
fig. 933. Due altre simili provenienti dalle medesime tombe vedi presso Curtius, Das arch.
Bronzerelief aus Olympia tav. III 4 e 5, ove invece del leone pare rappresentata una pantera
colla coda pendente in giü. Per il ritrovamento di queste lastre cf. Hirschfeld, Annali 1872,
p. 136; 154. [Furtwängler, Arch. Ztg. 1884, S. 103, 4. Böhlau, Arch. Jahrb. 1887 S. 35, 4.]
6 Mon. d. Inst. X 31, 5.
7 Micali, Mon. per serv. etc. tav. 46, 1 [München, Antiquarium].
4 . Bronzi arcaici provenienti dalla grecia.
Con piccoli differenza, cioe colla testa rivolta indietro, scorgiamo il mede-
simo nostro tipo di leoncini in lavoro stampato nella lastra di bronzo che si
vede pubblicata in mezzo alla nostra tavola d'agg. H [Taf. 14, 2]. Proviene con
indrca 40 altri frammenti siniili da una tomba arcaica della Beozia ed oggi si
trova nel Museo della societä archeologica d'Atene.1
Anche per il gruppo dei cani col capriuolo sul diadema tebano abbiamo i
confronti negli stessi monumenti ora enumerati. Quello d'Atene E ci mostra un
capriuolo che volge la testa verso un animale poco deciso; lo seguono oltre
a quel leone, cervi pascolanti; questi Ultimi appariscono pure in F e di piü vi
e anche il capriuolo colla testa rivolta ed il cane colla bocca aperta; questi stessi
elementi. cioe capriuolo, cane e cervi, si riconoscono anche in C, e questi
ultimi in G.
Le due nostre figure umane infine non trovano altri riscontri piü adatti che
fra questi medesimi lavori: il C ce li mostra frapposti fra gli animali cogli stessi
movimenti e gli stessi bastoni del nostro diadema; i medesimi appariscono, con
132 bastoni pure, sopra un'armilla d'oro- di Corneto (M) che appartiene decisamente
a questo gruppo di lavori. In qualche altro sono piü decisi i tipi umani, es-
sendo nel B rappresentati guerrieri primitivi con scudi, spade ed elmi a lunga
cresta; quanto a quest'ultima basti qui l'osservazione che essa si riscontra anche
nelle rinomate patere fenicie d'argento3 contemporanee ai lavori in discorso.
L' F poi aggiunge a quelle bestie un arciere ed un Centauro a piedi umani;
quest'ultimo infine, ed inoltre un uomo a cavallo, ci mostra il G.4
E da aggiungersi finalmente, che parecchi dei nostri monumenti oltre i
sudetti elementi introducono anche delle bestie favolose ed alate (cosi D G I L M).
E incontestabile che tutti gli oggetti anzimentovati e confrontati fra di loro,
siccome mostrano i medesimi concetti eseguiti nel medesimo stile, debbono ap-
partenere incirca alla medesima epoca ed al medesimo centro di fabbricazione.
L'epoca poi vien determinata approssimativamente dalla circostanza che gli esem-
plari trovati in Italia (Etruria marittima e Preneste) vengono o dalla tomba
Regulini-Galassi o da quella scavata dai Bernardini a Preneste, o da tombe di
contenuto simile. Le quali tombe, che precedono immediatamente l'importazione
di vasi corinzii nell'Italia, debbono appartenere incirca alla seconda metä del
settimo secolo. Ne possono essere molto piü antiche le tombe di Atene e di Tebe
che contenevano V E ed il nostro diadema. Ora quella d'Atene conteneva anche
1 Ove porta il n. 30. L'altezza c di 0,037. Secondo le notizie del Lolling qualche volta
ate sopra piccole rosette, o sul campo libero o sui leoncini stessi. [A. de Ridder
- 314.]
* Mon. ed. Annali d. Inst. 1854 tav. 33, 1.2; p. 122; il lavoro e quello da globetti
sovrapp
ie archcol. 1876 tav. I, da Amathus di Cipro; cf. Furtwängler, Bronzefunde
aus Olympia p. 56 [oben S. 382).
rrtwingl« I. c. p. 20 |oben S.353).
Bronzi arcaici provenienti dalla grecia. 443
vasi dipinti del noto Stile prettamente geometrico, ed il diadema diTebe per diversi 133
suoi concetti vien dimostrato contemporaneo all'incirca a que'medesimi vasi.
Risulta dunque che i vasi geometrici trovati al Dipylon d'Atene vi erano
in uso ancora nel VII secolo,1 nel medesimo tempo in cui in alcune parti del-
l'Italia si ornavano le tombe di oggetti di uno stile molto differente, detto Orientale
o fenicio, mentre non s'importavano ancora vasi greci. Nello stesso tempo poi
che in Grecia regnava da una parte il puro stile geometrico dei vasi detti del
Dipylon e dall'altra parte quello detto Orientale, v'erano anche i prodotti di una
fabbrica che mischiava gli elementi di ambedue i sistemi decorativi. Ed a questi
Ultimi appartiene il nostro diadema tebano. Ed e molto chiara la mescolanza
degli elementi diversi anche in parecchi dei contemporanei monumenti d'Italia.
Cosi l'M da una parte mostra linee geometriche a zig-zag ed a meandro, insieme
a quelle primitive figure umane, ma dall'altra parte offre concetti molto differenti,
i quali si possono dimostrare essere d'origine fenicia. Lo scudo H, ed ancora
piü i suoi compagni sono di decorazione quasi puramente geometrica. L'orna-
mento di testa B e tutto decorato di triangoli e zig-zag, ma il compagno K,
senz'altro contemporaneo, mostra un ornato dell'altro sistema.
M'astengo dal proseguir questo tema piü inoltre, avendo piü estesamente
esposto la mia opinione intorno la relazione dello stile detto geometrico e quello
Orientale in altro luogo.2
Quanto poi all'origine del gruppo di lavori da noi considerato, credo utile 134
il ricordare che appunto nel secolo settimo, al quäle con preferenza ascriviamo
quei prodotti, vi debbono essere state sulle coste del mare Egeo molte fab-
briche in cui la manifattura fenicia aveva subito delle modificazioni e mano
mano si sviluppava quella propriamente greca.3
Un monumento di queH'antichissima arte greca, ma che risente giä un poco
piü del vero greco che non i monumenti sopra esaminati, lo riconosco sulla
lastra di bronzo lavorata a rilievo, della quäle pubblichiamo tre frammenti sulle
tavole d'agg. H (di sotto) ed I [Taf. 14, 3 — 5]. Sono i meglio conservati fra circa
66 altri trovati tutti in una tomba della Beozia ed ora conservati nel Museo
della societä archeologica ad Atene (N. 534 dell'inventario).* Essa lastra con-
1 Disgraziatamente dalla prima iscrizione che si e trovata sopra un vaso di questo
genere (v 'A&rjvaiov 1880 fascicolo del Maggio e Giugno, in fine) non risulta altro, se non
che il vaso e relativamente molto antico, mostrando lettere come pare piü arcaiche di tutte
le altre iscrizioni attiche. Essendo poi graffita l'iscrizione dopo la fabbricazione del vaso,
non prova nulla intorno al luogo di quest'ultima. [Athen. Mitt. 1881 S. 106 und 1893 S. 225.]
2 Furtwängler, Bronzefunde aus Olympia p. 43 segg. [oben S. 372].
3 Quanto ai monumenti qui pubblicati, una particolaritä del bastimento sul diadema
tebano ci additava un'origine non prettamente fenicia, ed un'altra specialitä del cavallo
sulla fibula ci richiamava prodotti di Cipro, come pure l'uccello sulla fibula d'Olimpia.
* [A. de Ridder, Bronzes de la Soc. Arch. d'Athenes Nr. 799. Unsere Fig. 3 zeigt
das Blech, wie es jetzt von Wolters zusammengesetzt ist.]
444
BRONZ1 ARCAICI PROVENIENT1 DALLA GRECIA.
CO
M
—
Bronzi arcaici provenienti dalla grecia. 445
teneva almeno tre strisce di figure, l'una sopra l'altra; i diversi pezzi erano
congiunti fra di loro con chiodi. Nella striscia superiore vi sono corse di bighe
ed un frammento di un'altra scena, un uomo nudo cioe colle braccia stese. II
cocchiere ha il gladio al canto sinistro e sul dorso lo scudo, come pare della
forma detta beotica, la quäle viene usata giä dagli uomini dei vasi geometrici
del Dipylon. Le altre due strisce mostrano animali, bovi cioe e pecore. E evi-
dente l'analogia di tale disposizione con quella ovvia sui vasi corinzii e sui piü
antichi attici, i cui tipi forse sono derivati da tipi impiegati in tali incrostazioni
di metallo. Alla striscia infima probabilmente appartiene il frammento coll'arciere
posto ginocchioni dietro di un cinghiale (tav. H [Taf. 14, 3]). Troviamo un'ana-
logia manifestain uno dei monumenti disopra annoverati, che proviene dall'Italia; 135
giacche IT mostra un arciere posto ginocchioni fra una serie di animali del tutto
simile alla rappresentazione nostra; un altro testimonio dunquedell'intima relazione
fra questo gruppo di lavori trovati in ltalia e quello corrispondente della Grecia.
Un altro rilievo, pure di bronzo, che pubblichiamo nella tavola d'agg. H
(di sopra) [Taf. 14, 1], pare un po'piü sviluppato di quello orora descritto. Vi
vediamo due leoni circondati di doppio margine e raggruppati in modo per-
fettamente eraldico. II rilievo e interessante anche per il luogo ove fu rinvenuto,
che e l'Acropoli stessa d'Atene.1 Senza entrare nella storia speziale di simili
gruppi di leoni, rilevo soltanto che tale concetto era preferito dai pittori di
certi vasi arcaici di fabbrica calcidese,2 mentre quei di Corinto preferivano le
file di bestie ovvie sull'altro nostro rilievo.
II contenuto delle tavole qui spiegate si consideri come un piccolo saggio
piuttosto fortuito dei grandi tesori di bronzi arcaici della Grecia, i quali, e spe-
cialmente quelli d'Olimpia e di Atene, una volta pubblicati, spanderanno inaspettata
luce sopra lo sviluppo dell'arte antichissima.
1 Ora si trova nel Museo della soc. arch. d'Atene, inv. n. 390; e alto 0,064, largo
0,110. [A. de Ridder, Bronzes de la Soc. Arch. d'Athenes Nr. 801.]
2 P. e. sull'idria di Monaco n. 125 [440. uriech. Vasenmalerei Taf. 31]; sopra un'anfora
nel Museo d'industria di Vienna etc.
DAS ALTER DES HERAION UND DAS ALTER
DES HEILIGTUMS VON OLYMPIA
(SITZUNGSBERICHTE DER PHILOS.-PHILOL. KLASSE DER KGL. BAYER.
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN 1906)
m Frühjahr 1906 hat Dörpfeld (der darüber in den Mitteilungen des
arch. Instituts in Athen 1906, S. 210 ff. berichtet) eine kleine nachträg-
liche Grabung im Heraion von Olympia vornehmen lassen, um die
unter dem Bauschutte des Tempels gelegenen Schichten, deren Funde älter sein
müssen als der Bau des Tempels, von neuem zu untersuchen. Hier war schon
früher gegraben worden, und die hier in der Tiefe gemachten Funde boten mir
ein Material, auf das ich in meiner Bearbeitung der Bronzen und anderen
kleineren Funde (Olympia Bd. IV S. 2 und passim) großes Gewicht legte. Ich
nahm an, daß diesen Funden, die älter sind als der älteste große Tempel in
Olympia, ein besonders hohes Alter zukommen müsse. Einige Fundnotizen, die
dieser Annahme widersprachen, indem sie Objekte, die gar nicht besonders alt waren,
jener Schicht unter dem Heraion zuwiesen, glaubte ich damals bezweifeln zu sollen.
Die Bearbeitung der in der Altis massenhaft gefundenen Votivfiguren, der
Tiere und Menschen ebenso wie die der Dreifüße, führte mich zu dem Resultate,
daß jener eigentümliche, reich und fest ausgebildete, von mir der Bequemlichkeit
halber als „geometrisch" bezeichnete Stil, der an den Votivfiguren wie den
Dreifüßen erscheint, nicht als der älteste in Olympia gelten konnte; denn von
diesem Stile führte, wie sich deutlich erkennen ließ, eine Brücke unmittelbar zu
dem uns bekannten in das 7. bis 6. Jahrhundert datierten archaischen Stile; jener
ausgebildet „geometrische" Stil mußte also unmittelbar vor diesem liegen, und
die Menge der Votive, welche die Stufe des „geometrischen" Stiles noch nicht
erreicht hatte, mußte älter sein.
I nter den unter dem Bauschutt des Heraion gemachten Fundstücken fand
ich nur ein „geometrisch" stilisiertes Tier. Bei der relativen Seltenheit der gut
stilisierten Tiere in Olympia war dies nicht auffallend. Allein, in der Meinung
befanden, die Funde unter dem Heraion müßten besonders alt sein und dürften
•ialb noch keine Fi^ur jenes ausgebildeten Stiles erwarten lassen, erlaubte
ich mir die Fundnotiz anzuzweifeln (Olympia IV, S. 28 Anm.). Dasselbe erlaubte
ich mir mit den Fundnoti/.en über zwei Nasenschirme korinthischer Helme (Olympia
Das Alter des Heraion und das Alter des Heiligtums von Olympia. 447
IV. S. 167); denn da der voll ausgebildete korinthische Helm mit dem Nasen-
schirme jedenfalls nicht über das 7. Jahrhundert hinaus zu verfolgen ist, so schien
mir der durch jene Funde indizierte Termin für den Heraionbau als für das ver-
meintliche hohe Alter desselben zu spät.
Hierin habe ich geirrt, und ich hätte jene Fundangaben nie bezweifeln sollen.
Die neue kleine Grabung Dörpfelds hat einen Fund gebracht, der die Meinung
von dem besonders hohen Alter des Heraion endgültig zerstört und den an-
geführten früheren Funden alles vermeintlich Auffällige nimmt.
Es ist dies die Bronzestatuette eines Kriegers, die im Opisthodom des He-
raion 1,50 m unter dem Plattenboden und 0,65 unter der alten Humusschicht
gefunden wurde und danach sicher der Zeit vor Erbauung des Tempels an-
gehört, ja wahrscheinlich, nach der Tiefe des Fundplatzes, nicht erst kurz vor
dem Baue in den Boden gekommen ist.
Nun gehört diese Bronze einer kleinen Gruppe von Bildwerken an, die einen
sehr bestimmt und genau umgrenzten Platz in der Entwicklung der frühgriechischen
Kunst einnimmt. Und dieser Platz befindet sich nicht vor dem ausgebildeten
geometrischen Stil — welche Stelle ich früher den Funden unter dem Heraion 469
anweisen zu müssen glaubte, — sondern hinter demselben.
Es wird nötig sein, diese These etwas näher auszuführen.1 Innerhalb der
Funde von Olympia tritt die neue Bronze an die Stelle unmittelbar nach den
Figuren wie Olympia IV, 244, 616, 617, welche dem ausgebildeten „geometrischen"
Stil angehören und zum Teil von den großen im geometrischen System de-
korierten Dreifüßen stammen. Ich habe die Entwicklung, die zu dieser Stilstufe
führt, eingehend dargelegt Olympia IV, S. 42. An die Fortschritte, welche die
letztgenannten Figuren aufweisen, knüpft nun die neue Bronze an; sie teilt mit
ihnen die Stellung und Bildung der überschlanken knappen Beine; der Leibgurt er-
scheint hier ebenso wie dort (244). Allein etwas durchaus Neues ist die Bildung
des Kopfes und Haares. Eben dieses Haar, das nach unten gerade abgeschnitten
und durch horizontale Wellen gegliedert wird, ist aber ein sehr charakteristisches
Element, das uns gestattet, den Kreis unserer Figur noch enger zu begrenzen.
Diese Haartracht ist nur einer relativ kleinen Anzahl von Werken eigen, die alle
dem früharchaischen Stile angehören und die zwischen dem geometrischen Stile
und dem archaischen der Zeit nach ca. 600 v. Chr., also im 7. Jahrhundert ihre
1 Die Bronze ist in den Athen. Mitt. XXXI (1906), S. 219 ff. nur von einem Anfänger,
P. Steiner behandelt worden. Dieser hat manches richtig bemerkt, aber das Richtige mit
vielem Falschen vermischt. Sein Schlußresultat lautet (S. 227), man könne nur sagen,
daß die Bronze älter sei als der Anfang des 6. Jahrhunderts; damit soll der phantastischen
Willkür Dörpfelds, der sie in „achäische" Urzeit setzen möchte, offenbar ein Türchen
offen gelassen werden. Ein starkes Versehen ist S. 222: die Haltung der Bronze sei die
des „Zeus Ithomatas des Onatas"! Da ist Onatas und Ageladas verwechselt, und den
Ithomatas, wie ihn die messenischen Münzen zeigen, hat der Verfasser dieses merk-
würdigen Ausspruchs wohl niemals angesehen.
\lter des Heraion und das Alter des Heiligtums von OLYiMPiA.
feste Stolle haben. Die Tracht ist bisher noch nirgend gründlicher behandelt
worden,1 daher wir etwas bei ihr verweilen.
470 Besonders wichtig ist das kleine protokorinthische Gefäß MeManges Perrot
Taf. 4, das von einem plastischen Kopfe dieses Typus gekrönt wird. Es ist ein
feines jünger protokorinthisches Väschen, das zweifellos dem 7. Jahrhundert an-
gehört, der Zeit, wo der geometrische Stil sein Ende findet (vgl. Ägina, Heilig-
tum der Aphaia S. 475 f.). Nächstdem ist von Bedeutung eine Gruppe von in
Blaßgold (Elektron), seltener in gelbem Golde ausgeführten Schmucksachen, an
welchen die menschlichen Köpfe, die männlichen und die weiblichen, durchweg
diesen Typus mit dem gerade abgeschnittenen, horizontal gewellten Haar zeigen.
Solche Goldarbeiten sind namentlich in dem alten, dem 7. Jahrhunderte angehörigen
Teile der Nekropole von Kamiros (Salzmann, Necr. de Cam. Taf. I: Revue arch. 1863,
YIII, Taf. 10; Arch. Anzeiger 1904, S. 41), ferner auf Delos (Archäol. Zeitung 1884,
Taf. 9, 1 1 , 1 2 ; S. 1 1 1 ), in Megara (Daremberg et Saglio, Dict. I, S. 788, f ig. 934), bei
Aidin in Lydien (Bull. corr. hell. 1879, Taf. 4; Vente Hoffmann, Paris 1886, Taf. 20,
jetzt im Louvre; über Zeit und Stil s. meine Ausführungen in Roschers Lexikon I,
Sp. 1767, 44 und Olympia IV, die Bronzen S. 71 zu Nr. 527). Schöne hierhergehörige
Stücke sind neuerdings in einem Grabe zuThera gefunden worden (Ath. Mitt. 1903,
Taf. 5, 1—3); das große Grab enthielt noch viele geometrische Vasen, daneben aber
auch protokorinthische Becher; die geometrischen Vasen haben sich auf Thera be-
sonders lange, noch das ganze 7. Jahrhundert hindurch gehalten (über die Zeit
vgl. Pfuhl a.a.O. S. 286; auch Ägina, Heiligtum der Aphaia S. 476). Der Fund
zeigt, daß jener Kopftypus in Gegenden, wo die geometrischen Vasen besonders
lange üblich waren, mit diesen noch zusammen auftritt.
Der Kopftypus, den wir hier in Gold getrieben konstatierten, findet sich
471 ebenso in Bronzeblech: so in der tomba Bernardini zu Praeneste (Annali d. Inst.
1879, Taf. C 1. 2), die auch protokorinthische Scherben enthielt und dem 7. Jahr-
hundert angehört (vgl. G. Karo im Bull, di paletn. ital. S. 144 ff.); ein schönes Stück
ist die Bronzemaske aus Tegea, Benndorf, Gesichtshelme Taf. 17 (vgl. meine
Bronzefunde 1879, S. 71 [oben S. 394]). Es gehören hierher auch die in Elfen-
bein gravierte Sphinx, Argive Heraeum II, S. 351, und vor allem die in Terra-
kotta gepreßten Reliefs der ihre Büste fassenden Göttin aus Ägina ^E<pr}fi. aoy.
5, Taf. 12 und Ägina, Heiligtum der Aphaia Taf. 111, 2. 3).
Aus dem Gebiete der größeren Kunst bieten die Skulpturfragmente des
dorischen Tempels ein gutes Beispiel, der über dem Schutte des Königspalastes
1 H. Hofmann, Darstellung des Haares (2G. Suppl.-Band d. Jahrb. d. klass. Philologie)
rwälint sie kurz und meint sie auf den ägyptischen „Klaff zurückführen zu
müssen. Diese Rückführung halt einer genaueren Prüfung durchaus nicht Stich. Jene
rtracht hat mit dem ägyptischen königlichen Kopftuch gar nichts zu tun und ist
nach Wesen und Form von Ihm ganz verschieden; eine ägyptische Haartracht aber, die
^ar nicht
Das Alter des Heraion und das Alter des Heiligtums von Olympia. 449
in Mykenae lange Jahrhunderte nach diesem errichtet wurde (Jahrb. d. arch. Inst.
1901, S. 20); * sie gehören zwar nicht erst in „die Mitte des 6. Jahrhunderts"
(a. a. O. S. 19), wohl aber sind sie zweifellos nicht älter als das 7. Jahrhundert.
Ferner gibt es einige Bronzestatuetten, die mit der olympischen Figur durch
den gleichen Kopftypus und den Leibgurt verbunden sind; eine stammt aus der
idäischen Zeusgrotte auf Kreta (Mus. ital. di ant. class. II, Taf. 13, 1), aus Delphi
eine andere sehr schöne (Bull. corr. hell. 1897, Taf. 10. 11 ; Fouilles de Delphes V, 3)
und eine geringe (Fouilles V, 13, 3. 4). Die Unterschiede der Ausführung dieser
Figuren sind nur graduell; sie gehören wegen der vielen gemeinsamen Züge
offenbar wesentlich derselben Epoche an. Nun leitet aber die schön ausgeführte
delphische Figur schon unmittelbar hinüber zu den bekannten gewöhnlichen
archaischen Typen des 6. Jahrhunderts. Der Koloß der Naxier auf Delos hatte
zwar noch den Leibgurt (Arch. Zeitung 1882, S. 329), aber nicht mehr jene
Haartracht (Bull. corr. hell. XVII, Taf. 5). Umgekehrt haben andere Figuren nicht
mehr den Leibschurz, aber noch jene Haartracht; so eine Bronze aus dem Ptoion
(Bull. corr. hell. X, Taf. 8), die interessant ist durch ihre Weihinschrift, die sie allein
schon davor schützt in „achäische" Urzeiten hinaufverrückt zu werden. In der 472
bekannten Dermys- und Kitylos-Gruppe (Ath. Mitt. 1878, Taf. 14) wirkt noch das
Schema jener Haartracht nach; das Haar ist noch gerade abgeschnitten und hat
noch horizontale Wellen, ist aber schon auf die Brust herabfallend gebildet.
Auch unter den Bronzestatuetten von der Akropolis zu Athen gehören einige
wenige hierher: de Ridder Nr. 696 und 697. 696 hat außer dem Gurt auch einen
Schurz; 697 ist ein besonders grobes, relativ frühes Stück der Reihe. Die Haartracht
erscheint indess nicht nur bei männlichen, sondern ebenso bei weiblichen Statuetten ;
ein gutes Beispiel aus Böotien bietet die Bronze der Kollektion Tyszkiewicz, Catal. de
vente 1898, Taf. 13, Nr. 134; das Gewand ist ganz faltenlos im Schema der Nikandre.
Auch in Italien sind die Spuren jenes Typus nachzuweisen. Es sind die
ältesten Bronzestatuetten griechischen Charakters aus Etrurien, welche jenen Kopf-
typus zeigen und damit einen Schurz um die Hüften verbinden; Beispiele sind
im Museo etrusco zu Florenz (vgl. Micali, Storia Taf. 37, 8 — 11). Auch ein
Kentaur mit Schurz, jetzt im Kestner-Museum zu Hannover, gehört hierher (er
ist sehr schlecht abgebildet Mon. d. Inst. II, 29).
Alle diese Statuetten gehören zweifellos vor die uns erhaltene große Menge
der archaischen männlichen nackten Figuren, welche andere, in den Nacken oder
auf die Schultern fallende, rund abschließende oder in Locken endende Haar-
trachten haben. Allein sie gehören unmittelbar vor die Ausbreitung jener herr-
schenden Typen, zu denen alle die bekannten archaischen sog. Apollostatuen
gehören,2 über deren Ausgangspunkt und Entwicklung ich Meisterwerke S. 712 ff.
1 Vgl. auch meine Antike Gemmen III, S. 57 Anm.
2 Auch die von Melos natürlich, die Steiner, Ath. Mitt. 1906, S. 223 mit Unrecht in
nahen Zusammenhang mit der olympischen Figur bringen will.
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. •<-"
\i.ter des Heraion und das Alter des Heiligtums von Olympia.
andelt habe. Bei einigen dieser, insbesondere beim „Apoll" von Tenea und
bei den mit diesem stilistisch nächstverwandten argivischen Bronzereliefs l zeigt
473 sich deutlich die Nachwirkung jenes älteren Typus, indem das Haar zwar nicht
mehr gerade abgeschnitten und abstehend gebildet ist, wohl aber noch jene
horizontale Furchung zeigt, die dort charakteristisch ist.
Während diese ausgebildet archaischen Werke die Grenze nach unten bezeichnen,
wird die Grenze nach oben für die von uns betrachtete Denkmälergruppe, wie wir
schon bemerkten (S. 469 [S. 447]), durch die Werke des geometrischen Stiles gegeben.
Für die Anknüpfung nach oben und für die Bestimmung des ersten Auf-
tretens unseres Typus ist indess noch eine Tatsache bezeichnend, die wir noch
nicht erwähnten: an den Bronzekesseln mit den getriebenen Greifenköpfen und
den assyrisierenden Ansatzfiguren, die ich Olympia IV, S. 115 ff. behandelt und
Taf. 49, 6 rekonstruiert habe, erscheint neben einem rein an die assyrischen Vor-
bilder sich anschließenden Kopftypus wie Olympia IV, Nr. 783 auch ein völlig
verschiedener, von originaler griechischer Art, ebenda Nr. 784; 2 und dieser letztere
ist kein anderer als der uns hier beschäftigende Typus mit dem abstehenden
gerade abgeschnittenen horizontal gefurchten Haare; auch die weit vorspringende
dicke Nase, so verschieden von der semitischen jener assyrisierenden Köpfe,
entspricht ganz unserem Typus. Ich habe schon Bronzefunde 1879, S. 63 [oben
S. 388] und Archäol. Zeitung 1879, S. 181 [oben S. 338] auf jene Verschiedenheit
aufmerksam gemacht. Es ist klar, daß wir hier auf einem Kunstgebiete, das zu-
nächst vollständig unter dominierendem assyrischen Einflüsse steht, die erste
selbständige Äußerung griechisch-archaischer Kunstweise in dem Auftreten eben
jenes Kopftypus beobachten, der uns hier beschäftigt. Als Heimat der Fabrikation
jener Bronzekessel mit den getriebenen Greifenköpfen und den assyrisierenden
Ansätzen vermute ich schon lange, wie hier gelegentlich bemerkt sei, Sinope;
jene Produkte werden die Frucht der regen Verbindung sein, welche diese mile-
474 sische Kolonie mit Assyrien im 8.-7. Jahrhundert pflegte. Durch diese Annahme
würde die Verbreitung jener assyrisierenden Kesselfiguren nach dem Vansee in Ar-
menien einerseits wie nach Latium andererseits (via Milet-Sybaris) am ehesten erklärt.
her Pränestiner Fund aber, der einen Kessel dieser Art enthielt, gehört, wie
schon oben (S. 471 [S. 448]) bemerkt ward, dem 7. Jahrhundert an. Das Grab gehört
zu denen, die unmittelbar folgen auf die Periode der Herrschaft des geometrischen
Stiles, wie sie die Tomba del guerriero von Corneto noch vergegenwärtigt.
Also immer dasselbe Resultat: die scharf umgrenzte kleine Gruppe von Bild-
werken, zu welcher die neue Bronze von Heraion in Olympia gehört, ist in das
7. Jahrhundert v. Chr. datiert. Sie folgt auf die Blütezeit des sog. geometrischen
Vgl über die stilistische Verwandtschaft dieser und des Apoll von Tenca, was
lll der Festschrift für Ernst Curtitis (1884) S. 190 bemerkt [oben S. 430].
1 Diesem Stücke ähnlich sind drei von der Akropolis, die ich Olympia IV, S. 117
erwähnt habe; nur eines davon verzeichnet der Katalog von de Ridder als Nr. 764.
Das Alter des Heraion und das Alter des Heiligtums von Olympia. 451
Stiles, geht her neben dem Ende desselben und geht voran den Werken des
ausgebildeten archaischen Stiles, die wir von etwa 600 v. Chr. an datieren.
Da die Heraionbronze zu den relativ früheren Stücken der Gruppe gehört, so
dürfen wir sie wohl noch in die erste Hälfte des 7. Jahrhunderts datieren. Nach ihrem
Fundplatze ist sie zweifellos älter als der Beginn des Baues des Heraion und wahr-
scheinlich sogar erheblich älter (vgl. oben S.468 [S.447]). Somit kann der Heraion -
bau nicht vor die zweite Hälfte des 7. Jahrhunderts gesetzt werden.
Hiezu stimmen nun aber auch alle anderen uns bekannten Tatsachen. Zu-
nächst jene Funde unter dem Heraion, die ich früher fälschlich glaubte bezweifeln
zu sollen (oben S. 468 [S. 446]), dann vor allem das Terrakottadach des Tempels,
das wir genau kennen.1 Die Bemalung des großen Giebelakroters stimmt in Technik 475
und in Ornamentformen auf das genaueste überein mit einer gewissen Gruppe
protokorinthischer und korinthischer Gefäße, die dem 7. Jahrhundert angehören
und sich bis ins 6. zu erstrecken scheinen. Ferner paßt nun auch der Stil des
Kolossalkopfes, der, wie ich bei seiner Auffindung vermutete (Archäol. Zeitung
1879, S. 40) und seitdem allgemein angenommen wird, wahrscheinlich von dem
Kultbild der Hera in dem Tempel herrührt. Dieses ist zwar nicht notwendig,2
aber wahrscheinlich dem Tempelbau gleichzeitig anzusetzen. In die Epoche um
600 v. Chr. kann der Kopf aber sehr wohl datiert werden.3
Endlich wäre das Heraion, wie insbesondere die Untersuchungen Puchsteins
gelehrt haben,4 architektonisch ganz unverständlich vor der Epoche, über welche
es hinauszuversetzen durch den neuen Fund der Bronzestatuette definitiv aus-
geschlossen worden ist.
All diesen Tatsachen gegenüber ist die von Pausanias referierte Sage der
Eleier, wonach das Heraion acht Jahre nach Oxylos Einfall, also, nach der alten
Chronologie, um 1096 v. Chr. erbaut wäre, selbstverständlich ganz bedeutungslos.
Sie ist denn auch nur von Dörpfeld ernst genommen worden, der sie sogar stützen
zu können vermeinte (Olympia II, S. 35 f.). Im Opisthodom des Heraion sah noch
Pausanias eine Säule von Holz; die erhaltenen Steinsäulen des Heraion zeigen,
1 Dörpfeld, zu dessen Theorien das Terrakottadach nicht paßt, meinte, der Tempel
habe vielleicht erst ein horizontales Lehmdach gehabt und das Terrakotta-Giebeldach
sei später aufgesetzt worden (Olympia II, S. 36). Die Vermutung ist gänzlich haltlos.
Sicher ist, daß das ganze Gebälk des Heraion aus Holz war und das ganze Altertum
hindurch bestanden hat. Für Annahme einer Veränderung ist nicht der geringste Anhalt.
2 Nach Dörpfeld, Olympia II, S. 36 „muß" er sogar „dem Tempel gleichzeitig" sein.
Dörpfeld datiert den Kopf hier auch ruhig, um archäologisches Wissen unbekümmert, in
die Zeit der dorischen Wanderung!
3 Es sei hier gelegentlich bemerkt, daß auch ein Gewandzipfel der Statue erhalten
ist: das angeblich rätselhafte Fragment, das Dörpfeld und Treu für einen Rest des Hera-
thrones ansahen, Olympia III, S. 4, Nr. 4, ist verkehrt herum abgebildet: es ist umzudrehen
und ist ein offenbares Gewandende strenger Stilisierung.
4 Vgl. meine Bemerkungen in Beilage zur Allgemeinen Zeitung 1900, Nr. 275, S. 5.
29*
52 Das Alter des Heraion und das Alter des Heiligtums von Olympia
daß sie zu ganz verschiedenen Zeiten entstanden sind, die ältesten noch im
476 6. Jahrhundert, die spätesten erst in römischer Zeit. Es war eine sehr wahr-
scheinliche Vermutung von Dörpfeld, daß diese Steinsäulen zum Ersätze ur-
sprünglicher Holzsäulen gedient haben. Allein ganz unbeweisbar und unwahr-
scheinlich war seine Voraussetzung, daß dieser allmähliche Ersatz nur durch
technisches Bedürfnis, durch „Baufälligkeit'' der ursprünglichen Holzsäulen her-
vorgerufen worden wäre. Er berechnet (Olympia II, S. 36) auf Grund dieser
falschen Voraussetzung, daß der Tempel schon etwa drei bis vier Jahrhunderte
gestanden haben müsse, ehe die ersten Säulen baufällig wurden, wodurch er
dann auf jenes Jahr 1096 v. Chr. kommt. Allein schon die Tatsache, daß selbst
zu Pausanias' Zeit noch eine Holzsäule stand und daß das Gebälk von Holz
das ganze Altertum hindurch erhalten blieb, macht es unwahrscheinlich, daß
jener Ersatz der Säulen durch ihre Baufälligkeit veranlaßt ward. Wenn das He-
raion Ende des 7. Jahrhunderts als Holzbau errichtet ward, so folgte ihm un-
mittelbar die Zeit, wo allenthalben in Griechenland und den Kolonien monu-
mentale Steintempel errichtet wurden. Nun mußte man sich in Olympia schämen
mit den einfachen Holzsäulen, und man begann sie allmählich durch steinerne zu
ersetzen. Die einzelnen Steinsäulen waren offenbar Schenkungen, fromme Stif-
tungen einzelner, die etwas zur „Verschönerung" des Gotteshauses leisten wollten.
Gewiß wird man zuerst die Säulen zum Ersätze ausgewählt haben, die irgend
etwas Schadhaftes boten; aber nicht eine technische Notwendigkeit, sondern ein
frommes ästhetisches Bedürfnis führte zu dem allmählichen Ersätze, der natürlich leicht
schon vierzig oder fünfzig Jahre nach Errichtung des Baues begonnen haben kann.
Außer der schönen Bronzestatuette, die uns die definitive Bestimmung des
Heraionbaues verschafft hat, hat die neue kleine Grabung dem Berichte zufolge
nur die in den unteren Schichten der Altis gewöhnlichen Dinge zu Tage gefördert.
Unter den Scherben fand man auch solche von handgemachten unbemalten oder
mit geritzten Verzierungen versehenen Gefäßen (Ath. Mitt. 1906, S. 213 ff.). Diese
bieten durchaus nichts Neues für Olympia; denn die früheren Ausgrabungen
477 hatten sogar zwei vollständige Gefäße dieser Art gebracht, die ich Olympia IV,
Nr. 1283 und 1284 behandelt habe. Da sie keine neue Tatsache bringen, können
diese neuen Scherben natürlich auch nichts ändern an der durch die ganze olym-
pische Ausgrabung längst feststehenden, von mir schon in meiner ersten Ab-
handlung über die olympischen Bronzefunde, 1879, S. 7 [oben S. 342] hervor-
gehobenen' Tatsache, daß das olympische Heiligtum erst der nachmykenischen
Zeit angehört. Denn handgemachte unbemalte Gefäße sind in Griechenland in
nachmykenischer Zeit noch vielfach im Gebrauche gewesen, zumeist natürlich in
senden, die von dem Strome der Kultur etwas abseits lagen. In Olympia
• dort konstatiert, daß Reste derjenigen Kultur, die ich damals zum ersten
Male .der Kürze halber nach ihrem — damaligen — Hauptfundorte" die „ mykenische*
ein Name, der ihr bis heute geblichen ist — in Olympia absolut fehlen.
Das Alter des Heraion und das Alter des Heiligtums von Olympia. 453
war man in Bezug auf Keramik allezeit sehr anspruchslos. Aber auch auf Ägina
fanden sich in dem ländlichen Heiligtum der Aphaia große Mengen grober hand-
gemachter Gefäße, die der nachmykenischen Zeit angehören und in den Formen
sich an die nachmykenisch-geometrischen anschließen (vgl. Ägina, Heiligtum der
Aphaia, S. 441 ff.). In Troia tritt in der nachmykenischen Zeit in der sog. 7. Schicht
die primitive handgemachte „Buckelkeramik" auf (Troia und Ilion, S. 300 ff.).
In Eleusis fanden sich in einem Grabe mit gewöhnlichen nachmykenischen geo-
metrischen Vasen der Dipylon-Art auch grobe handgemachte mit eingeschnittenen
Ornamenten primitiver Art ('E(pr)/u. äqy. 1898, Taf. 2, 14. 15; S. 104 f.; vgl. meine
Antike Gemmen III, S. 441 und Ägina-Aphaia S. 476 Anm. 7). In Italien, in Südetrurien
und Latium reichen die handgemachten lokalen Vasen mit den plastischen oder einge-
schnittenen Ornamenten auch bis ins 7. Jahrhundert, wo sie neben importierten Vasen
griechischer, erst geometrischer und dann protokorinthischer Art stehen. In Griechen-
land selbst blühte im 7. Jahrhundert eine Fabrik, die für den Export feine handgemachte
Gefäße aus blassem Ton arbeitete, die nach primitiver Weise mit eingeritzten Ver- 478
zierungen geschmücktsind(Dragendorif,TheraII,S. 196 ff. Ägina-Aphaia S.446f. 477).
Die handgemachten Scherben in der tiefen Schicht der Altis können also
nicht das geringste beweisen gegen das nach allen übrigen Tatsachen feststehende
nachmykenische Alter des Heiligtums.
Von diesen Tatsachen sei hier nur an eine besonders wichtige erinnert: die
Ausgrabung der tiefsten Schicht in Olympia hat allenthalben gezeigt, daß in der
ältesten Zeit des Heiligtums bereits das Eisen in vollster Verwendung war. Es
sind gerade in der tiefsten Schicht — auch unter dem Heraion — besonders
viele Eisengegenstände gefunden worden, und zwar sowohl Waffen, insbesondere
Lanzenspitzen, als auch Teile von großen Dreifüßen (vgl. Olympia IV, S. 3. 74. 75.
76. 123. 173 u. a.). Nun bezeichnet aber bekanntlich in den alten Gräberfunden
von Griechenland und Italien — um von anderen Gegenden zu schweigen —
das reichliche Auftreten von Eisen, insbesondere seine Verwendung für Waffen eine
scharfe Scheidung zweier Kulturperioden. In Griechenland liegt die Grenze am
Ende der mykenischen Epoche. Alle die mykenischen Funde gehören noch der
Bronzezeit an; das Eisen kommt hier nur ganz vereinzelt in spätmykenischen
Funden vor, doch als kostbares Metall nur in kleiner Quantität und niemals zu
Waffen oder größeren Geräten verwendet; höchstens daß einmal ein eisernes
Messerchen mit Elfenbeingriff erscheint, wie in den spätmykenischen Gräbern von
Enkomi auf Cypern (Brit. Mus., Excavations in Cyprus, 1900, S. 25; vgl. Arth.
Evans im Journal of the anthropolog. institut. 1900, S. 212). Total anders ist dies in
den Gräbern der nachmykenischen Zeit mit ihren geometrischen Vasen, wo das Eisen
reichlich und vor allem für die Waffen verwendet vorkommt, ebenso wie in der
ältesten Schicht der Altis. Genau entsprechend sind die Fundverhältnisse in Italien.
Dazu kommt, daß alle die zahlreichen charakteristischen Bronzegegenstände,
welche in den tiefsten Schichten der Altis zusammen mit jenen Eisensachen
454 1)A* Alte» des Heraion und das Alter des Heiligtums von Olympia.
unden wurden, aufs engste zusammenhängen mit den Grabfunden der ersten
nachmykenischen, der frühesten Eisenzeit in Griechenland, Italien und Mittel-
europa. Meine Behandluug der olympischen Bronzen in Olympia Bd. IV gibt
eine Fülle von Belegen dafür. Hierher gehören z. B. die Fibeln, die in der spät-
mykenischen Zeit erst in ihrer einfachsten Gestalt erscheinen, deren ganze reiche
weitere Ausbildung der nachmykenischen Epoche zufällt.
Den positiven Tatsachen schließt sich die negative an, daß in Olympia nicht
etwa nur die mykenischen Vasen, sondern alle jene Gegenstände absolut fehlen,
welche die mykenische und die vormykenischen Epochen charakterisieren, also
vor allem die Kupfer- oder Bronzewerkzeuge; an ihre Stelle war in Olympia
schon in der ältesten Zeit das Eisen getreten. Ebenso fehlen völlig die Stein-
werkzeuge und Steingeräte, die jenen Epochen niemals fehlen, ebenso die Stein-
amulette, die Steinwirtel u. dgl., die Obsidianmesser, die mykenischen Gemmen usw.,
kurz alle jene Fülle von Gegenständen, die gestatten, eine Fundschicht vor die
nachmykenische Zeit, in das 2. Jahrtausend hinaufzurücken.
Die Frage nach dem Alter des Heiligtums von Olympia ist also längst
sicher beantwortet, und die neue kleine Ausgrabung dieses Jahres hat nichts
Neues hierfür beigebracht. Es ist so wie ich schon in meiner ersten Abhandlung
über die Bronzefunde 1879 angegeben hatte. In meiner vollständigen Bearbeitung
der kleineren Funde, Olympia Bd. IV, ist alles tatsächliche Material geordnet
vorgelegt und die Schlüsse sind leicht daraus zu ziehen. Leider wurde ich
damals verhindert, die zusammenfassende Behandlung zu publizieren, die ich
vorbereitet hatte und die den olympischen Funden ihre Stellung innerhalb der
vor- und frühgeschichtlichen Kultur Europas anweisen sollte; dieses Vorhabens
halber hatte ich in jenem Bande Olympia IV alle Schlüsse aus dem Materiale zu
ziehen vermieden. Als Ernst Curtius zuletzt die Geschichte Olympias zu schreiben
unternahm, da hat er (Olympia I, S. 26 f.) nur einen ganz ungenügenden Gebrauch
von dem Materiale machen können, das ich in jenem Bande IV verarbeitet hatte.
480 Denn diese Dinge lagen ihm, wie den Gelehrten seiner Generation überhaupt,
ja ganz fern. Daß für die Geschichte der Frühzeit Griechenlands die Funde des
Bodens, auch die kleinsten und unscheinbarsten, von unendlich größerer Bedeu-
t ing sein können als die dunkeln literarischen Traditionen, die wir besitzen, ist
ein Gedanke, der ja erst in den letzten Dezennien zum Durchbruch gekommen
ist. Als ich 1878 meine Arbeiten in Olympia begann, war den kleinen Funden
noch wenig Beachtung geschenkt worden (vgl. Bronzefunde, 1879, S. 3 [oben
139)), indem die Aufmerksamkeit auf ganz anderes gerichtet gewesen war;
ihre historische Bedeutung darzulegen, versuchte ich damals zuerst in der Ab-
handlung von lH7't. Den Ausgangspunkt nahm ich von der oben besprochenen
iche, daß die olympischen Funde erst einsetzen mit der nachmykenischen
•che und daß das System geometrischen Stiles, das sie zeigen, genau dem-
gcn entspricht, das wir durch andere Funde als nachmykenisch erweisen
Das Alter des Heraion und das Alter des Heiligtums von Olympia. 455
können, daß unter Arbeiten „geometrischen" Stiles überhaupt scharf geschieden
werden müsse, indem (Bronzefunde, 1879, S.7f. [oben S. 343 ff.]) frühmykenische,1
cyprische, böotische, apulische u. a. geometrische Dekorationssysteme nach Zeit
und Art scharf zu scheiden seien, daß aber das in Olympia erscheinende System
speziell nachmykenisch sei. All dies von mir schon 1879 Aufgestellte hat sich
dann durch zahlreiche spätere Funde und die nachfolgenden Untersuchungen
anderer Gelehrten bestätigt und immer klarer und deutlicher gezeigt.
Insbesondere ist die scharfe Scheidung der nachmykenischen geometrischen
Epoche, welcher die olympischen Funde angehören, von der vorangegangenen
mykenischen immer deutlicher hervorgetreten und durch mehrere große Fund- 481
komplexe klargestellt worden. Ich erinnere z. B. an die Fundmassen, die Cypern
bietet, wo zuerst durch Ohnefalsch-Richters Beobachtungen und Forschungen
jene Scheidung überaus klar hervorgetreten ist. Eben hier auf Cypern ist auch
ein sehr entwickelter lokaler, der mykenischen und der vormykenischen, d. h. der
späteren und der älteren Bronzezeit angehöriger geometrischer Stil beobachtet
worden. Ich erinnere ferner an die Nekropolen von Rhodos; daß hier das
Mykenische und das Nachmykenisch-Geometrische absolut geschieden sind, hatte
ich schon 1886 (im Jahrb. d. Arch. Inst. I, S. 134) zu konstatieren Gelegenheit.
Ferner sei an Thera erinnert, dessen Nekropolen neuerdings so gründlich unter-
sucht wurden. Auch hier die schärfste Scheidung der Olympia parallel laufenden
nachmykenisch-geometrischen Erscheinungen von den älteren. Die Funde von
Thera sind auch dadurch besonders interessant, daß sie den allmählichen Über-
gang aus dem nachmykenisch-geometrischen in den archaischen Stil des 7. Jahr-
hunderts, ebenso wie die von Olympia, vortrefflich beobachten lassen. Ich er-
innere endlich an die großen Fundmassen von Kreta, die in einer Fülle klarster
Tatsachen die scharfe Scheidung der Olympia parallelen nachmykenisch-geome-
trischen Eisenzeitfunde von denen der vorangegangenen Epochen zeigen und
wieder den Übergang jener in das Archaische des 7. — 6. Jahrhunderts verdeutlichen.
Ich kann schließlich auch auf meine neuen Ausgrabungen am Aphroditetempel
bei der Stadt Ägina hinweisen, wo jene Epochen des vor- und frühmykenisch-
geometrischen, des jünger mykenischen und des nachmykenisch-geometrischen,
Olympia parallelen Stiles in Schichten übereinander klar geschieden zu Tage kamen.
Daß ich diese Dinge, die allen denen, die auf diesem Forschungsgebiete
gearbeitet haben, wohl bekannt sind, hier rekapituliere, hat einen besonderen
1 Ich wies damals auf die frühmykenischen Vasen mit Mattmalerei hin, deren geo-
metrisches System von dem nachmykenischen ganz verschieden ist. Über vormykenische
geometrische Dekoration im allgemeinen s. Antike Gemmen III, S. 58 f. Dörpfeld, Ath.
Mitt. 1906 S. 207 meint, es sei eine neue Entdeckung, daß geometrische Dekoration uralt
sei, und er müsse aus dieser „neuen Erkenntnis" erst die historischen Folgerungen ziehen.
Er wirft aber sämtliche geometrische Stile in einen Topf und zeigt, daß ihm auch die
Anfangsgründe des Wissens auf diesem Gebiete fehlen.
456 Das Alter des Heraion und das Alter des Heiligtums von Olympia.
lud, den die Leser der Athenischen Mitteilungen längst erraten haben: es ist
die seltsame Behandlung, welche Dörpfeld den Resultaten seiner neuen kleinen
Grabung im Heraion von Olympia a.a.O. Ath. Mitt. 1906, S. 205 ff. in dem
Aufsatze „Das Alter des Heiligtums von Olympia" hat angedeihen lassen. Nach
Dörpfeld wäre alle unsere Forschungsarbeit der letzten dreißig Jahre umsonst
und irrig gewesen. Der nachmykenische, von mir in dem Olympiawerk „euro-
päisch-geometrisch" genannte Stil ist nach Dörpfeld nunmehr in die mykenische
und die vormykenische Epoche, die Dipylonvasen und was mit ihnen zusammen-
hängt sind um ein Jahrtausend oder mehr zurückzuversetzen; jener ist der Stil
der alten „Achäer"; der mykenische Stil sei dagegen — hier wärmt Dörpfeld
eine längst widerlegte Meinung auf — phönikisch; jene olympischen Bronzen
aber, die ich als Gruppe des „orientalisch-griechischen Stiles" zusammenfaßte,
die über das 8. Jahrhundert nicht hinausgehen und von allem Mykenischen
durch eine ungeheure Kluft getrennt sind, zeigen nach Dörpfeld den Einfluß des
angeblich gleichzeitigen mykenischen Stiles auf den „achäischen" usw. Die
Achtung, die ich vor den bekannten großen Leistungen Dörpfelds habe, macht
es mir schwer, diese seine neuesten Auslassungen so zu charakterisieren, wie
es sich gebührt. Wie ich darüber denken muß, geht aus dem Vorangegangenen
zur Genüge hervor. Dörpfeld ist sich offenbar leider nicht bewußt, wie seltsam
es wirkt, wenn er, mit der Naivität völliger Unkenntnis, vermeint, durch ein
einfaches „meines Erachtens" die Resultate dreißigjähriger, auf einer ungeheuren
Fülle von Tatsachen beruhender Forschung umstürzen zu können. Ich möchte
ihn dabei an den Mann gemahnen, den er sich sonst vielfach als Vorbild ge-
nommen zu haben scheint, an Schliemann: dieser vereinigte mit all seinem
Dilettantismus doch einen tiefen Respekt vor der Wissenschaft!
Wie Dörpfeld zu seinen Seltsamkeiten gekommen ist, liegt in seinem Auf-
satze deutlich zu Tage. Er verficht bekanntlich die unglückliche Idee, es lasse
sich nachweisen, daß die homerische Dichtung mit „Ithaka" die Insel Leukas
gemeint habe. Indem er ferner homerische und „mykenische" Kultur ohne
weiteres gleichsetzt, sucht er an der Stelle auf Leukas, wo er die Stadt des
Odysseus vermutet, in der Ebene von Nidri, „mykenische" Überreste. Er hat
483 solche bis jetzt, scheint es, nicht gefunden, sondern nur „monochrome" Topf-
ware, die eine genauere Bestimmung nicht zuzulassen scheint (ich habe noch
nichts davon zu sehen Gelegenheit gehabt). Da Dörpfeld nun an einem anderen
Platze auf Leukas, bei Chortata, dieselbe Topfware mit „geometrischen" Bronzen
zusammen gefunden hat, welche durch Stil und Form äußerst bestimmt charakte-
risiert sind, so ist klar, daß jene Topfware nach diesen Bronzen bestimmt werden
muß. Dies wird noch weiter dadurch bestätigt, daß auch in Olympia, und zwar
in den untersten Schichten der Altis, genau dieselben Bronzetypen mit derselben
iware vorkommen, was Dörpfelds neue kleine Grabung unter dem Heraion
neuem zu beobachten gestattet hat. Jene Bronzen von Chortata kenne ich
Das Alter des Heraion und das Alter des Heiligtums von Olympia. 457
durch Photographien, die mir Dörpfeld zu senden die Freundlichkeit hatte. Es
sind Stücke, die den olympischen aufs genaueste gleichen. Es ist ein Pferdchen
geometrischen Stiles mit durchbrochener Basis wie Olympia IV, Nr. 197 ff., ferner
Schmuckkettenglieder wie ebenda Nr. 440, 444, Bommeln wie ebenda Nr. 410 ff.,
eine Nadel ähnlich ebenda Nr. 482, endlich Doppelbeile wie ebenda Nr. 523 f.
Gleichartige Bronzen sind in Griechenland nur in Gräbern mit den nachmykenisch
geometrischen Vasen gefunden worden, sie sind den älteren Epochen absolut
fremd; sie kommen auch weiter nördlich in den Funden der Hallstatt-Epoche,
so besonders ähnlich in der Nekropole von Glasinac in Bosnien vor. Diese
Bronzen von Chortata auf Leukas sind also das genau bestimmbare Element;
nach ihnen sind dann jene Scherben von Nidri zu bestimmen. Dörpfeld freilich
bringt es fertig, ganz anders zu schließen; er ist so ganz in seinen homerisch-
mykenischen Ideen befangen, daß er die Scherben von Nidri, der angeblichen
Stadt des Odysseus, ohne weiteres in das 2. Jahrtausend, in mykenische oder
vormykenische Zeit setzt und dann, darauf fußend, die anderwärts mit ana-
logen Scherben gefundenen Bronzen, also die von Chortata und den ganzen
großen Fundkomplex der untersten Schichten in Olympia in jene selbe frühe Epoche
verlegt! und dies alles nur, weil eben Leukas das homerische Ithaka sein und
dieses in mykenischer Epoche seine Blüte gehabt haben soll.
Genug von diesen Verirrungen, bei denen ich nur deshalb länger verweilen 484
mußte als sie verdienen, weil die Autorität Dörpfelds die Gefahr in sich schließt,
daß durch seine Behauptungen Verwirrung in unsere Wissenschaft getragen werde.
Denn es ist etwas anderes, wenn ein Ch. Waldstein alles durcheinander wirft, was
wir über die frühzeitlichen Funde in Griechenland allmählich Gesichertes festgestellt
haben (vgl. darüber Berl. Phil. Wochenschrift 1904, S. 816; 1906, S. 790 f.), als wenn
ein Mann von den ungeheuren Verdiensten W. Dörpfelds dergleichen unternimmt.1
Um zu rekapitulieren, was wir über das Alter des Heiligtums von Olympia
glauben wissen zu dürfen: Die ältesten Funde gehören der ersten nachmykenischen
Epoche, um die Wende des 2. zum 1. Jahrtausend, ca. 1 100— 800 v. Chr. an. In dieser
Zeit bildet sich der „nachmykenisch-geometrische" Stil im Ornament, Tier- und
Menschenfigur allmählich aus; seine höchste reichste Entwicklung und Blüte wird
aber erst in das 8. Jahrhundert fallen. Im 7. Jahrhundert sehen wir dann den geometri-
schen Stil allmählich auslaufen und übergehen in den eigentlich archaisch-griechischen
Stil. Seit wenigstens dem 8. Jahrhundert war neben dem „geometrischen" oder
„europäisch-griechischen" immer mächtiger der „orientalisch-griechische" Stil auf-
getreten. Aus der Kombination beider ist dann der archaisch-griechische Stil er-
wachsen. Gegen Ende des 7. Jahrhunderts, wo dieser archaische Stil auf allen Gebieten
nach monumentalem Ausdruck strebt, ist das Heraion in Olympia erbaut worden.
1 [Vgl. Dörpfeld, Athen. Mitt. 1908 S. 185 ff.]
ARCHAISCHER GOLDSCHMUCK
(ARCHÄOLOGISCHE ZEITUNG 42, 1884)
(Tafel 8. 9. 10 [= Tafel 15. 16. 17])
ie drei vorliegenden Tafeln enthalten eine Reihe von Goldsachen, die ich
wegen ihrer hohen Altertümlichkeit und der großen Seltenheit verwandter
Gegenstände habe zusammenstellen lassen; sie stammen alle bis auf den
großen Brustschmuck Tafel 10,2 [17,2] aus Griechenland und befinden sich mit
Ausnahme von Tafel 9,5 [16,5] und der dem königlichen Museum zu Kopen-
hagen gehörigen Stücke Tafel 9, 1.2 [16, 1.2] im königlichen Antiquarium zu Berlin.
Die auf Tafel 8 [15] vereinigten Stücke wurden zusammen erworben als aus
einem Funde in einem Grabe bei Korint h stammend. Sie bestehen aus gelbem Golde.
Nr. 1 ist ein ganz dünnes Goldblech mit eingestempelten Figuren. Die Abbildung
ist wie die der sämtlichen Stücke dieser Tafel in Originalgröße ausgeführt. Zu
oberst läuft ein etwas unregelmäßiges Zickzackband. Dann folgt ein Fries mit der
Richtung nach links. Zunächst links drei Kentauren mit Menschenbeinen; das
Original ist hier sehr zerknittert; die Abbildung gibt nur das völlig Sichere. Sie
halten Baumäste in den Händen. Es folgen zwei Reiter; der Hinterkopf des ersten
ist mit einem Busch ausgestattet, den wir bei den folgenden Figuren noch mehrfach
finden werden, und der doch wohl einen Helmbusch bedeuten soll. Dann kommen
wieder zwei Kentauren mit Baumästen; dieselben haben indess pferdeförmige Vorder-
beine, bei der Kleinheit und primitiven Ausführung freilich mit minimalem Unter-
schied von den menschlich gestalteten. Es folgt nun ein langer Zug von Menschen,
die, das eine Bein etwas hebend, alle nach links schreiten und sich die Hände auf
die Schultern zu legen scheinen, oder wohl eher, obwohl dann die Arme sehr kurz
geraten wären, sich die Hände reichen, wie zu einem Chorreigen verbunden; sie
haben, soweit kenntlich, alle jenen Busch am Hinterkopf. Der vorderste links trägt
eine Lanze, der fünfte einen Gegenstand, der ein Bogen sein dürfte. Unterbrochen
100 wird der Zug an einer Stelle von einer Gestalt, die ein gehörntes Tier mit langem
Schwänze herbeiführt und in der anderen Hand etwas hält, das ein gekrümmtes
sein könnte. Eine Gestalt rechts davon ist nach rechts gewandt wie ein
Anführer der folgenden Zugabteilung. Es scheint ein Opferfest gemeint zu sein.
Zur Füllung dient über dem Tiere ein kurzer Stab mit zwei Ästen. Dasselbe
iv dient auch auf dem folgenden unteren Friesstreifen zur Füllung. Er wird
inet zur Linken durch zwei Reiter nach rechts; dann folgt ein Mann, der sein
Archaischer Goldschmuck. 459
Roß nach rechts am Zügel führt; ein Busch am Hinterkopf ist gezackt. Ihm entgegen
kommen zwei Reiter; dann ein Mann mit einer Lanze, der wieder ein gehörntes
Tier führt, hinter dem ein Mann mit Busch schreitet, wenn er nicht, wie es eher
scheint, darauf reitet. Die Füllung des Raumes ist außer durch das obengenannte
Motiv auch durch ein Hakenkreuz und einen fliegenden Vogel (?) hergestellt. Nun
folgt wieder ein langer Zug von Gestalten, der in zwei Teile zerfällt: voran acht
Figuren, die sich wieder wie die oberen gegenseitig an den Händen fassen und
den Busch tragen, der vorderste hat eine Lanze; dann sechzehn Gestalten, welche
den einen Arm an die Hüfte des Vordermanns legen und den anderen hoch erheben.
Sie tragen keinen Busch; vielleicht sind hier Frauen gemeint im Gegensatze zu
den bewaffneten Männern. Sämtliche Figuren heben den einen Fuß etwas und
sind im Schreiten oder besser wohl im Tanze begriffen.
Über die Bedeutung des Ganzen, das sich etwa als Leichenfeier und -opfer
ansehen ließe, wird sich schwerlich etwas Sicheres sagen lassen. Besonders
interessant ist gewiß das Vorkommen der Kentauren, die mit den Reitern l gemischt
erscheinen. Sie tragen den Ast, der in ältester Kunst ihr gewöhnliches Attribut ist.
Daß die Kentauren in der Typik der aus abgeprägten Formen hergestellten ältesten
Reliefkunst besonders zu Hause sind, hat Milchhöfer nachgewiesen.2 Das vor- 101
liegende Stück tritt als Bestätigung hinzu; es wirft ebenso ein Licht auf die Her-
kunft der in den sogenannten Buccherogefäßen erscheinenden Typik; denn die
Verwandtschaft unseres Reliefs mit den ältesten gepreßten Flachreliefs der Bucchero-
technik ist unverkennbar; mehr freilich noch die mit den gepreßten Tonreliefs von
Rhodos.3 Indess hat der Stil unseres Reliefbandes noch bestimmtere nähere Ana-
logien auf griechischem Boden. Das sind die geometrischen sogenannten Dipylon-
vasen; die eigentümlich schematische Auffassung des menschlichen und des Pferde-
körpers ist hier wie dort dieselbe, und wir dürfen das Relief jenem größeren Kreise
von Metallarbeiten griechischer Provenienz zuzählen, die jenem so ausgeprägten
Stile folgen.
Wir schließen hier gleich die Besprechung von Tafel 9, 1 [16, 1], dem einen
der in Kopenhagen befindlichen Stücke, an, da dasselbe in genau demselben Stile
gehalten ist. Es stammt aus Athen und soll in einem jener ältesten Gräber am
Dipylon gefunden sein. Es ist ein dünner Streif von Blaßgold. Zwei Darstellungen
sind auf dem erhaltenen, indess teilweise lückenhaften Stücke je zweimal ab-
gestempelt, miteinander abwechselnd; jede ist von der anderen durch ein breites
lineares Ornamentband getrennt. Die eine Darstellung zeigt links zwei mit den
Köpfen einander zu-, mit den Beinen, wie es scheint, abgewandte Männer, die sich
in derselben Weise wie in dem vorigen Relief die eine Hand zu reichen scheinen
und in der anderen einen an der einen Seite gezackten Stab, wohl einen Ast,
1 Reiter auch auf der Vase des späteren „Dipylonstiles", Berliner Vasenkatalog 56.
2 Anfänge der Kunst S. 75 f.
3 Salzmann, Necrop. de Camirus Taf. 27; Milchhöfer, Anfänge S. 73 f.
450 Archaischer Goldschmuck.
halten. Dann folgt ein springendes Roß mit lose herabhängendem Zügel; über
seinem Rücken erscheint der Oberkörper eines Mannes mit Helmbusch nach rechts,
der eine Waffe erhebt; ein stehender Mann sticht von rechts mit der Lanze nach
seiner Hüfte. Offenbar ist gemeint, daß ein Reiter von hinten verwundet wird, die
Zügel verliert und sich nach dem Gegner umwendet: ein auffallend kompliziertes
Kampfmotiv, das hier freilich in primitivster Weise ausgedrückt ist. Bei der Wieder-
holung dieser Gruppe rechts am Ende folgt nicht das Ornament, sondern ein den
Speer werfender Reiter; doch ist das Vorderteil des Rosses nicht mitabgepreßt, ein
Beweis von Nachlässigkeit, wie er in dieser mechanischen Kunsttätigkeit nicht
auffallen darf. — Die andere Darstellung zeigt einen Kentauren mit menschlichen
Vorderfüßen und mit dem Aste in der einen, einem kürzeren Zweige in der anderen
Hand. Dann eine beide Male fragmentierte Männergruppe. Als Füllung tritt hier
wie im vorigen Relief der kleine Stamm mit zwei Seitenästen auf. Daß die beiden
Stücke aus einer Fabrik stammen, ist nicht zu bezweifeln.
Tafel 9, 4 [16, 4] zeigt in Originalgröße ein aus Athen stammendes kleines
Diadem von gelbem Golde; die Ornamentation besteht nur aus drei Reihen eines
unregelmäßigen Zickzackbandes. Die völlige Übereinstimmung mit Tafel 8,1 [15,1]
in Zeichnung und Ausführung weist das Stück demselben Kreise zu.
Eine etwas verschiedene Gattung von gepreßten Bändern finden wir durch
Tafel 9,2 [16,2] repräsentiert. Es ist ein Diadem, im Museum von Kopenhagen
befindlich, das ebenfalls aus Athen stammt und aus etwas blassem, doch gelberem
Golde besteht als Tafel 9, 1 [16, 1]. Die Enden sind in der Abbildung weggelassen,
da sie nur die Fortsetzung des eigentümlichen Mäanderbandes enthalten, das die
ganze Breite des Streifens füllt; dasselbe besteht aus drei übereinander gesetzten
einfach gebrochenen Mäanderlinien; die drei Reihen sind aber durch kurze Quer-
stäbchen untereinander verbunden, was dem Ganzen den Anschein des Komplizierten
gibt. Unter Nr. 5 derselben Tafel [16,5] habe ich noch ein anderes Diademband aus
blassem Golde abbilden lassen, das ebenfalls aus Athen stammt und im Privatbesitz
befindlich ist; es gehört wohl derselben Fabrik an. Es zeigt in zwei Reihen das
einfache Motiv ~ _; durch Querstäbchen sind die Reihen verbunden. Das Diadem
ist vollständig (die Abbildung gibt nur das rechte Ende wieder) und hat die Länge
von 0,37; an beiden Enden je ein Loch.
Doch zurück zu dem Kopenhagener Stück, das in der Mitte eine bildliche
Darstellung aufweist. Dieselbe wiederholt sich zweimal mit geringen Varianten.
Ein Löwe hat mit seinem Rachen den Kopf eines waffenlosen Mannes erfaßt, der
sich vergebens wehrt, indem er das eine Vorderbein des Löwen und die Schnauze
desselben erfaßt; ein zweiter Löwe kommt von rechts und setzt ihm die Tatze auf
den Rücken. Die Szene ist durch ihre Neuheit und Originalität in ihrem Kreise
sehr überraschend. Sie schließt sich an keinerlei geläufigen Typus an; sie will
einen wirklichen Vorgang wiedergeben, den Überfall eines wehrlosen Mannes, etwa
eines Hirten, durch zwei Löwen; aber die Darstellung ist ungeschickt und hat wenig
Archaischer Goldschmuck. 451
Wahrscheinlichkeit; denn es sieht fast aus, als ob der Mann den Kopf absichtlich
in den Rachen des Tieres stecke. Indess ist die Gruppe doch nicht völlige Neu-
schöpfung, sondern schließt sich offenbar an den Typus an, der statt des Menschen
einen Stier zeigte, der sich mit den Hörnern gegen den einen Löwen wehrt, während
ein zweiter ihn von hinten anfällt. Im Jahrgang 1883 dieser Zeitschrift Tafel 10,2
habe ich eine archaische griechische Lekythos mit diesem Typus veröffentlicht und
zugleich (S. 159 ff.) einiges über die Darstellung von Kämpfen zwischen Löwen und
Menschen in ältester griechischer Kunst gesammelt, worauf ich hier verweisen kann.
Die anderen mir bekannten, dem vorliegenden gleichartigen Goldbänder, die
man am leichtesten an der konstanten Einfassung aus kleinen Stäbchen erkennt,
und die alle denselben etwas weichlichen breiten Stil zeigen, bringen keine mensch-
lichen Figuren, sondern nur Friese von Tieren, namentlich Löwen und Hirschen.
Von einigen derselben ist es sicher konstatiert, daß sie in den ältesten Gräbern
mit den geometrischen Vasen am Dipylon bei Athen gefunden wurden.1
Einen durchaus in diese Gattung gehörigen Goldstreifen, eine neue Erwerbung 104
des Berliner Antiquariums aus Athen,2 publizieren wir auf Tafel 10, 1 [17, 1]. Es
ist ein vollständiges Diadem, an beiden Enden mit einem kleinen Loche zum
Umbinden versehen. Das Merkwürdigste an dem Stück ist die fabrikmäßige Roheit
der Herstellung, in die es einen Einblick gewährt. Es ist nämlich geschnitten aus
einem größeren, mit abgedrückten Stempeln bedeckten Goldbleche, fast ohne
Rücksicht auf die bildlichen Darstellungen, die mehrfach durchschnitten werden.
Zunächst sehen wir einen schmalen Fries, in dem Löwe und Hirsch nach rechts
abwechseln; darüber und darunter erscheinen aber Reste des nächsten Streifens
mit Kreisornamenten. Dann folgt ein kleines, in der typischen Weise umrahmtes
Feld mit einer rohen Figur, die wohl ein Greif sein soll. Gegenüber im nächsten
Felde sitzt eine ebenso rohe Sphinx nach links; beide haben die vom Kopfe aus-
gehende ornamentale Locke, die auf den ältesten Sphinxdarstellungen in Griechen-
land3 selten fehlt. Der Greif hat offenen Schnabel; Ohren sind nicht angedeutet.
1 Gemeint ist das aus zwei Stücken bestehende Band aus Blaßgold in Berlin, bei
Curtius, Das arch. Bronzerelief (Abh. der Akademie 1879) Taf.111,4. 5 abgebildet (Hirsche
und löwen- oder pantherartige Tiere nach rechts); ferner das im Louvre, siehe Daremberg
et Saglio, Dict. des ant. I S. 788 Fig. 933 und vgl. Annali d. Inst. 1880 S. 130 (Furtwängler
[oben S. 441]); zur Auffindung Annali 1872 S. 136. 154 (Hirschfeld). — Ein hierher gehöriges
78
Band besitzt auch das British Museum (mit der Bezeichnung 3 j 4); es zeigt vier löwenartige
Tiere, je zwei einander gegenüber mit gehobenen Schwänzen; dazu ein Feld mit Spiral-
ornamenten, zwei unter sich verbundene Reihen, in der Art wie auf den mykenischen Grab-
steinen (Schliemann, Mykenae Fig. 140), nur loser auseinandergezogen: ein interessantes
Faktum, da sonst nur die eckig gebrochenen Ornamentmotive in dieser Gattung erscheinen.
[Catalogue of Jewellery Nr. 1219.]
2 Invent. Nr. 7901. Länge 0,25; Höhe 0,03.
3 Vgl. z. B. das Glasplättchen aus Menidi: Kuppelgrab bei Menidi Taf. V,44u. a.
Später mit Lotosblüte am Ende.
452 Archaischer Goldschmuck.
Beide, Greif und Sphinx, sind flügellos, worauf bei der Roheit der Darstellung
indess kein Gewicht zu legen ist. Unter diesen Feldern sind wieder Stücke der
darunter folgenden zu sehen; links unter dem Greif erkennt man den Oberteil
einer Antilope. Es folgen dann ganz nachlässig und schief geprägte Stücke eines
längeren Frieses nach links, anscheinend wieder Löwe und Hirsch.
In den Kreis der „geometrischen" Dekoration gehören noch einige andere
Stücke unserer Tafeln. Vor allem die zwei kreisrunden Scheiben aus Kameiros
Tafel 9, 6. 8 [16, 6. 8], die mit einem von einem Loche durchbohrten Ansatzstück
zum Anhängen versehen sind. Sie bestehen ebenfalls aus ganz dünnem Blech,
105 und zwar von blassem Golde. Die Abbildung zeigt sie stark verkleinert,1 doch
ist ihre Ornamentation deutlich; einfach ist Nr. 6; reicher Nr. 8, wo die Mitte von
einem radförmigen Motiv eingenommen wird; der Streif von kleinen Stäbchen,
der dies umgibt, ebenso wie die Kerbungen auf dem einen Streifen des das Ganze
umschließenden Flechtbandes, sind ganz gleich dem typischen Rahmenmotiv der
soeben besprochenen Diademe. Es folgt nun ein Streif von primitiven Wasser-
vögeln nach rechts; der Raum über ihrem Rücken ist je durch eine Kugel aus-
gefüllt; dann Zickzack und das Flechtband. Verwandt ist die Dekoration der
Schilde aus den Gräbern Italiens vom Typus Regulini-Galassi (Mus. Gregor. 1 18, 2;
19,2); doch unserer Nr. 6 ganz besonders ähnlich ist eine Silberscheibe aus einem
Grabe dieses Typus in Präneste; dieselbe zeigt auch das gleiche Ansatzstück, und
war mit anderen ähnlichen Scheiben zu einem Halsbande vereinigt (Archaeologia 41,
Tafel 8, 4; vgl. 12, 2). — Zusammen mit diesen Nr. 6 und 8 ward Nr. 7 in Kameiros
gefunden, das in Originalgröße abgebildet ist, ein kleines Anhängsel in der als
Amulett bekannten Form des Halbmondes. Zweifellos gehörten die drei Stücke
zu dem Halsbande einer Leiche von Kameiros.
Die darunter wiedergegebene Fibel Nr. 3 gehört ebenfalls noch in diesen Kreis.
Sie ist aus schönem gelbem Golde gehämmert und vorzüglich erhalten. Sie kam
mit anderen archaischen Goldsachen aus Athen, ohne genauere Provenienzangabe.2
Die Abbildung ist in Originalgröße. Die Oberfläche ist auf beiden Seiten in ganz
gleicher Weise mit feiner Gravierung verziert. Zwei Fibeln desselben Typus, doch
aus Bronze, sind von mir früher publiziert worden; die eine aus Olympia mit reicher
gravierter Verzierung in schematisch linearem Stil (Bronzefunde von Olympia, Abh.
der Akad. 1879, Tafel Nr. 7; S. 36 [oben S. 366]); die andere aus Theben (Annali d.
Inst. 1880, Tafel G; S. 122 ff. [oben S.436, Tafel 13,5]); letztere ist sehr groß und auf
der einen Seite mit einem Pferde in „geometrischem" Stile geschmückt; die Dreiecke
106 in der Ecke nach dem Bügel zu stimmen mit denen auf unserem Exemplare genau
überein. Außer diesen sind noch einige Beispiele aus Olympia bekannt (a. a. O.
erwähnt); doch außerdem meines Wissens keine, und obwohl ich inzwischen viele
1 Im Berliner Antiquarium, Inv. Nr. 6486 und 6487. Höhe 0,08; Durchmesser 0,06.
\ntiquarium, Inv. Nr. 7902.
Archaischer Goldschmuck. 453
Museen besucht habe, kann ich kein anderes Exemplar zu den damals von mir
genannten hinzufügen. Die Herkunft des Typus bleibt noch zu erforschen.
Wir wenden uns jetzt einem anderen entwickelteren Kreise von Goldarbeiten
zu, in dem bereits Darstellungen griechischer Sage erscheinen. Wir kehren wieder
zu dem Goldfunde aus Korinth auf Tafel 8 [15] zurück. Wir sehen hier eine Reihe
von viereckigen, überaus dünnen Goldplättchen, die wohl auf die Gewänder des
Toten gelegt waren; Löcher zum Aufnähen sind indess nicht zu bemerken. Von
jeder Darstellung sind mehrere Exemplare erhalten. Das interessanteste Stück ist
Nr. 3 mit Theseus, der den Minotauros ersticht; es sind vier ganze und ein
halbes Exemplar erhalten. Theseus faßt mit der Linken den Gegner an dem einen
Hörne (ein zweites ist nicht dargestellt) und sticht ihm mit der Rechten das Schwert
in die Brust. Der Minotaur faßt in das Schwert und fällt dem Helden in den linken
Arm, doch vergeblich. Dieses Schema ist von demjenigen, das wir bisher für das
älteste für jenen Kampf feststehende ansehen durften,1 von dem der chalkidischen
und altattischen Vasen, wesentlich verschieden. Zwar der nach rechts schreitende
und mit dem Schwerte stechende Theseus ist in der Hauptsache gleich, doch der
Minotaur steht dort nicht aufrecht, sondern ist in mehr oder weniger heftiger
Bewegung in das eine Knie gesunken und dem Helden entweder zu- oder ab-
gewandt gebildet. Auch die Bekleidung des Theseus ist hier noch nicht Chiton
und Fell wie dort, sondern das eigentümliche Schurzgewand, das wir besonders
deutlich an einer altkretischen Bronze kennen (Annali d. Inst. 1880, Tafel S) und
das in der ältesten griechischen Zeit weiter verbreitet war;2 der Minotaur hat nur 107
jenen breiten Gurt um, der eine Verkürzung der Schurztracht zu sein scheint. Ob
Theseus auf unserm Relief bärtig gedacht ist (wie er es auf den altattischen Vasen
immer ist, die aber hier nichts beweisen), kann bezweifelt werden ; denn das weit
vorspringende Kinn zeigen auch die Frauenprofile von Nr. 2, und eine andere
Andeutung fehlt, wogegen die langen, lose herabfallenden Haare deutlich sind.
Hinter Theseus steht nach dem auch späterhin lange festgehaltenen Typus seine
Beschützerin Ariadne in langem gestreiftem Gewände. Sie erhebt die Linke,
schwerlich um Theseus zu bekränzen,3 sondern wohl nur, um ihn zu ermuntern.
In der Rechten aber hält sie deutlich den runden Knäuel, der den Weg durch das
Labyrinth weist.
Unser Relief ist indess nicht das einzige, das diesen altertümlichen eigenartigen
Typus des Kampfes mit dem Minotauros zeigt; ich kenne wenigstens noch eines,
das als abgestempeltes Relief auch technisch in diese Reihe gehört, freilich nicht
1 Vgl. über denselben zuletzt Conze, Theseus und Minotaur, 38. Berliner Winckelmanns-
programm 1878, S. 8. Die chalkidische Vase ist Mon. d. Inst. VI, 15 abgebildet. [Wolters,
Sitzungsber. d. bayer. Akad. d. Wiss. 1907 S. 113.]
2 Vgl. was ich hierüber in der Archäologischen Zeitung 1882, S. 329 f. gesammelt.
3 So faßte es Milchhöfer auf, der diese Darstellung Anfänge der Kunst S. 188 Anm.
erwähnt.
464
Archaischer Goldschmuck.
aus Gold, sondern aus grobem Tone. Das Museum von Corneto nämlich besitzt
ein großes Tonbecken mit drei Lövvenfüßen und zwei Henkeln. Auf dem oberen
Teil der Füße befindet sich je ein quadratisches Feld mit Relief;1 auf zweien ist
ein Kentaur abgestempelt mit menschlichen Vorderbeinen, der einen Ast schultert,
an welchem ein Reh hängt. Das dritte Feld aber ist das mit Theseus und dem
108 Minotaur, wie es beistehende flüchtige Skizze veranschaulicht, die nur die Haupt-
konturen andeuten und nur die Stelle einer Beschreibung, nicht einer Publikation
vertreten soll. Der Minotaur scheint ungehörnt. Theseus ist auch hier anscheinend
bartlos; er hebt im Angriffe das linke Bein; so wird unten Platz gewonnen für das
merkwürdigste Detail dieser Darstellung, den großen Garnknäuel, dessen Faden
Ariadne in der Rechten hält, eine recht naive Deutlichkeit.
Gleiche Größe und gleiche Umrahmung hat
Nr. 4 unserer Tafel, in fünf Exemplaren erhalten.
Die Darstellung ist einfach und nicht mytho-
logisch; ein Zweigespann von Rossen schreitet
nach links; der Lenker im langen gegürteten Ge-
wände beugt sich etwas vor und hält die Zügel
und den Stock. Der Held steht hinter ihm mit
dem Rundschilde und dem Helme; letzterer ist
freilich nur durch den herabfallenden Busch und
einen vorn emporstehenden federartigen Schmuck
angedeutet. Die tiefe Einsenkung des Wagen-
randes oben in der Mitte ist als Besonderheit zu
beachten; auf den altkorinthischen Tontäfelchen der Berliner Sammlung ist dieser
Rand, wie sonst gewöhnlich, horizontal.
Ferner sind noch drei etwas kleinere Kompositionen ebenfalls auf quadratischem
Felde erhalten: Nr. 2 zeigt einen Chor von Frauen, die sich bei den Händen
fassen; zwei blicken nach links und zwei nach rechts; ihre langen gegürteten
Gewänder sind reich verziert und haben unten einen breiten Saum. Es sind zwei
Exemplare erhalten.
Nr. 6, in zwei, jedoch sehr zerstörten Exemplaren vorhanden, stellt einen Zug
von drei gerüsteten Kriegern nach rechts dar; man erkennt nur Spuren der Köpfe
mit langem Haare; die Beine sind nackt.
Einen nicht unbekannten Typus finden wir auf Nr. 5, wovon ebenfalls zwei
Exemplare da sind. Es ist der Mann, der die zwei Löwen bändigt, die in
wappenhaft strenger Symmetrie sich zu beiden Seiten aufbäumen. Der Typus
stammt bekanntlich aus der orientalischen Kunst, wo er sehr häufig ist, namentlich
auf den geschnittenen Steinen; immer sind die Tiere hoch aufgerichtet, doch nicht
ind mit wciß-gelbcr Farbe bedeckt, darauf sind einige rote Details gesetzt
(Punktrosetten u. dgl.).
Archaischer Goldschmuck. 455
immer sind es Löwen, auch Hirsche, Sphingen und andere dämonische Ungeheuer. 109
Ein anderer und wie es scheint älterer Typus ist der, daß der Mann nur einem
aufgerichteten Löwen gegenüber ist, den er mit dem Schwerte ersticht; dieser ist
von der griechischen Kunst nicht aufgenommen worden, wohl aber jener andere,
der ein dekorativ so treffliches Schema bot. Der Mann ist auf unserem Relief
ohne alles Charakteristische, bartlos, in kurzem Gewände. Eine Wiederholung
dieser Darstellung mit geringen Varianten finden wir auf Nr. 7, wo die Köpfe der
Löwen nicht ab-, sondern zugewandt und die Schwänze statt gehoben gesenkt
sind. Die Figur dieses auf den Hinterbeinen stehenden Löwen ward von der
archaischen Metallindustrie auch einzeln wiedergegeben; so erscheint sie auf einem
Bronzerelief Olympias1 und mehreren anderen aus den italischen Gräbern des
Typus Regulini-Galassi.2 Nr. 7 ist das Stück eines längeren Frieses und zu beiden
Seiten sind noch Reste der folgenden quadratischen Felder erhalten, jedes mit
einem Zuge beschildeter Krieger. Als fortlaufende Einfassung oben und unten ist
ein Spiralband benutzt.3
Im Privatbesitze in Athen sah ich 1882 mehrere Goldstreifen, die aus demselben
Funde bei Korinth herrühren sollen wie die unsrigen; darunter war namentlich ein
längeres Stück, das in der Mitte eine Rosette zeigt, rechts und links davon in
eingerahmtem Felde je eine Frau ohne Attribute, in langem verziertem Gewände,
das jedoch das eine Bein nackt heraustreten läßt; dann folgen wieder, durch einen
Rahmen getrennt, auf jeder Seite drei Krieger mit Schilden, auf denen je eine
Rosette ist; sie tragen spitze, pilosartige Helme ohne Busch. Der Stil schien mir
noch altertümlicher als der unserer Reliefs.
Der Stil der letzteren ist jedenfalls ein sehr eigentümlicher; besonders auffallend
sind die Profile der Gesichter. Zu dem Stile der altkorinthischen Vasen und Ton-
täfelchen findet keinerlei nähere Beziehung statt; ja ich weiß für jene Profile keine 110
andere Analogie zu nennen als das kretische Bronzerelief, das in den Annali d.
Inst. 1880, Tafel T abgebildet ist, wo der Steinbockträger dem Typus unserer Reliefs
überraschend ähnlich ist; ein bedeutsamer Wink für die Herkunft der Sachen oder
wenigstens ihres Stiles.
Schließlich erwähne ich noch die mitgefundenen Kleinigkeiten: Nr. 8 ist ein
vollständiges kleines Band mit Zickzack, an Tafel 9, 4 [16,4] erinnernd, doch viel
regelmäßiger; an beiden Enden ist je ein kleines Loch zum Aufnähen. Nr. 9 und 11
sind verbogene Golddrähte mit Scheiben an den Enden, auf denen ein eingeritztes
Kreuz zu bemerken. Nr. 12 sind die gebrochenen Hälften eines gleichen, doch
1 Ausgrabungen von Olympia II, Tat. 31 [Olympia IV, 695].
2 Siehe Furtwängler, Bronzefunde von Olympia S. 69 unten [oben S. 392].
3 [Jetzt durch ein weiteres rechts anpassendes neuerdings vom Berliner Museum aus
Sammlung Naue erworbenes Stück (Revue arch. 1897, II S. 333) vervollständigt, das zwei
weitere Krieger und in einem andern Quadrat eine Sphinx zeigt. Vgl. Antike Gemmen III
S. 18,6.]
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. 31)
4k; Archaischer üoldschmuck.
Ungeren Exemplares. Vermutlich war es Schmuck für die Haare. Nr. 10 ist eine
Rosette aus Goldblech mit aufgelötetem gekerbtem Draht.
Auf den Höhepunkt archaischer Goldtechnik führen uns die beiden prächtigen
Gehinge, die auf Tafel 9, 9. 10 [16, 9. 10] in Originalgröße wiedergegeben sind. Sie
stammen von Melos1 und sind beide in blassem Golde gearbeitet. Nr. 10 ist
vollständiger, indem auch an 9 oben eine Scheibe zu ergänzen ist, auf deren
Rückseite sich wie an 10 der Haken zum Anhängen befand; es sind trotz der
Größe offenbar Ohrgehänge. Der Typus ist bereits von Rhodos bekannt; Salz-
mann hat in seinem Werke Necropole de Camirus Taf. I zwei Exemplare abgebildet,
die aber viel einfacher sind als die unsrigen. Ein ebenfalls recht einfaches Exemplar
unbekannten Fundortes befand sich in der Sammlung Alessandro Castellani und
ward 1884 in Rom versteigert;2 auf den horizontalen Scheiben war eine Rosette
und in der Mitte ein Apfel aufgesetzt.
Die besondere Eigentümlichkeit der Technik dieser Stücke besteht darin, daß
alles Detail aus aufgelöteten feinen Goldpünktchen besteht, die freilich die Feinheit
der etruskischen Arbeiten noch nicht erreichen. Die Greifenköpfe von Nr. 9 sind
111 getrieben und hohl; die Zunge und die Ohren sind besonders angesetzt; ebenso
natürlich der Knopf oben, der sehr fein granuliert ist. Der Typus des Greifs ist
der bekannte archaisch-griechische.3 Zwei ähnliche Greifenköpfe aus Blaßgold
besitzt das British Museum aus der Sammlung Blacas [Catal. of Jewellery Nr. 1234].
Auf der einen der Scheiben ist ein Zickzackornament, auf der anderen nebeneinander-
gestellte Rauten aus feinen Pünktchen gebildet.
An Nr. 10 ist der Stamm viel reicher, spiralförmig gedreht4 und doppelt
gebogen. Die horizontalen Scheiben sind mit einer Rosette geziert, über der sich
eine zweite kleinere Rosette erhebt, aus deren Mitte ein Granatapfel steigt; an
kleinen Kettchen hängen an mehreren Stellen kleine Granatäpfel herab.
Derselben Zeit und demselben Stile gehören die beiden Stücke aus Delos an,
Nr. 11 und 12; ■ sie sind aus gelbem Goldblech gearbeitet, die Köpfe aus Formen
gepreßt mit aufgesetztem Detail von feinen Pünktchen; die Rosetten sowie die
Ränder sind aus geflochtenem Draht aufgesetzt. Nr. 11 gehörte zu einem großen
Gehänge; oben befindet sich eine Öse und unten sind Reste von Kettchen erhalten,
auch eine verbogene Bommel. Man vergleiche das aus dem ältesten Teil der
Nekropole von Kameiros stammende Gehänge in der Revue archttol. 1863, n. s. 8,
Tafel X, wo eine sehr ähnliche rechteckige Scheibe, die mit zwei Köpfen geziert ist,
den oberen Teil des Gehänges bildet, an dem wiederum wie an unserer Nr. 10
Granatäpfel mehrfach verwendet sind; ein zweites Gehänge, das ebendort abgebildet
Tölken, Leitfaden für die Sammlung antiker Metallarbeiten, 1850, Nr. 61 und 63.
Im Atiktionskatalog Nr. 820; bläßliches Gold.
• Vgl Fttrtwingler, Bronzeftinde S. 51 [oben S. 378).
4 In der Abbildung sind die Windungen zu rundlich geraten,
rliner Antiquarium Nr. 3473. 3474.
Archaischer Goldschmuck.
467
ist, zeigt außer den menschlichen auch Greifenköpfe wie unsere Nr. 9 und wieder
Granatäpfel. Die Technik dieser Stücke ist durchaus dieselbe wie die der unsrigen. Der
menschliche Kopftypus ist jener ägyptisierende, über dessen Herkunft und Verbreitung
ich in ,Die Bronzefunde von Olympia' S. 71 [oben S. 393] einiges bemerkt habe. Das
Museo civico von Bologna besitzt l noch eine hier erwähnenswerte große Broche,
die durchaus derselben Fabrik angehört wie das soeben Besprochene; das Ganze hat 112
die Form einer von oben gesehenen rosenartigen Blüte; auf dem äußeren Kreis von
kreisrunden Flächen wechseln je eine Rosette und jener menschliche Kopf ab.
Es bleibt uns noch ein Stück zu betrachten übrig, das einem ganz verschiedenen
Kreise, dem der altitalischen Kunst, angehört. Es ist der große goldene, mit reicher
gestanzter Dekoration versehene Brustschmuck etruskischer Herkunft Tafel 10, 2
[17, 2]. Derselbe gehört dem alten Bestände des Berliner Antiquariums an; er war
in mehrere Stücke zerbrochen, und diese Stücke waren einzeln getrennt aufgestellt;
Tölken2 beschrieb dieselben als Fragmente eines Harnisches, „Bedeckung der linken
Achsel mit Schnalle" usw. Der Versuch, die Stücke zusammenzustellen, ergab mir,
daß es ein vollständiges Ganzes sei und nichts fehle. Die Abbildung zeigt dasselbe
etwas verkleinert; Höhe und Breite betragen 0,25. Über die Herkunft ist Näheres
nicht bekannt. Auf der Unterseite des dünnen gelben Goldes sind mehrfach die
deutlichsten Reste einer ehemaligen dünnen Bronzeunterlage erhalten, die dem
feinen Goldblech als Fütterung gedient hatte. Rings sind an allen Ecken kleine
Löcher zu bemerken, die zur Befestigung des Ganzen gedient haben.
Seine nächste Analogie findet das Stück in dem aus der sogenannten tomba del
guerriero zu Corneto stammenden, jetzt in Berlin befindlichen, das Mon. d. Inst. X,
Tafel Xb, 2 abgebildet ist. Es ist dies eine freilich nur einfach rechteckige dünne Gold-
platte, welche die Mitte der Brust des Bestatteten zierte und noch auf der größeren
Bronzeplatte liegend gefunden wurde, welche die Brust bedeckte. Auch dieses Gold-
blech hat eine Fütterung von dünnem Bronzeblech ; auf der Bronzeplatte lag es lose auf.
Die beiden Stücke sind sich indess nicht nur verwandt, sie sind gleichzeitig
und stammen wahrscheinlich aus derselben Fabrik, da zum Teil dieselben Stempel 113
benutzt sind. Dies ist der Fall bei den schwimmenden Enten, die, teils nach rechts,
teils nach links gewandt, in Reihen auf beiden wiederkehren, und bei dem kreuz-
förmigen Ornament, das hier den äußeren Saum ziert. Das Motiv des zwischen
diesem und dem Entenfries liegenden Streifens ist dagegen auf unserem Stück
etwas größer und gleicht einer vornüber gestürzten menschlichen oder einer sehr
plumpen vierbeinigen tierischen Figur, während es auf der Cornetaner Platte kleiner
ist und nur eine Schlangenlinie darstellt. Auch die Kreise sind beiden Stücken
gemeinsam; dagegen zeichnet sich jedes auch durch Ornamente aus, die auf dem
anderen nicht vorkommen; so hier die großen mit einer einfachen Rosette gezierten
1 Aus der Sammlung Palagi, Nr. 301.
2 Leitfaden für die Sammlung antiker Metallarbeiten S. 1, Nr. 1.
30*
468
Archaischer GoLDSCHiMiiCK.
Kreise, ferner das Hakenkreuz und vor allem die menschlichen Masken, die in der
Mittellinie jeweils in die Ecke gesetzt sind.
Die letzteren geben übrigens zugleich mit der Richtung derEnten die beabsichtigte
lung des Ganzen an; die auf unserer Tafel rechts unten befindliche Ecke sollte
unten die Mitte bilden. Der merkwürdige Ausschnitt der gegenüberliegenden oberen
Ecke soll offenbar der Form des Halses entsprechen, an den dieselbe anstieß. Die
zinnenartige Auszackung entspricht durchaus dem Gesamtcharakter der Ornamentik.
Im Museo Gregoriano zu Rom notierte ich mir eine Reihe von kleinen goldenen
Plättchen, die, soviel ich weiß, unpubliziert sind;* ich gebe ihre Form beistehend.
Sie sind rings mit Löchern zum Befestigen auf dem Gewände versehen. Ihre Form
114 mit den Ausschnitten ist der unserer Brustplatte überaus verwandt. Bedeckt sind
diese Plättchen mit unregelmäßig verteilten, gestempelten kleinen Kreisen und einem
I förmigen Ornament, das dem des äußeren Randes unseres Stückes sehr ähnlich ist.
Dazu gehört eine Reihe ganz kleiner Plättchen von
der Form _, die nur mit kleinen Kreisen verziert
sind. Alles dies stammt wohl aus einem Grabe des
Typus der tomba del guerriero. In der Auktion Castel-
lani zu Rom sah ich ein Kreuz (mit gleich langen Ar-
men) aus Goldblech (Katalog Nr. 836) mit Vögeln und
anderen Ornamenten derselben Art bestempelt wie
die soeben besprochenen Stücke. Ein kleineres Kreuz
dieser Art, auch mit kleinen Löchern am Rande, indess
sehr einfach verziert, ward in Corneto gefunden.1
Eine Brustplatte wie die unsrige ist mir sonst nicht bekannt; überhaupt besitzen
wir ja nur ganz wenige Proben so großen Brustschmuckes: in Griechenland nur
aus ältester Zeit, aus den mykenischen Gräbern, und in Italien, abgesehen von der
erwähnten Cornetaner Platte, meines Wissens nur das Prachtstück aus dem Grabe
Regulini-Galassi (Mus. Gregor. I 82) mit einfach rundem Halsausschnitt und einem
von dem unseren völlig verschiedenen Dekorationssystem, sowie ein Stück aus
einem Pränestiner Grabe ungefähr derselben Periode; dasselbe ist jedoch viereckig,
breiter als hoch, und mit einem sehr breiten Halsausschnitte in rechtem Winkel ver-
sehen ; die Dekoration besteht aus großen Kreisen und einfachen linearen Füllungen.2
Ich breche hier ab, da es nur meine Absicht war, den hier publizierten Gegen-
ständen ihre richtige Stellung in unserem Denkmälervorrate anzuweisen, nicht aber
die Schlüsse zu ziehen, die sich zwar hier und dort aufdrängen, aber besser noch
zu weiterem Reifen zurückbehalten werden.
* (Ausgabe A des Mus. Greg. I Taf. 25.]
bildet bei Fiorelli, Notizic de^li seavi 1882, Taf. 13 bis, 25; S. 190, ungewiß, ob aus
den Gräbern al pozzo, wahrscheinlicher aus den S. 191 beschriebenen etwas späteren Gräbern.
* Archaeolo^ia 41, Taf. 13, 1.
DER GOLDFUND VON VETTERSFELDE
(DREIUNDVIERZIGSTES PROGRAMM ZUM WINCKELMANNSFESTE
DER ARCHÄOLOGISCHEN GESELLSCHAFT ZU BERLIN, 1883)
[Taf. 18. 19. 20]
in verirrter Lichtstrahl aus sonnigem Lande, dessen zitterndes Ende in 3
den weiten öden Raum einer dunkeln Höhle fällt — ein feuriger Komet,
der aus einer fernen andern Sphäre am finstern Himmel mit glänzen-
dem Schweife erscheint — , so hebt sich der Goldfund aus Vettersfelde von dem
düstern Nebel seiner weiten prähistorischen Umgebung ab.
Ein altgriechischer Fund auf dem Boden des nördlichen Deutschlands! Das
hat Winckelmann schwerlich geahnt, daß nicht weit von seiner märkischen
Heimat unter dünner Erdschicht Dinge ruhten, die aus griechischen Werkstätten
jener älteren Zeit hervorgegangen waren, deren Originale er kaum in Italien fand.
Daß das römische Weltreich, dessen mächtiger Arm weit über Deutschland
hinreichte, auf unserm Boden auch von seinen Schätzen etwas zurückgelassen
hat, und zwar selbst solche wie der Süberfund von Hildesheim, durfte uns kaum
überraschen. Daß aber aus den fernen Sitzen der politisch zersplitterten Griechen
ein Goldschatz wie der Vettersfelder in eine Gegend gebracht wurde, deren
Existenz die Griechen kaum ahnten, da sie weit über den Horizont ihres geo-
graphischen Wissens hinaus lag, dies darf allerdings wunderbar erscheinen; wenn
es sich auch eigen traf, daß gerade um die Zeit, als der Fund geschah, E. Curtius
in einer Abhandlung zusammenzufassen suchte, was wir von den „Griechen in
der Diaspora" wissen, d. h. von jenen im fremden Lande zerstreuten einzelnen
Griechen, die, ohne Städte zu gründen und ohne zu herrschen, doch den weit-
tragendsten Einfluß in ferner Fremde übten.1
Doch wir wollen zunächst an die ernste Betrachtung unseres Goldfundes
gehen und dann vor allem den Beweis der Behauptung zu führen suchen, die
wir hier voran gestellt haben und die bei manchen zuerst ungläubiges Kopf-
schütteln erregen mag.
I.
DER FUND
Vettersfelde liegt in der jetzt zur Provinz Brandenburg gehörigen Landschaft 4
der Nieder-Lausitz, und zwar in der Nähe der vom Riesengebirge nordwärts in
1 Sitzungsber. d. kgl. pr. Akademie 1882, Nr. XLIII, S. 943 ff.
470 Der Goldfund von Vettersfelde.
die Oder fließenden Neiße. Das Dorf liegt circa l1'* Meile östlich von diesem
Flusse und ebensoviel südsiidöstlich von der Kreisstadt Guben; die nächste
Station der Eisenbahn ist das noch weiter südöstlich belegene Dorf Jesnitz.
Von Vettersfelde circa ' s Meile nordwestlich liegt das flache Ackerstück des
A. Lauschke, des Finders des Goldschatzes.1 Dasselbe war früher von Lehm be-
deckt gewesen, der jedoch abgebaut worden war, um Ziegel zu verfertigen, wie
denn in unmittelbarer Nähe der Fundstelle noch bis vor dreizehn Jahren ein
Ziegelofen gestanden hatte. Nur an einer Stelle war der Lehm stehen geblieben ;
sie war es, die den Goldschatz barg.
Am 5. Oktober 1882 zog der Eigentümer auf dem Acker drei tiefe parallele
Furchen zum Abfluß des Regenwassers. Die mittlere durchschnitt jene Lehm-
stelle; der hier tiefer greifende Pflug hob die goldenen Gegenstände, die nur
circa 30 cm unter dem Terrainniveau gelegen hatten, empor; doch erst am
7. Oktober wurden dieselben von dem Finder bemerkt. Nach seiner Aussage
sollen große Scherben bei den Fundstücken gelegen haben, welche nach ihrer
Rundung als Reste eines sehr großen Gefäßes angesehen wurden; doch ließ
sich später ihr Verbleib nicht mehr ermitteln. Man darf vermuten, daß die Gold-
sachen einst in dem Topfe geborgen waren.
Eine genaue Untersuchung der Fundstätte, die allerdings erst im Laufe dieses
Sommers stattfand, verdanken wir Herrn Krause von der ethnographischen Ab-
teilung des Berliner Museums sowie dem Juwelier Herrn Teige. Dieselben ver-
anstalteten eine kleine Nachgrabung an der Fundstelle selbst, die allerdings durch
Regen und Nässe sehr behindert wurde. Es fanden sich dabei geringe Spuren von
Branderde und wenige Gefäßscherben, darunter ein Stück des Bodens eines großen
und dickwandigen Gefäßes, von dem man vermutet, daß es zu dem oben erwähnten
großen Topfe gehörte. Die Scherben werden als von ziemlich roher Arbeit be-
zeichnet, mit schlecht geglätteten Außenflächen, schwach gebrannt, außen rötlich,
der Kern schwärzlich und von Granitbröckchen durchsetzt. Ferner fanden sich
einige schwachgebrannte dicke Lehmstücke mit Abdrücken von Rohrhalmen auf
dereinen und oberflächlicher Glättung auf der andern Seite. An einer circa hundert
Schritte weiter östlich belegenen Stelle wurde 30 cm unter der Oberfläche ein
fast kreisrundes Pflaster von 80 cm Durchmesser gefunden; ein großer Stein be-
fand sich in der Mitte desselben; über dem Pflaster breitete sich bis m 1,10 Durch-
5 messer eine Schicht schwarze Branderde von 0,15 Dicke aus. Unter den Steinen
befand sich eine 0,35 tiefe Masse ganz schwarzer Branderde. Außer zwei kleinen
Scherben der oben bezeichneten Art wurden keine Funde hiebei gemacht.
Manches würde hienach passen zu der Annahme einer Begräbnisstelle. Der
gewöhnliche Bestattungsmodus der prähistorischen Zeit in der Lausitz war der,
daß die Gebeine in einer Urne beigesetzt wurden, die in geringer Tiefe unter
1 Die folgenden Angaben entnehme ich einem schriftlichen Berichte des Herrn Krause.
Der Goldfund von Vettersfelde.
471
der Oberfläche auf ebenem Felde vergraben wurde; zuweilen ist der Boden unter
der Urne mit Steinen gepflastert oder sie steht frei im Sande. Auch gepflasterte
Stellen der Leichenverbrennung mit großen Aschenmengen hat man gefunden.1
Das Fehlen von Knochenresten jedoch, sowie das Fehlen größerer Mengen von
Topfscherben spricht gegen die Annahme einer Begräbnisstätte. Herrn Krause
schien es wahrscheinlicher, Reste einer Niederlassung zu erkennen. Doch scheint
auch diese Annahme vorerst nicht hinlänglich gesichert und neue umfänglichere
Untersuchungen der ganzen Umgebung der Fundstelle wären sehr erwünscht.
Der Finder brachte die Stücke zunächst zu dem Prinzen Heinrich zu Schönaich-
Carolath auf Amtitz und Sr. Durchlaucht Bemühungen im Interesse der kgl. Museen
ist es zu danken, daß der Fund bald hier seine sichere Stätte erhielt.
Ich gebe zunächst eine kurze Beschreibung der gegenwärtig im Antiquarium
der kgl. Museen aufbewahrten Fundstücke. Auf den beigegebenen Tafeln mußten
dieselben mehr oder weniger verkleinert werden.
1. Taf. I, 1 [18, 1]. Goldener Fisch: 608, 5 gr schwer ; Länge 0,41, Höhe
jetzt 0,15 (die ursprüngliche Höhe war bedeutender); auf unserer Tafel um etwas
mehr als die Hälfte verkleinert. Aus starkem Goldbleche getrieben; das ganze
von flachgewölbter Gestalt; die Figuren sind bis zu einer Reliefhöhe von circa
5 mm herausgehämmert. Alle Innenzeichnung ist mit feinen scharfen Punzen
eingeschlagen; die ganze Arbeit von großer Sorgfalt. Eine Ansicht der Rück-
seite ist beistehend gegeben.
Dieselbe zeigt die vertieften Figuren, sowie vier kleine doch starke goldene 6
Ringe. Ursprünglich waren es deren sieben; einer ist erhalten vorn über dem
Maule, ein zweiter auf der Flosse unterhalb des Triton ; ihm entsprach ein anderer
oben über dem Hirsche, der jetzt fehlt, da die ganze Stelle durch Feuer stark
gelitten hat. Ein zweites Paar Ringe befand sich auf den beiden andern Flossen;
der untere fehlt; er ist weggeschmolzen und hat ein Stück der Flosse mit sich
gerissen. Das dritte Paar war an den Widderköpfen des Schwanzes angebracht;
der obere ist abgefallen, doch sieht man die Stelle, wo er aufgelötet war. Man
1 Vgl. Undset, Anfänge des Eisens S. 182.
Der üoldfund von Vettersfelde.
sieht ferner auf der Rückseite einige braunrote Reste, anscheinend Eisenoxyd.
Ohne Zweifel war das Ganze einst bestimmt auf eine ebene Unterlage und zwar
mittelst jener Ringe befestigt zu werden; auch darf man nach dieser Art der
Befestigung wohl schließen, daß jene Unterlage nicht von Metall, sondern etwa
Holz oder Leder war. An Stelle der Augen ist ein besonderes konkaves kreis-
rundes dünnes Blech eingelötet, in dessen Mitte sich eine kleine Öse befindet,
deren Enden auf der Rückseite zu sehen sind; wahrscheinlich ist das Erhaltene
der untere Teil einer flachen Kugel aus dünnem Blech (vgl. Taf. II, 1 [19, 1]),
die das Auge darstellte.
Wie schon angedeutet, hat das Ganze durch Feuer mehrfach gelitten;
namentlich ist die ganze erste obere Rückenflosse, sowie ein großes Stück einer
Tierfigur unterhalb derselben verloren gegangen.
Eine genaue zoologische Bestimmung des Fisches ist
nach Äußerung einer Autorität hierüber, des leider ver-
storbenen Professor Peters, nicht möglich; daß es ein
Karpfen sei, wie mehrfach behauptet worden war, ver-
neinte derselbe bestimmt. Nach freundlicher Mitteilung
des Professor v. Martens ferner stimmt manches zum Thun-
fisch; namentlich gibt es eine Art (thynnus alalonga), die
\\ durch ihre ungewöhnlich langen Brustflossen unserem
Künstler vorgeschwebt haben könnte; freilich ist der Kopf
zu dick und die Schuppen zu groß für den Thunfisch,
während für chrysophrys aurata z. B. zwar Kopf und
Schuppen, aber die Flossen durchaus nicht passen würden.
Jedenfalls offenbart sich in dem Stücke deutlich das Streben, unter Bei-
behaltung aller wesentlichen Formen der Natur, den Fisch zu einem ornamentalen
Schaustück umzubilden. Das Auge ist von einem Kreise rosettenartiger gra-
vierter Blättchen umgeben. Nach hinten setzen daran zwei Spiralen an. Die
Brustflosse ist sehr lang gestreckt. Sie war für den Künstler wichtig und er
benutzte sie als natürliche Trennung des ganzen Leibes in zwei Hälften, die er
nun mit Figurenschmuck füllte. In der oberen Reihe bildete er, von links be-
ginnend, einen gefleckten Panther, der einem Eber in den Rücken gefallen ist,
und dann einen Löwen, der einen fliehenden Hirsch in den Rücken beißt. Den
durch die ansteigende (jetzt stark verletzte) Höhe des Fischleibes über dem
Löwen entstehenden leeren Raum füllte er mit der Figur eines Hasen nach
rechts, der zwar sehr beschädigt ist, sich aber doch völlig sicher erkennen läßt
7 (vgl. den Hasen auf Taf. II, 1 [19, 1]). In der unteren Reihe bildete er Gestalten
des Wassers; voran Triton, dessen Leib gleich unterhalb der Brust in den Fisch-
per übergeht; derselbe streckt den linken Arm leer vorwärts, während er in
der hochgeschwungenen Rechten einen Delphin (der freilich gegen die Natur mit
Schuppen bedeckt ist) über dem Schwänze gefaßt hält. Um von der Bildung
Der Goldfund von Vettersfelde. 473
des Kopfes mit seinem langen Haare und Barte eine genauere Vorstellung zu
geben, die für die stilistische Beurteilung und Datierung von besonderer Wichtig-
keit ist, so ließ ich den Oberteil der Gestalt hier in Originalgröße abbilden.
Der Raum hinter dem Triton ist durch schwimmende Fische gefüllt, die
gleichsam ihrem Herrn als Gefolge dienen. Zuoberst noch ein Delphin; die
übrigen vier sind Fische der Art wie der ganze Fisch selbst, dessen Schmuck
sie dienen, nur mit kürzerer Brustflosse.
Über den durch die große Brustflosse geteilten Raum griff der Künstler mit
seinen Figurenfriesen nicht hinaus. Die Stelle vom Ende des oberen Frieses und
dem Ansätze der Flosse bis zum Auge füllte er, wie oben bemerkt, durch zwei
rein dekorative Spiralen aus. Darunter gab der Kiemendeckel die natürliche Grenze
für den unteren Fries.
Der Raum am Ende des Fischkörpers, da wo er sich zusammenzieht, ist
von dem Künstler durch das Bild eines fliegenden Adlers gefüllt worden, dessen
ausgebreitete Flügel hiezu besonders geeignet waren, und in denen die beiden
Tierfriese gewissermaßen ihre Ausläufer finden, während der Vogelschwanz in
seiner Form die Ausweitung des Fischschwanzes wiederholt.
An einem so reich verzierten Zierstücke die Enden des Fischschwanzes der
Natur getreu zu geben, widersprach dem Sinne und der Absicht unseres Künstlers.
Vor allem konnten die weit herausspringenden Endzipfel des natürlichen Fisch-
schwanzes keinen befriedigenden Abschluß des Ganzen gewähren. Auch verlangte
der dekorative Zweck, den dasselbe erfüllen sollte, ein gewisses Gleichgewicht 8
zwischen den beiden Enden des Fisches, und die Einziehung des Fischleibes
gegen den Schwanz hin durfte dem dicken Kopfe gegenüber nicht allzusehr
hervortreten. Der Künstler erreichte seine Absicht, indem er die Schwanzenden
sich zurückbiegen und in Widderköpfe auslaufen ließ.
2. Taf. II, 1 [19, 1]). Große Zierplatte, 282,5 gr schwer. Breite und Höhe
0,17. Goldblech, aus welchem die Figuren in ziemlich hohem Relief getrieben
sind; die Technik ist ganz dieselbe wie an dem vorigen Stück.
Vier Kreise umgeben einen kleineren in der Mitte. Das Zentrum aller fünf
Kreise war durch ungefähr halbkugelförmige Buckeln aus dünnem Goldbleche
geziert, die an eine Öse befestigt waren; nur zweie derselben sind erhalten; an
Stelle der anderen drei sieht man nur das Loch für die durchgesteckte Öse; die
letzteren entsprechen genau der Öse im Auge des Fisches und bestehen wie
jene aus je einem schmalen Streifchen Goldblech.
Rings um das Zentrum der vier größeren Kreise hat der Künstler laufende
oder liegende Tierfiguren und zwar in Gruppen zu je zweien angebracht.
a) Unten links. Ein Löwe stürzt sich auf einen Hirsch; ein Hund verfolgt
einen Hasen. Beides nach links.
b) Darüber. Ein laufender Stier und ein Löwe im Ansprunge sich gegen-
über; ferner ein Panther im Ansprung und ein laufender Eber.
4~ Der Goldfuno von Vettersfelde.
c) Rechts oben. Zwei Widder liegen einander gegenüber; ebenso ein Stein-
bock und ein Schakal (nach Bestimmung von Professor v. Martens).
d) Darunter. Die Gruppe zweier sich gegenüber im Ansprung liegender
Panther ist zweimal wiederholt.
Auch dieses Stück hat vielfach durch Feuer gelitten.
3. Taf. III, 1 [20, 1]. Beschlag von Scheide oder Futteral eines Gegen-
standes; 137.5 gr schwer; Höhe 0,13; Länge 0,19. Getriebenes Goldblech mit
Figurenschmuck in derselben Technik wie die beiden vorigen Stücke. Von der
einstigen Befestigung auf der Unterlage rühren die dreizehn kleinen Löcher her,
die sich rings um das breitere obere Ende herum befinden; außerdem ist oben
links noch ein größeres Loch zu sehen. Der obere und untere Rand des ge-
streckten schmaleren Teiles des Gerätes sind stark umgebogen; nahe dem unteren
Ende dieses umgebogenen Randes ist in demselben auf beiden Seiten ein 0,018
langer rechteckiger Ausschnitt gemacht,1 der zur Befestigung der unteren Hälfte
des Gerätes, und zwar offenbar zum Durchziehen eines Riemens diente.
Dieser gestreckte Teil der Platte ist durch eine erhöhte Mittelrippe in zwei
Streifen zerlegt, die wiederum mit Tierfiguren geschmückt sind. In der oberen
9 Reihe läuft ein Panther hinter einem Eber, in der unteren ein Löwe hinter einem
Hirsche einher. Beide Reihen sind abgeschlossen durch je einen schwimmenden
Fisch der Art wie die von Taf. I, 1 [18, 1].
Der obere Teil des Gerätes ist in eigentümlicher Weise mit zwei Augen ge-
ziert. An den Augenhöhlen ist das Goldblech ausgeschnitten.
Die seitliche Ausbauchung der Platte ist mit einer sternförmigen Blüte und
einem der Rundung folgenden laufenden Löwen geschmückt, der dem Künstler
etwas mißraten ist, indem er es versuchte, statt den ihm geläufigen Typus zu
wiederholen, den Löwen einmal anders zu bilden.
Dieses Stück ist, abgesehen von einer kleinen Verbiegung links unten, un-
versehrt und namentlich ohne Spuren von Feuer. Auf der Oberfläche sitzt hier
und da etwas Eisenoxyd.
4. Taf. I, 2 [18, 2]. Goldener Hängezierrat; 23,7 gr schwer; Länge 0,069.
Die Verzierungen aufgelötet.
Tat. I, 5 [18,5]. Goldenes Ohrgehänge; 17,5 gr schwer; Länge 0,077.
Aus verschiedenen Teilen sehr zierlich gearbeitet. Die Mitte besteht aus drei
jetzt leeren Kapseln; es ist wohl anzunehmen, daß dieselben einst mit einer
farbigen Masse gefüllt waren, obwohl jetzt keinerlei Reste einer solchen zu sehen
sind. Ober- und unterhalb dieser Kapseln folgen ungefähr halbkugelförmige
Buckeln, mit aufgelöteten Blättchen geziert; den unteren Abschluß bildet eine
ganz frei gearbeitete, zierliche vierblättrige Blüte.
Taf. I, 4 [18,4]. Goldener Armring; 48,9 gr schwer; Durchmesser 0,07.
eint- Ende ist durch Feuer zerstört und zerschmolzen, der andere zeigt einen
' Unten iM derselbe zerstört, doch noch zu erkennen; oben ist er gut erhalten.
Der Goldfund von Vettersfelde. 475
Schlangenkopf mit sorgfältiger Gravierung; die Oberansicht ist der Abbildung
beigegeben.
7. Tai II, 3 [19, 3]. Goldene Kette; 212 gr schwer; Länge 0,71; die Tafel
gibt also nur einen kleinen Teil der ganzen Kette. Das untere Ende bricht so
ab, wie es die Abbildung zeigt; an dem anderen Ende sitzt, allerdings in ver-
schobener Stellung, ein kleiner Zylinder und daran ein kleiner Ring fest.
8. Taf. III, 2 [20, 2]. Goldene Dolchscheide; 178 gr schwer; Länge 0,199.
Das obere Ende reich mit aufgelötetem Zierrat versehen. Auf der Rückseite,
die daneben skizziert ist, befinden sich zwei Löcher. Darunter zeigt die Tafel
eine Ansicht der Scheide von ihrem oberen Ende aus gesehen; dieselbe zeigt
auch die Kreuzesform des sich verjüngenden Inneren.
9. Der wahrscheinlich zugehörige, doch durch Verrostung stark entstellte
Dolch ist ebenfalls erhalten. Er ist ganz von Eisen. Seine Abbildung bei-
stehend. Die Länge ist 0,29.
10. Taf. IN, 3 [20, 3]. Großer massiver goldener Ring; 608,5 gr schwer. 10
Durchmesser 0,21, also stark verkleinert in der Abbildung. An den beiden Enden
geht der Ring aus der runden in flache Gestalt über; diese Enden sind jedoch
zusammengelötet, so daß der Ring nicht geöffnet oder geschlossen werden
konnte. Auf die Stelle der Zusammenfügung ist, um dieselbe zu verdecken,
ein schmaler goldener Streif (gekerbt in der Mitte) aufgelötet.
11. Taf. III, 5 [20, 5]. Eisernes Schwert; von der Klinge ist nur ein Rest
erhalten; der Griff ist ganz mit Goldblech belegt, das stellenweise aufgebrochen
oder (auf der Rückseite) auch abgefallen ist. Auf dem Griffe sind jederseits
kleine brillen- oder haftenförmige Zierraten befestigt,1 jetzt nur drei, doch waren
es ehemals je vier.
12. Taf. I, 3 [18,3]. Ein dunkler serpentinartiger Steinkeil, unten ge-
schärft; Höhe 0,04; oben mit Goldblech umkleidet und durch eine zylindrische
Öse zum Anhängen eingerichtet. Der aufgelötete kreuzförmige Zierrat befindet
sich nur auf der einen Seite.
13. Taf. II, 2 [19, 2]. Gewöhnlicher Schleifstein, 0,16 lang; oben in Gold
gefaßt und durchbohrt zum Anhängen.
14. Ein zusammengedrückter kleiner Zylinder aus dünnem Goldblech;
0,018 lang, 0,013 bereit.
15. Formloses Fragment dünnen Goldbleches; 0,02 breit und hoch.
16. Taf. III, 4 [20,4]. Bronzeblech. Ende des Futterals eines Gegen-
standes; 0,025 lang; am schmalen untern Ende ein Loch. Innen Eisenrost.
Sie waren fast ganz lose und wurden im Museum zur Sicherung fest aufgelötet.
Der Goldfund von Vettersfelde.
11
Durch die Nachforschungen des 1 lerrn Dr. Jentscli hat sich herausgestellt
itsch. f. Ethnol. 1883, Verh.S.286), daß 1. ein „zwingenartiger goldener Ring"
ohne Verzierung, 0.015 Durchmesser und 0,035 Höhe, und 2. ein goldenes Stück,
das wie unsere obige Nr. 4 beschrieben wird, nur daß an beiden Enden sich eine
B befunden haben soll, eingeschmolzen wurden. Einige kleine Stücke ferner
ließ der Finder zu einer Uhrkette zusammenstellen, die jetzt im Privatbesitze in
Guben sich befindet (nach Mitteilung von Herrn Teige). Sie besteht aus zwei
goldenen Kettchen von je zirka 0,08 Länge, von denen das eine
oben einen Kopf hatte; ferner aus einem losen Knopfe der-
selben Art, zwei Ringen und einem Schieber. Die beistehende
Abbildung veranschaulicht diese Stücke in Originalgröße.
Endlich erwähnt Herr Jentsch a. a. O. eine Kette von zirka
0,18 Länge und 0,005 Durchmesser ohne Angabe des Auf-
enthaltsorts.
Schließlich bemerke ich zur Technik des Ganzen, daß,
nach Angabe des Herrn Teige, kein gezogener Draht an dem
Goldfunde vorkömmt. Ferner daß sämtliche goldenen Gegen-
stände, bis auf einen, aus einem mit Silber legierten 18karätigen Golde bestehen;
das Gold hat deshalb eine blasse Farbe. Nur das Gehänge Taf. I, 2 [18, 2] ist aus
23karätigem unlegiertem Feingold gearbeitet und von schöner gelber Farbe.
II.
HERKUNFT UND ZEIT
Woher stammen nun alle diese seltsamen Dinge? wo und wann sind sie
entstanden? welchem Volke gehört ihre Verfertigung an und für wen waren sie
einst bestimmt?
Dies waren die Fragen, die sofort, nachdem der Fund im kgl. Museum de-
poniert worden war, im Kreise der Gelehrten und Kenner, die ihn zu prüfen
Gelegenheit hatten, aufs lebhafteste diskutiert und in der verschiedensten Weise
beantwortet wurden. Die Ansichten, die hiebei laut wurden, erschöpften nahezu
alle denkbaren Fälle. Nur darüber war man einig, daß an ein einheimisches
Lausitzer Fabrikat nicht gedacht werden könne. Im übrigen aber wurde vor-
geschlagen, ihn als etruskisch anzusehen, oder als spätrömisch, oder als provinziell-
römisch und halb nordisch-barbarisch, oder als griechisch-barbarisch, etwa aus den
Donauländern, oder als spät-orientalisch, als byzantinisch oder endlich als sassanidisch.
Für andere wie für mich stand es indess von Anfang an fest, daß wir es
mit nichts anderem als altgriechischen Arbeiten zu tun haben. Nur der ge-
nauere Entstehungsort schien noch zweifelhaft; da ich jedoch zufällig kurz vorher
die reichen Schätze der Eremitage in St. Petersburg genauer kennen gelernt hatte,
so konnte ich bald auf so frappante Analogien mit griechischen Arbeiten aus
Südrußland hinweisen, daß nun auch diese Frage im wesentlichen gelöst schien.
Der Goldfund von Vettersfelde.
477
Diese Ansicht fand rasch Billigung in kompetenten Kreisen, und ich hoffe
sie jetzt durch die folgenden Ausführungen vollständig zu beweisen. Der
griechische Ursprung ist mir dabei, wie schon bemerkt, nicht eine Hypothese,
sondern eine einfache Tatsache, die ich Fachgenossen nicht zu beweisen brauche,
da sie bei sorgfältiger Prüfung keinem derselben zweifelhaft sein wird.
Der Eindruck des Fremdartigen, den unser nordischer Fund indess beim
ersten Anblicke unstreitig hervorruft und den ich noch vor kurzem auch an
einem großen Kenner des Auslandes beobachten konnte, der erst ebenfalls auf 12
spätorientalische Kunst riet, jener Eindruck pflegt, wie ich mehrfach erfahren
habe, bei näherem Studium zu verschwinden und der Anerkennung altgriechischen
Ursprunges Platz zu machen.
Bevor ich jedoch zu den einzelnen Nachweisen übergehe, glaube ich, nicht
der engeren klassischen, sondern der weiteren Fachgenossen wegen, auf jene
anderen Hypothesen über den Ursprung des Fundes kurz eingehen zu müssen.
Am wenigsten entfernt sich von dem nach unserer Ansicht Richtigen die
Annahme altetruskischen Ursprungs, insofern sie den altertümlichen Charakter
anerkennt und insofern die altetruskische Kunst allerdings gerade derjenigen
Gruppe der altgriechischen, der unser Fund angehört, besonders nahe steht.
Dennoch erweist gleich die tiefgreifende Verschiedenheit im Stile der Tierfiguren
die Unmöglichkeit jener Annahme; man versuche nur altetruskische Parallelen z.B.
aus den Publikationen Micali's oder dem Museo Gregoriano neben unseren Fund
zu legen, um sich zu überzeugen. Es kommt dazu, daß für keine der Formen der
Gegenstände je Parallelen in Etrurien gefunden werden, ja daß auch eine so
massenhafte Verwendung des Goldes dort überhaupt ohne Beispiel wäre, wo dies
Material nur in feinerer Verarbeitung und relativ geringeren Quantitäten erscheint.
Die Hypothese nordischer Entstehung unter früh- oder spätrömischem Ein-
flüsse mag für diejenigen Forscher der nordischen prähistorischen Altertümer,
die der Kenntnis der klassischen Kunst fern stehen, etwas Wahrscheinliches haben.
Sie ist indess schon deshalb unmöglich, weil überall, nicht nur in Auswahl Typik
und Stil der Figuren, sondern überhaupt nur altgriechische, von den römischen
völlig verschiedene Elemente vorhanden sind; wie denn, um von hundert Dingen
eines zu nennen, der Triton gleich von der Brust in den Fischleib übergeht, was
nur die archaische, niemals die spätere oder gar die römische Kunst tat, die viel-
mehr immer den ganzen Oberkörper menschlich bildet. Noch weniger kann
aber natürlich von einem nordischen Barbarisieren jener fingierten römischen
Motive die Rede sein. Wir besitzen übrigens genug solcher im keltischen und
germanischen Gebiete gemachten barbarisch-römischen Werke, um Vergleiche an-
stellen zu können. Herr Dr. Jentsch verweist in einer kurzen Notiz in der Zeitschr.
für Ethnologie 1882, S. 530 als Analoga für unsern Fisch auf die bei Undset,
Auftreten des Eisens S. 271, 1 (Funde aus Mecklenburg), 426 (Kessel aus Fünen),
461. 467 (die großen dänischen Moorfunde) genannten Funde. Der Vergleich
Der Goldfund von Vettersfelde.
mit denselben läßt Indess die größte Verschiedenheit erkennen; die Ähnlichkeit
dieser barbarischen Dinge besteht hauptsächlich darin, daß zufällig auch Wild-
schweine darauf vorkommen; aber wie anders sind gerade diese.
Hei dem so ausgeprägten Stile der bildlichen Darstellungen unseres Fundes
ist es natürlich leicht, alle ungehörigen Vergleiche, die sich auf diese, die figür-
liche Seite beziehen, zurückzuweisen. Geben wir jedoch einen Augenblick zu,
13 daß man sich bei den Vergleichen auf die ornamentale und technische Seite be-
schränken dürfe, so können allerdings einige entfernte Analogien auch mit nor-
dischen Funden aufgestellt werden. So hat denn Bastian, im Eingange eines
Aufsatzes mit weiten ethnographischen Ausblicken,1 aus dem Berliner Museum
prähistorischer Altertümer einige Goldsachen zusammengestellt, die einige all-
gemeine technische Eigenschaften mit unserem Funde gemeinsam haben. Auch
sollen sie nach Bastian's Absicht nur als ganz ungefähre Parallelen dienen. Die
am meisten als solche zu betrachtenden Dinge sind teils römische oder spät-
griechische Importgegenstände (wie das Gehänge aus Arnswalde II, 327 mit Email)
oder sind solchen nachgebildet (wie IV, S. 3 mit aufgesetzten Spiralen; II, 5742
mit aufgelötetem Draht und Email, beide aus Ungarn). Ferner ist unter den
von Bastian genannten Gegenständen einer (II, 3817 aus Buskow bei Ruppin),
der zu einer eigenen nordischen Gruppe von Goldgegenständen gehört, die sich
an die klassische anschließt, doch besondere Typen entwickelt hat. Die von
dieser Gruppe bevorzugten technischen Motive sind einigen an unserem Funde
zu bemerkenden in der Tat aufs nächste verwandt. Die Kette jenes Objekts
der Berliner Sammlung ist unserer Kette sehr ähnlich; freilich weist gleich ihr
Schlußglied auf völlig verschiedenen Geschmack. An ihr befindet sich ferner
eine Bommel, die genau denen entspricht, die in Dänemark, auch Norwegen oft
gefunden werden und die Sophus Müller als in das ältere Eisenalter des Nordens,
also etwa in das erste Jahrhundert unserer Zeitrechnung gehörig erwiesen hat.2
Die Form selbst ist aus einer spätem griechisch-römischen hervorgegangen und
widerspricht dem Stile unseres Fundes; wohl aber ähnelt dem letzteren die
Technik und Art der Verzierung mit aufgelöteten kleinen Punkten, die gern zu
einem Dreieck geordnet werden, mit kleinen Drahtspiralen sowie gekerbten und
geflochtenen Drahtstreifen. Doch ist dies eben eine von der klassischen Kunst
herübergenommene Technik, die in den Jahrhunderten n. Chr. im Norden vielfach
auftritt. So findet man z. B. noch an den Ösen der nordischen Goldbrakteaten
zuweilen jene kleinen aufgelöteten Spiralen.3 Eine sehr große Rolle spielen aber
1 I)ie er an die Möglichkeit der Herkunft des Fundes vom Schwarzen Meer schließt
hr. f. EflmoL, Vcrh. 1883, S. 130).
Siehe .Müller in den Aarbögcr for nordiske Oldkyndighcd 1874, S. 366 ff. Fig. 15.
VgL Mi-mor .mtiquaircs du Nord, nouv. ser., Bornholm Taf. 8, 7. Undsct, Auf-
I 10 und 191 Fig. 194.
/. B. A.irhoger for nord. Oldk. 1870 Taf. 21,1. Berlin, Kgl. Mus., vaterl. Abt. II 6404.
Der Goldfund von Vettersfelde. 479
bekanntlich jene aufgesetzten, meist zu einem Dreieck verbundenen Pünktchen,
kleinen Spiralen und zopfförmigen Drähte in jenen späten sog. Hacksilberfunden
unseres Nordens, sowie in gewissen, weniger bekannten Silbersachen aus dem
östlichen Rußland (Perm),1 wohin jene Technik aus dem Süden kam, wo sie
längst heimisch war.
Mehr als auf solche weit verbreiteten technischen Motive könnten nordische
Forscher vielleicht auf einige andere ungefähre Analogien geben, die sich aus 14
den großen dänischen Moorfunden der älteren Eisenzeit nachweisen lassen. Am
Bronzebeschlag der Holzscheide eines Schwertes des Thorsberger Fundes2 be-
findet sich das schleifenartige, dem Umriß eines Kornes oder Blättchens ähnliche
Ornament wie an unserer Dolchscheide (Taf. III, 2 [20, 2]; freilich ist gleich die
nächste Umgebung desselben durchaus verschieden und eine mächtige Kluft
öffnet sich gar, wenn man die Tierfiguren dieses Fundes betrachtet. Und doch
bietet gerade ein Gerät mit solchen barbarischen Tierfiguren desselben Fundes3
durch seine gesamte Form wieder eine gewisse Analogie mit unserer Taf. II, 1
[19, 1]. Es ist eine kreisrunde Brustplatte, verziert mit einem großen Kreise in
der Mitte, der von vier kleineren umgeben wird. Ähnlich ist ein Stück des
Vimoser Fundes.4 Freilich ist hier der mittlere Kreis immer viel größer, während
er bei unserer Platte der kleinste ist, und die Dekoration ist vollends eine total
verschiedene; dennoch möchte ich selbst nicht jede Möglichkeit einer Beziehung
der berührten Erscheinungen abstreiten; vielleicht werden sich noch einmal die
Bindeglieder finden, die von Südosten nach Norden gehen.5 Jedenfalls aber ist
klar, daß solche versprengten Analogien bei übrigens absoluter Verschiedenheit
uns zur Bestimmung unseres Fundes nichts helfen können.
Zu den nordischen Tierornamenten aber, die wir durch Sophus Müller's be-
kanntes treffliches Buch erst recht haben verstehen lernen, lassen sich unsere
Dinge nicht in die loseste Beziehung bringen.
Die Hypothese barbarischen Ursprungs in den Donauländern unter griechischem
Einflüsse ferner beruht zunächst ebenfalls auf der Annahme, daß der Kunst-
charakter unseres Fundes überhaupt etwas Barbarisches habe; der Eindruck des
Fremdartigen und Ungriechischen, den die Formen der Geräte und Zierstücke
machen, wird hierbei, in leicht erklärlicher Weise, auf den künstlerischen Cha-
1 Aspelin, Antiqu. du Nord finno-ougr. S. 159 ff.
2 Engelhard t, Thorsbjerg Moosefund, 1863, Taf. 10, 31. Der Fund wird von Undset,
Auftreten des Eisens S. 458 in das 3. Jahrh. n. Chr. ungefähr gesetzt.
3 Ebenda Taf. 7, 1.
4 Engelhardt, Vimose Fundet, Taf. 4, 3. Ein großer Kreis von sechs kleineren
umgeben, als Fibelschmuck, s. Mem. des ant. du Nord., n. s., Bornholm, Taf. 14, 1. Auch
der Nadelschmuck aus Livland bei Kruse, Necrolivon. Taf. 12, 5 u. a. ist verwandt.
5 Verwandt mit jenen nordischen Kreisdekorationen sind z. B. die Stücke aus Kertsch,
Antiquites du Bosphore Taf. 29, indess wahrscheinlich erst aus dem 3. Jahrh. n. Chr. Vgl.
ebenda Taf. 32, 16.
|gQ Der Goi.dfund von Vettersfelde.
rakter der Ausschmückung selbst übertragen. Daß wir aber hier rein griechischen
Kunstcharakter und dort, am deutlichsten in den gewissen griechischen nach-
geahmten .Münzen Pannoniens, eine entschiedene Barbarei vor uns haben, wird
beim Vergleiche schwer zu leugnen sein. Auch einen Goldfund mit Tierdarstel-
lungen aus Ungarn etwa vom Anfang unserer Zeitrechnung1 mag man vergleichen,
um den Gegensatz dieses lokalen Stiles zu erkennen.
15 Endlich der Gedanke an „spätorientalische" Herkunft im allgemeinen ver-
dankt seinen Ursprung wohl nur den in der Tat orientalischen Elementen, die
hier wie anderwärts in altgriechischer Kunst Verwendung und Verbreitung ge-
funden haben. Im speziellen könnte man, von Byzantinischem nicht zu reden,
am ehesten an sassanidische Kunst erinnern, die sich vielfach an die spätklassische
anschließt, und von der uns gerade Reliefarbeiten in kostbaren Metallen erhalten
sind, die besonders im östlichen Rußland gefunder: werden;2 man braucht die-
selben jedoch nur näher zu vergleichen, um sich der völligen Verschiedenheit
bewußt zu werden.
Schließlich muß ich noch eine wichtige Tatsache betonen. Man könnte nämlich
den Fund und damit die Frage nach der Herkunft teilen und das eine Objekt von
da, das andere von dort herleiten wollen. Dies verbietet sich jedoch durch die
Identität des Materials,3 des technischen Verfahrens und des Stiles aller Gegenstände.
Und diese Gegenstände sprechen alle eine laute und vernehmliche Sprache;
sie sagen uns genau, woher sie stammen. Fern an den Gestaden des schwarzen
Meeres wurden sie von griechischer Hand gefertigt, und bestimmt waren sie
einst für einen skythischen Großen.
Ich werde Stück für Stück durchgehen; indem uns die Analogien aus den
südrussischen Ausgrabungen in wahrer Fülle zuströmen werden, haben wir zu-
gleich Gelegenheit, die Fragen nach der Bedeutung der einzelnen Gegenstände
und nach ihrem relativen Alter zu erörtern.
Gleich zu dem Hauptstück unseres Fundes, dem Fische, zu dessen seltsamer
Originalität man an und für sich am wenigsten hoffen durfte, Analogien zu finden,
zu ihm können wir ein Seitenstück nachweisen, das allein bereits mit unwiderleglicher
Bestimmtheit die Herkunft unseres Fundes fixiert. Es ist ein Stück aus jenem
großen Kul Oba genannten Tumulus bei Kertsch, der im Jahre 1830 seine bekannten
wunderbaren Schätze spendete. Es folgt hier in verkleinerter Abbildung.4
: Hrdy Janos, Regisegtani Közlemcnyek, Büdän 1858, Taf. 5.
1 Vgl. Stephan!, Schlangenfütterung S. 4 ff. Compte rendu 1867 Taf. 3; 1875 Taf. 4, 6;
1H78 79 Taf. 7. Mon. d. Inst. III, Tlf.51. Der Goldfund aus dem Banat in Wien (Arncth Taf. 6ff.).
1 Das eine oben genannte Objekt (Taf. I, 2 [18,2]), das von anderm Golde ist, wird
doch durch die Gleichheit der Technik und Ornamcntation als zweifellos zugehörig erwiesen.
Nach dem Gipsabgussc neu gezeichet. Vgl. Antiqu. du Bosph. Taf. 26, 1. Friede-
ric: r. 701 iricderichs-Woltcrs 1336). In Übereinstimmung mit mir nimmt
auch Milchhofe r (Arch. Ztg. 1883, S. 264) die beiden Stücke als gleichartig an.
Der Goldfund von Vettersfelde.
481
Das Original ist etwas kleiner als unser Fisch. Es besteht aus demselben 16
blassen silberhaltigen Golde wie unser Fund. Es ist ebenfalls eine getriebene
starke Platte und stellt einen liegenden Hirsch dar. Das auch hier deutliche
Streben, ein dekorativ abgerundetes Ganzes aus dem Tiere zu machen, führte
zu der ornamentalen Bildung des Geweihes, das sich eng auf den Rücken auf-
legt. Die letzte umgebogene Sprosse aber läuft in einen Widderkopf aus, ganz
ebenso wie es die Schwanzenden unseres Fisches tun. Ferner fügte der Künstler,
um die leere Ecke zwischen Vorderbeinen und Hals zu füllen und das Ganze
abzurunden, einen liegenden Hund dort ein. Die leeren Flächen des Körpers
aber verzierte er mit Tierfiguren, einem Greif auf dem Hinterschenkel, einem
laufenden Hasen und einem Löwen auf dem Bauche.
Daß in beiden Stücken dieselbe und zwar höchst eigentümliche Kunsttradition
zu Grunde liegt, ist offenbar. Beide verwenden eine Tierfigur als solche zu orna-
mentalem Zwecke, bedecken ihre Flächen mit andern Tierfiguren in Relief und
lassen sich darbietende spitze Enden in Widderköpfe auslaufen. Beiden ferner
ist im wesentlichen derselbe Stil gemeinsam, für den es namentlich charakte-
ristisch ist, daß die Tiere immer nur mit zwei statt mit vier Beinen dargestellt
sind; in den Tierfiguren unseres Fundes macht nur der Stier Taf. II, 1 [19, 1],
auf dem Hirsche nur der Greif eine Ausnahme von dieser Regel, die wiederum
auf eine eigene gemeinsame Tradition von altertümlichem Charakter hinweist.
Namentlich in gravierter und getriebener Arbeit von kleinem Umfange scheint
diese Vereinfachung früh sich für laufende und liegende Tierfiguren eingebürgert
zu haben. Wir finden sie schon in der späteren stilisierten Gruppe der Gattung
der sog. Inselsteine; hier kommt auch schon derselbe liegende Löwe mit dem
umgewandten Kopfe in demselben Schema vor, wie wir es auf dem Hirsche
sehen; eine nähere Parallele für letzteren bietet jedoch eine größere archaische 17
Silbermünze von einer der milesischen Kolonien des Schwarzen Meeres, wo wir
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. 31
4^ Der Goldfund von Vettersfelde.
.• denselben Löwen wiederfinden.1 Auch sonst treffen wir jene Kunstsitte der
zwei- statt vierbeinigen Tiere, namentlich in dem zur altionischen Kunst in Be-
ziehung zu setzenden Kreise, ■ immer aber natürlich nur in altertümlicher Kunst.
Prüfen wir nun die beiden Stücke näher, so werden wir unserem Fisch
bei weitem den Vorzug geben. Er ist nicht nur größer und viel reicher verziert,
sondern diese Verzierung ist auch ungleich feiner und geschmackvoller. Die
Tiere, die sich hier in lebendigen Gruppen und klarer Anordnung entwickeln,
sind dort ohne Zusammenhang und willkürlich aufgesetzt, wo eben Raum war.
Auch sind die Figuren dort nur in den Hauptumrissen herausgetrieben und ent-
behren ganz der feinen Ziselierung unseres Fisches.
Was die chronologische Bestimmung betrifft, so müssen wir den Hirsch ohne
Zweifel in das fünfte Jahrhundert setzen; dies beweist das auf demselben er-
haltene Monogramm mit schrägem Querstrich in dem Alpha, sowie der archaische
Typus des Löwen. Daß wir aber nicht zu weit heraufgehen, verbietet der Greif, der
zwar noch die aufgebogenen Flügel der alten Zeit, doch bereits den Strahlenkamm
im Nacken zeigt, der sich erst im fünften Jahrhundert verbreitet.8 Wir werden den
Hirsch etwa um die Mitte dieses Jahrhunderts oder nur wenig später ansetzen müssen.
Man wird mir entgegnen, der Kul Oba stamme ja anerkanntermaßen aus
dem vierten Jahrhundert; doch hier eben ist etwas zu berichtigen. Niemanden,
der seinen Inhalt genau studiert, kann es zweifelhaft sein, daß er zum mindesten
auf fünfzig Jahre zu verteilen ist, was bei der Anhäufung so riesiger Schätze ja
keineswegs auffallen kann. Das Armband des „Königs" mit Eos und Thetis,*
sowie sein sog. Schild 5 können nicht viel nach der Mitte des fünften Jahrhunderts
datiert werden, da sie durchaus strengen Stil zeigen; auch die Bronzehydria mit
der sog. Sirene8 und eine Anzahl der Goldplättchen 7 kann nur dem fünften Jahr-
hundert angehören. Eine große Zahl der gefundenen Dinge ist ferner etwa um
18 400 anzusetzen; dahin weisen namentlich die Ohrgehänge mit der Nachbildung
des Kopfes der Parthenos von Phidias, sowie die wunderbar schönen Holz-
zeichnungen in phidiasischem Stile. Manches andere weist jedoch erst in das
vierte Jahrhundert als Zeit der Errichtung des Grabes.8
1 Berlin; aus der Sammlung von Prokesch, Kolchis zugeteilt. Der Löwe hat weib-
liche Zitzen, doch ist die Mähne unverändert. Sehr ähnlich, nur mit einem gehobenen
Vorderbein, ist der Löwe von archaischen Silbermünzen der thrakischen Chersones.
1 Vgl. z.B. die rottonigen Reliefgefäße aus Italien (Arch. Ztg. 1881, S. 41 ff.); die
protokorintliischen Väschen (Arch. Ztg. 1883, S. 153 ff. 162); die liegenden Tiere auf den
archaischen Reliefs von Thasos (Conze, Reise auf d. thrak. Inseln Taf. 4, 10. 11 S. 8 ff.).
* Siehe Furtwängl er, Bronzefunde v. Olympia (Abh.d.Berl.Ak.) 1879.S. 53 [ob. S. 379].
* Schlecht abg. in den Antiqu. du Bosph. Taf. 13,3. (Vgl. Arch. Ztg. 1882, S.350.)
Ebcadl Taf.
benda Taf. 41, 7. Vgl. Compte r. 1877, Taf. 3, 4 (Grab vom Ende des 5. Jahrli.).
' So Antiqu. du Bosph. Taf. 20, 1. 2. 3. 12. 13. 15.
Die Antiqu. du Bosph. I, S. XIX erwähnten Thasischcn Amphoren würden vielleicht
h eine genauere Datierung ermöglichen.
Der Goldfund von Vettersfelde. 433
Der Hirsch stammt nicht aus dem Hauptgrabe des Kul Oba, sondern aus einem
unter dem Pflaster desselben verborgen gewesenen Einzelgrabe, in dem man das des
Vaters oder Ahns des Fürsten der Hauptkammer vermutet hat. Da die Gegenstände
desselben zum Teil jedoch ebenfalls ganz freien Stil tragen und das Grab noch älter
ist als die übrigen, so ist jener Umstand zur Datierung nicht zu verwerten.
Leider ist jenes verborgene Einzelgrab bekanntlich in der Nacht vom 24. Sep-
tember 1830 von einer goldgierigen Bande ausgeplündert worden. Der Hirsch
befand sich unter den geraubten Stücken, was besonders zu beklagen ist, da
dadurch die Anhaltspunkte, die für seine ursprüngliche Bestimmung und damit
indirekt natürlich auch für die unseres Fisches in den Umständen der Auffindung
sicher vorhanden waren, unwiederbringlich verloren sind. Dennoch können wir
aus dem uns erhaltenen Berichte über das Grab1 einige wichtige Schlüsse tun.
Er genügt, die auch an und für sich schon unwahrscheinliche Vermutung Ste-
phanis,2 der Hirsch möge von einem Sattel3 herrühren, zu widerlegen; denn
jenes Grab war ein enges Einzelgrab mit nur einer männlichen Leiche, ohne Roß
und Sattel. Der Bestattete war ein Krieger, wie die vielen Pfeilspitzen und
eisernen Lanzenspitzen, die erwähnt werden, beweisen. Der Hirsch war also
ziemlich sicher der Schmuck einer kostbaren Waffe. Nach den Analogien der süd-
russischen Funde sind aber dann nur zwei Möglichkeiten denkbar. Entweder
war er Zierde des Goryts (des Bogenbehälters) oder des Prachtschildes. Freilich
spricht der Bericht bereits von Fragmenten eines Köcherbeschlags, doch versteht
er darunter solche von einem Schwertscheidenbeschlag, wie aus dem Zusammen-
hang hervorgeht.* Doch aus andern Gründen ist mir jene erstere Annahme un-
wahrscheinlich. Die Größe würde zwar ungefähr passen, zur Not auch bei dem
Fische, wenn man ihn der Länge nach auf den Goryt legte,5 nicht aber die
Form, welche sich in keiner Weise an die eines Goryts oder Köchers anschmiegen
würde: um als bloßes Zierstück zu dienen, wären der Fisch wie der Hirsch auf
einem Goryt offenbar viel zu groß; um aber als deckende Inkrustation eines 19
solchen zu fungieren, wären sie vollends ungeeignet; abgesehen von der Form
sind sie dazu auch viel zu dick und zu stark gewölbt. Wir werden durch diese
Eigenschaften vielmehr zu der Annahme gedrängt, daß unsere Stücke die mittlere
vorspringende Zierrate einer größeren glatten Fläche waren und zwar, wegen
ihrer Form, einer länglichen Fläche; das heißt die oben aufgestellte zweite Mög-
lichkeit, Schmuck eines Schildes, ist offenbar die allein richtige, auf die wir
1 Der Originalbericht ist abgedruckt in den Antiqu. du Bosph. 1, S. XXXIII ff.
2 Im Texte zu Antiqu. Taf. 26, 1.
3 Wirkliche Sattelbeschläge aus südrussischen Gräbern s. Recueil d'ant. de la Scythie
Taf. 12,8 (Alexandropol); 39,11 (Tschertomlyk-Nikopol).
4 Er hält nämlich den Schwertbeschlag Antiqu. Taf. 26, 2 fälschlich für den des
Goryts (vgl. unten S. 32 f. [S. 497]).
5 Vgl. den einzigen sicher erhaltenen vollständigen Gorytbeschlag Compte rendu
1864, Taf. 4. ^
Der Cum dum) von Vettersfelde.
: allen Seiten her geführt werden. Die Schilde der Skythen waren von läng-
licher Form mit abgerundeten Ecken und relativ klein;1 vielleicht ist uns in der
prachtvollen kreisrunden Platte, die neben dem „König" in der Hauptkammer
des Kul Oba lag,- der mittlere Buckel eines solchen erhalten. Ungleich besser
würde aber zu einem solchen Schilde ein länglicher Schmuck wie unser Hirsch
oder Fisch passen. Die sorgfältige und zierliche Ausarbeitung eines solchen
Zierstfickes dürfte aber bei einem Prachtschilde von, wie schon bemerkt, relativ
kleinen Dimensionen keineswegs auffallen. Die obengenannte kreisrunde Platte
zeigt übrigens eine Befestigungsart, die der unseres Fisches entspricht, nämlich
durch am Rande angebrachte kleine feste Ringe. Über die Rückseite des Hirsches
liegen mir leider keine Angaben vor. Die Unterlage wird man sich von Holz
mit Leder8 bezogen denken, das reich bestickt sein mochte.
Ein Fisch als Schildzeichen, namentlich ein Delphin, war bekanntlich etwas
in alter Zeit in Griechenland überaus Gewöhnliches; zahlreiche altertümliche Vasen
zeigen uns solche Schilde,4 und von dem Seehelden Odysseus hatte Stesichoros
gesungen, daß er einen Delphin als iniorjfiov des Schildes gehabt (Frg. 69. 70).
Daß ein Künstler aber an den Gestaden des Schwarzen Meeres statt des Delphins
einmal einen thunfischartigen Fisch wählte, ist gewiß nur natürlich (vgl. unten
S. 27 [S. 492]).
Der Künstler, der den Hirsch bildete, war in seiner Wahl durch eine in Süd-
rußland herrschende starke Vorliebe für dieses Tier und einen wahrscheinlich sehr
alten und wohl einheimischen, ursprünglich nicht griechischen Typus desselben
bedingt. Wir können noch an zahlreichen Resten die charakteristischen Züge
20 dieses Typus und seine weite einstige Verbreitung studieren. Nach demselben
wird das Tier liegend dargestellt; es hat ein sehr langes Geweih und fast immer
nach vorn herausragende sog. Augensprossen; häufig, und dies besonders in
den altertümlichen Stücken, erscheint der Kopf umgewandt, wodurch der Umriß
der Figur fast rund wird. Der Typus erscheint bald gepreßt auf kleinen Gold-
plättchen, bald, und dies besonders häufig, in ausgeschnittenem Relief aus Gold
oder endlich als schmückende Endigung irgendeines Gerätes, namentlich des
1 I)ie einzige sichere Darstellung des Schildes eines Skythen jener Zeit befindet
l auf dem prachtvollen Gefaßrelief vom Kul Oba, Antiqu. du Bosph. Taf. 33. Die auf
den spaten Grabrelitfs von Kcrtsch öfter vorkommenden Schilde (z.B. Macpherson,
Antiqu. ol Kcrtsch S. 48; Aschik, Bosphore II, S. XVIII; Compte r. 1872, Taf. 9. 10 sind
von ovaler gestreckterer Form und wesentlich größer, meist mit kreisrundem Mittelbuckel.
Stassoff (Compte r. 1872, S. 296 ff.), daß die Träger derselben keine Skythen
im engeren Sinne sind.
•• Antiqu. du Bosph. Taf. 25, Text I, S. 172. Vgl. jedoch Compte r. 1877, S. 223.
Schilde der Skythen mit dem Fell des Hlennhirschcs bezogen: Ael. de nat. anim.2, 16.
1 Vgl. /.. B. die von O.Jahn im Index des Münchener Vasenkatalogs S. 380 zu-
sammengestellten. Ein Fisch als Schildzeichen auf einer steif scliwarzfigurigen Amphora
in nieydemann Nr. 2705).
Der Goldfund von Vettersfelde. 435
bronzenen Pferdegeschirrs. Er kommt sowohl in den griechischen Gräbern von
Pantikapaeon und Phanagoria, und zwar schon den ältesten, als in den Skythen-
gräbern am Dnjepr vor; er erscheint weiter im Nordosten im Gouvernement
Perm, und ist ohne jede wesentliche Veränderung weit nach Sibirien hinein an
die Ufer des Jenisei verbreitet. Er tritt sowohl in altertümlichem als freiem
griechischen Stile auf; aber seine rechte Heimat ist jener eigene sythische Stil,
der so reichlich in den Königsgräbern am Dnjepr, nicht selten aber auch in den
Gräbern von Kertsch und besonders an geringeren Dingen, wie dem Pferde-
geschirr, zu Tage tritt.1
Doch kehren wir zu unserem Ausgangspunkte zurück. Wir verglichen die
beiden von uns nachgewiesenen skythischen Schildzierden, den Hirsch und den
Fisch. Wenn wir nun ersteren um die Mitte des fünften Jahrhunderts ansetzen,
so muß der letztere wenigstens in die erste Hälfte dieses Jahrhunderts fallen, da
er ohne Zweifel älter ist als jener. Der Stil der Figuren des Fisches ist ungleich
strenger und straffer als dort; er zeigt noch echte altertümliche Härte, wo dort
schon Flauheit herrscht.
Doch um uns weiter über die chronologische Stellung des Fisches zu ver-
gewissern, gehen wir zum genaueren Studium seines Bildschmuckes über.
Tierkämpfe füllen die obere Reihe. Diese aber sind nicht willkürlich er-
sonnen; sie beruhen auf alter Typik. Ja der Löwe, der dem Hirsch in den
Nacken fällt, gehört zu den ältesten Typen, denen wir in Griechenland überhaupt
begegnen.2 Seine Heimat ist in Vorderasien, wo ihm ursprünglich eine religiöse
Bedeutung innewohnte, indem der Löwe die Mächte des Todes symbolisierte,
eine Bedeutung, die in semitischem Kreise im Bewußtsein blieb, während die
griechischen Künstler sich der Gruppe nur als eines lebendigen künstlerischen
Motives bedienten. Doch hatte die Verbreitung des Typus gewisse Grenzen,
die sich wenigstens in vorrömischer und besonders der altgriechischen Zeit 21
deutlich verfolgen lassen. Er tritt uns zunächst entgegen in der mit den Gräbern
Mykenäs gleichzeitigen Gattung der sog. Inselsteine und auch die Ilias kennt
ihn bereits (11, 475 ff.). Dann aber finden wir ihn vor allem an den Orten, wo
orientalischer Einfluß zumeist wirksam war; also in Cypern, Cilicien,3 Lykien4
1 Von publizierten Exemplaren nenne ich: aus griech. Gräbern des 5. Jahrhunderts
Compte rendu 1876, Tat. 3, 18; 1877, Taf. 3, 24 und S. 240. 1880, Tat. 4, 12. Antiqu. du
Bosph. Taf. 22, 17. Aus dem Tumulus von Alexandropol: Rec. d'ant. de la Scyth. Taf. 8, 23;
1, 4. Von Pferdegeschirr Compte r. 1876, S. 125. 135. 136; 1877, S. 13, 4. 5. In einem
sibirischen Goldfund kommt der Typus genau so vor wie im Kul Oba (Eremitage, skyth.
Saal, Kasten L). Aus Perm Aspelin, Antiqu. finno-ougr. Nr. 313. 314. 315; von Minus-
sinsk in Sibirien, ebenda Nr. 307.
2 Vgl. hierüber und für das folgende vor allem H. Usener, De Iliadis carmine
quodam Phocaico. Bonnae 1875.
s Nachweise aus Münzen s. bei Usener a. a. O. S. 21 ff.
4 Fries von der Akropolis in Xanthos, archaisch, im British Museum (Löwe und Reh).
>Nß Der Goldkund von Vettersfelde.
und die ganze kleinasiatische Küste ] herauf. Besonders bemächtigte sich die alt-
ionische Kunst des Typus; aber man blieb nicht bei dem überlieferten, der Gruppe
Löwen mit dem Hirsche oder dem Stiere — denn letzterer tauscht oft mit dem
ersteren , man erfand auch einige Variationen dazu; statt des Hirsches tritt ein
Reh ein: statt des Löwen ein Panther; oder beide arbeiten gemeinsam; ferner wird
auch der Eber in den Kreis eingeführt und entweder vom Panther oder Löwen zer-
fleischt; und statt der letzteren oder gemeinsam mit ihnen tritt auch der Greif ein.
Den geradezu unzähligen Darstellungen wilder Tiere auf den korinthischen
on sind die eben geschilderten Kampftypen gleichwohl so gut wie unbekannt.
In friedlicher Eintönigkeit sehen wir die Bestien hier in Reihen sich folgen oder
gruppenweise einander gegenüberstehen. Auch die altattischen Vasen mit ihren
ebenfalls noch zahlreichen Tierfriesen zeigen nur ausnahmsweise jene Typen.-'
Dagegen begegnen wir ihnen häufiger auf den jonisch-chalkidischen Vasen,3 ob-
wohl hier die wappenhaft gegenübergestellten Tiere am beliebtesten sind. Ferner
sind sie häufig auf den Werken aus Italien, die mit den ionischen Kolonien dort
in Beziehung gesetzt werden dürfen.4 Velia, die Kolonie von Phokaea, setzt die
Gruppe des Löwen mit dem Hirsche sogar auf die Münzen. Dann aber ist Etrurien
eine Hauptstätte für die besprochenen Typen.5 Die engen Beziehungen aber,
welche die etruskische Kunst mit der kleinasiatischen sowohl als der altionischen
speziell verbinden, sind uns schon von anderen Seiten hinlänglich bekannt.
Kaum irgendwo jedoch erscheinen jene Tierkampfgruppen, im Verhältnis zu
der geringen Menge des Erhaltenen, in dichterer Reihe, als in der Kunst an den
Ufern des schwarzen Meeres mit seinen milesischen Kolonien, obwohl uns hier
fast nur Werke aus dem Ende des fünften und dem vierten Jahrhundert erhalten
sind. Man erinnere sich nur der prachtvollen Stücke aus dem Kul Oba, wo der
22 Hirsch vom Löwen oder vom Panther und Löwen, der Eber vom Löwen, der Hirsch
vom Greifen zerfleischt wird," oder an die noch schöneren aus dem Tumulus bei
Nikopol, wo der Edelhirsch dem Greifen oder dem Löwen und Panther erliegt.7
1 Vgl. namentlich den Fries von Assos (Löwe mit Hirsch, Reh, Stier).
/. B. die Francoisvase; der Dreifuß Arch. Ztg. 1881, Taf. 3; die Kanne des Cholchos
rhard, Auserles. Vas. Taf. 122 [Berlin 1732]); als Schildzeichen bei Athena (Mon. d. Inst.
1,21; X.48n> und sonst (ebenda VIII, 41).
* Z. B. Kopenhagen Nr. 115. Amphora in Paris (Reh von drei Panthern zerfleischt
|Pottier, Vases du Louvre II, E 799]) u. a.
4 Dahin gehören die rottonigen Relicfgefäße (Arch. Ztg. 1881, S. 41; Furtwängler,
Berliner Vascnk. Nr. 1638): ferner z. B. die Vase Micali, Storia Taf. 95; 98, 1 (= Berl.
Vasenkatalog Nr. 1885). Die „affektierte" Amphora Mus. gregor. II, 31, 2. Die Lampe von
rtona (Mon. d. Inst. III, 42). Archaische, sizilische Tonreliefs (Palermo).
* Besonders häufig und schön auf den Scarabäen (z.B. Micali, Storia 117,6.7.8).
* Antiqu. du Bosph. Taf. 34, 1. 2. 3. 4; 13, 2; 26, 2.
ompte rendu 1864, Tat 3, 3; 4; 5,1.3. Rec. d'ant. de la Scythie Taf. 30, 11: Vgl.
-:r den schonen Ring Comptc r. 1876, Taf. 3, 34 (S. 128); das barbarisierende Relief
1877 6. Aus dem Tumulus von Alexandropol : Recueil d'ant. de la Scythie Taf. 15.
Der Goldfund von Vettersfelde. 437
An den Anfang dieser Reihe stellt sich nun unser Denkmal; in archaischer
Einfachheit, nicht ohne etwas Steifheit zeigt es zunächst die bekannte Gruppe
von Hirsch und Löwe. An ersterem bemerken wir die nach vorn gebogene
Augensprosse, wie an dem oben besprochenen skythischen Hirschtypus. Der
gefleckte Panther, der den Eber anfällt, ist nach der bekannten Sitte der ge-
samten archaisch-griechischen Kunst mit dem Gesichte von vorne dargestellt.
Der furchtsame Hase in der Mitte oben ist eine wirksame Folie für die grim-
migen Kampfgruppen darunter. Die Einfügung eines scheuen Hasen in andere
figürliche Darstellungen finden wir auch anderwärts gelegentlich in archaischer
Kunst;1 die korinthischen Vasenmaler lassen in ähnlichem Sinne gerne eine neu-
gierige Eidechse quer über das Bild laufen. Der Hase gehört übrigens zu den
in der Kunst am Pontos beliebten Tieren. Ich erinnere an den Hirsch vom Kul
Oba (S. 16 [S. 481]), an Goldplättchen älteren Stiles mit dem laufenden und sitzen-
den Hasen u. a.2 Auf unserer Tai II, 1 [19, 1] ferner sehen wir den vom Hunde
gejagten Hasen, bekanntlich einen Lieblingstypus der ältesten griechischen Kunst.3
Die beiden Gruppen von Löwe und Hirsch, Panther und Eber wiederholen
sich auf den beiden andern Hauptstücken unseres Fundes, nur mit dem Unter-
schiede, daß diese Tiere einen Moment vorher, vor ihrem blutigen Zusammen-
treffen geschildert sind. Auf Taf. III, 1 [20, 1] läuft der Löwe hinter dem Hirsch,
der Panther hinter dem Eber her. Lebendiger ist Taf. II, 1 [19, 1], indem der
Löwe mit wildem Sprunge von hinten den Hirsch zu überfallen droht; doch der
Eber als kampflustiges Tier rennt hier von vorne gegen den anspringenden
Panther an. Ebenso weicht der mutige Stier nicht vor dem Löwen zurück; er
stürmt mit gesenktem Hörne gegen den im Ansprunge liegenden Feind. Ganz
so ist das typische Verhältnis dieser Tiere auch in den alten äsopischen Fabeln,
wo der arme Hirsch immer flieht und bewältigt wird, während Stier und Eber
ebenbürtige Gegner des Löwen sind.4
Wir schließen hier gleich die Betrachtung der andern Tiergestalten auf der 23
Brustplatte Taf. II, 1 [19, 1] an. Die gefleckten Panther sehen wir hier noch
einmal und zwar in zwei kampflustigen Paaren einander gegenüber. Zu den im
Kreise der archaischen Tierfriese ganz regelmäßigen Wesen gehören auch die
auf altkorinthischen Vasen zum Beispiel unzählige Male in Gesellschaft von
Panthern und Löwen auftretenden Widder, die wir hier als Paar einander
1 Z. B. in der Europedarstellung der archaischen Vase einer in Caere gefundenen
Gattung, deren Herkunft noch unbekannt ist, doch wahrscheinlich in einer der ionischen
Kolonien in Italien zu suchen ist (Mon. d. Inst. VI. VII, 77). In der korinthischen Amphi-
araosdarstellung Mon. d. Inst. X, 4. 5. [Berlin 1655.]
■ Antiqu. du Bosph. Taf. 20, 15. Compte r. 1864, Taf. 5, 9; 1869, Taf. 1, 13 (noch aus
dem 5. Jahrh.). Hase von Hund verfolgt Antiqu. Taf. 80, 10; von Skythen zu Pferd ge-
jagt Rec. d'ant. Taf. 13, 10. Antiqu. Taf. 20, 9.
3 Vgl. Arch. Ztg. 1881, S. 33 ff.; 1883, S. 155.
4 Vgl. Usener, De Iliadis carm. quod. Phoc. S. 6.
Der Goldfund von Vettersfelde.
jgenObef gelagert finden. Eine seltenere Gruppe ist aber die letzte noch übrige;
II der Steinbock wird von der archaisch-griechischen Kunst sehr gerne dar-
beut, obwohl auch seine Verbreitung gewisse Grenzen hat; er ist überaus
beliebt in der ältesten sog. mykenischen Periode und den „ Inselsteinen ", dann
speziell auf Kreta, ferner auf Rhodos, sowie in Korinth auf den Vasen, wo er
gewöhnlich dem Panther gegenübersteht; er erscheint auf den kleinasiatischen
Elektronmünzen 1 und endlich wieder am Pontos, wo wir ihn gerade unter den
ältesten Sachen mehrfach treffen.2 Ein ganz seltenes Tier aber ist der Schakal,
dem Steinbock gegenüber; er ist mir aus Kunstwerken gegenwärtig überhaupt
nicht erinnerlich; doch ist es bekanntlich ein in Runaelien und Südrußland nicht
seltenes Tier, so daß es den Künstlern am Pontos sich leicht als Gegenstand
darbieten konnte. Auch die homerischen Gedichte scheinen ihn zu kennen.
Auf zwei Details in der Bildung dieser Tiere lohnt es kurz hinzuweisen.
An dem Stiere nämlich beobachten wir die Eigentümlichkeit, daß nur eines und
zwar ein kurzes Hörn dargestellt ist; es ist dies eine konventionelle Vereinfachung,
die wir in der archaischen Kunst überall in den Flächendarstellungen des Stieres
wiederfinden und die übrigens auch in der assyrischen Kunst herrschte. Be-
sonders nahe verwandt ist unser Stier in seiner Bildung mit dem auf klein-
asiatischen archaischen Elektronmünzen und den kleinen pontischen Silbermünzen,
die Kolchis zugeteilt werden.3 Die andere Eigentümlichkeit läßt sich enger be-
grenzen; es ist der kleine sorgfältige Ausschnitt, den die Borstenmähne des
Ebers (Taf. II, 1 [19, 1] und III, 1 [20, 1]) in der Mitte zeigt, der zwar einem
Dünnerwerden der Borsten an dieser Stelle in der Natur entspricht, doch hier
zu einem bestimmten stilistisch-konventionellen Ausdrucke erhoben ist, den wir
auch keineswegs überall wiederfinden. Weder die korinthische noch altattische
noch etruskische4 Kunst scheint ihn anzuwenden, wohl aber sehen wir ihn auf
24 archaischen Silbermünzen Lykiens, auf kleinasiatischen Elektronstateren, in Cypern6
und endlich in Südrußland auf einem schönen Ringe strengeren Stiles;8 auch
auf archaischen Gemmen unbekannter Provenienz.7
1 Numism. chronicle n. s. XVII, Taf. 6. 11.
mders schön der geflügelte Steinbock am Ende des Trinkhorns Compte r.
1877, Taf. 1, 5. Ferner 1876, Taf. 3, 19. Als Krönung auf einem Bronzebecken lokal
skythischer Form: Rec. d'ant. de la Sc. S. 112 (Tschertomlyk-Nikopol). Vgl. dazu die
ähnlichen aus Perm und Sibirien bei Aspelin, Antiqu. finno-ougr. Nr. 305. 306. 308. 227.
1 Siehe Compte r. 1876, S. 138 f.
4 Wenigstens die schönen altetruskischen Silbermünzen mit dem Eber zeigen ihn
nicht (vgl. Mionnet, Suppl. I. S. 200. Micali, Storia 115, 21).
' Cesnola-Stcrn, Cypern Taf. 18. Sarkophag.
4 Compte r. 1876, Taf. 3, 33 (S. 128) aus einem Grabe in der Gegend des Kuban,
das ans Fnde des 5. Jahrhunderts zu setzen ist.
' Cades, (k. Abdrucksamml. 49, 213—216; 50, 364. 365. Vgl. auch die Caeretaner
n da oben genannten Gattung Mon. d. Inst. VIII, 17, wo der Ausschnitt indess
nicht ganz heruntergeht.
Der Goldfund von Vettersfelde. 439
Wir fahren fort in der Betrachtung der Tiere auf unserem Fische. Der
fliegende Raubvogel, der links am Ende gebildet ist, soll offenbar ein Adler
sein, obwohl er nicht ganz der Natur entspricht. Sicher jedoch ist, daß wir in
ihm wieder einen ganz bestimmten archaisch-griechischen Typus vor uns haben.
Echt altertümlich naiv ist nämlich die Art, wie das Fliegen mit Umgehung der
perspektivischen Schwierigkeiten dargestellt ist und die Gestalt benutzt wird, den
Raum zu füllen. Der Körper des Vogels ist genau ins Profil gestellt und wie
an den übrigen Tieren so auch hier nur ein Bein zu sehen; die Flügel sind nun
aber so gestellt, als ob der Vogel von oben gesehen würde, und dasselbe ist
mit dem Schwänze der Fall. Auf archaischen Werken finden wir diesen Typus
oft. Als besonders genau übereinstimmend nenne ich den Adler auf altchalki-
dischen Vasen,1 die eine besondere Vorliebe gerade für diesen Typus haben, ferner
den Adler des Prometheus auf einer Schale jener alten [früher] Kyrene oder Kreta
zugeschriebenen sog. Arkesilasgattung;'2 auch ein Tonrelief wahrscheinlich alt-
ionischer Kunst3 und die Malerei eines alten Sarkophages von Klazomenae* ist
hervorzuheben. Auf archaischen Münzen ist der Typus nicht selten; namentlich
zeigen ihn die Kyzikener so; ferner archaische Silbermünzen von Chalkis (mit
Schlange), von Lyttos auf Kreta, die ältesten von Elis; solche von Kroton u. a.
Auch kann man an diesen Münzreihen beobachten, wie der Typus im freieren
Stile sich umbildet und einer natürlicheren Stellung der Flügel weicht. Aus dem
Gebiete des Pontos erinnert man sich zunächst der Münzen von Olbia, wo der
Seeadler Tunfische fangend dargestellt zu werden pflegt; dieselben gehören zwar
nicht mehr archaischer Zeit an, zeigen jedoch noch unseren alten Typus, nur
etwas gemildert und freier. Auch Istros und Sinope prägten den ähdezog, der
den Tunfisch fängt, auf ihre Münzen (freien Stiles). Gewiß dürfen wir auch auf
unserem Bildwerke den Vogel als Seeadler auffassen, der über dem Wasser hin-
schwebt, um auf die Fische Jagd zu machen, die friedlich im unteren Friese
ihrem Triton nachschwimmen; so gewinnen wir Leben und Zusammenhang
auch an dieser Stelle. Doch auch als Einzelfigur ist der fliegende Adler 25
in der Kunst am Bosporus heimisch; in etwas rohen, gepreßten Goldplättchen
finden wir den obigen Typus als Gewandschmuck in Gräbern des fünften
Jahrhunderts;5 öfter im vierten Jahrhundert, doch etwas variiert, nämlich von
1 Mon. d. Inst. I, 51 (Schildzeichen). Gerhard, Auserles. Vas. Taf. 105/106. 190/191.
322. 323.
2 Arch. Zeitung. 1881, Taf. 12,3. Relativ selten und weniger charakteristisch auf
attischen Vasen; ein schönes und altes Beispiel jedoch ist in Berlin (Furtwängler,
Vasenkat. 1683).
3 Gazette arch. 1883, Taf. 49; die beiden Flügel wie von oben gesehen, der Körper
Profil, der Schwanz palmettenartig; sehr altertümlich. Vgl. auch Tonreliefs aus Sizilien in
Palermo (Viergespanne.)
4 Journ. of hellen, stud. 1883, Taf. 31.
5 Compte r. 1877, Taf. 3, 14; 30 (ebenso, doch mit Kranz in den Krallen).
490 Der Goldfund von Vettersfelde.
oben oder unten gesehen, wodurch die ausgebreiteten Flügel ihr Auffälliges
verlieren.1
Lenken wir jetzt unsere Aufmerksamkeit auf die Szene im kühlen Meeres-
nde, die unser Künstler, gewiß passend, zum Schmucke des unteren Teiles
des Fisches benützt hat. Wie der Hirt vor seiner Herde so zieht hier der fisch-
schwlnzige Dämon vor den lustig schwimmenden Fischen einher. In ähn-
lichem Sinne schilderten die Dichter seit der Odyssee, wie Proteus, der die Tiere
des Meeres weidet, aus der Tiefe taucht und um Mittag im Kreise seiner Robben
sich zum Schlafe legt. Daß die Gestalt unseres Fischdämons eine rein archaische
ist, die in der entwickelten Kunst völlig verschwindet, haben wir schon oben
12 [S. 477]) gelegentlich bemerkt. Unmittelbar unter der Brust, die bis auf
die große Brustwarze durch feine Strichelchen als behaart bezeichnet ist, beginnt
der geschuppte Fischleib; die Bewegung der Arme ist noch sehr ungeschickt,
der Kopf im Verhältnisse viel zu groß; Haare und Bart überaus lang; die Nase
weit vorspringend, das Auge oval und natürlich wie immer in archaischer Kunst
von vorne dargestellt; das Ohr in der üblichen schematischen Form, die wir nament-
lich von den altertümlichen Vasen als typisch kennen.
Die Figur dieses Dämons ist indess nicht sehr häufig in der archaischen
Kunst und ihr Vorkommen läßt wohl eine bestimmtere Begrenzung zu. Der fisch-
leibige Typus selbst ist orientalischer Herkunft und durch Kleinasien wie durch
die Phöniker scheint er den Griechen überliefert worden zu sein.'- Doch an
eigenen mythologischen Vorstellungen von im Meeresgrunde hausenden Dämonen
fehlte es den Griechen nicht; sie hatten, an verschiedenen Orten entstanden und
lokalisiert, ihren Nereus und Proteus und Glaukos und Phorkys und Triton und
den Halios Geron, den Seegreis, mit welchem allgemeinen Namen sich einige
begnügten; derselbe drückt die gemeinsame Eigenschaft dieser Dämonen aus;
es sind Greise der See, voll Weisheit, Vergangenheit und Zukunft durchschauend,
in den Tiefen des Meeres weilend, mächtig, aber schwer zugänglich selbst den
Helden. Der fischleibige Typus bot sich für all diese Dämonen passend dar.
Schon die älteste Kunst läßt Herakles mit einem derselben ringen;8 ein altes
irgivisches Relief gibt dem Dämon den Namen Halios Geron;* die Attiker später-
hin nannten ihn Triton. Ohne ihm einen bestimmten Namen geben zu können,
finden wir dann den Fischdämon, und zwar ganz in der Gestalt wie auf unserem
1 Compte r. 1872, Tat. 3, 7. 8 (S. 163). Rec. d'ant. de la Sc. Taf. 8, 22. 14 (S. 12;
Tum von Alcxandropol). Schöne Silbcrplattc Compte r. 1876, Taf. 4, 1 (S. 120).
1 Vgl Purtwlngler, Bronzefunde von Olympia S. 98 [oben S. 414].
' Sog. Inselstein: Kevue arch. 1874, II Taf. 12, 1. Vgl. Milchhöfer, Anfänge d.
griech. Kunst, S. 81. I Tics von Assos (die neuerdings versuchte Datierung des Tempels
in das '). Jahrhundert halte ich für unmöglich).
1 Siehe Furt wangler a. a. O. S. 92. 96 ff. [oben S. 410. 413 ff.]. Ausgrab. v. Olymp.
IV, Taf. 25B nebst Text [Olympia IV, 699].
Der Goldfund von Vettersfelde. 491
Bildwerke, vereinzelt auf altkorinthischen Vasen,1 ungleich häufiger auf solchen,
die auf ionischen Ursprung weisen,2 recht oft auch in archaisch-etruskischer
Kunst,3 wogegen er in der altattischen außer in jenem Kampftypus mit Herakles
nicht vorkommt; er erscheint ferner in der ionisch-kleinasiatischen Kunst4 und
namentlich wichtig ist uns, daß er auch auf den archaischen Elektronmünzen von
Kyzikos nicht fehlt.5 Auf dieser Denkmälergruppe hat er die nächste Verwandt-
schaft mit dem unseres Fundes. Auf allen angeführten Monumenten erhebt er
fast immer die eine Hand hoch und hält darin entweder einen Fisch oder
einen Kranz oder kreisförmige Binde gefaßt; auch die einmalige Windung des
Fischkörpers ist typisch. In den bosporanischen Kunstwerken ist er bis jetzt
noch nicht zu Tage gekommen; dafür wissen wir, daß am Eingange des Pontos,
in Byzanz, der Halios Geron in jener fischleibigen Gestalt eines eigenen Kultes
sich erfreute,0 der aus der Mutterstadt Megara stammte und den die megarischen
Kolonisten als Schutzgott mit sich verbreitet zu haben scheinen. Neben der
übermächtigen milesischen Kolonisation war aber die megarische bekanntlich die
wichtigste an den Küsten von Propontis und Pontos. Von Megara ging Hera-
clea Pontica an der Südküste aus und von da Chersonesos auf der taurischen
1 Alabastron in Berlin (Furtwängler, Katalog Nr. 1079), mit Delphin in der Hand.
2 Amphora in Berlin (Furtwängler Nr. 1676 = Gerhard, Auserles. Vas. Taf. 9),
wahrscheinlich aus einer chalkidischen Kolonie in Italien. Amphora bei Gerhard,
Auserles. Vas. Taf. 317,318, jetzt beim Marquis of Northampton (wegen ihres ionischen
Ursprungs vgl. nur die Silene mit dem eines Klazomenischen Sarkophags (Journal of
hell. Stud. 1883, S. 21 Fig. 15). Ferner gepreßte rottonige Reliefgefäße (Berlin, Furt-
wängler Nr. 1639. Micali, Mon. ined. 34, 3). Großer wohl chalkidischer Bronzehenkel
im British Museum (Guide, bronzer. S. 6 [Cat. of Bronzes 576]); prächtiger, ebenfalls
wohl chalkidischer Bronzehenkel in der Eremitage zu Petersburg (Bronzes Nr. 174; Replik
davon 180), beide mit je zwei „Tritonen", archaisch; auf einem andern derartigen arch.
Henkel (im Louvre) haben die zwei Tritone je eine Frau geraubt. Als verderblich er-
weist sich der Dämon, wenn er an einer Bronzeattache desselben wohl chalkidischen
Stils einen kleinen Krieger gefaßt hält (Mus. in Dresden). Im gewöhnlichen Typus, einen
Fisch in jeder Hand, auf dem gravierten Fries einer der chalkidischen Bronzeurnen von
Capua (im Kunsthandel).
3 Z. B. Micali, Storia 31, 4. 57, 10. 46, 19.
4 An einem Throne auf dem „Harpyiendenkmale" von Xanthos. Am amykläischen
Throne des Bathykles von Magnesia. Auf altpersischen Silbermünzen, den in der folg. Anm.
genannten Kyzikenern sehr ähnlich und fast ganz altgriechischen Stils (Fisch in der Hand).
3 Mionnet VI, 616, 20; zwei sehr archaische Exemplare in Berlin (Kranz in der
Hand) ; der Typus ist natürlich nicht zu verwechseln mit dem von den Hüften ab schlangen-
förmigen „Giganten" derselben Kyzikener (Num. chron. n. s. XVI, Taf. 8, 14. 15). Der
Fischdämon auch auf den Münzen von Itanos auf Kreta, schon archaisch, doch mit Drei-
zack nach Fischen stechend; ähnlich in Hierapolis in Syrien (Num. chron. n. s. XVIII,
Taf. 6, 5) ; hier mag phönikischer Einfluß die Wahl des Typus bestimmt haben (Itanos gilt
für phönik. Gründung).
6 Dionys. Byz., De Bosp. navig. S. 20 (ed. Wesch.). Furtwängler, Bronzef. S. 97
[oben S. 414].
49 Der Ooldfund von Vettersfelde.
I lalbinsel, letzteres freilich kaum vor dem fünften Jahrhundert. Aus Megara selbst
besitzt Jas Berliner Antiqiiarium ein reizendes kleines silbernes Diadem J mit im
Stile der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts gravierter Darstellung unseres
chdflmons, der mit ausgestreckten Armen unter Delphinen weilt, einem See-
pferJe gegenüber. Indess genügt uns für unsern Zweck der obige Nachweis,
daß gerade die alte ionische Kunst unseren Seedämon kennt und gerne darstellt
und am Pontos, wo der Fischfang eine solche Rolle spielt, werden ihn die Ionier
hwerlich vergessen haben.
Die Fische selbst, auch Seeungeheuer, sind jedenfalls ein sehr beliebter
Gegenstand der Kunst in jenen nördlichen Kolonien der Ionier. Besonders
wichtige Zeugnisse sind uns hier wieder die bekannten Elektronmünzen von
Kyzikos an der Propontis, welche die Fische, und zwar nicht die auch ander-
wärts häufigen Delphine, sondern wirkliche thunfischartige Fische, die denen unseres
Fundes gleichen, zu ihrem immer wiederkehrenden Merkzeichen erkoren haben.
Sehr archaische Stücke zeigen nur zwei Fische übereinander; andere einen ge-
flügelten Dämon zwischen zwei Fischen. Aber auch im freien Stile begleitet
der Fisch Gestalten aller Art; den Köpfen legt er sich als Abschluß unten an
den Hals, wozu Goldplättchen älteren Stiles vom kimmerischen Bosporus nächste
Analogien bieten, indem sie ebenso unten an einen mit dem Löwenkopf ver-
bundenen Athenakopf den Fisch setzen oder ihn unter ein greifenartiges Un-
geheuer legen.-' Auch eine Gattung kleiner altertümlicher kleinasiatischer Elektron-
münzen mit vertieftem Quadrat stellt einen größeren Fischkopf, umgeben von
zwei kleineren Fischen, dar. In Byzanz findet man den Thunfisch unter dem
Stier. An die Münzen von Sinope Olbia Istros, welche den Seeadler mit dem
Fische zeigen, brauche ich nur zu erinnern; dieselben zeigen indess meist den
späteren Stil, der den Thunfisch nicht mehr realistisch gibt, sondern durch eine
Delphinschnauze gleichsam idealisieren zu müssen glaubt. Auch der Fischmarken
von Olbia," die übrigens auch die delphinartige Bildung zeigen, sei gedacht.
Von Kunstwerken aus der Krim nenne ich besonders die schöne Silbervase aus
dem Kul Oba mit den Wasservögeln und den vielen realistisch gebildeten Fischen
rings;* auch den Streif von Fischen, die mit Delphinen gemischt sind, auf dem sog.
Schilde von dort.'' Die Vorliebe für den Fisch war bei dem Künstler unseres Fundes
so groß, daß er auch die schmaler werdenden Enden des Gegenstandes Taf. III, 1
[20, 1 ] mit Fischen füllte, die hier freilich etwas unvermittelt den Raubtieren folgen.
Aus andern Kreisen der archaischen Kunst ist eine Bevorzugung des Fisches
zunächst auf den ältest griechischen Gemmen, den sog. Inselsteinen, dann noch
Inv. 7J15.
1 Comptc r. 1877, Taf. 3, \'K Antiqu. du Bosph. Taf. 20, 12. Mon. d. Inst. 111,52,22.
■ Vgl v. Sa 11 et in seiner Num. Zeilsclir. Bd. X, S. 144.
tiqu. du Botph. l.d. 35, 5.
<!a Taf. 25.
Der Goldfund von Vettersfelde. 493
besonders an den altertümlichen Vasen der sog. Arkesilasgattung zu konstatieren, 28
die nicht den Delphin, sondern einen unsern Fischen sehr ähnlichen, zuweilen
auch mit recht langer Brustflosse ausgestatteten Fisch allein oder zu mehreren
gerne als Verzierung des unteren Abschnitts des Inneren der Schalen gebrauchen.1
Die spätere Kunst am Pontos zog statt der realistischen Wasserwesen mehr
phantastische Seeungeheuer vor. Namentlich ein gewöhnlich als Seedrache oder
Seegreif bezeichnetes Wesen, dessen Vorbild in der Natur wohl die kleinen sog.
Seepferdchen waren, wird dort sehr beliebt. In seiner einfacheren Gestalt hat
es einen gewundenen Fischleib, einen Tierkopf mit langer Schnauze und eine
Stachelmähne;2 eine dekorativ günstigere Gestalt erhielt es dann durch die Be-
flügelung,3 wodurch sein Oberkörper dem Greif sehr ähnlich wird, dem vom
fünften Jahrhundert ja ebenfalls die sicher von Seewesen entlehnte Stachelmähne
gegeben wird. Dann bekommt jenes Geschöpf auch Vorderbeine vom Greifen
und zeigt sich als Raubtier;4 im lokalen skythischen Stil des vierten Jahrhunderts
erscheint es besonders häufig, wird jedoch in dem Streben, die Tierform in
Ornament aufzulösen, oft fast bis zur Unkenntlichkeit entstellt.5
Hier ist auch der Ort für eine Bemerkung, die sich manchen wohl schon
aufgedrängt haben wird, daß nämlich unter den Tieren unserer Fundstücke das-
jenige fehlt, das in der Kunst in Südrußland sonst die Hauptrolle spielt, der
Greif. Doch wenn wir die allerdings noch nicht sehr zahlreichen altertümlichen
Werke von dort zusammenstellen, so sehen wir, daß hier der Greif relativ viel
seltener ist als späterhin. Wahrscheinlich ward die Sage vom Greif, die ihn
hinter Skythien lokalisierte und ihn mit den Arimaspen kämpfen läßt, also die
Sage, die als Hauptanlaß für die überaus häufigen Darstellungen des Greifs in
den südrussischen Denkmälern gelten muß, erst sehr allmählich und erst gegen
Ende des fünften Jahrhunderts dort populär. Zu Herodots Zeit scheint sie es
noch nicht gewesen zu sein; er kennt die Sage nur aus Aristeas6 (der sie am
Anschlüsse an lokale Traditionen von goldhütenden Ungeheuern erfunden haben
mag) und ebenso offenbar Aeschylos;7 die Kunstdarstellungen zeigen die Ari-
maspen- und Greifenkämpfe frühesten Ende des fünften Jahrhunderts; die attischen,
für Skythien arbeitenden Vasenfabriken nehmen diesen Gegenstand erst im vierten 29
1 Mon. d. Inst. I, 7, 1. Arch. Ztg. 1881, Tat. 13, 6. Micali, Mon. in. 42, 1. Arch. Ztg.
1881, S. 218, 15A.
2 Compte r. 1859, Taf. 3, 5, Ring (Anf. 4. Jahrh.) Antiqu. du Bosph. Taf. 2, 3 im Orna-
ment. Auf Silbermünzen von Itanos und Cumae ebenso.
3 Antiqu. du Bosph. Taf. 20, 14, sehr schön, der Kopf fehlt leider (Kul Oba).
4 Rec. d'ant. de la Sc. Taf. 12, 6 (Alexandropol). Compte r. 1865, Taf. 3, 32. Rec.
d'ant. de la Sc. 8, 9. 15, 6. 13, 2. 24, 1. 2. 25, 3—4.
5 Rec. d'ant. de la Sc. Taf. 30, 15 (Nikopol; ohne Flügel); Taf. 23, 5 ganz ornamental.
»Skythischen" Stils sind auch mehrere Stücke, die in der vorigen Anm. genannt sind.
6 Her. IV, 12.
7 Aesch. Prom. 804.
494 Der i'umdfund von Vettersfelde.
Jahrhundert auf. Die Figur des Greifs war freilich den ionischen Kolonisten
i Pontos eine altbekannte; war doch in Teos, von wo Phanagoria kolonisiert
wurde, der Greif auf den ältesten Münzen zu Hause.1 Auch Kyzikener zeigen
den archaischen Greifentypus, der auch auf anderen kleinasiatischen alten Elektron-
und Silbennünzen öfter vorkommt. Aber der Anlaß, den Greif gerade besonders
oft darzustellen, scheint in den Kolonien in Skythien für die ältere Zeit noch
gefehlt zu haben.
Läßt also unser Künstler in seinen Tierfriesen alle phantastischen Gestalten
weg, so hat er doch in den widderköpfigen Enden des Fischschwanzes etwas
derart getan, was man als phantastisch zu bezeichnen pflegt. Über die künstle-
rischen Gründe, die ihn hiezu bestimmen mochten, haben wir schon oben (S. 7 f.
[S. 473]) gesprochen. Es gilt hier, diese Widderköpfe als ein altgriechisches
Motiv zu erweisen, das in archaischer Zeit seinen bestimmten Verbreitungskreis
hat; denn daß es späterhin ganz allgemein verbreitet und überall beliebt war,
namentlich an Geräten jeder Art, ist jedem bekannt. Die allernächste und durch
ihre Besonderheit so schlagende Parallele war uns das widderkopfförmige Ende
des Geweihes am Hirsch vom Kul Oba (S. 16 [S. 481]). Aber auch als einzelnes
Goldplättchen ist der Widderkopf am kimmerischen Bosporus beliebt und zwar
gerade in den archaischen Gräbern des fünften Jahrhunderts.- Archaisch ist ferner
das Rhyton aus einem Tumulus beim Kuban mit einem Widderkopf am Ende,3
der den unsrigen auch stilistisch sehr verwandt ist. Ein Rhyton aus dem Kul
Oba läuft in ein Widdervorderteil aus.4 Widderköpfe kommen als Amulette an
einem Halsbande vor.5 Ferner finden wir den Widderkopf in überraschend ähn-
lichem Stil, wie an unserm Fische auf den Elektronmünzen von Kyzikos;6 das
Fell vor den Hörnern ist in kleinen feinen erhöhten Pünktchen gegeben, die den
vertieften unserer Köpfe genau entsprechen. Ähnlich sind ferner die Widder-
köpfe, die neben denen von Stier und Greif einen Goldschmuck aus Lydien7
zieren, der den altrhodischen Goldsachen sehr nahe verwandt ist. Endlich reiht sich
hier wieder Etrurien an, wo ebenfalls an Goldsachen archaischen Stiles Widder-
köpfe öfter vorkommen.8 Eine ganz besondere Vorliebe für den Widder in ganzer
30 Gestalt oder nur als Kopf hat indess eine in das sechste und fünfte Jahrhundert
fallende sehr bedeutende Gattung von Bronzegeräten und Bronzegefäßen, welche
1 Vgl. hierüber und den archaischen Greifentypus überhaupt Furtwängler, Bronze-
funde von Olympia S. 52 f. [oben S. 379 ff.].
' Widderkopf von oben gesehen: Compte r. 1876, Taf. 3, 15. 1877, Taf. 3, 12.
1 Compte r. 1877, Taf. 1,6.
4 Antiqu. du Bosph. Taf. 36, 1.
• rnptc r. 1809, Taf. 1, 15 von der Halbinsel Taman; Anfang des 4. Jahrhunderts.
4 Unter dem Kopfe ein lisch oder Vogel ; auf der Rückseite ein vertiefter Löwenkopf od. a.
II. de corr. hell. III, Taf. 4. 5 klein und undeutlich abgebildet; er stammt frühestens
aus dem 7. Jahrhundert und hat mit „Mykenischer" Kultur nichts zu tun.
• Micali, Storia 46, 13. Mus. Gregor. I, 71a.
Der Goldfund von Vettersfelde. 495
ionischen und wahrscheinlich speziell chalkidischen Ursprunges ist und haupt-
sächlich in Italien, doch auch in Sizilien und Griechenland gefunden wird und
die auch in den Gräbern Südrußlands vertreten ist, wo mehrere charakteristische
Proben aus der späteren Zeit jener Industrie (um die Mitte des fünften Jahrhunderts)
gefunden sind.1 Es ist hier nicht der Ort, näher auf diese überaus interessante
Denkmälerklasse einzugehen, die in den europäischen Museen zwar sehr zahl-
reich vertreten ist, aber noch relativ wenig beachtet wurde.2 Der Löwe und der
Widder spielen die Hauptrolle in der ganzen Dekoration dieser Gruppe; beide
Tiere wechseln unaufhörlich miteinander ab und namentlich in Anbringung von
Widdern und Widderköpfen konnten diese alten ionischen Künstler sich kaum
je genug tun; jene werden fast immer ruhig lagernd dargestellt, diese schmücken
alle Ecken und Enden. Welche Gründe diesen Kunstkreis zur Bevorzugung
der Widder veranlaßte, können wir natürlich nicht bestimmen; daß man dem
Bilde der gerne und stark stoßenden Tiere eine abwehrende schützende Kraft
beilegte, mag wohl sein;3 auch war der Widder in den Sagen, wie denen von
Atreus und Phrixos, ein Symbol des Segens. Den Künstler unseres Fisches
speziell werden indess weniger bewußte Vorstellungen dieser Art als künstlerische
Gründe und die von uns im weiteren Kreise alter ionischer Kunst nachgewiesene
Tradition geleitet haben.
Auch für das Element des „Phantastischen", das in der ohne nachweisliche
mythologische Grundlage geschehenden Vereinigung zweier verschiedener orga-
nischen Wesen besteht, ließen sich aus jenem Kreise zahlreiche Analogien an-
führen. Doch will ich bei dem Nächsten stehen bleiben und erinnere von griechi-
schen Denkmälern Südrußlands nur an die im fünften und vierten Jahrhundert
häufigen Goldplättchen mit dem Athenakopfe, der mit einem Löwenkopfe in
eins verbunden ist,4 oder an die geflügelten Löwen mit Menschengesichtern,5 oder an
eine Goldplatte des fünften Jahrhunderts mit einem aus drei verschiedenen Tierköpfen 31
und Hundebeinen zusammengesetzten (See-?) Ungeheuer,6 an die Vorliebe für den
1 Compte r. 1877, Taf. 1,9; 3, 4. Antiqu. du Bosph. 44, 7.
2 Doch hat Heibig in den Annali d. Inst. 1880, S. 223 ff. einen, insofern er sich
auf ein geringes Material beschränkt, zwar kleinen, doch bedeutenden Anfang zu ihrer
wissenschaftlichen Bearbeitung gemacht und auf Taf. U und V einige Typen publiziert;
auch hat er, wie ich glaube, richtig ihren chalkidischen Ursprung erkannt, wenn ich
auch seinen Gründen nicht immer beipflichte und sie zum Teil durch bessere ersetzen
zu können glaube. Beispiele von Widderkopf oder ganzem Widder s. Taf. U, 1 und 2.
V, 3 (vgl. S. 233).
3 Stephani übertreibt diesen Gesichtspunkt gewiß. Vielfaches Material für Widder-
köpfe in seinem Compte r. 1869 (s. den Index), jedoch fast nur aus späterer Kunst und
für historische Untersuchungen nicht brauchbar.
4 Compte r. 1876, Taf. 3, 4. 5. 6. 1877, Taf. 3, 19, archaisch. Rec. d'ant. Taf. 30,6
Nikopol.). Antiqu. du Bosph. Taf. 21,2 (Kul Oba), freieren Stiles.
5 Antiqu. du Bosph. Taf. 2, 2.
6 Compte r. 1877, Taf. 1,8.
Der üoldfund von Vettersfelde.
en besprochenen .Seedrachen", oder auch an eine archaische kleinasiatische
ElektronmQnze l mit dem aus einem Greifenkopf und einem menschlichen Kopfe,
die durch einen fischartigen Leib verbunden sind, bestehenden Unwesen, endlich
an den Flflgellöwen und besonders das Flügelschwein, das auf den altionischen
Münzen ebenso wie auf älteren Goldplättchen am Pontos erscheint.2
Es bleibt uns nur ein Detail an unserem Fisch zu erläutern übrig; es sind
die vom Auge ausgehenden Spiralen. Sie sind natürlich rein dekorativ; auch
für sie jedoch lassen sich schlagende Analogien aus altgriechischer Kunst nach-
weisen. Ich meine vor allem jene Lockenspiralen, welche, von den Augen oder
hinter den Ohren ausgehend, zu den Haupteigentümlichkeiten des alten Greifen-
typiis vor dem fünften Jahrhundert gehören;3 sie pflegen ganz in derselben Weise
stilisiert und durch Kerbung geschmückt zu sein wie hier; nur sind sie an den
Greifen bei der Länge des Halses natürlich länger. Jener Greifentypus hat aber
seine ursprüngliche Heimat und seinen Hauptsitz wieder im Gebiet kleinasiatischer
und ionischer Kunst. +
Das zweite Hauptstück unseres Fundes, Taf. II, 1 [19, 1] haben wir in Bezug
auf die dasselbe schmückenden Tierdarstellungen bereits oben erläutert. Wenn
wir uns jetzt fragen, welche Bestimmung es gehabt haben mag, so kann bei
reiflicher Erwägung kein Zweifel bestehen, daß wir es mit einem Brustschmucke
zu tun haben.5 Für einen solchen allein passen Größe und Form vortrefflich;
die Löcher für die Befestigung auf dem Gewände oder vielleicht dem Panzer erkennt
man deutlich auf unserer Abbildung. In den Tumuli der nordpontischen Kolonien
kommt ähnliches vor. Eine silberne Brustplatte fand sich auf dem Leichnam in
einem Grabe im Kubangebiet aus dem fünften Jahrhundert; sie ist ungefähr von
derselben Größe wie die unsrige, doch kreisrund und mit Strahlen geschmückt; 6 eine
andere Brustplatte von dort stellt eine säugende Hündin dar und einen fliegenden
Adler darunter;7 es waren also sehr verschiedene Formen üblich. Unsere Form
isl bis jetzt noch nicht vorgekommen, doch läßt sich wenigstens genau dieselbe
Grundgestalt, nämlich vier zu drei Vierteln ausgeschnittene größere Kreise rings
um einen kleinen Kreis in der Mitte, nachweisen als eine in den kleinen goldenen
-plättchen, die zum Gewandschmucke in den südrussischen Gräbern dienen,
1 .Mi Hingen, Syll. 3,39. Greif in einen Fischleib auslaufend auf einem Gold-
plättchen von Phanagoria (Compte r. 1865, Taf. 3, 32).
' VgL Compte r. 1864, S. 179 ff.
1 Siehe meine Bronzel v. Ol. S. 47 ff. (oben S. 375 ff.].
4 Wie icli anderwärts auszuführen gedenke, da dies hier nicht direkt nötig ist. [Roschers
:i. Lex. Art. Gryps.)
• El bitte auf der Tafel besser so gestellt werden sollen, daß die vertikale Mittellinie
durch itren von drei Kreisen ginge.
ipte r. 1877, Taf. 3, 5 (S. 223). Stephani vermutet, daß auch die kreisrunde
:te aus dem Kul Oha (Antiqu. du Bosph. Taf. 25) eine Brustplatte gewesen sei.
• rnpte r. 1876, Taf. 4, 1—3.
Der Goldfund von Vettersfelde. 497
nicht seltene Form.1 Dieselbe, die nichts Organisches, nicht etwa eine Blüte
darstellt, hat aber offenbar in größerem Maßstabe noch mehr Existenzberechtigung
als in kleinem, und jene kleinen Plättchen dürften von der älteren Sitte größerer,
die wir jetzt kennen lernen, abgeleitet sein. Als auf eine entfernter verwandte
Erscheinung möchte ich auch auf die bekannte Form des Brustpanzers hinweisen,
die in Gräbern Unteritaliens gewöhnlich ist und sehr häufig auf den dortigen Vasen
des dritten Jahrhunderts an den einheimischen Kriegern dargestellt wird; derselbe
besteht aus drei verbundenen, gleich großen kreisförmigen Platten, die eine
unten und zwei darüber; eine kleine, echt altertümliche Bronze aus Sizilien 2 lehrt
übrigens, daß diese Form auch in Sizilien und zwar schon in alter Zeit üblich war.
Das dritte Hauptstück, Taf. III, 1 [20, 1], zusammen mit dem Schwerte, Taf. 111,5
[20, 5], ist geeignet, jeden Zweifel, den jemand auch nach unserer Erläuterung
des Fisches an unserer These etwa noch haben sollte, vollständig zu zerstreuen.
In der Tat sind diese Stücke wohl noch beweiskräftiger als der Fisch und ge-
nügen jedenfalls allein zu vollgültigstem Nachweise, daß unsere Objekte von
einem Griechen für einen skythischen Krieger gearbeitet sind.
Der Beschlag, Taf. III, 1 [20, 1], rührt nicht etwa, wie man gesagt, von einem
Köcher her und hat auch nichts mit dem skythischen Goryt zu tun, dessen Form
sehr verschieden ist; 3 es ist der Beschlag der Scheide für das Schwert Taf. IN, 5
[20, 5], und dieses Schwert und diese Scheide haben eine Form, die von allen
Zeiten und allen Völkern nur den Skythen des Altertums und ihren östlichen und
nordöstlichen Verwandten angehört hat; und da sie mit altgriechischer Arbeit
geschmückt sind,4 wie wir bereits zur Genüge bewiesen haben durch die Be-
trachtung der Tierdarstellungen, so können sie nur in den nordpontischen Kolonien
der Griechen unter den Skythen gearbeitet sein.
Im wesentlichen gleiche Schwertbeschläge haben sich bis jetzt in den skythisch-
griechischen Gräbern zweie gefunden; der eine in dem Kul Oba,5 der andere 33
in einem Königsgrab der Steppen am Dnjepr (Tschertomlyk bei Nikopol),6 beide
indess von freiem Stile, später als der unsrige und kaum vor 400 zu setzen.
1 Compte r. 1865, Taf. 3, 35 (S. 92) von der Halbinsel Taman; 4. Jahrhundert: es
wurden 22 Stück davon gefunden. Ferner aus dem Tumulus von Alexandropol : Rec.
d'ant. Sc. Taf. IX, 9. 10. 12. 13 (S. 12). Auch in Perm ähnlich, s. Aspelin, Ant. finno-ougr.
Nr. 733. 753.
2 Longperier, Not. des bronzes ant. au Louvre Nr. 93; abg. Daremberg et
Saglio, Dict. des Ant. I, S. 1177.
3 Compte r. 1864, Taf. 4.
4 Daß das griechische Schwert eine von dem unsrigen wesentlich verschiedene Griff-
form hatte, erkennt man sofort bei angestelltem Vergleiche. Man beginne von den my-
kenischen Schwertern, den Darstellungen auf den Inselsteinen und betrachte dann die
zahllosen Darstellungen von Schwertgriffen auf Vasen usw., um sich davon zu überzeugen.
5 Antiqu. du Bosph. Taf. 26, 2.
6 Compte r. 1864, Taf. 5, 1. Rec. d'ant. Sc. Taf. 35, 1.
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. 32
498 £>ER ÜOLDFUND VON VETTERSFELDE.
Das besonders Charakteristische der Form ist die Ausweitung am oberen Ende;
auch befindet sich in der oberen Ecke derselben, genau wie an unserem Stücke,
ein größeres Loch. Dagegen ist die Länge des gestreckten Teiles an dem
unsrigen beträchtlich geringer, auch wenn man sich das hier offenbar fehlende
und besonders angesetzt gewesene, wieder etwas sich ausweitende Schlußstück,
das dort dem einen Stücke mit angearbeitet ist, hinzudenkt.
Die seltsame Form des oberen Endes, von der in jenen beiden späteren
Exemplaren nur noch die Rudimente erhalten sind in einem eckigen Abschnitte,
erklärt sich sofort, wenn wir den Schwertgriff (Taf. III, 5 [20, 5]) hereinlegen; der
herzförmige Schluß des Griffes paßt genau in jenen oberen mit den Augen ver-
zierten Teil! Die Scheide war also bestimmt, auch jenes Ende des Griffes zu
schützen und nur die Griffzunge ragte darüber heraus. Auch der flache Winkel,
den die Scheide am obersten Ende nach außen macht, schließt sich der Form
jenes Griffendes an, dessen ganze Gestalt sich demnach in der Scheide gleichsam
abprägt. Ebenso entspricht dann offenbar die Mittelrippe des gestreckten Teiles
der etwas erhöhten Mittellinie des Schwertes. Die Flächen jenes durch die Griff-
form bedingten oberen Endes aber mit zwei Augen zu schmücken, war ein
gewiß glücklicher Gedanke, der wieder so recht in den Gewohnheiten altgriechi-
schen Kunsthandwerks begründet ist, wo man die Spitzen des Schiffsvorderteils
mit großen Augen schmückte,1 wo man auf Gefäßen, namentlich Trinkschalen
und allerlei anderem Geräte, ja selbst den Stadtmauern jene Augen, denen man
schützende apotropäische Macht zuschrieb, so gern anbrachte. Wahrscheinlich
war das Innere der Augen in unserem Falle auf dem hölzernen oder ledernen
Untergrunde selbst gemalt, wodurch sie natürlich erst recht lebendig wurden.
Daß die etwas unbeholfene Form der Augen mit den dicken Lidern ebenfalls
archaisch ist, brauche ich kaum hervorzuheben.
Wozu aber jene Ausweitung an der einen Seite des oberen Endes? Sie
dient lediglich zum Anhängen des Ganzen an der Seite des Kriegers und jenes
größere Loch in der Ecke oben ist eben dasjenige, durch welches das Band
gezogen war, an welchem das Schwert schräg herabhing. Eine andere Bestim-
mung ist gar nicht denkbar.- Kein hohler Teil der Scheide befand sich hinter
jener Ausladung, sondern nur ein Stück Leder, auf welches das Goldblech be-
festigt war, wie die vielen kleinen Löcher zeigen. Daß praktische Gründe ein
Volk leicht dazu führen konnten, statt das Schwertband an der Innenseite der
1 Vgl. Milchhöfer, Der Peiraieus (Karten von Attika von Curtius und Kaupcrt),
S. 58. Schiffe auf korinthischen bemalten Votivlafeln in Berlin u. a.
■ Irrtümlich ist die Vorstellung von Stephani, Compte r. 1864, S. 174, daß das
Schwert mit seinem ganzen (iriff in der Scheide verborgen gewesen wäre und die Aus-
ladung, die er sich auch innen hohl denkt, das hrf.issen des Griffes hätte erleichtern
sollen; diese unpraktische, wenn nicht unmögliche Hypothese wird durch unsere beiden
Stücke widerlegt
Der Goldfund von Vettersfelde. 499
Scheide zu befestigen, ein besonderes Stück zu dem Zwecke an letztere an-
zufügen, ist ja an sich schon sehr wohl begreiflich.
Die nächste Frage, die wir uns stellen, ist die, ob die eigentümliche Form
des Griffendes des Schwertes mit dem herzförmigen Ausschnitte, der sich auch
in der Scheide abprägt, ob diese Form ihre bestimmte lokale Heimat hat. Ich
habe unter all den Hunderten von Schwertern und Dolchen, die uns aus dem
südlichen, mittleren und nördlichen Europa erhalten sind, vergeblich nach dieser
Form gesucht. Nur im Osten konnte ich sie finden und hier sogar als die
herrschende. Zunächst tritt sie uns in den griechisch-skythischen Gräbern in
zahlreichen Beispielen entgegen. Der herzförmige Ausschnitt ist hier immer da,
bald flacher geschwungen, bald steiler; der obere Abschluß des Griffendes gegen
die Griffzunge pflegt dagegen nicht gerundet, wie an unserem, sondern eckig
gestaltet zu sein, so daß das ganze Griffende einem Dreiecke gleicht, dessen
untere Seite herzförmig ausgeschnitten ist; dieser Unterschied ist indess für uns
ganz unwesentlich; auch bildet ja unsere Scheide selbst die obere Linie mit
einem flachen Winkel. Die bisher bekannten Beispiele gehen nicht über 400 v.Chr.
zurück, sie stammen meist aus dem großen Königstumulus von Tschertomlyk bei
Nikopol,1 aus andern Gräbern der Steppen am Dnjepr,2 sowie aus dem Kul Oba
bei Kertsch.3 Die Technik dieser sämtlichen Stücke stimmt genau mit der des
unsrigen überein, indem sie alle aus Eisen bestehen, und indem die Griffe mit
Goldblech belegt sind; in derselben Technik sind auch die Messer aus jenen
Gräbern gehalten.4 Das Goldblech pflegt mit gestempelten Tierfiguren des lokalen
skythischen Stils geschmückt zu sein; einen reineren Geschmack sehen wir an
unserem Stücke, so daß nichts hindert, es demselben griechischen Atelier im
Skythenlande zuzuschreiben, dem wir die bisher betrachteten Stücke des Fundes
zuschrieben. Die aufgesetzten kleinen Zierraten, die man Spiralbrillen nennen
möchte, kommen an sicher griechischen Goldsachen aus den südrussischen
Gräbern sehr häufig vor, und zwar ebenso aufgesetzt, namentlich mit reicher
ausgeführten Spiralen auf zierlichen Perlen.6
Derselbe herzförmige Griffschluß des Schwertes war aber ein nach Nordosten
hin weit verbreiteter, der, wie andere Spuren ebenfalls, auf einen alten Völker- 35
Zusammenhang vom Altai und Jenisei bis zu den südrussischen Skythen hinweist.
1 Rec. d'ant. de la Scythie Tat. 40, 9. 12. 14; 37, 3; 35, 2 = Compte r. 1864, Taf. 5, 2. Das
obere Ende pflegt weniger stabförmig zu sein wie das unsrige, sondern mehr knopfartig.
2 Rec. d'ant. de la Sc. Taf. 26, 13. 18 ist wahrscheinlich der goldene Scheidenbelag
dazu (Tombe pointue de Tomakovka, S.66).
3 Antiqu. du Bosph. Taf. 27, 10.
4 Ebenda Taf. 27, 7. 30, 10.
5 Z. B. Compte r. 1865, Taf. 3, 37 (S. 92). Antiqu. du Bosph. Taf. 12, 4. 24, 19. Das ge-
preßte stumpfe Ornament Rec. d'ant. Sc. Taf. 10, 29 scheint auf dasselbe Motiv zurück-
zugehen. Ähnliches aus Kameiros (Brit. Mus.).
32*
i)0 Der Goldfund von Vettersfelde.
Er ist in Sibirien1 zu Hause und am Ural,- ferner am westlichen Abhänge des-
selben in Perm3 und westlich davon im Gouvernement Wiatka, wo die Nekro-
pole von Ananino eiserne Schwerter mit genau demselben oben gerundeten,
unten herzförmigen Griffabschlusse geliefert hat.*
Wir haben bisher immer das Wort Schwert gebraucht, doch zum Teil mit
Unrecht, da der größere Teil der besprochenen Waffen besser als breite Dolch-
messer bezeichnet worden wäre. Auch das Stück unseres Fundes gehört hiezu;
war klein, wie aus dem uns vollständig erhaltenen Scheidenbeschlag hervor-
geht; auch wenn wir das Schlußstück unten an demselben ergänzen, so erhalten
wir doch eine Klinge, die nicht viel länger war als der Griff ist. Dies ist jedoch
ein Verhältnis, das wir ebenso an einigen jener oben zitierten Dolchmesser aus
Sibirien und dem Ural finden, während freilich diejenigen der oben genannten
Stücke aus den südrussischen Gräbern, deren Klingen erhalten sind, sowie die
zwei erhaltenen Scheidenbeschläge von dort beträchtlich länger sind. Ob aber
in diesen Exemplaren des vierten Jahrhunderts nicht etwa griechischer Einfluß
die längere Form hat vorziehen lassen?
Durch Herodot wissen wir, daß die Skythen den äxivdxrjs atd^geog als
SyaXfta ihres Kriegsgottes verehrten;6 der äxiväxrig ist aber ein kurzes Schwert,
das als £upidiov bezeichnet6 wird; also ein solches war das bei den Skythen
übliche7 und deshalb ihnen heilige. Sonst war indess der Akinakes den Griechen
als nationale Waffe der Perser bekannt. Hatte nun das persische und skythische
Dolchmesser außer der Haupteigenschaft der Kürze noch speziellere Eigenschaften
der Form gemeinsam? — Die altpersischen Reliefs sind für diese Frage gewiß
die zuverlässigste Quelle; dieselben lehren, daß die sicher als Meder oder Perser
zu betrachtenden Figuren im langen Faltengewande ein kurzes, doch von dem
unseren verschiedenes Schwert haben; die Scheide desselben hat eine sehr breite
Ausladung oben; es wird an der rechten Seite getragen, indem die Scheide von
einem breiten Bande mit großer Schleife umbunden ist.8 Das untere Griffende,
das besonders an den bekannten Darstellungen deutlich ist, wo der König ein
Ungeheuer tötet, ist gerade und völlig verschieden von unserem Typus.
1 Minussinsk: Aspelin, Ant. finno-ougr. S. 52, nr. 165. 166. 167. Wankel, Skizzen
aus Kiew in Mitt der anthr. Ges., Wien, V, S. 9, 26.
1 Memoire* des antiqu. du Nord n. s. (Worsaae) S. 115, 3.
' Aspelin a. a. O. Nr. 176a.
1 Aspelin a. a. O. S. 108, Nr. 416. 417. 419.
: Her. IV, 62. öfter spielt Lucian auf diese ihm wohl durch Herodot bekannte Stelle
an (Scyth. 1. Lnp. trag. 42. Tox. 38).
* Poll. Onom. I, 138.
; Lddef zeigen die prachtvollen Skythendarstellnngen vom Kul Oba und Nikopol
gar kein Schwert oder Dolch. Nur auf dem übrigens ungleich weniger realistischen
Relief Compte r. 1864, Taf. 5, 1 erscheint das ganz kurze Schwert, doch ohne Scheide.
' Vgl. z. B. Texicr, Descr. de la Perse II, Taf. 126. Flantin et Coste, Perse anc.
Taf. 95 ff. Stolze, Pcrs.polis, 1882 (photogr. Aufnahmen) Taf. 41. 77. 84. 85.
Der Goldfund von Vettersfelde.
501
Dagegen zeigen uns die persischen Reliefs an der zweiten Hauptgattung der
dargestellten Untertanen, nämlich den mit faltenlosem kurzem Rock und Hosen,
hoher, runder Kopfbedeckung und Goryt ausgestatteten Kriegern, eine Schwertform,
die in überraschender Weise identisch ist mit unserem Typus. Durch die photogra-
phischen Aufnahmen von Stolze ist es jetzt möglich, alles Detail daran genau zu
studieren. Ich gebe hier ein besonders deutliches Beispiel vom Palaste des Xerxes.1
Vor allem konstatieren wir hier wieder den herzförmigen unteren Ausschnitt,
der auf der Scheide ausgeprägt ist und auf den Griff schließen läßt, dessen
Ende auch hier von der Scheide gedeckt wird. Ferner sehen
wir hier dieselbe Ausladung oben an der einen Seite der
Scheide, die zum Aufhängen des Schwertes dient; die Aus-
ladung hat dieselbe Form; auch greift sie ein wenig über
den Herzausschnitt herunter, hier wie dort; sie befindet sich
ferner an derselben Seite der Scheide wie dort, das heißt
mit andern Worten, diese Schwerter waren alle nur bestimmt,
an der rechten Seite des Mannes getragen zu werden. In
der oberen Ecke befindet sich dasselbe Loch wie an unseren
Stücken und die ganze Art, wie diese am Gürtel angehängt
waren, wird uns nun plötzlich völlig deutlich. Nur ein Um-
stand kommt uns hier sehr seltsam vor; es ist der Riemen,
der von links hinten, also wohl von der linken Hüfte kom-
mend, durch den unteren Teil der Scheide über dem Schluß-
stücke geht und in eine Schlinge befestigt ist, die sich auf
der Hose des linken Oberschenkels befindet; durch diese
merkwürdige Vorrichtung, die sich an allen den zahlreichen
Figuren dieses Typus auf den persischen Reliefs beoabachten
läßt, ward bewirkt, daß das Schwert oder besser Dolchmesser
beim Gehen immer zwischen den Oberschenkeln blieb und
beim Reiten vorn vor dem Bauche auf dem Sattel lag. Wir erinnern uns jetzt,
am unteren Ende unseres Scheidenbeschlages, Taf . III, 1 [20,1], einen Ausschnitt
im Rande bemerkt zu haben, der auf einen ehemals hier durchgezogenen Riemen
wies; offenbar war hier dieselbe Befestigung beabsichtigt, die wir auf jenen
Reliefs sehen. Es bestätigt sich nun ferner, daß an unserem Beschlag nur ein
unteres rundes Schlußstück fehlt, das, wie es die Reliefs auch zeigen, besonders
gearbeitet und ornamentiert war. Es bestätigt sich nicht minder, was wir oben
vermuteten, daß die beiden anderen erhaltenen Beschläge aus dem Kul Oba
und von Nikopol von der reinen Form bereits etwas abweichen, indem sie weder
den herzförmigen Ausschnitt, noch den unteren Riemendurchlaß, noch das be-
1 Nach Stolze, Persepolis Taf. 11 und 12. Vgl. ferner 19.20.84.85.86. Flandin
et Co st e Taf. 95 ff. 154. Vgl. auch das Goldrelief vom Oxos im Journ. of the Asiatic soc.
of Bengal 1881, 50, Taf. 14. [The Treasure of the Oxus Taf. 13 Nr. 48.]
37
502 Der Goldfund von Vettersfelde.
sondere Schlußstück zeigen und überdies beträchtlich länger sind, während auch
in den kurzen Proportionen unser Stück mit den Reliefs übereinstimmt, indem
auch auf diesen die Klinge kaum länger ist als der Griff.
Nach der Häufigkeit des Vorkommens gehörte die Tracht offenbar einer sehr
.vöhnlichen Gattung der den Monarchen umgebenden Leibgarde an.
Auch der Bogenträger des Königs, der in seiner unmittelbaren Nähe sich
befindet, wird in dieser Tracht gebildet.1 Unter den Repräsentanten der ver-
schiedenen Nationalitäten am Grabe des Darius spielt dieser Typus eine Haupt-
rolle.* In der Leibgarde des Königs pflegen diese Krieger mit den langgewandeten
Medern, die jenes andere Schwert tragen, zu wechseln. Ich weiß nicht, ob man
dieselben Perser nennen darf. Nach Herodots Beschreibung3 hat es freilich den
Anschein, als ob jener Typus eben der gewöhnliche der persisch-medischen
Truppen gewesen wäre. Aber die eigentliche Herkunft desselben wäre damit
nicht entschieden. Der Unterschied jener Krieger im Faltengewande und dieser
wird wenigstens ursprünglich gewiß einem tieferen ethnographischen Unterschiede
entsprochen haben.
Man könnte nun, um jene nachgewiesene merkwürdige Übereinstimmung
zu erklären, daran erinnern, daß zahlreiche, von den südrussischen Skythen über-
lieferte Personennamen iranischer Herkunft sind, woraus einige schließen, daß
die Skythen oder wenigstens ein Teil der so genannten Völkerschaften überhaupt
iranischer Herkunft sei, während andere lieber eine Entlehnung aus iranischem
Sprachgebiete annehmen. Danach könnte man jene Übereinstimmung des Schwert-
typus durch ursprüngliche Stammesverwandtschaft oder durch Entlehnung von
Persien erklären wollen. Hiergegen scheint mir jedoch die Art der Verbreitung
desselben zu sprechen, die von Südrußland nach dem Ural und Altai geht und
eher darauf weist, daß er den dort heimischen sog. turanischen Völkerschaften
eigen war, zu denen auch die nomadischen Skythen gehört zu haben scheinen.
Erinnern wir uns ferner einer Hypothese der neueren Forschung, daß sog. sky-
thische, etwa den Uralfinnen verwandte Stämme ursprünglich das iranische Gebiet
besaßen und auch nach ihrer Überwindung immer ein bedeutendes Element der
Bevölkerung, namentlich in Medien blieben, so daß die Inschriften der Achäme-
niden außer in babylonischer auch in sog. skythischer Übersetzung eingehauen
wurden, daß ferner die Kämpfe gegen die nicht unterworfne skythische Grenz-
bevölkerung, die, immer zu Einbrüchen geneigt, einen besonders mächtigen unter
Kyaxares veranstaltete, zu den Haupttaten der persischen Könige gehören, so dürfte
es uns wohl nicht wundern, einen jenen Völkerschaften eigenen Schwerttypus auf
1 Texicr, Descr. de la Perse II, Taf. 114 = Stolze Taf. 57.
1 Texicr II, 123 ff. 126. Stolze Taf. 108 ff. Flandin et Coste, Taf. 164; vgl. 178.
• Her. VII, 61. Besonders die ly/nnl^m, die am Gürtel an der rechten Seite hängen.
Anderes stimmt jedoch wieder nicht recht. Auch eine Identifikation mit den Saken
würde auf Hindernisse stoßen.
Der Goldfund von Vettersfelde.
503
persischen Reliefs wieder zu finden. Indess können diese Kombinationen zunächst
nur als Fingerzeig dienen und müssen von anderer Seite her Bestätigung erwarten.
Außer dem breiten Dolchmesser, das wir soeben besprochen haben, befindet
sich in unserm Funde eine goldene Scheide (Taf. III, 2 [20, 2]) für einen dünnen
feinen, vierkantigen Dolch aus Eisen, der sich ebenfalls erhalten hat (siehe S. 9
[S. 475]). Der Dolch wurde mittelst eines an der Innenseite der Scheide in zwei
Löchern befestigten Bandes getragen.
Auch hier können wir wieder ein genaues Seitenstück aus einem skythischen
Tumulus des Gerrhos am Dnjepr beibringen,1 eine goldene Dolchscheide derselben
Art, die überdies an ihrem oberen Ende fast genau
dieselben aufgesetzten Ornamente zeigt, wie die
unsrige; ich lasse eine Abbildung des oberen Stückes
deshalb zur Vergleichung hier beifügen.
Wir haben oben (S. 14 [S.479]) bemerkt, daß das
schleifenförmige Ornament an Schwertscheiden auch
in nordischen Funden vorkommt, doch bei völlig
veränderter Umgebung. Hier aber haben wir eine
Übereinstimmung, die sich auf das gesamte System,
auf das Zusammensein einer ganzen Menge von Ein-
zelheiten erstreckt und deshalb für die Zusammen-
gehörigkeit der Stücke absolut beweisend ist. Das
genannte Ornament ist übrigens an griechischen Gold-
sachen Südrußlands auch sonst mehrfach zu bemerken.2 Überaus häufig sind
aber die darüber befindlichen aufgesetzten Spiralen; auch sind dieselben ganz
regelmäßig von den zopfförmigen geflochtenen Drahtstreifen umgeben. Namentlich
alle stabförmigen, zylindrischen Enden verschiedenster Schmuckgegenstände
pflegen auf diese Weise verziert zu werden. Auch läßt sich beobachten, daß
diese Ornamentik eigentlich dem älteren Stile eigentümlich ist und im vierten
Jahrhundert allmählich durch eine elegantere verdrängt wird; die Spiralen, die
bald nicht mehr liegend, sondern nur aufgerichtet gebildet sind, werden lockerer
gestellt, werden schlanker und die Zwischenräume füllen sich mit Palmetten, bis
die letzteren endlich einen vollen Sieg über die Spiralornamentik davontragen.3
1 Tombe pointue de Tomakovka, s. Rec. d'ant. de la Scythie Taf. 26, 16 (S. 66).
2 Besond. an Gehängen. Rec. d'ant. Taf. 10, 25 (Alexandropol). Compte r. 1 865, Taf. 2,1.2.4;
3,22(mitblauemEmail). 1868,Taf.l,10(S.53)goldeneVaseausOlbia(mitblauemEmailgefüllt).
3 Aus dem 5. Jahrhundert: Compte r. 1877, Taf. 2, 13; 1860, Taf. 4, 6; 1876, Taf. 3, 32;
auch das Blaßgoldhalsband 1869, Taf. 1, 13. Vom 4. Jahrhundert: aus demselben Grabe
ebenda Taf. 1, 14. 15; vom Kul Oba Antiqu. du Bosph. Taf. 8, 1. 36,5. Ferner ebenda
Taf. 9, 2. 16, 5. 17, 10. 32, 14. Macpherson, Ant. of Kertsch Taf. 1, mit Emailfüllung.
Ouvaroff, Recherches Taf. 15 (Olbia). Der geflochtene Draht allein z.B. Rec. d'ant.
Taf. 10, 33. 34. 11,3 (Alexandropol). Antiqu. du Bosph. Taf. 30, 7, Palmettenfriese um-
gebend, statt deren der ältere Stil die Spiralen setzte.
39
504 Der Goldfund von Vettersfelde.
Mehrfach kommt an diesen Dingen und gerade auch an der oben als Seiten-
stück beigezogenen Dolchscheide blaues Email als Füllung vor. Da dasselbe
schon an Geldsachen, die sicher in die Mitte des fünften Jahrhunderts zurück-
gehen, erscheint,1 so dürften wir uns nicht wundern, wenn es auch an unserem
Funde aufträte. Doch sind hier keine Spuren davon zu sehen; nur die leeren
Kapseln des Ohrgehänges, Taf. I, 5 [18, 5], weisen auf eine einstige Füllung
hin, die vielleicht aus Glasfluß bestand. An demselben Gehänge bemerken wir
wieder das aufgesetzte, hier Blättchen bedeutende, schleifenartige Ornament, das
an den Ohrgehängen des vierten Jahrhunderts in Südrußland ganz typisch ist;"
freilich sind an letzteren die Bommeln von elegant tropfenartiger Form, aber
volle Seitenstücke zu dem unseren dürfen wir hier auch gar nicht zu finden er-
warten, da archaische Ohrgehänge hier zufällig überhaupt noch nicht gefunden
wurden. Dagegen werden uns Parallelen sowohl für die einfache Blüte, die den
unteren Abschluß bildet, als namentlich für die merkwürdig langgestreckte Form
des Ganzen von archaischen Ohrgehängen von Rhodos und Melos geliefert.
40 Jenes aufgesetzte, schleifenartige Ornament finden wir ferner wieder, und
zwar mit denselben drei Pünktchen an den Enden, wie auf der oben angezogenen
Dolchscheide, auf dem andern Hängeschmuck unseres Fundes Taf. I, 2 [18, 2],
hier zur Kreuzesform geordnet, die eine einfache vierblättrige Blüte andeuten
mag, derart, wie die plastisch unten an dem Ohrgehänge ausgeführte. Solche
sternförmigen Blumen, nur meist reicher durch zahlreichere Blättchen, kommen
namentlich auf altionischen Terrakottamalereien,3 auch auf archaischen Vasen vor,
und zwar oft auch nur mit Umrissen gezogen, wodurch sie unserem Ornamente
noch ähnlicher werden. Die ganze Form unseres Hängeschmucks hat einen
etwas schwerfälligen und altertümlichen Charakter. Von südrussischen Funden
kann ich auch nur ein Stück anführen, das ungefähr dieselbe Form hat, eine
gestempelte Goldplatte von rhomboider Form, an deren vier Enden jedoch je
zwei Kreise sich befinden;* hiedurch erhält das Stück die größte Ähnlichkeit
mit jenen in Mykenae gefundenen, von Goldblech bedeckten Holzzierraten der-
selben Form.6 Es scheint also eine sehr alte Tradition hier zu Grunde zu liegen.
Das eben besprochene, sternblütenförmige Ornament finden wir dann ebenso
wieder auf der Goldfassung des zum Anhängen bestimmten kleinen Steinkeiles
Taf. I, 3 [18,3]. Was die Bedeutung dieses merkwürdigen Gegenstandes betrifft,
so kann es offenbar nicht zweifelhaft sein, daß wir es mit einem Amulett zu
1 Compte r. 1877, Taf. 3, 34 (S. 257). Über Email überhaupt und sein frühes Vor-
kommen im Kaukasus vgl. Virchow, Gräberfeld v. Koban, S. 138.
' Siehe oben Anm. 1 [S. 503 Anm. 2].
1 Ton-Sarkoph;^e von Kiazomcnai; architektonische Terrakotten vonCerveteri in Berlin,
altionischer Kunstart; die Sterne sind meist in die Zwischenräume des Mäanders gestellt.
Antiqu. du Bosph. Taf. 22, 11: leidet sind die Fundumstände unbekannt.
* Schliemann, Mykenae nr. 377— 384.
Der Goldfund von Vettersfelde. 505
tun haben, einem Zeugnisse für den wohl fast über alle Völker verbreiteten
Aberglauben an die^ zauberische, schützende und heilsame Kraft gewisser Steine,
einen Aberglauben, der auch aus dem klassischen Altertume vielfach bezeugt
ist.1 Doch die Sitte, solche Steine in Gold zu fassen und mit in das Grab zu
geben, ist meines Wissens bis jetzt nur in den skythisch-griechischen Tumuli
in Südrußland beobachtet worden." Unser Stein wird (von mineralogischer Seite)
als Serpentin bestimmt. Serpentinkeile von derselben Form haben sich in My-
kenae gefunden.3 Wir haben in ihm offenbar einen letzten Rest der Steinwerk-
zeuge gebrauchenden Zeit vor uns;4 was als Gerät veraltete, ward durch den
Aberglauben geheiligt, wie wir dies ja auch anderwärts finden.
Der Armring auf derselben Tai I, 4 [18, 4] hat durch seine überaus einfache 41
Form etwas offenbar Altertümliches; es ist nichts als ein runder Goldstab und
nur die letzten Enden hat der Künstler gewagt, durch einen, freilich nicht plastisch,
sondern nur bescheiden in eingegrabenen Linien ausgeführten Schlangenkopf zu
beleben, der wieder den deutlichen Stempel altgriechischer Stilisierung trägt und
solchen ähnelt, die wir in Bronze in Olympia gefunden haben. Die Armbänder
späterer Zeit sind bekanntlich viel kühner darin, die einfache technische Form
des Ringes zu verlebendigen. Aber immer bis in die Spätzeit bleiben die
Schlangen das eigentlich klassische Tier, um den Arm gefällig zu umwinden.
Nicht unwichtig ist es hier zu konstatieren, daß Armringe mehrfach in völlig
gesicherten Fällen an den Skeletten von Männern, und zwar solchen mit kriege-
rischer Ausrüstung, in den bosporanischen Gräbern gefunden wurden.5
Auch große Ketten finden sich häufig in diesen Gräbern. Die unsere,
Taf. II, 3 [19,3], ist freilich besonders stark und groß. Vielleicht sollte einst der
Dolch in der goldenen Scheide an derselben getragen werden. Dieselbe Art
des Kettengeflechts ist ebenfalls dort gewöhnlich; von ähnlicher Derbheit und
1 Z. B. Plin. nat. hist. 37, 118 (Jaspis im Orient als Amulett), 88 (Sard am Halse ge-
tragen), 135 (baetuli und ihre Wunder), 51.44 (Bernstein als Amulett) u. a.
2 Compte r. 1877, Taf. 2, 14 (S. 28) unbearbeiteter Carneol in Gold gefaßt. 1876,
Taf. 2,3. 4 (S. 111 f.) unbearbeiteter harter Stein, wahrscheinlich Aerolith, in goldenen
Ring gefaßt. 1880, Taf. 2, 2; 3, 11 (S. 60. 79), Eisenerz in Goldringen. Auch an den in
Gold gefaßten Tierzahn aus dem 5. Jahrhundert im Compte r. 1877, Taf. 2, 13 (S. 11) sei
erinnert.
3 Schliemann, Mykenae Nr. 126.
4 Auch Gräber dieser Zeit hat man gefunden in den Tumuli Südrußlands; ein solcher
am Don enthielt z. B. ein Grab mit Steinmesser und daneben eines mit Bronzesachen
und eines mit Eisen (Compte r. 1866, S. XV); ein Tumulus am Dnjepr mit meist leeren
Gräbern, darin eine steinerne Lanzenspitze (Rec. d'ant. de la Scythie S. 34 ff. Taf. 22, 7);
die Gemeinsamkeit der Gesamtanlagen der Bestattung läßt wohl nicht zu, einen allzu
großen Zeitraum zwischen diesen Gräbern und denen mit Metall und griechischem Ein-
fluß anzunehmen.
5 Compte r. 1877, S. 238 (Taf. 3, 34) aus dem 5. Jahrhundert; ebenda Taf. 2, 10 aus
einem andern Männergrabe. Armband des „Königs" im Kul Oba Antiqu. du Bosph. Taf. 13, 3.
506 Der Goldfund von Vkttersfelde.
rke ist eine Annkette mit Schlangenköpfen aus dem fünften Jaluhundert; *
spater pflegen die Ketten zwar gleichartig, aber viel feiner zu sein.2
Per letzte noch übrige Schmuckgegenstand, der Halsring auf Taf. III, 3
3] ist ebenfalls wieder ein sehr charakteristischer und bestätigt — wenn es
einer Bestätigung noch bedarf — das Bisherige von neuem. Auch dieser Halsring
gehört zu den ganz typischen Requisiten der Leiche eines Kriegers im Skythen-
lande und seine Form ist gerade diejenige, die in den ältesten der dortigen
Gräber mit griechischer Ausstattung sich nachweisen läßt.8 Es ist die eines ein-
fachen, massiven Ringes aus Blaßgold, der in der Mitte anschwellt, nach den
Enden dünner wird und völlig unverziert ist.1 Man sollte glauben, daß eine so
42 einfache Form eine allgemeiner verbreitete gewesen sein müsse; dennoch konnte
ich unter den prähistorischen Funden Europas keine Halsringe finden, die sich
mit den unsrigen entfernt so nah berührten wie die genannten aus Südrußland.5
Zum Schlüsse haben wir noch das unscheinbarste und äußerlich wertloseste
der Fundstücke zu betrachten, nämlich den Wetzstein, Taf. II, 2 [19, 2]). Hüten
wir uns jedoch, ihn allzu gering zu schätzen. Auch er redet als lauter und wahr-
haftiger Zeuge, unaufgefordert, nur um die Beweise zu häufen. Die Sitte,
einen in Gold gefaßten Schleifstein dem Krieger und Herrn neben seinen übrigen
goldenen Waffen und seinem Schmucke mit in das Grab zu legen, wird sich
schwerlich anderwärts so wiederfinden, wie wir sie gerade im Skythenlande be-
stehen sehen. In dem reichen Königsgrabe von Tschertomlyk bei Nikopol im
Gerrhosgebiete lag neben dem Skelett des Königs nahe der goldenen Schwert-
scheide ein Schleifstein, der in der etwas rohen Fassung des einen Endes mit
unverziertem Goldblech, der Durchbohrung, der Form und Größe, kurz in allem
nicht genauer mit dem unsern übereinstimmen könnte;6 ebenda fand sich der
goldene, etwas verzierte Griff eines zweiten Schleifsteines.7 Im Sarge des „Königs"
im Kul Oba lag wiederum ein gewöhnlicher Wetzstein, doch prachtvoll in Gold
gefaßt im edelsten griechischen Stile mit auf das Goldblech aufgesetzten Zier-
raten. H Und unverzierte Wetzsteine, immer derselben Form, kamen in Gräbern
1 Compte r. 1877, Taf. 2, 10.
1 Antiqu. du Bosph. Taf. \2a, 1 ; 16, 5; 17, 10. Compte r. 1880, Taf. 2, 9; 1,6. Für die
kleinen Schieberund die Kugel auf S. 10 vgl.Rec.d'ant. de laSc. Taf. 10,9. 14. 18(Alexandropol).
1 Compte r. 1876, Taf. 4,6; 1877, Taf.3,6 (1876, S. XVIH); 1876, S. XX = 1877, S. 221, 1,
alle aus iMännergräbern, 5. Jahrh. Vgl. ferner Rec. d'ant. de la Sc. Taf. 37, 2. 4. 7. 9 (Nikopol).
Sehr kunstvoll ist dagegen der Ilalsring des „Königs" im Kul Oba: Ant. du Bosph. Taf. 8, 1.
4 Nur durch die Abplattung und Zusammenfügung an den Knden unterscheidet sich
un*er Kxemplar, was jedoch gegenüber der übrigen Übereinstimmung unwesentlich ist.
1 Natürlich wird durch die angezogenen Parallelen, wo diese Ringe am Halse der
Skelette selbst gefunden sind, die auch sonst haltlose Hypothese, die von seiten nordischer
Poncho laut wurde, es iel ein „Kopfring", widerlegt.
• Rec. d'ant de la Sc. Taf. 37, 1 (S. 117).
: Hbcnda Taf. 37, .r>; S. 117.
• Antiqu. du Bosph. Taf. 30, 7 (S. 208).
Der Goldfund von Vettersfelde.
507
Südrußlands überhaupt oft zu Tage.1 Im Königsgrabe bei Alexandropol hatte
man eine Nachbildung in Knochen mitgegeben, wie ebenda auch knöcherne
Pfeilspitzen sich fanden.2
Indess auch diese Sitte, wie die oben besprochene Schwertform, teilten die
Skythen mit den ihnen verwandten Völkerschaften am Ural und Altai, wo sich
die Schleifsteine gleicher Form und Durchbohrung ebenfalls in Gräbern fanden.3
Und was ergibt sich aus all diesem? Der Leser wird es sich schon selbst
gesagt haben und ich brauche es hier nur mit kurzen Worten auszusprechen. Immer
klarer und immer gewisser ist es uns geworden, daß unser Fund ein einziges
zusammengehöriges Ensemble bildet, daß er die Prachtausrüstung darstellt, die
für das Grab eines kriegerischen Häuptlings, und zwar eines Skythen in Süd- 43
rußland bestimmt war, endlich, daß sie aus einer altgriechischen Werkstatt
in den nordpontischen Kolonien hervorgegangen ist.
Jenes Ensemble setzte sich zusammen aus dem Prachtschilde mit dem Fisch,
der großen Zierplatte auf der Brust oder dem sie deckenden Panzer, aus dem
kurzen Schwerte an der rechten Seite mit goldenem Griffe und goldener Scheide,
aus dem Dolche in goldenem Behälter, einer großen Kette um den Leib, einem
schweren Ringe um den Hals, einem kleinen um den Arm, und Anhängsel, wohl an
kleineren Kettchen, Amulett und Zierstück, endlich einem Schleifstein. Nur das
Ohrgehänge muß wohl einer Frau gehört haben. Bei einer Reihe von diesen Dingen
konnten wir die Bestimmung für einen Skythen mit voller Sicherheit nachweisen.
Ebenso sicher erkannten wir aber den rein griechischen Charakter aller
Kunstarbeit an dem Funde, und zwar vermochten wir denselben bestimmt zu
umgrenzen. Die nächsten und treffendsten Analogien fanden wir fast immer in
den Goldarbeiten, die uns von den nordpontischen Kolonien in griechischen und
skythischen Gräbern erhalten sind. Doch erwies sich unser Fund durchweg als alter-
tümlicher denn die bisher dort entdeckten Dinge, und reichhaltiger nach seinem
Inhalte. Die nächst besten und überzeugendsten Parallelen fanden wir ferner
in der Kunst Kleinasiens, namentlich in den Elektronmünzen archaischen Stiles
von Kyzikos und anderen kleinasiatischen Küstenstädten; ferner in der altionischen
Kunst überhaupt, und zwar sowohl in ihren alten östlichen als ihren durch
Kolonien hervorgegangenen westlichen Sitzen in Italien. Dagegen trafen wir
keine näheren Berührungspunkte mit altattischer oder altkorinthischer Kunst.
Der Fund ist uns also eine wesentliche Bereicherung unserer Kenntnis der
altionischen Kunst im speziellen, wie wir dies von Werken aus den pontischen
Kolonien, wo das milesische Element das herrschende war, nicht anders erwarten
1 Vgl. ebenda S. 209.
2 Rec. d'ant. de la Sc. Taf. 11, 27 (S. 12).. 12 (S. 12).
3 Vgl. Aspelin, Ant. finno-ougr. Nr. 428—430. Compte r. 1865, S. XVI (Kurgan am
Altai). Wankel, Skizzen aus Kiew (Mitt. der anthr. Ges., Wien 1875) S. 9, nr. 9 (Altai).
f„ g Der Goldfund von Vettersfklde.
durften. Einige der Formen der Gegenstände sind durch skythische Sitte be-
dingt, wie das Schwert und seine Scheide; aber wie hat gleich an letzterer der
Grieche die fremde Form mit griechischer Kunstsymbolik zu adeln gewußt durch
das Augenpaar, das er hier anbrachte. Der Fisch mit seinen Figurenfriesen
könnte manchem als in der Grundidee barbarisch erscheinen; dies ist er auch,
aber es ist ein Barbarism, der von der griechischen Kunst der kleinasiatischen
Küste aufgesogen wurde aus ihren Hinterländern, es ist ein Barbarism, so wie
es die Fabelgestalten von Sphinx und Greif auch sind. In Phrygien haben sich
die nächsten Parallelen gefunden für die merkwürdige Kunstsitte, eine größere
Tierfigur mit kleinen Gestalten zu bedecken.1 Vom inneren Kleinasien wurde
wieselbe, wie es scheint, nach den pontischen Küsten übertragen. Aber wie echt
griechisch hat unser Künstler sich hier benommen. Die Wahl des Tieres selbst,
des Fisches mit seinen wenig artikulierten, glatten Seitenflächen, war schon eine
glückliche, da diese am ehesten den Figurenschmuck gestatteten. Dann hat er
die organischen Grundzüge des Fischleibes wohl respektiert, seine Figuren in
zwei Friese geteilt und diesen ihre bestimmten Plätze angewiesen. Hier ist überall
feines künstlerisches Berechnen, und dasselbe fanden wir an den andern Stücken.
Auf eine interessante Äußerlichkeit müssen wir hier noch aufmerksam machen.
Wir bemerkten oben, daß das Gold unseres Fundes mit Silber legiert ist und
eine ziemlich blasse Farbe hat (mit Ausnahme von Taf. I, 2 [18, 2]). Nun be-
stehen aber auch fast alle Goldarbeiten des älteren Stiles, die in den südrussischen
Gräbern gefunden wurden, aus blassem, legiertem Golde von demselben Aus-
sehen;-' und dasselbe finden wir bei einer großen Zahl jener hoch altertümlichen
Goldsachen aus Kameiros auf Rhodos,3 solchen von Melos, Delos und ältesten
Gräbern von Athen; auch fügen sich in diesen Zusammenhang die kleinasiatischen
Elektronmünzen trefflich ein; endlich in Italien finden wir in der archaischen Zeit
ebenfalls das Blaßgold sehr häufig. Dagegen verschwindet die Vorliebe für dies
legierte Gold mit der Periode des freien Stiles durchaus.
Wenn wir den Zeitpunkt der Entstehung unseres Fundes genauer präzisieren
wollen, so erinnern wir uns, daß all die Parallelen, die wir aus altgriechischen
Werken anzogen, der alten Typik des sechsten Jahrhunderts entstammen, wenn
auch die Exemplare nicht immer dieser Zeit, sondern auch der ersten Hälfte des
fünften Jahrhunderts angehörten, wo jene Typen noch vielfach beliebt waren. Die
1 Milchhöfer (Aren. Ztg. 1883, S. 263) hat bereits auf diese Parallelen hingewiesen
und sowohl den altertümlichen Widder mit Figurenschmuck aus Phrygien (Journal of
hell. stud. 1882, Taf. 20, S. 25 ff.) als verwandte Widderdenkmäler viel späterer Zeit in
Armenien zitiert.
1 Analysen sind freilich nicht publiziert. Ich stütze mich nur auf das Aussehen der
Objekte. Die Tatsache war mir in Petersburg sofort aufgefallen.
1 Im British Museum und Louvre. Bei einigen kleinen Stücken von Rhodos und
Melos im Berliner Museum ließ sich eine völlig gleiche Legierung wie die an unserem
Funde angewandte konstatieren.
Der Goldfund von Vettersfelde. 509
ganze Anschauungs- und Ausdruckweise, Gedanken- und Formenvorrat unseres
Fundes sind ohne Zweifel die des sechsten Jahrhunderts, und die Ausführung
dieser Typen zeigt, daß sie nicht mehr jung, daß sie durch eine lange Tradition
nicht nur gefestigt, sondern fast schon etwas abgeschliffen waren; der Löwe
beißt so ruhig in den Rücken des Hirsches und der Panther desgleichen in den
des Ebers, die verfolgten Tiere fliehen so regelmäßig in leidenschaftsloser Ab-
gemessenheit, daß man fühlt, es liegt hier eine alte, lange Kunstübung voran,
und andererseits ist die Periode des individuelleren Schaffens noch nicht er-
schienen. Und dies war eben der allgemeine Kunstcharakter zu Ende des sechsten
Jahrhunderts. Im einzelnen ist z. B. der Typus des Meerdämons (vgl. S. 7. 25
[S. 472. 490]) von hoher Altertümlichkeit. Der hohe Oberkopf, die weit zurück-
liegende Stirn, das ziemlich schwache Kinn sind Eigenschaften, die gerade den 45
ionischen Kunstgruppen des sechsten Jahrhunderts besonders eigentümlich sind,
und eine spezielle Ähnlichkeit mit ihm hat der weibliche Kopf auf gewissen
kleinen Silbermünzen der pontischen Kolonien.1 Dagegen zeigen namentlich
die schönen Widderköpfe bei aller Stilisierung doch eine schon fast freie Natur-
wahrheit, so daß wir über das Ende des sechsten Jahrhunderts schwerlich hinaus-
gehen dürfen. Ja noch in die ersten Dezennien des fünften Jahrhunderts könnte
man den Fund setzen, doch dürfte dies der späteste Termin sein.
Auch die Vergleichung mit den bisher im südlichen Rußland gemachten
ältesten Funden, die in die erste Hälfte des fünften Jahrhunderts gehören, lehrt,
daß der unsrige älter sein muß. Den altertümlichsten Charakter in denselben haben
die gestempelten Goldplättchen von Gewändern, wie es denn natürlich ist, daß
in den Stempeln sich das Alte am längsten erhielt. Die Typen derselben werden
jedoch von unserem Seedämon an strenger Altertümlichkeit entschieden über-
troffen. Ferner ist hervorzuheben das völlige Fehlen von Palmettenmotiven an
unserem Funde. Die Ornamente sind — außer der strengen Blüte (Taf. III, 1
[20, 1]. I, 5 [18, 5]) — nur solche rein technischer Art, und nähern sich nur an-
deutungsweise vegetabilischen Formen (Taf. I, 2. 3 [18, 2. 3]); ebenso haben die
Zierstücke eine gewisse nüchterne Einfachheit und bringen organische Formen
höchstens in der Bescheidenheit wie an dem Armringe an. Ferner fehlen ganz
die gestanzten Ornamente und Darstellungen; vielleicht ist dies Zufall, aber be-
zeichnend ist es jedenfalls, daß die fein ziselierte Arbeit, die wir an unserem Funde
sehen, die alles Detail sorgfältigst einschlägt, und die eben— wie uns altgriechische
Bronzereliefs des sechsten Jahrhunderts so deutlich lehren2 — der archaischen
1 Gewöhnlich Kolchis zugeteilt, vgl. Stephani im Compte r. 1876, S. 138 f., wo
eines der etwas barbarisierten Exemplare abgebildet ist; die von reinerer Ausführung sind
seltener, jedoch z. B. in der Berliner Sammlung vertreten. Außer dem Profil mit dem hohen
Oberkopfe ist namentlich die Behandlung und Anordnung des langen Haares verwandt.
2 Vgl. die von Olympia (die wichtigsten bei E. Curtius, Das arch. Bronzerelief,
Abh. d. k. Akad. 1879).
0 Der Goldfund von Vettersfelde.
Periode hauptsächlich eigen ist, daß diese schon in den älteren bisherigen süd-
russischen Funden fast ganz fehlt.
Dieser Umstand erschwert auch die Vergleichung etwas; denn es ist natür-
lich, daß in gestanzter Arbeit die Formen eine gewisse Flauheit und Weichheit
bekommen, wahrend die treibende und dann fein ziselierende Technik zu schärferer
Begrenzung und größerer Straffheit führt.
Doch wenn ich auch dies in Rechnung ziehe, bleibt für mein Gefühl doch
noch ein Unterschied bestehen, indem ich hier — in den südrussischen Funden
des fünften Jahrhunderts — die echte, breite, weiche und doch wieder derbe
Manier altionischer Kunst sehe, während unserem Funde eine gewisse nüchterne,
strengere und elegantere Ausdrucksweise eigen ist, so daß ich mich gefragt
habe, ob etwa das zweite neben dem ionischen am Pontos vertretene Element,
das dorisch-megarische, hier seine Einwirkung hinterlassen habe, wozu ja auch
der Seedämon, der Halios Geron so wohl passen würde?
Indess bevor wir hier nicht mehr Material zur Verfügung haben, begnügen
wir uns mit dem sicher Festgestellten, daß nämlich die Hauptgrundlage unseres
Fundes eine ionische ist. Bei der Vergleichung aber mit den bisherigen süd-
russischen müssen wir noch einen Punkt ins Auge fassen, nämlich das Verhältnis
zu skythischer Sitte und skythischer Kultur.
Es ist nämlich höchst bemerkenswert, daß unser Fund, als der bis jetzt
älteste seiner Art, einerseits in allen seinen Teilen den reinsten griechischen
Kunstcharakter trägt, und andererseits auch die durch skythische Sitte erforderten
Formen wie Schwert und Scheidenbeschlag am genauesten wiedergibt. Man
sieht, es ist die noch unvermischte und durch keine nähere Berührung mit den
Barbaren getrübte Kunst, wie sie die Kolonisten von Ionien gebracht; doch sie
arbeitet nach Aufträgen skythischer Großen, deren Bedürfnisse sie befriedigen
muß. Etwas anders ist dies schon in den bisher ältesten Funden der pontischen
Gegenden, wo sich bereits, und zwar nicht etwa in den geringen Dingen, wie
dem Pferdegeschirr, dessen Anfertigung offenbar von Anfang an in der Regel
in skythischen Händen war und deshalb fast immer barbarisch ist, sondern in
den Stücken griechischer Arbeit eine gewisse Verwilderung hier und da bemerk-
lich macht.1 Diese steigert sich späterhin und neben den rein griechischen
Sachen tauchen immer mehr die Erzeugnisse einer barbarisierenden Kunst auf,
die auf Mischung von Griechen und Skythen deutet, wie sie ja in der Tat nach
dem Zeugnis pontischer Inschriften stattgefunden hat; bald ist es nur eine
Verwilderung der griechischen Motive," bald eine völlig barbarische Benutzung
1877, Taf. 1, 8 und besonders 2, 6; 3, 27. 31.
' B. ComptC r. 1864, Taf. 5, 3. 4. 5. Rec. d'ant. de la Sc. Taf. 36 (Nikopol). Audi
die Sdrwertscheidc vom Kul Oba (Antiqu. du Bosph. Taf. 26, 2) hat schon etwas derart;
die CtrtenkbiMung erinnert an orientalischen Stil; wenn die Inschrift Hol 'IS. WO den
o war er dem Namen nach ein präzisierter Skythe oder skythisierter
Hellene, wohl eher letzteres, da das Werk rein griechischen doch sehr nahe kommt.
Der Goldfund von Vettersfelde. §\\
derselben,1 und in letzterer Gattung, die offenbar skythischen Arbeitern selbst zu-
zuschreiben ist, scheint sich auch einiges zu finden, das überhaupt ungriechischen,
skythischen Ursprungs ist; wir haben dies oben von einem gewissen Hirschtypus
wahrscheinlich gemacht (S. 20 [S. 485]), denn man darf schwerlich annehmen,
daß die Skythen vor ihrer Berührung mit den Griechen ganz ohne Kunst gewesen
seien.2 Namentlich der verschiedenartige Inhalt der so reichen Gräber im Kul 47
Oba bei Kertsch und dem Tumulus von Tschertomlyk bei Nikopol bieten Bei-
spiele für all diese drei Arten, die rein griechische, die mixhellenische, um sie so
zu nennen, und die skythische.
Die griechischen Gold- und Silberarbeiten aber dürfen wir speziell als ionisch-
griechisch bezeichnen; denn daß sie von den ionischen Kolonisten gefertigt wurden
aus den reichen Goldmassen, die vom Ural dahin flössen, und daß sie nicht
etwa von außen importiert wurden, ist ja völlig außer Zweifel. Wenn man den-
noch sich gewöhnt hat, bei den südrussischen Arbeiten nur von attischem Einfluß
oder gar direkt attischer Kunst zu sprechen, so kann ich dies nur aus jener ein-
seitigen Voreingenommenheit erklären, gegen die ich mich schon bei anderer
Gelegenheit einmal gewandt habe und die in unserem Falle so weit geht, daß
z. B. Stephani einmal, selbst ein ausdrückliches, inschriftliches Zeugnis ionischen
Ursprungs verkennend, nur an attische Kunst denkt.3 An den Sachen des
älteren Stiles ist der kleinasiatisch-ionische, zum attischen vielfach im Gegensatze
stehende Charakter ganz evident und wir hatten im Verlaufe dieser Untersuchung
oft Gelegenheit, darauf hinzuweisen. Daß nun aber späterhin die ansässigen
ionischen Goldschmiede sich ihr ganzes Geschäft und ihre alten Beziehungen
durch attischen Import oder attische Einwanderer hätten ruinieren lassen, scheint
mir schon an sich wenig wahrscheinlich. Und in der Tat läßt sich auch nur attischer
Einfluß und dieser erst seit Ende des fünften Jahrhunderts, aber nicht attische
Arbeit nachweisen.4 So scheint in der Ornamentik ein bedeutenderer attischer
Einfluß wahrscheinlich zu sein und es wird der Kopf der Parthenos des Phidias,
der überhaupt sehr populär wurde, auch hier nachgeahmt, ja selbst Motive von
attischen Grabreliefs dringen ein, doch werden sie freilich ganz willkürlich be-
1 Aus dem Kul Oba z. B. Antiqu. du Bosph. Taf. 30, 10. 31, 7 (der Griff). Schwert-
griffe von Nikopol (Rec. d'ant. Taf. 37, 3; 40,9. 12. 14) u.a. Die Bronzesachen sind
immer barbarisch.
2 Worauf wohl die Tradition beruhte, daß ein Skythe Lydos das Erz zu schmelzen
und zu mischen erfunden habe? (Aristot. bei Plin. nat. hist. 7, 197).
3 Eine gewebte Decke aus einem Grabe, das ans Ende des 5. Jahrhunderts zu setzen
ist, mit Figurenfriesen hat unter andern Inschriften auch die speziell ionische Form 'A0>j-
vairj; dennoch ist sie nach Stephani, Compte r. 1878/79, S. 123 attisch (zu Taf. 4). Vgl.
im allgemeinen Arch. Ztg. 1882, S. 350. 363.
4 Eine Silberschale aus dem Kul Oba (Antiqu. du Bosph. Taf. 37, 4) trägt die ionische
Inschrift EPMEÜ. Nach ihrer Form gehört die Schale zu den spätesten Sachen des
Kul Oba.
;i2 n i- r Goldfund von Vettersfelde.
handelt.1 Das ideale Gebiet ist überhaupt nicht das dieser Goldschmiede; sie
feiern ihre Triumphe in den realistischen Darstellungen11 und den phantasie- und
-chmackvollcn Schmuckgegenständen. Dagegen möchte man allerdings bei
den herrlichen Zeichnungen auf Elfenbein und Holz, die zu dem Schönsten ge-
hören, das wir überhaupt aus der Antike besitzen, an Athen denken. Das Gebiet
48 aber, auf dem attische Industrie im fünften und vierten Jahrhundert sicher den
Weltmarkt beherrschte, war die bemalte Töpferware; doch auch diese kommt in
Masse erst im vierten Jahrhundert nach den pontischen Gestaden, von denen
aus sie dann selbst weit ins Innere des Landes nach der Gegend von Kiew
wanderte. Mit ihr kamen im vierten Jahrhundert aus Athen auch die Terrakotta-
statuetten für die Gräber, deren attischer Ursprung größtenteils unverkennbar
ist. Im dritten Jahrhundert herrscht indess auch in den südrussischen Kolonien
jene xotyrj, die weder ionisch noch attisch mehr ist.3
Wir mußten etwas weit ausholen, um unseren Fund in seine richtige Be-
leuchtung zu stellen und in seinen historischen Zusammenhang einzureihen. Er
stellte sich uns dar als am Anfange einer langen Reihe von Arbeiten kunst-
sinniger Griechen im Lande der Skythen stehend, und zwar als eines der glän-
zendsten und bedeutendsten Denkmale der ganzen Folge. Daß gar manches
noch lückenhaft und unvollkommen in meinen Ausführungen bleibt, ist mir sehr
wohl bewußt. Es galt mir auch nur unseren merkwürdigen Fund einmal im
großen und ganzen an seine richtige Stelle zu setzen, und ich bin gewiß, daß
noch eingehendere Studien, namentlich des in russischen Sammlungen Vorhan-
denen, und dann vor allem weitere Ausgrabungen und Funde gar manches von
dem, was ich hier zu bestimmen versucht, erweitern und verbessern werden.
III.
DER FUNDORT
Wie kam nun aber unser Fund nach Vettersfelde? Ich kann diese Frage
kurz beantworten: wir wissen es nicht und können es auch nicht wissen, nicht
•imal vermuten, höchstens ahnen.
Alle Studien, die ich nach dieser Seite hin anstellte, hatten nur negative
ultate, und ich kann deshalb mit wenigen Worten darüber berichten.
1 Auf dem Goryt glaube ich solche Entlehnungen erkennen zu müssen. Einen mytho-
n Sinn wird man den Darstellungen schwerlich abgewinnen können; sie sehen
aus wie aus dem Skizzenbuche des Künstlers willkürlich zusammengetragen. Ein Attiker
wäre dessen wohl nicht fähig gewesen.
Namentlich den prachtvollen Skythenbildern; auch Compte r. 1867, Tat 1,13 die
hen Böcke und Schafe gehören zum Besten (es ist ein relativ älteres Stück aus
Blaf
npter. 1880, Taf. 1 -3, Gräber aus der Mitte des 3. Jahrhunderts. Attische
■ n fehlen schon völlig.
Der Goldfund von Vettersfelde. 513
Die große Schwierigkeit, die unser Fund allen Erklärungsversuchen seiner
Herkunft entgegensetzt, ist seine Integrität und seine so deutlich ausgesprochene
Bestimmung. Es ist die vollständige Prachtausrüstung eines skythischen Großen
und eine solche kann schon niemals Gegenstand eines normalen Handels und
gar in so ferne Gegenden gewesen sein. Nur ein Skythe konnte diese Sachen 49
gebrauchen und gewiß konnten sie niemals auf Wegen des Handels als Tausch-
objekt und zu erwerbenden Gewinnes wegen den einfachen Bewohnern der
sumpfigen Wälder der Lausitz zugetragen werden.
Wenn jemand aber doch die Möglichkeit aufrecht erhalten möchte, daß der
Fund durch Handel gekommen, so ist ihm zu antworten, daß ein Handel nach
der Oder von den griechischen Kolonien des Schwarzen Meeres, von wo er
stammt, im Altertum überhaupt nicht existierte oder wenigstens bis jetzt trotz
aller Bemühungen in keinerlei sicheren Spuren hat nachgewiesen werden können.1
Die griechischen Funde gehen nördlich von der Küste kaum über Kiew hinaus;
nur ganz vereinzelt kommt nördlicher ein versprengtes Stück zu Tage.2 Nach Nord-
westen jedoch gehen die Funde noch viel weniger weit. Ein lokaler Salzhandel
von den Salzlimanen der Küste mag unter den Barbaren gewiß bis weit herein
bestanden und sich auf den von Sadowski8 geschilderten Wegen bewegt haben;
aber griechische Produkte blieben diesem Handel fern.
Namentlich ist aber die Vorstellung eines bedeutenden alten Bernsteinhandels,
der vom Samlande an der Ostsee zu den Griechen am Schwarzen Meere ge-
gangen sei, eine unrichtige. Sie wird schon widerlegt durch die Tatsache, daß
der Bernstein nur in ganz seltenen Fällen und dies, wie es scheint, nur in relativ
späteren Gräbern in Südrußland gefunden wurde;4 auch hat man nachgewiesen,
daß der Geschmack der Griechen den Bernstein während der klassischen Periode
überhaupt nicht hoch schätzte und kaum verwandte.5 Es hatte also gar keinen
Reiz für griechische Handelsleute, sich oder ihren Produkten den Weg nach der
fernen Ostsee zu bahnen.
Damit steht nun auch das bekannte Zeugnis Herodots im Einklang, der, ob-
wohl er in Skythien war, den Bernstein nur kennt als durch fernen Seeverkehr
kommend,6 sowie namentlich die aus Herodot zu entnehmende Tatsache, daß
die ethnographische Kenntnis der Griechen am Pontos und ihr Handelsverkehr
1 Vgl. über die Fragen zuletzt Qenthe in den Verh. der Philologenversammlung zu
Karlsruhe, 1882, S. 17 ff.
2 Ein solches nördlich bis ins Pskower Gouvernement versprengtes Stück ist die
offenbar archaisch griechische getriebene Bronzevase in Kopfform, dieWankel (Sk. aus
Kiew, in Mitt. d. anthr. Ges., Wien V, S. 9,83; vgl. S. 17) in offenbar entstellender Skizze
mitteilt.
3 v. Sadowski, Handelsstraßen der Griechen etc., übersetzt von A. Kohn.
4 Compte r. 1859, S. XI. 1867, S. XXI. 1880, Taf. 2, 12 (S. 15, 30).
5 W. Heibig, II commercio dell'ambra (Accad. dei Lincei 1877).
6 Vgl. Müllenhoff, Deutsche Alterthumskunde I, S. 212 ff.
A. Furtwängler. Kleine Schriften I. ""
514 Der Goldfund von Vettersfelde.
ir nach Nordosten ziemlich weit sich vorgeschoben hatte, da dort die Geld-
quellen des Ural lockten, daß aber nach Norden und namentlich nach Nord-
westen ihre Kenntnis nicht über das nächste hinausging.1
Dagegen hat man anscheinend mit mehr Recht von der makedonischen Küste
50 herauf eine Landverbindung mit dem Norden in Spuren konstatiert,2 die aller-
dings nur in griechischen Münzen, nicht etwa griechischen Kunstarbeiten be-
stehen und die meist erst der Zeit nach Alexander angehören. In Ungarn und
Siebenbürgen sind Münzen von Thasos, auch Apollonia und makedonischen
Königen nicht selten und von da gehen dünne Spuren auch nach dem Weichsel-
gebiete. Der berühmte Fund von Schubin, eine Anzahl archaische, gewöhnlich
Athen, neuerdings Euböa zugeschriebene kleine Silbermünzen wird denselben
Weg gekommen sein, etwa von der Chalkidike. Indess hat Friedländer nach-
gewiesen, daß dem Funde die volle Beglaubigung fehle und er als wissenschaft-
lich sichere Tatsache nicht gelten darf.3
Doch da unser Fund ja in die nordpontischen Gegenden gehört, so berührt
uns der eben erwähnte Handelsweg überhaupt nicht. Nur das will ich noch
hervorheben, daß auch ich keinerlei sichere Spuren einer direkten Einwirkung
von Griechenland her in den Altertümern unseres Nordens habe finden können,
wie dies bei der Annahme lebhafteren Handelsverkehrs doch der Fall sein müßte.
Ich sehe hier natürlich ab von den auch für Griechenland vorhistorischen Zeiten,
da es eine eigentlich griechische Kunst noch nicht gab; da scheinen allerdings starke,
verbindende Fäden vom Süden durch Ungarn nach dem hohen Norden zu
gehen.* Doch aus dem historischen Griechenland lassen sie sich nicht nach-
weisen. Die Spuren der klassischen Kultur in importierten oder im Anschlüsse
an solche gearbeiteten Dingen weisen auch im Osten Deutschlands, im Gebiete
der Oder und Weichsel überall nur auf den von Oberitalien über die Alpen
kommenden Strom.6 Die beiden sichern Bernsteinhauptstraßen vom Norden,
1 Vgl. Her od. IV, 24 f. Neu mann, Hellenen im Skythenlande S. 128 f. 207. 210.
1 Vgl. Genthe a. a. O. S. 27.
1 Vgl. Friedländer in v. Sallets Num. Zeitschr. V, S. 213 ff. Die Angaben über
Funde griechischer Münzen im östlichen Deutschland, Polen und dem Ostseegebiete
bedürfen auch nach Ausscheidung der bekannten Fälschungen alle noch sehr der kri-
tischen Sichtung. Die letzten Verzeichnisse derselben s. bei Heibig a. a. O. S. 9.
Ocnthc a.a.O. S. 23. Undset, Auftreten des Eisens S. 175 ff. (vgl. S. 506). Hinzu-
zufügen ist v. Sallets Num. Zeitschr. VI, S. 137 und Polnische Corresp., Posen 1883,
14. April und 28. April.
* Vgl. zuletzt Sophus Müller, Den europaeiske Bronzealders oprindelse (Aarbörger
for nord. Oldk. 1882, S. 279 ff.).
• Vgl. jetzt hauptsächlich das Werk von Undset, Auftreten des Eisens in Nord-
pa, 1882, das eine Übersicht des vorhandenen Materials bietet. Sein Resultat ist
dasselbe, das oben angedeutet wurde und das von seiten der klassischen Archäologie nur
bestätigt werden kann. Auch die griechischen Vasen, die zuweilen im Norden gefunden
werden schon protokorinthische in Bayern, s. Lindenschmit, Alt. d. Vorz. III, 7 Taf. 1,
Der Goldfund von Vettersfelde. 515
einerseits nach der Pomündung, andererseits nach Massilia, waren für die Be- 51
fruchtung des Nordens mit Keimen klassischer Kultur von der sichtlichsten Be-
deutung, während die vermuteten Handelsstraßen nach Griechenland oder gar
nach dem Schwarzen Meere gar keine Einwirkung zurückgelassen hätten.
Wir kehren zu unserem Funde zurück und fragen nun: wenn er nicht durch
Handel gekommen sein kann, kam er vielleicht durch Raub, vielleicht sogar
erst in recht junger Zeit? Haben ihn die Stürme der Völkerwanderung oder
noch spätere Raub- und Beutezüge von Südosten dahin geweht? Die Kurgane
Südrußlands sind ja schon seit alter Zeit offenbar eine Lockung für goldgierige
Plünderer gewesen; kam unser Fund dann etwa von Hand zu Hand nach manchem
blutigen Schicksale endlich im Boden von Vettersfelde zur Ruhe?
So möglich solche Gedanken an sich scheinen, so sehr sprechen doch Tat-
sachen dagegen. Es ist die fast unberührte Integrität unseres Fundes, die jene
Annahmen uns verbietet. Denn wäre es nicht ein Wunder zu nennen, wenn ein
aus Golddurst geraubter Schatz so rein und unvermindert zirka 200 Meilen
weit gelangt wäre, ohne daß sich irgend etwas Fremdes, auch nur irgend ein
kleines Stückchen aus einem anderen Raube oder aus der Zeit des Räubers hätte
beigemischt und ohne daß die für diesen völlig wertlosen Stücke des Fundes
verloren gegangen wären? Denn selbst der Schleifstein, dieser unnütze Ballast,
ist in seiner ganzen Länge erhalten, während doch nur sein so leicht abzubrechen-
der Griff Wert hatte. Und so ist ja auch der Dolch, der nur aus Eisen be-
stand, noch vorhanden, und selbst ein so kleines Stückchen, wie der Bronze-
beschlag, Taf. III, 4 [20, 4], ist nicht verloren. Und wie intakt sind die Stücke
selbst. Wenn nicht Feuer dieselben mehrfach beschädigt hätte, würde man
glauben, sie seien eben aus der Werkstatt gekommen; da ist auch nirgends die
Spur vom Abgreifen und Abschleifen durch viele Hände: der Weg nach Vetters-
felde muß ein rascher und kurzer gewesen sein.
Aber welcher und wann? Hier liegt das Rätsel, das Geheimnis des Fundes,
das wir ihm zu entlocken kaum je im Stande sein werden. Hier hat die Wissenschaft
ein Ende und es ist nur ein Gedanke, eine Frage an das stumme Rätsel, wenn ich
zum Schlüsse an etwas erinnere, das vielleicht der Schlüssel dazu sein könnte.
3—6 [vgl. oben S. 391 Anm. 7]; altkorinthische auf der Rheinstraße, und spätere; die nörd-
lichste wohl die von Freisdorf in Hannover, die öfter abgebildet ist, zuletzt beiUndset,
S. 276), zeigen schon durch ihr Verbreitungsgebiet, daß sie über Italien kamen. Gerade
in der Lausitz und ihrer Umgebung sind Zeugnisse der sog. Hallstattkultur häufig; am
sichersten und bedeutendsten sind die gewellten Bronzecisten, die bekanntlich östlich
bis Posen vorkommen. Eine in Schlesien und Posen lokalisierte eigene Gattung feiner
und mit ursprünglich glänzender roter und brauner Farbe bemalter Gefäße (vgl. Unds et
S. 67 ff. 80 ff. 94 ff.; Bus chi ng, Heidn. Altert. Schlesiens Taf. 10, 4. 5; 1, 1. 2. Zeitschr.
für Ethnol. VI, Taf. 15; Herr Geheimrat Virchow hat mir seine reiche Sammlung dieser
Gattung zu studieren verstattet) scheint ebenfalls nach Südwesten zu die nächsten An-
knüpfungen zu haben.
33*
516 Der Goldfund von Vettersfelde.
Wir bestimmten als Verfertigungszeit unseres Fundes ungefähr das Ende des
hsten Jahrhunderts. Ist es nicht seltsam, daß gerade um dieselbe Zeit ein
machtiger Strom pontischer Skythen sich nach Norden und Nordwesten wälzte?
Vom Heere des Darius von der Donau her bedroht, und um denselben von
der Küste weg ins Innere zu locken, zogen die Skythen ja damals mit allem
W9S sie hatten, nordwestlich und rissen die benachbarten Stämme mit sich. All
ihre Habe und die Kinder und Frauen schickten sie mit den Wagen voran und
ihnen selbst scheint es gelungen zu sein, die Perser sogar bis in die Gegend
des Quellgebietes von Dnjepr und Bug zu locken.1 Liegt hier nicht vielleicht
ein Fingerzeig, wenn wir den Skythen selbst wenigstens auf halbem Wege nach
Ycttersfelde begegnen, und war unser Fund die neue Prachtausstattung eines
Häuptlings, die er zu retten suchte?
Wir dürfen wohl mit einer Frage schließen, nachdem uns der Weg bis dahin
auch feste Resultate gebracht hat, die unseren sicheren Besitz in so merkwürdiger
Weise erweitern.
1 Herod. IV, 121 ff. und die Kritik bei Duncker, Gesch. d. Alterth. IV, 5. Aufl.
S. 505 ff.
TAFEL 1.
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TAFEL 3.
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BRONZESTATUETTE AUS PERGAMON IN BERLIN.
A. Furtwängler: Kleine Schriften I.
TAFEL 5.
MARMORTORSO IN BERLIN.
A. Furtwängler: Kleine Schriften I.
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I. MARMORSTATUE, LONDON.
8. MARMORSTATUE, NEAPEL.
3. MARMORSTATUE, NEAPEL.
4. WANDGEMÄLDE, POMPEI. 5. BRONZESTATUETTE, BERLIN. fi. WANDGEMÄLDE, POMPEI.
urtwängler: Kleine Schiiften I.
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CRATERE RAPPRESENTANTE BACCO ED ARIANNA.
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ARCHAISCHER GOLDSCHMUCK
1. AUS ATHEN. 2. AUS ETRURIEN
A. Furtwängler: Kleine Schriften I
TAFEL 18
GOLDFUND VON VETTERSFELDE
Furtwängler: Kleine Schriften I
TAFEL ig
GOLDFUND VON VETTERSFELDE
A. Furtwängler: Kleine Schriften I
TAFEL 20
GOLDFUND VON VETTERSFELDE
A. Furtwängler: Kleine Schriften I
Münchener Archäologische Studien
Dem Andenken Adolf Furtwänglers gewidmet
Mit 96 Abbildungen und 16 Tafeln Gebunden M 25.
Inhalt: I. Merkantile Inschriften auf attischen Vasen. Von Dr. RUDOLF HACKL. — II. Römische weibliche
Gewandstatuen. Von Dr. ANTON HEHLER. — III. Griechische Schilde. Von Dr. GEORG LIPPOLD. —
IV. Das Knielaufschema und die Darstellung des Laufens und Fliegens in der älteren griechischen Kunst.
Von Dr. EDUARD SCHMIDT.
Die hier vereinigten vier Arbeiten von Schülern Adolf Furtwänglers sind noch unter der
Anregung und Mitwirkung des berühmten Münchener Archäologen entstanden. Die Ver-
fasser haben sich entschlossen, ihre Arbeiten in einem Bande zu vereinigen und dem
Andenken ihres Lehrers zu widmen. Die behandelten Gegenstände liegen teilweise auch
im engeren Interessenkreise des humanistischen Gymnasiums, so daß der mit Anschauungs-
material reich versehene Band den Bibliotheken und Lehrern dieser Anstalten als ein wert-
volles Lehrmittel willkommen sein dürfte.
Altgriechische Plastik
Eine Einführung in die griechische Kunst des archaischen und gebundenen Stils
von Dr. W. LERMANN
Mit 80 Textbildern und 20 farbigen Tafeln, enthaltend Nachbildungen
von Gewandmustern der Mädchenstatuen auf der Akropolis zu Athen.
In Leinwand gebunden M 25. — In feinem Halbfranzband M 30.—
„Meine Anzeige dieses Werkes hat vor allem die Bedürfnisse der Schulmänner zu berück-
sichtigen, für die ja Lermann ausdrücklich auch geschrieben haben will. Da stehe ich nicht an,
zu erklären, daß er uns ein vortreffliches Hilfsmittel geboten hat, unsere Kenntnisse dieser
ältesten Epoche griechischer Kunst aufzufrischen und nach dem neuesten Stande der Wissen-
schaft zu erweitern. Es ist zu wünschen, daß das Buch in unsre Anstaltsbibliotheken ein-
gereiht und recht fleißig benützt wird. Freilich kann in archäologischen Vorträgen die alte
Zeit nur kurz gestreift werden, aber das Studium eines solchen, die Stilentwicklung besonders
betonenden Buches wird für den Lehrer stets lehrreich sein und ihm zugute kommen bei
Erläuterung der Kunstwerke späterer Zeit." Blätter für das bayeriscfie Gymnasialwesen.
Athenatypen auf griechischen Münzen
Beiträge zur Geschichte der Athena in der Kunst
von Dr. W. LERMANN
VI, 92 Seiten gr. 8° mit zwei Münztafeln Geheftet M 3.50
Kordax
Archäologische Studien zur Geschichte eines antiken Tanzes
und zum Ursprung der griechischen Komödie
von HEINZ SCHNABEL
IV, 66 Seiten 8° mit 2 Tafeln Geheftet M 3.—
C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung Oskar Beck in München
Archäologie der altchristlichen Kunst
von Dr. VICTOR SCHULTZE, Professor an der Universität Greifswald
XU. 382 Seiton gr.8° Mit 120 Abbildungen Geheftet M 10.—
An einem zusammenfassenden und erschöpfenden Handbuch der Archäologie der alt-
christlichen Kunst hat es bisher gefehlt, so oft sich auch schon das Bedürfnis darnacli
geltend machte. Victor Schnitze gehört dermalen zu den ersten Kennern dieses Gebietes.
Seine reich illustrierte Arbeit darf als epochemachend ebensowohl auf dem Gebiete der
Kunst als der Kirchengeschichte bezeichnet werden.
Die Quedlinburger Itala-Miniaturen
der königlichen Bibliothek in Berlin
Fragmente der ältesten christlichen Buchmalerei herausgegeben von
Dr. VICTOR SCHULTZE, Professor an der Universität Greifswald
IV, 144 Seiten gr.4° Mit sieben Tafeln und acht Textbildern Geheftet M 15.—
Die Insel Malta im Altertum
von ALBERT MAYR
■Mit Unterstützung der Königl. bayer. Akademie der Wissenschaften)
IV, 156 Seiten 8° mit 36 Abbildungen im Text und einer Karte Geheftet M 10. —
Die vorliegende Monographie vereinigt in übersichtlicher und geschlossener Darstellung
alles in älterer wie in neuester Zeit geförderte Wissen über die maltesische Inselgruppe;
vortreffliche Abbildungen, zum Teil hier erstmals veröffentlicht, erhöhen den praktischen
Wert des Werkes.
Die römischen Privataltertümer
Von HUGO BLÜMNER, o. Prof. der klassischen Philologie a. d. Univ. Zürich
Mit 86 Abbildungen. 1911. XV, 677 Seiten Lex. 8°. Geh. M 12.— , in Halbfrzbd. M 14.-
IHandbudi der klassischen Altertumswissensdiaft. IV. Band, 2, Abteilung, 2. Teil]
Grundriß der griechischen Geschichte
nebst Quellenkunde
Von Dr. ROBERT VON PÖHLMANN, o. Prof. an der Universität München
4., neubearbeitete Auflage. 1910. 342 Seiten Lex. 8°. Geh. M 5.80, in Halbfrz. geb. M 7.50
//fandbudi der klassisdien Altertumswissenschaft. III. Band, 4. Abteilung]
Grundriß der römischen Geschichte
nebst Quellenkunde
Von Dr. BENEDIKTUS NIESE, Professor an der Universität Marburg a. L.
4., verb. u. verm. Auflage. 1910. VII, 454 Seiten Lex. 8°. Geh. M 8.—, in Halbfrzbd. M 9.80
[Ifandbudi der klassischen Altertumswissenschaft. III. Band, 5. Abteilung]
M Beck'sche Verlagsbuchhandlung Oskar Beck in München
Wilhelm von Christ's
Griechische Literaturgeschichte.
In Verbindung mit Dr. OTTO STÄHLIN, Prof. an der Universität Würzburg
bearbeitet von Dr. WILHELM SCHMID, o. Prof. an der Universität Tübingen
1. Teil: Die klassische Periode der griechischen Literatur. 6., durchgesehene Auflage
1911. 50 Bogen Lex.8°. Geh. M 13.50, in Halbfranzband M 15.80. (Soeben erschienen!)
2. Teil, erste Hälfte: Nachklassische Literatur von 320 v. Chr. bis 100 n. Chr.
5. Auflage. 32 Bogen Lex. 8°. Geheftet M 9.—, in Halbfranz gebunden M 10.80.'
Zweite Hälfte (Schluß des Werkes) : Nachklassische Literatur von 100 bis 527 n. Chr.
erscheint im Jahre 1912.
[Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft. VII. Band]
Martin von Schanz
Geschichte der römischen Litteratur
bis zum Gesetzgebungswerk des Kaisers Justinian
1. Teil: Die römische Litteratur in der Zeit der Republik. Erste Hälfte: Von den
Anfängen der Litteratur bis zum Ausgang des Bundesgenossenkrieges. Mit
Register. 3., gänzlich umgearbeitete und stark vermehrte Auflage. (1907.) XII, 362 Seiten
Lex. 8°. Geheftet M 7—, Halbfranzband M 8.80. — Zweite Hälfte: Vom Ausgang des
Bundesgenossenkrieges bis zum Ende der Republik. Mit Register. 3., ganz um-
gearbeitete und stark vermehrte Auflage. (1909.) XII, 531 Seiten Lex. 8°. Geheftet M 10.-,
in Halbfranzband M 12.—
2. Teil : Die römische Litteratur in der Zeit der Monarchie bis auf Hadrian. Erste
Hälfte: Die augustische Zeit. Mit Register. 3., ganz umgearbeitete und stark ver-
mehrte Auflage. (1911.) X, 604 Seiten Lex. 8°. Geheftet M 10.— , in Halbfranzband
M 12.—. — Zweite Hälfte: Vom Tode des Augustus bis zur Regierung Hadrians.
3. Auflage in Vorbereitung.
3. Teil: Die römische Litteratur von Hadrian bis auf Constantin (324 n. Chr.).
Mit Register. 2. Auflage. (1905.) XVI, 512 Seiten Lex.8°. Geheftet M 9.—, in Halb-
franzband M 10.80.
4. Teil, erste Hälfte: Die Litteratur des 4. Jahrhunderts. 2. Auflage in Vorbereitung
(Die zweite, das ganze Werk abschließende Hälfte des 4. Teils erscheint baldmöglichst.)
[Handbuch der klassisdien Altertumswissenschaft. VIII. Band, 1. — 4. Teil]
Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters
Von MAX MANITIUS
Erster Teil: Von Justinian bis zur Mitte des zehnten Jahrhunderts
XIII, 766 Seiten Lex. 8° Geheftet M 15.—, in Halbfranzband M 17.50
[Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft. IX. Band, 2. Abteilung, 1. Teil]
C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung Oskar Beck in München
Vorlesungen und Abhandlungen
aus dem Nachlaß von Ludwig Traube
weiland o. Professor der lateinischen Philologie des Mittelalters an der Universität München
1 Icrausgegeben von Dr. FRANZ BOLL
o. Professor der klassischen Philologie in Heidelberg
Erster Band: Zur Paläographie und Handschriftenkunde. Herausgegeben von PAUL
LEHMANN. Mit biographischer Einleitung von FRANZ BOLL. 1909. LXXV, 263 Seiten
v. Geheftet M 15.—, in Halbfranzband M 18.—
Zweiter Band: Einleitung in die lateinische Philologie des Mittelalters. Heraus-
gegeben von PAUL LEHMANN. IX, 176 Seiten gr. 8°. Geheftet M 8.—, in Halb-
franzband M 11. —
Dritter Band: Oberlieferungsgeschichte der römischen Literatur. Herausgegeben von
FRANZ BOLL.
Vierter Band: Geschichte der Halbunciale. Herausgegeben von PAUL LEHMANN.
Fünfter Band: Gesammelte kleine Schriften. Herausgegeben von FRANZ SKUTSCH.
Der Preis der Bände richtet sich nach dem Umfang. Als Subskriptionspreis sind für den
Druckbogen etwa 70 Pfennig angesetzt. Die Verlagsbuchhandlung behält sich eine Erhöhung
dieses Preises nach Abschluß der gesamten Publikation vor.
Quellen und Untersuchungen I
zur lateinischen Philologie des Mittelalters
Begründet von LUDWIG TRAUBE
weiland Professor der klassischen Philologie an der Universität München
Subskriptionspreis für jeden Band M 15. —
Es liegen vor :
I. Band, 1. Heft: Sedulius Scottus von Dr. S. HELLMANN, Privatdozent der Geschichte
an der Universität München. XV, 203 Seiten Lex. 8°. Einzelpreis M 8.50
2. Heft: Johannes Scottus von E. K. RAND, Assistant-Professor of Latin at Harvard-
University. XIV, 106 Seiten Lex. 8°. Einzelpreis M 6. —
3. Heft: Untersuchungen zur Überlieferungsgeschichte der ältesten lateinischen
Monchsregeln von Dr. HERIBERT PLENKERS. XI, 100 S. Lex. 8° und zwei Tafeln in
Folio. Einzelpreis M 7. —
II. Band: Nomina sacra. Versuch einer Geschichte der christlichen Kürzung von
Dr. LUDWIG TRAUBE, Professor der lateinischen Philologie des Mittelalters an der
Universität München. Mit Traubes Porträt. X, 287 Seiten Lex. 8°. Einzelpreis M 15 —
III. Band, 1. Heft: Franciscus Modius als Handschriftenforscher von Dr. PAUL LEHMANN.
XIII, 151 Seiten Lex. 8". Einzelpreis M 7.—
2. Heft: Die Textgeschichte Liudprands von Cremona von Dr. JOSEPH BECKER.
VII, 46 Seiten Lex. 8°. Mit 2 Tafeln. Einzelpreis M 2.50
3. Heft: Die ältesten Kaiendarien aus Monte Cassino von Dr. E. A. LOEW.
XVI, 84 Seiten Lex. 8". Mit 3 Tafeln. Einzelpreis M 6 —
5. Heft: Die Gedichte des Paulus Diaconus. Kritische und erklärende Ausgabe von
Dr. KARL NFII . XX, 231 Seiten Lex. 8°. Mit 1 Tafel. Einzelpreis M 10.—
IV. Band, 1. Heft: Johannes Sichardus und die von ihm benutzten Bibliotheken und Hand-
schriften von Dr. PAUL LEHMANN. X, 237 Seiten Lex. 8». Einzelpreis geheftet M 10.—
C. H. Beck'sche Verlagsbuchhandlung Oskar Beck München
MAY 4 1972
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Furtwär Ado]r
5^n^ '^»inp Schriften
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